Mehr als ein Cowboy Sammelband - Vanessa Vale - E-Book

Mehr als ein Cowboy Sammelband E-Book

Vale Vanessa

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Beschreibung

Mehr als ein Cowboy: die komplette Serie in einem Sammelband - Bücher 1 und 2

Stark und Stetig:
Man nennt ihn nicht umsonst den Outlaw.

Grayson Green ist niemandes Held. Er ist nur ein hart arbeitender Cowboy, der im Verlauf der Jahre einige Knockouts einstecken musste. Ein Mann, der entschlossen ist, für sich zu bleiben und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Dann tritt Emory in sein Leben. Sie ist anders. Sie hat keine Ahnung, wer er ist oder was er getan hat… und sie will ihn trotzdem. Als jemand aus seiner Vergangenheit bereit ist, ihn zu Fall zu bringen – und Emory mit ihm – muss er beweisen, dass er mehr als nur ein Cowboy ist.

Warnung! In diesem Liebesroman verliebt sich die Heldin in einen super heißen Alphamann mit einem gigantischen Beschützerinstinkt, der vor nichts zurückschreckt, um seine Frau zu beschützen.

--

Brutal und Bereit:
Wenn es ein harter Bad Boy mit einer steifen Collegeprofessorin aufnimmt, können sie dann beide den Kampf ihres Lebens gewinnen?

Reed Johnson wuchs brutal und bereit, seine Fäuste zum Überleben einzusetzen, auf der Straße auf. Heutzutage finden all seine Kämpfe im Ring statt. Da der Outlaw sein Trainer ist, ist er viel mehr als ein Cowboy. Das reicht ihm, bis er seine neue Nachbarin kennenlernt.

Harper Lane läuft vor einer gefährlichen Vergangenheit davon, aber ganz gleich, wie sehr sie sich auch anstrengt, sie folgt ihr. Dieses Mal ist sie nicht allein. Denn sie rennt direkt in Reeds Arme. Sie ist jetzt die Seine. Sein zu beschützen. Sein zu retten. Um das tun zu können, wird er zu dem Leben zurückkehren müssen, das er hinter sich gelassen hat. Aber die intelligente Kunsthistorikerin ist den Kampf wert und wenn es um sie geht, ist er zu allem bereit. Sogar zu etwas, von dem er nie gedacht hätte, dass er es verdiene. Liebe.

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Mehr als ein Cowboy Sammelband

Vanessa Vale

Copyright © 2021 von Vanessa Vale

Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind Produkte der Fantasie der Autorin und werden fiktiv verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebendig oder tot, Geschäften, Firmen, Ereignissen oder Orten sind absolut zufällig.

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder auf elektronische oder mechanische Art reproduziert werden, einschließlich Informationsspeichern und Datenabfragesystemen, ohne die schriftliche Erlaubnis der Autorin, bis auf den Gebrauch kurzer Zitate für eine Buchbesprechung.

Umschlaggestaltung: Bridger Media

Umschlaggrafik: Wander Aguiar Photography

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Inhalt

Stark und Stetig

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Brutal und Bereit

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

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Website-Liste aller Vanessa Vale-Bücher in deutscher Sprache.

ÜBER DIE AUTORIN

Stark und Stetig

1

EMORY

„Du weißt, was man über die aphrodisierende Wirkung von Austern sagt?“

Wirklich? Er würde ernsthaft diesen Spruch bringen? Wenn der Kerl denken wollte, dass Rocky Mountain Austern tatsächlich aus dem Meer kamen, dann würde ich ihn nicht eines Besseren belehren. Ich lächelte milde zu…Bob. Nein, Bill. Irgendetwas mit B. Er war in seinen Dreißigern, schick gekleidet in einem Anzug und einer grauen Krawatte, als käme er direkt von der Arbeit in einer Bank. Er hatte noch alle Haare, war gepflegt und wirkte dennoch absolut…durchschnittlich. Durchschnittlich war nicht schlecht, aber er war ein Idiot. Er schaufelte sich frittierte Bullenhoden in den Mund, als könnte das kostenlose Essen ausgehen.

Meine Freundin Christy hatte beschlossen, auf ihrer Verlobungsfeier auf ein förmliches Abendessen an einer großen Tafel zu verzichten und stattdessen eine Bar und Fingerfood anzubieten. Ich vermutete, dass sie die Spezialität Colorados auf die Speisekarte gesetzt hatte, um die Gäste zu veräppeln, die nicht aus dieser Gegend kamen. Die eingeladene Gruppe hatte ein Privatzimmer in Beschlag genommen, das mit dem Barbereich eines beliebten Restaurants in der Stadt verbunden war, sodass wir etwas trinken und uns unterhalten konnten. Der gesellige Teil lief für mich eindeutig weniger gut, da ich zuschauen musste, wie Bob/Bill einen Bullenhoden nach dem anderen in seinen Mund schob.

Ich hatte einen Hähnchenspieß probiert sowie Bruschetta und einige andere Kleinigkeiten, die die Kellner herumgereicht hatten. Nun versuchte ich, nicht das Gesicht zu verziehen, als er sich mit einer Cocktailserviette Krümel vom Kinn wischte.

„Man sollte Austern nur in den Monaten essen, die kein R im Namen haben.“ Er nickte, als wolle er seine Aussage bekräftigen.

„Ja nun, diese Dinger kannst du vermutlich jederzeit essen“, erwiderte ich.

Er steckte einen Zahnstocher in einen der Hoden auf dem kleinen Teller, den er in den Händen hielt, und starrte ihn an. „Yeah, dass sie frittiert sind, ist von Vorteil.“

Ja klar, das war der Grund.

Christy hatte in ihrem Verlobten Paul einen wundervollen Mann gefunden. Sein Cousin, der versuchte, seinen einfallslosen Charme bei mir spielen zu lassen, war jedoch ein absoluter Vollpfosten. Er dachte doch tatsächlich, dass er echte Austern aß. Wir befanden uns im landumschlossenen Colorado, nicht in einer Küstenstadt.

Ich wollte ihn am liebsten eiskalt abblitzen lassen, ihm sagen, dass er dringend Mundwasser und Zahnseide benötigte, aber er war mit Paul verwandt und ich war es Christy schuldig, dass ich mir keinen ihrer zukünftigen Verwandten zum Feind machte. Außerdem würde ich ihm wahrscheinlich in einigen Monaten auf der Hochzeit erneut begegnen und, Gott bewahre, er war einer der Trauzeugen. Als Brautjungfer – die älteste Brautjungfer der Geschichte – würde ich wahrscheinlich an seinem Arm zum Altar laufen müssen. Ich bemühte mich, zu lächeln und so diplomatisch wie möglich zu nicken. Lächeln und nicken, aber er hatte die Persönlichkeit einer Meeresschnecke oder eben einer Auster. Wir hatten ein oder zwei Minuten über Paul und Christy geredet, aber danach…hatte er sich selbst als Player präsentiert. Er stand etwas zu nah bei mir, sein Blick sank wiederholt auf meine Brust und er hatte ein merkwürdig anzügliches Grinsen aufgesetzt. Es musste ein Grinsen sein oder eine Art nervöse Zuckung des Mundwinkels.

Warum sich der Kerl in meiner Nähe aufhielt, wo null Hoffnung auf…irgendetwas bestand, war mir schleierhaft. Ich hatte mir an einem Mann die Finger verbrannt, okay, viel eher war ich zu einem Brikett verkohlt worden, und ich war nicht auf der Suche nach einem anderen. Ich hatte die Scheidung überlebt, hatte überlebt, weil Chris eine Mutter gebraucht hatte, weil ich für ihn stark sein hatte müssen. Aber er war jetzt weg auf dem College und ich konnte mich nicht mehr hinter der Mutterrolle verstecken. Ich konnte über Abseitsregeln beim Fußball oder Spendensammlungen für den Elternverein plaudern, aber mit einem Mann zu reden, einem echten Mann und keinen Highschool-Eltern, war unglaublich schwer. Ich bezweifelte, dass Bob/Bill irgendetwas über diese Dinge wusste und wahrscheinlich würde er seine Bullenhoden woanders hintragen, sobald er erfuhr, dass ich ein Kind hatte – wenn auch ein achtzehnjähriges.

Gott, ich war schrecklich introvertiert! Ich hasste Menschenmengen, neue Leute, laute Geräusche. Ich war kein Partymensch. Deswegen fiel es mir auch so schwer, neue Menschen kennenzulernen. Ich war furchtbar darin, anders als Christy, für die es keine Fremden gab. Diese ganze introvertiert-extrovertiert Dynamik hatte mir geholfen, als sie mich gleich an meinem ersten Arbeitstag aus meinem Schneckenhäuschen gelockt und dankenswerterweise mit meinem neuen Arbeitsplatz vertraut gemacht hatte. Dadurch waren wir sofort Freundinnen geworden. Es war nicht so, als wäre ich schüchtern oder merkwürdig oder so etwas, aber ich war definitiv festgefahren in meinem Verhalten. So nannte ich es zumindest.

Christy nannte es einsam und mir fiel nichts Deprimierenderes ein als das. Sie hielt mich für einsam.

Einsam!

