Liebe kann man nicht kaufen - Begehren Teil. 1 - Vivian Hall - E-Book

Liebe kann man nicht kaufen - Begehren Teil. 1 E-Book

Vivian Hall

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Beschreibung

Die alleinerziehende Maxine weckt das Interesse des High Society-Schönlings Ashton Hunter, doch sie lässt ihn eiskalt abblitzen. Frustriert versucht er Maxine mit Geld zu ködern. Eine Beleidigung für die bodenständige Schönheit. Trotz finanzieller Schwierigkeiten möchte Maxine ihre Würde niemals aufgeben. Nur wie lange kann sie diesem skrupellosen Verführer widerstehen? Ashton scheint besessen von dem Wunsch, sie zu besitzen - und ihre Gegenwehr weckt seinen Jagdinstinkt erst recht ... Teil 1 der „Liebe kann man nicht kaufen“-Trilogie.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe kann man nicht kaufen

Begehren

von Vivian Hall

Begehren – Liebe kann man nicht kaufen

©2018 Vivian Hall, alle Rechte vorbehalten

Korrektorat: Linda Mignani

Lektorat: Stefanie Johann

©Coverdesign: Vercodesign

https://www.vercopremadebookcover.de

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung der Autorin weitergegeben werden.

Widmung:

Für Karin und Elisabeth, die seit so vielen Jahren mein Leben bereichern.

Ohrenbetäubender Lärm weckte mich. Schlaftrunken streckte ich die Hand aus und brachte den Wecker zum Schweigen.

„Nur noch ein paar Minuten.“ Während ich verschlafen vor mich hinmurmelte, kuschelte ich mich tiefer in die warme Kuhle, die mein Körper über Nacht in die Matratze gedrückt hatte. Eigentlich konnte ich mir diesen Luxus nicht erlauben. Ich musste Danny rechtzeitig in der Schule abliefern und anschließend zur Arbeit fahren. Mein Chef würde sicher keine Freudentänze vollführen, wenn ich nicht pünktlich erschien. Seufzend setzte ich mich auf und versuchte, den trägen Schleier, den der Schlaf auf mich gelegt hatte, loszuwerden.

Müde blinzelte ich Richtung Fenster und starrte direkt auf die hässliche Fassade des Nachbargebäudes, da die defekten Jalousien oben klemmten und ich gezwungenermaßen bei jeder Tag- und Nachtzeit hinausschauen konnte. Eine Reparatur auf eigene Kosten konnte ich mir nicht leisten. Die blöde Hausverwaltung vertröstete mich schon seit drei Monaten und versicherte mir bei jeder Nachfrage, mein Antrag sei in Bearbeitung. Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass sie wohl nie jemanden vorbeischicken würden.

„Mit mir kann man es ja machen.“ Müde schwang ich die Beine aus dem Bett und trottete ins Bad. Ich schaffte es kaum, die Augen offen zu halten. Aufgrund der krankheitsbedingten dünnen Personaldecke in Lou’s Diner musste ich seit drei Tagen Doppelschichten schieben. Selbst mein freier Samstag fiel ins Wasser. Das bedeutete, ich musste nach der Schicht im Diner direkt im Anschluss zur zweiten Arbeitsstelle. An den Wochenenden bediente ich zusätzlich im Night Runners, einem sehr beliebten Club in Downtown. Zwar ein lukratives Zubrot, allerdings zerrten die anstrengenden Stunden an meiner Substanz. Wie lange ich diese Doppelbelastung noch durchhalten konnte, ohne zusammenzuklappen, stand in den Sternen, doch Rechnungen zahlten sich nicht von allein und schienen sich auf magische Weise zu vermehren. Kaum war eine beglichen, flatterte mir schon die nächste in den Briefkasten.

Mein Leben bestand aus Arbeit und Verpflichtungen, doch ich tat es gern, um meinem Sohn Danny eine möglichst sorgenfreie Kindheit zu schenken. Auch ohne Vaterfigur. Die meisten Männer flüchteten ohnehin, sobald sie erfuhren, dass ich einen Sohn hatte. Oder sie hielten mich für leichte Beute, die man sich ins Bett nahm und danach schnellstmöglich abschob. Nur, dass ich mich nicht flachlegen ließ! Lieber machte ich es mir selbst, anstatt erneut auf einen halbseidenen Typen wie Corey Sanders hereinzufallen, und so toll war Sex überhaupt nicht. Außerdem war ich zu stolz, um als Kerbe im Bettpfosten eines minderbemittelten Idioten zu enden.

Sollte ich je den Mut aufbringen, eine Beziehung einzugehen, müsste der neue Mann an meiner Seite nett sein, zuverlässig, mit einer souveränen Persönlichkeit und starken Schultern zum Anlehnen. Für mich die bedeutsamsten Eigenschaften. Ein blendendes Aussehen und Charme konnten einen anständigen Charakter auf Dauer nicht ersetzen. Außerdem nahmen sich attraktive Männer zu wichtig, vor allem, wenn sie über ein dickes Bankkonto verfügten. Im Night Runners begegneten mir laufend Typen, die dachten, sie könnten mit Geld alles kaufen. Solchen Kerlen ging es nur ums Ficken.

Trotz meiner Entschlossenheit, niemals wieder das Opfer eines verlogenen Frauenhelden zu werden, vermisste ich ab und an die körperliche Nähe zu einem anderen Menschen. Jemand, der meine Sorgen teilte und mir in den dunkelsten Stunden Mut zusprach.

Ich schüttelte die deprimierenden Gedanken ab und putzte mir die Zähne. Der Geruch von getrockneter Wäsche lag in der Luft. Ich kippte das Fenster und frischer Sauerstoff strömte in den Raum. Danach schob ich den Wäscheständer zur Seite, um den Weg zur Dusche freizumachen. Während ich unter der Brause stand, beschloss ich, Lou um eine kleine Auszeit zu bitten, sobald die anderen Mädels wieder fit waren. An manchen Tagen war ich so müde, dass ich ohne zu zittern, kaum die Kaffeetasse halten konnte, Lou Kiriakis gehörte zu den anständigen Typen unter den Arbeitgebern. Er würde mir den Wunsch sicher nicht abschlagen.

Ein winziges Lächeln huschte über meine Lippen, sobald ich an das Diner dachte. Ich mochte die Gäste, meine Kolleginnen – na ja, fast alle – und die behagliche Stimmung im Restaurant. Lou’s Diner verströmte den nostalgischen Charme der frühen Fünfzigerjahre.

Die Atmosphäre dort war ganz anders als im Night Runners, auch meine beiden Chefs unterschieden sich wie Tag und Nacht. Aaron Ramsay konnte man am ehesten als kühl und zurückhaltend beschreiben. Er war zielorientiert, erfolgsverwöhnt und extrem sexy, sprach mich persönlich als Mann allerdings nicht an. Trotz seines guten Aussehens ließ er die Finger vom weiblichen Personal. Sehr zum Verdruss meiner Kollegin Jenna. Sie arbeitete Vollzeit im Club und hegte seit jeher tiefe Gefühle für Aaron. Der jedoch trennte Arbeit und Vergnügen strikt und zeigte wirklich null Interesse an ihr.

Nachdem ich mich fertiggemacht hatte, betrat ich Dannys Zimmer. Die Tür knarzte leise. Für einen Moment blieb ich am Türrahmen stehen und betrachtete versonnen die kindlichen Gesichtszüge meines Sohnes. Er lag auf der Seite, die Hände gefaltet und unter die Wange geschoben. Bei seinem Anblick floss mir das Herz vor lauter Liebe über. Das lockige braune Haar fiel ihm in die blasse Stirn, und unter seinen geschlossenen Lidern verbargen sich die blauesten Augen, die man sich vorstellen konnte. Er ähnelte mir und nicht Corey. Eine Tatsache, die ich dankbar akzeptierte. Ich wollte nicht täglich an den elenden Mistkerl erinnert werden. 

Vorsichtig trat ich ans Bett heran und rüttelte ihn an der Schulter. „Hey, aufwachen, mein Schatz.“

Es dauerte eine Weile, ehe er blinzelnd die Augen öffnete und mich anlächelte. Mein Herz hämmerte, allein der Anblick dieses kindlich-verschlafenen Grinsens vertrieb vorübergehend alle Sorgen.

„Mag liegen bleiben …“, nuschelte er und drehte sich zur Wand. Danach hörte ich ihn leise schmatzen. Das klang so süß, ich musste krampfhaft ein Lachen verkneifen.

„Baby, du kannst nicht liegen bleiben.“

Heftig schüttelte er den Kopf. „Kann ich wohl“, antwortete er und ich seufzte. Mit seinen sechs Jahren konnte er ganz schön stur sein. „Danny, wir kommen zu spät, wenn du trödelst.“

„Kann ich nicht hierbleiben? Ich mach auch nichts kaputt.“

Ich unterdrückte die aufkeimende Ungeduld, die sicherlich jede Mutter kennt. Morgens fochten wir stets den gleichen Kampf aus. „Du weißt, das geht nicht. Mommy bekommt Ärger, wenn sie dich allein lässt.“

„Menno.“ Murrend drehte er sich auf den Rücken und setzte sich dann umständlich auf. Seinen Teddy hielt er unterm Arm eingeklemmt und gähnte herzhaft.

