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Michael Stegemann

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Beschreibung

Maurice Ravel (1857 – 1937) gehört zu den populärsten Musikern des 20. Jahrhunderts. In seiner Oper «L'Enfant et les sortilèges» hat er sein eigenstes Wesen dargestellt: ein Mensch im Zaubergarten nie gehörter Klänge, ernst und spielerisch zugleich, ein Märchenerzähler und Magier der Musik. Schon die Zeitgenossen lobten die Vollkommenheit seiner Werke. «Ravels Aussagekraft ist von einer Klarheit, einem Raffinement und einem so unvergleichlichen Glanz, dass alle Musik nach ihm unvollkommen erscheint», schrieb Romain Rolland. Mit seinem «Boléro» hat er 1928 ein Stück komponiert, das seither alle Generationen begeistert und inspiriert. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

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Michael Stegemann

Maurice Ravel

Über dieses Buch

Maurice Ravel (1857–1937) gehört zu den populärsten Musikern des 20. Jahrhunderts. In seiner Oper «L’Enfant et les sortilèges» hat er sein eigenstes Wesen dargestellt: ein Mensch im Zaubergarten nie gehörter Klänge, ernst und spielerisch zugleich, ein Märchenerzähler und Magier der Musik. Schon die Zeitgenossen lobten die Vollkommenheit seiner Werke. «Ravels Aussagekraft ist von einer Klarheit, einem Raffinement und einem so unvergleichlichen Glanz, dass alle Musik nach ihm unvollkommen erscheint», schrieb Romain Rolland. Mit seinem «Boléro» hat er 1928 ein Stück komponiert, das seither alle Generationen begeistert und inspiriert.

 

Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Vita

Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück. Studium (Komposition, Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte) in Münster und Paris, u. a. in der Meisterklasse von Olivier Messiaen. Schwerpunkte seiner Arbeit sind der kanadische Pianist Glenn Gould, Mozart und Schubert, die russische und die französische Musik. Hörspiele, Sendereihen und Moderationen kreuz und quer durch die ARD, darunter seit 1987 das WDR3 Klassik Forum. Deutscher Hörbuchpreis (2008) für «The Glenn Gould Trilogy». Rund ein Dutzend Bücher, darunter die Rowohlt-Monographien zu Antonio Vivaldi, Camille Saint-Saëns und Maurice Ravel und zuletzt «Franz Liszt – Genie im Abseits» (Piper). Seit 2002 auf dem Lehrstuhl für historische Musikwissenschaft an der TU Dortmund. Seit 2016 Herausgeber der «Œuvres instrumentales complètes» von Camille Saint-Saëns im Kasseler Bärenreiter-Verlag. 2017 vom französischen Kultusministerium zum «Chevalier des Arts et des Lettres» ernannt.

Ich bin eben so eine Art Ludwig II. von Bayern …

«In den Aufzeichnungen, die sich auf die Kindheit beziehen, werden wir den Keim zu den seltsamen Träumereien des Mannes und, besser gesagt, zu seinem Genie finden. Es wäre doch ein Leichtes, durch einen philosophischen Vergleich der Werke eines gereiften Künstlers mit dem Kindheitszustand seiner Seele zu beweisen, dass das Genie nichts anderes ist als die wiedergefundene Kindheit, die nun, um sich Ausdruck zu verschaffen, begabt ist mit mannbaren Organen und mit dem analytischen Geist, der es ihr erlaubt, die Gesamtheit des willkürlich aufgespeicherten Materials zu ordnen.»

Charles Baudelaire

Montfort-l’Amaury, ein kleines Städtchen etwa fünfzig Kilometer westlich von Paris, auf einem Hügel nördlich des Waldes von Rambouillet gelegen. Auch die Villa «Le Belvédère» – das Haus Nummer 5 der rue Saint-Laurent (heute rue Maurice Ravel) – liegt am Hang; von der Straße her gelangt man über sieben Stufen eines «Perrons» in das obere Stockwerk des Hauses; das rückwärtige untere Stockwerk zur Gartenseite hin ist nur von außen zu erreichen, über den Balkon und eine Treppe, die zum Garten hinabführt. Eine kreuz und quer verbaute Phantasie-Architektur im typischen Fin-de-siècle-Stil, mit einem quadratischen, von einem rundum weit überstehenden Schiefer-Zeltdach gekrönten «Belvédère»-Türmchen, dem die Villa ihren Namen verdankt.