Sie meinte das nicht Böse, sondern war einfach nur ehrlich. Aber ich war so lange vorsichtig gewesen und es war sogar noch länger her, seit ich auf Dates gegangen war. Fast zwanzig Jahre. Zwei Jahrzehnte. Deswegen war ich ohne ein Plus-Eins auf der Verlobungsfeier aufgetaucht und deswegen war ich auch nicht an Bob/Bill und seinen lächerlichen Anmach-Taktiken interessiert. Sicher, ein Mann wäre toll, aber er sollte schon ein paar Gehirnzellen zwischen den Ohren haben. Mein Vibrator redete zwar nicht und erledigte den Job zuverlässig, aber er war kein Vergleich zu einem echten Mann. Zu dem Gewicht eines Mannes, das mich ins Bett drückte. Dazu, ihn hart zwischen meinen Schenkeln zu fühlen. In mir. Aber ein Orgasmus mit einem echten Mann war es nicht wert, Spielchen zu spielen und ich wollte die Regeln des Datens im einundzwanzigsten Jahrhundert erst gar nicht lernen. Wenn ich mir so ansah, wie Bob/Bill erneut seinen Mund abwischte, war ich mir sicher, dass mein Vibrator heute Nacht gewinnen würde.

Ich seufzte und nippte an meinem Wasser. „Schau, ich muss los. Christy winkt mich gerade zu sich. Viel Glück beim Austernessen, wenn sie nicht Saison haben“, sagte ich. Ich machte einen Schritt von ihm weg, aber er legte seine Hand auf meinen nackten Arm.

Er grinste und ich bemerkte, dass sich seine Schneidezähne leicht überlappten. „Ich lebe gern gefährlich.“ Sein Daumen streichelte über meinen Arm und ich trat zurück aus seinem Griff.

Klar doch. Ich verdrehte innerlich die Augen.

Er ging eindeutig keinerlei Risiko ein, denn er redete mit mir und nicht mit einer der anderen Frauen in der Bar, die viel provokanter gekleidet und eine sichere Nummer waren. Und jünger. Mit achtunddreißig war ich nicht unbedingt alt, aber die meisten Frauen in meinem Alter hatten keinen Sohn, der schon aufs College ging. Manche, die ich kannte, brachten ihr Kindergartenkind zum „Zwergen“-Fußball.

Ich hatte Bob/Bill keinerlei Signale gesendet, die gesagt hätten, nimm mich mit nach Hause. Die Art, wie ich meine Arme vor der Brust verschränkt hatte, sogar während ich mein Glas in der Hand hielt, war ein klassisches Zeichen für nicht interessiert. Er hatte keine Ahnung. Null. Eine Frau wollte einen Mann, der sie gegen die Wand drückte und sie besinnungslos küsste. Nun, ich wollte das zumindest. Wilder, hemmungsloser Sex wäre auch gut. Dieser Kerl? Keine Chance. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen…Buchhalter.

Ich trank einen Schluck von meinem Eiswasser mit Limetten und sah durch meine dunklen Wimpern zu ihm hoch. „Also, was arbeitest du?“

Er legte eine Austernschale auf seinen Teller. „Ich bin Auditor bei der Sozialversicherungsbehörde.“

Nah dran. Ich nickte vage, wobei ich mich bemühte, dass meine Augen nicht glasig wurden. Er war auf der Suche nach einer Frau, die das weißer-Gartenzaun-Leben mit zwei Kindern und einem Hund – und Austern – wollte. Das hatte ich alles schon mal gehabt und brauchte ich nicht nochmal.

Als ich quer durch den vollen Raum einen Blick zu Christy warf, sah ich sie über etwas lachen, das die Frau neben ihr gesagt hatte. Sie sah in ihrem roten Seidenneckholderkleid, das ihre gebräunten Schultern und Rücken freiließ, umwerfend aus. Ihre Haare waren glatt und lang und ihr Makeup war definitiv geeignet für einen feuchtfröhlichen Ausgehabend. Es war ein ganz anderer Look als ihre Businesskleidung für den Job im Krankenhaus und viel schicker als meine tägliche Schwesterntracht in der Notaufnahme. Als wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem Kleid gemacht hatten, hatte ihr Plan gelautet, Paul mit einem gewagten Outfit zu überraschen. So wie seine Hand gerade oberhalb von noch anständig in ihrem Kreuz lag, während sie sich mit ihren Freunden unterhielten, würde ich sagen, dass er aufgegangen war. Die beiden waren offenkundig ineinander verliebt und manchmal war das etwas schwer zu ertragen. Die Sehnsucht zerrte stark an mir, beinahe schmerzhaft, weil ich den Blick, mit dem Paul sie bedachte, niemals an Jack, meinem Ex, entdeckt hatte. Was mich schmerzte, war nicht, dass mir das entgangen war, sondern dass ich es vielleicht nie haben würde.

Mein Kleid war nicht mal annähernd vom gleichen Kaliber wie Christys. Ich versuchte nicht, meinem Zukünftigen eine Freude zu machen, und ich war auch nicht auf der Suche nach einem. Nicht in einer Bar und nicht bei Bob/Bill. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man jemanden „abschleppte“ und ich war nicht mehr einundzwanzig. Meine Dating-Fähigkeiten waren nicht nur eingerostet, sie steckten in einer Zeitkapsel vom Ende der Neunziger. Ich beobachtete die anderen Frauen im Barbereich. Manche trugen weniger Kleider als ich, wenn ich meinen Schlafanzug anhatte, wodurch sie nur wenig der Fantasie überließen. Sie lächelten kokett, berührten, überkreuzten und entkreuzten ihre Beine, klimperten mit den Wimpern.

„Was ist mit dir?“, wollte er wissen, wodurch er mich von meinen Beobachtungen ablenkte. „Was ist dein Job?“

Ich schaute noch einmal zu Paul und Christy und erblickte einen Mann, der bei ihnen stand. Einen Mann, der vorhin definitiv noch nicht dort gewesen war. Wäre er dort gewesen, hätte ich nämlich nicht den Blick von ihm abwenden können.

„Oh, ähm…klinische Pflegeexpertin“, antwortete ich abwesend, während ich den Arm des Mannes bemerkte. Ausgeprägte Muskeln wölbten sich unter dem weißen Ärmel. Ein Tattoo blitzte unter dem hochgerollten Ärmel hervor und seine Hände waren groß, die Finger lang. Ich konnte den Rest seines Körpers nicht sehen, da mir Paul die Sicht versperrte, und das dringende Bedürfnis, genau das zu tun, überkam mich. Das war ein Mann.

Bob/Bill stellte seinen Teller auf einen leeren Tisch und griff nach seinem Bier. Dabei rückte er sogar noch näher zu mir, was mich verärgerte. „Bist du eine der Frauen, die dabei helfen, Patienten zum Röntgen zu bringen? Ich mag diese süßen Uniformen, die sie tragen.“

Ich trat einen Schritt zurück und ignorierte seine Worte. Es frustrierte mich, dass ich keinen Blick auf den Mann erhaschen konnte. Zum Glück veränderte Paul seine Haltung, wodurch eine Lücke entstand, in der er deutlich sichtbar war. Hitze strömte bei dem Anblick durch meine Adern und ich spürte verrückte Schmetterlinge in meinem Bauch. Das waren keine dummen, Schulmädchen-Schwärmerei Gefühle. Das war etwas völlig anderes. Das war intensive, rohe Lust. Heiliger Bimbam, ich hätte schwören können, dass sich meine Nippel unter meinem Kleid nur wegen dieses einen Blicks aufrichteten.

Er. War. Ein. Cowboy. EIN COWBOWY!

Da das hier Colorado war, liefen hier so einige herum, aber ich hatte bisher keinen aus dieser Nähe gesehen und auch keinen, der in mir den Wunsch geweckt hätte, ein Lasso zu zücken und ihn einzufangen.

Er war größer als Paul mit seinen eins achtzig, hatte breitere Schultern und kurzgeschorene dunkle Haare. Er trug ein blütenweißes Hemd, aber es hatte Druckknöpfe. Eine Frau musste das Konzept von Druckknöpfen an einem Männerhemd erfunden haben, denn bei diesem Kerl wollte ich beide Seiten packen, sie aufreißen und die definierte Brust darunter sehen. Sie ablecken.

Klack. Klack. KLACK!

Bei dieser Vorstellung lief mir das Wasser im Mund zusammen. Es war aber nicht nur das Hemd, das Hallo ich bin ein Cowboy! verkündete, sondern auch die gebügelten Jeans, die sich so fantastisch an seine kräftigen Beine schmiegten. Und Hintern. Ich stand nie auf große, glänzende Gürtelschnallen, aber mmm mmm. Er hatte sogar robuste Lederstiefel an, als wäre er gerade von seiner Ranch gekommen. Er schien nur aus wohldefinierten, straffen Muskeln zu bestehen und es juckte mich in den Fingern, jeden einzelnen abzutasten. Obwohl er auf der anderen Zimmerseite stand, konnte ich erkennen, dass seine Augen dunkel waren und sie von breiten und ebenfalls dunklen Brauen überschattet wurden. Wenn mein Slip schon feucht wurde, nachdem ich nur einen Blick auf ihn geworfen hatte, was würde erst passieren, wenn er seine Augen auf mich richtete? Ich schluckte allein bei der Vorstellung. Schau mich an. Schau mich an!

