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Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Die junge Ärztin Dr. Hanna Martens wurde von der Morgensonne geweckt, die durch die Spitzenvorhänge des halboffenen Fensters goldene Kringel auf ihre Bettdecke zauberte. Sie dehnte und streckte sich, dann sah sie auf ihrer Uhr, daß es noch nicht Zeit zum Aufstehen war. Aus dem Garten hörte sie plötzlich leises Wasserrauschen. Hanna stand auf und öffnete das Fenster weit. Sie gab ihrer Stimme einen empörten Klang, als sie rief: »Junger Mann, was fällt Ihnen ein, so früh schon alle Leute aufzuwecken?« »Es tut mir leid, Schwesterlein, daß ich dich aufgeweckt habe«, rief Kay bedauernd. »Du warst es nicht. Es war die Sonne, lieber Bruder. – Willst du mit uns frühstücken?« »Ja, gern. Du weißt ja, daß meine Frau Sanders heute ihren freien Tag hat.« Lächelnd meinte er noch: »Deine Jolande werkelt auch schon lange in der Küche.« »Ich geh auch schnell unter die Dusche. Hoffentlich haben wir Mutti nicht aufgeweckt?« »Nein. Sie hat mir schon vor einer Weile von ihrem Fenster aus zugewinkt.« Das Geschwisterpaar Dr. Hanna Martens, Fachärztin für Kinderheilkunde, und Dr.
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Die junge Ärztin Dr. Hanna Martens wurde von der Morgensonne geweckt, die durch die Spitzenvorhänge des halboffenen Fensters goldene Kringel auf ihre Bettdecke zauberte. Sie dehnte und streckte sich, dann sah sie auf ihrer Uhr, daß es noch nicht Zeit zum Aufstehen war. Aus dem Garten hörte sie plötzlich leises Wasserrauschen. Hanna stand auf und öffnete das Fenster weit. Sie gab ihrer Stimme einen empörten Klang, als sie rief: »Junger Mann, was fällt Ihnen ein, so früh schon alle Leute aufzuwecken?«
»Es tut mir leid, Schwesterlein, daß ich dich aufgeweckt habe«, rief Kay bedauernd.
»Du warst es nicht. Es war die Sonne, lieber Bruder. – Willst du mit uns frühstücken?«
»Ja, gern. Du weißt ja, daß meine Frau Sanders heute ihren freien Tag hat.« Lächelnd meinte er noch: »Deine Jolande werkelt auch schon lange in der Küche.«
»Ich geh auch schnell unter die Dusche. Hoffentlich haben wir Mutti nicht aufgeweckt?«
»Nein. Sie hat mir schon vor einer Weile von ihrem Fenster aus zugewinkt.«
Das Geschwisterpaar Dr. Hanna Martens, Fachärztin für Kinderheilkunde, und Dr. Kay Martens, Kinderchirurg, hatte sich vor ein paar Jahren einen Traum erfüllt. Sie ließen das Birkenschlößchen in der Nähe des Ortes Ögela in der Lüneburger Heide nach ihren Wünschen zu einer Kinderklinik umbauen. Beide waren gleichberechtigte Leiter dieser im weiten Umkreis schon bekannten Kinderklinik Birkenhain.
Hanna war zweiunddreißig Jahre, und im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte sie langes, auf die Schulter fallendes blondes Haar und tiefblaue Augen. Sie war eine Schönheit mit klaren, zarten Gesichtszügen.
Ihr Bruder Kay war achtunddreißig, groß und schlank. Sein Haar war schwarz und leicht gelockt. Beide waren sie noch ledig.
Mutter Bea Martens wohnte seit dem Tod ihres Mannes bei ihren Kindern, auf die sie sehr stolz war. Sie war eine zierliche, noch sehr jugendlich wirkende Dame. Ihr dunkles Haar hatte nur einzelne silbergraue Strähnchen.
Bea besuchte fast täglich die kranken Kinder in der Klinik, brachte ihnen selbstgefertigte Puppen mit und erzählte ihnen Märchen, die sie sich ausgedacht hatte. Alle Kinder liebten sie.
