Liebe ist ein starkes Band - Britta Frey - E-Book

Liebe ist ein starkes Band E-Book

Britta Frey

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Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! »Jetzt wirst du aber sofort dein Breichen essen, sonst siehst du noch aus wie ein Strich in der Landschaft! Außerdem kann man sich nicht immer von Pommes und Ketchup ernähren, und Cola gibt es schon gleich gar nicht! Diese Kinder!« Maike lächelte, als sie diesen Monolog vor ihrem Fenster hörte, wo ihre fünfjährige Tochter Maja mit ihrer Puppe spielte. Es klang täuschend echt nach ihrer Großmutter, Oma Rieke. Maja und Maike lebten in ihrem Haus seit der Scheidung vor einem Jahr. Die alte Dame war zwar schon dreiundsiebzig Jahre alt, aber zäh wie Leder, wie sie von sich selbst behauptete. Sofort hatte sie damals angeboten, Maike bei sich aufzunehmen. »Wenn dir ein einfaches Haus in der Heide genügt, mein Kind, dann nur immer zu, ein bißchen frischer Wind tut mir alter Frau nur gut. Ich erwische mich schon immer dabei, wie ich mich mit Opa Fritz unterhalte, dabei liegt der doch schon seit zwanzig Jahren unter der Erde. Tüdelig bin ich nämlich noch nicht.« »Nein, Oma Rieke, das kann man wirklich nicht behaupten, daß du tüdelig bist. Und für Maja wäre es hier in Ögela natürlich traumhaft, wo könnte sie sonst so herrlich frei aufwachsen! Wenn es dir also nichts ausmacht…«, hatte Maike damals sehr erleichtert geantwortet. »Papperlapapp, Familie muß zusammenhalten! Und deinen Verflossenen konnte ich sowieso nie leiden, da konnte er noch so charmant sein! Seine Augen waren wie Kieselsteine! Aber euch jungen Dingern kann man ja nichts erzählen, ihr wißt eh alles besser!« Plötzlich hatte sie verschmitzt gegrinst.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Kinderärztin Dr. Martens – 94 –Liebe ist ein starkes Band

... und sie hat heilende Kräfte

Britta Frey

»Jetzt wirst du aber sofort dein Breichen essen, sonst siehst du noch aus wie ein Strich in der Landschaft! Außerdem kann man sich nicht immer von Pommes und Ketchup ernähren, und Cola gibt es schon gleich gar nicht! Diese Kinder!«

Maike lächelte, als sie diesen Monolog vor ihrem Fenster hörte, wo ihre fünfjährige Tochter Maja mit ihrer Puppe spielte. Es klang täuschend echt nach ihrer Großmutter, Oma Rieke. Maja und Maike lebten in ihrem Haus seit der Scheidung vor einem Jahr.

Die alte Dame war zwar schon dreiundsiebzig Jahre alt, aber zäh wie Leder, wie sie von sich selbst behauptete. Sofort hatte sie damals angeboten, Maike bei sich aufzunehmen.

»Wenn dir ein einfaches Haus in der Heide genügt, mein Kind, dann nur immer zu, ein bißchen frischer Wind tut mir alter Frau nur gut. Ich erwische mich schon immer dabei, wie ich mich mit Opa Fritz unterhalte, dabei liegt der doch schon seit zwanzig Jahren unter der Erde. Tüdelig bin ich nämlich noch nicht.«

»Nein, Oma Rieke, das kann man wirklich nicht behaupten, daß du tüdelig bist. Und für Maja wäre es hier in Ögela natürlich traumhaft, wo könnte sie sonst so herrlich frei aufwachsen! Wenn es dir also nichts ausmacht…«, hatte Maike damals sehr erleichtert geantwortet.

»Papperlapapp, Familie muß zusammenhalten! Und deinen Verflossenen konnte ich sowieso nie leiden, da konnte er noch so charmant sein! Seine Augen waren wie Kieselsteine! Aber euch jungen Dingern kann man ja nichts erzählen, ihr wißt eh alles besser!«

Plötzlich hatte sie verschmitzt gegrinst.

»Na ja, ich war wohl damals nicht anders. Opa Fritz war nicht gerade der Traummann, den meine Mutter sich für mich erhofft hatte!« Sie kicherte. »Wir waren schon fest entschlossen, daß er mich entführen sollte, stell dir das vor! Aber dann hat meine Mutter doch noch nachgegeben, sie kannte ja meinen Dickkopf!«

Maike mochte ihre Großmutter, wenn sie manchmal auch ziemlich direkt war. Sie war jetzt die einzige Verwandte, die sie noch hatte, ihre Eltern waren bei einem Verkehrsunfall vor fünf Jahren ums Leben gekommen.