Er war definitiv groß und dunkel, aber gut aussehend? Nicht im herkömmlichen Sinne, doch er drückte jeden meiner Knöpfe und jeden Knopf, von dessen Existenz ich nicht einmal gewusst hatte. Seit wann brachte mich ein Cowboy zum Brennen? Sie sahen in dem Hottie-des-Monats-Kalender heiß aus, aber ich hatte mich noch nie zuvor zu einem hingezogen gefühlt.

Aber jetzt. KLACK!

Das Lächeln, das Mr. Cowboy Paul schenkte, war breit und freundlich und mein Herz machte einen Sprung. Obwohl es sich anfühlte, als hätte ich ihn minutenlang angestarrt, waren nur Sekunden vergangen, in denen ich ihn bewundert hatte. Meine Reaktion setzte augenblicklich ein und konnte schon fast als erotisch bezeichnet werden und…warum er? Ich hatte schon attraktivere Männer gesehen und weniger empfunden. Nichts empfunden. Meinem Körper war es egal, dass seine Nase aussah, als wäre sie mindestens zweimal gebrochen worden. Sie deutete auf ein Leben hin, das hart und schwer erkämpft worden war, und damit konnte ich mich identifizieren.

Er war das komplette Gegenteil von dem Bild, zu dem ich mich normalerweise hingezogen fühlte und das auf den attraktiven Kerlen in Filmen fußte, nicht auf echten. Wenn der aktuelle James Bond zufällig auf der anderen Seite des Raumes stehen würde, würde ich die anderen Damen auf jeden Fall aus dem Weg schupsen, um zu ihm zu gelangen. Aber das dort drüben war nicht James Bond. Eher sein Bruder, der mehr als acht Sekunden auf dem Rücken eines Bullen verbracht hatte. Er schien sich mit seinen Tattoos und in seinen Westernkleidern wohlzufühlen. Und mir gefiel es, ihn mit seinen Tattoos und Westernkleidern zu betrachten.

„Nun?“ Bob/Bill veränderte seine Position so, dass er meine Sicht auf den Kerl versperrte und ich schaute ihn finster an. Er hielt mich davon ab, den heißen Typ anzustarren. Was hatte er mich nochmal gefragt? Ach ja, richtig, mein Job.

„Ja, nein.“ So ein chauvinistischer Idiot, der einen Bullenhoden nicht von einer Muschel unterscheiden kann. „Das machen freiwillige Helferinnen und die sind entweder fünfzehn Jahre alt oder achtzig. Also etwas völlig anderes. Ich habe einen Bachelor und Master in der Krankenpflege.“ Freiwillige Helferin, dass ich nicht lache!

Als ich leicht zur Seite rutschte, um wieder einen Blick auf Mr. Cowboy zu erhaschen, war er fort. Natürlich war er fort, während ich hier bei Mr. Vollposten mit seinem Bullenhodenatem ausharren musste. Er hatte mittlerweile vermutlich seine Freundin oder Frau gefunden, hatte eine Hand in ihr Kreuz gelegt, sie zur Begrüßung geküsst. Gott, ich verschwendete meine Zeit. Warum war ich hiergeblieben und hatte mich mit einem Kerl unterhalten, der widerliche frauenverachtende Annahmen über meinen Beruf anstellte? Ich hatte mir für meinen Abschluss den Arsch aufgerissen und er hatte angenommen, ich wäre dafür qualifiziert, den Kranken Blumen zu bringen. Ich hätte schon vor fünf Minuten fliehen sollen.

Bob/Bills Hand, die meinen Rücken hinabglitt und sich auf meine Taille legte, setzte mein Gehirn wieder in Gang. „Also, bereit nach oben zu meinem Zimmer zu gehen?“ Er trank einen Schluck von seinem Bier und beobachtete mich über den Rand seines Glases. Unterdessen spürte ich durch mein Kleid, dass seine Finger meine Seite drückten.

Mein Mund klappte auf, während ich einen Schritt zurück machte, wodurch seine Hand wegrutschte. Vielleicht war ich doch besser darin Männer abzuschleppen, als ich gedacht hatte. Ich musste lediglich Ja sagen und könnte dann mit Bob/Bill in die Kiste springen. Ich brauchte jedoch dringend mehr Übung, wenn dieser Mann das war, was meine Fähigkeiten einfingen.

„Meinst du das ernst?“ Ich musste lachen und schaute ihn leicht verlegen an, wenn auch nicht lang.

„Nun, ja.“ Sein Blick glitt über meinen Körper, während er mir ein weiteres Mal auf die Pelle rückte. Ich brauchte eine Dusche allein wegen dieses Blicks. „Wir haben eine Verbindung.“ Verbindung? Ja, klar.

„Okay. Ähm…hör zu – “

„Sorry, dass ich zu spät bin, Baby. Dieser Laden ist so überfüllt. Paul hat mir den Weg zu dir gewiesen.“ Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, ehe mir klar wurde, dass die neue Stimme mit mir sprach. Wegen der überraschenden Berührung machte ich einen Satz, aber sie fühlte sich nicht so gruselig und eklig an, wie es Bob/Bills Hand getan hatte. Sie fühlte sich wie…Elektrizität an, wie sie vor einem Gewitter in der Luft hing. Ein Blick nach hinten zeigte mir, dass es sich um Mr. Cowboy handelte, der mich anlächelte.

Mich!

Seine braunen Augen waren nicht nur dunkel, sie waren fast schwarz und ausschließlich, ganz und gar, allein auf mich gerichtet. Sie sanken kurz zu meinem Mund.

Ich erstarrte völlig überrascht und gaffte den Mann an. Genauso wie Bob/Bill.

„Weißt du, Paul wusste genau, wo du bist.“ Er deutete zu meinem Freund auf der anderen Seite des Raumes.

Paul zeigte mir einen nach oben gereckten Daumen, womit er seine Zustimmung dafür ausdrückte, dass dieser Mann hier auftauchte und so tat als…als was? Würde er mich daten? Er hatte mich Baby genannt und hatte das nicht tierisch scharf geklungen?

Wusste Paul wirklich, dass sein Cousin ein Widerling war und rettete mich? Offensichtlich. Jetzt. Ich war zu verflucht nett. Argh.

„Danke, dass Sie meinem Mädel Gesellschaft geleistet haben, weil ich spät dran war.“ Er schüttelte Bob/Bills Hand freundschaftlich. Mr. Cowboys Stimme war tief, rau wie Schotter und der Tonfall drückte eindeutig aus, lass meine Frau verdammt nochmal in Ruhe. Bob/Bill zuckte zusammen, da der Handschlag vermutlich etwas fester als freundlich ausfiel. Als er seine Hand wieder für sich hatte, schnitt er eine Grimasse, als hätte er Verdauungsstörungen, vielleicht von den Rocky Mountain Austern oder weil seine Pläne für einen One-Night-Stand durchkreuzt worden waren.

Mein Mädel. Oh mein Gott.

„Kein Problem“, murmelte Bob/Bill, während er seine Hand ausschüttelte. Dann machte er einen Schritt zurück in sichereres Gebiet und räusperte sich, wobei er Mr. Cowboy mit den Augen maß. Er bemerkte die zusätzlichen Zentimeter, um die er überragt wurde – Mr. Cowboy war mühelos eins neunzig – die dreißig zusätzlichen Pfund und eine Riesenmenge knallharter Taffheit, die er niemals besitzen würde. Er würde sich auf keinen Fall mit diesem Kerl anlegen. Wenn Bob/Bill die Auster im Ozean war, dann war Mr. Cowboy der Hai. Barrakuda? Gerissen, tückisch und lautlos tödlich.

Aus der Nähe war er sogar noch…männlicher. Potent. Und ich war seinMädel, zumindest für den Moment. Heilige Scheiße, er war heiß. Dunkle Stoppeln ließen sein Kiefer markant wirken und seine Hand in meinem Rücken war warm, selbst durch die Baumwolle meines Kleides. Die Schmetterlinge von vorhin waren nun wütende Bienen in meinem Bauch und er konnte bestimmt sehen, dass mir das Herz praktisch aus der Brust sprang. Anders als Bob/Bills sank sein Blick nicht tiefer als bis zu meinem Kinn. Er huschte allerdings nochmal kurz zu meinem Mund und meine Lippen öffneten sich leicht, während ich versuchte, nach Luft zu schnappen.

„Worüber habt ihr beiden geredet, als ich euch unterbrochen habe?“ Er wandte seine Augen von mir und zu Bob/Bill, der leicht blass um die Nase wurde, eindeutig verängstigt, es zu sagen. Die Partnerin dieses Mannes anzubaggern, war definitiv nicht gut für seine Gesundheit.

„Oh, ähm…“ Bob/Bill griff nach seinem Krawattenknoten und zerrte daran, da sie ihm anscheinend ganz plötzlich viel zu eng war.

„Austern“, antwortete ich, da ich gewillt war, Pauls Cousin einen möglichen langsamen und gnadenlosen Tod zu ersparen. Er war ziemlich schmierig, aber recht harmlos, vor allem wenn Mr. Cowboy, aka der umwerfender Cowboy, neben mir stand. Bei Mr. Cowboy fühlte ich mich irgendwie beschützt, geborgen und sicher vor Bob/Bills weniger ehrenhaften Absichten. Er gab mir das Gefühl…weiblich zu sein im Vergleich zu seiner mega-maskulinen Präsenz. Das hätte daran liegen können, dass ich nur bis zu seiner Schulter reichte, oder daran, dass sein Bizeps den Umfang meines Halses hatte.