Kay und Hanna hatten vor ein paar Jahren das Doktorhaus bauen lassen. Nur eine Wiese trennte es von der Klinik. Jeder hatte seine eigene Wohnung und einen Garten.
Hella Sanders war bei Kay Haushälterin. Sie war sehr tüchtig, und er war mit ihr zufrieden.
Hannas Haushälterin war Jolande Rilla. Sie hatte fuchsrotes Haar, daher wurde sie Füchsin genannt. Beide verstanden sich gut und hatten sich angefreundet.
An diesem Tag hatte die Füchsin im Eßzimmer den Frühstückstisch gerichtet, weil es auf der Terrasse so früh noch zu kühl war. Es versprach aber ein wunderschöner Tag zu werden, denn der Himmel war wolkenlos.
Als Hanna nach unten kam, saß die Mutter schon am Tisch. Mit einem Küßchen auf die Wange begrüßte sie diese und fragte gleich: »Warum bist du schon so früh aufgestanden, Mutti?«
»Ganz einfach, weil ich mit euch allen frühstücken wollte.«
»Das finde ich natürlich sehr schön, aber du solltest dir auch etwas mehr Ruhe gönnen«, sagte Hanna und lächelte sie an. Dann fragte sie: »Wollte Kay nicht mit uns frühstücken?«
»Natürlich will ich das, liebe Schwester. Ich habe mir nur noch die Hände gewaschen«, sagte Kay, denn er hatte ihre Frage gehört. Auch er freute sich, daß die Mutter mit am Tisch saß.
Wie immer hatte Jolande alles sehr schön angerichtet. Sie kam mit dem Servierwagen ins Zimmer, auf dem Tee- und Kaffeekanne standen, natürlich hatte sie auch die mit frischem Obst gefüllte Schale nicht vergessen. Ihr fröhliches »Guten Morgen!« und die Worte: »Wie schön, daß mal wieder alle beisammen sind«, zauberten ein kleines Lächeln auf die Lippen der Anwesenden.
Jolande goß Kaffee oder Tee nach Wunsch ein und setzte sich dann Hanna gegenüber. Jeder nahm sich, auf was er Appetit hatte. Und die Füchsin freute sich, daß es allen gut schmeckte. Sie wollte nun wissen: »Kannst du heute zum Mittagessen hier sein, Hanna?«
»Wenn nichts dazwischen kommt, ja. So genau kann man das aber nicht sagen.«
»Ich würde auch gern kommen«, meinte Kay, »doch für mich gilt das gleiche.«
»Mir fällt schon eine Mahlzeit ein, die schnell zubereitet ist, wenn ihr kommt«, sagte die Füchsin.
Hanna stand als erste vom Tisch auf. »Ich geh jetzt schon in die Klinik, Kay, damit ich noch einmal die Krankenunterlagen der kleinen Susanne Hellmann durchsehen kann.«
Kay fragte: »Für wann hast du mit ihrer Mutter einen Termin vereinbart?«
»Erst um neun. Vorher will ich nach meinen anderen Kindern sehen. Die Untersuchungen bei Susanne dauern noch etwas länger. Sie ist erst vier – Jahre, aber so lieb und kein bißchen wehleidig.«
»Hatte das Mädchen nicht ein kleines Loch im Herzen, als es zur Welt kam?« fragte Bea interessiert.
»Ja, Mutti, es ist fast schon zugewachsen. Ich sage dir Bescheid, welches Resultat die Untersuchung heute gebracht hat.« Hanna wollte sich soeben verabschieden, als das Telefon, das in der Diele stand, klingelte. Sie nahm den Hörer ab, es war Martin Schriewers.
Er meldete, daß ein Herr Reuter seine fünfjährige Tochter gebracht habe, die bei einem Treppensturz den linken Arm gebrochen hatte.
