Lore-Roman 58 - Wera Orloff - E-Book

Lore-Roman 58 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Liebe unter der Äquatorsonne
Schicksalsroman voller Abenteuer und Leidenschaft
Von Wera Orloff

Dr. Alexander Preetorius bricht voller großer Erwartungen nach Java auf, um dort auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten zu forschen. In der Hauptstadt Batavia wird der Arzt in die gesellschaftlichen Kreise der Europäer eingeführt, und schnell spricht ein jeder von dem so charmanten und erfolgreichen Mediziner aus Deutschland.
So hat Alexander nicht nur mit der tropischen Hitze und der ihm so fremden Kultur zu kämpfen, sondern auch mit zahlreichen Verehrerinnen. Darunter ist Betsy Rathcliff, die - obwohl Tochter einer wohlhabenden Familie - nach zahlreichen Skandalen und Affären einen äußerst zweifelhaften Ruf genießt. Sofort wittert sie in dem attraktiven Arzt eine Chance, mit einer Heirat ihre Ehre wiederherzustellen. Während Betsy schon einen listigen Plan ersinnt, um Alexander in die Falle zu locken, fliegt sein Herz einer angehenden Mediziner-Kollegin zu: Ursula mit den dunkelsten Kirschaugen, die er je gesehen hat ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Liebe unter der Äquatorsonne

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Svyatoslava Vladzimirska / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8296-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Liebe unter der Äquatorsonne

Schicksalsroman voller Abenteuer und Leidenschaft

Von Wera Orloff

Dr. Alexander Preetorius bricht voller großer Erwartungen nach Java auf, um dort auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten zu forschen. In der Hauptstadt Batavia wird der Arzt in die gesellschaftlichen Kreise der Europäer eingeführt, und schnell spricht ein jeder von dem so charmanten und erfolgreichen Mediziner aus Deutschland.

So hat Alexander nicht nur mit der tropischen Hitze und der ihm so fremden Kultur zu kämpfen, sondern auch mit zahlreichen Verehrerinnen. Darunter ist Betsy Rathcliff, die – obwohl Tochter einer wohlhabenden Familie – nach zahlreichen Skandalen und Affären einen äußerst zweifelhaften Ruf genießt. Sofort wittert sie in dem attraktiven Arzt eine Chance, mit einer Heirat ihre Ehre wiederherzustellen. Während Betsy schon einen listigen Plan ersinnt, um Alexander in die Falle zu locken, fliegt sein Herz einer angehenden Mediziner-Kollegin zu: Ursula mit den dunkelsten Kirschaugen, die er je gesehen hat …

Der repräsentative Raum, der in seiner großzügigen Möblierung und mit seinen dicken, teuren Teppichen so etwas wie Erhabenheit ausstrahlte, stand in deutlichem Gegensatz zu seinem Bewohner, dem Generaldirektor Heribert von Scheer, einem weißhaarigen hageren, hochgewachsenen Herrn, der von seinem Schreibtisch aus nervös auf seine beiden Besucher einredete.

„… geht nicht, geht nicht. Sie haben ja gesehen, wie die Hoeschaktien darauf reagiert haben und die … die … eh, na ja, die anderen. Sie verstehen schon. Geht also nicht. Soll verkaufen, der Mann. Dann firmiert das Ganze unter unserem Namen. Verkaufen, ja, verkaufen. Verhandeln Sie ruhig in diesem Sinne. Ja? Und was den … den … eh, den Dingsda …“

„Hubricht, Herr Generaldirektor“, half der ältere der beiden Herren respektvoll nach.

„Ja, Hubricht. Was also den Hubricht anbetrifft …“

Aus der Sprechanlage ertönte unvermittelt eine etwas blechern klingende Frauenstimme: „Fräulein Jutta hätte Sie gern in einer dringenden Angelegenheit gesprochen, Herr Generaldirektor.“

Herr von Scheer griff nervös zum nächsten Telefonapparat.

„Verbinden Sie, verbinden Sie nur …“, sprudelte er hervor.

„Fräulein Jutta befindet sich im Vorzimmer“, antwortete es aus dem Lautsprecher.

„Reinkommen, ja, bitte … oder einen Augenblick, nein, machen Sie ihr auf.“

Die beiden Herren hatten sich schon erhoben. Sie wollten nicht weiter stören, wenn sich das Fräulein Tochter selbst hierher bemüht hatte, um den Herrn Vater in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen. Herr von Scheer stutzte, als er die beiden Herren stehen sah, begriff aber dann sofort.