„Nun komm schon, du willst doch frühstücken, oder?“

Die Aussicht auf etwas Essbares beschleunigte seinen Aufwachprozess. Amüsiert sah ich dabei zu, wie er wie der Blitz vom Bett rutschte und ins Bad flitzte. Wenn er erst einmal den Schlaf abgeschüttelt hatte, war dieses kleine Energiebündel nur schwer zu bremsen. Einige Minuten später saßen wir am Küchentisch und löffelten unsere Cornflakes.

„Holst du mich heut ab, Mommy?“

Ich verstand kaum, was er sagte, da er den Mund noch voll hatte.

„Erst schlucken, dann reden“, tadelte ich automatisch, ehe ich seine Frage beantwortete. „Und ja, ich werde dich nachher abholen.“

Liebevoll zerwühlte ich sein frisch gekämmtes Haar und lächelte ihn an. „Bibi hat keine Zeit, und Lou hat versprochen, dass ich pünktlich Schluss machen kann.“

Bibi – eigentlich hieß sie Barbara – wohnte im Apartment gegenüber. Seit meinem Einzug war sie sowas wie Dannys Ersatzgroßmutter und gleichzeitig meine größte mentale Stütze. Diese wunderbare Frau hatte sich meiner angenommen, als es mir richtig dreckig ging. Wenn es Schutzengel gab, dann war Bibi definitiv meiner. Sie kümmerte sich hingebungsvoll um Danny, bis ich von der Arbeit kam. Und das jeden Tag, seit etlichen Jahren. Ohne sie wäre es mir unmöglich, Kind und Job unter einen Hut zu bringen. Ich verspürte nicht selten ein schlechtes Gewissen, weil ich sie so vereinnahmte, doch sie winkte immer entrüstet ab, wenn ich dieses Thema anschnitt, und versicherte mir, Danny und ich würden sie vor der Vereinsamung bewahren. Ihre eigenen Kinder lebten alle weit weg, sie sah sie lediglich an Weihnachten, und deswegen überschüttete sie nicht nur Danny mit ihrer Fürsorge, sondern auch mich.

„Gehst du nach der Arbeit mit mir in den Park?“

Dannys Frage riss mich aus den Gedanken. „Wenn es nicht regnet, ja“, versicherte ich. Ein bisschen frische Luft würde uns beiden guttun.

Mein Sohn fiel mir jubelnd um den Hals. „Juhu, dann können wir auf den Spielplatz.“

Für einen Moment erwiderte ich die Umarmung und atmete den sauberen, süßen Kinderduft ein. Schließlich befreite ich mich sanft aus seiner Umklammerung und deutete mit strenger Miene auf seine Schüssel. „Aber nur, wenn du deine Cornflakes ordentlich aufisst.“

Glücklich gehorchte er, und bald schon machten wir uns auf den Weg, damit ich ihn vor sieben an der Schule abliefern konnte. Nach einer kurzen Busfahrt erreichten wir das Gebäude. Danny ging hinein und ich lief den Rest der Strecke zu Fuß. Gerade noch rechtzeitig hastete ich durch den Hintereingang des Restaurants und betrat den Personalraum. Mehrere Spinde standen uns zur Verfügung. Ich verstaute meine Sachen und schlüpfte in die vorgeschriebene Arbeitskleidung. Ein wirklich hässliches cremefarbenes Ding mit einer aufgedruckten braunen Schürze. Seufzend zog ich in den taillierten Kittel und anschließend die bequemen weißen Sneakers an. Auf dem Weg nach draußen kam ich am mannshohen Spiegel vorbei und seufzte bei meinem Anblick. In dem Aufzug hätte selbst Gisele Bündchen altbacken und unattraktiv ausgesehen.

Im Flur zog ich die Stempelkarte durch den Schlitz der Zeiterfassung und machte mich auf den Weg in die Küche. Sobald ich an Lous Büro vorbeikam, öffnete sich die Tür und mein Boss stand auf der Schwelle. Demonstrativ blickte er auf seine Armbanduhr.

Grinsend begegnete ich seinem kritischen Blick. „Hey, ich bin immer noch pünktlich.“

Lous Miene wurde weich, er lächelte. „Du hattest nur Glück. Beim nächsten Mal krieg ich dich, junge Dame!“

„Wir werden ja sehen, bis jetzt warst du nicht sehr erfolgreich“, erwiderte ich keck.

Lou brummte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und rieb sich mit der flachen Hand über den Schädel. Seine Glatze glänzte wie eine blank polierte Billardkugel. Die einzigen Haare an seinem Körper wucherten unter dem Hemd, bis hoch zum Hals. Auf den ersten Blick wirkte er Furcht einflößend wie ein Schläger, doch wer ihn näher kannte, der lernte sehr schnell, dass Lou Kiriakis keiner Fliege was zuleide tun konnte.

„Eigentlich habe ich dich abgefangen, um dir zu sagen, dass Anna nicht kommt. Die Grippe hat auch sie erwischt.“

„Na super, das hat uns noch gefehlt“, murmelte ich.

Lou rieb sich betreten über den kahlen Schädel. „Jetzt wird es langsam eng, aber für heute ist personell alles abgedeckt. Maria kommt zusätzlich, allerdings kann sie nur wenige Stunden bleiben. Ich selbst muss gleich zur Bank.“

„Kannst du das nicht verschieben?“

Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, ist wichtig. Du hältst hier die Stellung, bis ich wiederkomme.“

Nicht zum ersten Mal übertrug er mir die Verantwortung, wenn er außerhalb Termine wahrnahm. Sein Vertrauen ehrte mich. Leider sorgte das für Spannungen zwischen mir und meiner Kollegin Anna. Sie arbeitete deutlich länger als ich für Lou und fühlte sich übergangen.

„Du kannst dich auf mich verlassen“, versicherte ich ihm.

Lou nickte erleichtert und verschwand wieder in seinem Büro. Ich betrat das Restaurant und entdeckte meine Kollegin und zugleich beste Freundin Riley. Ihr honigblondes Haar leuchtete im grellen Deckenlicht der Leuchtstoffröhren wie alte spanische Goldmünzen. Ihr Gesichtsausdruck war jedoch weniger strahlend. Missmutig wischte sie die Tische ab, sah plötzlich auf und bemerkte mich. Sofort verschwand der schlecht gelaunte Ausdruck und sie grinste frech.

„Guten Morgen, du bist zu spät!“

Ich streckte ihr die Zunge raus. „Bin ich nicht!“ Ein Gähnen unterdrückend, trat ich näher und stellte mich neben sie.

Mit dem Lappen in der Hand musterte sie mich eingehend. „Geht es dir gut? Du siehst ganz schön fertig aus.“

Ich schnitt eine Grimasse in ihre Richtung. „Vielen Dank. Das will eine Frau am frühen Morgen hören.“

Mein Sarkasmus entlockte ihr lediglich ein Schulterzucken. „Ist nur die Wahrheit. Wenn du ebenfalls krank wirst, kann der Rest von uns die Schlafsäcke mitbringen und gleich hier einziehen. Anna hat es auch erwischt. Ich nehme an, Lou wird dir das schon erzählt haben.“

„Hm … Aber mach dir keine Sorgen. Mir geht es blendend. Hab bloß schlecht geschlafen. Nichts, was ein starker Kaffee nicht richten könnte.“

Das hatte mein Dad stets gesagt. Wie immer, wenn ich an ihn dachte, verspürte ich einen schmerzhaften Stich im Herzen. Seine Weigerung, Danny oder mich zu sehen, tat heute noch genauso weh wie vor ein paar Jahren. Ändern konnte ich seine Einstellung nicht. Mein überaus konservativer Vater konnte einfach nicht akzeptieren, dass ich eine alleinerziehende Mutter war. Für ihn Grund genug, mich zum Teufel zu schicken, nachdem ich mich mit achtzehn geweigert hatte, das Kind abzutreiben. Auch nach Dannys Geburt zeigte er kein Interesse an einer Versöhnung. Seine Entscheidung, sein Verlust. Nie im Leben würde ich ihn um Vergebung für etwas anbetteln, was ich nicht eine Sekunde bereute.

Die nächsten Stunden verliefen relativ entspannt. Es würde ein ruhiger Tag werden, und so beschlossen wir bei Marias Ankunft, unsere Pause gemeinsam zu nehmen, damit Maria rechtzeitig gehen konnte.

Im Aufenthaltsraum biss ich gerade ein Stück von meinem Sandwich ab, da überraschte mich Riley mit einer Frage. „Sag mal, du arbeitest doch in diesem Club“, fing sie an.

Da ich den Mund voll hatte, nickte ich nur.