»In wenigen Minuten bin ich in der Klinik«, sagte Hanna, »dann werden Dr. Mettner und ich uns um das Mädchen kümmern.«
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, berichtete sie Kay, was Martin Schriewers gesagt hatte.
»Ich komme bald nach, Hanna.« Er legte sein Besteck zur Seite und sprang auf.
Nach einem kurzen Gruß verließen die Geschwister das Haus. Während Hanna durch den Klinikpark eilte, ging Kay in seine Wohnung und zog sich schnell um.
Hanna liebte ihren Beruf über alles – und sie war glücklich, wenn die Kinder wieder gesund von ihren Angehörigen abgeholt wurden.
Auch sie wünschte sich eines Tages ein oder zwei Kinder. Den richtigen Partner hatte sie jedoch noch nicht gefunden. Gut wäre es, wenn er auch Arzt wäre, dann würde er Verständnis dafür haben, daß es in ihrem Beruf keinen Achtstundentag gab.
Als Hanna die Klinikhalle betrat, ging sie gleich zur Aufnahme. Martin Schriewers schien auf sie gewartet zu haben.
»Frau Doktor, das kleine Mädchen ist bereits im Untersuchungsraum. Doktor Mettner und Oberschwester Elli kümmern sich schon um Mariele Reuter.«
Die junge Ärztin fragte erstaunt: »Mariele Reuter? – Sie war doch erst vor vier Wochen bei uns?«
»Ja, sie ist es. Ihr Vater wartet im Besuchszimmer auf den Bericht der Untersuchung.«
»Na, dann will ich mich auch um das blonde Lockenköpfchen kümmern«, sagte Hanna und ging durch die sich automatisch öffnende Glastür, die zu den Behandlungsräumen führte.
Als sie das Untersuchungszimmer betrat, grüßte sie leise den Kollegen Mettner und Oberschwester Elli. Diese nickte ihr nur lächelnd zu.
Aus einem der Schränke nahm sich Hanna einen ihrer weißen Arztkittel und wusch sich die Hände, dann ging sie zur Liege, auf der Mariele lag. Sie erschrak sehr, als sie die Fünfjährige sah, die sehr blaß war und apathisch alles mit sich geschehen ließ.
Fragend sah die Ärztin Dr. Mettner an, nachdem er ihr die blauen Flecke an den Beinen gezeigt hatte. Der rechte Arm hatte auch Abschürfungen, die Dr. Mettner schon mit Jod eingepinselt hatte und nun mit Gaze abdeckte.
»Den gebrochenen Unterarm müssen wir noch röntgen, dann können wir ihn eingipsen.«
»Wie ist denn das passiert, Mariele?« fragte Hanna Martens sanft, dabei streichelte sie zart das blasse Gesicht.
Kaum verständlich kam es von den Lippen des Kindes: »Für Papi – sollte ich – die Zeitung holen, da fiel ich – die Steintreppe runter.«
»War dir schwindelig?« fragte Hanna weiter.
Mariele nickte nur, dann schloß sie wieder die Augen.
Dr. Mettner sagte: »Ich habe ihr eine schmerzstillende Spritze injiziert. Kollege Dornbach ist im Labor, er macht die Blutanalyse.«
»Hoffentlich finden wir bald heraus, warum das Kind so oft hinfällt«, meinte Hanna.
