Lore-Roman 69 - Wera Orloff - E-Book

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Wera Orloff

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Beschreibung

Wenn man sein Herz verkauft
Ein Mädchen glaubt sich geliebt
Von Wera Orloff

Gundula Wolff, die Tochter eines schwerreichen Mannes, ist ein vielbeneidetes Mädchen. Aber ihr fehlt die Liebe. Unscheinbar und unbeachtet lebt sie in ihrem Elternhaus. Eines Tages geht ihr Wunsch nach Liebe in Erfüllung, doch sie ahnt nicht, dass ihr Vater den mittellosen Studenten Michael Vollmer bezahlt hat für die netten Worte, die er ihr sagt. Sie glaubt sich geliebt ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Wenn man sein Herz verkauft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nejron Photo / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9068-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wenn man sein Herz verkauft

Ein Mädchen glaubt sich geliebt

Von Wera Orloff

Gundula Wolff, die Tochter eines schwerreichen Mannes, ist ein vielbeneidetes Mädchen. Aber ihr fehlt die Liebe. Unscheinbar und unbeachtet lebt sie in ihrem Elternhaus. Eines Tages geht ihr Wunsch nach Liebe in Erfüllung, doch sie ahnt nicht, dass ihr Vater den mittellosen Studenten Michael Vollmer bezahlt hat für die netten Worte, die er ihr sagt. Sie glaubt sich geliebt …

„Herr Vollmer — meine Tochter Gundula“, stellte Hartmann Wolff seiner Tochter den Tischherrn für diesen Abend vor. „Ich hoffe, ihr unterhaltet euch gut.“

Er ging weiter, Gastgeberpflichten riefen ihn an die Tür, aber als er dort stand und zurückschaute, sah er, dass Michael Vollmer seine Sache anscheinend gut machte.

Gundula lächelte.

„Ich bin glücklich, dass der Zufall ausgerechnet mich zu Ihrem Tischherrn bestellt hat“, hatte Michael Vollmer versichert. Er schaute sie nun mit einem langen Blick an, und Gundula erwiderte ihn. Und sie errötete, ihre Sommersprossen traten stärker hervor, und dann erst senkte sie die Lider.

Sie galt als burschikos und schlagfertig. Jetzt konnte sie nichts sagen.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken besorgen, Fräulein Wolff?“, erkundigte er sich. „Man hat mir gesagt, dass später getanzt wird. Ich freue mich darauf. Wollen Sie oft mit mir tanzen, gnädiges Fräulein?“

Hoffentlich klingt meine Stimme echt, dachte der Student. Bei Laienaufführungen spielte er den jugendlichen Liebhaber, man bestätigte ihm, dass er seine Rollen echt spiele.

Aber dieses dumme Ding mit dem sommersprossigen Gesicht wusste ja nicht, dass er für diesen Abend bezahlt wurde und eine Prämie bekommen würde, falls der sympathische alte Knabe mit dem weißen Haar mit ihm zufrieden sein sollte.

Fünfzig Mark für einen Abend, und bei Erfolg — Michael grinste unwillkürlich, als er daran dachte, wie Hartmann Wolff seine Forderung formuliert hatte — und bei Erfolg das Doppelte.

Was sagt ein Mädchen jetzt in meiner Lage?, fragte sich Gundula. Sie kam sich sehr töricht vor, als sie mit niedergeschlagenen Augen neben ihm stand, und sie fühlte ihr Herz glücklich und schnell pochen.

Am liebsten hätte sie dankbar seine Hand gedrückt. Sie schaute flüchtig zur Seite, ihre Augen begegneten sich, und sie errötete erneut.

„Ich hole uns etwas zu trinken, gnädiges Fräulein.“ Sein Lächeln war echt, eine Erleichterung, die vom Herzen kam. Ich werde dafür sorgen, dass sie etliche Gläschen hinunterkippt, vielleicht lernt sie dann das Reden, dachte der Student.

Gundulas Hände wurden feucht vor Erregung, als sie ihm nachschaute. Er trug den Frack mit eleganter Lässigkeit, sein schmales, etwas zu mageres Gesicht war tiefgebräunt, und seine schwarzen Augenbrauen gaben ihm ein verwegenes Aussehen.

Und er hatte ihr gesagt, dass er sich freue, mit ihr tanzen zu dürfen. Und tanzen konnte sie, man vergaß, dass sie in der Taille nicht schlank war, wenn man sie im Arm hatte und über das Parkett führte.