„Weißt du, ob die noch jemanden brauchen? Ich würde mir gerne ein bisschen Extrakohle dazuverdienen.“

Ein wenig skeptisch begegnete ich ihrem Blick. „Willst du dir das ernsthaft antun? Die Gäste dort sind nicht ohne. Bei deinem Aussehen wirst du dich vor dummen Sprüchen nicht retten können. Die graben ja selbst mich an, und ich bin weiß Gott nichts Besonderes.“

Riley sah mich vorwurfsvoll an. „Maxine, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dich nicht schlechtmachen sollst? Du bist bildhübsch. Wie kommst du nur auf die Idee, du wärst nicht attraktiv?“

„Vielleicht, weil ich seit Dannys Geburt kein Date mehr hatte“, erwiderte ich spitz.

„Du hast keine Dates, weil du keinen Typen an dich ranlässt. Dein ständiger ‚lass ja die Finger von mir‘-Blick verjagt selbst die mutigsten Männer. Willst du im Ernst behaupten, du merkst nicht, wie sie dich alle anstarren, sobald du durchs Diner läufst?“

Wenn sie damit die älteren Herren unter unseren Stammgästen meinte, hatte sie sicher recht. Doch die hätten jede Frau beäugt wie den letzten Schluck Wasser in der Wüste. Ansonsten konnte ich Rileys Einschätzung, was meine weibliche Anziehungskraft anging, nicht teilen. Ich war bestenfalls guter Durchschnitt. Nicht hässlich, aber auch nicht überwältigend hübsch. Normal eben.

Da die Richtung des Gespräches, mir Unbehagen bereitete, wechselte ich das Thema.

„Lass uns nicht über Männer diskutieren, davon krieg ich nur Kopfweh“, sagte ich energisch. „Wenn du Interesse an einem Job im Night Runners hast, könnte ich was arrangieren. Aaron sucht immer fähige Leute.“

„Super, das werde ich dir nie vergessen!“ Riley beugte sich zu mir und umarmte mich fest, als plötzlich Lou in der Tür stand. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.

„Maxine, ich brauche dich heute Abend länger. Gillian hat sich auch krankgemeldet.“

„Oh Lou, du weißt doch, dass ich Danny abholen muss. Das passt mir wirklich nicht.“

„Ich würde nicht fragen, hätte ich eine Wahl.“

Verdammt noch mal! Diese Ungerechtigkeit war so ätzend. Jedes Mal, wenn ich mir was mit Danny vornahm, kam etwas dazwischen. Andererseits konnte ich Lou nicht hängen lassen. Obwohl er mich über die finanzielle Lage des Diners nicht bis zum letzten Detail informierte, konnte ich mir anhand der schwindenden Kundschaft ausmalen, wie bitter nötig er jeden Dollar hatte. Sobald die Gäste ewig warten mussten, weil das Personal fehlte, würden sie woanders hingehen. Letztendlich hing auch mein Job davon ab, ob der Laden Gewinn abwarf oder nicht.

Seufzend lenkte ich ein. „Ich bleibe, aber ich muss Danny hierherbringen, bis Bibi ihn abends holen kann. Anders geht es nicht.“

Lous wirkte erleichtert. „Kein Problem. Du weißt, ich mag den kleinen Kerl. Er kann im Büro bleiben. Das wird ihm gefallen.“

Das mochte sein, trotzdem würde er wahnsinnig enttäuscht sein, weil ich mein Versprechen, mit ihm in den Park zu gehen, nicht halten konnte. Mit einem Wutanfall oder Krokodilstränen rechnete ich dennoch nicht. Für einen Sechsjährigen verhielt er sich erstaunlich pragmatisch und manchmal jagte mir das Angst ein. Kinder sollten nicht so angepasst und vernünftig sein.

Kapitel 2

Am frühen Nachmittag machte ich mich wie geplant auf den Weg, um Danny zu holen. Sobald er mich erblickte, kam er mir entgegengerannt. Liebevoll schloss ich ihn in meine Arme und drückte ihn fest an mich. „Hey, Schätzchen. War’s schön heute?“

Er nickte und sah mich mit sehnsüchtig leuchtenden Augen an. „Gehen wir jetzt in den Park?“

„Danny, das wird leider nichts. Ich muss länger arbeiten, aber Lou würde sich freuen, wenn du ihn besuchen kommst. Ist das okay für dich?“

Mein Herz klopfte, weil ich mich vor der Enttäuschung in seinem Blick fürchtete. Gleich darauf konnte ich aufatmen. Die Aussicht, sich in Lous Büro breitmachen zu dürfen, begeisterte ihm. „Darf ich mit dem Lochdings spielen?“.

Den geplanten Nachmittag im Park schien er umgehend aus seinem Gedächtnis gestrichen zu haben. „Wenn du mir schwörst, sein Büro nicht wieder in eine Winterlandschaft zu verwandeln, könnte es sein, dass du mit dem spielen darfst.“

Danny hatte beim letzten Besuch versucht, mit ausgestanztem Papier einen Schneehaufen zu basteln, mit dem Ergebnis, dass Lous Büro aussah, als hätte es darin weißes Konfetti geregnet. Danach hatte er sich mit Malstiften an Lous Schreibtisch gesetzt und ein Bild gemalt, das er ihm mit feierlicher Miene überreichte. Er bewunderte meinen Boss maßlos.

Ich seufzte still. Auch wenn ich es nur ungern zugab, Danny fehlte eindeutig eine männliche Bezugsperson in seinem Leben. Manche behaupteten, selbst der schlechteste Vater wäre besser als keiner, doch ich war da anderer Ansicht. Ich hielt Corey für den verantwortungslosesten Menschen auf diesem Planeten. Er zeigte null Interesse an Danny und zahlte nicht einmal Unterhalt. Seit Dannys Geburt war ich auf mich allein gestellt, und soweit es mich betraf, waren wir ohne Corey besser dran. Alle Männer in meinem Leben hatten mich maßlos desillusioniert. Ich wollte meinem Sohn keinen „Daddy“ präsentieren, der sich nicht mit der Verantwortung für ein Kind belasten wollte.

Danny hüpfte derweil aufgeregt von einem Bein aufs andere und griff nach meiner Hand. Wir liefen die Straße entlang, während er unaufhörlich plapperte. Wie ein unglückliches und enttäuschtes Kind verhielt er sich nicht und das beruhigte mein schlechtes Gewissen. Einige Minuten später betraten wir das Restaurant. Riley entdeckte uns sofort und breitete die Arme aus. Danny rannte auf sie zu und ließ sich von ihr herzen und drücken. Auch wenn man es auf den ersten Blick nie vermutet hätte, so war sie doch total vernarrt in Kinder. Sie vergötterte Danny, der diese Zuneigung in gleichem Maße erwiderte.

Er drückte ihr einen dicken Schmatzer auf die Backe. Lachend wischte sie die Spuren des Liebesbeweises weg und zerzauste ihm die dunklen Locken. „Hilfst du Lou bei seiner Arbeit?“

Danny straffte die schmächtigen Schultern. „Mom meint, ich darf wieder Schneeflocken machen, wenn ich danach aufräume, aber vielleicht helfe ich ihm auch beim Briefeschreiben.“

„Briefe schreiben?“ Sie zog die Augenbrauen fragend in die Höhe, während ich grinsend hinter meinem altklugen Sprössling stand.

„Lou sagt mir die Buchstaben vor und ich drücke auf die Tasten“, erklärte er eifrig und mit unverkennbarem Stolz. „Ich kann schon das Alphabet.“

Danny war recht weit für sein Alter und verfügte über eine ungemein gute Auffassungsgabe, die er definitiv nicht von seinem Vater geerbt hatte.

„Da kann Lou aber froh sein, wenn er einen so eifrigen Helfer hat wie dich.“

Noch ein Grund, warum ich so gerne hier arbeitete. Alle mochten Danny und keiner störte sich an seinen Besuchen im Restaurant. Nachdem ich ihn bei Lou unter großem Hallo abgegeben hatte, machte ich mich an die Arbeit. Heute Nachmittag war mehr los als sonst und die Zeit verflog rasend schnell, vor allem, als Maria sich verabschiedete und ich mit Riley allein zurückblieb.

Sobald es endlich mal ruhiger wurde und alle Gäste versorgt waren, nutzte Riley die kurze Verschnaufpause für eine Frage. „Hast du Lust auf Pizza morgen Abend? Maria hat da Abendschicht und Lillian sollte auch wieder fit sein. Zumindest hat sie Lou gesagt, sie würde wiederkommen. Wir könnten pünktlich gehen und uns einen netten Abend machen. Wir essen gemütlich, und sobald Danny schläft, wird getratscht und eine Flasche Alkohol vernichtet. Was hältst du davon?“

Das hielt ich für eine hervorragende Idee. Eine leckere, fettige Pizza, dick belegt mit Käse und Pilzen, dazu billigen Wein und ein gutes Gespräch unter Frauen.

„Das klingt großartig“, begeisterte ich mich.

Zu einer detaillierten Planung kamen wir nicht. Eine Gruppe Teenager betrat lärmend das Restaurant und wir kümmerten uns um die eingehenden Bestellungen.