Als Maurice Ravel 1921[1] für 20000 Francs «Le Belvédère» erwarb, war das Haus in desolatem Zustand. Ich kampiere in einer Ecke des Hauses und versuche, die Langsamkeit der Maurer, Maler, Tischler etc. anzutreiben; mit dem Hin- und Herfahren zwischen Montfort und Paris verfliegen die Tage in entsetzlicher Geschwindigkeit.[2] Es sollte mehr als ein halbes Jahr vergehen, bevor er sich halbwegs eingerichtet hatte; aber Sie können mir glauben: ich bereue nichts[3] – zumal Umbau und Dekoration der Villa eine Komposition besonderer Art waren, der sich Ravel mit ganzer Kraft und begeisterter Liebe zum Detail widmete: «Ravel entwarf selbst seine Tapeten, brachte an Stühlen Brandmalereien im Stil der Jahrhundertwende an, bemalte den Marmor des Kamins mit wunderlichen Ornamenten und begann, verrückte und kitschige Dinge zu sammeln: gotische Aschenbecher, Gegenstände aus falschem chinesischen Porzellan, eine mechanische Nachtigall, die singt, wenn man sie aufzieht. […] Auch der [Érard-]Flügel war vollgestellt mit seltsamen Dingen. Für die Beleuchtung sorgten zwei feierliche Metall-Lampen mit den ziselierten Milchglaskugeln der belle époque. Tabatieren und allerlei Büchschen von unklarer Bestimmung lagen herum, im Tintenfass steckte eine gewaltige Feder, wie vom Vogel Strauß oder einem Schwan. Mehrstöckige Etageren waren in die Zimmerecken eingepasst und trugen teils hübschen, teils lächerlichen Krimskrams aus Meißener und französischen Manufakturen. Nur das große, breitgerahmte Bild der Mutter blickte ernst und stolz auf das Kuriositätenreich, das sich der Sohn geschaffen hatte.»[4]

Nicht anders der Garten dieser gewaltigen Spielzeugschachtel: ein geheimnisvoller Jardin féerique, ein mit Bonsais und anderen Zwergpflanzen kunstvoll hergerichteter Mikrokosmos, in dem sich der nur einen Meter achtundfünfzig große Komponist wie ein neuzeitlicher Gulliver vorgekommen sein mag. «Durch die höchst geschickte Anordnung kleiner Mauern und Kletterpflanzen wie Efeu war es Ravel gelungen, die sichtbaren Grenzen seines Reiches vollständig zu verbergen. Der kleine Weg etwa, der kaum zehn Meter vom Haus entfernt verlief und das Grundstück abschloss, war nicht zu sehen, sodass ein Besucher den Eindruck haben konnte, der Garten erstrecke sich ins Unendliche.»[5]

Hier in «Le Belvédère» und seinem Garten liegt der Schlüssel zu Ravels Wesen verborgen, zu seinen «seltsamen Träumereien» und seinem «Genie, das nichts anderes ist als die wiedergefundene Kindheit». Tatsächlich gibt es wohl nur wenige Komponisten, auf die der Aphorismus Charles Baudelaires so genau zuträfe wie auf Maurice Ravel – mehr noch: das Genie Ravels ist nicht das einer «wiedergefundenen», sondern einer nie verlorenen Kindheit. «Er hat Kinder über alles geliebt, vielleicht weil sie noch kleiner waren als er, der doch unter seiner dürftigen Körperlichkeit so sehr litt. Es kam vor, dass er bei Einladungen die Gesellschaft der Erwachsenen verließ und schließlich im Kinderzimmer wiedergefunden wurde, vertieft in gemeinsame Spiele mit den Kleinen.»[6] Und wo Partituren wie Noël des jouets, Ma Mère l’Oye oder L’Enfant et les sortilèges ganz offensichtlich der phantastischen Sphäre der Kinderträume und -märchen angehören, da erweisen sich bei näherer Betrachtung fast alle Werke Ravels als verschlüsselte «Spiele», als eine atemberaubende Folge von raffinierten, im wahrsten Sinne des Wortes unerhörten Zauberkunststücken und Taschenspielertricks, die der Komponist als «maître de jeu» seinem staunenden Publikum vorführt.

