Meine Freundin Elaine - Utta Danella - E-Book
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Meine Freundin Elaine E-Book

Utta Danella

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Beschreibung

Berlin 1925. Julia besucht ihre Tante Marina Delmonte, eine berühmte Sängerin, in ihrem geliebten Berlin. Sie braucht Abstand von ihrem Leben als junge Mutter von 3 Kindern auf dem Familiengut ihres Mannes Joachim in Pommern. Aus Liebe hatte sie sehr „des Kaisers schönsten Leutnant“ geheiratet, aber nach dem Krieg und dem Tod seines Bruders muss er sich um die Familie und das Landgut kümmern. Die Kriegserinnerungen belasten sein Leben zusätzlich. Julia, das Großstadtmädchen, fühlt sich in der Provinz fremd, von allen abgelehnt, überfordert mit den Kindern. Da trifft sie in Berlin auf Elaine, ihre schöne Schulfreundin aus dem Internat in Lausanne. Julia ist begeistert, als Elaine ihr anbietet, mit nach Pommern zu kommen, als Julias Kinder krank werden. Dass sie sich damit keinen Gefallen getan hat, merkt sich erst später. Vielleicht zu spät …

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Seitenzahl: 528

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Utta Danella

Meine Freundin Elaine

Roman

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Utta Danella: Meine Freundin Elaine. Roman

Copyright © 2016 by Erbengemeinschaft Utta Danella vertreten durch AVA international GmbH, Germany

Die Originalausgabe ist 1990 im Knaus Verlag, München erschienen.

Überarbeitete Neuausgabe © 2020 by hockebooks gmbh

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: Joachim Luetke (www.luetke.com) unter Verwendung eines Motivs von Franz Feld/shutterstock.com

ISBN: 978-3-957-51345-8

www.ava-international.de

www.uttadanella.de

Meine Freundin Elaine

Jedes Menschen Schicksal wird bestimmt von der Zeit, in die er hineingeboren ist.

Sie kann Verhängnis, Not und Schuld bringen, genauso aber Erfüllung, Freiheit und Wohlergehen. Nur das Kind kann sein Leben ahnungslos und darum glücklich beginnen, wenn es denn schon begreifen könnte, was Glück ist. Und erst am Ende seiner Tage kann ein Mensch sagen: die Zeit, in der ich lebte, war mein Feind. Oder sie war mein Freund.

U. D.

Wie auf Wolken

Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, wieder einmal in Berlin zu sein. Ich ging wie auf Wolken Unter den Linden dahin, die Friedrichstraße rauf und die Leipziger runter, ich stand am Gendarmenmarkt und bewunderte das Schauspielhaus und den Französischen Dom, als hätte ich sie nie gesehen. Oder ich landete beim Schloss, ging über die Brücke und himmelte den Großen Kurfürsten auf seinem stolzen Ross an, in ihn hatte ich mich schon als Kind verliebt.

An einem anderen Tag lief ich vom Nollendorfplatz über den Wittenbergplatz die Tauentzienstraße entlang, den ganzen Kurfürstendamm bis hinaus nach Halensee. War ich müde, fuhr ich mit der Straßenbahn, mit dem Bus oder der U-Bahn zurück und landete völlig erschöpft bei Tante Marina, sank in einen Sessel und sah ihr zu, wie sie den Tee bereitete.

An einem Tag hatte es heftig geregnet, und ich kam klitschnass nach Hause.

»Kind, du übertreibst«, sagte sie. »Jetzt hast du dich bestimmt zu allem Unglück noch erkältet.«

»Es ist so schön, so schön, so schön. Wieso Unglück? Ich bin glücklich. So glücklich bin ich seit hundert Jahren nicht mehr gewesen.«

»Ein komischer Ausspruch für eine verheiratete Frau mit drei niedlichen Kindern.« Sie sprach im typischen Marina-Ton, man wusste nie, ob sie es ernst meinte oder ob sie spottete.

Das Mädchen hatte währenddessen meinen nassen Mantel hinausgebracht, ich streifte die Schuhe von den Füßen, sie waren nicht wasserdicht, und ich hatte kalte Füße. War schon möglich, dass ich mich erkältet hatte. Na, wenn schon. In Berlin und bei Tante Marina fand ich alles wunderbar, selbst eine Erkältung. Ich rollte mich im Sessel zusammen und hätte am liebsten geschnurrt wie zu Hause unsere Mieze. Marina zapfte an ihrem Samowar den Tee, brachte die gefüllte Tasse und stellte sie auf das kleine Tischchen neben mich.