Der nächste Tag verlief ohne unangenehme Überraschungen. Nach dem Ende meiner Schicht kam Riley gleich mit zu mir. Danny sprudelte fast über vor Aufregung und plapperte unentwegt vor sich hin, während Riley ihn in das Geheimnis eines perfekten Pizzateiges einweihte. „Du musst ihn lange kneten, damit er richtig geschmeidig wird.“

Mein Sohn lauschte ehrfürchtig ihren Ausführungen. Ich kümmerte mich unterdessen um den Belag und die Soße. Schon bald zog leckerer Pizzaduft durch die Küche.

Nachdem wir alles bis auf den letzten Krümel verputzt hatten, räumte ich das Geschirr weg und strich Danny über den Kopf. „So, mein Schatz. Sag Riley Gute Nacht, und dann ab zum Zähneputzen.“

„Oh Mommy, noch nicht. Ich bin gar nicht müde“, bettelte er, doch ich blieb hart.

„Es tut mir leid, aber du brauchst deinen Schlaf.“

An meinem Tonfall erkannte er, wie zwecklos es wäre, weiter auf mich einzureden. Wenn ich Nein sagte, dann meinte ich es auch so. Murrend wünschte er Riley eine gute Nacht und schlurfte beleidigt ins Badezimmer. Ich richtete in der Zwischenzeit sein Bett her und legte den Schlafanzug raus. Minuten später lag er unter der Decke, und obwohl er steif und fest behauptet hatte, nicht müde zu sein, gähnte er ausgiebig. Nach einer Gutenachtgeschichte kuschelte er sich in sein Kissen. Kurz darauf verrieten seine gleichmäßigen Atemzüge, dass er eingeschlafen war.

Leise ging ich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich zu Riley. Sie hatte uns Rotwein eingeschenkt und eine Duftkerze entzündet. Ich genoss die behagliche Atmosphäre, spürte jedoch Rileys durchdringenden Blick auf mir, als ich mich gegen die Rückenlehne der Couch kuschelte und versonnen an dem Wein nippte. „Bist du okay, Maxine? Dir brennt doch was auf der Seele.“

Ihre direkte Art konnte Segen und Fluch zugleich sein. Seufzend schüttelte ich den Kopf. „Ach, ich weiß auch nicht. Irgendwie fühle ich mich seit einiger Zeit so leer.“ Nach diesem Eingeständnis spielte ich angelegentlich mit meinen Fingern.

„Vielleicht geht es dir besser, wenn du darüber redest. Ich kann gut zuhören, obwohl man es mir nicht unbedingt ansieht.“

Dankbar lächelte ich sie an. „Eigentlich ist es nichts Dramatisches. Es ist nur … manchmal frage ich mich, ob das alles ist, was ich noch vom Leben zu erwarten habe. Morgens aufstehen, Danny zur Schule bringen, den ganzen Tag arbeiten, abends fernsehen und dann ins Bett.“ Schuldbewusst senkte ich den Blick. Ich fühlte mich furchtbar, weil ich nicht zu schätzen wusste, was mir das Schicksal geschenkt hatte. Einen wunderbaren und gesunden Sohn und natürlich auch Freunde, denen etwas an meinem Wohlergehen lag. Freunde wie Riley zum Beispiel.

„Weißt du, was am allerschlimmsten ist?“, fügte ich hinzu.

Riley schüttelte den Kopf, und ich versuchte, den bitteren Klang aus meiner Stimme zu nehmen, bevor ich weitersprach. „Ich habe viel zu wenig Zeit für meinen Sohn. Die Jahre fliegen an uns vorbei, und ich habe Angst, vor lauter Arbeit die wichtigen Dinge in seinem Leben zu verpassen. Das kann ich nie wieder gut machen.“

„Gib doch den Job im Club auf“, schlug sie vor. „Du hättest wenigstens die Wochenenden zur freien Verfügung.“

„Und wovon soll ich die Rechnungen bezahlen? Eigentlich bräuchte ich einen dritten Job, nicht einen weniger. Selbst dann werde ich auf absehbare Zeit das Auto aufgeben müssen. Ich benutze es ja nur noch, wenn ich ins Night Runners fahre, weil ich nachts ungern die öffentlichen Verkehrsmittel nutze. Trotzdem ist die Kiste ständig kaputt. Die Reparaturkosten fressen meine gesamten Reserven auf.“

Rileys neutraler Gesichtsausdruck wich ehrlicher Betroffenheit. „Ich habe nicht gewusst, dass es finanziell so eng bei dir ist.“ Sie legte ihre Hand über meine. „Hör mal, ich habe ein bisschen was gespart“, fing sie an, wurde jedoch sofort von mir unterbrochen.

„Nein!“, lehnte ich rigoros ab. „Komm bloß nicht auf die Idee, mir Geld leihen zu wollen. Ich werde es dir niemals zurückzahlen können.“

„Aber …“

„Nichts aber“, wiegelte ich ab. „Es ist wirklich unheimlich lieb von dir, mir deine Hilfe anzubieten, Jedoch muss ich allein dadurch und bis jetzt bin ich immer über die Runden gekommen. Das werde ich auch weiterhin schaffen, ich muss mich einfach noch ein wenig mehr einschränken.“

Riley wirkte alles andere als überzeugt. „Du gönnst dir fast nichts.“

„Das ist nicht dein Problem“, erwiderte ich sanft.

Sie lehnte sich schmollend zurück. „Na gut, ich kann dich ja nicht zwingen, mein Geld zu nehmen. Aber du kannst jederzeit auf mich zählen, wenn es hart auf hart kommt. Bevor ihr euch nichts mehr zu essen leisten könnt, möchte ich, dass du zu mir kommst. Ich habe nicht viel, für dich und Danny reicht es allerdings allemal.“

Mein Blick verschwamm, während ich um Fassung rang. Trotz aller Probleme war ich von Menschen umgeben, die es gut mit mir meinten, und nun schämte ich mich doppelt für das Gejammer.

„Du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet“, brachte ich nach einigen Sekunden heraus. „Du bist eine tolle Frau.“

Verlegen winkte sie ab. „Ach, das ist doch nichts Besonderes. Du würdest es umgekehrt genauso machen.“

Danach stießen wir auf unser Wohl an und wünschten uns gegenseitig bessere Zeiten. Rileys Gesellschaft vertrieb meine trübsinnige Stimmung. Trotzdem konnte ich später, als sie schon längst nicht mehr da war, nicht einschlafen. Ich stand auf und setzte mich auf die Feuerleiter, die neben dem Schlafzimmerfenster nach unten führte. Während ich den nächtlichen Geräuschen der Großstadt zuhörte – Autolärm, Polizeisirenen und Geschrei von Jugendlichen, die abends durch die Straßen zogen – gingen mir die verschiedensten Dinge durch den Kopf.

Vor allem eine Frage beschäftigte mich: Was würde mit Danny geschehen, wenn mir etwas passieren sollte? Ich hasste es, daran zu denken, musste mich aber mit diesem Thema auseinandersetzen. Wohin würde man ihn bringen? Die Möglichkeit, er könnte im Heim landen, weil weder sein Vater noch sein Großvater ihn bei sich haben wollten, ängstigte mich zu Tode.

Meine Gedanken kreisten und kreisten, während der Zeiger der Uhr unerbittlich weiterkroch. Gegen zwei Uhr früh legte ich mich wieder hin, doch es dauerte eine gute Stunde, ehe ich von Sorgen geplagt in den Schlaf fiel.

Samstagabend wartete ich am Hintereingang des Clubs auf Riley. Die Minuten vergingen, sie kam nicht, und ich fing an, mir Sorgen zu machen. Riley war die Zuverlässigkeit in Person; dass sie sich verspätete, sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Endlich bog sie um die Ecke und stürmte an den überfüllten Mülltonnen vorbei auf mich zu. Das Gesicht leuchtete krebsrot vor Anstrengung, sie keuchte und kam schnaufend zum Stehen.

„Wo warst du denn? Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf.“

„Entschuldige!“ Atemlos beugte sie sich vor. „Der Bus kam viel zu spät und dann gab es auch noch einen Unfall auf der Strecke.“ Sie japste erneut nach Luft. „Oh Mann, ich sollte dringend was für meine Fitness tun.“

„Hauptsache, du bist jetzt da. Komm, Aaron gehört nicht zum geduldigsten Menschenschlag. Warten ist für ihn Verschwendung von Zeit und Energie.“

Wir traten durch die Hintertür in einen schmalen, sehr langen Gang, der zu den Privaträumen des Clubs führte. Der Putz der kahlen Wände zeigte erste Risse und auch sonst wirkte die Umgebung nicht sonderlich einladend. Ich fing Rileys zweifelnden Blick auf, ignorierte ihn und ging mit ihr zum zweiten Eingang. Seitlich von der Tür war ein Apparat befestigt – die Alarmanlage. Der kleine grüne Punkt in der Mitte leuchtete, ein Zeichen dafür, dass die Anlage nicht scharf geschaltet war. Gewohnheitsmäßig zog ich meine Personalkarte durch den Schlitz, ein leises Summen ertönte und ich konnte die dicke Stahltür aufstoßen, hinein in Aarons Reich. Riley sah sich neugierig um, denn das Innenleben wirkte längst nicht so heruntergekommen wie der Bereich vor dem Eingang. Die Wände leuchteten strahlend weiß, der Boden war blitzsauber und auch sonst machte alles einen viel solideren Eindruck. Hier befanden sich mehrere Türen. Der Personalraum war verschlossen, genau wie Aarons Büro. Am Ende des langen Flurs blickte man auf eine dunkel vertäfelte Tür. Von dort aus gelangte man direkt in den Club.