Maike beugte den Kopf wieder über die Zeichnung, die sie gerade für ein Kinderbuch anfertigte. Sie hatte seit einem Dreivierteljahr wieder Arbeit in ihrem Beruf als Kinderbuchillustratorin. Es machte Spaß, die Phantasie der Kinder, die das Buch später in den Händen halten würden, anzuregen mit hübschen Zeichnungen. Ihre strengste Kritikerin war Maja.

»Mama? Biste bald fertig?«

»Hmmm, nach dieser Zeichnung höre ich für eine Weile auf. Was möchtest du denn?«

»Können wir uns nicht die Kätzchen anschauen gehen bei Bauer Fiete?«

»Du sollst nicht immer Fiete sagen, er heißt Herr Harms für uns!«

»Aber seine Frau ruft doch auch immer ›Fiete‹!«

Maike verbiß sich ein Lachen. Frau Harms war eine sehr resolute Person, ihr Mann ein ziemlich kleiner, leicht verschüchterter Typ, der jedesmal zusammenzuckte, wenn sie ihre Stimme erhob.

Ihre Tochter war eine scharfe Beobachterin, tatsächlich hieß es auf dem Hof der Harms ständig »Fiete hier und Fiete da«!

»Trotzdem, mein Schatz. Wenn ich fertig bin, rufe ich dich, dann gehen wir zu den Kätzchen. Sag der Omama Bescheid und kämm dich, du siehst ja aus wie Struwwelpeter.«

Sie fuhr ihrer kleinen Tochter zärtlich durch die blonden Locken, die sich nie an die erwünschte Frisur, heute kleine Mauseschwänze, hielten, sondern rechts und links aus den Zopfspangen heraussprangen.

Maja grinste sie an, ihre Zahnlücke ließ sie richtig frech aussehen. Vor ein paar Tagen war der linke obere Schneidezahn herausgefallen. Die blauen Augen blitzten unternehmungslustig.

Maike sah ihr nach, als sie aus dem Zimmer hinausging. Sie war ein sehr hübsches Kind, Maike war stolz auf sie. Aber nicht nur ihr Aussehen war es, nein, auch die Gradlinigkeit der Kleinen. Sie ließ sich nicht beeindrucken von schönen Geschenken oder Versprechungen. Wie gut, daß sie nicht ihrer Großmutter, der Mutter ihres geschiedenen Mannes, nachschlug!

*

Am Abend, Maja schlief bereits in ihrem Zimmer, saß Maike noch auf der Bank vor dem Haus, ihre Oma Rieke neben sich, die gerade wieder versuchte, endlich in das Geheimnis des Strümpfestrickens einzudringen. Immer, wenn sie bei der Ferse ankam, verdrehten sich die vier Stricknadeln auf geradezu bösartige Weise.

»Wer soll die Strümpfe eigentlich tragen? Du vielleicht?«

»Wo denkst du hin, Kind? Sehe ich etwa so aus, als würde ich graubraune Wurschtelstrümpfe tragen?« fragte die Großmutter empört.

»Und warum strickst du sie dann?«

»Man kann sie doch spenden! Das Rote Kreuz hat immer Bedarf an solchen Dingen.«

»Und dann quält sich irgendein armer Mensch damit, daß du lauter Knoten und Löcher in seine Strümpfe gestrickt hast? Er wird deiner nicht gerade liebevoll gedenken, wenn er Blasen hat an den Füßen!«

Friederike ließ die Nadeln sinken und lachte nun auch.

»Du hältst mich wohl für eine sehr dumme alte Frau, was? Könnte sein, daß du recht hast.«

»Nein, Oma, ich finde dich fabelhaft. Du kannst so viele Dinge, es muß ja nicht gerade Stricken sein!«

Sie gab ihr einen Kuß auf die weiche, flaumige Haut. Oma Rieke hatte eine wunderbare Haut, wenig Falten, außer um die Augen, die sie jetzt fröhlich anblickten. Das früher leuchtende Blau war schon etwas verwaschen, wie oft bei alten Leuten.

»Na gut, dann werde ich uns jetzt mal einen Lütten einschenken, gut für den Magen!«

Sie ging ins Haus und kam mit zwei Schnapsgläsern wieder heraus, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt waren. Wacholderschnaps, eine Spezialität der Gegend.

