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Das Leben ist viel zu kurz für Diäten, anstrengende Sportstunden und grüne Smoothies, findet die Schauspielerin Elena Uhlig. Kurz vor ihrem 40. Geburtstag beschließt sie, sich nicht mehr dem Schlankheitswahn und dem Diätenwahnsinn ihrer Branche zu unterwerfen. Dabei entdeckt sie etwas Erstaunliches: Die Freude und den Genuss am Essen. Endlich ist es wieder da, das leichte und schöne Lebensgefühl, und das kostet sie aus. Abnehm-Shakes werden gegen Cola eingetauscht, der Personal Trainer gegen lange Spaziergänge. Die aber führen nicht bergauf, es sei denn, eine Seilbahn hilft und das Ziel ist in Form eines Wirtshauses leicht erreichbar. Elena Uhlig verabschiedet sich vom Diätenwahnsinn, schert sich nicht mehr um ihre Ernährung und genießt ihr Lebensgefühl, weil sie endlich glücklich mit ihrem Körper ist. Auch wenn ihr die Erfahrungen zeigen, dass er nicht den Anforderungen der Filmbranche entspricht. Elena Uhligs fröhliche und Mut machende Geschichten sind ein großer Spaß für alle Frauen, die im Leben die Kurve gekriegt haben. "Elena Uhlig erzählt lesenswert und witzig von ihren Versuchen, sich vom Diät- und Fitnessdruck zu befreien." Bunte
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Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2016
Elena Uhlig
Eine Liebesgeschichte in großen Portionen
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Die Schauspielerin Elena Uhlig ist 40, hat gerade ihr drittes Kind bekommen und möchte zurück ins Geschäft: heißt, sie will ihre alte Figur zurück. Sie plagt sich erfolgreich mit einem Personaltrainer und alles scheint in greifbarer Nähe. Wäre da nicht ihre grundlegende Abneigung gegen Sport oder Diäten. Und plötzlich beschließt sie: Nie wieder will sie hungern und nie wieder sich im Fitnessstudio quälen. Sie will sich nicht mehr dem Schönheitswahn ihrer verrückten Branche unterwerfen. Und sie findet, dass überhaupt gar keine Frau sich irgendeinem Schönheitsideal unterwerfen muss.
In ihrem Antifitnessratgeber gibt die temperamentvolle Schauspielerin Kleidertipps, klärt über Bauchweghosen auf, sagt, welche BHs zu welcher Figur passen und mit welcher Pose man auf Fotos eine gute Figur macht. Denn sie weiß, wie das geht: Für ihre erste Kino-Rolle musste sie hungern, für den nachfolgenden Film musste sie 15 Kilo zunehmen.
Widmung
Einleitung
Leben
A new star is born
Der lange Weg zum Ruhm
Die Hoffnung stirbt zuletzt
O Gott, ich habe gesündigt
Leiden
Der Personenquäler
Will ich Arnie werden?
Das stylische Fitnessstudio
Das schon ein bisschen runtergerockte Fitnessstudio
Das Women-only-Fitnessstudio
»The Place to be«-Fitnessstudio
Die Fitnessstudio-Kette
Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt …
An allem ist der Berg schuld
Trimm-dich-Fahrrad
Schnuppi, Schnupper, Schnupperkurs
Zumba
Pilates
Yoga
Killing me softly
Spazieren
Das Wandern
Joggen
Die Wasserratte
Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde
Das Leben mit dem Ball
Grüner Giftcocktail
Lieben
Der Schlager
So genießen Sie die Sahne
Ab jetzt Pasta. Basta.
Die Frühlingspasta
Sommer- und Herbstpasta
The one and only
May I become a beefsteak?
Suchen
Flieger, grüß mir die Sonne
Mariahilfer Straße
Der dicke Bauch & Co. KG
Wesen, Elfen und …
Finden
Kleider machen Leute
Und manchmal kommen sie wieder
Elli
Ellis Weg zum Glück
Unterbekleidung
Itsy Bitsy Teenie Weenie …
Einkaufsberaterin
Ankommen
Reise
Epilog
Bildteil
Abspann
…! (international)
Ich widme dieses Buch meiner großen Liebe Fritz Karl,
der die Hoffnung nicht aufgibt,
dass ich noch mal eine Gazelle werde.
Und ich finde, es ist gut, Träume zu haben …
Ich bin vierzig Jahre alt, Mutter von drei Kindern und Schauspielerin. Zehn Wochen nach der Geburt meiner Jüngsten beschloss ich, dass ich zum Münchner Filmfest ins Geschäft zurückkommen wollte (sollte). Zurückkommen hieß: schlanker sein als vor der Geburt oder besser: nicht sehen, dass man ein Kind geboren hat, geschweige denn drei. Dass der Zahn der Zeit an einem nagt, dass die Nerven teilweise zum Zerreißen angespannt sind, sollte niemand erfahren. Mein Lächeln und allem voran die Attraktivität sollten strahlender sein als jemals zuvor. Und wie ich da so auf dem Boden neben meiner »Personal Trainerin« Ines lag – im Stillen nenne ich sie Inesco, abgeleitet von UNESCO, sie ist die Frau des Cousins von Fritz mütterlicherseits und … egal, das führt zu weit. Ich lag also im Wohnzimmer auf dieser steinharten Yogamatte, krebsrot, schwitzte wie ein Schwein – fragte mich, ob Schweine überhaupt schwitzen können – und war gerade, ohne überhaupt noch Luft zu kriegen, bei der sechsten Wiederholung der Unterbauchmuskelanspannungsgruppe und dachte: »Was mach ich hier eigentlich für einen Quatsch?«
Inesco würde sagen: »Wenn du nach der sechsten Wiederholung der zweiten Serie der Unterbauchmuskelanspannungsgruppe noch denken kannst, haben wir nicht genug trainiert!«
Und da dachte ich mir oder besser: ich wusste es so sicher wie das Amen in der Kirche, mit einer Intensität, wie es mir in meinem Leben noch nie so klar war: JETZT IST SCHLUSS! Diese ganzen blödsinnigen Fitnesstrainer, diese Widerlinge, gestählte Plastikmenschen, die das Geld wie Blutegel aus dem Fett der Menschen saugen und zu Millionären mit der 90-60-90-Regel wurden, bekommen mein Fett nicht!