„Also, was diesen Herrn … diesen Herrn Hubricht betrifft, können Sie ihn von mir aus entlassen. Die anderen Sachen erledigen wir später. So.“

Die beiden Herren hatten sich schon bis zur Tür zurückgezogen und verneigten sich von Ferne nur noch stumm vor der jungen Dame, die durch eine andere Tür das Büro betreten hatte.

Jutta von Scheer war mit ihren dreiundzwanzig Jahren in der Tat eine wirkliche junge Dame von vollendeter Figur, die noch durch ein sehr einfaches weißes Sommerkleid in raffinierter Weise betont wurde. Der bewusst aufgelockerte blonde Haarschopf und die kleine, etwas spitzige Nase gaben ihrem Gesicht einen unternehmungslustigen, frech-hübschen Ausdruck. Ihr Vater schien noch ganz in Gedanken versunken zu sein und bemerkte seine Tochter erst, als sie sich vor ihm in einen Sessel fallen ließ.

„Ach so, ja, also was möchtest du Dringendes besprechen, Jutta?“, fragte er zerstreut.

Jutta lächelte ihn vergnügt an. „Meine Verlobung.“

„So, ja … Wie bitte? Was hast du eben gesagt?“ Herr von Scheer fuhr entsetzt aus seinen kaufmännischen Überlegungen auf. „Sagtest du Verlobung?“

„Ja.“

„Verloben? Du willst dich verloben? Ja, um Himmels willen, muss das denn sein, ich meine, mit wem denn?“

„Mit Herrn Doktor Alexander Preetorius.“

„Preetorius? Preetorius? Kenne ich den?“

„Aber natürlich, Paps.“

„Natürlich, natürlich? Wieso natürlich? Welcher von deinen Bekannten ist das denn?“

„Das ist der, der sich um die Heilung der Managerkrankheit verdient gemacht hat, und von dem du dich nicht behandeln lassen wolltest, weil du dazu keine Zeit hast“, erklärte sie mit einem Unterton von Spott.

„Richtig, richtig, ich erinnere mich. So? Mit dem willst du dich also verloben. Und was sagt deine Mutter dazu?“

„Mutti findet die Idee herrlich.“

Der Vater griff hastig zum Telefon.

„Herrn Werneck, bitte, ich warte … Wie? Ferngespräch? Dann legen Sie das Gespräch auf den anderen Apparat, ja?“

Der Generaldirektor trommelte nervös mit den Fingern auf der Schreibtischplatte und schien die Anwesenheit seiner Tochter völlig vergessen zu haben.

Jutta zündete sich gemächlich eine Zigarette an.

„Hallo, Herr Werneck? Was ich sagen wollte, entlassen Sie diesen Herrn … eh, Herrn … Wie bitte? Ganz recht, Hubricht, also der Herr Hubricht bleibt. Schicken Sie ihn ins Verkaufsbüro nach Nürnberg, die brauchen dort einen Mann. Da sitzt der Herr … Herr Huber gut. Wie bitte? Hubricht? Habe ich doch gesagt. Also nach Nürnberg, ab sofort. Schicken Sie ein Telegramm dorthin.“

Herr von Scheer machte sich mit dem Rotstift eine Notiz. Dann sah er wieder Jutta vor sich.

„Also du willst dich verloben mit dem Herrn Doktor … eh, Doktor …“

„Preetorius.“

„Richtig, Preetorius. Ich erinnere mich. Der hat doch mit den Alfawerken zu tun, nicht wahr? Die Alfa-Aktien stehen ausgezeichnet. Und was sagt deine Mutter dazu“, wiederholte er gedankenlos die schon einmal gestellte Frage.

Jutta antwortete geduldig: „Mutti findet die Idee herrlich.“

„Aha, also dann wäre das ja besprochen, mein Kind. Ich habe schrecklich viel zu tun, du verstehst mich, nicht wahr?“

„Ja, Paps. Und wann darf dich dein künftiger Schwiegersohn aufsuchen?“

„Schwiegersohn, Schwiegersohn, wer …“ Der Vater wollte eben zerstreut fragen, wer denn nun das wieder sei, besann sich aber noch rechtzeitig. „Richtig, der wird ja mein Schwiegersohn. Das muss ich mir gleich vormerken, also … übermorgen, oder warte, morgen um halb zwölf, ja? Darf ich das vormerken?“

„Sicher, Paps. Ihr könnt ja dann zusammen essen gehen.“

„Ja, essen gehen.“ Der Generaldirektor hatte schon wieder den Telefonhörer in der Hand. „Herrn Werneck, bitte …“

Jutta erhob sich, kam um den Schreibtisch, gab ihrem Vater einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und sagte: „Also morgen um halb zwölf. Tschüss, Paps.“

Der Vater nickte nur.