„Lassen Sie uns auf einen recht schönen und, hoffentlich, auch recht langen Abend trinken, gnädiges Fräulein“, bat Michael.

Gundula schluckte. „Ich bin so froh“, stieß sie plötzlich hervor, und Michael senkte den Kopf.

Er schämte sich. Ganz plötzlich begriff er, was er für dieses Mädchen war. Ihr Vater hatte ihm kurz und knapp erklärt, was er von ihm erwartete. Er solle seine Tochter gut unterhalten.

„Tanzen Sie mit ihr, machen Sie ihr ein paar Komplimente, und — tun Sie so, als seien Sie ein wenig verliebt. Wenn Sie Erfolg haben, bekommen Sie das doppelte Honorar.“

Michael hatte sein Angebot angenommen, ohne sich allzu viel dabei zu denken. Das, was dieser Wolff von ihm erwartete, war noch nie dagewesen.

Michael spürte Mitleid mit diesem Geschöpf, das sich über jedes nette Wort so rührend freute. Es fiel ihm leicht, ihr etwas Nettes zu sagen — er fand sie plötzlich sympathisch.

„Trinken Sie aus, gnädiges Fräulein, mir zuliebe.“

Gundula leerte gehorsam das Glas. Sie protestierte nicht, als Michael es erneut füllen ließ. Auch das zweite Glas schmeckte gut, besser noch als das erste, aber nicht so gut wie das dritte.

Vater Wolff bemerkte, dass Michael seine Tochter zum Trinken animierte. Es gefiel ihm nicht, aber bevor er einschreiten konnte, hörte er Gundula lachen.

Er war bereit, Michael Vollmer gewähren zu lassen. Er wollte, dass Gundula glücklich war, dass sie sich wenigstens einmal im Leben umworben fühlte.

„Wie kommt es, dass ich Sie noch nie gesehen habe?“, erkundigte sich Gundula eine Stunde später. Sie stand neben Michael in einer Ecke des saalartig großen Raumes, und sie hatte ihre ganze Schüchternheit verloren. Sie war nicht schön, aber charmant.

„Ich bin noch nicht lange in dieser Stadt. Ich studiere an der Universität Volkswirtschaft.“

Es gelang Gundula, den Mann zum Erzählen zu bringen. Er sprach gern von seiner Arbeit, und das Mädchen hörte interessiert zu und stellte kluge Zwischenfragen, die bewiesen, dass sie ihm durchaus folgen konnte.

„Endlich.“ Vater Wolff hatte den Plattenspieler in Gang gesetzt, und Michael und Gundula waren das erste Paar, das die Gelegenheit nutzte. Das Mädchen wusste, dass es noch nie so gut getanzt hatte wie heute. Es kam daher, weil es sich so schwerelos fühlte, so glücklich, so leicht.

Gundula tanzte viel. Anfangs hatte sie erwartet, dass Michael auch sie sitzenlassen würde, denn es gab sehr viele hübschere Mädchen an diesem Abend, nach jedem Pflichttanz kehrte er zu ihr zurück.

„Mit niemandem tanze ich so gern wie mit Ihnen, Fräulein Wolff. Hoffentlich falle ich Ihnen nicht lästig, wenn ich Sie immer bitte. Es gibt bestimmt bessere Tänzer als mich …“

„Diese Bescheidenheit glaubt Ihnen niemand, Herr Vollmer“, lächelte Gundula. „Sie wissen genau, dass Sie der beste Tänzer des Abends sind.“

Michael hörte ihre Feststellung keineswegs ungern. Die kleine Wolff war zwar kein hübsches Mädchen, aber einzige Tochter eines sehr reichen Vaters. Michael Vollmer war der Meinung, dass ein paar Millionen Mark mehr wert sind als entstellende Sommersprossen in einem Mädchengesicht.

Wer die einmal heiratet, hat keine Sorgen mehr, dachte Michael. Weshalb soll ich eigentlich nicht derjenige sein, der keine Sorgen mehr hat?

„Haben Sie auch solch einen Durst, Fräulein Wolff?“ Michaels Lächeln war einschmeichelnd. Er hatte seinen Arm unter ihren geschoben und drückte ihn leicht an sich.

„Ich fürchte, ich habe schon ein wenig zu viel getrunken …“

„Das glaube ich nicht. Lassen Sie uns anstoßen, Fräulein Wolff …“

Es war gleichgültig, wovon Michael Vollmer sprach, sein Werben um ihre Aufmerksamkeit lag im Klang seiner Stimme mehr als im Sinn seiner Worte.