Ich wagte noch einen kurzen Blick durch den Raum zu Paul. Er zwinkerte mir zu, dann wurde er wieder in ein Gespräch verwickelt. Er hatte diesen Kerl hergeschickt, damit er mich vor Bob/Bill rettete.

„Oh, Sie mögen Rocky Mountain Austern? Ich bin kein großer Fan davon, frittierte Bullenhoden zu essen. Ich habe genug von denen abgeschnitten und mit eigenen Augen gesehen, wie sie aussehen, weshalb ich sie lieber nicht essen möchte.“

„Frittierte…“ Bob/Bill blickte auf seinen Teller und schluckte schwer.

„Sie sehen nicht gerade gut aus.“ Mr. Cowboy deutete mit dem Kinn auf Bob/Bill, dem jetzt zusätzlich zu seiner käsigen Gesichtsfarbe auch noch Schweißtropfen auf der Stirn standen. „Bereit?“, fragte er mich, wobei seine Augen prüfend über mein Gesicht schweiften, und zwinkerte mir zu. „Ich dachte, wir könnten uns für ein Weilchen nach draußen setzen.“

Ohne meine Antwort abzuwarten, ergriff er meine Hand und ließ Bob/Bill mehr oder weniger einfach stehen. Seine Hand war so groß, dass sie meine praktisch verschluckte. Obgleich ich Schwielen an seiner Handfläche fühlen konnte, war seine Berührung sanft, was überraschend war für einen Mann, der so… aggressiv wirkte. Als wäre das ruhige Äußere nur eine Fassade und Spannung und Energie wären in ihm aufgewickelt und bereit, freigesetzt zu werden, vor allem wenn sie auf einen Mann gerichtet werden würden, der mich belästigte. Als sein Daumen auf meinem Handrücken vor und zurück strich, lief ein Schauder über mein Rückgrat.

Bereit? Mit einem attraktiven Cowboy mitzugehen?

2

EMORY

Nickend setzte ich ein falsches Lächeln auf und ließ mich von dem Cowboy durch das Restaurant führen. Jeder schien uns, ihn, anzuschauen, denn er hatte ein Auftreten und Verhalten, das geradezu schrie: Geh mir verdammt nochmal aus dem Weg.

Ich stellte mein Glas auf einen leeren Tisch, an dem wir vorbeiliefen. Mr. Cowboy ließ meine Hand los – er hatte einen Drink in seiner anderen – um die Tür zur Terrasse aufzudrücken und sie mir aufzuhalten. Die Terrasse führte um drei Seiten des Gebäudes, allerdings gab es nur auf der Seite, die zu den Bergen zeigte, Fenster.

Die Luft war warm, ein ziemlicher Kontrast zu dem klimatisierten Inneren. Es war jedoch nicht der heiße Tag, der dafür sorgte, dass ich überhitzt war. Das hatte einen ganz anderen Grund. Als sich die Tür hinter uns schloss, wurden der Lärm des Restaurants und der Bar gedämpft. Die Sonne war hinter den Bergen untergegangen, aber die Abenddämmerung würde noch eine Weile andauern und ihre Farbe ändern, bis die Dunkelheit übernahm. Die Lichter der Stadtgebäude gingen nach und nach an und die Aussicht erinnerte mich daran, warum ich es liebte, in Colorado zu wohnen.

Pärchen und kleine Gruppen unterhielten sich an der Brüstung und an den kleinen Sitzgruppen. Deshalb deutete er mit der Hand, in der er den Drink hielt, um die Ecke. Dort war es ruhig und ich setzte mich auf einen von zwei Stühlen, von denen man die hübsche Aussicht genießen konnte.

Da Christy verliebt war, wollte sie, dass alle anderen das Gleiche erlebten, aber Männer wie Bob/Bill weckten nicht gerade den Wunsch in mir, meinen Facebook Status auf in einer Beziehung zu verändern. Nichtsdestotrotz hatten sie und Paul versucht, mich aus meinem Schneckenhaus zu locken, jetzt da Chris auf dem College war, aber diesen Kerl dafür zu nutzen – heiliger Bimbam.

Mein Leben hatte sich so lange nur darum gedreht, Chris groß zu ziehen, dass ich gar nicht mehr wusste, wie ich nur Ich sein konnte, die Frau, nicht die Mom. Und jetzt, waren da nur ich und dieser unverschämt gut aussehende Kerl und ich wusste nicht, was ich tun sollte! Es war eine Sache, sich mit Bob/Bill zu unterhalten, aber ich war nervös und sprachlos und überwältigt von diesem Mann.

„Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“ Seine Stimme war tief, entspannt und ruhig, geduldig.

Mein Herz machte diese ganze in-die-Kehle-springen Sache, als ich zu ihm hochsah. Nur wenige Schritte entfernt von mir stehend, wirkte er leicht gefährlich. Seine Nase war gebrochen worden. Ich hatte recht damit gehabt. Er hatte auch eine Narbe, die seine linke Augenbraue spaltete, das Weiß bildete einen starken Kontrast zu den kurzen, dunklen Haaren. Er lächelte und wartete.

„Oh, ähm. Sicher doch.“

Er ergriff die Stuhllehne, beugte sich zu mir und raunte: „Du scheinst dir nicht so sicher zu sein.“

„Ich…ich habe mich nur gefragt warum“, antwortete ich verlegen. Meine Unsicherheit zeigte sich. Auch wenn ich mich meiner Selbst als Mutter und in meinem Job sicher fühlte, so fühlte ich mich doch recht unscheinbar, wenn es um Männer wie ihn ging und im Vergleich zu der großen Auswahl jüngerer und sexyer Frauen an der Bar. Da ich nun vor dem Austern-Mann in Sicherheit war, konnte er zur Bar zurückkehren. Er hatte seine Heldentat für den Abend vollbracht.

Er runzelte die Stirn, wodurch sich dort eine kleine Falte abzeichnete. „Warum?“

„Warum willst du hier bei mir bleiben?“ Ich deutete in die Richtung der Bar. „Ich werde Paul sagen, dass du mich gerettet hast, was du getan hast. Also danke. Du bist vom Haken.“

Daraufhin setzte er sich hin und beugte sich nach vorne, sodass seine Unterarme auf seinen Schenkeln ruhten. Die sehnigen Muskeln konnte ich nur schwer ignorieren und ich fragte mich, wie der Rest des Tattoos aussah, das teilweise von seinem Hemd verborgen wurde. Seine geballte Aufmerksamkeit war ein weiteres Mal allein auf mich gerichtet, als gäbe es niemand anderen, mit dem er reden, den er anschauen wollte. Mit dem er zusammen sein wollte. „Vielleicht will ich gar nicht vom Haken sein.“

Oh. Ich konnte den Blick nicht abwenden, konnte nichts tun, außer mir bewusst machen, dass er bei mir – mir! – sitzen wollte und ich fühlte, dass sich etwas in mir regte. Etwas Gutes. „Oh.“

„Ich hab dir einen neuen Drink mitgebracht.“

Er hielt ein Highball-Glas in der Hand, das mit einer eisigen Flüssigkeit und zwei Limettenscheiben gefüllt war, die obenauf schwammen. Kondensationstropfen perlten an den Seiten nach unten.

„Danke, aber ich trank – “

„Wasser“, unterbrach er, beendete den Satz für mich und stellte das Glas auf den niedrigen Tisch vor uns. Seine dunklen Augen musterten mich wieder aufmerksam, ruhig. Es war, als könne er alle anderen Gäste des Restaurants aussperren, sowie den Lärm des Geschirrs, das aufeinandergestapelt wurde, sogar die leise Musik, und mir jedes bisschen seiner Aufmerksamkeit schenken.

„Ja“, gab ich zu, wobei meine Augen groß wurden. Woher wusste er – „Du hast mich beobachtet.“

Paul hatte für diesen Kerl sein Okay gegeben, aber jeder, der hörte, dass sein Nachbar ein Axtmörder war, schwor im Nachhinein, dass er keine Ahnung gehabt hatte – nach einem grausamen Mord. Ich sah keine Axt. Allerdings stand bei seinem muskulösen, harten, wundervollen Körper außer Frage, dass er auch ohne Axt jemanden verletzten könnte. Ich war leicht misstrauisch und nervös – jetzt… aus einem ganz anderen Grund. Ich wollte nicht, dass er ein Widerling war.

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hielt seine Hände vor sich hoch. „Oh, hey, ich will nicht, dass dieses hübsche Lächeln verschwindet. Keine Sorge, ich versuche nicht, bei dir zu landen.“

Mein Rückgrat versteifte sich und ich spürte, wie mir Hitze in die Wangen kroch. „Natürlich nicht.“

Warum würde er seine Zeit auch damit verschwenden, bei mir zu landen, wenn dort drinnen ein ganzer Schwarm leicht zu habender Frauen war? Er musste bestimmt lediglich mit den Fingern schnipsen und sie würden sabbernd zu ihm rennen. Er war…wirklich, wirklich attraktiv. Intensiv. Bob/Bill war ziemlich gut aussehend und er war ein Widerling. Dieser Kerl war mehr. Er hatte eine Präsenz. Selbstvertrauen. Aus seinen Poren troff geradezu Testosteron und nach dem zu schließen, wie ich praktisch vor ihm dahin schmolz, zweifellos auch Pheromone. Er ließ seinen Charme momentan nicht spielen – er musste das gar nicht tun. Er…war einfach.

