Liebe kann man nicht kaufen - Vertrauen Teil. 3 - Vivian Hall - E-Book

Liebe kann man nicht kaufen - Vertrauen Teil. 3 E-Book

Vivian Hall

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Beschreibung

Maxine und Ashton sind geradezu ekstatisch glücklich, nachdem sie endlich zueinandergefunden haben. Zuversichtlich sieht Maxine der Zukunft entgegen, doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu und sie muss gegen einen Geist aus der Vergangenheit ankämpfen. Hat Ashton sie jemals geliebt oder war sie nur ein Lückenbüßer? Abschlussband der „Liebe kann man nicht kaufen“-Trilogie.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe kann man nicht kaufen

Vertrauen

von Vivian Hall

Liebe kann man nicht kaufen - Vertrauen

©2018 Vivian Hall, alle Rechte vorbehalten

Korrektorat: Linda Mignani

Lektorat: Stefanie Johann

©Coverdesign: https://www.vercopremadebookcover.de

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung der Autorin weitergegeben werden.

Kapitel 1

Die wundervollen Tage unserer Zweisamkeit neigten sich dem Ende zu und ich widmete mich der wenig ansprechenden Aufgabe, meine Klamotten in den Koffer zu stopfen. Trotz aller Bemühungen bekam ich ihn nicht zu. Schlussendlich setzte ich mich auf das Hartschalengehäuse und hopste darauf herum. „Jetzt geh schon zu, du blödes Teil!“

Ash tauchte im Türrahmen auf. Seine Mundwinkel zuckten, er konnte sich offenbar nur schwer ein Lachen verbeißen. „Sieht spannend aus, was du da treibst“, kommentierte er bemüht neutral.

Da er mich mit unverhohlener Faszination betrachtete, vergaß ich sofort alles um mich herum und unterdrückte ein schwärmerisches Seufzen. Herr im Himmel, schon seine Blicke sorgten für ein angenehmes Kribbeln in meinem Nacken. Ich seufzte lautlos und fühlte mich seiner Ausstrahlung hilflos ausgeliefert. Nicht, dass es mich gestört hätte. Ich liebte es, seinen glühenden Augen ausgesetzt zu sein, genoss die magische Anziehungskraft unserer Körper, die sich permanent vereinigen wollten. Dennoch erschütterte mich die Intensität, mit der ich ihn begehrte. Wenn ich nicht bei ihm war, glaubte ich, innerlich zu verkümmern. Das jagte mir ein bisschen Angst ein. Auch nach zwei leidenschaftlichen Wochen in seiner Gesellschaft schwächte sich diese Empfindung nicht ab, sie nahm sogar weiter zu. Räuspernd befreite ich mich von den lüsternen Gedankengängen.

„Statt hier pseudointelligente Kommentare von dir zu geben, könntest du mir ja helfen, den Koffer zu verschließen.“ Dabei warf ich ihm einen Blick zu, der unter Garantie das Zeug besaß, einen Menschen auf der Stelle zu pulverisieren.

Ashs Mundwinkel krümmten sich zu einem Grinsen. „Aber, gerne doch. Ich bin immer darauf aus, mich nützlich zu machen.“

Ash trat heran, zog mich auf die Füße, weg vom Bett und klappte den Deckel des Koffers auf. Kopfschüttelnd starrte er auf das chaotische Durcheinander. „Wie kann jemand, der seine Wohnung und ein Restaurant dermaßen in Schuss hält wie du, nur so untalentiert beim Verstauen von ein paar Kleidungsstücken sein?“ Er kippte alles aufs Bett.

„Hey, was machst du da?“

Ash schenkte mir einen kurzen Seitenblick. „Siehst du doch. Ich mache mich nützlich.“

Mit geradezu militärischer Präzision fing er an, meine T-Shirts zusammenzulegen. Perplex betrachtete ich die akkurat gefalteten Oberteile, die er fein säuberlich aufeinanderstapelte. „Wo hast du das denn gelernt?“

„Mein Zimmergenosse auf dem College hat als Teenager eine Militärschule besucht und mir in einem Anflug von tödlicher Langeweile beigebracht, wie man Hemden und Hosen ordentlich zusammenlegt. Wahrscheinlich habe ich geahnt, dass ich dieses Wissen mal gebrauchen kann.“

Nach dieser Information bedachte er mich ein weiteres Mal mit einem frechen Seitenblick. Was mich animierte, ihn aufzuziehen. „Ich wusste gar nicht, dass du zur Pedanterie neigst.“

„Ich hasse Unordnung“, gab er zu. „Schon als Kind musste man mich nie dazu anhalten, mein Zimmer aufzuräumen.“ Seine Mimik verzog sich in leichtem Unbehagen. „Vermutlich gab es eine Zeit, in der Ordnungsliebe meine einzige positive Eigenschaft war.“

Beinahe gleichgültig zuckte er die Schultern und schnappte sich das nächste Oberteil. Das fast beiläufige Urteil seines Charakters reizte meine Neugier und ich versuchte mein Glück, um mehr Informationen aus ihm heraus zu kitzeln.

„Du spielst damit nicht zufällig auf die Zeit nach Carolines Tod an? Als du dich durch die Weltgeschichte gevögelt hast?“

Mein Tonfall klang völlig normal, doch etwas in meiner Stimme brachte ihn dazu, mir einen prüfenden Blick zuzuwerfen. „Genau“, bestätigte er kurzangebunden. Seiner Miene fehlte nun die spielerische Leichtigkeit, sie wurde von einem verkniffenen Ausdruck verdrängt, der mich davor warnte, noch länger auf diesem Thema herumzureiten.

Ein Seufzen unterdrückend knetete ich die Finger und verfluchte meine neugierige Ader. Ash wurde stets sehr einsilbig, sobald ich ihn auf seine wilde Vergangenheit ansprach, also gab ich es auf, ihn mehr oder weniger unauffällig auszufragen, und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Leicht gefrustet, weil ich durch Carolines Erwähnung seiner guten Laune einen empfindlichen Dämpfer versetzt hatte, starrte ich an die Decke. Eine Fliege kreiste summend unter dem Ventilator.

Ash packte schweigend meinen Koffer zu Ende. Das geschah überraschend schnell und Minuten später, schloss sich der Deckel problemlos. Um die unangenehme Stille zu durchbrechen, setzte ich mich auf und lächelte ihn freundlich an. „Es ist wirklich praktisch, einen so ordentlichen Ehemann zu haben.“

Zu meiner bodenlosen Erleichterung ging er auf den flachsenden Tonfall ein. „Einen Vorteil muss die Ehe schließlich haben.“

Da er seinen Humor wiedergefunden hatte, zog ich ihn weiter auf. Den Kopf schräggelegt, musterte ich ihn abschätzend. „Kannst du zufällig auch kochen?“

„Wenn du auf Verbranntes stehst, dann schon. Kleine Kostprobe gefällig?“

„Nein danke, lieber nicht“, lehnte ich mit einem lieblichen Lächeln ab und ließ mich wieder auf den Rücken gleiten. Die Arme hoch über dem Kopf ausstreckend, bewegte ich lasziv die Hüften, als müsste ich die Muskulatur lockern.

Ash hievte das Gepäckstück auf den Boden und bedachte meine Bemühungen mit lüsternem Interesse.

„Falls du es darauf anlegst, mich scharf zu machen, kann ich dir mitteilen, dass es funktioniert.“

Sein träger Blick glitt über meinen Körper, er griff nach meinem Bein und zog mich zum Bettrand, bis mein Po an der Kante lag. Ohne mich aus den Augen zu lassen, ging er vor mir in die Hocke.