Zum ersten Mal erlebte Gundula das, was hübschere Mädchen so oft erfahren: im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, Komplimente zu hören, die ehrlich klingen, und begehrt zu werden. Gundula hätte am liebsten die ganze Welt umarmt, so glücklich fühlte sie sich.

Dann gingen die beiden hinaus. Im Park war es kühler, sie waren keineswegs die einzigen; die die frische Luft und die Dunkelheit der Hitze im Saal vorzogen.

Gundula und Michael hielten sich in einer entfernten, sehr einsamen Ecke des Parkes auf. Vollmer rauchte, das glühende Ende der Zigarette leuchtete ab und zu auf und erhellte sein markantes Gesicht.

Er schwieg.

Sein Arm lag wie zufällig um Gundulas Schultern. Das Mädchen machte keine Anstalten, ihn von dort fortzustoßen. Ihr war, als gehöre er auf ihre Schulter und sie an seine Brust. Es war das erste Mal, dass sie mit einem Mann im Park stand.

Sie fand es sehr schön, Gundula hätte ewig so stehen mögen.

„Wird es Ihnen nicht zu kalt?“, fragte Michael.

Seine Stimme klang belegt. Er war aufgeregt, denn schließlich stammte er aus kleinen Verhältnissen, und Gundula war die Tochter eines sehr reichen Mannes. Zum ersten Mal kam er jetzt in Kreise hinein, die ihm sonst verschlossen waren.

Sein geliehener Frack bedrückte ihn. Niemand ahnte, dass er ihn für zwanzig Mark Leihgebühr tragen durfte und morgen wieder abliefern musste, aber er wusste es, und der Anblick dieser reichen Menschen, die sich heute Abend bei Wolff trafen, erinnerte ihn daran, dass er selbst nicht zu ihnen gehörte.

„Woran denken Sie, Herr Vollmer?“, fragte Gundula.

Der Mann lächelte, und es war gut, dass das Mädchen vor ihm stand und sein Lächeln nicht sehen konnte. Es war verbissen und ohne jede Wärme.

Er zog sie fester an sich, und das Mädchen sträubte sich nicht.

„Ich darf es nicht sagen …“, flüsterte er.

Gundulas Herz raste.

Sie schwieg wieder.

Seine Hand glitt von ihrer Schulter über ihre Arme und blieb an der Taille liegen.

„Müssen wir wieder ins Haus?“, wisperte Michael ihr zu. „Man wird uns vermissen …“

„Wenn Sie wollen, können wir noch bleiben. Die Luft ist so schön …“

Sie sagte Luft, meinte aber etwas anderes. Es war schön, dass er neben ihr stand, dass seine Hände sie umfassten und sein Atem ihr Gesicht streifte.

„Was werden Ihre Eltern denken?“

„Ist es nicht gleichgültig, Herr Vollmer?“, fragte Gundula leise. „Oder macht es Ihnen etwas aus?“

Ob ich jetzt ihr Haar küssen darf?, fragte sich Michael. Es duftete, ihr Haar war wirklich schön. Er beugte den Kopf und drückte seine Lippen in die blonde Pracht.

Ein Schauer rann über Gundulas Körper, sie machte unwillkürlich eine Bewegung, als wollte sie von ihm fort, führte sie aber nicht zu Ende. Ihre Glieder versteiften sich.

Sie hatte ihm diese kleine, harmlose Zärtlichkeit erlaubt. Michaels Herz raste, er spürte ihre Unerfahrenheit, ihr gläubiges Vertrauen, und er fand sie nett, wirklich nett.

Und außerdem war sie so reich! Ihr Kleid war kostbar, er verstand etwas von solchen Dingen, und wenn sie Gymnastik trieb und schlank wurde und etwas gegen ihre Sommersprossen tat, würde sie bestimmt sehr nett aussehen.

„Gundula …“, flüsterte er.

„Ich glaube, wir müssen ins Haus.“ Sie machte aber keine Anstalten, ihm voranzugehen.

„Müssen wir es wirklich?“, fragte der Mann.

Er drehte sie an den Schultern herum. Das Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte sehr schöne Augen, man konnte ihr Gesicht vergessen, wenn man in ihre Augen schaute.

Und diesmal war es keine Berechnung, als Michael ihr sagte, wie schön ihre Augen seien. Sie waren voller Zärtlichkeit und Glück. Er war es gewesen, der dieses Licht in ihnen angezündet hatte, und sehr viel von der Wärme, die in ihr war, strömte auf ihn über.