Jutta saß einen Augenblick lang nachdenklich in ihrem hellblauen Cabriolet. Sie hatte nun immerhin das eine erreicht, dem beschäftigten Vater einen Termin abzuringen. Ob sich Alexander darüber freuen würde? Er selbst hatte doch gefragt, ob er Paps nicht einmal sprechen könnte. Er hatte zwar keinen Grund genannt, aber wenn man alles, was war, zusammenfasste, auch seine früheren, vorsichtigen Andeutungen, dann konnte das doch nur den einen Grund haben, nämlich den, Paps um die Hand seiner Tochter zu bitten. Vielleicht sollte man sich doch vorher noch einmal vergewissern, dass er Paps tatsächlich in dieser Angelegenheit aufsuchen wollte. Ja, das musste man unbedingt tun.

Jutta setzte sich zurecht, ließ den Motor anspringen und fuhr langsam nach Hause. Sie hatte sich um zwei Uhr mit Alexander im Seehaus verabredet, wo sie zusammen zu Mittag essen wollten. Bis dahin war noch Zeit. Und was sollte man mit dieser Zeit beginnen?

Sie würde ihn auf jeden Fall ein paar Minuten warten lassen, weil, na ja, weil ihre erfahrene Freundin gesagt hatte, das gehöre sich so.

Heute rebellierte Jutta gegen diese Meinung. Sie hatte oft genug deutlich gefühlt, dass Alexander Unpünktlichkeit gar nicht schätzte, obgleich er dazu nie eine Bemerkung gemacht hatte oder deshalb unfreundlicher war. Seine Ritterlichkeit ging manchmal fast ein wenig zu weit und machte Jutta unsicher. So unsicher, dass sie plötzlich nicht mehr wusste, ob er sie überhaupt so sehr liebe, wie es den Anschein hatte. Und wenn er sie dann küsste, waren, alle Zweifel wie weggefegt. Aber wann tat er das schon! Inzwischen waren schon wieder Tage vergangen. Er war unverändert nett, aufmerksam, überlegen und von einer Geduld, als habe er ein Kind vor sich. Er machte es einem nicht leicht.

Deshalb musste einfach etwas Entscheidendes geschehen. Eine Verlobung zum Beispiel. Neben Alexander wirkten alle anderen jungen und älteren Männer wie dumme Jungens oder dumpfe Spießer. Es gab für Jutta nur noch einen Mann auf der ganzen Welt, nämlich Alexander.

Um zwei Minuten vor zwei Uhr hielt vor dem Seehaus ein Volkswagen. Dr. Preetorius, ein dunkelhaariger, breitschultriger Herr in grauem Anzug, schloss die Wagentür sorgfältig ab, warf noch einen Blick zu der Buche hinauf, als wollte er abschätzen, ob der Schatten, in dem der Wagen stand, auch zwei Stunden an dieser Stelle anhalten würde, und wandte sich dann dem Seehaus zu. Mit einem Blick hatte er Jutta entdeckt, die entgegen der Gewohnheit also diesmal vor ihm hier war. Alexander musste lächeln, ganz wider Willen, weil sich bei ihm sofort der Gedanke einstellte, wenn Jutta plötzlich pünktlich war, musste das einen besonderen Grund haben.

Sie hatte sich so gesetzt, dass sie ihn auf sich zukommen sah. Er nahm ihre Hand, hielt sie einen Augenblick zärtlich in seinen beiden kräftigen Händen und sagte freundlich: „Entschuldige bitte, dass ich dich warten ließ, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon hier bist.“

„Ach, das wusste ich vor einer Stunde auch noch nicht.“

„Bist du schon lange hier?“

„Eine halbe Stunde vielleicht. Die Sonne tut so wohl.“

„Hast du dir schon etwas bestellt?“

„Nein. Warum auch? Wir wollten doch zusammen essen.“

Alexander sprach den Kellner an. Als sie wieder allein waren, entstand eine kurze Stille. Jutta wollte etwas sagen, was sich auf ihren Vater bezog, aber unter dem klugen, durchdringenden und fast etwas ironischen Blick aus Alexanders Augen, wurde sie wieder unsicher.