Und so wie Verkleidungen und Maskeraden seit jeher zum favorisierten Repertoire kindlicher Spiele gehören, so liebte es Ravel, sich in immer neuen Gewändern und Larven zu präsentieren: im Renaissancekostüm (Épigrammes de Clément Marot) oder als antiker Schäfer (Daphnis et Chloé), spanisch (Rapsodie espagnole und L’Heure espagnole), orientalisch (Shéhérazade) oder exotisch (Chansons madécasses), als Zigeuner (Tzigane) oder als «Ritter von der traurigen Gestalt» (Don Quichotte à Dulcinée). Auch die erstaunliche Vielzahl von Eigenbearbeitungen gehört zu den «Verkleidungen» Ravels. Natürlich war keine seiner Kostümierungen «echt» – im Gegenteil: je unechter, desto besser! «Besonderen Spaß bereitete ihm eine Art kleines Boudoir in Montfort-l’Amaury, das sozusagen ‹chinesisch› eingerichtet war. Alles darin war falsch, und es amüsierte ihn riesig zu wissen, dass all diese angeblich chinesischen Objekte Fälschungen waren. Gerade weil sie falsch waren, hatte er sie gekauft und dort aufgestellt.»[7] Sogar einen falschen Renoir hatte er – zum Entsetzen seiner Freunde – jahrelang an der Wand hängen. Einer ähnlichen Lust an «Fälschungen» begegnet man allenthalben in Ravels Musik: Wenn etwa im Vorspiel zu L’Enfant et les sortilèges nach elf Takten zu der ruhigen Achtel-Bewegung zweier Oboen eine hohe Melodiestimme hinzukommt, könnte man schwören, eine Flöte oder Klarinette zu hören; tatsächlich aber handelt es sich um Flageolett-Töne auf der G-Saite eines Solo-Kontrabasses!

Er sei nun einmal artificiel par nature[8], erklärte Ravel einmal gegenüber Michel-Dimitri Calvocoressi über seine raffinierte Kunst des Trompe-l’œil (oder besser gesagt: des Trompe-l’oreille). Dies ist auch einer der fundamentalen Unterschiede zu Claude Debussy, mit dem Ravel so oft in einem Atemzug genannt wird: Debussy behauptete, die wahre Freiheit komme von der Natur[9], man höre nicht genug auf «die tausend Geräusche der Natur, […] diese so vielfältige Musik, die sie uns so überreich darbietet»[10], und überhaupt sei «die Betrachtung eines Sonnenaufgangs nützlicher, als sich [Beethovens] Pastorale anzuhören»[11]. Für Ravel dagegen – von Natur aus künstlich – war allein die «gefälschte» Natur vollkommen: die Wogen, über die Ravel in den Miroirs seine Barque sur l’océan gleiten lässt, sind ebenso künstlich wie jenes Meer von Muscheln, Blumen und Seesternen, auf dem sich in «Le Belvédère» – unter einem Glassturz auf dem Flügel – Schiffe zu wiegen scheinen.

«Vor allem hat Ravel meisterlich die Kunst verstanden, ein anderer zu werden als er selbst, und er bediente sich der äußeren Welt, um seine innere zu verschleiern: […] kurz, er spricht von den Dingen, um nicht von sich sprechen zu müssen.»[12] Es ist erstaunlich, wenn nicht gar erschreckend, dass ein Komponist wie Maurice Ravel, dessen Lebensspanne (von 1875 bis 1937) kaum drei, vier Generationen zurückliegt, seine Biographen bis heute vor ein quasi unlösbares Rätsel stellt. Selbst Menschen, die jahrelang engen Umgang mit Ravel pflegten und sich rühmen durften, seine Freundschaft errungen zu haben, gelangten nie über gewisse Grenzen der Intimität hinaus. «Dieser außergewöhnlich reservierte Mann» (Alexis Roland-Manuel[13]), «widersprüchlich und von scheuer Zärtlichkeit» (Hélène Jourdan-Morhange[14]), «krankhaft verschämt» (Marguerite Long[15]), «wahrscheinlich insgeheim schüchtern, was er hinter einer distanzierten, trockenen Attitüde verbarg» (Colette[16]), blieb auch ihnen ein Geheimnis. Ich bin eben so eine Art Ludwig II. von Bayern, na ja, nicht ganz so «spinnert»[17], charakterisierte Ravel sich selbst.

«Es gibt keine rätselhaftere Figur in der Galerie der neueren Komponisten als die Maurice Ravels. Jeder Versuch, zwischen seiner Musik, dieser raffinierten, bald aufpeitschenden, bald dämonischen, bald sinnlich-kitzelnden Nervenkunst und den bekannten Tatsachen seines Lebens eine Verbindung herzustellen, mündet in Ratlosigkeit. Je mehr man das Phänomen beobachtet, je gründlicher man die Studien liest, die Freunde und Schüler über ihn veröffentlicht haben, desto fester wird man in der Überzeugung, das Wesentliche an diesem Mann entziehe sich dem Licht. Kaum glaubt man einen Generalnenner für Leben und Werk gefunden zu haben, so wird man in unlösbare Widersprüche verwickelt, die einen noch mehr verwirren.»[18] An dieser Ratlosigkeit, wie sie Hans Heinz Stuckenschmidt 1957 zum Ausdruck gebracht hat, haben auch die beiden jüngsten umfassenden Veröffentlichungen – die Ravel-Biographie von Marcel Marnat (1986)[19] und Arbie Orensteins Ausgabe der Briefe, Schriften und Interviews des Komponisten (1989)[20] – letztendlich nichts geändert: Ravel ist und bleibt ein Rätsel.