Seit diesem Moment mache ich nicht mehr mit. Im Gegenteil: Ich starte das Gegenprogramm und werde ab jetzt die Wahrheit offenlegen.
Also noch mal von vorne: Ich bin neununddreißig Jahre alt, stehe zwei Monate vor meinem vierzigsten Geburtstag und mache mich zum Affen, nicht nur jetzt, sondern die letzten zwanzig Jahre. Auf den Affen komme ich gleich noch …
Ach, was rede ich, die letzten neununddreißig Jahre und acht Monate. Zehn Monate würden Sie jetzt schlaumeierisch rufen, aber ich kam mit zweitausendzweihundert Gramm zur Welt, folglich war ich ein untergewichtiges leichtes Wesen, elfengleich, mit einer Anmut, wie man sie nur selten erlebte, das der Mutter die nächsten zwei Monate die Milch aus dem Busen saugte und propper zunahm. Die Welt freute und ergötzte sich wirklich über jedes Gramm Gewichtszunahme, bis der Vater sagte: »Es sieht aus wie ein Affe«, und der Mutter die Milch wegblieb.
Von da an, also genau von dem Moment an, als ich die wunderbare Muttermilch nicht mehr bekam und man Ersatznahrung zuführen musste, begann das Drama: Man fand mich zu dick.
Dieses Märtyrerdasein werde ich nicht mehr führen. Neununddreißig Jahre und acht Monate sind genug. Schluss ist mit dem ganzen Fitnesswahnsinn. Ich werde über mein Leben erzählen und schonungslos die Wahrheit über meinen Kampf aufdecken. Ich werde berichten, wie ich es schaffte, den Body-Mass-Index in die angeblich richtige Richtung zu trimmen, dabei immer noch zu lächeln und glücklich auszusehen und so zu tun, als ob es mir Spaß machen würde, der Phantomfigur hinterherzujagen, die ich nie hatte und auch nie haben werde.
Ich werde mich dem Gewichtsleben humorvoll nähern und gebe Fitnesstipps, bei denen man sich nicht anstrengen muss. Und wer, wenn nicht ich, weiß, wie man geschickt den Leuten vorgaukelt, man entspreche dem Schönheitsideal der heutigen Zeit. Ich werde erläutern, warum man zu anderen Zeiten sehr wohl dem Schönheitsideal entsprochen hätte, aber leider zur falschen Zeit geboren wurde. Nach der Lektüre werden Sie verstehen, dass einem Topmodel kein Dirndl steht, und Sie werden wissen, welche Bauchweghosen gut und welche unbequem sind. Ich stehe Ihnen bei, unterstütze Sie auf der Suche nach der Wahrheit. Wir sind so, wie wir sind, sehr, sehr normal. Die Dünne ist eigentlich die Mutation. Und wenn man dann doch mal auf eine Party oder irgendwohin, wo man nicht mehr normal sein darf, eingeladen ist, dann zeige ich Ihnen, wie man es schafft, mit kleinen Lügen (denn Lügen haben keine kurzen, sondern sehr, sehr lange Beine) dem Schönheitsideal zu entsprechen. Die Leute werden sagen: »Wow, siehst du gut aus, sag mal, hast du abgenommen?« Sagt man dann die Wahrheit: »Nein, es sind nur die Klamotten und die dazugehörende Bauchweghose!«, sieht man einen kurzen Moment Irritation in den Augen des Gegenübers aufflackern, und das Gegenüber wird lachend abwehren: »Du Lügner, ich seh doch, dass du total abgenommen hast! Als ob du bei der Figur noch eine Bauchweghose nötig hättest!«
Ich glaube, dass ich und viele andere sich mehr als die Hälfte ihres Lebens mit Essen, Diäten, der Figurenfrage und allem voran mit gesättigten Fettsäuren beschäftigen. Und damit ist jetzt Schluss!
Man muss das Leben im Vorwärts Leben,
auch wenn man es erst im Rückwärts versteht.
Der Anfang meiner Filmkarriere war figurentechnisch eine Katastrophe. Aber das Interessante ist doch, wie naiv und gutgläubig man in die Sachen hineinschlittert.
Alles begann mit dem Anruf meiner damaligen Agentin: »Elli, ›Swimming Pool‹ soll doch gemacht werden und geht in die zweite Runde.«
»Swimming Pool«, ein Teenie-Slasher-Horrormovie, spielt zu neunzig Prozent im Schwimmbad, also im Bikini, was mir damals nicht bewusst war und meiner Agentin anscheinend auch nicht. Folglich war ich ganz verwundert, als der Anruf des Regisseurs kurz darauf folgte, der mir mitteilte, sie hätten damals vergessen, im Bikini zu casten, und ob ich ihm kurz ein paar Bikinifotos nachreichen könnte.
Ich glaube, bis zu diesem Zeitpunkt war mir die Tragweite seiner Worte gar nicht bewusst. Ich freute mich vielmehr darüber, dass ich aus dem ganzen deutschen Cast die einzige Frau geblieben war und man mich doch tatsächlich für die Rolle der Carmen besetzen wollte. Carmen, die beste Freundin, das rassige Biest, die allen Jungs den Kopf verdreht, wenn sie nur vorbeigeht, schlagfertig, superschlank und supersexy, die eine, die man immer sein will, wenn man nicht die andere ist. Die Fotos waren sozusagen eine reine Formalie.
Nach Beendigung des Telefonats sprang ich beflügelt in die U-Bahn und begab mich zum Alexanderplatz ins nächstgelegene größere Sportgeschäft. Denn Carmen, nicht nur superschlank und supersexy, sondern ihres Zeichens auch noch Apnoe-Taucherin, brauchte, so mein Denken, einen Bikini, der sie sportlich aussehen lässt. Ich war fünfundzwanzig, sollte eine Neunzehnjährige spielen und dachte mir, ich nehme am besten was rot-weiß Gestreiftes von Adidas, was mich jünger aussehen lässt. Wir wollen die ganze Pracht des Wahnsinns beschreiben: Ein Top als Oberteil, rot, mit der schwarzen Schrift des Herstellers dick über dem Busen, an der Seite mehrere dicke Streifen und so geschnitten, dass mein D-Cup an den Oberkörper gepresst wurde, was nicht wirklich von Vorteil war, das schien ich aber geflissentlich zu übersehen. Das Höschen, oder sollte man Hose sagen, hatte einen Beinausschnitt, der den 70er Jahren nachempfunden war, reichte bis einen Finger breit unter den Bauchnabel und war leider aus einem so weichen Material, dass es die kleinen Polster an meinen Hüften nicht wegdrückte, sondern ausformulierte. Auch dies schien mir damals in der Umkleidekabine des Sportgeschäfts nicht wirklich bewusst gewesen zu sein. Im Gegenteil, ich verstand nicht, warum man in einem Sportgeschäft ein derart schlechtes Licht und einen derart verzerrenden Spiegel nicht austauschte. Und als mir dann auch noch die beiden Verkäuferinnen versicherten, dass ich super aussehe, kaufte ich das Ungetüm.