„Ist etwas Besonderes vorgefallen?“, erkundigte er sich, da er ihre Unsicherheit sofort bemerkte.

„Nein, eigentlich nicht. Ich bin heute einfach ein bisschen nervös und habe immer das Gefühl, als würde gleich etwas geschehen.“

„Das ist die Sonne. Du bist nicht daran gewöhnt. Einen Augenblick.“

Schon war er aufgestanden und spannte den Sonnenschirm auf, der neben dem Tisch stand.

„Geht es so besser?“

„Ja, ich weiß nicht, vielleicht hast du recht.“

„Wenn du etwas gegessen hast, wirst du bestimmt ruhiger. Wie wäre es mit einem Glas Wein dazu?“

„Wenn du meinst …“

Alexander hatte sich schon erhoben und verschwand im Haus, um die Bestellung aufzugeben.

Als er zurückkam, gab sich Jutta einen Ruck und sagte: „Eigentlich bist du ein schrecklicher Geheimniskrämer. Du erzählst mir nie, was du den ganzen Tag über treibst und denkst. Das interessiert mich doch alles.“

Alexander war über diesen Vorwurf etwas verblüfft, ließ es sich aber nicht anmerken. Jedenfalls erschien ihm das so plötzlich erwachte Interesse komisch, nachdem sich Jutta nie nach seinen beruflichen Dingen erkundigt hatte.

„Aber ich krame ja gar nicht in Geheimnissen. Du kannst alles wissen und hättest mich jederzeit fragen können. Ich wollte dich ja nur nicht mit Dingen belasten, die dir vielleicht … na, sagen wir mal, unfreundlich erscheinen könnten …“

„Übrigens war ich heute bei Papa. Er wäre bereit, dich morgen zu empfangen. Du wolltest ihn doch sprechen, nicht wahr?“

„Ja, ich weiß, morgen Vormittag um halb zwölf.“

Jutta erschrak. Woher kannte Alexander den Termin?

„Ja“, antwortete sie nur.

„Ich habe ihn heute Vormittag vom Institut aus angerufen. Er war sehr nett und schien sich auch sofort an mich zu erinnern. Die Zentrifuge wollte er dem Institut sogar kostenlos überlassen.“

Jutta hatte Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. Alexander hatte Paps wegen einer dummen Zentrifuge angerufen. Vielleicht war das überhaupt der Grund, weshalb er Paps hatte sprechen wollen. Die Begegnung morgen Vormittag konnte ja einen reizenden Verlauf nehmen, wenn Paps mit der Tür ins Haus fiel und gleich von einer Verlobung zu sprechen begann. Es musste etwas geschehen. Heute noch. Etwas Einschneidendes, Entscheidendes, Endgültiges. Unmöglich, Paps von etwas abzubringen, womit er sich erst einmal ernsthaft beschäftigt hatte. Das würde alles nur noch verschlimmern.

„Was machst du heute Abend, Alex?“

„Wenn du etwas Bestimmtes bei dieser Frage im Auge hast, werde ich selbstverständlich zu deiner Verfügung sein. Wieder eine langweilige Einladung, wie?“

„Nein. Ich dachte nur … das heißt, ich habe daran gedacht, dass wir eigentlich noch nie mehr als zwei bis drei Stunden für uns allein gehabt haben und … ich weiß auch nicht, manchmal habe ich das Gefühl, als wärst du mir … als würde ich dich noch gar nicht richtig kennen. Ich will das nicht Einsamkeit nennen, das klingt so abgebraucht, es ist eher wie … ach, das verstehst du doch nicht“, brach sie unvermittelt ab, weil sie spürte, dass sie rot geworden war.

Alexander hatte sie erst neugierig angeschaut, aber dann hatte ihn etwas in dem Ton ihrer Worte getroffen, das so ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Lustigkeit und Frechheit stand. Er glaubte, zum ersten Mal greifbar etwas vor sich zu haben, worauf er im Stillen immer gewartet hatte, den klaren Beweis, dass sie ihn wirklich liebte. Am liebsten hätte er sie für ihre unbeholfenen Worte an sich gerissen und geküsst. Aber das musste ja nicht sofort sein.

„Bitte entschuldige mich einen Augenblick, ich komme sofort wieder“, sagte er unvermittelt und stand auch schon auf.

Jutta machte sich inzwischen bittere Vorwürfe, dass sie sich so weit hatte gehen lassen. Was würde er jetzt von ihr denken? Schade, dass sie nicht den Mut gehabt hatte, ihm in die Augen zu sehen. Nun wusste sie gar nicht, wie er das alles aufgefasst hatte, das so ganz anders klang als ihre gewohnten, leichten Unterhaltungen. Und warum war er jetzt aufgesprungen und davongerannt?