Der Tee war heiß und köstlich, sie hatte einen Schuss Rum hineingetan, wohl um der angekündigten Erkältung vorzubeugen. Ich trank in kleinen, genüsslichen Schlucken, bis die Tasse leer war. Dann langte ich nach der Keksdose.

»Du bist seit morgens elf Uhr unterwegs gewesen, du verrücktes Mädchen«, sagte Marina. »Hast du denn wenigstens irgendwo eine Kleinigkeit gegessen?«

»Habe ich nicht. Ich hatte wenig Geld dabei. Es hat gerade für den Bus gereicht. Sonst hätte ich mir ja eine Taxe genommen, als es anfing zu regnen.«

»Du bist dümmer, als die Polizei erlaubt. Dann wäre der Taxifahrer eben mit heraufgekommen, und wir hätten ihn hier bezahlt.«

»Ich bin wirklich dumm«, bestätigte ich zufrieden.

»Ich lasse dir eine Stulle zurechtmachen.«

»Nein, bitte nicht. Die Kekse schmecken wunderbar, ich esse mindestens fünf Stück davon. Keine Stulle. Ich will mir den Appetit auf das Abendessen nicht verderben. Du weißt, wie gut es mir bei dir schmeckt.«

Sie nickte, sie wusste es und hätte es nicht anders erwartet. »Wir werden ein paar kleine Schnittchen mit Kaviar essen«, berichtete sie, »und dann eine in leicht gewürztem Sud gedünstete junge Ente mit Kartoffelpüree und dazu Erbsen und Möhrchen.«

»Die natürlich deine nicht hoch genug zu preisende Wanda selbst eingemacht hat. Ich habe mir die Vorratskammer angesehen. Enorm, was es da gibt. Wir haben auch eine Menge Eingemachtes zu Hause, aber bei uns wächst das Zeug ja vor der Tür. Für einen Stadthaushalt ist es fabelhaft, was Wanda alles hat.«

»Kommt noch dazu, sie hat das meiste selbst auf dem Land eingekauft. Wie ich sie kenne, wird sie heute Abend auch ein Glas mit Spargelspitzen aufmachen, Spargel aus Beelitz, den holt sie sich dort auch immer selber. Der Professor kommt zum Essen, wie du weißt, und er sagt, für Wandas Spargelspitzen würde er von Schwerin nach Berlin zu Fuß laufen.«

»Warum gerade von Schwerin? Weil sich das reimt?«

»Er ist dort geboren.«

Ich holte mir eine zweite Tasse Tee und knabberte den vierten Keks.

»Allein schon die Idee, eine Ente in leicht gewürztem Sud zu dünsten«, sagte ich träumerisch. »Unsere Mamsell kommt auf keinen anderen Einfall, als sie zu braten.«

»Nun, das ist die übliche Art, mit einer Ente zu verfahren, wir braten sie meistens auch. Aber dann wäre der Kaviar als Vorspeise unpassend, denn zur gebratenen Ente gehört nun mal Rotkraut und eine fette Sauce. Also das harmoniert nicht.«

»Harmoniert nicht«, wiederholte ich, angenehm erwärmt, und verzichtete auf den fünften Keks im Gedanken an den Kaviar. Es gab ihn bestimmt meinetwegen, denn Marina wusste, wie gern ich ihn mochte.

»Der Ente wird die Haut abgezogen«, klärte mich Marina weiter auf, »so ist sie leicht und bekömmlich.«

Sie bediente sich selbst noch einmal aus dem Samowar, ihr weißes Haar war wohlfrisiert wie immer, und ihr gut geschminktes Gesicht wirkte im weichen Kerzenlicht schön und jung. Im vorletzten Sommer hatte sie uns, auf meine dringende Einladung, endlich einmal auf dem Gut besucht, ich wollte ihr zeigen, wie und wo ich lebte, und ich brauchte ihren Trost und Zuspruch, denn ich war schon wieder schwanger.