„Was hast du vor?“, hauchte ich und biss mir auf die Unterlippe. Meine Atemzüge kamen in kürzeren Abständen, meine Brüste wurden schwer, die Spitzen prickelten, sobald sich seine warmen Hände seitlich auf meine Waden legten und langsam nach oben zum Saum meines Kleides strichen. „Ich denke, es ist an der Zeit, dir meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.“

Seine Finger schoben sich tastend unter den leichten Stoff und bewegten sich kaum spürbar über die Außenseite der Schenkel. Selbst diese zarte Berührung raubte mir den Atem. Ich holte zitternd Luft und verkniff mir ein Stöhnen.

„Ich hätte nicht gedacht … oh … dass du … ein Sklave deines Verlangens bist“, hauchte ich erregt und ergab mich dem Zittern, das durch meinen Körper lief.

„Nicht meines Verlangens“, korrigierte er sanft. „Höchstens der Sklave deiner Muschi und ich werde sie so tief und nachhaltig ausfüllen, bis es keinen Winkel gibt, der sich nicht danach sehnt, von mir gevögelt zu werden.“

Himmel, ich stand darauf, wenn er so versaute Dinge zu mir sagte.

„Aber unser Flug …“

„Wir haben noch eine Menge Zeit, und ich gedenke jede Sekunde, die uns bleibt, sinnvoll zu nutzen.“

Meine Beine klappten praktisch von allein auseinander. Nachdem er das Höschen beiseite gezogen hatte, spürte ich seine heiße Zungenspitze, die kreisend um meinen empfindlichsten Punkt tänzelte. Seufzend ließ ich mich in die Liebkosung fallen und genoss die letzten Minuten im Paradies mit dem Mann meiner Träume …

Etliche Stunden später fuhren wir die lange Auffahrt zum Anwesen seiner Eltern entlang. Während der Renovierung unseres Heims, hatten wir entschieden, hier zu wohnen, da weder meine alte, noch Ashs aktuelle Wohnung für uns drei geeignet war. Danny machte es nichts aus, morgens früher aufzustehen, um zur Schule zu kommen. Bei Melinda und Christopher genoss er alle Freiheiten, die sich ein Kind wünschen konnte.

Ich lehnte den Kopf gegen Ashs Schulter und hielt mühevoll die Augen offen, während er wesentlich fitter wirkte. Im Gegensatz zu mir hatte er die meiste Zeit im Flieger geschlafen. Ich war dazu nicht imstande gewesen. Mein Gehirn hüpfte von einer Erinnerung zur nächsten. Die Hochzeit, die Flitterwochen. Außerdem gingen mir nicht nur schöne Dinge durch den Sinn. Zum Beispiel spukte Corey mir immer noch wie ein Gespenst im Kopf herum, ebenso Caroline. Obwohl es unklug erschien, brannte ich darauf, mehr über jene Frau zu erfahren, die mein frischgebackener Ehemann sogar über den Tod hinaus geliebt hatte. Nicht nur er. Auch James oder Benton waren ihrem Andenken bis heute zugetan. Was hatte sie so Besonderes an sich gehabt, um die Leute selbst Jahre nach ihrem Ableben in solche Verzückung zu versetzen? Und was steckte hinter den seltsamen Andeutungen von Melinda und Tracy?

„Alles okay, Liebes?“

Ertappt versteifte ich mich und hielt die Luft an, obwohl er gar nicht wissen konnte, was mich insgeheim beschäftigte. „Mir geht’s bestens“, schwindelte ich. „Ich bin nur schrecklich müde und ein wenig überfordert von den ganzen Eindrücken in den letzten Wochen.“

Er gab sich mit meiner Antwort zufrieden, drehte schnell den Kopf und küsste mich auf die Schläfe. Den Wagen lenkte er lässig mit einer Hand. Ihn schienen die Veränderungen in seinem Leben nicht sonderlich zu belasten, obwohl sie auf gewisse Weise genauso gravierend waren, wie bei mir. Was das anging, hatte ich ihn wohl unterschätzt. Ash besaß genaue Vorstellungen davon, was er wollte und ging geradewegs auf sein Ziel los. Hin und wieder wünschte ich mir, ähnlich konsequent zu sein, doch ich suchte zu oft Ausflüchte und dadurch wurden die Dinge komplizierter, als sie es letztlich sein müssten.

Eine Angewohnheit, die mir schon seit der Kindheit das Leben schwer machte. Meine Großmutter hatte mir zu Lebzeiten den Tipp gegeben, nicht so viel zu grübeln. Tja, einmal hatte ich ihren Rat befolgt und war prompt an Corey geraten. Hätte ich auf mein Bauchgefühl gehört, anstatt mich von meiner naiven Verliebtheit lenken zu lassen, wäre wohl alles anders verlaufen. Andererseits gäbe es dann Danny nicht. Ein unerträglicher Gedanke. Seine Existenz machte alle erlittenen Enttäuschungen wett.

Der Wagen stoppte, Ash zog den Schlüssel ab und lächelte mir zu. „Wir sind da.“

Ich richtete mich auf. Jeder Knochen schmerzte, ich kam mir beim Aussteigen vor wie eine alte Frau. Arm in Arm liefen wir auf den Eingang zu. Das Gepäck ließen wir im Auto.

Kaum erreichten wir die Tür, wurde sie geöffnet und ein strahlender Dobson stand uns gegenüber. „Mr. und Mrs. Hunter! Welche Freude, Sie wohlbehalten begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, sie hatten eine angenehme Rückreise.“

Ash grinste über diesen für Dobsons Verhältnisse überschwänglichen Empfang. „Die hatten wir, danke. Ich nehme an, meine Frau wird von einer bestimmten Person sehnsüchtig erwartet, oder sehe ich das falsch?“

Das Lächeln auf Dobsons Gesicht zog sich in die Breite. „Oh ja, Master Daniel ist ganz aus dem Häuschen, weil Mrs. Hunter zurückerwartet wird. Er spricht seit heute Morgen von nichts anderem mehr.“

„Mrs. Hunter“, warf ich ironisch ein, „ist ebenfalls anwesend und darf persönlich angesprochen werden.“

Ich imitierte Dobsons nasale Stimme und den etwas eingebildet klingenden britischen Akzent so gekonnt, dass mich der arme Kerl erschrocken musterte. Man konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass er nicht wusste, ob er mich wirklich verärgert hatte oder ich ihn auf den Arm nahm. Ich beschloss, ihn von seiner Unwissenheit zu erlösen.

„Das war ein Scherz, Dobson.“ Beruhigend zwinkerte ich ihm zu. „Ich freue mich sehr, Sie zu sehen.“

Er trat beiseite. „Aber selbstverständlich, Mrs. Hunter.“

Wir machten uns auf den Weg zum Wohntrakt meiner Schwiegereltern. Weit kamen wir nicht. Danny rannte uns schon entgegen.“

„Mommy!“ Seine kurzen Beine bewegten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Lachend streckte ich die Arme aus und er warf sich mit voller Wucht hinein. Erleichtert drückte ich ihn an mich und kämpfte mit den Tränen. „Oh Schätzchen, ich bin so froh, wieder bei dir zu sein.“ Ich flüsterte die Worte in seinen Lockenkopf hinein und konnte ihn gar nicht fest genug halten.

„Ich habe dich vermisst“, antwortete er schniefend und schmiegte das Gesicht an meinen Körper. Aus den Augenwinkeln entdeckte ich, wie Christopher und Melinda auf uns zukamen und unsere Wiedervereinigung lächelnd beobachteten.

„Eine Mutter kann man eben nicht ersetzen, nicht wahr, Liebling?“

Melinda richtete diesen Satz an ihren Ehemann. Mein Schwiegervater nickte zustimmend und legte den Arm um die Hüfte seiner Frau. Mir entging nicht, dass er dabei zärtlich die Rundung ihres Pos streichelte. Die körperliche Beziehung der beiden war mir schon bei früheren Gelegenheiten aufgefallen, was trotz der vielen Ehejahre auf ein nach wie vor erfülltes Liebesleben schließen ließ. Hoffentlich würden Ash und ich in zwanzig Jahren auch noch genauso verrückt aufeinander sein.