»Na, denn mal Prost, Kind, ah, das tut meinen alten Knochen gut.«

Sie schüttelte sich leicht, nachdem sie den Schnaps getrunken hatte. Er wärmte im Nu durch und durch. Auf diese kleinen Freuden verzichtete sie nicht gern.

»Wann fährst du zu deinem Verleger? Morgen?«

»Nein, erst übermorgen. Ich bin noch nicht fertig.«

»Gut, dann kann ich morgen ja Maria besuchen. Ich gehe jetzt schlafen, Liebes, mach nachher noch das Gartenlicht aus, ja?«

Maike blieb noch ein wenig sitzen. Sie mochte die abendliche Stille, wenn die meisten Leute vor ihren Fernsehern saßen, die kleine Maja schlief und sie auch zur Ruhe kam.

Siebenundzwanzig Jahre alt war sie jetzt. Seit einem Jahr hatte sich ihr Leben ganz schön drastisch verändert, aber es gefiel ihr so.

Früher hatte sie viele Parties besuchen müssen, Einladungen gegeben, damit Klaus Siebers, ihr Ex-Mann, seine Karriere ausbauen konnte. Er war Architekt. Sein Erfolg bedeutete ihm alles, dadurch entfremdeten sie sich immer mehr. Am meisten weh getan hatte Maike, daß er sich kaum um Maja kümmerte. Er hätte wohl lieber einen Sohn gehabt. Schon während der Schwangerschaft hatte er ständig von dem »Junior« gesprochen. Maike konnte kaum glauben, daß er diesen alten Zöpfen nachhing. Hatte er noch nie gehört, daß auch Frauen gute Architekten sein konnten oder was auch immer? Na ja, bei der Mutter, die er hatte, war seine Einstellung wohl kein Wunder.

Maike schmunzelte. Wenn er sie jetzt sehen würde! Sie trug Jeans, die schon mal bessere Tage gesehen hatten, ein kariertes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und Holz-Clogs. Nach dem Abendessen hatte sie Oma Rieke im Gemüsegarten geholfen. Unter den Fingernägeln waren davon noch deutliche Spuren zu sehen.

Langsam wurde es kühl. Sie machte noch eine Runde durch den Garten, in dem es jetzt im Juni schon üppig blühte. Denn Friederike Heitmann konnte zwar nicht Strümpfe stricken, aber einen grünen Daumen hatte sie allemal!

Sie löschte das Gartenlicht, schloß die Haustür ab und ging in ihr Zimmer hinauf. Es war erst halb zehn, eine Stunde könnte sie noch arbeiten, dann hätte sie morgen Zeit, mit Maja einen Ausflug in die Heide zu machen, damit sie sich mal wieder richtig austoben konnten. Vorausgesetzt, das Wetter spielte mit.

*

»Seid ihr endlich fertig? Was, du nimmst dir noch ein Brötchen? Das ist ja schon das dritte!«

»Ich denke, ich soll groß und stark werden, Papa? Da muß ich ja wohl ordentlich essen, was?« antwortete Sebastian grinsend.

Die sechsjährigen Zwillinge Sebastian und Florian glichen einander wie ein Ei dem anderen. Max von Scheidner, der Vater der Jungen, machte mit ihnen einen dreiwöchigen Urlaub in der Heide. Seine Mutter Dorothea begleitete sie. In Hamburg war sie es, die die Kinder betreute, denn die Mutter war vor vier Jahren bei einem Unfall gestorben.

Sie saßen noch beim Frühstück im Heidekrug. Anschließend war ein langer Spaziergang durch die Heide geplant, mittags würde sich dann Dorothea von Scheidner ihren Unternehmungen anschließen, die heute vormittag andere Pläne hatte.

Max wartete, bis seine Söhne ihren Riesenhunger gestillt hatten. Nachdem sie sich die von Honig verschmierten Hände und Münder gewaschen und ihre Schnitzmesser geholt hatten, konnte es endlich losgehen.

Max genoß die Ruhe hier in der Heide. Zu Hause in Hamburg kam er nicht so oft dazu, mit seinen Söhnen zu spielen und sich mit ihnen zu unterhalten. Höchstens am Wochenende ließ ihm sein Beruf Zeit. Um so besser gefiel es ihm, ihnen bei ihren phantasiereichen Gesprächen zuzuhören.

»Floh und ich wollen uns einen Geheimplatz suchen. Meinst du, wir finden hier so was?«

»Warum nicht? Aber wozu braucht ihr den?«

Sebastian, meistens Basti genannt, druckste herum. Florian antwortete für ihn.