Alle hatten sie bewundert, angefangen bei meiner Schwiegermutter bis zum Stallknecht. Zumal sie von Pferden etwas verstand und mit sicherer Hand einen Zweispänner fahren konnte. Damals trug sie das Haar noch hochgesteckt, wie ich es seit meiner Kindheit kannte, nur dass es früher blond gewesen war. Hochgesteckt trug sie es privat; ich kannte es auch als blonde Flut über ihre Schultern und ihren Rücken, als Sieglinde zum Beispiel oder als Isolde. Inzwischen hatte sie sich die Haare abschneiden lassen und trug einen Bubikopf.

»O nein«, hatte ich gesagt, als ich vor einer Woche in Berlin eintraf. »Wie konntest du nur! Dein schönes Haar!«

»Sieht doch gut aus. Macht mich jünger.«

Seitdem kam ich mir altmodisch vor mit meinen langen aufgesteckten Haaren, denn rundherum in Berlin erblickte ich fast nur noch Bubiköpfe genauso wie kurze Röcke. Bei uns in der Provinz war das noch höchst ungewöhnlich. Auf meinen langen Spaziergängen durch die geliebte Stadt überlegte ich nicht nur, wie ich es anstellen könnte, wieder für immer hier zu leben, sondern ob ich mir vor meiner Heimreise nicht auch die Haare abschneiden lassen sollte.

»Ich habe seit Jahren keinen Kaviar mehr gegessen«, murmelte ich vor mich hin. »Wir können uns das nicht leisten.«

»Willst du noch Tee?«, fragte sie.

»Gern.«

»Zieh mal an der Klingel.«

Die Klingelschnur mit der roten Samtbommel hing neben der hohen breiten Tür des Salons, und auf dem Weg zum Samowar zog ich mit demselben Spaß daran, den ich schon als Kind bei dieser Betätigung empfunden hatte.

»Warum sind meine Zigaretten nicht hier?«, monierte Marina, als das Mädchen erschien.

»Sie liegen im Ankleidezimmer, gnädige Frau. Ich bringe sie sofort.«

Es waren russische Zigaretten, ich mochte ihren Duft, aber ich durfte keine davon rauchen, obwohl ich es gern einmal probiert hätte.

»Das ist nicht gut für deine Lunge«, war ich gleich am zweiten Tag beschieden worden. Marina liebte keine Phrasen, sie sprach immer klar und deutlich aus, was sie dachte und meinte. Die Zigaretten waren so neu wie der Bubikopf, früher hatte sie nicht geraucht.

»Du findest also, dass ich unglücklich bin«, sagte ich und rekelte mich in meinem Sessel.

»Wieso? Vor ein paar Minuten hast du gesagt, du seist glücklich.«

»Bin ich auch. Aber du hast gesagt, ich soll mich zu allem Unglück nicht auch noch erkälten.«

»Na und? Was stimmt an diesem Satz nicht?«

»Ich bin blutarm, zu dünn, nervös und möglicherweise ist meine Lunge angegriffen«, zählte ich befriedigt auf. »Wenn dem nicht so wäre, könnte ich nicht hier bei dir sein. Und weil ich bei dir bin und in Berlin, bin ich glücklich. Meiner Lunge kann ich höchstens dankbar sein, dass sie mir zu dieser Reise verholfen hat.«

»Versündige dich nicht, Kind. Dein Mann hat mir sehr genau in seinem Brief deinen Zustand geschildert. Und darin heißt es, euer Doktor da auf dem Land hätte den leisen Verdacht, es könnte mit deiner Lunge etwas nicht stimmen. Und darum hat dein Mann mich gebeten, mit dir in Berlin einen Spezialisten aufzusuchen.«

»Weiß ich alles. Ich kenne den Brief.«

»Wenn es mit deiner Lunge wirklich nicht stimmt, und das könntest du von deiner Mutter geerbt haben, musst du nach Davos.«

»Das können wir uns nicht leisten. Wenn du mich nicht mehr haben willst, werde ich in Pommern still und langsam vor mich hin sterben.«

»So etwas macht sich nur auf der Bühne gut«, sagte sie, und ich hörte ihrer Stimme an, dass sie verärgert war.

Das Mädchen brachte die Zigaretten und entschuldigte sich, dass es so lange gedauert hätte.