Arm in Arm bewegten sie sich auf uns zu und drückten mich dann nacheinander herzlich. Ash spielte den Beleidigten. „Hey, ich bin auch noch da! Will mich denn keiner begrüßen?“

Seine Eltern grinsten und holten ihr Versäumnis umgehend nach. Danny hingegen, kratzte sich verlegen am Kopf und warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. Sie hatten sich vor unserer Abreise gut verstanden, doch jetzt kam es mir so vor, als wäre Dannys Schüchternheit aufgrund der zweiwöchigen Trennung neu aufgeflammt.

Zögerlich bewegte er sich auf Ash zu, bis er direkt vor ihm stand. Angesichts Ashs körperlicher Größe wirkte mein Sohn viel kleiner und schmächtiger als sonst und blickte sichtlich beeindruckt zu ihm auf. „Hi, schön, dass du wieder da bist.“

Mein Mann ging vor ihm in die Hocke, damit sie sich auf Augenhöhe begegnen konnten. „Ich freu mich auch, dich zu sehen.“

Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, die Reaktion meines Sohnes und mein Herz stolperte, als er Ash spontan umarmte. Der strich ihm sichtlich verblüfft und eine Spur unbeholfen über den Rücken, dann lächelte er, entspannte sich schlagartig und drückte Danny fest an sich. Mit ihm auf dem Arm erhob er sich und trat mit leicht verschnupfter Miene an seine Eltern heran. „Seht ihr, so macht man das. Ihr solltet Unterricht bei Danny nehmen, was gutes Benehmen angeht.“

Mein Sohn kicherte belustigt und mir wurde innerlich ganz warm zumute. Danny fühlte sich pudelwohl in Ashs Gesellschaft und mir fiel ein gigantischer Stein vom Herzen.

„Wir werden uns in Zukunft bemühen, dir die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, mein Junge“, antwortete Christopher unterdessen augenzwinkernd und klopfte ihm väterlich auf den Rücken. Melinda war da schon ein bisschen liebevoller und drückte Ash einen dicken Schmatzer auf die Wange.

„Mom, hör auf! Du weißt doch, wie ich das hasse“, beschwerte er sich und klang dabei wie Danny, wenn ich ihn mit Küsschen überhäufte.

Melinda warf mir einen spitzbübischen Blick zu. „Ash leidet noch an den Spätfolgen eines Kindheitstraumas. Er war so unfassbar niedlich, dass er von seinen weiblichen Verwandten beim geringsten Anlass abgeknutscht wurde. Ich fürchte, diese überschwänglichen Zuneigungsbekundungen hat er bis heute nicht verarbeitet. Vor allem Großtante Ethel hat es bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf ihn abgesehen.“

Den Namen hörte ich zum ersten Mal. „Tante Ethel? Sie war nicht auf der Hochzeit, oder?“

Ash schüttelte den Kopf. „Glücklicherweise nicht. Sie musste ins Krankenhaus, um sich eine neue Hüftprothese verpassen zu lassen.“ Sein Mund verformte sich zu einem zynischen Lächeln. „Aber keine Sorge, ihr Fehlen war nicht weiter tragisch. Sie ist nervig, neugierig und mischt sich in Angelegenheiten ein, die sie nichts angehen. Und ganz nebenbei, treibt sie alle in ihrer Umgebung mit ihrer ständigen Besserwisserei in den Wahnsinn.“

„Ash“, tadelte Melinda, „du solltest nicht so über sie reden. Du hast sie seit Ewigkeiten nicht gesehen und so schrecklich ist sie gar nicht mehr. Mit den Jahren ist sie umgänglicher geworden, und du warst eben ihr Liebling.“

Ein Hauch von schlechtem Gewissen zeigte sich auf seinem Gesicht, er hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe schon verstanden“, murmelte er und seufzte, als Melindas Augenbraue abwartend in die Höhe rutschte. „Okay, okay, ich verspreche, ich werde das nächste Mal nett zu ihr sein. Mehr kannst du wirklich nicht von mir verlangen.“ Er wandte sich an Danny. „Du musst in Zukunft meinen Platz als ihr Goldschatz einnehmen, Kumpel.“

Mein Sohn spitzte die Lippen und legte den Kopf schräg. „Und was habe ich davon, wenn ich das tue?“

Mir blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen, gleichzeitig überlegte ich, ob ich lieber lachen oder weinen sollte. Wie kam er auf die Idee, in diesem Zusammenhang seinen eigenen Vorteil zu suchen? Ein kurzer Blick auf Ashs stolzes Grinsen zeigte mir den Übeltäter, der ihm solche Flausen in den Kopf gesetzt hatte. Er schien mächtig angetan von Dannys Reaktion zu sein.

„Du lernst schnell“, lobte er. „Du bist im Handumdrehen ein echter Hunter.“

Ash selbstzufriedenes Schmunzeln sprach Bände und mein Sohn hatte nichts Besseres zu tun, als seinen Stiefvater unverhohlen anzubeten und ihm jedes Wort von den Lippen abzulesen. An sich eine erfreuliche Entwicklung, allerdings nicht, wenn Ash seinen Status als Bezugsperson benutzte, um eine kleine Kopie von sich zu formen. Zumindest in bestimmten Belangen.

Ashs Art und Weise seine Ziele zu erreichen, war nicht gerade kindgerecht. Ich musste meinem Ehemann unter vier Augen unbedingt ein paar Takte zum Thema Erziehung erzählen. Mein Sohn durfte nicht in dem Glauben aufwachsen, stets eine Gegenleistung zu erwarten, sobald er jemandem einen Gefallen tat. Manches sollte von Herzen kommen und freiwillig geschehen. Ash hielt offenbar nicht viel von dieser Einstellung. Er war jedoch erwachsen und ich hatte nicht die Absicht, ihn dahingehend umzuerziehen, was ohnehin ein nutzloses Unterfangen gewesen wäre. Er ließ sich von niemandem etwas sagen. Bei Danny sah die Sache allerdings anders aus. Ihn konnte ich beeinflussen, indem ich ihm Werte vermittelte, die ich für unerlässlich hielt.

„Danny“, warf ich ein und streichelte über seinen Kopf. „Es ist schon sehr spät. Es wird Zeit ins Bett zu gehen.“

Er zog eine Schnute und protestierte. „Aber Mom, ich will noch hören, was ihr alles gemacht habt.“

Oh lieber Himmel! Auf meinen Wangen explodierte flammende Hitze, da mich Dannys Frage an die umtriebigen Aktivitäten der Flitterwochen erinnerte. Ashs glucksendes Gelächter machte es nicht besser. Ich atmete tief durch und lächelte. „Wir reden morgen, Schätzchen. Okay? Ich bin furchtbar müde.“

„Ach, Menno!“ Ich griff nach seiner Hand. Er winkte den Anderen zu und sein „Gute Nacht“ klang ziemlich missmutig. Direkt im Anschluss entwich ihm ein herzhaftes Gähnen und ich unterdrückte mühsam ein Schmunzeln. Egal, was er auch behauptete, er würde sicherlich einschlafen, sobald sein Kopf das Kissen berührte. Kurz darauf betraten wir sein Zimmer. Der freundlich eingerichtete Raum mit den hellen Möbeln sah aus wie ein richtiges Kinderparadies. Überall lag Spielzeug herum, auf dem Schreibtisch sammelten sich selbstgemalte Bilder und etliche Buntstifte.

„So, ab in die Falle!“ Mit einem auffordernden Blick hob ich die Bettdecke an und Danny schlüpfte darunter. Umgeben von unzähligen Kuscheltieren wirkte er unglaublich klein und verletzlich. Mein Herz zog sich vor lauter Liebe zusammen und ich schmolz bei diesem Anblick dahin. Ich steckte die Decke um ihn herum fest und küsste ihn auf die Stirn. „Jetzt wird geschlafen.“

„Du bleibst doch noch ein bisschen bei mir?“ Müde lächelte er mir zu.