Die Kleine war inzwischen eingeschlafen, deshalb sprach die Oberschwester aus, was die beiden Ärzte dachten: »Ich fürchte, Mariele bekommt nicht genug zu essen. Sie ist so mager geworden, kein Wunder, wenn sie die Treppe runterfällt.«
»Das kann ich mir nicht denken«, sagte Hanna nachdenklich. »Ihre Mutter ist doch eine vernünftige Frau, und sie liebt ihre Kleine.«
Elli fragte nun: »Kann es sein, daß Mariele von ihrem Vater schikaniert wird?«
»Alles ist möglich«, meinte Dr. Mettner. »Das wäre dann ein Fall für unsere Kinderpsychologin, Dr. Andergast.«
Gespannt blickten nun alle auf Dr. Dornbach, der eben zur Tür hereinkam. Sein Gesicht war sehr ernst, als er ihnen die Blutwerte des kleinen Mädchens zeigte. »Mariele hat Unterzucker, das erklärt auch das Schwindelgefühl. – Ich denke, Frau Dr. Martens, wir sind alle einer Meinung, daß wir das Kind in der Klinik ein paar Wochen aufpäppeln müssen.«
»Sie haben recht, Herr Kollege. Sobald der Unterarm eingegipst ist, hängen wir sie an den Tropf. Mit ihm bekommt sie erst mal alle Vitamine und Nährstoffe, die ihr geschwächter Körper braucht.« Hanna fügte noch hinzu: »Am besten legen wir sie in Zimmer siebzehn, in dem die neunjährige Katrin mit ihrem Gipsbein noch zwei Wochen bleiben muß. Sie ist ein sehr liebes und lustiges Mädchen. Bestimmt wird Mariele durch sie etwas aufgemuntert.«
Oberschwester Elli sagte lächelnd: »Das wollte ich auch vorschlagen, denn Katrin fragte mich schon, wann sie endlich wieder eine Bettnachbarin bekäme.«
»Dann wäre die Zimmerfrage ja geklärt«, meinte die Ärztin.
»Ich werde gleich alles veranlassen«, sagte Elli und verließ den Untersuchungsraum.
»Und wir zwei, Kollege Dornbach, legen den Arm der Kleinen in Gips, dann kann Schwester Jenny mit dem Pfleger Jan sie auf Zimmer siebzehn bringen.« Dr. Mettner sah auf seine Uhr und stellte fest: »Wir können sogar pünktlich um acht Uhr zur Besprechung im Ärztezimmer sein.«
Bevor Hanna ging, streichelte sie noch einmal zärtlich über das blonde Wuschelköpfchen. Leise sagte sie: »Wir machen dich wieder gesund, mein Kleines«, und zu den Kollegen: »Bis bald bei der Besprechung.«
Auf dem Flur begegnete sie Kay. »Es tut mir leid, Hanna, daß ich jetzt erst komme, aber ein Telefonanruf aus Berlin hat mich so lange aufgehalten.« Als ihn Hanna fragend ansah, sagte er: »Das ist eine längere Geschichte, Schwesterlein. Ich erzähle sie dir heute abend.«
»Geschäftlich oder privat?« wollte sie wissen.
Kay zog die Stirn ein wenig kraus und erwiderte: »Eigentlich beides. – Ich muß auch erst reiflich überlegen, ob und wie ich da helfen kann.« Er wollte noch wissen. »Kommst du zu unserer morgendlichen Besprechung?«
Hanna nickte nur und ging dann in ihr Sprechzimmer. Von Schwester Regine ließ sie sich die Unterlagen der dreijährigen Susanne Hellmann bringen.
Als sie die Krankenmappe durchblätterte, war sie zuversichtlich. Auch das heutige EKG und die Blutwerte würden zeigen, daß das kleine Loch im Herzen weiter zuwuchs.
*
Lisa Hellmann war schon unterwegs in die Kinderklinik. Ihre Kleine saß im Kindersitz hinten im Wagen. Sie hatten nur wenigen Minuten zu fahren.
Susanne hatte ihre Lieblingspuppe im Arm und sprach leise zu ihr. Nun wollte sie wissen: »Mami, die Tante Doktor ist doch noch da?«
»Natürlich, Liebchen. Sie wartet bereits auf uns.«
»Weißt du, Mami, ich bleibe gern wieder ein paar Tage bei den netten Schwestern und bei Oma Bea, sie erzählt so schöne Märchen.«
Erstaunt fragte ihre Mutter: »Gefällt es dir nicht zu Hause bei Oma und mir?«
»Doch, Mami. Aber in der Klinik sind alle so lustig, und die anderen Kinder spielen mit mir. Daheim hab ich nur die Oma, denn du mußt immer so viel arbeiten.«
»Vergißt du unsere schönen Spaziergänge in die Heide, wo du immer die vielen Schäfchen streicheln kannst?«
»Nein, Mami. Wann besuchen wir sie mal wieder?«
»Vielleicht nächste Woche, denn ich glaube, daß die Mutterschafe nun auch ihre kleinen Lämmchen anfassen lassen.«
»Ja, Mami, ich freu mich darauf.«
Sie waren inzwischen an der Kinderklinik angekommen. Lisa stellte ihren Wagen auf dem vorgesehenen Parkplatz ab. Sie hob Susanne heraus, dann gingen sie Hand in Hand in das Klinikgebäude.