Er grinste und das änderte sein gesamtes Auftreten. Entspannt von meinem Sarkasmus, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, die Ellbogen auf den Armlehnen. Ich andererseits saß stocksteif und bereit zur Flucht da.

„Scheiße, das war richtig schlecht, oder?“, gestand er und rieb sich über den Nacken, während er eine Grimasse schnitt. „Sogar beleidigend. Sorry. Ich muss gestehen, du machst mich ein bisschen nervös.“

Mein Gehirn setzte aus. „Ich?“ Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Ich mache dich nervös? Du spielst in einer völlig anderen Liga als ich“, gestand ich mit einem Stirnrunzeln. Jetzt würde er gehen.

Er schaute auf seine Füße, dann wieder zu mir. „Ja, ich weiß.“ Seine Stimme war leise, fast schon resigniert.

„Warte.“ Ich schüttelte den Kopf und hielt meine Hand hoch. „Du denkst, ich bin…auf keinen Fall. Hast du ein paar von den Frauen gesehen, die heute Abend hier sind? Sie sind so…jung.“

Seine dunklen Augen wanderten über mich, von meinen – höchstwahrscheinlich – widerspenstigen Haaren zu den Spitzen meiner lackierten Zehennägel und zurück. „Und du bist alt?“ Er ließ mir keine Zeit zum Antworten. „Glaub mir, ich bin genau da, wo ich sein möchte.“

Oh. Ich konnte das kleine innerliche Seufzen bei seinen Worten nicht verhindern.

Er beugte sich ein weiteres Mal nach vorne, rieb mit einer Hand über seinen kantigen Kiefer. Er hatte sich wahrscheinlich heute Morgen rasiert, aber musste es wieder tun. Nicht, dass es mich störte. Ich wollte mit den Fingern über seine Bartstoppeln streicheln und herausfinden, ob sie weich oder kratzig waren. „Lass mich noch mal von vorne anfangen. Okay?“

Ich legte meinen Kopf zur Seite und bemerkte seinen verdrossenen Gesichtsausdruck. Ich nickte neugierig.

„Ich bin Gray, Pauls Personal Trainer.“

„Trainer? Ich dachte…“

Pauls Trainer? Abgesehen von dem Hemd mit den wunderbaren Druckknöpfen sah er wie einer aus. Fit. Aber in dem Sinne von Fit, als würde er auf diese Weise leben, nicht nur Gewichte stemmen. Seine Arme waren muskelbepackt, seine Hände kräftig, die Finger lang. Mit den Narben und Tattoos sah er geradezu gefährlich aus, mehr wie ein Kämpfer als ein einfacher Trainer. Vielleicht hatte er in der Vergangenheit an Wettbewerben teilgenommen? Boxen? Rodeo? Er sah aus, als könnte er Heuballen herumwerfen, während eine seiner Hände hinter seinen Rücken gebunden war. Als könnte er einen Bullen acht Sekunden lang reiten und den nächsten Tag erleben.

„Dass ich mich den ganzen Tag um Rinder kümmere?“

Ich biss auf meine Lippe, dann lächelte ich. „Ja.“

Was wusste ich schon von Cowoby-Sachen? Das letzte Mal, als ich ein Pferd geritten hatte, war im Sommerlager gewesen, als ich elf gewesen war. Brant Valley war keine Metropole wie Denver, aber es war dennoch eine Großstadt. Gray passte in keine der Schubladen, in die mein Gehirn ihn zu stecken versuchte. Ich wusste nur, was ich sehen konnte, was er mir erzählte. Durch die Kombination aus grüblerischer Gefahr und einem verschmitzten Lächeln war er eine Bedrohung für meine Sinne und brachte mein Herz aus dem Takt.

Er streckte seine Hand aus und ich ergriff sie, schüttelte sie, aber er ließ sie nicht sofort wieder los. Stattdessen hielt er die Berührung unserer Finger, die Verbindung aufrecht.

„Ich bin Emory. Christys Freundin.“

„Emory“, wiederholte er, als würde er meinen Namen ausprobieren, und ließ meine Hand schließlich los. „Na also. Das habe ich zumindest nicht in den Sand gesetzt.“

Ich verdrehte die Augen und schmunzelte – ich konnte nicht anders – während ich meine Hand wieder auf meinen Schoß legte. Jedes Mal, wenn er mich nervös machte, nahm er mir die Nervosität sogleich wieder. „Ich schätze, ich sollte mich offiziell bei dir dafür bedanken, dass du mich gerettet hast.“ Ich deutete mit dem Kopf zum Restaurant.

Er nickte. „Paul hat mich gebeten, bei seinem Cousin einzuschreiten. Meinte, er wäre ein Kotzbrocken.“

Meine Augen weiteten sich. „Paul hat Kotzbrocken gesagt?“

Gray grinste und die feinen Fältchen an seinen Augenwinkeln vertieften sich. „Er hat ein…schlimmeres Wort verwendet, aber ich fluche nicht vor einer Dame.“

Der Mann war heiß und ein Gentleman. Was stimmte nicht mit ihm? Nichts, soweit ich erkennen konnte.

„Sogar von der anderen Zimmerseite konnten wir beide sehen, dass du keinen Spaß hattest, und als der Kerl seine Hand auf deinen Arm legte und du zusammengezuckt bist…“

Er beendete den Satz nicht, aber ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte.

Ich blickte auf meine Finger. Ich machte ein nichtssagendes Geräusch, weil es nicht viel über Bob/Bill zu sagen gab. „Ich hätte ihn stehen lassen sollen, ehe ich gerettet werden musste. Ich meine, er dachte, er würde echte Austern essen.“

Sein Mundwinkel bog sich nach oben. „Aber du bist zu nett, nicht wahr, Emory?“, merkte er an, während er beobachtete, wie ich mein Kleid auf meinen Schenkeln glattstrich. „Er hat nichts gemacht, oder? Irgendetwas gesagt, das dich verletzt hat?“

Ich blickte unter meinen Wimpern zu ihm auf. „Wirst du ihn verprügeln, falls das der Fall ist?“

Er zuckte mit den Achseln. „Vielleicht. Zumindest würde ich ihm Manieren beibringen.“

Wow, er war intensiv – sein gesamter Fokus lag auf mir. Er machte sich Sorgen um mich. Es war berauschend. Da seine dunklen Augen auf mir lagen, konnte ich den Blick nicht abwenden. Ich bezweifelte nicht, dass Gray wieder nach drinnen gehen und dem Kerl die Finger brechen würde, würde ich ihm erzählen, dass er seine Hand auf meine Taille gelegt hatte.

„Nein, er hat nichts gemacht. Wirklich“, fügte ich hinzu, weil er mir nicht zu glauben schien. Ich ließ ein leises, trockenes Lachen verlauten. „Ich hätte mit ihm in sein Zimmer gehen können.“

Grays Augenbrauen hoben sich beide bei meinem spöttischen Tonfall. „Ich kann dich wieder nach drinnen bringen, wenn du möchtest.“ Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zur Bar. Ich konnte ein humorvolles Funkeln in seinen Augen sehen.

Ich schürzte die Lippen, versuchte, nicht zu lächeln. „Er war tatsächlich wirklich interessant. Ich kenne jetzt die Monate, in denen man Austern essen darf. Richtige Austern.“

Er hielt seine Hände vor sich hoch. „Damit kann ich nicht mithalten.“

Ich grinste über seine lächerlichen Worte. Gray hatte keine Konkurrenz, überhaupt keine, wenn man mich fragte.

„Ich habe dieses Spiel eindeutig zu lange nicht mehr gespielt, da ich mir diesen Gewinner durch die Lappen habe gehen lassen“, erwiderte ich in trockenem Tonfall.

Er schaute finster drein, weil er meinen Sarkasmus nicht bemerkt hatte. „Spiel?“

„Partys, sich unter Leute mischen, sie kennenlernen.“ Ich kreiste mit dem Finger in der Luft. „Männer kennenlernen.“

„Du hast den Austern-Kerl an Land gezogen.“

Jetzt war ich diejenige, die finster dreinschaute. „Oh ja, Bob/Bill ist ein super Fang.“

„Er heißt Bob Bill?“, fragte er überrascht.

Dieses Mal lachte ich laut los. „Nein. Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Er fängt allerdings mit B an.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Ein Auditor.“

„Sprechen dich viele Kerle in Bars an?“ Er betrachtete mich eindringlich, vielleicht etwas zu eindringlich, während er auf die Antwort wartete. Er ließ es wirken, als wäre das eine Art Test.