»Sie waren nicht im Ankleidezimmer, gnä Frau, sie waren im Bad.«

Marina wartete, bis wir wieder allein waren, dann sagte sie streng: »Julia, manchmal wundere ich mich, wie es dein Mann mit dir aushält.«

»Wundert mich auch. Rauchst du neuerdings in der Badewanne?«

»Du warst ein dummes Kind, als du ihn geheiratet hast. Ich sehe dich noch vor mir stehen, hier in diesem Zimmer, glühend vor Liebe und Begeisterung. Ich muss ihn haben, hast du geschrien. Ich will nur ihn. Nur ihn. Er ist des Kaisers schönster Leutnant.«

»War er ja auch. Damals. Aber da war eben Krieg. Heute ist er ein knickriger, sorgenbelasteter, meist schlecht gelaunter, von Schulden erdrückter Gutsbesitzer in Hinterpommern. So ist das!«

»Aber er liebt dich.«

»Sicher.«

»Und du? Liebst du ihn noch wie damals?«

»Ich weiß das nicht so genau. Manchmal. Manchmal nicht. Wenn ich nicht in dieser Einöde leben müsste. Wenn wir hier in Berlin sein könnten, ausgehen, ins Theater, in die Oper, kluge Menschen treffen, mit denen man reden kann. Solche wie du. Und wie der Professor.«

»Du warst ein dummes Kind, ich sage es. Du wusstest, dass er ein Gutsbesitzer aus Pommern ist. Und nicht auf ewige Zeit des Kaisers schönster Leutnant bleiben konnte.«

»Das habe ich damals nicht gewusst. Da lebte sein Vater noch, und der hatte das Gut. Und sein Bruder war auch noch da. Joachim hätte des Kaisers schönster General werden können.«

Marina lachte. »Du bist ein Kindskopf.«

»Und ich wusste nicht, dass ich ewig und drei Tage auf diesem Gut leben muss, bis ich alt und grau bin. Und dass meine Schwiegermutter erwartet, dass ich so werde wie sie. Wenn wir den Krieg gewonnen hätten …«

»Wir haben ihn aber nun einmal nicht gewonnen. Und deine Schwiegermutter ist eine sehr patente Frau.«

»Ja, sicher. Weiß ich ja.«

Marina zog behaglich an ihrer Zigarette, und als der süße Duft mich erreichte, weitete ich die Nüstern wie Melusine, meine Stute, wenn man ihr einen Leckerbissen brachte. Sie war das einzige Wesen, das ich in Berlin vermisste, nicht meinen Mann, nicht meine Kinder und schon gar nicht meine Schwiegermutter.

Aber Reiten hatte mir unser Doktor zuletzt auch verboten. Ruhe, hatte er gesagt, viel liegen, lange schlafen, gut und reichlich essen. Nur schmeckte mir meist nicht, was unsere Mamsell kochte, schließlich war ich im Haushalt von Tante Marina aufgewachsen.

»Joachim hat wunderbarerweise den Krieg überlebt. Darüber warst du sehr glücklich, nicht wahr?«

Ich nickte. Und ein Wunder war es wirklich, denn es kam einem damals vor, als sei man nur von Toten umgeben. Am schlimmsten traf mich der Tod von Onkel Ralph, Marinas und Mamas Bruder, den ich zärtlich liebte und der wie ein Vater für mich gewesen war. Mehr noch, großer Bruder und verständnisvoller Freund, Vertrauter in allen Lebenslagen, das war Onkel Ralph.

Meinen Vater hatte ich kaum gekannt, er starb, als ich vier war. Und Mama starb nach Kriegsende an der Spanischen Grippe, dieser furchtbaren Epidemie, die weltweit viele Menschenleben kostete. Manche sagten, sie hätte mehr Menschen umgebracht als der Krieg.

Aber vielleicht hätte Mama sowieso nicht mehr lange gelebt mit ihrer kranken Lunge.

Dafür hatte ich eine überaus tüchtige und rundherum gesunde Schwiegermutter bekommen, dazu noch eine tatkräftige und ebenfalls tüchtige Schwägerin, dagegen war ich ein Nichts und ein Niemand. Ich gab mir allerdings nicht viel Mühe, ein brauchbares Mitglied des Gutsbetriebs zu werden, ich war nur widerwillig aufs Land gezogen, vermisste Berlin und das anregende Leben dort, und das verschwieg ich nicht. Besonders beliebt machte ich mich mit meiner ständigen Meckerei nicht.

Nun hatte meine Schwägerin vor anderthalb Jahren endlich geheiratet. Sie hatte viele Jahre auf Friedrich warten müssen, mit dem sie schon seit Anfang des Krieges verlobt war, er kämpfte im Osten und geriet in die Wirren der russischen Revolution, jahrelang hörten wir nichts von ihm, er wurde für tot gehalten. Mehr tot als lebendig war er auch, als er schließlich heimkehrte.