Sie küssten sich, und beide wussten später nicht, ob es ihre Arme gewesen waren, die sich zuerst um seinen Hals geschlungen, oder seine Hände, die sie so fest an sich gepresst hatten.

Ihre Lippen teilten sich unter seinem Kuss, etwas in ihr wurde frei, das vorher durch tiefe Enttäuschungen gefesselt gewesen war: ihr Vertrauen zu einem Mann, ihr Vertrauen zu seiner Liebe und zu seiner Ehrlichkeit.

„Ich weiß gar nichts von dir, Michael, und ich liebe dich trotzdem“, flüsterte Gundula. „Ist das nicht seltsam? Ich weiß, dass du mich nie enttäuschen wirst.“

„Nie“, gelobte der Mann, und als er es aussprach, meinte er es ehrlich. „Wann werden wir uns wiedersehen, Liebste?“, fragte er.

„Wann du willst, Michael. Ich will alles tun, was du willst …“

Eigentlich hätte der Mann auf das, was er heute erreicht hatte, stolz sein müssen, aber ein unbehagliches Gefühl blieb in ihm zurück, als er sich als einer der letzten Gäste verabschiedete.

Sein Gewissen mahnte ihn, ein unehrliches Spiel getrieben zu haben. Er wusste, dass er Gundula nicht beachtet hätte, wäre sie nicht zufällig die Tochter eines reichen Mannes gewesen. Er fand sie sehr nett, aber lieben konnte er sie nicht.

Vater Hartmann steckte ihm unauffällig zweihundert Mark in die Hand.

„Sie haben Ihre Sache ausgezeichnet gemacht, Herr Vollmer.“ Er zwinkerte dem jungen Mann vergnügt zu. „Ich bin sehr froh, dass Sie es geschafft haben.“

Hoffentlich bleibst du es auch, alter Herr, dachte Michael, als er in seinem geliehenen Frack durch die schlafenden Straßen der Großstadt ging. Seine Studentenbude war klein, die Einrichtung erdrückend schäbig.

Als er die Frackweste auszog und über den altmodischen Rohrstuhl legte, fiel sein Blick auf das Foto eines Mädchens. Er stutzte, krauste die Stirn und zog die Unterlippe zwischen die Zähne.

Dann nahm er das Bild aus dem Rahmen heraus. Einen Augenblick schwankte er, ob er das Foto zerreißen oder fortwerfen, oder doch lieber aufheben sollte.

Hilde war ein hübsches Mädchen. Hübsch und charmant und klug. Und arm. Genauso arm wie er selbst.

Ich werde es in die Brieftasche tun, beschloss er, ich kann es ihr gelegentlich einmal zurückgeben. Gundula braucht es nicht zu erfahren, dachte er, als er die Bettdecke über sich zog. Mitten zwischen den beiden Hundertmarkscheinen, die er heute verdient hatte, lag das Foto eines hübschen Mädchens.

***

„Was ist nur mit Gundula los?“, fragte Vater Hartmann ein paar Tage später seine Frau.

Frau Irmgard krauste die Stirn. Sie wusste auch nicht ganz genau, wo ihre Tochter sich aufhielt, denn seit jenem Abend verließ sie häufig das Haus unter den nichtigsten Vorwänden.

Wahrscheinlich, aber sie wussten es nicht genau, traf sie sich mit diesem Studenten. Frau Irmgard überlegte, ob sie ihrem Mann gegenüber ihre Bedenken aussprechen sollte, unterließ es aber, als sie sah, wie zufrieden Hartmann Wolff vor sich hin lächelte.

„Sie ist jetzt immer so fröhlich“, fuhr der Mann fort. „Direkt hübsch geworden ist sie, findest du nicht auch, Irmgard?“

„Ja“, bestätigte seine Frau ohne jede Überzeugungskraft. Gundula war nicht hübsch, sondern anziehend, ein Unterschied, den sie begriff, aber Hartmann natürlich nicht.

Gundula war auf dem Weg zu ihrem Rendezvous. Jeden Tag traf sie sich mit Michael Vollmer, und jeden Tag liebte sie ihn mehr. Der Mann hatte ihr das Gefühl zu geben verstanden, dass sie ein Mädchen sei wie alle anderen, begehrenswert und sympathisch.

Heute hatte Michael eine steile Falte auf seiner hohen, tiefbraunen Stirn, und sein Lächeln fiel etwas mühsam aus. Er hatte sich geärgert, dachte aber nicht daran, zu Gundula darüber zu sprechen.