„Aber natürlich.“

Vorsichtig legte ich mich neben ihn. Er kuschelte sich mit dem Gesicht in meine Armbeuge. Sein vertrauter Duft stieg mir in die Nase, tiefer Frieden breitete sich in mir aus. Was für ein perfekter Moment. Einer von vielen in den letzten Wochen und doch würde die Liebe zu Danny immer etwas Besonderes, ja, Unerreichbares bleiben.

„Du hast mir unglaublich gefehlt“, murmelte ich und küsste ihn auf die Schläfe.

„Erzählst du mir morgen von eurer Reise?“ Er gähnte nach dieser Frage.

„Ich werde dir haarklein berichten, was wir alles gesehen haben. Aber jetzt schließ die Augen und träum was Schönes.“

„Bin gar nicht müde.“ Die zufallenden Lider straften seine Worte Lügen. Ein Kinderlied summend, verharrte ich neben ihm, bis sein gleichmäßiger Atem verriet, dass er eingeschlafen war. Trotzdem blieb ich noch eine ganze Weile bei ihm, da ich mich nicht von ihm lösen wollte. Irgendwann erhob ich mich dann doch und schlich auf Zehenspitzen aus dem Raum.

Die anderen unterhielten sich angeregt, sobald ich zu ihnen stieß. Ash, der auf dem Sofa saß, streckte sofort die Hand nach mir aus, als könnte er es keinen Augenblick länger ohne mich aushalten. Glücklich schmiegte ich mich an seine Seite. Er schlang umgehend den Arm um meine Schulter. „Schläft er?“, wollte er wissen und küsste mich zart auf den Mund.

„Hm, er hat kaum im Bett gelegen, da war er schon weg.“

Dem belanglosen Smalltalk folgte ich nur mit halbem Ohr. Völlig erschöpft döste ich vor mich hin, lauschte wie aus weiter Ferne Melindas und Christophers Stimmen und merkte nicht mal, wie ich hochgehoben und aus dem Raum getragen wurde. Seufzend presste ich mich an Ashs breite Brust und glitt ins Land der Träume.

Als ich aufwachte, hatte ich Mühe mich zu orientieren. Es war dunkel und ich brauchte einen Moment, bis die Erinnerung zurückkam und ich wieder wusste, wo ich mich befand. Ashs warmer Körper schmiegte sich an meinen Rücken, sein Arm ruhte schwer über meiner Hüfte. Kuschelbedürftig drängte ich den Po näher an seinen Unterleib. Er war nackt, genau wie ich, und die Hitze seines Leibes, wärmte mich von innen und von außen. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, wie er mich ausgezogen hatte. Nun genoss ich es, in seinen Armen zu liegen und seinen ruhigen Atemzügen zu lauschen. Einige Minuten später kamen sie immer unregelmäßiger und verrieten, dass er nicht länger schlief.

„Bist du wach, meine Hübsche?“

Ich drehte mich um und rutschte ein kleines Stück hoch, bis wir uns auf gleicher Höhe befanden. Es dauerte einen Moment bis sich meine Augen an die Dunkelheit im Raum gewöhnten und ich die Konturen seines Gesichts ausmachen konnte.

„Hm, aber noch nicht lange“, sagte ich schließlich und fuhr mit dem Zeigefinger seine Unterlippe nach. Ich liebte seinen Mund, die samtene Weichheit und den absolut süchtig machenden Geschmack.

Er rückte dichter heran, seine Hand wanderte streichelnd über meinen Rücken und verharrte nur wenige Zentimeter über meinem Po. „Du fühlst dich so gut an.“

Seine heisere Stimme besaß die Fähigkeit, mich absolut willenlos zu machen. Nach Corey hätte ich niemals geglaubt, einem Mann jemals wieder so viel Macht über mein Herz zu schenken. Ash könnte mich unwiderruflich zerstören. In jedem Fall hatte er mich für jeden anderen Kerl verdorben, sollte er mich wider Erwarten eines Tages zum Teufel schicken. Und das im wahrsten Sinne, denn ihn zu verlieren, wäre die Hölle auf Erden. Ich würde vor lauter Kummer brennen, bis nichts mehr von mir übrigblieb, bis auf den Teil, der ganz allein Danny vorbehalten war.

Das wird nicht passieren. Er liebt mich.

Dieser Gedanke beruhigte mich. Zufrieden kuschelte ich den Kopf an seine Brust und genoss die sanften Berührungen seiner Hände, die allerdings nicht dazu gedacht waren, mich zu erregen. Damit konnte ich leben, denn auch ich wollte im Moment keinen Sex. Uns reichte es, beieinanderzuliegen und die Nähe des anderen zu fühlen. Plötzlich stieß er einen Seufzer aus.

„Was hast du?“

„Mir ist gerade etwas klargeworden.“

„Ach ja?“ Ich griente in mich hinein. „Wirst du deine Erkenntnis mit mir teilen?“

Ash zögerte kurz, ehe er mit der Sprache rausrückte. „Na ja, ich bin jetzt ein Ehemann und Vater. Vor einem Jahr wäre ich beim bloßen Gedanken an sowas ausgeflippt und hätte mich lieber freiwillig in die geschlossene Abteilung eines Irrenhauses einweisen lassen.“

Ashs Ungläubigkeit über die Entwicklungen in seinem Leben tat mir wider Erwarten weh, auch wenn ich seine Verwunderung durchaus nachvollziehen konnte. Doch dank der wilden Vergangenheit meines Mannes reagierte ich ziemlich dünnhäutig auf solche Bemerkungen. Eigentlich auf alles, was mein Glück mit ihm in Frage stellte. „Ist dir der Gedanke, Teil einer Familie zu sein, so zuwider?“

Er liebte mich, daran zweifelte ich mittlerweile nicht mehr, aber Ehe und Vaterschaft standen bei Ash vor unserem Kennenlernen nicht unbedingt an erster Stelle. Ich wollte nicht gleich den Teufel an die Wand malen, doch es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er sich eines Tages langweilte. Sobald er spürte, wie ich mich in seinen Armen versteifte, umschlang er mich fester „Das ist nicht der Punkt. Wenn ich das mit uns nicht ernst meinen würde, hätte ich dich nicht geheiratet. Ich liebe dich und Danny habe ich sehr gern.“

„Was ist dann das Problem?“

„Ich frage mich, ob ich deinen Erwartungen gerecht werden kann. Ich möchte dich nicht enttäuschen, Maxine.“

Dass ausgerechnet er von Ängsten geplagt wurde, überraschte und erleichterte mich gleichermaßen. Wenigstens war ich nicht die Einzige, die von Unsicherheit gequält wurde.

„Das wirst du nicht. Ich gebe zu, ich habe mir Gedanken gemacht, ob wir nicht zu überstürzt geheiratet haben. Ich wusste ja lange nicht, was du für mich empfindest und hatte schon ein paar Bedenken. Mittlerweile liegen die Dinge anders und ich vertraue dir.“

„Was denn für Bedenken?“

Ich fuhr mit den Fingerspitzen über seine Stirn und strich an den Linien entlang, die sich in die Haut gruben. Statt zu antworten, schwieg ich.

„Ist es immer noch wegen Caroline?“

Allein beim Klang ihres Namens rumorte es in meinem Bauch. Ob ihm bewusst war, mit welcher Zärtlichkeit und Ehrfurcht er ihn nach wie vor aussprach? Vielleicht sollte ich ihm meine Verunsicherung in Bezug auf seine verstorbene Verlobte beichten? Ebenso die Neugier, die mich plagte und der ich eigentlich nicht nachgeben wollte. Weil ich mich vor dem fürchtete, was ich womöglich in Erfahrung bringen würde.