Ich runzelte die Stirn und deutete auf mich. „Mich? Ernsthaft?“

Er verschränkte die Finger über seinem äußerst flachen Bauch, als würde er es sich gemütlich machen. Er antwortete nicht, sondern stellte selbst noch eine Frage. „Wenn der Kerl nichts für dich ist, wonach suchst du dann?“

Er hatte gesagt, er würde nicht versuchen, bei mir zu landen, also war er nicht wirklich an mir interessiert. Vielleicht an diesem Gespräch, aber das war es auch schon. Meine erwachte Libido müsste sich einfach wieder schlafen legen. Vielleicht sorgte dieses Wissen dafür, dass ich mich entspannte, denn ich konnte mit einem Mann reden, aber nicht mit einem Mann. Einem Mann, der tatsächlich an mir interessiert war. Ich musste in Gray einfach nur Pauls Trainer sehen und vergessen, dass er meinen Slip feucht werden ließ, mein Herz zum Hämmern brachte und mir die Röte in die Wangen trieb. Und in der Zukunft noch einmal über Cowboys nachdenken.

„Redest du nur vom Aussehen?“, erkundigte ich mich.

Er dachte nach. „Klar. Damit können wir anfangen. Du darfst allerdings nicht die Beschreibung deines Ehemannes oder Freundes verwenden.“

Ich hatte das Spiel zwar lange nicht mehr gespielt, aber nicht so lange, dass ich nicht wusste, dass er nach meinem Beziehungsstatus fragte.

„Ich bin geschieden“, erzählte ich ihm, um klarzustellen, vielleicht mehr für mich als für Gray, dass Jack schon lange, lange Geschichte war. Ich hatte jedes Recht hier mit einem heißen Kerl zu sitzen und zu reden.

Gray wusste, dass er ertappt worden war und grinste verlegen, wobei sich kleine Fältchen an seinen Augenwinkeln bildeten. Wie konnte er nur so verboten und gefährlich aussehen, aber gleichzeitig auch so…verdammt süß sein. „Gut zu wissen.“

Ich sah ihn lediglich mit hochgezogener Braue an.

„Oh, du wartest auf mich.“ Er deutete auf sich, wobei er die Finger seiner linken Hand auf seine Brust legte, damit ich sehen konnte, dass er keinen Ring trug. „Single, nie verheiratet.“

Ich nickte, beruhigt, dass ich nicht im Territorium einer anderen Frau wilderte. Nicht, dass ich irgendwie wildern würde. Ich führte nur ein Gespräch. Das war alles. Ich bezweifelte, dass er mich packen und gegen die Restaurantwand pressen würde, um wilden Sex mit mir zu haben.

„Nun?“ Er streckte die Beine vor sich aus, als hätte er alle Zeit der Welt. Diese Bewegung erlaubte mir, zu bemerken, wie sich seine Jeans straff über seinen sehr muskulösen Schenkeln spannte. Es war gut möglich, dass ich den Umriss seines…oh Mist.

Als mir bewusst wurde, dass ich diese Stelle anglotzte, schaute ich hoch. Seine dunklen Augen hielten meine gefangen, dann wanderten sie über mein Gesicht. Leicht verunsichert glättete ich ein weiteres Mal nicht vorhandene Falten in meinem gelben Kleid. Ich spürte, dass meine Wangen heiß wurden. Ich hatte einem Mann nicht mehr auf den Schritt gestarrt seit…nun, Ewigkeiten.

„Wonach ich bei einem Mann suche?“, wiederholte ich in dem Versuch, meine Gedanken wieder auf das Gespräch zu richten und weg von der versauten Richtung, die sie eingeschlagen hatten. Einen Personal Trainer, der sich wie ein Cowboy anzog. Ich könnte absolut für dich schwärmen. Gray drückte jeden meiner Knöpfe, aber das würde ich ihm auf keinen Fall verraten, denn es wäre unglaublich peinlich, offiziell bestätigt zu bekommen, dass dieses Empfinden einseitig war, wenn er mich auslachte und weglief.

„Ja.“

Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, wodurch meine langen Haare verrutschten. Ich hatte Klammern verwendet, um sie mir aus dem Gesicht zu halten, aber da meine Haare in meinem ganzen Leben noch nie getan hatten, was ich wollte, hatten sich die weichen Locken gelöst. „Das ist einfach. Ich bin nicht auf der Suche.“

Das war die Wahrheit. Ich hatte kein Interesse daran, einen Mann zu finden. Seit Jack vor vier Jahren die Stadt mit seiner Rechtsanwaltsgehilfin verlassen hatte, hatte ich mich im Single-Mom Modus befunden. Er hatte sich nicht nur von mir geschieden, sondern seinen damals vierzehnjährigen Sohn ebenfalls mehr oder weniger im Stich gelassen. Ich hatte mich um Chris und seine Wut auf seinen Vater kümmern müssen, die Highschool, den Umzug zu meinen Eltern, Collegebewerbungen, Leben, Arbeit. Ich hatte meinen Kopf nicht einmal heben können, um Luft zu holen, geschweige denn mich umzusehen. Jetzt, da Chris weg war und sein erstes Jahr auf dem College verbrachte, hatte ich mehr Zeit zur Verfügung und keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte. Ich war zum ersten Mal, seit ich neunzehn gewesen war, allein. Ich gehörte zu den Eltern, deren Nest leer war, und das bedeutete ich war alt. Seniorenteller und ermäßigte Eintrittskarten.

„Wirklich?“ Er verschränkte seine Knöchel. „Ich denke, damit bist du die einzige Frau in diesem Restaurant, die nicht auf der Jagd ist.“

„Und Christy“, ergänzte ich. Meine Freundin war lang genug auf der Jagd gewesen und hatte endlich ihren Mann gefunden. „Wie steht’s mit dir?“

„Ich schaue mich um“, gab er zu. „Ich habe dich gesehen, oder nicht?“

„Du hast mich gerettet“, widersprach ich. Da bestand ein großer Unterschied. Paul hatte ihn gebeten, mich zu retten. Er hatte mich nicht aus freien Stücken aufgesucht. Dennoch konnte ich spüren, dass meine Wangen heiß wurden, und wandte den Blick ab, da mir seine Worte unangenehm waren.

„Ich bin auch nicht auf der Suche, aber ich bin auch nicht nicht auf der Suche.“

Ich hielt inne, dachte darüber nach. „Überraschenderweise kann ich dir folgen.“

„Willst du deinen Drink nicht? Es ist noch immer ziemlich heiß hier draußen.“

Ich blickte zu dem Glas, den Kondensationstropfen, die daran hinabglitten. Die Luft war nach wie vor ziemlich warm, obwohl es weit nach zwanzig Uhr war. Wir befanden uns in den Fängen des Altweibersommers und normalerweise lag um diese Zeit bereits die Herbstkälte in der Luft.

„Ich trinke nicht aus Gläsern, die mir Fremde gegeben haben.“

Oh mein Gott. Hatte ich das laut gesagt? Ich presste meine Lippen fest zusammen aus Angst, dass noch etwas Furchtbares rauskommen würde. Ich war eine absolute Vollidiotin. Ich hatte Gray, der bloß nett zu mir gewesen war, offenheraus beschuldigt, K.O.-Tropfen in meinen Drink gekippt zu haben.

Christy hatte recht. Meine Fähigkeiten, mit Männern zu interagieren, waren gleich null – ich hatte mit Bob/Bill über Austern geredet, also war vielleicht ich der Vollidiot, nicht er – aber all die Erfahrungen, die ich in meinem Job gemacht hatte, hatten mich abstumpfen lassen. Ich hatte zu viel der echten Welt in der Notaufnahme gesehen, was mich vorsichtig hatte werden lassen. Sogar in einer kleinen Großstadt wie Brant Valley. Es war eine Universitätsstadt. Eine Menge Zwanzigjähriger, die dumme Dinge anstellten. Häusliche Gewalt. Autounfälle. Drogen. Schlimme Dinge geschahen überall. Außerdem waren manche Menschen einfach nicht nett. Tatsächlich waren viele geradezu grausam. Ich sah täglich, wie Leben zerstört wurden.

Es war fast zwanzig Jahre her, seit ich auf Dates gegangen war. Zum Teufel, Jack und ich hatten kaum Dates gehabt. Wir waren innerhalb eines Jahres von der ganzen „auf dem College Kennenlernen und miteinander in die Kiste hüpfen“-Sache zu ungeplanter Elternschaft übergegangen.

Doch trotz meiner persönlichen Gefühle durfte ich Gray nicht beleidigen – denken, dass er etwas so Schreckliches tun würde, nur weil es passiert war. Ich war so eine Idiotin!

„Oh Scheiße“, flüsterte ich. Ich veränderte meine Position auf dem Stuhl so, dass ich von ihm abgewandt saß. Tränen brannten in meinen Augen, als mir das Ausmaß meiner Worte bewusst wurde. Er würde wahrscheinlich mit den Augen rollen, weil ich so verrückt war, mich als Psychotante abstempeln und gehen. Er könnte sich eine Frau suchen, die ein großes Dekolleté vorzuweisen hatte und meilenlange nackte Beine und mit der er ein normales Gespräch führen konnte und die ohne Zögern einen Drink von ihm annehmen würde.

„Hey. Hey, alles gut“, murmelte Gray mit fast schon tröstendem Tonfall. „Eine hübsche Frau wie du ist gut damit beraten, diese Regel zu haben.“ Ich spürte seine Finger auf meinem Rücken, eine sanfte Berührung und ich zuckte zusammen.

Ich verdeckte mein Gesicht mit den Händen, wünschte mir, er würde verschwinden. „Ich schäme mich gerade in Grund und Boden“, murmelte ich. „Ich habe Angst, dass ich gleich ins nächste Fettnäpfchen trete.“

Eine Gruppe Männer, die so laut redete, dass klar war, dass sie schon tief ins Glas geschaut hatten, bog um die Ecke. Ich wandte den Kopf noch weiter ab in der Hoffnung, dass mich keiner von ihnen bemerken würde.