Hilde hatte ihm Vorwürfe gemacht. Er vernachlässigte sie, weiche ihr aus, und ob er etwa eine andere habe. Sie hatte ihn zur Rede gestellt, als gäbe ihr das, was zwischen ihnen vorgefallen war, ein Recht auf ihn.

Ich lasse mich nicht einfangen, hatte Michael gedacht. Es war ihm schwergefallen, das erzürnte Mädchen nicht in den Arm zu nehmen. Sie war wirklich ungewöhnlich hübsch.

„Erzähl mir von deinen Vorlesungen.“ Seit einiger Zeit beschäftigte auch Gundula sich mit volkswirtschaftlichen Fragen, um seinen Gesprächen folgen zu können.

Wie alle Männer sprach Michael gern von dem, was ihn augenblicklich beschäftigte. Er war Gundula für ihre Anteilnahme dankbar, aber heute fiel es ihm schwerer als sonst, sie an einer einsamen Stelle des Stadtparkes in den Arm zu nehmen und zu küssen.

„In einem Vierteljahr werde ich mein Examen machen.“

„Du schaffst es bestimmt spielend.“ Gundula glaubte, dass es vielleicht die bevorstehende Prüfung war, die ihn unausgeglichen scheinen ließ. Sie irrte sich, Michael hatte keine Angst vor dem Examen.

Er wollte etwas ganz anderes. Er wollte Gundula heiraten, ein mittelloser Student, den ihr Vater bestimmt hinauswerfen würde, falls er die Stirn haben sollte, ihn um die Hand seiner Tochter zu bitten.

„Wie verstehst du dich eigentlich mit deinem alten Herrn?“, fragte er unvermittelt.

„Paps ist der beste Mensch der Welt. Ich — hänge sehr an ihm.“

Gundula begriff nicht, weshalb dieses Geständnis die Falten von seiner Stirn fortwischte. Seine Augen strahlten, seine Gestalt schien sofort wieder gestraffter zu sein.

Und dann sank er wieder in sich zusammen.

„Wenn du wüsstest, wie sehr ich darauf brenne …“ Er brach ab, als fürchte er, schon zu viel gesagt zu haben. Sie kannten sich jetzt vier Wochen, und seit vier Wochen liebte Gundula ihn.

War es nicht zu früh, um ihr einen Heiratsantrag zu machen? Ein Seitenblick auf ihr Gesicht überzeugte ihn, dass Gundula Wolff durchaus verstanden hatte, was er sagen wollte.

„Was meinst du, Michael?“, forderte sie ihn zum Weitersprechen auf.

Diese Frage nahm ihre Antwort vorweg.

„Du weißt, wie sehr ich dich liebe, Gundula.“ Der Mann nahm sie fest in den Arm. „Ich wünschte, ich hätte Vermögen! Ich würde zu deinem Vater gehen und um deine Hand anhalten. Aber so — ein Habenichts wie ich …“ Die Erbitterung in seiner Stimme war echt. „Es kann noch zehn Jahre dauern, bis ich es geschafft habe. Und bis dahin bist du längst verheiratet.“ Er stöhnte.

„Du meinst, dass Vater …?“

„Natürlich wird er mich hinauswerfen, wenn ich komme. Meinst du denn, dass er einen mittellosen Schwiegersohn haben will? Für dich wird ihm der beste Mann nicht gut genug sein. Ich verstehe ihn …“

Michael ließ sie los und drehte sich herum. Er presste die Stirn gegen die Rinde eines Baumes.

„Entschuldige, dass ich davon gesprochen habe, Gundula“, sagte er ein paar Sekunden später. „Ich werde mich in Zukunft zusammennehmen. Vergiss, was ich gesagt habe.“

„Und wenn ich es nicht tue?“, lächelte Gundula ihn glücklich an. „Meinst du, Michael, dass ich auf mein Glück verzichte, nur weil du zufällig kein Vermögen hast? Nein, da kennst du mich schlecht, wenn du es tatsächlich glaubst.“

„Liebste, du.“ Überwältigt riss der Mann sie in den Arm. Ein heißer Jubel stieg in ihm empor, als ihr Mund seine Küsse innig erwiderte. Er hatte es geschafft, das Haupthindernis auf seinem Weg nach oben war überwunden.

Sie würde stark genug sein, um ihren Vater zu überzeugen, dass es für sie keinen anderen Mann gab als ihn.