Sie hatten beide schwere Jahre hinter sich, doch nun erwartete Margarete ihr erstes Kind, und meine Schwiegermutter hielt sich derzeit bei ihr auf, um ihr zu helfen, denn Friedrichs Gut war dreimal so groß wie unseres, es lag ziemlich weit entfernt von Cossin, nahe der Ostsee, bei Kolberg.

Ich wünschte Margarete alles Gute und hoffte, sie würde endlich glücklich sein, wenn sie ihr Kind bekam. Alles, alles Gute wünschte ich ihr, ich war so froh, dass sie weg war, sie hatte mich immer herumkommandiert und von oben herab behandelt. Und sie neidete mir meine Kinder, das hatte ich sehr genau gespürt.

Joachim und ich hatten mitten im Krieg geheiratet, im Herbst 1917, das kam für alle sehr überraschend, nicht zuletzt für mich, denn wir hatten uns bis dahin selten gesehen, was mich nicht daran hinderte, immer wieder zu verkünden, wie unbeschreiblich ich ihn liebte. Was wusste ich schon von Liebe? Ich kannte sie von der Bühne des Königlichen Opernhauses, wenn Tante Marina sang. Sonst war ich nichts als ein dummes, verwöhntes Kind. Und mein schöner Leutnant war schon ein anderer geworden, der Krieg hatte ihn gezeichnet, die entsetzliche Schlacht vor Verdun, die er von Anfang bis Ende mitmachte, hatte ihn das fröhliche Lachen gekostet. Aber dass er überlebte, war für mich das Wichtigste.

Nur wenige Tage gewährte man für eine Kriegstrauung. Wir heirateten ohne jedes Zeremoniell, immerhin kamen sein Vater aus Frankreich und seine Mutter aus Pommern, die ich beide bei dieser Gelegenheit kennenlernte.

Es war das einzige Mal, dass ich Joachims Vater sah, er war Oberst und starb noch im gleichen Jahr an einer schweren Verwundung, und fast zur gleichen Zeit fiel Joachims Bruder. Ich erfuhr das erst später, denn ich lebte nach wie vor bei Mama und Tante Marina in Berlin, denn was sollte ich ohne Joschi auf einem Gut in Pommern.

Joschi – diesen Namen hatte ich ihm in unserer Hochzeitsnacht gegeben, denn er weinte plötzlich im Schlaf, dann fuhr er mit einem Schrei hoch und zitterte am ganzen Körper. Vor ein paar Stunden hatte ich erlebt, wie es ist, eine Frau zu werden, und nun saß ich im Bett und tröstete den verstörten Mann, meinen schönen Leutnant, dessen Seele krank geworden war in diesem grässlichen, sinnlosen Blutbad. Ich hielt ihn in den Armen, trocknete seine Tränen, streichelte über sein Haar.

Joschi, flüsterte ich, ist ja gut. Du bist hier, du bist bei mir.

»Du machst ja auf einmal so ein ernstes Gesicht«, sagte Tante Marina.

»Ach, es ist alles anders geworden.«

»Anders? Was heißt das? Was ist anders geworden?«

»Na, mein Leben. Es ist nicht so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe.«

»Das geht den meisten Menschen so.«

»Man weiß es eben vorher nicht«, murmelte ich.

»Worüber beklagst du dich?«

»Eigentlich über alles. Nicht, wenn ich hier bei dir bin. Hier ist mein Zuhause. Auf Cossin bin ich noch immer eine Fremde.«

»Das liegt an dir. Du musst endlich erwachsen werden, Julia. Dies ist das Heim deiner Kindheit, und du bist hier zu Besuch. Aber du gehörst zu deinem Mann und deinen Kindern, dort liegt deine Aufgabe und deine Verantwortung.«

»Aber wenn ich doch krank bin …«

»Verkriech dich jetzt nicht in eingebildete Krankheit, das hilft dir nichts. Unsinn war es allerdings, so rasch hintereinander drei Kinder zu bekommen. Das hat dich so mitgenommen. Besonders kräftig warst du nie, aber lebhaft und beweglich, eine leichtfüßige Tänzerin durch dein Leben.«

»Ich tanze überhaupt nicht mehr.«

»Das kommt schon wieder«, sagte sie tröstend. Doch gleich darauf schüttelte sie den Kopf. »Drei Kinder in fünf Jahren. Total meschugge!«

Wem sagte sie das! Wenn sie mir nur auch sagen würde, wie ich das hätte verhindern können.