Aber zurück: Ich verließ mit meinem neuen Sportbikini das Geschäft, rief einen Fotografen an, mit dem ich schon immer mal ein paar Porträtfotos hatte machen wollen, und bat ihn nun, von mir Bikinifotos zu knipsen.
Ich traf wenig später tatsächlich diesen Fotografen in einer Berliner Grünanlage, und der Entenweiher schien mir eine gelungene Hintergrundkulisse zu sein. Ich begab mich dann (in aller Öffentlichkeit) in den Bikini und lehnte mich an Laub- und Nadelbäume.
Und so entstanden wirklich schöne Fotos mit viel Laub und Enten im Hintergrund.
Ich glaube, ich bezahlte damals 250 Mark für ein paar Abzüge und die zweistündige Fotosession. Zufrieden hielt ich fest: Ich sah superjung aus, wie eine Abiturientin, und alle Anforderungen für Carmen waren hiermit erfüllt.
Eine Woche später klingelte das Telefon.
»Bist du wahnsinnig geworden? Was um Himmels willen sind das für grauenhafte Fotos? Die besetzen dich um, verstehst du, die finden dich zu dick, viel zu dick! Grauenhafte Fotos, und dann auch noch am Entenweiher!«
In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Wie? Nicht superschlank und supersexy, dachte ich, sagen hörte ich mich: »Seh ich nicht schön jung aus?«
»EEELEEENA!!! Hörst du nicht, was ich dir sagen will?«
Im Übrigen sollte man hier einfügen, dass der Regisseur am Telefon war.
»Der Produzent hat gesagt: NIEMALS, die ist zu dick!«
Wortreich habe er ihm darauf versichert, dass da irgendetwas schiefgelaufen sein muss und sie natürlich die richtigen Fotos bekommen, die sie dann dem Verleiher weiterleiten können.
»Also, und jetzt?«, fragte ich.
»Jetzt schickst du mir natürlich geile Fotos!«
In meinem Kopf dröhnte es. Wo bitte sollte ich die denn hernehmen? Über Nacht bekommt man doch keine Traumfigur, und überhaupt: Ich HATTE doch eine Traumfigur!
Gut, wenn man ehrlich war, hatte ich zum damaligen Zeitpunkt gerade eine schlechte Phase in der Schauspielschule und möglicherweise ein bisschen zu viel gegessen, aber auch nur möglicherweise. Und, na gut, möglich war es schon, dass ich vor einem Dreivierteljahr beim letzten Casting für die Rolle der Carmen – ihres Zeichens superschlank und supersexy und, wie gesagt, die eine, die man immer sein will, wenn man nicht die andere ist – vermutlich ein paar Gramm weniger gewogen hatte, aber hey, was waren schon ein paar Gramm?
Allerdings schwante mir da plötzlich etwas, ich erinnerte mich an diese Geschichte, die etwa vier Wochen zurückliegen musste und die ich gerade erfolgreich verdrängt hatte, die sich aber nun während des Telefonats (mit dem sensiblen Regisseur) in mein Bewusstsein hineinbohrte. Diese Geschichte hatte sich folgendermaßen zugetragen: Ich fuhr nach Hamburg zu einer sehr bekannten Casterin, um mich nochmals bei einem Einzeltermin persönlich bei ihr vorzustellen. Die sehr bekannte Casterin sagte mir, dass sie mich bei meinem I-Vorspiel gesehen hatte.
I-Vorspiel heißt übrigens Intendantenvorspiel und ist sozusagen der spielerische Abschluss auf der Schauspielschule, wo sämtliche Theaterintendanten und Dramaturgen sowie Caster und Casterinnen, Agenten und Agentinnen, kurzum jeder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, der mit Theater auch nur irgendetwas am Laufen hat, eingeladen wird, um die jungen Eleven auf der Bühne zu begutachten und um sie dann in ihr Theater zu einem Einzelvorsprechen vorzuladen.
So, das habe ich jetzt wirklich schön formuliert und umschrieben. In Wirklichkeit ist es eine Viehschau, bei der die Schauspielschüler (Viecher) völlig verängstigt auf die Bühne müssen und es eigentlich nur darum geht, welche Haarfarbe, Größe und welche Figur sie haben – gerade so, als würde man einen Ochsen prämieren. Denn können können sie angeblich alle was, wenn sie von dieser Kaderschule kommen, so sagte man.
Zurück zur sehr bekannten Casterin, die mir also sagte, dass sie mich bei meinem I-Vorspiel gesehen hätte.
»Elena, du bist super! Du hast sehr viel Humor! Und es macht großen Spaß, dir zuzusehen! Aber …«, und dabei starrte sie auf das Blatt, das vor ihr lag (es handelte sich um meinen Lebenslauf, mit einem Foto und Maßangaben), »da du erst fünfundzwanzig bist, könntest du noch sehr gut die jungen Figuren spielen. Du hast eh schon ein Problem mit deiner prägnanten Stimme, die dich älter wirken lässt.«
Worauf wollte diese Frau eigentlich hinaus?
»Und du bist eigentlich sehr hübsch!«
Eigentlich?
»Aber …«
Das zweite »Aber«!
»So ehrlich muss ich sein, darf ich sein, will ich sein, das erfordert auch mein Berufsstand: Du bist zu dick.«
Zack, da war es, dieses eklige Wort. Dieses Wort, das zu einem Tinnitus führt. Wie durch einen Wattebausch hörte ich sie weiterreden.