Mit Riley im Schlepptau steuerte ich auf Aarons Büro zu und klopfte an.

„Herein!“

Ich nickte Riley aufmunternd zu. „Viel Glück!“

„Wirst du beim Gespräch dabei sein?“ Sie machte nun doch einen leicht nervösen Eindruck.

„Ich sag nur kurz Hallo und geh dann an die Arbeit. Aber keine Sorge, Aaron beißt nicht“, beruhigte ich sie. „Du brauchst auch keine Angst zu haben, dass er dich dumm anmacht. Er lässt sich grundsätzlich nicht auf sein weibliches Personal ein.“

Entschlossen stieß ich die Tür auf und warf einen schnellen Blick hinein. Aaron saß an seinem Schreibtisch, hinter ihm flackerten die Überwachungsmonitore, die das Geschehen im Club aufnahmen. Sein scharf geschnittenes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

„Guten Abend. Wie ich sehe, hast du Miss Jennings mitgebracht.“

Aaron wahrte immer professionelle Distanz und blieb stets freundlich. Er erhob sich und kam auf uns zu. „Schön, dass Sie es einrichten konnten. Setzen Sie sich doch.“

Meine Freundin war sichtlich beeindruckt von Aarons überlegenem Auftreten und seiner Attraktivität. Für mich war sie nebensächlich, auch wenn ich zugeben musste, dass er beeindruckend gut aussah mit dem dunkelblonden Haar und den blitzenden eisblauen Augen. Riley blieb jedenfalls ungewohnt stumm, als sie ihm die Hand schüttelte. Mich wunderte das nicht. Aaron strahlte aus jeder Pore Härte und Disziplin aus, das konnte selbst einem so redseligen Menschen wie Riley kurz die Sprache verschlagen.

Tatsächlich klang ihre Antwort ziemlich einsilbig. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, krächzte sie und warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu.

Grinsend trat ich den Rückzug an. „Also, ich geh dann mal.“

Aaron nickte mir zu. „Danke. Wenn alles glatt läuft, kannst du sie nächste Woche einarbeiten.“

Das klang so, als hätte er seine Entscheidung schon längst getroffen. Vorsichtig schloss ich die Tür und zwinkerte meiner Freundin aufmunternd zu. Da langsam die Zeit knapp wurde, beeilte ich mich und rannte in den Umkleideraum. Alle weiblichen Bedienungen trugen ein kurzes, schwarzes Kleid. Es war sexy, wirkte aber zum Glück nicht billig und endete über den Knien in einem leicht ausgestellten Rock. Trotzdem fand ich den Aufzug zu aufreizend. Ich fühlte mich in Jeans und meinen heiß geliebten Rollkragenpullovern einfach am wohlsten.

Schnell schlüpfte ich in das Kleidchen und zupfte am Ausschnitt, in dem völlig aussichtslosen Versuch, ihn ein gutes Stück nach oben zu ziehen. Danach prüfte ich noch im Spiegel den Sitz meiner hochgesteckten Haare und ging in den Clubraum. Es war jedes Mal von neuem beeindruckend. Das Herz bildete eine quadratische Bar. Die Gäste konnten es sich drum herum auf den Barhockern gemütlich machen oder sich in die etwas versteckteren Ecken mit den Tischgruppen zurückziehen. Die überall präsenten Palmen verliehen der Umgebung ein südamerikanisches Flair und boten dabei ausreichend Sichtschutz. Auf der oberen Etage befand sich der VIP-Bereich, wo sich immer nur die reichsten und wichtigsten Gäste aufhielten. Zwei bullige Security-Typen verhinderten, dass ein Normalsterblicher dort hinaufgelangte.

Lächelnd trat ich an die Bar und nickte unserem frechen Barkeeper Juan zu. „Hey, schön dich zu sehen“, grüßte ich und wurde sofort mit einem charmanten Lächeln belohnt.

„Querida, dein Anblick blendet mich“, antwortete er und übertrieb wie immer maßlos. „Du bist das Licht meines Lebens.“

Juan war auf überzogene Weise liebenswürdig, ein Hallodri wie er im Buche stand und stets zu einem Scherz aufgelegt. Lässig warf er eine Wodkaflasche in die Luft und fing sie hinter seinem Rücken wieder auf. Grinsend über diese Angeberei wandte ich mich von ihm ab und schaute mir den heutigen Einsatzplan an. Sofort stöhnte ich innerlich auf. Ich musste mich mit Jenna um die Superreichen im VIP-Bereich kümmern. Das bedeutete eine lange Nacht mit arroganten Kerlen und dämlichen Sprüchen.

Ich sah mich um und entdeckte Jenna auf der anderen Seite der Bar. Sie lachte gerade über die Bemerkung einer Kollegin und befestigte nebenbei ihren Geldbeutel an der Hüfte. Als sie mit dem Kopf einen kurzen Schwenk in meine Richtung machte, winkte ich ihr zu.

Sie strahlte mich an und kam zu mir rüber. „Hey, da bist du ja!“

Ich war mir sicher, dass Jenna so ziemlich der einzige Mensch in meinem Bekanntenkreis war, den ich noch nie ohne ein Lächeln auf dem Gesicht angetroffen hatte. Es lag einfach in ihrer Natur, gute Laune zu versprühen, und wenn sie lächelte, dann funkelten ihre grünen Augen wie Smaragde. Ein schöner Kontrast zu ihrem rabenschwarzen Haar.

Mit einer leichten Kopfbewegung deutete ich auf den Einsatzplan. „Hast du schon gesehen? Wir haben wieder die Ehre.“ Wenig erfreut verzog ich das Gesicht. „Mal sehen, was für Weisheiten unsere oberen Zehntausend heute bereithalten.“

Jenna zuckte nur mit den Schultern. „Solange die Trinkgelder stimmen, gehen mir ihre Kommentare am Arsch vorbei. Hauptsache, sie behalten ihre Pfoten bei sich.“

Ganz so locker nahm ich das nicht. Sicher, die Trinkgelder waren hervorragend, aber lieber hätte ich den Abend mit einer Horde Affen verbracht, als mir das geistlose Gequatsche von diesen neureichen Neandertalern anzutun.

Ich holte meinen mit Wechselgeld bestückten Geldbeutel aus dem kleinen Tresor unterhalb der Bar, hängte ihn mir um die Hüfte und machte mich mit ihr zusammen auf den Weg zur VIP-Lounge. Jeden Augenblick würde der Club seine Pforten öffnen und die Gäste hereinströmen. Auch das restliche Personal hielt sich bereit, um die verwöhnte Meute abzufertigen, die heute Abend erwartet wurde. Erfahrungsgemäß flaute der Betrieb erst gegen drei Uhr morgens ab.

Kurz darauf war es so weit. Die Türsteher-Security ließ mich rein und der Laden füllte sich innerhalb weniger Minuten. Die Nacht würde wahnsinnig anstrengend werden. Kellnern war ein knochenharter Job. Die Leute, die hier regelmäßig zum Feiern herkamen, waren unglaublich anspruchsvoll. Es fiel mir schwer, ihnen immer gerecht zu werden. Dazu dröhnte einem laufend die laute Musik in den Ohren, und spätestens in zwei bis drei Stunden würde die Luft im Raum zum Schneiden dick sein. Ich blendete all diese Eindrücke aus und machte mich an die Arbeit.

Während ich die Gäste bediente, sah ich mich hin und wieder nach Riley um. Das Gespräch dauerte nun schon eine Weile an und ich betrachtete das als gutes Zeichen. Wäre sie nicht geeignet, hätte Aaron die Unterhaltung relativ schnell abgebrochen.

Etwas später entdeckte ich ihren blonden Haarschopf in der Menge. Sie winkte mir zu, als sie mich oben stehen sah, und versuchte zeitgleich, einen Typen loszuwerden, der sich an ihren Rockzipfel gehängt hatte. Riley kämpfte sich bis ans Fußende der Treppe. Hier endete ihr Weg. Der Kerl vom clubeigenen Sicherheitsdienst hinderte sie daran, weiterzugehen. Auch der herzerweichende Blick aus ihren babyblauen Augen half ihr da nicht weiter.

Schnell stieg ich mit meinem leeren Tablett in der Hand die Stufen herunter und zog sie ein Stück zur Seite. „Wie ist es gelaufen?“

„Ich habe den Job! Nächste Woche fange ich an.“ Riley grinste triumphierend.

„Das ist ja großartig!“ Ich drückte sie begeistert und deutete gleich danach nach oben. „Hör mal, ich muss weitermachen. Wir telefonieren morgen, okay?“

Sie nickte glücklich und verließ das Night Runners unter den begehrlichen Blicken etlicher Männer. Etwas besser gelaunt, machte ich mich an die Arbeit. Selbst die Gäste waren zur Abwechslung ganz erträglich. Ein Eindruck, den ich kurz darauf wieder revidieren musste. Man sollte sich eben nie zu früh freuen.