Ich hörte Grays Stuhl über den Betonboden schaben. „Hey, Leute, sucht euch einen anderen Platz für eure Party“, sagte er mit ruhiger, dennoch kräftiger, Stimme, während er sich vor mich stellte. Die Stimmen der Männer verstummten sofort und ich musste mich einfach umdrehen und herausfinden, was vor sich ging. Gray stand der Gruppe zugewandt, die Hände in den Hüften, und schirmte mich von ihnen ab. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber die Männer erhoben keine Einwände, sondern starrten ihn lediglich einen Augenblick an und zogen sich dann mit einem „Klar, Alter. Kein Problem.“ zurück.

Ich konnte mir einen kurzen Moment gönnen und einen Blick auf Grays Po werfen, seine breiten Schultern, seine gesamte Kehrseite, die ich zuvor nicht hatte betrachten können. Sie war genauso ansehnlich wie die Vorderseite.

Gray drehte sich um, sah auf mich hinab und zog dann den Stuhl wieder an seinen Platz. Als er sich dieses Mal hinsetzte, war er mir allerdings einige Zentimeter näher.

„Emory.“ Seine Stimme ließ meinen Namen seidig weich klingen.

Unsere Blicke kreuzten sich. Sein Kopf war leicht zur Seite gelegt, als würde er versuchen, mich zu lesen. Seine dunklen Augen wirkten besorgt, hatten aber nichts an Intensität eingebüßt.

„Es tut mir leid“, gestand ich sofort und befeuchtete meine Lippen, die plötzlich trocken geworden waren. „Ich bin so eine Idiotin. Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht weiß, wie man so etwas macht.“ Meine Worte wurden von einer Menge Emotionen und unglaublicher Scham begleitet.

„Du hast dich wacker geschlagen.“ Er hob das Wasserglas hoch und trank einen großen Schluck daraus, um zu beweisen, dass er keine bösartigen Pläne hatte. Im Anschluss bot er es mir an. „Nimm das Glas, Emory. Es ist harmlos. Ich bin harmlos. Ich würde dir niemals wehtun. Ich verspreche es. Aber vertrau nicht nur auf mein Wort, frag Paul. Schick ihm eine SMS.“

„Er hat mir einen hochgereckten Daumen gezeigt. Also gehe ich mal davon aus, dass du kein gefährlicher Verbrecher bist“, entgegnete ich.

„Gefährlich vielleicht schon, aber nicht für dich. Niemals für dich. Dann schreib ihm später, nach der Party. Ich möchte, dass du das tust, damit du keine Angst vor mir hast.“

Irgendwie wusste ich, dass er nicht so gefährlich war, wie er aussah – Tattoos, kurzgeschorene Haare, Narben. Ich war einfach von Natur aus wahnsinnig vorsichtig. Wenn ich jemals aus meinem Schneckenhaus kommen wollte, wozu mich Christy ständig überreden wollte, musste ich jetzt damit anfangen. Gray war nicht auf der Suche nach etwas. Jemandem. Das hatte er gesagt. Ich hatte gesehen, dass er sich gut mit Paul verstand. Er war einfach freundlich zu mir. Ich streckte meine Hand aus und nahm das Glas, wobei sich unsere Finger streiften. Bei dem Funken, den ich bei dieser leichten Berührung verspürte, schnellten meine Augen nach oben, um nachzuschauen, ob er ihn auch gespürt hatte. Einen kurzen Augenblick hielten wir beide das Glas fest. Die Welt um mich herum konzentrierte sich allein auf diese minimale Verbindung.

„Ich habe keine Angst vor dir“, versicherte ich ihm, kurz bevor ich einen Schluck von dem kalten Wasser nahm.

Er zog seine Braue hoch und sah mich skeptisch an.

„Ehrlich, das habe ich nicht. Ich habe keine Angst, aber du machst mich… nervös.“ Meine Finger zitterten und ich hielt meine Hand hoch, um es ihm zu zeigen. „Siehst du?“

Überraschung huschte über sein Gesicht. „Nervös? Wegen mir? Liegt das an meinem guten Junge-von-Nebenan Aussehen?“ Er wusste, dass er einschüchternd war und machte sich über sich selbst lustig.

„Nervös genug, um dich zu beschuldigen, mir K.O.-Tropfen in mein Getränk gekippt zu haben.“ Sein breites Lächeln brachte mich auch zum Lächeln. Wie schaffte er es nur, dafür zu sorgen, dass ich mich entspannte, wenn ich mich stattdessen doch wahnsinnig schämen sollte? „Kann ich auch nochmal von vorne anfangen, wie du es gemacht hast?“

Er nickte und verschränkte seine stumpfen Finger vor der Brust. „Klingt fair. Wir bekommen beide eine Neuauflage.“

Ich holte tief Luft, sah ihm direkt in die Augen und lächelte. „Danke für das Wasser, Gray.“ Ich nahm einen kalten und erfrischenden Schluck. Hielt inne. Er beobachtete, wie ich schluckte.

Er räusperte sich. „Gern geschehen.“

„Woher wusstest du, dass ich nicht getrunken habe? Alkohol, meine ich.“

„Das erste Mal, als ich dich sah – ich kam wegen eines Meetings zu spät – hast du dich mit dem Barkeeper unterhalten. Bildhübsch und du hast den Kerl zum Lächeln gebracht. Er hat zu etwas genickt, das du gesagt hast, und dir ein Getränk zubereitet, das wie ein Gin Tonic aussah.“

Das war mindestens zehn Minuten vor dem Moment passiert, als er zu mir gekommen war und mich gerettet hatte. Gray hatte mich länger beobachtet, als ich angenommen hatte. Wie hatte er davor meinem Blick entgehen können? Er war unmöglich zu übersehen. Ich reagierte auf ihn auf Arten, die ich noch nie zuvor erlebt hatte. Es war schon fast eine instinktive Reaktion. Wegen seiner…Attraktivität wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Mich geschmeichelt fühlen?

„Ich hatte ein Glas Wein, als ich hier ankam, und ich muss noch nach Hause fahren“, erklärte ich. „Ich vertrage nicht viel, weshalb ich nicht mehr brauchte. Wenn ich aber ein Glas Wasser in der Hand halte, das wirklich wie Wasser aussieht, fragen mich die Leute, ob ich eine ehemalige Alkoholikerin bin oder sie schauen auf meinen Bauch und fragen, ob ich schwanger bin.“

Sein Kiefer spannte sich an. „Ich habe mit dem Trinken aufgehört, als ich mit dem Training anfing, und nie wieder damit begonnen. Aber mir stellen die Leute solche Fragen nicht. Beschissene Doppelstandards.“

Ich zuckte nur mit den Achseln, denn dem gab es nichts hinzuzufügen. Es war ein beschissener Doppelstandard, aber es freute mich, dass er nicht froh darüber war. „Außerdem, wenn ich abends zu viel trinke, fällt es mir schwer, gleich am Morgen zu trainieren.“

„Joggst du?“

Ich verdrehte meine Augen bei der Vorstellung, dass ich freiwillig joggte. Als ob. „Nur wenn ich verfolgt werde.“

Seine Augen verzogen sich bei meinem schwarzen Humor zu Schlitzen. Das amüsierte ihn eindeutig nicht. „Die Vorstellung, dass du verfolgt wirst, ist nicht witzig.“

„Ja, sorry“, sagte ich zerknirscht. Wow, er hatte auch noch einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. „Nein. Ich mache Yoga.“

Interesse leuchtete auf seinem Gesicht auf. „Yoga? Wirklich?“

Ich wartete darauf, dass er etwas darüber sagen würde, wie flexibel ich war, aber er tat es nicht.

„Yin? Vinyasa? Hot Yoga?“, fragte er.

Mein Mund klappte auf, da ich leicht verblüfft war, dass er die verschiedenen Arten kannte. „Du praktizierst Yoga?“

Er lachte. „Ich kann nicht einmal meine Zehen berühren, aber wir bieten Kurse in meinem Fitnessstudio an. Dann bist du also ein Morgenmensch.“

„Ich schaue mir gerne den Sonnenaufgang an.“ Ich mochte es, wie der Himmel die Farbe von schwarz zu grau zu pink und dann zu blau veränderte, wie die Berggipfel die ersten Sonnenstrahlen einfingen. Dass die Stadt noch zu schlafen schien.

„Das kann ich gut verstehen. Ich jogge fast jeden Morgen um sechs Uhr. Ich mag die Stille.“ War das der Grund dafür, dass er die Männer von gerade eben weggeschickt hatte – weil sie zu laut gewesen waren? War es möglich, dass dieser Mann ebenfalls wie ich introvertiert war?

Etwas wurde meinem Inneren bewusst. Er wusste es. Er mochte die Stille.

„Du…du verstehst es also“, erwiderte ich mit leiser Stimme. Ich freute mich, war geradezu euphorisch und Freude durchströmte mich.

Sein Mundwinkel hob sich an, aber er sagte nichts, sondern betrachtete mich einfach weiterhin. Als seine Augen jetzt meinen Blick hielten, war ich nicht nervös, ich war…fasziniert.