»Neulich haben wir gehört, wie der alte Mann beim Kartenspielen von einem Geist der Heide sprach. Wenn wir uns ein Versteck suchen und lange genug warten, sehen wir den vielleicht mal!«

Max stutzte. Geist der Heide? Was sollte das sein? Plötzlich kam ihm eine Erleuchtung.

»Damit hat er bestimmt nicht einen richtigen Geist gemeint, sondern…, wart mal, wie soll ich das am besten erklären? Ja, also, jede Gegend zum Beispiel hat ihre Besonderheiten. Man könnte also statt Geist der Heide auch Besonderheit der Heide sagen!«

Basti sah enttäuscht aus, aber Florian gab so schnell nicht auf. Ihm gefiel der Gedanke, einen leibhaftigen Geist zu treffen, jedenfalls theoretisch.

»Vielleicht ist die Besonderheit ja der Geist? Kann doch sein! Weißt du doch auch nicht, Papa.«

Max lachte.

»Da hast du natürlich recht. Aber ich glaube, ihr würdet einen ganz schönen Schrecken bekommen, wenn ihr einen Geist seht. Also wünscht es euch lieber nicht. Darf es auch ein Zwerg, eine Fee oder so was sein?«

»Gibt’s die denn hier?« Wieder war es Florian, der hoffnungsvoll fragte.

»Na ja, zumindest im Märchen. Man sagt solchen Gegenden, also mit viel unberührter Natur, nach, daß sich Zwerge und Feenwesen dort wohl fühlen. Aber ob es die gibt? Nein, ich glaube nicht.«

»Aber versuchen können wir es doch mal? Ich suche mir jetzt einen Stock, dann schnitze ich ein bißchen. Los, Basti, komm mit!«

Die Jungen liefen vorweg, Max bummelte geruhsam hinterher. Wie schön, daß sie hier ungestört herumtoben konnten, fernab vom Straßenverkehr.

Er setzte sich auf eine Bank, die an einem herrlichen Aussichtspunkt stand. Die Zwillinge suchten unter den Bäumen, Wacholder, Birken und Kiefern, nach einem geeigneten Platz für ihre Höhle. Hin und wieder hörte er ihr Rufen, mit dem sie sich auf Entdeckungen aufmerksam machten. Sonst war weit und breit kein Mensch, schon gar kein Geist zu sehen.

Er war wohl etwas eingedöst, als er plötzlich eine Kinderstimme hörte, die ihm fremd war.

»Was macht ihr denn da? Kann ich mitspielen?« rief ein kleines blondgelocktes Mädchen.

»Ja«, antwortete Sebastian.

»Nein«, hörte man Florian sagen.

»Also, was suchst du?« fragte die Kleine nun Basti, während sie Florian entschlossen den Rücken zudrehte.

Das gefiel ihm nun auch wieder nicht. Er stellte sich vor ihr auf.

»Wir suchen eine Höhle, in der wir uns verstecken können!«

Die Kleine dachte eine Sekunde nach, dann deutete sie in eine bestimmte Richtung.

»Dahinten sind Findlinge, die liegen so, daß man sich darunter prima verstecken kann. Hab ich schon gemacht bei Gewitter.«

»Was? Du hast bei Gewitter in der Höhle gelegen? Hattest du denn gar keine Angst?« fragte Florian, der mächtig beeindruckt schien von ihrem Mut.

Er hatte bei Gewitter schreckliche Angst, selbst wenn er in seinem Zimmer war.

»Na ja, eigentlich war es ja mehr Wetterleuchten oder wie das heißt, aber es hat mächtig gegossen«, schränkte sie ehrlich ein.

»Kommt, ich zeig’s euch. Mama, ich zeig den Jungens die Höhle!« Erst jetzt bemerkte Max eine junge Frau, die ihm auf dem Weg entgegenkam. Sie winkte ihrer Tochter zu zum Zeichen des Einverständnisses.

»Papa, wir kommen gleich wieder!« rief Basti, allerdings ohne abzuwarten, ob Max auch nickte.

Die junge Frau war nun auf seiner Höhe. Sie war sehr hübsch, hatte ein klassisches Gesicht, wie er bewundernd feststellte.

Freundlich nickte sie ihm zu, ging aber zu seinem Bedauern weiter.

Er hatte den Gruß erwidert und sah ihr nach. Schon lange hatte ihm keine Frau mehr so gefallen wie diese Unbekannte. Sie wirkte sehr selbstbewußt, wie sie in gerader Haltung, mit einem leichten Lächeln, das wohl ihrer Tochter galt, an ihm vorbeigegangen war. Schade, ein Gespräch hätte sich doch durch die Kinder leicht ergeben! Ob er ihr nachgehen sollte?