Das ewige Kinderkriegen hatte mich überfahren wie ein D-Zug. Jetzt wich ich Joachims Umarmungen aus, und er hatte Verständnis dafür, er sah ja selber, was aus mir geworden war. Das hatte unser Verhältnis geändert, belastete unser gemeinsames Leben, mehr noch als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Vielleicht war ich auch darum so froh, eine Zeit lang nicht auf Cossin zu sein, um nicht unter diesen täglichen Lügen zu leiden, ein Kuss auf die Wange oder auf die Stirn, meine Hand auf seinem Arm. Gute Nacht, Liebling. Musst du noch lange arbeiten? Kann ich dir nicht helfen?

Nein, Julia, geh schlafen.

Als wenn ich ihm je hätte helfen können bei all den Abrechnungen und Buchungen, Bestellungen, Ankäufen und Verkäufen, Krediten und Wechseln und den ständig anwachsenden Schulden. Ich hörte, wenn er mit meiner Schwiegermutter darüber sprach, gab mir Mühe zu verstehen, aber ich verstand nicht. Es war eine andere Welt als die, in der ich aufgewachsen war, und vermutlich war ich eben doch dumm.

Dann lag ich im Bett und konnte nicht schlafen, viel später kam er sehr leise, ich rührte mich nicht, wagte nicht, ihn zu streicheln oder ein tröstendes Wort zu sagen, denn dann würde er mich in die Arme nehmen, und es würde wieder passieren. Ich wusste, dass er mich gern lieben wollte, und ich wollte gern an ihn geschmiegt liegen, aber ich wollte nicht schon wieder ein Kind bekommen.

Er lag still, seine Hand griff nach mir, wir lauschten auf unsere Atemzüge, es war ein zermürbender Zustand für uns beide. Aber sicher hatte unser Doktor ihn gewarnt, hatte gesagt, dass eine vierte Schwangerschaft gefährlich für mich sein könnte.

Warum konnte man sich nicht lieb haben, ohne dass das immer gleich geschah?

»Nun mach nicht so ein gequältes Gesicht«, sagte Marina. »Vorhin als du kamst, nass wie eine gebadete Katze, hast du gestrahlt und hast gesagt, du seist glücklich.«

»Aber ich bin es ja. Jetzt und hier, und solange ich bei dir bleiben kann.«

Sie seufzte ein wenig, möglicherweise verstand sie meine Gefühle sehr gut.

»Wir werden den Professor heute Abend nach einem guten Arzt fragen, er weiß da Bescheid. Und sollte wirklich etwas mit deiner Lunge sein, gehst du nach Davos.«

»Das könnten wir uns nicht …«

»Nicht leisten, ich weiß. Sollte es notwendig sein, werde ich das schon machen.«

Der Professor war ein Professor für Musikgeschichte und Marinas ältester und treuester Freund, er spielte wunderbar Klavier, und manchmal sang sie dazu, Lieder von Schubert oder von Brahms. Hoffentlich hatten sie heute Abend Lust dazu. Falls sie nicht zu viel gegessen hatten.

»Vielleicht bringt er den Jungen mit.«

»Was für einen Jungen?«, fragte ich.

»Sein Schüler. Sehr begabter Junge. Er ist ein Wunder auf der Geige. Es ist eine reine Wonne, wenn die beiden zusammen spielen.«

»Was gibt es zum Nachtisch?«, wollte ich wissen.

»Nicht mehr allzu viel. Vermutlich Kompott.«

»Erdbeeren«, schlug ich vor und leckte mir die Lippen. »Wanda hat mindestens zwanzig Gläser mit eingemachten Erdbeeren da stehen.«

»Sie geht sehr sparsam damit um. Es ist immerhin erst März, und es dauert noch eine ganze Weile, bis die neuen Erdbeeren reif sind. Nun geh, zieh dich aus, nimm ein Bad und leg dich ein bisschen hin. Abendessen um acht. Zieh ein hübsches Kleid an.«

»Als ob ich so was noch hätte.«

»Wir werden in den nächsten Tagen für dich ein wenig einkaufen. Schließlich willst du ja auch mal in die Oper gehen.«

»Und ob!« rief ich. »Ich träume seit Jahren davon.«

Marina war Mamas ältere Schwester, sie und Onkel Ralph waren die beherrschenden Personen meiner Jugend gewesen. Mama war immer kränklich, es fehlte ihr an Temperament, an Lebensfreude und Lebensmut, das besaßen ihre Schwester und ihr Bruder ausreichend.