„Manchmal wünsche ich mir, sie kennengelernt zu haben“, gab ich schließlich zu. „Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich würde gerne wissen, wie sie es geschafft hat, fast alle so sehr für sich einzunehmen.“

Ash knipste die Nachttischlampe an und wandte sich mir zu. Die Hände um mein Gesicht gelegt, sah er mich an. „Können wir dieses Thema nicht endlich abschließen? Ich bin es leid, ständig über Caroline zu sprechen. Das weckt in mir den Wunsch, sie nie gekannt zu haben und das wäre ihr gegenüber nicht fair.“

Er sprach mit jedem Wort schneller, ein Zeichen seiner inneren Erregung.

„Das lag nicht in meiner Absicht. Ich wollte nur …“

Er unterbrach mich mitten im Satz. „Jetzt ein für alle Mal! Ich liebe dich, Maxine. Du bist die Frau, die ich will und brauche und ich habe auch nicht vor, einer Beziehung nachzutrauern, die mit der Gegenwart nichts mehr zu tun hat. Meine Zukunft plane ich mit dir und ich freue mich darauf. Verstanden?“

„Verstanden“, hauchte ich und schluckte die unsinnigen Bedenken herunter. So deutlich wie eben hatte er noch nie Position bezogen.

„Kann ich dich jetzt endlich küssen, oder haben wir weiteren Gesprächsbedarf?“

Die Arme um seinen Hals schlingend, lächelte ich zu ihm auf und zog sein Gesicht zu mir. „Nein, für den Moment bin ich wunschlos glücklich.“

Sein Mund senkte sich auf meinen. „Das wurde auch langsam Zeit“, wisperte er und das waren die letzten Worte, die er für eine Weile sagte.

Kapitel 2

Am nächsten Tag wurden wir von Danny aus dem Bett geschmissen. „Mom, Ash, ihr müsst endlich aufstehen.“

Todmüde öffnete ich die Augen und hörte Ash neben mir gepeinigt aufstöhnen, ehe er sich auf den Bauch drehte und das Geschnatter meines Sohnes ignorierte. Die klebrigen Überreste des Schlafes wegblinzelnd sah ich zu Danny, der vor unserem Bett stand. Schwerfällig richtete ich mich auf. Dabei hielt ich mir die Decke vor die Brust. Er musste nicht unbedingt mitbekommen, dass ich absolut nichts am Leib trug.

„Schätzchen, was haben wir besprochen? Du darfst nicht einfach ins Schlafzimmer stürmen. Du bist jetzt alt genug und kannst warten, bis man dich hineinbittet. Ich klopfe doch auch bei dir an.“

Das handhabte ich tatsächlich so, da ich der Meinung war, ihm den gleichen Respekt schuldig zu sein, den ich von ihm verlangte.

„Tschuldigung“, murmelte er betreten und presste seinen Teddy fester an sich.

Versöhnt lächelte ich ihn an. „Was hältst du davon, wenn du die Sachen anziehst, die Melinda dir auf den Stuhl gelegt hat. Ich hol dich in ein paar Minuten ab. Wir frühstücken und anschließend erzähle ich dir von Hawaii.“

Er schien erleichtert, weil ich nicht ernsthaft sauer war, und nickte eifrig. „Okay, bis gleich.“

Danny flitzte los und ich ließ mich nach hinten fallen. Dabei warf ich einen Blick zur Seite auf meinen Ehemann. Sein Kopf war mittlerweile unter dem Kissen verschwunden. Grinsend stupste ich ihn an der Schulter an. „Hey, aufstehen, du Schlafmütze!“

Er murmelte unverständliches Zeug vor sich hin. Mit einem neckischen Lächeln auf den Lippen beugte ich mich über seinen nackten Rücken und drückte einen Kuss auf sein Schulterblatt. Das entlockte ihm dann doch eine Reaktion.

„Hm, mach weiter ...“

„Sorry, das müssen wir verschieben. Wenn ich nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten bei Danny aufkreuze, steht er wieder vor der Tür und lässt nicht locker, bis er uns aus dem Bett geschmissen hat. Falls du nicht riskieren willst, dass er uns beim Rummachen erwischt, solltest du deinen knackigen Hintern aus den Federn rausbewegen, Mr. Hunter. Ich verspreche dir, ich werde dich heute Abend dafür entschädigen.“

Grinsend zog er den Kopf hervor und wandte sich mir zu. „Versuchst du gerade, mich zu manipulieren?“

Meine Mundwinkel zuckten. „Funktioniert es denn?“

Sein glühender Blick streifte mein Gesicht. „Wenn es darum geht, meine Ziele mit unlauteren Mitteln zu erreichen, bin ich um einiges erfahrener als du. So schnell lasse ich mich nicht beeinflussen.“

Ich rutschte näher an ihn heran und biss in sein Ohrläppchen. „Das bedeutet aber nicht, dass ich es nicht versuchen kann, nicht wahr?“

Ash legte die Finger um meinen Nacken. Sein Griff war hart und unnachgiebig. Mit einem leichten Ruck zog er mich dichter zu sich, bis wir einander aus kürzester Distanz ansahen.

„Ich werde mit dir aufstehen, meine Hübsche. Weil ich es will.“ Ein Flackern lag in seinen Augen, während er mir mit der freien Hand über den nackten Po strich. „Eines solltest du dir aber merken. Es wird dir nicht gelingen, deinen Willen durchzusetzen, wenn ich etwas nicht tun möchte.“

Er sagte das keineswegs mit humorvollem Unterton. Es kam mir vielmehr wie eine Warnung vor, ihn niemals zu unterschätzen oder nicht ernst zu nehmen. Unter der charmanten, liebevollen Oberfläche, die er für mich und die Familie reserviert hielt, konnte er hart und skrupellos sein. Im Verlauf unserer leidenschaftlichen Beziehung hatte ich schon des Öfteren Bekanntschaft mit dem weniger angenehmen Teil seiner Persönlichkeit gemacht und ich war nicht scharf darauf, ihn wieder so zu erleben, wie in den ersten Wochen. Obwohl mich seine Kompromisslosigkeit durchaus faszinierte, konnte sie dennoch unglaublich verletzend sein. Bestimmt gab es etliche Frauen, die in den letzten Jahren Opfer dieser Gefühlskälte geworden waren. Melissa Jones zum Beispiel, auch Tracy hatte sicher mehr für ihn empfunden und nicht nur sexuelle Begierde oder den Wunsch, sich ein paar hübsche Geschenke zu sichern. Hätte er sich nicht in mich verliebt, wäre es mir wohl nicht anders ergangen. Unwillkürlich kam mir seine Drohung in den Sinn, meine Kollegen auf die Straße zu setzen, wenn ich nicht die Geschäftsführung des Diners übernahm. Ob er das durchgezogen hätte?

„Kann ich dich was fragen?“

„Tu dir keinen Zwang an.“

„Hättest du meine Kollegen wirklich alle gefeuert, wenn ich den Job deinetwegen gekündigt hätte?“

Irgendwie fürchtete ich mich vor der Antwort. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass er zu derartiger Mitleidlosigkeit fähig gewesen wäre und wurde gleich darauf eines besseren belehrt.

„Natürlich“, antwortete er so lässig, dass mir das Blut in den Adern gefror. „Drohungen machen nur Sinn, wenn man auch bereit ist, sie in die Tat umzusetzen.“

Die Selbstverständlichkeit, mit der er mir das aufs Auge drückte, schockierte mich. Ich schnappte nach Luft und wich seinem Blick aus. Er ließ das nicht zu. Ash legte den Finger unter mein Kinn und drehte mein Gesicht wieder zu sich.