Ich wurde am 7. März 1875 in Ciboure geboren …

… einem Nachbarort von Saint-Jean-de-Luz im Département Basses-Pyrénées.

Mein Vater stammte aus Versoix am Ufer des Genfer Sees und war Ingenieur. Meine Mutter gehörte einer alten baskischen Familie an.[21]

Welche Gegensätze, welche «Polarität der Landschaften»[22] und der Mentalitäten! Ravels Vater, Pierre-Joseph Ravel, war 1832 als eines von fünf Kindern des Bäckers Aimé Ravel (beziehungsweise «Ravex» oder auch «Ravet», nach älteren Schreibarten des Namens) geboren worden, der seinerseits aus Collonges-sous-Salève stammte, einem kleinen Dorf im französischen Département Haute-Savoie. Wer oder was Pierre-Joseph dazu bestimmte, den Beruf eines Ingenieurs zu ergreifen, ist ungewiss; fest steht aber, dass er sich schon früh auch für die Musik begeisterte – eine Leidenschaft, die er an seinen Sohn Maurice weitergeben sollte: Schon als Kind war ich für Musik empfänglich – für jede Art von Musik, schreibt Ravel 1928 in einer autobiographischen Skizze. Mein Vater, der in dieser Kunst sehr viel bewanderter war als die meisten Liebhaber, verstand es, meinen Geschmack zu lenken und frühzeitig meinen Eifer zu stimulieren.[23] Einer künstlerischen Neigung folgte auch Pierre-Josephs fünfzehn Jahre jüngerer Bruder Édouard: Er wurde ein angesehener Maler, und von ihm stammt auch das Porträt der Mutter des Komponisten, das in «Le Belvédère» seinen Ehrenplatz über dem Flügel erhielt.

Ravels Vater wurde also Ingenieur – ein Tüftler und Erfinder, der sich 1868 in Neuilly bei Paris niederließ und dort mehrere Patente anmeldete, von denen vor allem das eines Mineralöl-Dampfmotors so zukunftsträchtig zu sein schien, dass er seine ganze Zeit und sein ganzes Vermögen in die Weiterentwicklung dieser Erfindung investierte, bis der Ausbruch des Krieges von 1870/71 seinen Bemühungen ein jähes Ende bereitete. Der «Tilbury Ravel», der es mit seinen drei PS bei einer Probefahrt immerhin zu einer Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern gebracht hatte, verschwand in einem Schuppen, und sein Erfinder sah sich mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert, vor dem Ruin zu stehen.[24] Wie Gustave Eiffel und andere französische Ingenieure, denen der verlorene Krieg fürs Erste die Existenzgrundlage entzogen hatte, wandte sich auch Pierre-Joseph Ravel nach Spanien, um dort am Aufbau eines Eisenbahnnetzes mitzuwirken. In Spanien begegnete der einundvierzigjährige Ingenieur 1873 der acht Jahre jüngeren[25] Marie Delouart, die er am 3. April 1873 in Paris heiratete.

Der Familienname Delouart war vermutlich eine Französisierung des Namens «Deluarte» (oder auch «de Huarte»). Meine Mutter wurde in Ciboure geboren und stammte aus einer Seefahrer-Familie, wie fast alle Basken von der Küste. Darunter muss es so ziemlich alles gegeben haben: vom Übersee-Kapitän bis zum einfachen Fischer. Die meisten dieser Vorfahren sind nach Nord- oder Südamerika aufgebrochen und nie von dort zurückgekehrt.[26] Über Maries Leben bis zu ihrer (relativ späten) Heirat ist so gut wie nichts bekannt; ihre Jugend verbrachte sie in Madrid[27], danach arbeitete sie möglicherweise als Modistin in Paris.[28] Jedenfalls ging sie ganz in ihrer Familie auf, und ihr einziges Ideal war immer nur die Liebe zu ihrem Mann und zu ihren Kindern[29].

Dass Joseph-Maurice Ravel – so der Taufname des Komponisten – am 7. März 1875 in Ciboure (und nicht in Paris) geboren und sechs Tage später in der Église Saint-Vincent getauft wurde, dürfte vor allem dem Wunsch der Mutter entsprochen haben; während der letzten Zeit ihrer ersten Schwangerschaft lebte sie bei ihrer älteren Schwester, der Fischhändlerin Gracieuse Billac, im Haus Nummer 12 der rue du Quai, während Pierre-Joseph Ravel wahrscheinlich in Paris geblieben war und dort versuchte, sich und seiner Familie eine solide Existenzgrundlage zu schaffen. Im Alter von drei Monaten übersiedelte ich von Ciboure nach Paris, wo ich seither stets gelebt habe.[30] Die erste Adresse der Ravels war das Haus Nummer 40 in der rue des Martyrs, unweit vom Montmartre, wo drei Jahre später – 1878 – Maurice’ Bruder Édouard zur Welt kam, der in die Fußstapfen seines Vaters trat und Ingenieur wurde.