Onkel Ralph war Anwalt, aber leider war er Reserveoffizier, und so verschlang der Krieg auch ihn.

Marina, eigentlich Marie, war sehr viel älter als ihre Geschwister, Marina Delmonte, die berühmte Sängerin, die Primadonna des Königlichen Opernhauses Unter den Linden.

Ob ich in die Oper gehen wollte, fragte sie. Es kam mir vor, ich sei in der Oper gewesen, ehe ich laufen konnte. Ich kannte all die großen Verdipartien auswendig, die Marina gesungen hatte. Am meisten faszinierte mich als Kind die Aida, denn da hatte sie auf einmal schwarze Haare und ein bräunlich getöntes Gesicht. Sie sang die Agathe, die Martha, beide Marthas, die von Flotow und die aus »Tiefland«, eine ihrer berühmtesten Rollen. Und wie sie tanzen konnte! Geschmeidig bis in die Fingerspitzen. Sie betrachtete allerdings die Isolde als den Höhepunkt ihrer Laufbahn, ich hatte mich, zugegeben, im »Tristan« immer ein wenig gelangweilt. Aber ich war einfach noch zu jung dafür gewesen. Dagegen liebte ich sie als Mimi, ich weinte bitterlich im dritten Akt und am Ende des vierten, denn sie konnte nicht nur singen, sie war auch eine großartige Schauspielerin. Während des Krieges hatte sie sich vom Theater verabschiedet, sie gab noch Liederabende, sang in Oratorien, dann hörte sie ganz auf.

»Man soll mich in Erinnerung behalten, wie ich war. Meistens sehr gut. Mit einer alten Stimme herumzuwimmern, würde alles verderben, auch die Erinnerung.«

Sie kümmerte sich um Mama, um Onkel Ralph, der in einer schlechten Ehe lebte, und hauptsächlich kümmerte sie sich um mich. Sie war nie verheiratet gewesen, hatte keine Kinder, wir waren ihre Familie. Und sie hegte die Hoffnung, ich könnte ebenfalls als Sängerin Karriere machen, ich war nicht unmusikalisch, hatte eine hübsche kleine Stimme, spielte ganz nett Klavier, und sie hatte schon begonnen, mir Gesangsunterricht zu geben, und dann musste ich unbedingt des Kaisers schönsten Leutnant heiraten, durch den ich auf die Klitsche nach Hinterpommern kam. Drei Kinder in fünf Jahren. Liebte ich meine Kinder denn nicht?

Doch, natürlich, ganz wahnsinnig liebte ich sie. Aber sie hatten mir alle Kraft geraubt, hatten mir das Mark aus den Knochen gesogen. So nannte es unser Doktor. »Kein Mark in den Knochen, die junge Frau. Keine Kraft im Körper.«

Ich hatte es zufällig gehört, als er das zu meiner Schwiegermutter sagte. Und sie darauf: »Eine Großstadtpflanze.« Was wusste sie schon von Berlin, vom Zauber, vom Glanz dieser herrlichen Stadt. Vielleicht zur Grünen Woche war sie mal hergekommen. Ob sie jemals in der Oper war? Komisch, ich hatte sie das nie gefragt. Natürlich wusste sie, wer Marina Delmonte war, das wussten sie sogar in Hinterpommern. Es konnte Joachim sehr verärgern, wenn ich von Hinterpommern sprach.

»Wir sind hier in Pommern, und es ist das schönste Land, das ich kenne.«

Gewiss, das Land war schön. Aber was kannte er eigentlich von der Welt? Die Schlachtfelder von Elsass-Lothringen, die Schützengräben in Frankreich.

Übrigens hieß der östliche Teil von Pommern nun mal Hinterpommern, das stand auf jeder Landkarte.

Davos also, die Schweiz, träumte ich vor mich hin, als ich in der Wanne lag, das Wasser reichlich mit Marinas Badesalz parfümiert. Ich konnte meiner Lunge nur dankbar sein, wenn sie Sperenzchen machte und mich eine Weile aus Cossin fortholte. Darum liebte ich Joschi und meine Kinder trotzdem, sehr sogar. Sie waren bei meiner Schwiegermutter gut aufgehoben, ein Kindermädchen hatten wir auch, und überhaupt jede Menge Personal auf dem Gut, ich konnte beruhigt eine Weile fortbleiben.