„Du siehst aus, wie ein angeschossenes Reh“, sagte er und lächelte unbehaglich. „Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wenn ich ein bestimmtes Ziel verfolge, schrecke ich fast vor nichts zurück, solange es nicht illegal ist.“

Mir wurde ein wenig übel. „Du hättest das also wirklich durchgezogen.“

Man hörte mir das Entsetzen an. Ashs Miene zeigte einen verständnislosen Zug, als fiele es ihm schwer, meine Aufregung nachzuvollziehen. Von keinerlei Schuldbewusstsein belastet, strich er mit den Fingerspitzen über meinen Unterarm. Wie immer erregte mich selbst so eine vermeintlich unschuldige Berührung, doch der Inhalt unseres Gesprächs, tötete das aufkeimende Lustgefühl in mir ab. Mir kam die gestrige Episode mit Danny in den Sinn und ich erinnerte mich überdeutlich an Ashs stolze Reaktion, weil sich mein Sohn Vorteile davon erhoffte, wenn er ihm einen Gefallen tat. Das passte perfekt ins Charakterprofil, das er gerade von sich zeichnete. In meiner grenzenlosen Naivität hatte ich angenommen, seine skrupellose Seite wäre dank unserer Liebe erloschen. Ein Trugschluss, wie ich nun feststellen musste. Blieb nur die Hoffnung, dass ich niemals mehr direkt damit konfrontiert wurde. In jedem Fall wollte ich meinen Sohn davor bewahren, zu viel von dieser unschönen Eigenschaft nachzuahmen. Die Vorstellung, dass Danny herumlief und sich rücksichtlos alles einverleibte, was ihm wünschenswert erschien, jagte ein Frösteln durch meinen angespannten Leib. Ich zog das Laken enger um mich und schluckte den Schock über Ashs Unverblümtheit herunter. Tja, so war es also, wenn man auf dem Boden der Realität landete.

„Du bist desillusioniert, weil ich nicht der Ritter in der goldenen Rüstung bin, nicht wahr?“

Ash klang nicht überrascht, eher enttäuscht. Meine gute Laune schwand vollständig. Ich sehnte mich nach Harmonie und wollte nicht an die unschönen Facetten seines Wesens denken.

„Können wir das nicht später klären?“

„Bist du sicher, dass wir diese Unterhaltung aufschieben sollten? Du siehst aus, als hättest du jede Menge Redebedarf.“

„Wenn es so wäre, würdest du das schon mitkriegen“, antwortete ich leise und verließ das Bett, um mich fürs Frühstück fertigzumachen. Ein unangenehmes Gefühl blieb zurück, nachdem ich ihn gerade so abgekanzelt hatte. War es nicht unfair von mir, ihn zu verurteilen, nur weil es mir nicht passte, dass in seinen Augen der Zweck die Mittel heiligte? Im Prinzip hatte ich das immer gewusst. Ash hatte sich nie verstellt, ich war diejenige, die eine Illusion erschaffen hatte, die sich jetzt als Seifenblase erwies. Das tat meiner Liebe zu ihm keinen Abbruch. Er behandelte mich und Danny absolut liebevoll, aber durfte ich dauerhaft die andere Seite seines Wesens ignorieren und so tun, als ginge mich alles, was außerhalb unserer Blase geschah, nichts an?

Seufzend bürstete ich mir das Haar, putzte mir in Windeseile die Zähne und kehrte zurück ins Schlafzimmer. Duschen würde ich nachher. Danny hatte heute erst später Schule, das hatte mir Melinda gestern mitgeteilt, ehe ich vor lauter Erschöpfung eingeschlafen war. Es blieb also noch ausreichend Zeit, mich fertigzumachen und Danny zum Unterricht zu bringen.

Ash stand reglos wie eine Statue am Fenster. Er trug nichts bis auf enganliegende Retropants und blickte gedankenverloren hinaus. Das Sonnenlicht flutete das Zimmer und hüllte ihn in einen hellen Lichtmantel. Seine Schönheit, die Ruhe und die Kraft, die er in diesem Augenblick ausstrahlte, fand ich unheimlich berührend und so blieb ich stehen und saugte seinen Anblick in mich auf. Dabei beruhigte sich mein aufgewühltes Inneres und ich akzeptierte einfach die Realität, die ich ohnehin nicht ändern konnte. Möglicherweise war Ash nicht mit einem Ritter in goldener Rüstung vergleichbar, aber er war mein Mann. Ich hatte ihm Liebe, Treue und Beistand geschworen und ich hatte ihn mit dem Wissen geheiratet, dass er Fehler beging, wie jeder andere Mensch auch. Perfektion konnte er nicht bieten, die wäre ohnehin zu vorhersehbar gewesen. Dafür bekam ich an seiner Seite Leidenschaft und Aufregung. Mit Ash würde Langeweile immer ein Fremdwort bleiben.

Leise trat ich an ihn heran und berührte ihn am Arm. Er wandte sich mir zu und verzog bedauernd den Mund. „Es tut mir leid, ich wollte dir vorhin nicht die Stimmung verderben, aber ich habe dir ja gesagt, ich bin nicht …“

„... einfach“, beendete ich seinen Satz.

Er lächelte, wirkte fast eine Spur verlegen und mein Herz flog ihm zu. „Hab ich dich jetzt abgeschreckt, meine Hübsche? Ich könnte es verstehen. Du hast so wenig gemein mit der Welt, in der ich mich bewege. Sie ist hart und brutal. Vor den meisten meiner sogenannten Freunde würdest du schreiend davonlaufen, wenn du einen Blick in ihre Seelen werfen dürftest, und ich gebe zu, ich bin … war … kein Stück besser.“

„Ich bin nicht dumm oder naiv, Ash. Mir ist schon klar, dass du kein Engel bist und Seiten besitzt, die ich nicht ausstehen kann. Dir geht es mit mir vermutlich auch nicht anders. Aber …“, ich befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zungenspitze, ehe ich weiterredete, „ich gebe mir Mühe, dich so zu nehmen, wie du bist. Trotzdem besteht ein Unterschied zwischen Willkür und Notwendigkeit und es gibt einen Punkt, bei dem ich keine Kompromisse eingehen werde.“

Ein leicht irritiertes Stirnrunzeln zeichnete seine glatte Stirn. „Das bedeutet?“

„Das bedeutet, dass ich so eine Szene wie gestern Abend mit Danny nicht tolerieren werde. Ich will nicht, dass er anderen einen Gefallen tut, weil er sich Vorteile davon erhofft. Er soll keine Kopie von dir werden.“

Ash entglitten die Gesichtszüge, er schluckte, atmete tief ein und lächelte bemüht. „Wow, das ist wirklich eine harte Ansage“, gestand er sichtlich getroffen. Auch wenn ich nicht vorhatte, meine Worte zurückzunehmen, wollte ich ihn nicht in dem Glauben lassen, dass ich ihn für einen ausgemachten Mistkerl hielt.

„So wie es vielleicht geklungen hat, ist es gar nicht gemeint, Ash.“

„Ach ja?“

Ich zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sah entschuldigend zu ihm auf. Mit dieser Bemerkung hatte ich ihn unabsichtlich verletzt.