«Offenbar war Maurice der ausgesprochene Liebling seiner Mutter, während [Pierre-]Joseph Ravel besonders an seinem jüngeren Sohn Édouard hing.»[31] Das mag wesentlich dazu beigetragen haben, dass Ravel zeit seines Lebens seine baskische Herkunft als entscheidenden Zug seines Charakters empfunden und betont hat, während das savoyardisch-schweizerische Erbe des Vaters in seinen Selbstzeugnissen so gut wie nie erwähnt wird. Es gibt Leute, die behaupten, ich sei gefühlskalt, äußerte er sich zum Beispiel einmal gegenüber einem Bekannten. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Aber ich bin Baske. Die Basken empfinden ungeheuer tief, vertrauen sich aber nur selten und nur einigen wenigen Menschen an.[32] Man könnte eine solche Aussage als bloßes Klischee abtun, wären da nicht die vielfältigen Nachklänge der spanischen Musik in Ravels Œuvre: die Habanera der Sites auriculaires, Alborada del gracioso aus den Miroirs, die Vocalise-Étude en forme de Habanera, die Rapsodie espagnole, der Opern-Einakter L’Heure espagnole, die Chanson espagnole aus den Chants populaires, die Skizzen zu einem Konzertstück für Klavier und Orchester über baskische Themen – Zaspiak-Bat –, der Boléro, die Orchestration der «Rondeña» aus Isaac Albéniz’ «Ibéria», bis hin zu seinem letzten vollendeten Werk, dem Triptychon Don Quichotte à Dulcinée.

Selbst wenn man (wie Marcel Marnat[33]) die Bedeutung, die fast alle Biographen des Komponisten seiner baskischen Herkunft beigemessen haben, herunterspielt, bleibt das Faktum, dass Ravel selbst Spanien als seine zweite musikalische Heimat[34] verstand, und daß er sich in die Musik der Iberischen Halbinsel offenbar tiefer hineinfühlte als irgendein anderer nicht-spanischer Komponist, wie Manuel de Falla bestätigt hat: «Die Rapsodie espagnole überraschte mich durch ihren spanischen Charakter. […] Wie aber sollte ich mir diesen so subtil authentischen Hispanismus des Komponisten erklären, der doch seinen eigenen Worten nach zu unserem Land nur nachbarschaftliche Verbindungen unterhielt, indem er nahe der spanischen Grenze geboren war? Ich fand rasch die Lösung des Rätsels: Ravels Spanien war ein idealisiertes Spanien, wie er es durch seine Mutter kennengelernt hatte. Ich erinnere mich noch, wie begeistert ich war, als sie mir – in exzellentem Spanisch – von ihren jungen Jahren erzählte, die sie in Madrid verbracht hatte. […] Das erklärt wohl auch, weshalb sich Ravel seit seiner frühesten Kindheit von diesem Land angezogen fühlte, von dem er so oft geträumt hatte.»[35]Als ich noch ein Baby war, sang mich meine Mutter immer mit baskischen und spanischen Liedern in den Schlaf[36], berichtete Ravel selbst über diese frühesten Erinnerungen.

Die kleine Familie, in der Ravel heranwächst, ist harmonisch und hält fest zusammen: eine glückliche, von keinen Schatten getrübte Kindheit. Der Vater hat inzwischen als Ingenieur ein gutes Auskommen gefunden, freilich ohne dabei reich zu werden. Immerhin genügt das Budget, um die musikalischen Anlagen des kleinen Maurice zu fördern: Im Alter von ungefähr sechs Jahren [recte: kurz nach seinem siebenten Geburtstag, am 31. Mai 1882] erhielt ich den ersten Klavierunterricht. Meine Lehrer waren Henry Ghys, und danach Monsieur Charles-René, der mir meine ersten Stunden in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition erteilte.[37] Der Klavierauszug der symphonischen Dichtung «La Jeunesse d’Hercule» von Camille Saint-Saëns, den Ravel vermutlich unter der Anleitung von Henry Ghys anfertigte, stellt das früheste Notenbeispiel von seiner Hand dar. Die ersten eigenständigen Kompositionen – allesamt für Klavier – sind ein Sonatensatz und Variationen über Themen von Edvard Grieg und Robert Schumann: «Durchaus interessante Versuche», wie sich Charles-René – ein Schüler Léo Delibes’ – viele Jahre später erinnerte; «seine Vorstellungen von Musik entfalteten sich völlig natürlich und nicht, wie bei so vielen anderen, als Ergebnis einer Anstrengung.»[38] Dennoch verraten diese frühesten Arbeiten Ravels eher ein solides Handwerk als eine Wunderkind-Begabung oder gar Genialität. (Das Prinzip des Genies, das heißt der künstlerischen Erfindung, entspringt allein dem Instinkt oder der Sensibilität, schrieb Ravel 1912 in einem Konzertbericht für die «Revue musicale de la S.I.M.»; es ist ein gravierender […] Irrtum anzunehmen, der Instinkt des Künstlers lasse sich vom Willen lenken. Der Wille darf lediglich der aufmerksame Diener des Instinkts sein. Ein starker und kluger Diener, der verständnisvoll den Anordnungen seines Herrn gehorchen und sich auch der geringsten seiner Launen beugen muss; der ihn darin bestärken muss, seinen Weg zu gehen, und nie versuchen darf, ihn von diesem abzubringen; der ihm helfen muss, sich wunderbar herauszustaffieren, selbst aber nie anders als in Lumpen gehen darf.)[39]