»Liebe, sei mir nicht bös, aber so fällst du aus allen Rollen raus, die du eigentlich sehr gut spielen könntest. Du musst abnehmen! Als Casterin ist es meine Pflicht, meinen Berufsstand ernst zu nehmen und dich zu schützen und dir die Wahrheit zu sagen, was eh die meisten nicht tun werden. Ich hab dich doch jetzt nicht verletzt? Oder?«
Verletzt? Mich? Nein! Nie! Und wie sie mich verletzt hatte! »Nein, Quatsch, super, dass du so ehrlich bist, deswegen bist du ja eine so tolle Casterin. Und Gott sei Dank sagst du’s mir, damit ich ja die Chance hab, was zu ändern, denn letztlich würd ich ja so gerne drehen.«
»Eeeeelena, Elena, hast du mich gehört, bist du noch dran? Ich brauche geile Fotos!« Lautstark unterbrach der Regisseur meine Erinnerungen an die ehrenwerte Dame aus Hamburg.
»Ja, ja, natürlich bin ich noch dran, ich hab mich nur gerade …«
»Was hast du dich gerade …?«
»Okay, seien wir ehrlich, ich, ich, ich …«, stotterte ich.
»Du brauchst nichts erklären, das hab ich auf den Fotos gesehen. Du weißt ja, dass ich dich supersexy finde, so wie du bist, aber Film packt halt noch mal fünf Kilo drauf, das schaffst du alles locker in die richtigen Bahnen zu lenken bis zum Drehstart. Aber jetzt geht es darum …«
Was faselte der? Richtige Bahnen?
»Jetzt geht es darum, den Produzenten davon zu überzeugen, dass du die absolut richtige, die einzig mögliche Besetzung für die Rolle der Carmen bist. Elena, Herrgott, sei doch nicht so schwer von Begriff. Was genau ist jetzt dein Problem?«
Bis vor fünf Minuten hatte ich keines, dachte ich, sagte aber:
»Aber wie, wie soll ich das machen, so seh ich nun mal aus!«
»Aber das muss doch keiner wissen!«
Hä?
»So, jetzt stell dich nicht dümmer, als du bist. Film ist Lüge, Fotos auch, wir wollen alle belogen werden und träumen.«
Hä?
»Eelenaa! Also, Push-up-BH an. Schärfe drauf. Gutes Licht. Nicht am Entenweiher! Ich bitte dich, du weißt doch, was wir Männer sehen wollen! Und das Ganze am besten schon gestern. Das wird super! Ich drück dich, fühl dich umarmt und tschüss.«
Tuut, tuut.
Nun saß ich da. Handy in der Hand. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Stille im Raum. Man sollte vielleicht erwähnen, dass mich der Anruf kalt bei meiner Oma in Hamburg erwischte, während ich in einem weiten, nicht eben vorteilhaften und schrecklich gemusterten Ungetüm von Kaftan, den mir meine Oma im Katalog bestellt hatte, auf dem Sofa rumlümmelte.
Ich japste nach Luft, irgendwo in der Ferne hörte ich meine Oma in der Küche hantieren. Und da dröhnte es auch schon wieder in meinem Kopf: »Jetzt schickst du mir natürlich geile Fotos, Push-up-BH, Schärfe drauf, gutes Licht.«
Und das war wieder einmal so ein Moment in meinem Leben, wo ich im Kopf in meinem Unterwäschefundus herumwühlen musste und nicht einen einzigen Du-schickst-mir-jetzt-einfach-geile-Fotos-passenden BH fand.
Scheiße, was sollte ich jetzt nur machen, noch dazu war ich ja in Hamburg. Hilfe, Hilfe, Hilfe!
Ich ging in meinen Kopf sämtliche BHs, die es noch geben musste, durch und dachte darüber nach, welcher am ehesten einem Bikinioberteil ähnelte, aber von der Passform und im Halt und vom Material her dem Bikinioberteil natürlich weit überlegen war.
Plötzlich sah ich vor meinem geistigen Auge dieses zaundürre Gestell, und in diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es konnte nur ein Wonderbra sein, ein Wonderbra aus Satin, der im richtigen Licht wie ein nass glänzendes Bikinioberteil schimmert. Nixengleich … Aber so was hatte ich natürlich nicht im Schrank. Also, auf in die Stadt zum Shoppen!
Und während ich schon halb aus dem Kaftan heraus und in den Stadtklamotten drinnen war, stand plötzlich meine Oma mit dem Mittagessen in der Tür. Ich erklärte ihr im Schnelldurchlauf die ganze vertrackte Situation, denn wer, wenn nicht meine Oma, die mir schon mit vierzehn den ersten gut sitzenden BH gekauft hatte, würde es sonst verstehen? Sie empfahl mir, in der Stadt im Miederwarenfachgeschäft zu beginnen, wo schon ihr Mann, also mein Opa, Gott hab ihn selig, die ersten schicken BHs gekauft hatte – in den 60ern hieß die Marke, glaube ich, Rosi, mit einem kleinen Schlüsselchen als Anhängermarkenzeichen in der BH-Mitte. Meine Oma fand ihn leicht frivol, wie sie mir verschmitzt erzählte … Dafür liebte ich sie. Und schwups, war ich raus aus der Tür.
Das Miederwarenfachgeschäft schien mir in den 60er Jahren stehen geblieben zu sein, nichts ließ auch nur ansatzweise auf einen supergeilen BH hoffen, geschweige denn auf einen Wonderbra.
Erwähnenswert wäre in diesem Falle, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt gerade in einer 75-D-Cup-Phase befand. Somit wäre ich eigentlich in diesem Laden goldrichtig gewesen, aber nur eigentlich. Nachdem ich mich in drei hautfarbene BHs, die Farbe und das Material glichen jenen von Thrombosestrümpfen, gezwängt hatte und man mir gerade zwei weitere in einer ähnlichen Farbe brachte, versicherte ich, dass ich mich zwischen den ersten drei wunderschönen Modellen nicht entscheiden könnte und morgen mit meiner Oma wiederkommen würde. Sie sollte mich beraten – schließlich hatte sie mir diesen wunderbaren Laden ja auch empfohlen. Somit kam meine Oma ins Spiel.