„Er wird erst sieben, Ash. Und ich finde die Vorstellung, er könnte mit ausgefahrenen Ellenbogen rücksichtslos durch die Welt preschen einfach nur schrecklich. Mein Sohn soll nicht verlernen, selbstlos zu sein.“

Geringschätzig verzog Ash die Mundwinkel. Die Wendung, die diese Unterhaltung nahm, sagte ihm offensichtlich nicht zu. „Mit so einer Einstellung wird er es im Leben nicht weit bringen. Menschen, die immer die andere Wange hinhalten, statt sich zur Wehr zu setzen, entwickeln sich früher oder später zu Opfern und Verlierern.“

Langsam wurde ich sauer, da er nicht einsah, worum es mir ging. „Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Das ist nur ein Vorwand, um sich ohne Rücksicht auf Verluste alles zu krallen, was man haben will.“ Ich schöpfte nach Atem, versuchte runterzukommen, bevor ich etwas sagte, was mir hinterher womöglich leidtun würde. „Hör zu, Ash. Was du tust, ist deine Sache, nur beeinflusse Danny nicht auf diese Weise. Er ist so ein lieber kleiner Kerl und unverdorben, ich möchte, dass es noch eine Weile so bleibt.“

Sein Gesichtsausdruck versteinerte. „Ist es das, was du von mir denkst? Dass ich verdorben bin.“

Langsam gewann ich den Eindruck, dass er mich mit voller Absicht falsch verstehen wollte. Energisch schüttelte ich den Kopf. „Dreh mir nicht die Worte im Mund um. Ich liebe dich, das bedeutet aber nicht, dass ich automatisch gutheiße, wie du ab und an mit Menschen umspringst. Dabei kannst du so liebevoll sein. Diese kalte, berechnende Person, die du zu sein glaubst, ist nur eine Fassade und ich habe fest vor, deine andere Seite ein bisschen öfter herauszukitzeln. Falls du es zulässt.“

Ich strich sanft über sein Kinn, spürte die morgendlichen Bartstoppeln und berührte ganz leicht seine Unterlippe. Endlich ließ die Anspannung in seinen Zügen nach und er drückte seufzend einen Kuss auf meine Handfläche. „Du würdest dich zu Tode langweilen, wenn ich mich zu einem Weichei entwickle.“

„Du könntest niemals ein Weichei sein. Außerdem möchte ich dich nicht ändern, aber ein bisschen Rücksicht wäre doch nicht verkehrt. Du wirkst wahnsinnig anziehend auf alle, die in deinen Radius geraten und ich denke, diese Macht ist dir zu Kopf gestiegen. Trotzdem halte ich dich für einen guten Menschen, sonst wäre ich jetzt nicht mit dir verheiratet.“

Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. „Du kleine Weltverbesserin“, raunte er liebevoll, gleichzeitig legte sich ein Hauch von Traurigkeit über seine Züge. „Mit mir hast du dir einen ziemlich schweren Brocken rausgesucht. Mal sehen, wie lange es dauert, bis du entnervt aufgibst.“

Ich umschloss sein Gesicht mit den Händen. „Ich werde dich niemals aufgeben, Ash. Wenn man sich liebt, kämpft man füreinander.“

Staunend, beinahe ehrfürchtig, sah er mich an. „Was habe ich in meinem Leben nur getan, um eine Frau wie dich zu verdienen?“

Eine Antwort blieb ich ihm schuldig, denn Dannys helle Kinderstimme schallte selbst durch die geschlossenen Schlafzimmertüren. „Moooom!“

Ergeben trat ich einen Schritt zurück. „Ich glaube, ich gehe dann mal. Kommst du auch?“

Ashton nickte und rieb sich übers Kinn. „Gib mir ein paar Minuten. Ich brauche dringend eine Rasur und eine Dusche.“

Erleichtert darüber, dass unser Disput beigelegt war und nicht länger diese komische Stimmung vorherrschte, drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen und begab mich hinaus auf den Flur, wo Danny schon ungeduldig von einem Bein aufs andere trat. „Da bist du ja!“

„Du hast es aber eilig“, schmunzelte ich.

„Ich hab Hunger.“

Erst jetzt registrierte ich bewusst, dass er im Schlafanzug herumlief. „Wolltest du dir nicht etwas anziehen?“

Danny schlug ertappt die Lider nieder und scharrte mit den Füßen über den Teppichboden. „Hab meinen Legoturm fertiggebaut und das Anziehen vergessen.“

Kopfschüttelnd legte ich einen Arm um seine Schultern. „Dann machen wir noch einen Zwischenstopp in deinem Zimmer.“

Nachdem er endlich angezogen war, liefen wir in den Speiseraum. Danny zog mich an der Hand durchs Haus, fühlte sich hier sichtlich wohl und hatte keinerlei Probleme mehr, sich zurechtzufinden. Dabei war unsere alte Wohnung winzig gewesen und dieser Schuppen hier im Vergleich dazu ein wahrer Irrgarten. Ich musste jedoch zugeben, auch ich lebte gern hier, fand es allerdings erschreckend, wie schnell man sich an solchen Luxus gewöhnte und ihn als normal empfand. Dadurch wurde Ashs lockere Einstellung zum Geld für mich nachvollziehbarer. Selbst ich, die ich zeitlebens finanziell nie besonders gut gestellt gewesen war, vergaß viel zu rasch, wie hart sich die meisten Menschen jeden Dollar verdienen mussten. Vielleicht war es notwendig wieder einen Abstecher ins Diner zu machen, damit ich diese Privilegien nicht als selbstverständlich ansah.

Wir erreichten das Esszimmer. Eins der Hausmädchen grüßte freundlich. Ich erwiderte den Gruß recht schüchtern und setzte mich mit Danny an den Tisch. Der Umgang mit dem Personal fiel mir nach wie vor schwer und ich konnte nur hoffen, dass sie mich nicht für einen eingebildeten Snob hielten, weil ich mich so zurückhaltend zeigte.

Sonnenlicht schien durch die Gardinen an den bodentiefen Fenstern und der Duft von Kaffee stieg mir in die Nase. Ein sehnsuchtsvolles Stöhnen entwich mir. Ich konnte es kaum erwarten, den ersten Schluck zu genießen. Die Reise steckte mir noch in den Knochen und ein ordentlicher Koffeinschub würde meine Lebensgeister wecken. Ich begutachtete unterdessen das reichhaltige Frühstück.

„Das sieht ja lecker aus.“ Hier fand sich alles, was das Herz begehrte: Früchte, Eier, Speck, Croissants, Honig, Milch. „Damit könnte man eine ganze Kompanie verpflegen“, murmelte ich und sah auf, da das Hausmädchen mit der Kanne an den Tisch herantrat und mir eine Tasse Kaffee einschenkte.

„Oh, das kann ich doch selbst machen.“ Peinlich berührt begegnete ich dem Blick der jungen Frau.

„Das gehört zu ihren Aufgaben. Denk nicht darüber nach und genieß es verwöhnt zu werden“, hörte ich Ashs Stimme aus dem Hintergrund.

Ertappt drehte ich mich um und sah ihn eintreten. Er trug einen dunkelblauen Anzug, eine schön gemusterte türkisstichige Krawatte und das leicht feuchte Haar zurückgekämmt. Er sah einfach nur scharf aus. Unternehmungslustig, energisch und unheimlich charismatisch. Ich schluckte hart, denn gleichzeitig wirkte er in seinem Business-Outfit ziemlich unnahbar und erinnerte an den gewissenlosen Mistkerl, den ich noch aus unserer Anfangszeit kannte.

Räuspernd deutete ich auf einen der freien Plätze. „Setz dich doch zu uns.“

Ash schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, aber ich muss gleich los. Auf mich wartet ein wichtiger Termin.“

„Oh, wie schade.“ Meine Enttäuschung über seinen allzu schnellen Aufbruch konnte ich kaum verhehlen. So hatte ich mir unseren ersten Tag nach der herrlichen Hochzeitsreise nicht vorgestellt. Schon als er mir am vorletzten Tag gestanden hatte, direkt nach unserer Rückkehr in die Firma zu müssen, hatte ich einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie unser Leben aussehen würde. Diese Zukunftsvision beinhaltete leider recht wenig Zweisamkeit. Was ich akzeptieren konnte, so ein Unternehmen führte sich schließlich nicht von allein und da sich Christopher immer stärker aus der operativen Geschäftsführung zurückzog, würde der Job bald den größten Teil von Ashs Zeit beanspruchen. Trotzdem wäre ein gemütliches Frühstück zu dritt schön gewesen.