Ich wischte gerade die Oberfläche eines reservierten Tisches ab, da vernahm ich direkt hinter mir den geringschätzigen Kommentar einer Frau.

„Ash, warum sind diese Bedienungen immer so lahm? Man sollte Aaron sagen, was für unfähiges Personal er sich da ins Haus geholt hat.“

Entrüstet drehte ich mich um und stand mehreren Personen gegenüber. Im ersten Moment hatte ich jedoch nur Augen für die ziemlich attraktive Frau, die so abfällig ihr Urteil über meine Arbeit abgegeben und sicher in ihrem ganzen Leben noch nie einen Lappen in die Hand genommen hatte. Die Rothaarige musterte mich wie ein ekliges Insekt, und meine Empörung wandelte sich in Unbehagen. Eingeschüchtert von der offenen Ablehnung, die mir von ihr entgegenschlug, nahm ich die anderen nur schemenhaft wahr. Trotzdem versuchte ich, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen, schluckte den Ärger runter und lächelte sie freundlich an. Aaron verhielt sich immer fair, doch der Gast war für ihn König und ich musste durchaus in Betracht ziehen, dass er mich über die Klinge springen ließ, wenn sich jemand unzufrieden zeigte.

„Entschuldigen Sie die Verzögerung, Madame. Sie können den Tisch sofort besetzen.“

Ich ratterte diesen Satz hinunter, darauf bedacht, zwar bedauernd, aber nicht allzu unterwürfig zu erscheinen. Wer sich wie ein Opfer verhielt, wurde erst recht getriezt. Das hatte ich während meiner Zeit im Service schnell lernen müssen.

„Ja, ist schon gut“, erklärte sie zu meiner grenzenlosen Erleichterung. „Wischen Sie endlich zu Ende, damit wir uns setzen können! Ich habe keine Lust, hier rumzustehen wie eine Vollidiotin.“

Das kriegst du auch im Sitzen gut hin, schoss es mir spontan durch den Kopf. Sollte ich jemals viel Geld besitzen, würde ich die Menschen nicht so von oben herab behandeln. Jeder verdiente Respekt, egal, ob arm oder reich. Ich beugte mich noch mal über den Tisch, zog die letzten Kreise mit dem Tuch und richtete mich wieder auf. Als ich mich umdrehte, erstarrte ich wie vom Blitz getroffen, denn nun nahm ich auch die anderen bewusst wahr. Zwei Frauen, drei Männer. Einer von ihnen stach wie ein funkelnder Diamant aus dem Trupp heraus und sein Anblick traf mich völlig unvorbereitet. Neben der Rothaarigen stand der schönste Mann, den ich jemals gesehen hatte. Mein Kopf fühlte sich total leer an. Ich versuchte verzweifelt, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, sobald sich unsere Blicke kreuzten. Jadegrüne Augen dominierten seine attraktiven Züge. Die hohen Wangenknochen verliehen den Konturen eine gewisse Schärfe und sein Mund … ich unterdrückte ein Seufzen … wirkte durch das halbe Lächeln verführerisch und spöttisch zugleich.

„Ich glaube, sie ist jetzt fertig.“

Oh Allmächtiger! Beim Klang seiner seidenweichen Stimme krochen unzählige Schauer über meine Haut. Sie klang schmeichelnd, aber auch ziemlich gelangweilt. Dennoch schwang unverkennbar männliche Autorität darin mit. Der Kerl ließ sich von niemandem etwas sagen, das ahnte ich instinktiv. Zur Salzsäule erstarrt sah ich dabei zu, wie er den rechten Arm um die schmale Taille der rothaarigen Hexe schlang. Besitzergreifend und bestimmend, was mir ein unbehagliches Gefühl vermittelte. Er behandelte sie wie sein Eigentum. Zu meiner großen Überraschung mutierte sie direkt vor meinen Augen zu einem zuckrigen Weibchen. Sie lächelte zu ihm auf und rieb sich unauffällig an ihm. Er beachtete sie gar nicht weiter und widmete mir seine gesamte Aufmerksamkeit.

Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Sachte streichelte er über die Hüfte seiner Begleiterin, und obwohl er gerade eine andere Frau liebkoste, brannte sich sein Blick in meinen. Innerhalb von Sekunden gab er mir das Gefühl, mutterseelenallein mit ihm zu sein. Die Geräusche rückten in den Hintergrund, selbst die unzähligen Menschen nahm ich nur noch verschwommen wahr und musterte ihn genauso eingehend, wie er es bei mir tat.

Das respektlose und geradezu anzügliche Lächeln auf den schön geformten Lippen verlieh ihm die Ausstrahlung gelangweilter Dekadenz. Er war groß, schätzungsweise um die 1,85 Meter. Damit überragte er mich um gute zwanzig Zentimeter. Wie ferngesteuert wanderte mein Blick über seine Gestalt, ich registrierte jedes noch so kleine Detail. Ein moderner Haarschnitt sorgte dafür, dass die mokkabraunen Strähnen lässig um seinen Kopf lagen. Nicht zu lang, nicht zu kurz. Die Farbe harmonierte perfekt mit dem leicht gebräunten Teint. Seine Schultern waren breit, der restliche Körper wirkte allerdings eher athletisch und agil und nicht übertrieben kräftig. Dennoch konnte man erahnen, dass sich unter dem schwarzen Hemd eine klar definierte Muskulatur verbarg. Alles in allem versprühte er mörderischen Sex-Appeal, männlich markant, gepaart mit klassischer Eleganz.

Ein James-Bond-Typ, schoss es mir durch den Kopf, während mir sein intensiver Blick die Hitze in die Wangen trieb. Bevor ich mich komplett lächerlich machte, brach ich den Augenkontakt ab und trat zur Seite, damit sich die Gruppe setzen konnte. Einer der Männer sah dem Bond-Typ ähnlich, doch die Parallelen bezogen sich nur auf das Gesicht. Er war insgesamt etwas massiger gebaut und noch ein Stückchen größer. Außerdem besaß sein Lächeln eine Wärme, die dem Bond-Typen total abging. Vielleicht waren sie Cousins oder sogar Brüder. Der Große war auch der Einzige in der Gruppe, der mich freundlich und nicht überheblich anlächelte. Neben der Rothaarigen stand ein blonder Kerl mit schmierigem Grinsen, der eine aufgetakelte Schwarzhaarige im Arm hielt. Die beiden beachteten mich nicht, sondern hatten nur Augen füreinander.

Sie schoben sich an mir vorbei, um endlich den ersehnten Sitzplatz in Beschlag zu nehmen. Der Bond-Typ streifte mich dabei seitlich und die plötzliche Berührung jagte mir einen Blitz durch den Unterleib. Entsetzt über seine Wirkung, atmete ich tief ein und wurde von der nächsten warmen Welle überwältigt, als ich seinen männlich-herben Geruch wahrnahm. Verwirrt über meine heftige Reaktion wartete ich ab, bis alle Platz genommen hatten, und rang mir ein unpersönliches Lächeln ab. „Was kann ich euch bringen?“

Der attraktive Fremde mit den grünen Augen grinste süffisant. „Wenn du uns deinen Namen verrätst, sagen wir dir auch, was wir trinken wollen.“

Was interessierte ihn mein Name? Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich seine Art verstörte, und beantwortete die Frage. „Ich heiße Maxine.“

„Maxine …“ Er zog die Buchstaben in die Länge. Die Art und Weise, wie er ihn aussprach, hatte etwas Schlüpfriges an sich. „Hübsch“, stellte er anschließend fest und musterte mich erneut abschätzend. Seine Lippen verzogen sich zu einem trägen Grinsen. „Du bist also heute Abend für unseren Tisch zuständig.“

Ich nickte langsam und blieb auf der Hut. Trotz seiner Anziehungskraft war er mir nicht ganz geheuer. Konnte er nicht einfach bestellen, einen dummen Spruch ablassen und mich dann wieder ignorieren?

Unbehaglich wand ich mich, weil er nicht aufhörte, mich anzüglich zu mustern.

„Ash, hör auf, sie zu ärgern. Du siehst doch, wie unangenehm es ihr ist, wenn du sie so anstarrst.“

Der Einwand kam von dem großen Dunkelhaarigen, der mich vorhin so nett angelächelt hatte. Er warf diesem Ash – vermutlich die Abkürzung von Ashton oder Ashley – einen warnenden Blick zu.

Der ignorierte das völlig. Stattdessen fixierte er mich mit brütender Intensität, bis ich das Verlangen verspürte, möglichst schnell, möglichst weit wegzurennen. Vor ihm, seinem Gestarre und der merkwürdigen Macht, die er über mich ausübte. Noch nie hatte es ein Mann geschafft, mich derartig aufzuwühlen. Um mich zu schützen, baute ich mit rasender Geschwindigkeit eine Mauer auf. Obwohl ich es hier mit einem übersättigten und von sich selbst überzeugten Frauenhelden zu tun hatte, konnte ich mich seinem zweifelhaften Charme nicht ganz entziehen. Leider war ich doch empfänglich für sein Äußeres und die Überlegenheit, die er ausstrahlte.