Martin Schriewers begrüßte sie herzlich, er kannte Mutter und Kind, denn in regelmäßigen Abständen kam Frau Hellmann, um Susanne routinemäßig untersuchen zu lassen.
»Frau Doktor Martens erwartet Sie schon in ihrem Sprechzimmer, Frau Hellmann.« Dann fragte er noch lächelnd: »Susanne, braucht dein Püppchen auch die Frau Doktor?«
»Nein, meine Rosi ist ganz gesund. Sie begleitet mich nur.« Sie fragte nun ihre Mutter: »Kann Rosi auch krank werden?«
»Nein, Herzchen, du gehst doch immer sehr sanft mit ihr um.« Mit großen Augen sah das Kind sie nun an, dann sagte es leise: »Mami, du bist doch auch immer nur lieb zu mir, warum brauche ich dann die Frau Doktor?«
Herr Schriewers war neugierig, was Frau Hellmann ihrer Kleinen antworten würde, doch sie sagte nur: »Das erkläre ich dir zu Hause, mein Herzchen. Jetzt gehen wir zu Frau Dr. Martens.«
Beide gingen den Flur entlang, und Lisa Hellmann klopfte leise an die Tür der jungen Ärztin. Wie immer pochte ihr Herz ein wenig unruhig, wenn sie mit Susanne zur Untersuchung kam. Obwohl es in den letzten zwei Jahren keine Komplikationen gegeben hatte, achteten sie und ihre Mutter sorgfältig darauf, daß sich Susanne nicht überanstrengte.
Herzlich begrüßte Dr. Hanna Martens Frau Hellmann, dann streichelte sie zärtlich über das goldblonde Lockenköpfchen des kleinen Mädchens. Es sah sie mit seinen großen blauen Augen verständnisvoll an, als sie sagte: »Wie ich sehe, Susanne, geht es dir gut.«
»Ja, Tante Doktor. Ich gehorche auch immer, wenn Mami sagt, ich soll nicht so schnell laufen. Aber die anderen Kinder wollen dann nicht mit mir spielen, sie sagen, ich sei langweilig, weil ich nicht so rennen kann.«
»Mach dir nichts draus, Herzchen. Du wirst sehen, eines Tages überholst du noch alle. Aber zeig mir mal dein Püppchen, hat es schon einen Namen?«
Mit einem Lächeln gab Susanne der jungen Ärztin ihre Puppe. »Sie hat sogar einen sehr schönen Namen, sie heißt Rose, aber ich sage Rosi zu ihr.«
Hanna liebte dieses Kind, das mit einem kleinen Loch im Herzen geboren wurde. Im ersten halben Jahr war zu befürchten, daß es keine große Lebenschance hatte. Durch die aufopfernde Pflege ihrer Mutter und der Oma, die ständig in der Nähe des Kindes waren, dessen Gesichtchen sich noch manchmal bläulich färbte, entwickelte sich die Kleine prächtig.
Hanna hatte den Befund der Computertomographie und die Schichtaufnahmen von Dr. Leo Walther, dem bekannten Herzspezialisten in Hannover, in Susannes Krankenunterlagen. Daraus hatte sie gelesen, daß das kleine Loch langsam, aber wieder ein wenig mehr zugewachsen war.