Abgesehen von den Theorie-Stunden bei Charles-René nahm Ravel seit 1888 auch privaten Klavierunterricht bei Émile Descombes, einem Professor am Conservatoire, der seinerseits bei Chopin studiert hatte und (von 1879 bis 1882) Lehrer Erik Saties gewesen war; und da der dreizehnjährige Maurice damals offenbar schon die Laufbahn eines Musikers anstrebte, ließen ihn die Eltern darüber hinaus an den Kursen einer privaten Musikschule teilnehmen. Für Ravels künstlerische Entwicklung dürfte der Besuch dieses «Cours Schaller» bedeutungslos gewesen sein, aber er begegnete hier einem gleichaltrigen Mitschüler, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte: Ricardo Viñes. 1875 in Lerida geboren, hatte Viñes bereits als Zwölfjähriger am Konservatorium von Barcelona (als Schüler von Juan Pujol) einen ersten Preis im Fach Klavier errungen und war gleich danach – ohne ein Wort Französisch zu sprechen! – mit seiner Mutter nach Paris gezogen, um dort sein Studium fortzusetzen. Obwohl nur einen Monat älter als Ravel, war Viñes in jeder Hinsicht reifer und wurde so etwas wie der Mentor seines Freundes.

Derweil scheint Ravels Unterricht bei Émile Descombes so gute Fortschritte gemacht zu haben, dass er am 2. Juni 1889 an einem großen Konzert teilnehmen konnte, bei dem Descombes in der Salle Érard auf einen Schlag zwei Dutzend seiner Schüler vorstellte – darunter einen elf- und einen dreizehnjährigen Knaben, die beide zu Großem berufen waren: Alfred Cortot und Reynaldo Hahn. Ravel bot bei diesem ersten öffentlichen Auftreten drei Stücke von Ignaz Moscheles zu Gehör.

Es war ein bisschen die Probe aufs Exempel gewesen: Fünf Monate später – am 4. November 1889 – betrat Ravel erstmals die «heiligen Hallen» des altehrwürdigen Conservatoire de Musique, um der sechsköpfigen Professoren-Jury (unter dem Vorsitz von Ambroise Thomas) vorzuspielen, die über die Zulassung zu einer der Klavierklassen zu entscheiden hatte. Von den insgesamt 46 Bewerbern wurden neunzehn angenommen: Ricardo Viñes und elf andere für die Fortgeschrittenen-Klasse, sieben – unter ihnen Ravel, der einen Ausschnitt aus einem Chopin-Konzert vorgetragen hatte – für die Vorbereitungs-Klassen. Zwei Jahre lang betreute Eugène Anthiôme die pianistische Entwicklung Ravels, bevor dieser sich mit einem ersten Preis bei einer der halbjährlich stattfindenden Zwischenprüfungen im November 1891 für die Klavierklasse Charles de Bériots qualifizierte, wo Viñes schon sehnsüchtig auf ihn wartete.

Damals scheint Ravel noch ernsthaft mit dem Gedanken gespielt zu haben, die Laufbahn eines Konzertpianisten einzuschlagen. Anthiôme (und nach ihm de Bériot) mögen dieser Idee mit einiger Skepsis gegenübergestanden haben: Abgesehen davon, dass Ravel offenbar keine besondere Lust zum regelmäßigen Üben verspürte, bescheinigten seine Professoren seinem Klavierspiel zwar Gefühl, Wärme, Temperament und Geist, aber von der souveränen Virtuosität Viñes’ oder anderer Studenten war er doch weit entfernt. Und je mehr er sich für das Komponieren interessierte und begeisterte, desto nachlässiger kam er seinen Übepflichten als Pianist nach: «arbeitet mit Unterbrechungen», «arbeitet nicht übermäßig»[40], vermerkte Charles de Bériot in seinen Berichten für die Studienjahre 1894 und 1895, bis es ihm schließlich zu viel wurde: «Sie sind ein Verbrecher: Sie sollten der Klassenbeste sein – und sind der Letzte!»[41]