»Ach nein, Ihre Oma ist die Frau Doktor? Die ist ja so nett! Sag, Hubi, seit wie viel Jahren kauft die Frau Doktor bereits hier ein? Und Sie sind die Enkelin? Von der großen oder der jüngeren Tochter? Ach nein, die Kleine haben wir ja neulich erst gesehen, die kann’s ja gar nicht sein. Und der Herr Doktor war ja auch so nett! Stimmt’s, Hubi? Viel zu früh verstorben, Gott hab ihn selig. Was sagst, Hubi? Ja, Gott hab ihn selig. Was sagst du, Hubi? Ja, der hat seine Frau sehr verwöhnt, da hast du recht! Stimmt’s, Hubi, der hat ja auch immer die mit dem Schlüsselchen in der Mitte gekauft, die Rosi. Und Sie, studieren Sie nicht grad Schauspiel?«
»Ich bin fertig«, sagte ich.
»Ja, brotlose Kunst, brotlose Kunst, aber die Frau Doktor ist ja soo stolz auf Sie.«
In diesem Moment ging die Ladentür auf. »Frau Werner-Schlögl! Wie nett, dass Sie kommen, die Feinstrümpfe Sonja sind schon gekommen. Hubi, begleitest du bitte die Enkelin der Frau Doktor zur Tür? Wir sehen uns ja eh morgen wieder.«
Kurz sei erwähnt, dass meine Oma am nächsten Morgen zwei BHs kaufte, um mich zu retten.
Nächster Anlauf: Alsterhaus, danach die Mönckebergstraße rauf und runter. Wonderbras wurden hier überall nur bis Cup-Größe C vertrieben.
Nachdem ich völlig entkräftet in einer Umkleidekabine, umringt von gefühlt vierzig BHs, nicht mehr weiterwusste und die Verkäuferin um Hilfe anflehte, verschwand diese, beriet sich mit zwei weiteren sehr erfahrenen älteren Kolleginnen, und gemeinsam kam man zu dem Schluss, dass in meinem speziellen Fall und als letzte Möglichkeit, wenn überhaupt, nur der »Easy Rider« auf der Reeperbahn in Frage käme.
Ich schmiss mich in ein Taxi. Auf zum »Easy Rider«! Es schien mir eine stadtbekannte Adresse zu sein.
Ich weiß nicht mehr, wie der Laden unten aussah, ich weiß nur noch, dass ich in den ersten Stock geschickt wurde. Dort, am Ende mit den Nerven, flehte ich die Verkäuferin an: »Ich brauche einen Wonderbra in 75 D.« Die Verkäuferin schaute verständnislos: »Schätzchen, wir fangen erst ab D an!«
Ich glaube, da bin ich ihr heulend in die Arme gesunken.
Sie müssen sich diesen Moment vorstellen: Das erste Mal in meinem Leben, ich meine, das erste Mal in meinem Leben nach Beginn des Busenwachstums, hatte ich den kleinsten, sozusagen einen XXS in Cup und Umfang, man konnte geradezu von Knöspchen sprechen. Ich war im Paradies!
Heute, nur fünfzehn Jahre später, bekommt man fast bis Cup E überall BHs. Ich glaube, das ist, seitdem das Silikon in unsere Wohnzimmer eingezogen ist.
Jetzt brauchte ich nur noch »supergeile« Fotos.
So, und da musste jetzt der Luxe helfen. Luxe, mein Kosename für meinen damaligen Freund. Der Luxe stammte wie ich aus Düsseldorf und hatte, als wir noch kein Paar gewesen waren, als Fotoassistent bei einem Fotografen gearbeitet und mit ihm gemeinsam viele außergewöhnliche und wunderschöne Hochglanz-Playboy-Produktionen in und um Barbados, Capetown und Mauritius geschossen. Und außerdem hatte ich dem Luxe doch gerade zum 28. Geburtstag eine gebrauchte Nikon F 3 geschenkt, sozusagen die Standardkamera in Kleinbildformat für den Profieinsteiger. Auch gebraucht überstieg sie damals mein Budget schon gewaltig, aber wie man heute weiß und damals nur erahnen konnte, war das eine gute Investition in die Zukunft.
Ich stand also, zurück in Berlin, vor dem Luxe. In der Hand die zwei Wonderbras in 75 Dora, der eine in schimmerndem Satin, der andere in wilder Spitze.
»Luxe, bitte, du musst mir helfen!«
»Lukullus«, sagte er. »Ich hab doch ewig nicht fotografiert, und außerdem hab ich mich noch gar nicht in die Kamera eingearbeitet.«
»Luxe, bitte!«
»Lukullus, ich war Assistent und nicht Fotograf.«
»Aber du kennst doch die F 3!«
»Ja, aber wir haben mehr auf der Hasselblad gearbeitet.«
»Luxe, bitte, welches Blatt auch immer, ich kriege die Rolle nicht! Und unabhängig davon, dass ich die Carmen, superschlank und supersexy, die eine, die man immer sein will, wenn man nicht die andere ist, unbedingt spielen will, brauchen wir Geld zum Leben.«
Auch wenn unsere Wohnung relativ erschwinglich war, Geld fraß sie doch.
»Luxööe!«
Ekelhaft, jetzt musste man doch zusätzlich zu der ganzen wahnsinnigen und vollkommen abstrusen Situation auch noch seinen Partner darum bitten, ja geradezu anflehen, dass er sich erbarmte und dazu herabließ, seine Freundin, die er doch angeblich so unwiderstehlich fand, im Bikini zu fotografieren. An einer anderen Stelle hätten wir das ausdiskutieren sollen, im Moment blieb dafür jedoch keine Zeit.
Schweigend standen wir uns gegenüber. Ich den Tränen nahe, er aus dem Fenster starrend. Die Sekunden verstrichen, sein Blick schweifte durch unser Wohnschlafzimmer, und plötzlich kam Leben in seinen Körper, als hätte ihn jemand an die Zeit vor sieben Jahren zurückerinnert, wo er der fesche, unantastbare Assistent beim Playboy-Fotografen war. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass auch der Luxe zu dem Zeitpunkt figurentechnisch eine schlechte Phase hatte.
Nun riss er aber das Bettzeug vom Bett, und mir war nicht ganz klar, was er jetzt vorhatte …
Am helllichten Tag mochte ich es gar nicht, diesen Spleen hatte ich seit meinem ersten Mann, meiner ersten großen Liebe. Oh, mein Gott, war der schön, er war so schön, er war so unfassbar schön, und dann war er auch noch Sportstudent. Diesen begnadeten Körper konnte man im Grunde auch nur anstarren. Er hatte eine Haut, bronzefarben, also er war nicht weiß, er war bronzefarben, so wunderbar und wunderschön, dass ich dazu übergegangen war, stets bis zur Nasenspitze unter der Bettdecke verdeckt und bei Dunkelheit meinen Körper zu zeigen, denn ich war wie ein Vampir, kreideweiß und lichtscheu.