„Ich spiele sonntags Flag Football in einer Freizeit-Liga. Nur zum Spaß. Wir nehmen es nicht sonderlich ernst, vor allem da viele von uns einem älteren Semester angehören.“

Älterem Semester? Er konnte nicht viel älter sein als ich. Vielleicht vierzig oder so. Ich bezweifelte, dass er Probleme hatte, mit irgendjemand Jüngerem mitzuhalten, insbesondere, wenn er ein Trainer war. Er sah mehr als fit genug aus, um bei allem, was er erreichen wollte, mitmachen zu können. Ich hatte nur nicht erwartet, dass ein Cowboy Flag Football spielen würde. Aber das war ziemlich voreingenommen von mir, vor allem da ich es selbst hasste, wenn die Leute voreilige Schlüsse über mich zogen. Wie Bob/Bill und dass ich eine freiwillige Helferin war.

„Das Spiel ist um elf“, fuhr er fort. „Ich würde mich freuen, wenn du kommen würdest.“

Mein Mund klappte auf und ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Er bat mich um ein Date? Er hielt eine Hand hoch. „Keine Panik – es ist kein Date.“

Die Einladung brachte mein Herz trotzdem dazu, wild zu pochen. Ich hob eine Braue. „Wirklich? Bittest du etwa so alle Frauen, mit dir auszugehen?“

„Frauen? Wie die im Restaurant?“

Ich konnte nur nicken.

Er beugte sich nach vorne, musterte mich eindringlich. „Ich will dich…bei meinem Spiel sehen. Nicht als Date, weil ich mir vorstellen kann, dass du sofort flüchtest, wenn ich dich offen um eines bitte. Wie ich bereits sagte, möchte ich nicht, dass du Angst vor mir hast.“

Als ich ein weiteres Mal den Mund öffnete, um zu sprechen, legte er einen Finger auf meine Lippen. Die Berührung war warm und sanft und ich konnte nicht viel mehr tun, als das Kribbeln bis in meine Zehenspitzen…und andere Stellen zu spüren.

„Oder nervös bist. Glaub mir, Emory, wenn ich dich um ein Date bitte, wirst du es wissen.“

Er sagte wenn, nicht falls.

„Ich will dich einfach nur wiedersehen.“ Er senkte seine Hand.

„Ich dachte, du wolltest nicht versuchen, mich aufzureißen“, wand ich ein.

„Das hier“, er wedelte mit dem Finger zwischen uns herum, „ist anders. Das ist kein Aufreißen. Diese Frauen, die sind zum Aufreißen da. Du…“ Er ließ den Rest des Satzes offenstehen. Während ich noch immer das Warum verarbeitete, redete er weiter: „Betrachte es einfach nicht als Date, sondern als Zufall, dass wir beide zur gleichen Zeit im Antelope Park sind.“

Ich musterte ihn, zweifelte an seiner Aufrichtigkeit. „Du willst wirklich – “

Er unterbrach mich mit einem einzigen Wort. „Ja.“

Die Schmetterlinge, Bienen, nein, Hornissen tobten wieder in meinem Bauch. Er wollte, dass ich dort hinkam, ansonsten hätte er es nicht angesprochen. Er überließ die Entscheidung jedoch ganz allein mir, weil er eindeutig wusste, wie nervös ich war. Wieder einmal beruhigte er mich in der Hoffnung, dass ich kommen würde. Ich hatte noch bis Sonntagmorgen, um zu entscheiden, was ich tun wollte. Nach der lächerlich kurzen Zeit, die er mich nun kannte, hatte er bereits gelernt, dass ich eine begründete, sichere Entscheidung treffen musste.

Während wir uns unterhalten hatten, war die Sonne untergegangen. Abgesehen von den kleinen weißen Lichtern, die um die Brüstung gewickelt worden waren, wurden wir noch von dem Restaurant beleuchtet. Grays Gesicht lag im Schatten, sein Blick war dunkler und entschlossener. Er sah aus wie ein Kerl, dem man nicht in einer dunklen Gasse begegnen wollte, aber ich fühlte mich bei ihm…sicher. Ich musste nichts vortäuschen oder ein künstliches Gespräch führen. Es war einfach passiert, obwohl ich in ein Fettnäpfchen getreten war. Er hatte dafür gesorgt, dass ich mich wohlfühlte und es hatte sich herausgestellt, dass wir sogar viele Gemeinsamkeiten hatten. Außerdem fand ich ihn absolut heiß.

„Dann gibt es also keinen Grund, nervös zu sein“, erwiderte ich, wobei ich mich über mich selbst lustig machte.

„Nein.“ Er lächelte warm, herzlich.

Sein Blick sank auf meinen Mund und ich fragte mich, ob er mich küssen wollte. Ich wollte ihn irgendwie auch küssen. Mein Herz raste bei der Idee. Ich hatte schon so lange Zeit kein Interesse mehr daran gehabt, einen Mann zu küssen, und mir das einzugestehen, war leicht furchteinflößend. Schnell und furchteinflößend. Nicht Gray an sich. Er schien geduldig und angenehm zu sein. Ich wagte es jedoch nicht, ihm das zu erzählen. Kein Mann wollte als angenehm bezeichnet werden.

„Ich…ich sollte dann mal gehen. Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Gray, aber ich habe morgen um sechs Uhr Yoga.“

Ich erhob mich, wobei meine Stuhlbeine nicht über den Beton kratzten. Er stand ebenfalls auf und ich musste meinen Kopf nach hinten neigen, um ihn anschauen zu können.

„Ich möchte nicht, dass du allein zu deinem Auto läufst. Also lass mich dich begleiten.“

„Dankeschön. Ich würde dein Angebot annehmen, wirklich, aber ich habe es beim Parkservice abgegeben.“

Dadurch, dass ich in der Notaufnahme arbeitete, sah ich mit eigenen Augen all die schlimmen Dinge, die in Brant Valley passierten.

Er lachte leise. „Natürlich hast du das.“

Ich sah durch meine Wimpern zu ihm hoch und realisierte, dass er sich nicht über mich lustig machte, aber definitiv von mir amüsiert war.

„Gute Nacht“, murmelte ich und lief an ihm vorbei.

Seine Hand auf meinem nackten Arm ließ mich anhalten, meinen Atem stocken. Die Berührung war sanft, seine Haut warm und rau von Schwielen, dennoch war es wie ein kleiner Elektroschock. „Ich hoffe, dass ich dich am Sonntag wiedersehe, Emory.“

Seine Stimme war leise, fast schon intim.

Ich nickte leicht, aber sah nicht zu ihm hoch. Meine Haut kribbelte dort, wo er sie berührte hatte, bis ich bei meinem Auto ankam.

3

GRAY

Ich hatte es verbockt. Das war alles, woran ich denken konnte, während ich mich bei einer Jogging-Runde von fünf Meilen verausgabte und meine übliche dreißig minütige Übung mit einem Springseil begann. Klack. Klack. Klack. Das Geräusch des Plastiks, das auf den Hallenboden klatschte, war schon fast hypnotisierend und ich verfiel in meine Routine, meine Muskeln waren noch warm vom Joggen.

Einatmen, ausatmen.

Klack. Klack. Klack.

Ein paar Frühaufsteher waren auch hier und trainierten, aber es war Samstag, weshalb der Großteil von uns nur hier war, um zu trainieren, wieder zu verschwinden und kein Interesse an Gesprächen hatte. Das war mir nur recht. Mein erster Kunde würde um zehn kommen, aber im Moment trainierte ich in meinem Tempo. Außerdem wussten die Jungs, dass ich immer für sie da war – es war immerhin mein Fitnessstudio – aber die Trainingszeit eines Mannes war hochheilig und jeder wusste, dass man mich bei meiner nicht unterbrechen sollte.

Die Putzkolonne war über Nacht da gewesen und der durchdringende Geruch von Kiefernreiniger und Bleiche hing noch in der Luft. Aus den Lautsprechern dröhnte ein Techno Beat. Ich hasste es, wenn Lyrics gespielt wurden, während ich trainierte, weil mich die Stimmen ablenkten. Deshalb ließ ich immer eine Playlist laufen, deren stetiger Rhythmus dabei half, die Motivation zu befeuern. Als Eigentümer leitete ohnehin ich das Studio. Da mir mein Ruf in dieser Welt vorauseilte, würde niemand mich oder meine Vorgehensweise infrage stellen. Und falls es doch jemand tat, konnte derjenige woanders hingehen.

Das Fitnessstudio war bereits seit mehreren Jahren geöffnet und ich hatte Stammkunden, plus meine vertrauenswürdigen Langzeitangestellten, was mir gut in den Kram passte. Ich mochte es ruhig. Beständig. Die einzigen Kämpfe, in die ich heutzutage verwickelt sein wollte, fanden im Ring statt und normalerweise war nicht ich derjenige, der kämpfte. Nicht mehr. Ich hatte mit diesem Leben abgeschlossen. Ich war nur noch der Trainer hinter der Absperrung. Als ob. Es bestand keine verdammte Chance, dass ich jemals nur der Trainer hinter der Absperrung sein konnte. Niemand ließ das zu. Mein Agent, die Sponsoren, alle wollten ein Stück des Outlaws. Und ich? Ich wollte einfach nur…Ruhe. Genau wie es Emory gesagt hatte.