Später beschränkte sich Ravels Ehrgeiz als Pianist auf die Interpretation eigener Werke – und auch das zumeist nur widerwillig. Bezeichnend ist eine Anekdote, die der Geiger Robert Soëtens über ein Konzert berichtet, das er gemeinsam mit Ravel (und zu dessen Ehren) im Februar 1926 in Oslo gab: «Er sollte mich bei seiner Tzigane begleiten. Aber ich kann den Klavierpart nicht spielen – er ist viel zu schwer für mich, wandte er in ängstlicher Bescheidenheit ein. ‹Also gut›, schlug ich vor, ‹dann spielen wir eben Ihre Berceuse [sur le nom de Gabriel Fauré] zusammen; ich habe einen Pianisten, der mich bei der Tzigane begleiten kann.› Er war beruhigt. Am Abend des Konzerts kamen wir alle drei auf die Bühne: Der Begleiter setzte sich neben Ravel ans Klavier, um ihm die einzige Seite der Berceuse umzublättern, danach wechselten die beiden für die Tzigane die Plätze, und Ravel blätterte um. Nach einem unerhörten Erfolg und zahllosen Verbeugungen ließ ich Ravel und den Umblätterer allein auf der Bühne, um das Programm mit der Sonatine fortzusetzen. Ich hörte aus den Kulissen zu und sah, wie er ganz aufmerksam bald auf die Tasten, bald in die Noten oder auf seine Finger blickte, wie ein guter Schüler, der sich nach Kräften bemüht, sein Bestes zu geben. Er nahm seine Rolle als Interpret sehr ernst. Nachdem die Sonatine – dieses Meisterwerk – zu Ende war, kam er mit einem wahren Katastrophen-Ausdruck im Gesicht hinter die Bühne, obwohl ihm das Publikum […] enthusiastisch zujubelte. ‹Was für ein Triumph›, sagte ich. ‹Aber Sie sehen gar nicht zufrieden aus?› Es ist entsetzlich, klagte er und sah mich verzweifelt an, ich habe zwei Zeilen übersprungen …!»[42]

Die angesichts der atemberaubenden und revolutionären Virtuosität seiner Klavierwerke erstaunlich beschränkten pianistischen Fähigkeiten Ravels werden auch durch eine Reihe von Klavierwalzen bestätigt, die er zwischen 1913 und 1928 für die Firmen Welte-Mignon und Æolian Duo Art eingespielt hat[43]: Die ersten beiden Sätze der Sonatine, die Valses nobles et sentimentales, Oiseaux tristes und La Vallée des cloches aus den Miroirs, Le Gibet aus Gaspard de la nuit und die Pavane pour une infante défunte – wobei allein die entsetzlich holpernde, unausgewogene und geradezu unmusikalische Interpretation dieses letztgenannten Stücks genügen würde, das Urteil Hélène Jourdan-Morhanges und vieler anderer zu bestätigen, Ravel sei als Pianist «ein denkbar schlechter Anwalt seiner eigenen Sache»[44] gewesen. Er selbst sah dies übrigens nicht anders: Am 25. dieses Monats [Juni 1922] reise ich nach London, wo Æolian die wertvollen falschen Noten aufnehmen muss, mit denen ich meine Werke unweigerlich spicken werde.[45] Erwähnen sollte man noch zwei morphologische Besonderheiten der Hände Ravels, die von mehreren seiner Zeitgenossen bezeugt werden: zum einen den relativ weiten Abstand zwischen Ringfinger und kleinem Finger, zum anderen die «weit von der Hand abstehenden Daumen, die fast so lang waren wie die Zeigefinger. […] Tatsächlich finden sich in seinen Klavierwerken dauernd Stellen, wo der Daumen unter der Hand irgendein Thema spielt, während die übrigen Finger eine Begleitfigur ausführen.»[46]