Ich lächelte ihn bemüht an. „Wie schade, dass du heute in die Firma musst“, gab ich zu. „Wir hätten uns schon mal Gedanken über die Möbel für unser Haus machen können.“

Ashton winkte ab. „Für sowas fehlt mir leider die Zeit. Um die Inneneinrichtung musst du dich allein kümmern, aber ich bin sicher, du wirst das wunderbar ohne mich hinbekommen. Ansonsten lass dich von Mom beraten. Sie ist Expertin darin, selbst aus der glanzlosesten Hütte das Beste herauszuholen.“

Sein letzter Satz tat weh. Natürlich lagen die Standards, an die er sich im Laufe des Lebens gewöhnt hatte höher als meine, trotzdem hätte er sich wenigstens ein bisschen auf unser zukünftiges Zuhause freuen können.

„Wie du meinst“, presste ich ernüchtert hervor.

Ein kurzes Unbehagen huschte über seine Züge, ehe er wieder die üblich glatte Fassade hochzog. „Nun schau nicht so. Du schaffst das auch ohne mich.“

Anscheinend merkte er gar nicht, was er mit seiner Gleichgültigkeit anrichtete. Er beugte sich zu mir und küsste mich flüchtig auf die Schläfe. „Warte nicht auf mich. Es wird spät werden.“ Anschließend lächelte er Danny an. „Viel Spaß in der Schule.“

Danny schaufelte sich gerade eine Portion Cornflakes in den Mund und nickte kauend. Die Anspannung in mir erreichte ihren Höhepunkt. Meine Hand zitterte, als ich nach der Kaffeetasse greifen wollte. Bevor sich die Finger um den Henkel schließen konnten, packte mich Ash am Nacken und sah mir eindringlich in die Augen. „Es tut mir leid“, raunte er. „Ich hätte den Tag auch lieber mit dir verbracht, aber ich kann es mir nicht aussuchen. Lass es dir gutgehen. Geh einkaufen, wühl dich durch Möbelkataloge oder mach dir einen Termin im Schönheitssalon. Tu, was immer dir Freude bereitet. Du hast die freie Wahl.“

Mit leidenschaftlichem Druck bemächtigte er sich meiner Lippen und küsste mich, bis mir schwindelig wurde. Bevor ich mich versah und richtig Luft holen konnte, war er weg und hinterließ in mir eine verwirrende Mischung aus Enttäuschung und Ratlosigkeit, die sich durch meine Eingeweide fraß.

Tja, die Flitterwochen sind wohl vorbei. Eine ziemlich ernüchternde Vorstellung. „Mom, muss ich wirklich in die Schule?“ Dannys Frage war eine willkommene Ablenkung und ich wandte mich ihm zu.

„Wieso solltest du denn nicht gehen?“

„Naja, du bist doch gerade erst zurückgekommen. Ich mag lieber bei dir bleiben.“

Gerührt strich ich ihm über die Locken. „Das geht nicht, Schätzchen. Du verpasst sonst unnötig einen Tag vom Schulstoff und müsstest alles nacharbeiten. Abgesehen davon, ist es nicht okay, einfach blauzumachen. Wir sehen uns ja heute Nachmittag wieder.“

Meine Unnachgiebigkeit begeisterte ihn zwar nicht, dennoch fügte er sich. Wir frühstückten zu Ende und ich erzählte ihm dabei von den Walfamilien auf Maui und vom riesigen Krater des über 3000 Meter hohen Haleakala-Vulkans. Danny hörte interessiert zu, bis Dobsons Eintritt mich unterbrach. Entschuldigend verzog er das Gesicht.

„Mrs. Hunter, wenn Sie erlauben, fahre ich den jungen Master jetzt zur Schule.“

Danny grinste verstohlen, nachdem der Butler ihn so betitelt hatte. Auch mir fiel es schwer, ein Kichern zu unterdrücken. „Das ist wirklich reizend von Ihnen, aber ich bringe ihn selbst.“

Der Butler lächelte wohlwollend. „Das dachte ich mir schon, Mrs. Hunter. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Tag. Sollten Sie etwas benötigen, so scheuen Sie sich nicht, mir Bescheid zu geben.“

„Dieses Angebot werde ich ganz bestimmt in Anspruch nehmen.“

Dobson verbeugte sich kurz und ging wieder seiner Wege.

Ich wandte mich Danny zu. „Jetzt komm, Schätzchen. Wir müssen noch deine Sachen holen.“

Er hopste vom Stuhl. „Wer zuerst in meinem Zimmer ist.“

Danny raste in einem Affentempo davon und ich blieb ihm dicht auf den Fersen. Unter den amüsierten Blicken des Personals jagte ich ihm hinterher. Besonders ladylike verhielt ich mich nicht, doch das war mir herzlich egal.

Es vergingen einige Wochen, in denen ich mich nur schwer an mein neues Leben gewöhnte. Der Grund dafür war simpel: Ich langweilte mich fast zu Tode und sehnte mich nach einer Aufgabe, mit der ich die langen Stunden des Tages füllen konnte. Melinda gab ihr Bestes, um mich in ihre Wohltätigkeitsarbeit miteinzubeziehen. Sie beteiligte sich jedoch nur sporadisch an diesen Sitzungen, da sie seit ein paar Jahren in der Marketingabteilung des Unternehmens arbeitete, wohl auch, um tagsüber möglichst nah bei ihrem Mann zu sein. So konnte sie wenig Zeit für anderes erübrigen und begleitete mich die ersten Male nur, um mich einzuführen. Ich gab mir Mühe, mich anzupassen, doch die Frauen in diesen Komitees gehörten einer völlig anderen Welt an und überdies war die Arbeit viel zu theoretisch. Diskussionen darüber, ob die Tischdekoration zu den Tischkärtchen passte, konnten mich auf Dauer nicht fesseln. Natürlich war es interessant mitzuerleben, wie Veranstaltungen zugunsten eines guten Zwecks organisiert wurden. Ich honorierte den Aufwand und die Wichtigkeit dieser Aufgaben und fand es großartig, was so alles auf die Beine gestellt wurde, aber ich merkte bei jedem Treffen des Wohltätigkeitsausschusses, dass ich nicht dazugehörte und nur in die gehobene Gesellschaftsschicht hineingeheiratet hatte. Nicht, dass man mich ausgeschlossen hätte, doch ich spürte die unter der Oberfläche schlummernde Überheblichkeit und registrierte auch das Getuschel über mich, sobald sie sich unbeobachtet fühlten. Einige der jüngeren waren zudem mit Natasha befreundet, wodurch ich zusätzlich einen schweren Stand bei diesen glamourösen Schönheiten hatte.

Damit hätte ich sogar zurechtkommen können. Manchmal galt es eine Durststrecke zu überwinden, ehe man einen Schluck vom köstlichen Wasser genießen durfte. Das eigentliche Problem war die praxisferne Ausrichtung der mir anvertrauten Aufgaben. Man kam nie mit den Nutznießern ihrer Veranstaltungen in Berührung, höchstens mit deren Vertretern, wenn medienträchtig der Scheck des gesammelten Geldbetrags überreicht wurde. Man organisierte eifrig Golf- und Poloturniere, Gala-Diner, Kuchenbasare oder Tombolas, ohne viel über die Bedürftigen und deren Schicksale zu wissen. Möglicherweise war es unfair von mir, ihnen das vorzuwerfen, aber wäre es denn so schwer gewesen, sich mal vor Ort anzusehen, mit welchen Schwierigkeiten die begünstigten Organisationen zu kämpfen hatten?

Es belastete mich, dass ich mit niemandem darüber reden konnte, da ich nicht undankbar erscheinen wollte. Nicht mal mit Bibi, die mir bestimmt vorgeworfen hätte, wieder zu pessimistisch zu sein und mir geraten hätte, mein Leben an Ashs Seite zu genießen. Selbst wenn sie etwas in der Art von sich gegeben hätte, wäre es nutzlos gewesen, denn ich sah ihn viel zu selten. Es kam mir vor, als hätten wir einander, während der Phase in der er mir mit so entschiedener Vehemenz nachgestellt hatte, öfter gesehen, als jetzt.

---ENDE DER LESEPROBE---