„Ich denke, dass Maxine“, er schien es auszukosten, meinen Namen wie eine Liebkosung auszusprechen, „genau weiß, wie solche Unterhaltungen ablaufen.“

Mir wurde klar, worauf er anspielte. Die Begutachtung meiner Person erstreckte sich nicht nur auf mein Gesicht. Mit einer Dreistigkeit, für die mir die Worte fehlten, betrachtete er auch den Rest von mir. Mit anzüglich gekräuselten Mundwinkeln, wohlgemerkt. Mir wurde heiß vor Scham, als sich seine Blicke an meinen Brüsten festsaugten. Sein nächster Satz kühlte meine Verlegenheit schlagartig ab.

„Sag mir, Maxine, wie weit geht denn dein Service?“

Entsetzt schnappte ich nach Luft. Ich war doch keine Nutte! Die anderen fanden das ziemlich lustig und grinsten dreckig. Nur der Große verzog angewidert den Mund und warf mir ein entschuldigendes Lächeln zu.

Wenigstens einer mit ein bisschen Anstand, dachte ich und fragte mich gleichzeitig, warum er mit solchen Idioten unterwegs war.

„Krieg ich keine Antwort?“ Zwar sprach er sanft, doch in seiner Stimme lag unterschwellige Ungeduld.

Die Hände zu Fäusten geballt, unterdrückte ich den Drang, ihm eins auf die Nase zu geben. „Sir, ich bin für Ihre Getränke zuständig, für alles andere müssen Sie jemand anderen bemühen.“

Gespielt selbstsicher schaute ich auf ihn herunter. Tatsächlich zitterten mir die Knie unter seinen Blicken. Fast schon zärtlich fuhr er die Konturen meines Körpers nach. Wohlige Schwäche erfasste meine Gliedmaßen. Das war nicht gut.

Er lachte leise und biss sich lasziv auf die Unterlippe. „Wie schade, wir hätten eine Menge Spaß haben können.“

Mit einem fiesen Grinsen wandte er sich wieder an die Rothaarige. „Hast du gehört? Sie will mich nicht, Tracy. So wie es aussieht, hast du mich heute ganz für dich allein.“

Mir blieb der Mund offenstehen. Was für ein Riesenarschloch, schoss es mir durch den Kopf. Ich fühlte mich von so viel unverschämter Arroganz abgestoßen. Mir tat sogar diese Tracy leid, doch die nahm seinen Kommentar lediglich mit einem Schulterzucken zur Kenntnis.

„Dann solltest du dich vielleicht mal anstrengen“, riet sie verschlagen und warf mir ein boshaftes Grinsen zu. „Meinetwegen kannst du dich mit ihr vergnügen, so lange du willst. Du hast genug Kraft und Ausdauer, um mit zwei Frauen fertigzuwerden.“

Mir wurde schlecht. Diese Gruppe präsentierte eindrucksvoll, wie zu viel Geld den Charakter verdarb. Sie interessierten sich einen Scheißdreck für die Gefühle anderer, und schienen selbst keine zu besitzen. Machte es ihr denn gar nichts aus, dass ihre Begleitung offen mit mir flirtete? Auch seine Freunde fanden sein Verhalten allem Anschein nach nicht schlimm. Keiner störte sich an seinem Benehmen. Der einzig normale Mensch in dieser Runde war der Dunkelhaarige, der dieser unwürdigen Szene nun ein Ende setzte.

„Bringen Sie uns allen eine Margarita. Ich denke, das war’s fürs Erste.“

Mit seiner entschiedenen Einmischung half er mir, mich dieser Bande zu entziehen, und ich fragte mich wiederholt, warum sich ein netter Typ wie er, mit denen abgab.

Die Frage wurde mir gleich darauf beantwortet. „Ich bin noch nicht fertig mit ihr, Bruderherz", zischte Ash eiskalt und warf mir einen Blick zu, unter dem mir ganz unwohl zumute wurde. Ich fühlte mich wie ein gehetztes Beutetier, und er war der Jäger, dem während der Hatz fast einer abging. Doch nun zeigte er Gefühle, wenn auch negativer Art. Die Einmischung seines Bruders passte ihm nicht und er machte keinen Hehl aus seinem Unmut.

Mir reichte es. So nötig konnte ich das Geld gar nicht haben, um mir so ein Verhalten gefallen zu lassen.

„Aber ich bin fertig mit Ihnen!", fauchte ich stinksauer und trat einen Schritt näher an ihn heran. Da er in dem Sessel thronte wie ein Prinz, war ich diejenige, die ihn überragte. Ich lehnte mich ein Stück nach vorn und achtete nicht darauf, dass ich ihm einen hübschen Einblick in mein bescheidenes Dekolleté gewährte.

„Jetzt hören Sie gut zu, Freundchen! Sie sind der schlimmste Kotzbrocken, der mir hier jemals begegnet ist, und glauben Sie mir, ich habe schon einige kennengelernt. Meinetwegen rennen Sie zu meinem Boss und heulen ihm die Ohren voll, aber mit mir spielen Sie solche Spielchen nicht. Lieber lass ich mich feuern.“

Seine Augen weiteten sich erstaunt. Ich nutzte seine augenblickliche Sprachlosigkeit, drehte mich auf dem Absatz um und stürmte die Treppen runter. Als hätte er etwas geahnt, kam mir Aaron entgegen und ich segelte direkt in seine Arme. Mein Chef bemerkte natürlich sofort meine aufgewühlte Verfassung.

„Hey, was ist denn los?“

Ich warf einen raschen Blick auf die Empore und registrierte unbehaglich, dass dieser Ash an das Geländer herangetreten war und mich von dort beobachtete. Sein Gesichtsausdruck wirkte verbissen, sogar aus der Entfernung konnte man nicht übersehen, wie es in ihm brodelte.

Verzweifelt wandte ich mich Aaron zu. „Siehst du den Kerl oben am Geländer? Ich kann ihn und seine Freunde nicht länger bedienen. Er behandelt mich wie ein Stück Fleisch. Mich kriegen keine zehn Pferde mehr da rauf. Selbst wenn du mich dafür feuerst.“

Aaron verzog mitleidig sein Gesicht. „Du bist mit Ashton Hunter aneinandergeraten“, sagte er, als wäre allein die Nennung seines Namens selbsterklärend.

Meine Augenbrauen formten einen fragenden Bogen. „Und was soll mir das jetzt sagen?“

„Nun ja, Ash ist ein bisschen … schwierig“, antwortete er schließlich diplomatisch und seufzte, als hätte er eine schwere Bürde zu tragen. Zumindest schien er nicht sauer auf mich zu sein.

„Heißt das, ich muss da nicht mehr rauf?“ Lieber hätte ich die Bahnhofstoiletten geschrubbt, als mich noch mal in die Nähe dieses arroganten Mistkerls zu wagen.

Aaron erwies sich als Engel in der Not, denn er schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das musst du nicht. Sally soll deinen Platz einnehmen. Gib die Bestellung an sie weiter. Ich rede in der Zwischenzeit mit Hunter und regle das mit ihm. Ich will ihn als Gast nicht verlieren, jedoch nicht um jeden Preis.“

Pure Erleichterung über Aarons Verständnis machte sich in mir breit. „Ich danke dir, und es tut leid, wenn ich dir Umstände mache. Ich lasse mir ja eine Menge gefallen, aber was der Kerl abzieht, ist einfach zu viel.“

„Ist schon okay. Immerhin führe ich einen Club und kein Bordell“, erklärt er bestimmt. „Meine Bedienungen sind nicht hier, um die Männer zu belustigen. Das werde ich ihm noch mal in aller Deutlichkeit begreiflich machen. Allerdings kann es sein, dass du mit deiner ablehnenden Haltung erst recht seinen Jagdtrieb geweckt hast.“

„Wenn ich nicht will, kann er gar nichts ausrichten.“

Aarons Miene blieb ernst. „Mach nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen, Maxine. Ash ist ein eiskalter Hund. Fühl dich nicht zu sicher und versuch, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.“

„Woher kennst du ihn so gut?“

„Ich bin mit seinem Bruder Colin befreundet und daher bestens über Ash Hunters Charakter im Bilde.“

Verstohlen schielte ich aufwärts und merkte entsetzt, dass Hunter uns immer noch beobachtete. Die Lichter im Club umspielten seine schlanken Konturen, seine Finger wanden sich um das stählerne Geländer und sein intensiver Blick ging mir durch und durch. Aaron könnte eventuell recht behalten. Ich hatte durch meinen offen gezeigten Widerwillen ungewollt sein Interesse geweckt. Aber warum in aller Welt ausgerechnet ich? Im Vergleich zu dieser Tracy war ich nichts Besonderes. Mit den dunklen Haaren und der viel zu blassen Haut ging ich als hübsch durch, die Rothaarige hingegen sah spektakulär aus. Das Einzige, worauf ich wirklich stolz sein konnte, war meine schlanke Figur mit den dazu passenden perfekten Proportionen, doch sonst …

Alles in allem spielte er in einer anderen Liga und hätte, trotz seines schweinischen Benehmens, ein Dutzend schönerer und vor allem willigerer Frauen haben können. Wenigstens blieb mir für heute eine weitere Konfrontation mit ihm erspart.