Also, was machte nun der Luxe mit der Bettdecke am helllichten Tag?
Während ich gerade zu einem »Luxe, es geht jetzt gerade um meine Karriere!« ansetzen wollte, herrschte er mich an:
»Los, hol die Niggi, die brauchen wir jetzt!«
Die Niggi. Die Niggi war die eine, die man immer sein wollte.
Niggi, das war und ist ein Lebensgefühl. Meine allerbeste Freundin, ohne die das Leben weniger lebenswert wäre, mit der ich lachen, weinen, die längsten Diskussionen führen kann, die eigentlich immer da ist, wenn man sie braucht, der diese paar Zeilen gar nicht gerecht werden, über die man selbst ein eigenes Buch schreiben könnte.
»Hol die Niggi!«
Ich hechtete also in den dritten Stock, Niggi wohnte über mir, das hatten wir damals so gedeichselt.
Ich klingelte Sturm, Niggi, über die Situation voll im Bilde, da wir sicher fünfmal am Tag telefonierten, öffnete die Tür:
»Und, macht er’s?«
»Er macht’s, und du sollst sofort runterkommen!«
»Warum?«
»Niggi, lass uns doch jetzt nicht diskutieren, komm mit!«
»Meine Liebe, ich will wissen, wozu ich gebeten bin.«
»Er sagt, hol die Niggi!«
»Ach so.«
Wir sprangen gemeinsam runter, der Luxe hatte mittlerweile das Wohnschlafzimmer komplett ausgeräumt, bis auf das Bett, das mit einem weißen Laken überzogen war. Er drückte der überforderten Niggi eine weiße Leinwand in die Hand, die er noch aus den Zeiten besaß, in der er gerne Maler sein wollte. Die verstaubte, seitdem wir uns kannten, in der Abstellkammer, und auf mehrmalige Nachfragen meinerseits, ob ich sie nun endlich entsorgen könne, folgte stets: »Irgendwann wird ein Moment kommen, da bist du froh darüber, dass wir sie noch haben.« Jetzt schien dieser Moment gekommen zu sein.
»Lukullus, zackig ins Bad! Eingeölt und nass gemacht!«
»Bitte?«
»Nun mach, die Lichtverhältnisse sind gerade gut!«
Wir reden von den Ausklängen der analogen Fotografie, und Luxe wusste genau, wie man sein Model ohne digitale Bildretusche so in Szene setzt, dass es echt superschlank und supersexy aussieht …
Diesen Nachmittag werde ich nie vergessen, er gehört zu den Highlights meines Figurenkünstlerlebens: Ich, im Stringtanga und schillernden Wonderbra, eingeölt und nass, auf dem Bett, an der Wand und auf dem Boden, in verschiedenen Verrenkungen, nach Anweisungen, wie man seine Körperteile so verdreht und herausstreckt, dass sie schlank und ohne Problemzonen erscheinen, Niggi mit dem Basilikumwassersprüher und der weißen Leinwand hinterherhechtend, stets bemüht, die paar Sonnenstrahlen von draußen einzufangen, um meinen Körper optimal auszuleuchten. Aber ich glaube, am meisten in seinem Element an diesem Tag und so männlich, wie ich ihn selten zuvor erlebt hatte, war der Luxe.
Kurzum: Ich bekam die Rolle.
Die Fotos hingen später im Maskenmobil und an verschiedenen Pinnwänden der Produktion und galten als Meilensteine meiner Karriere …
Mit dem Anruf »Das sind ja supergeile Fotos, du bist besetzt! Du spielst sie! Hey Elli, hörst du, was ich sage? You’ve got it, du hast es geschafft und unter uns zwei: Die Fotos sind echt geil, das hast du gut gemacht!« begann die erste wirklich große Hungerphase in meinem Leben.
Schlank, schlanker, am schlankesten.
Ich bin schlank, ich werde schlank sein, ich werde am schlankesten sein! Carmen, die supergeile Superschlanke und wie gesagt, die eine, die …
Aber es ist eines, eine Rolle zu wollen, und etwas anderes, sie zu bekommen. Ich hatte sie mir per Kniffs und Tricks erschlichen. Auf Fotos kann man bescheißen, nicht aber beim Film, der packt eher noch fünf bis zehn Kilos drauf.
Jetzt war also guter Rat teuer. Zehn bis fünfzehn Kilos mussten weg, das war mir klar. Aber wie?
Ich esse für mein Leben gern, das hieß, die einzige Möglichkeit für mich war, erst einmal quasi auf null zu gehen, um das Hungergefühl wegzukriegen, und danach vorsichtig mit Trennkost oder fettreduziert oder »ach ich weiß auch nicht« anzufangen.
Wollen wir doch mal an dieser Stelle festhalten, dass es nichts Schlimmeres gibt, als abzunehmen. Nein, halt, ich würde sagen, Liebeskummer ist noch schlimmer, das einzig »Positive« ist das leptosome Aussehen je nach Dauer des Kummers. Das heißt, Liebeskummer gepaart mit zwei Schachteln Zigaretten führt unweigerlich zum »Heroinlook« mit fettigen Haaren, hängenden Schultern, tiefliegenden Augen, hohen Wangenknochen und einem Blick wie ein Bettelhund in Italien. Androgyn.
Gut, androgyn vergessen wir bei mir, denn auch wenn ich an der Brust abnehme, ein C-Cup wird es schon bleiben, und Gott sei Dank hatte ich keinen Liebeskummer.
Es musste schnell etwas passieren. Ich hatte ab jetzt zweieinhalb Monate Zeit bis zum Drehstart. Aber das war Augenwischerei, denn die Kostümproben finden beim Kinofilm ja schließlich spätestens vier Wochen vor Drehbeginn statt. Zumindest muss man bis vier Wochen vor dem Dreh halbwegs so in Shape sein, wie man dann dreht. Speziell in diesem Fall, da »Swimming Pool« zu neunzig Prozent im Bikini oder Badeanzug stattfinden sollte.