Sie griff nach der Zigarettenschachtel und sah, wie ihre Finger leicht zitterten. Jetzt war es so weit. Jetzt würde etwas geschehen, ganz sicher. Jetzt würde sie ihn gewinnen oder verlieren. Sie hatte die Entscheidung nun heraufbeschworen, die sie sich eben noch gewünscht hatte, aber nun sah sie ganz anders aus.

Da kam Alexander zurück, reichte ihr die Hand und sagte: „Komm, Liebes, ich habe mit dem Ober gesprochen. Du kannst deinen Wagen hier stehen lassen. Bis Mitternacht sind wir zurück. Einen Badeanzug für dich kaufen wir unterwegs.“

Und als Jutta neben ihm im Volkswagen saß, glühten ihre Wangen noch immer oder nun erst recht. Und als der Tag sich neigte, gab es ein glückliches Paar.

***

Es herrschte eine gespannte Stille. Ein graues, hartes Augenpaar starrte unter dichten, weißen Augenbrauen gebannt auf Dr. Preetorius. Generaldirektor Johst schien völlig erstarrt zu sein. Und einen Meter neben ihm saß der Chefchemiker des Hauses, Professor Skory, ein kleines, hageres, verdorrtes Männchen von unbestimmbarem Alter, dessen wässrig blaue Augen unstet nach einem Punkt suchten, den sie vielleicht fixieren könnten. Beide Herren warteten auf Alexanders Antwort.

Und Alexander dachte an alles andere, nur nicht an diese Antwort. Er dachte an eine Wiese, wo er Jutta ein Schulerlebnis erzählt hatte, und wo nun ein Haus gebaut werden sollte, sein Haus, sein Heim.

Doch ganz plötzlich richtete er sich auf und sagte mit klarer, ruhiger Stimme: „Gut. Ich nehme das an.“

Man hörte Professor Skory tief aufatmen, ganz ungeniert, als sei er allein, und als sei eine Zentnerlast von ihm gewichen. Der Generaldirektor des Alfakonzerns zuckte unwillig darüber mit den buschigen Augenbrauen, würdigte den Professor jedoch keines Blickes. An diese Momentaufnahme konnte sich Alexander später noch genau erinnern. Alles andere erfolgte eigentlich wie in einem Traum.

Ein Vertrag wurde aufgesetzt, geändert, neu geschrieben, mit einem Zusatzvertrag versehen, weil die in der weiteren Verhandlung aufgetauchten neuen Gesichtspunkte nicht mehr in den ersten Vertrag hineinpassten. Alexander traf kurze und knappe Entscheidungen, legte Termine fest, ging Verpflichtungen ein und notierte sich alles mit ein paar Worten in seinem Notizbuch. Man trank ein Glas Sekt, sprach von Alexanders Tantiemen, die er aus einem Arzneimittel beziehen sollte, das er erfunden und erprobt hatte und trennte sich schließlich mit höflichen Worten, so als sei jeder sehr bemüht, jede Art von Gefühlsregung um jeden Preis zu verbergen.

Gegen Mittag verließ Alexander in seinem Volkswagen Düsseldorf. Er hielt am nächsten Gasthof, wo ein paar Stühle und Tische unter einer mächtigen Linde aufgestellt waren, bestellte irgendetwas, und erst als er gegessen hatte und wieder in seinem Wagen saß, kam er langsam wieder zu sich, zurück in seinen Normalzustand. Und Stück für Stück wurde ihm bewusst, welche unabsehbare Tragweite seine vorhin gefassten Entschlüsse haben konnten.

Am Abend suchte er Jutta auf und schlug ihr eine kleine Spazierfahrt vor.

„War in Düsseldorf etwas Besonderes?“, fragte sie unterwegs. „Du bist so still heute Abend. Das ist sicher die lange Fahrt.“

„Vielleicht. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir nur bis zum Seehaus fahren?“

„Nein. Warum? Hoffentlich sind nicht zu viele Leute da.“

„Wir können uns ja ein Boot mieten. Außerdem scheint der Mond, da ist es auf dem See sicher sehr schön.“

„O ja, eine richtige Mondscheinpartie“, äußerte sie übertrieben lustig, um ihn nicht merken zu lassen, dass sie für Mondscheinpartien wirklich eine Schwäche hatte.