„Geh wieder an die Arbeit und mach dir keine Sorgen. Ich stutze ihn schon zurecht.“

Aaron klopfte mir auf die Schulter und begab sich nach oben. Ich kämpfte mich zu Sally durch und erklärte ihr kurz die Lage. Wir tauschten die Bereiche und fürs Erste war ich Ash Hunter los. Ich fühlte mich sicher.

Nach ein paar Minuten wagte ich einen schnellen Blick zur Empore. Hunter lehnte am Geländer und unterhielt sich mit Aaron. Ich konnte sehen, wie mein Chef auf ihn einredete, auch Tracy hatte sich zwischenzeitlich dazugesellt. Kurz darauf verschwand Aaron und Hunter zog Tracy an sich, um sie hart und verlangend zu küssen. Der Anblick versetzte mir unerwartet einen kleinen Stich, doch schnell schüttelte ich dieses absurde Gefühl ab. Ich konnte froh sein, wenn er sein Interesse wieder auf seine Freundin verlagerte. Leider schaffte ich es kaum, die Augen von dieser Szene abzuwenden, und ich erschrak zu Tode, als mir auffiel, dass er mich währenddessen die ganze Zeit über beobachtete.

Dieser Kuss war eine reine Machtdemonstration. Es ging nicht darum, sich oder ihr Genuss zu verschaffen. Er wollte mir nur zeigen, dass er sich einfach nahm, was er wollte, und dass er es in der Regel auch bekam. Endlich ließ er von ihr ab und zwinkerte mir übertrieben zu. Sein Mund formte lautlose Worte und ich glaubte ein „Es ist noch nicht vorbei“ von seinen Lippen abzulesen. Blitzartig drehte ich mich um, mein Herz schlug frenetisch gegen meine Rippen, und es dauerte eine Weile, bis ich mich beruhigte.

Keine Ahnung, wie ich den Rest des Abends überstand, denn er hörte nicht auf, mich zu stalken. Er war wie ein Schatten, den man einfach nicht mehr loswurde. Das und seine bloße Anwesenheit reichten aus, um mich total aus dem Konzept zu bringen. Ständig verwechselte ich Bestellungen und fühlte mich wie ein Tier in der Falle. Als die schreckliche Schicht endlich ein Ende fand, lagen meine Nerven blank und ich hätte vor Erleichterung am liebsten geheult.

Todmüde stieg ich in mein Auto und senkte den Kopf auf das Lenkrad, um erst mal richtig durchzuatmen. Erneut blitzte sein Gesicht vor meinem geistigen Auge auf und es war vorbei mit der Entspannung. Würde er mir nächstes Mal wieder auflauern oder mich bis dahin vergessen haben? Bestimmt wollte er keine Mühen darauf verwenden, eine kleine Kellnerin zu verführen, wo es doch so viele Frauen gab, die ihm sicher freiwillig alles schenkten, was er begehrte.

Verwirrt startete ich den Wagen. Statt dem Aufheulen des Motors hörte ich nur ein grauenvolles Röcheln und Knattern und Rauch stieg unter der Motorhaube auf. Fluchend verließ ich das Auto. Auch ohne die professionelle Einschätzung eines Automechanikers ahnte ich, dass mein fahrbarer Untersatz die letzte Reise in den Autohimmel angetreten hatte.

Wütend und überfordert, verpasste ich dem VW einen kräftigen Tritt. „Du blödes Ding, hättest du damit nicht warten können, bis ich wieder daheim bin?“ Ich blickte verzweifelt in den Himmel. Was hatte ich in meinem früheren Leben nur verbrochen, dass ich so gestraft wurde?

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

Obwohl ich diese samtene Stimme vor wenigen Stunden zum ersten Mal vernommen hatte, hätte ich sie unter tausenden wiedererkannt. Wie in Zeitlupe, weil ich den Moment der Wahrheit hinauszögern wollte, drehte ich mich um.

„Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte ich entnervt und verfluchte mein Karma, das mir das Unglück in Gestalt eines gehässig grinsenden Ash Hunter vorbeischickte.

Kapitel 3

„Sie schon wieder!“ Hoffentlich bewegte ihn meine Reaktion zum sofortigen Rückzug.

Keine Chance. Er blieb stehen und weidete sich an meinem genervten Gesichtsausdruck. Lächelnd, herzlos. Für ihn stellte mein persönliches Pech ein unerwartetes Amüsement dar. Ich war jedoch nicht gewillt, mich von seiner Unverschämtheit in die Knie zwingen zu lassen, selbst wenn mir das unvermeidliche Streitgespräch mit diesem Kerl die letzten Kräfte rauben würde.

Gemächlich schlenderte Hunter in meine Richtung, die Hände locker in den Hosentaschen vergraben. Gelangweilt begutachtete er den qualmenden Wagen. „Scheint so, als würde die Kiste schlappmachen.“ Sein anzüglicher Blick streifte mich. „Brauchst du vielleicht Hilfe?“

„Von Ihnen? Nein danke, lieber krieche ich auf allen vieren nach Hause.“

Ohne ihn zu beachten, holte ich die Handtasche vom Beifahrersitz und verschloss den Wagen. Ich schlug den Weg zur Bushaltestelle ein, doch ich kam nicht weit. Überraschend kräftige Finger wanden sich um meinen Oberarm und hielten mich fest.

„Nicht so schnell, meine Süße.“

„Loslassen!“, forderte ich und versuchte, seine Finger abzuschütteln. Um ihn anzusehen, musste ich den Kopf in den Nacken legen.

„Wieso läufst du ständig weg, Maxine?“

Ich musste zugeben, es schmeichelte meiner Eitelkeit, dass er sich meinen Namen gemerkt hatte – bis mir seine rothaarige Begleitung wieder einfiel. Wo steckte sie? Wartete sie wie ein braves Schoßhündchen in seiner Wohnung oder hatte sie ihren Zweck bereits erfüllt und war auf dem Weg nach Hause?

Stinksauer über sein unmögliches Benehmen zog ich die Unterlippe zwischen die Zähne. Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht. Hörbar sog er den Atem ein, ein Knistern lag in der Luft und mir wurde die Kehle eng. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich, wie er die Hand hob. Seine Fingerspitzen glitten kaum spürbar über meine erhitzte Haut. Sie fühlten sich kühl an und erschreckend gut.

„Du bist atemberaubend“, flüsterte er. „Ich glaube, ich habe noch nie so zarte Haut berührt, so blass und durchscheinend.“

Wie hypnotisiert ließ ich zu, dass seine Finger von meiner Wange zu meinem Nacken glitten. Er schob sie in mein Haar. „Ich mag die Farbe deiner Augen“, fuhr er fort. „Sie sind nicht einfach blau. Sie sehen aus wie der Himmel vor einem Sommergewitter. Eine Spur Violett, gemischt mit Grau. Ich könnte stundenlang hineinschauen. So was habe ich noch nie gesehen.“

Mir verschlug es buchstäblich die Sprache. Was für ein Spiel trieb er mit mir? Hunter konnte offenbar nach Belieben den Schalter umlegen. In einem Moment gab er sich spöttisch und verletzend, im nächsten mutierte er zum verführerischen Casanova. Es kostete mich meine ganze Kraft, seinem lockenden Blick nicht zu erliegen. Corey hatte sich zu Beginn auch mit Komplimenten überschlagen, um mein Herz später mit Füßen zu treten. Die Erinnerung an ihn und seine Feigheit half mir, mich aus Hunters Bann zu befreien.

Entschieden zog ich seine Hand von meinem Nacken und machte einen Schritt von ihm weg. „Nehmen Sie die Pfoten von mir!“

Meine Forderung verpuffte unter seinem mitleidigen Lächeln. „Das willst du doch gar nicht.“

„Und ob ich das will“, antwortete ich atemlos. Mein Herz stolperte, denn er schloss den Abstand zwischen unseren Körpern und legte die Handfläche über dem Mantel auf mein hämmerndes Herz. Die Berührung war leicht und hatte auch nichts Übergriffiges an sich. Ich hätte mich jederzeit von ihm lösen können, und doch blieb ich an Ort und Stelle stehen und starrte in das flimmernde Grün seiner wunderschönen Augen.

Oh Maxine, tadelte mein Verstand, hast du denn gar nichts aus der Sache mit Corey gelernt?

„Du tust so, als wäre ich dir egal, aber ich kann fühlen, was es mit dir anstellt, wenn ich dir nahekomme. Dafür musst du dich nicht schämen, Süße. Ich will dich nämlich auch, also wieso sträubst du dich dagegen? Wir sind beide erwachsen, und können durchaus ein bisschen unverbindlichen Sex genießen.“

---ENDE DER LESEPROBE---