Parallel zu der Klavierklasse Charles de Bériots, wo er das einschlägige romantische Repertoire (Weber, Schumann, Chopin, Mendelssohn, Grieg und Saint-Saëns) studierte, besuchte Ravel auch die Harmonielehreklasse Émile Pessards – mit ähnlich unbefriedigenden Ergebnissen: Er sei zwar «sehr begabt», aber «etwas nachlässig», protokollierte Pessard.[47] Immerhin waren seine Leistungen ausreichend, um in den Jahren 1893, 1894 und 1895 an den jeweiligen «Concours» teilzunehmen, die die Studienordnung des Conservatoire vorschrieb und bei denen es einen «Premier Prix» (als eine Art Abschlussexamen) zu erringen galt. Nachdem er allerdings dreimal hintereinander gescheitert war, musste er – auch das gehörte zum eisernen Reglement des Instituts – die Klassen de Bériots und Pessards verlassen. Ravel hätte sich zwar für andere Fächer einschreiben können, etwa für Solfège oder Kammermusik; aber das Scheitern in beiden Disziplinen scheint ihm das Conservatoire fürs Erste so gründlich verleidet zu haben, dass er es vorzog, seine pianistische Ausbildung privat bei dem Spanier Santiago Riéra fortzusetzen. Außerdem war er damals wohl schon endgültig von der Idee abgerückt, seinen Lebensunterhalt als Klaviervirtuose zu verdienen; stattdessen war das Komponieren an die erste Stelle getreten.

Meine ersten, unveröffentlicht gebliebenen Werke stammen aus der Zeit um 1893. […] Die «Sérénade grotesque» für Klavier war deutlich von Emmanuel Chabrier beeinflusst, während die «Ballade de la reine morte d’aimer» unter dem Einfluss Saties stand. 1895 schrieb ich meine ersten Werke, die veröffentlicht wurden: das «Menuet antique» und die «Habanera» für Klavier [recte: für zwei Klaviere]. Ich glaube, dass dieses Werk im Keim mehrere Elemente enthält, die in meinen späteren Kompositionen charakteristisch hervortreten sollten.[48] Zu diesen frühesten Arbeiten Ravels gehören außerdem zwei Vertonungen aus Paul Verlaines Gedicht-Zyklus «Sagesse». Le ciel est par-dessus le toit … – ein Fragment, das wohl noch vor der Sérénade grotesque entstanden ist – und Un grand sommeil noir, dessen Manuskript das Datum 6. August 1895 trägt und das mit seiner ruhig fortschreitenden, statischen Basslinie eindeutig auf das Vorbild Erik Saties (und insbesondere auf dessen «Sarabandes») verweist.

 

Das Paris dieser ersten beiden Jahrzehnte der Biographie Maurice Ravels war unbestreitbar die Kultur-Metropole Europas. Nachdem sich Frankreich vom Debakel des verlorenen Krieges von 1870/71 erholt hatte (und nach der brutalen, blutigen Unterdrückung der Commune), erlebte die Hauptstadt mit ihren gut zwei Millionen Einwohnern unter der «Troisième République» eine einzigartige Blüte. Paris wurde «ein riesiger Katalysator für die schrillen Aufgeregtheiten, die dumpfen Ängste wie die optimistischen Erwartungen, die so charakteristisch waren für das Fin de siècle und die sich in einer nie zuvor geschauten Vielzahl von unterschiedlichen Anschauungen und miteinander konkurrierenden künstlerischen Schulen und Cliquen manifestierten»[49]; ein Schmelztiegel der frühen Moderne, in dem es wie in einem Hexenkessel brodelte, dampfte und zischte und in den so ziemlich alle Ingredienzien hineingemischt wurden, aus denen die Kunst eines Neuen Zeitalters ihre Werkzeuge schmiedete.

Im Grunde hatte dieser Aufstieg von Paris schon unter dem «Second Empire» begonnen: mit den Städtebau-Plänen Georges-Eugène Haussmanns, die nun mit dem Ausbau der Avenue de l’Opéra, des Boulevard Saint-Germain und des Boulevard Henri IV fortgesetzt wurden; mit den Weltausstellungen von 1855 und 1867, denen 1878, 1889 und 1900 drei weitere folgten; mit der skandalumwitterten Premiere von Richard Wagners «Tannhäuser» im März 1861, die nun erst (im Rausch des «wagnérisme», der alle Künstler erfasste) ihre eigentlichen Folgen zeitigte; mit den ersten Ausstellungen einer neuartigen Kunst, die dem Impressionismus den Weg bahnte; mit dem literarischen Realismus und Naturalismus Gustave Flauberts oder der Brüder Edmond und Jules de Goncourt, auf den nun die Symbolisten (in der Nachfolge Charles Baudelaires) mit immer phantastischeren Wortgebilden reagierten.

Auch eine der wichtigsten Strömungen der belle époque – der Exotismus – lässt sich bis in die sechziger Jahre zurückverfolgen. Es war die Exposition japanischer Farbholzschnitte und Zeichnungen (auf der Weltausstellung von 1867) gewesen, die den «japonisme» aufgebracht hatte, «die Kunst des Weglassens, die mit Absicht nur das Fragment gestaltet, um darin umso suggestiver das Ganze ahnen zu lassen»[50]