Das erschien ihm dann aber doch zu plump.

Wahrscheinlich hatte sie ja auch einen Ehemann, also blieb er auf seiner Bank sitzen und wartete, bis seine Söhne die Inspektion der Höhle abgeschlossen hatten und zurückkamen. Ihre Stimmen hörte er noch immer, wenn er auch nicht verstand, was sie sagten.

*

Maike ging mit Maja zurück zum Haus der Großmutter. Der Spaziergang hatte beiden etwas gebracht, Maike ein bißchen Ablenkung, Maja die Bekanntschaft von zwei Jungen, von denen sie nun begeistert erzählte.

»Die sind ganz richtige Zwillinge, Mama! Sie sehen genau gleich aus, stell dir das mal vor! Basti und Flori heißen sie und kommen aus Hamburg. Flori wollte erst nicht, daß ich mitspiele, aber dann doch. Sie wollten eine Höhle suchen, ich habe ihnen meine Höhle gezeigt. Meinst du, das war richtig? Aber sie fahren ja bald wieder weg, dann ist es wieder mein Geheimnis. Gehen wir morgen wieder dorthin? Dann kann ich wieder mit ihnen spielen. Sie wohnen im Heidekrug!«

»Morgen muß ich nach Hamburg, mein Spatz. Aber vielleicht treffen wir sie ja mal im Dorf. Dann könntest du dort mit ihnen spielen.«

»Ich kann ja mal mit meinem Rad hinfahren.«

»Aber nur, wenn du vorher Bescheid sagst, hörst du? Nicht, daß Oma Rieke dich wieder suchen muß.«

»Nee, mach ich doch nicht mehr.«

Es gefiel Maike, daß ihre Tochter so schnell Freundschaften schloß. Am Anfang hatte sie Angst gehabt, daß Maja nicht genug Kinder zum Spielen finden könnte, aber auch in Ögela gab es Kindergarten und Grundschule, so daß es kein Problem wurde.

Im Augenblick war der Kindergarten geschlossen, weil zwei Kinder Masern hatten. Dadurch war Maja den ganzen Tag zu Hause.

»Wir sind wieder da, Oma Rieke«, rief Maja der alten Dame zu, die gerade ein paar Blumen im Vorgarten abschnitt.

»Ach, das ist schön. Dann können wir gleich essen. Ich will heute nachmittag noch weg. Da ist Post für dich gekommen, Maike.«

Maike erwartete einen Brief vom Verlag. Als sie den weißen Umschlag in der Hand hielt, starrte sie verwundert auf den Absender.

Rechtsanwalt Dr. Hermann, las sie. Ein Anwalt aus Lüneburg? Was konnte das bedeuten?

Sie ging in ihr Zimmer hinauf, Maja wusch sich unten die Hände. Ihre fröhlich plappernde Stimme hörte Maike bis oben. Sie riß den Umschlag auf und nahm den auf teures Papier getippten Brief heraus.

Sehr geehrte Frau Sievers,

hierdurch teile ich Ihnen höflichst mit, daß ich Ihren geschiedenen Ehemann, Herrn Klaus Sievers, in obiger Angelegenheit vor dem Vormundschaftsgericht Lüneburg vertrete. Um einen aufwendigen Amtsweg zu umgehen, möchte ich Ihnen empfehlen, sich mit dem in beiliegender Kopie an das Vormundschaftsgericht vorgeschlagenen Weg einverstanden zu erklären, da ich für Sie keine Chance sehe, den sonst unumgänglichen Prozeß zu gewinnen. Im Interesse Ihrer Tochter liegt der Wunsch meines Mandanten eindeutig in ihrem Wohl. Das sollte ausschlaggebend sein.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Maike hielt das Schreiben in der Hand, ohne ein einziges Wort zu begreifen. Noch einmal las sie die dürren, gestelzten Worte, im Betreffvermerk stand: Übertragung der Vormundschaft an Herrn Klaus Sievers, das hatte sie vorher übersehen.

Nun zerrte sie das zweite Schreiben, die Kopie, aus dem Umschlag. Es war ein Brief, den Klaus an das Vormundschaftsgericht geschickt hatte.

Sehr geehrte Damen und Herren, bei unserer Scheidung hatte ich mich vorläufig einverstanden erklärt, die gemeinsame Tochter Maja, heute fünf Jahre alt, bei meiner Frau zu belassen. Inzwischen muß ich jedoch feststellen, daß dieser Zustand unhaltbar ist.