Sie wollte Frau Hellmann dies mitteilen, wenn sie heute die übliche Untersuchung gemacht hatte. Schwester Maria war von Hanna Martens aufgetragen worden, das EKG-Gerät in ihr Sprechzimmer zu bringen. Sie wollte nicht, daß Susanne sich in dem großen Untersuchungsraum ängstigte.
Die Kleine legte ihr Püppchen auf einen Stuhl, leise sagte sie: »Du brauchst keine Angst haben, Rosi, die Frau Doktor tut mir gar nicht weh.«
Nachdem die Mutter Susanne bis auf das Höschen ausgezogen hatte, hob sie sie auf die Liege. Und die Kleine lächelte die Ärztin an, als diese sie mit dem Stethoskop abhorchte. Während sie die Reflexe prüfte, die Schilddrüse abtastete und in den Hals schaute, sah Lisa Hellmann mit großen Augen zu, ob sich das Gesicht der Ärztin veränderte.
Die junge Mutter wußte, ihre Angst um Susanne würde erst vorbei sein, wenn das Loch im Herzen ganz verschwunden war. Sie hatte Susanne mit einundzwanzig Jahren ledig bekommen. Vor vier Jahren hatte sie sich in den Landschaftsmaler Felix Tukan verliebt. Auch ihre Mutter mochte ihn gut leiden, denn er malte zauberhafte Bilder von der Heide und ihrer Umgebung, die ihm viel Geld einbrachten.
Lisa glaubte ihm, als Felix ihr nach einem Vierteljahr versicherte, daß er sie über alles liebe. Aber er mußte für ein paar Monate nach Mailand, wo ein Kunsthändler ihn erwartete. Dieser plante eine Ausstellung mit seinen Bildern.
Schweren Herzens hatte sich Lisa von ihm verabschiedet, doch er versprach, oft zu schreiben und so bald wie möglich wiederzukommen.
Auch ihre Mutter mochte Felix gern, denn er war immer gutaufgelegt und er machte manche Reparatur im Haus, und Gartenarbeit liebte er sogar. Doch Felix kam nicht wieder, nur eine Ansichtskarte aus Mailand – ein paar Wochen später eine aus Paris. Beide ohne Absender und mit nichtssagenden Worten… Lisa konnte ihm daher nicht mitteilen, daß sie schwanger war.
Ihre Mutter hatte Verständnis, daß sie das Kind unbedingt haben wollte, denn auch sie hatte gehofft, daß Felix sein Versprechen wahr machte und wieder nach Ögela kam.
Diese Gedanken, wie jetzt in der Praxis bei Dr. Hanna Martens, verdrängte Lisa meistens erfolgreich. Sie wußte, sie hatte einen Fehler gemacht und einem Mann vertraut, der sein Versprechen nicht gehalten hatte. Und Lisa wußte auch, Felix hatte keine Ahnung von der Existenz seiner Tochter, die ihr Ebenbild war.
Lisa schrak zusammen, als die junge Ärztin fragte: »Geht es Ihnen nicht gut, Frau Hellmann? Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen lassen?«
»Nein, danke! Ich habe nur über die Vergangenheit nachgedacht, und daß ich glücklich bin, mein kleines Mädchen zu haben.« Sie fügte noch hinzu: »Auch bin ich sehr dankbar, daß ich für einen so toleranten Chef arbeiten kann.«
Hanna kannte aus früheren Gesprächen mit Frau Hellmann deren Lebensgeschichte und ihre große Angst, ihre kleine Susanne durch diesen Herzfehler wieder zu verlieren. Sie sagte deshalb: »Bei Ihrer Kleinen ist alles sehr gut. Die Reflexe und Werte könnten nicht besser sein.«
Schwester Maria war nun mit dem EKG fertig und schaltete den Apparat aus. Das mit Zacken beschriebene Magnetband reichte sie der Ärztin – sie selbst nahm dem Kind von den Armen und der Brust die Drähte mit den Elektroden ab.
»Du bist das tapferste kleine Mädchen, das sich ohne Ängste untersuchen läßt«, sagte die Schwester und half Susanne, sich zu setzen.