Hier ließ es sich also leider nicht schummeln mit einer Bauchweghose – und es blieben mir nur noch zweieinhalb Monate bis zum Drehstart! Das hieß, zehn Wochen minus vier Wochen wegen Kostümprobe, also streng genommen nur noch sechs Wochen, um in Shape zu kommen.
Panik! Sechs verdammte Wochen, an denen ich von morgens bis abends nur ans Essen denken würde, weil man ja strenge Menüpläne einhalten musste, dann in mehrere gottverdammte Supermärkte fahren, um die verschiedenen Ingredienzien zu beschaffen, unter anderem Kräuterarten, von denen man bis dato noch nie etwas gehört hatte.
Dann musste ich mir zwei Waagen kaufen, als Erstes eine Haushaltswaage, denn gewogen wurde alles, minutiös, wie zum Beispiel dreißig Gramm Nudeln. Na gut, die hätte man natürlich auch abzählen können, hätte man gewusst, wie viel Gramm jede einzelne Nudel dieser Packung hatte. Aber dann wüsste man ja nur die Grammzahl dieser speziellen Nudelpackung, aber es gab ja noch so viele andere Nudelmarken und Nudelsorten, und die variierten dann ja auch noch in Größe, Form und vor allem Gewicht. Und schätzen durfte man ja auch nicht so Pi mal Daumen, dann wären es ja möglicherweise 32,5 Gramm, und das könnte womöglich dazu führen, dass die ganze Diät, die ja, wie gesagt, minutiös abgestimmt war, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen würde, sozusagen wie Bausteine, die dann nicht mehr halten könnten, wenn 2,5 Gramm mehr Nudeln da wären als die dreißig Gramm, wie sie hätten sein sollen.
Aus eigener Erfahrung: Finger weg von Spaghetti! Die rollen dann von der Waage, weil es keine Spaghettiwaagschalen gibt, sondern nur Schalenwaagschalen, und die Spaghetti, ihres Zeichens superschlank, rollen dann runter und zerbrechen auf dem Fußboden, und wenn sie nicht zerbrechen, dann rollen sie, weil das Gefälle in Ihrer Wohnung ja doch fünf Prozent beträgt, was Ihnen ja niemand glauben wollte, vor allem nicht der Vermieter, dessen Handwerker das Laminat ja perfekt verlegt hätten, sie rollen in die hinterste Ecke unter den Küchenschrank. Aber das führt jetzt alles zu weit, mit dem Staubsauger, der nicht drunterkommt, mit dem Ungeziefer, das noch kommen könnte, mit dem Hexenschuss beim Schrankanheben.
Wo war ich?
Bei der Waage.
Also, es gibt die Küchenwaage, die ich gerade beschrieben habe und die Sie dringend benötigen, am besten mit digitaler Lichtanzeige. Die Old-School-Optikwaagen sehen zwar hübscher aus, aber das Gewicht ist nicht so eindeutig ablesbar. Und wenn man, so wie ich, gerade vierzig geworden ist, sind die Augen halt auch schon vierhundertachtzig Monate alt, und somit verschwimmen manchmal diese kleinen Zehn-Gramm-Strichlein und formen sich zu einem Kloß, und genau dann findet man die Lupe nicht, ein Erbstück aus Omas Zeiten.
Also unbedingt Digitalwaage!
Aber mindestens genauso wichtig und unerlässlich bei einer möglicherweise notwendigen Körperfettreduzierungsmaßnahme ist die Körperwaage! Sie sollte und muss unbedingt digital sein, sie sollte auch diese schrecklichen Körperfettangaben machen, die dann auf dem Fußbett dieser Waage wie ein Magnetfeld fungieren, wenn Sie vorher Ihr Alter einprogrammiert haben. Sie dürfen sich natürlich auf keiner anderen Waage wiegen, weil jede Waage einzeln geeicht ist, quasi ein Waagenunikat, und somit könnte es zu Irritationen, ja großen Gewichtsschwankungen führen, wenn Sie sich auf eine andere stellen. Klartext: Wenn Sie verreisen und Sie sich gerade in einer Körperfettreduzierungsmaßnahme befinden, muss die Waage mit!
Alles Schwachsinn, sagen Sie? Finde ich auch! Der verlässlichste Gewichtsanzeiger ist doch immer noch die Hose! Passen Sie in das verdammte Ding rein oder nicht?
Aber, na gut, zugeben muss ich schon, dass man sich über fünfzig Gramm, die man abgenommen hat, durchaus freuen kann, und da passt einem ja noch lange die Hose nicht.
Ich hasse Waagen, hasse, hasse Waagen, der größte Waagenzwang besteht allerdings in der Schwangerschaft: Egal, zu welchem Arzt man geht, auf die Waage muss man immer, da geht es ständig ums Gewicht. Wie viel man in der ersten Schwangerschaft zugenommen hat, wie das Gewicht in der zweiten ist im Vergleich zur ersten, als wenn sie sich daran ergötzen würden. Hopp, hopp, auf die Waage, bevor man überhaupt zum Arzt reindarf. Mit betretener Miene wie beim Lehrer steht man dann vor der Sprechstundenhilfe und gesteht flüsternd sein Gewicht. Die will’s natürlich ganz genau wissen und wiederholt sehr laut, so dass auch die letzte Patientin im Wartezimmer, die es noch nicht mitgekriegt hat, mein Gewicht erfährt: »78 und wie viel hinter dem Komma?« Als wenn das nicht schon Demütigung genug wäre, sitzt man im Anschluss mit gesenktem Haupt vor der Frauenärztin, die einen wissend anschaut und sagt: »Jetzt müssen wir aber ein bisschen achtgeben.« Jede Frau, die einem begegnet und die schon ein Kind gekriegt hat, bzw. jeder, der einem gratuliert, sagt entweder im ersten oder spätestens im zweiten Satz: »Und wie viel hast du zugenommen?«, gefolgt von einem »O Gott, du Arme!«, und dann muss man sich die ganze Gewichtsgeschichte vom Gegenüber anhören. Aber bei meiner dritten Schwangerschaft habe ich allen ein Schnippchen geschlagen: Ich habe mich der Waage einfach verweigert! Riesenwellen hat das geschlagen, weil man sich doch wiegen muss, man wissen muss, wie hoch das Gewicht ist.
»Warum«, so fragte ich, »wollt ihr das wissen?«
»Weil wir wissen müssen, ob alles in Ordnung ist!«
»Seh ich aus, als ob es mir schlechtgeht? Ich bin schwanger, mir geht’s super, und wenn die Hose nicht mehr passt, kauf ich eine größere.«
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es mich sehr viel Kraft gekostet hat, mich nicht auf die Waage zu stellen, denn auch ich war neugierig. Aber die Angst, mein höchstes Gewicht ever erreicht zu haben, war Gott sei Dank zu groß und hielt mich von der Waage fern.
Aber zurück zu meinen eigenen Kilos bzw. zu deren Reduktion: Diäten sind meist wahnsinnig aufwendig in der Kreativität ihres Speiseplans, deshalb, wenn Sie nicht gerade eine Ananas-Diät machen, bei der Sie fünf Tage nur Ananas essen, danach total übersäuert sind und am Ende Ananas auch noch in Gänze ausscheiden, sind Sie den ganzen Tag mit Essen beschäftigt. Mit Essen beschaffen, Essen machen, es dreht sich alles nur um die Nahrungsaufnahme. Möglicherweise hilft es manchen, sich den ganzen Tag mit Essen zu beschäftigen, oder es sind mittelalterliche Kasteiungsmethoden, bei denen die ganze Zeit das Essen im Mittelpunkt steht, du es aber nicht verspeisen darfst. Und nach dem Essen: Böses Essen, böses Essen, ich bin böse …
Und letztlich sind doch sämtliche Frauenmagazin-Diäten, die ich kenne, immer nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Friss die Hälfte und mach Sport!
Das klingt jetzt so abfällig. Auch ich liebe Diäten, und ich liebe es, darüber zu konferieren. So hat man immer einen neuen Gesprächsstoff, und immer dann, wenn man eine neue Diät entdeckt hat, meint man, dass nur sie das ultimative Gewicht herstellen kann, und man kann sich gar nicht erklären, warum man nicht schon früher auf sie gestoßen ist. Von Montignac (viel Vollkornbrot und Magerquark zum Frühstück) bis Brigitte (kennt jeder), von Trennkost (lass alles weg, was schmeckt) bis zur Eiweißdiät (da ist der Name schon Programm: Eier und weißes Fleisch). Alles hab ich schon ausprobiert. Hunger, Hunger hat man immer. Manchmal hat man Glück und für einen kurzen Zeitraum hat man das Gefühl, man schwebt, man wird leicht, man fühlt sich super. Das ist so eine Art Unterzuckerungs-, Endorphin-, Keine-Ahnung-Euphorie und halluzinierender Glücksmomentehormonausschuss, aber eben nur für ganz, ganz kurze Zeit. Den Rest des Tages, wenn Sie nicht das Glück haben zu schlafen – und glauben Sie mir, so ein Tag ist lang, sehr lang –, leiden Sie. Und Sie haben immer nur Hunger, unbändigen Hunger, schlechte Laune, rasende Kopfschmerzen und doppelten Deo-Verbrauch, und Sie können nur auf den nächsten »Glücksmomentehormonausschuss« hoffen.
Panik! Sechs verdammte Wochen, und zehn Kilos mussten weg! Sämtliche Frauenmagazin-Diäten, die ich kannte, reichten nicht, um das wegzukriegen! Etwas anderes musste her!
Und deshalb entschied ich mich, dieses Mal etwas Neuartiges auszuprobieren. Ein Wagnis, ich betrat Neuland, um erst gar nicht mit meinem Sargnagel »feste Nahrung« in Berührung zu kommen und so die Lust auf Essen einfach zu umgehen.
Ich fing also an mit einer neuentwickelten pulverartigen Trinkkur, die angeblich von irgendwelchen Ärzten an irgendeiner Universität in jahrelangen Studien entwickelt worden war. Sie bestand hauptsächlich aus Eiweißdrinks, die eine bestimmte Kalorienmenge unter 1000, was ja bis jetzt als goldene Maßregel galt, aufweisen. Dem Körper wurde dabei vorgegaukelt, er würde den normalen täglichen Kalorienbedarf von ca. 2200 (auch das schon eine absurd niedrige Zahl, wenn Sie mich fragen) erhalten. Diese irgendwas um die 800 Eiweißkalorien, verpackt in einen Morgen-, Mittag- und Abendshake, sollten so viel runterbrennen, dass man eine Wahnsinnsfigur erhielt, lebenslang, ohne den berühmten Jo-Jo-Effekt! Schwachsinn, totaler Schwachsinn, aber dazu kommen wir später.
Man konnte sich entscheiden, ob man die Shakes mit Wasser oder Milch, natürlich fettarm, anmischt. Man würde ja meinen, dass Sie den Shakebecher, den Sie zum Mischen brauchen, in der dazugehörigen Apotheke, wo Sie die Shakes kaufen, erwerben könnten. Ja, Apotheke. Diese besonderen Diätdrinks bekamen Sie natürlich nur in der Apotheke, wo man ja gleich das Gefühl hatte, es sei etwas Medizinisches, also musste es gut sein. Die Apotheke hatte natürlich leider keinen Shaker mehr zum Shaken, weil die Einführungsaktion der Trinkkur mit dem dazugehörigen Shakebecher vor zwei Tagen geendet hatte und die Shakebecher sowieso schon seit drei Wochen vergriffen waren. Wo man die jetzt herbekommen sollte, wusste man leider auch nicht.
Also nahm ich einfach einen Messbecher, um das Wasser abzumessen. Ich nahm natürlich Wasser statt Milch, um einen noch größeren Effekt zu erzielen. Dieses Wasser kippte ich in eine verschließbare Trinkflasche und löffelte mit dem zur Trinkkur gehörenden Messlöffel die richtige Menge an Trinkkurpulver dazu, also in die verschließbare Trinkflasche hinein, und schüttelte gründlich. So, und jetzt Nase zu, sonst hätte ich gewürgt, und runter damit! Allein dieses sandige Gefühl der sich nicht auflösenden Körnung – BÄÄH … Aber ich wollte doch so unbedingt die Carmen spielen, superschlank und supersexy, also runter mit dem Trunk!
STOPP! Bevor man den ersten Drink zu sich nehmen durfte, musste man natürlich den Körper vorbereiten und entschlacken. Nennen wir’s doch beim Namen: Man musste abführen, der Hersteller nannte das entgiften.