Ich trocknete mich behaglich mit dem weichen flauschigen Badetuch ab und sang dabei: »Man nennt mich jetzt nur Mimi …« Ich fand meine Stimme sehr hübsch. Klar und süß. Ja, süß, das konnte man ruhig so nennen. Angenommen, ich hätte nicht geheiratet, und Marina hätte mir Unterricht gegeben, dann könnte ich heute auf der Bühne stehen, mit Kraft im Körper und Mark in den Knochen. Für die Isolde würde es nicht reichen, aber für die Mimi und die Gilda allemal.

Des Kaisers schönster Leutnant!

»Der Teufel soll ihn holen!«, das sagte ich laut in den Spiegel hinein, und gleich darauf schämte ich mich so, dass mir die Tränen kamen. Was war ich für ein schlechter Mensch! Was für eine üble Frau für einen so guten Mann. Der liebe Gott würde mich strafen, ich würde die Schwindsucht haben, oder Joachim würde sterben oder eins der Kinder.

Ich ließ vor Schreck das Badetuch fallen und starrte tränenblind in den Spiegel.

Dünn war ich wirklich. Nicht schlank, dünn. Manche Frauen wurden dicker, wenn sie Kinder bekommen hatten, ich war mit jedem Kind dünner geworden. Mein Busen war mickrig und meine Hüften wie aus Porzellan, schmal wie die eines Knaben. Was sollte Joschi eigentlich an mir noch gefallen? So eine Frau konnte kein Mann begehren. Darum schlief er auch nicht mehr mit mir. Doch das war sicher besser für ihn, falls ich wirklich schwindsüchtig war.

Ich versuchte zu husten wie Mimi oder Violetta. Eigentlich hustete ich nie, nur wenn ich mal erkältet war. Davos also. War bestimmt grässlich langweilig, und eine Oper gab es da auch nicht.

Marina würde es bezahlen, das konnte sie ohne Weiteres. Sie hatte immer Geld gehabt, ich kannte es seit meiner Kindheit nicht anders. Nach dem Tod meines Vaters waren Mama und ich in diese Beletage in der Meinekestraße gezogen, eine Wohnung mit zehn riesigen Zimmern, nicht gerechnet Küche, Kammern, die Räume für die Dienstboten und selbstverständlich die Berliner Spezialität: mehrere Hängeböden. Mama führte ihrer berühmten Schwester den Haushalt, so nannte sie es selbst, doch es war mit keinerlei Arbeit verbunden, denn Personal gab es ausreichend, zwei Dienstmädchen, die Köchin, den Chauffeur, die Putzfrau, die Waschfrau und, falls benötigt, ein oder zwei Lohndiener. Die wichtigste Person in diesem Haushalt war Antoinette, Marinas Zofe, auf deren Kommando alle hörten. Sie hieß wirklich so und ließ jeden wissen, dass sie von Hugenotten abstammte, und jedermann in dieser Stadt wisse wohl, was Berlin den Hugenotten zu verdanken habe, ohne Hugenotten gäbe es keine Kultur in Preußen.

Eine amüsante und abwechslungsreiche Kindheit hatte ich in dieser Wohnung erlebt, überhaupt nachdem ich in ein Alter kam, in dem Tante Marina Interesse für mich zeigte. Für kleine Kinder hatte sie nicht allzu viel übrig, die empfand sie eher als lästig.

Es kamen immer viele Gäste ins Haus, Künstler, Wissenschaftler, Offiziere und Damen und Herren von Adel, denn Marina wurde geliebt und verehrt, nicht nur weil sie so schön singen konnte, ihre Klugheit und ihre gelassene Heiterkeit wirkten auf jeden Menschen anziehend. Fast auf jeden. Die anderen wurden von ihr kühl als Banausen abgetan, ein Ausdruck, den ich seit frühester Kindheit kannte. Schon in der Schule, es war selbstverständlich eine teure Privatschule, konnte ich ein Mädchen, das ich nicht leiden mochte, verächtlich damit abfertigen: »Du bist ja ’n Banause.«

War es ein Wunder, dass ich mich glücklich fühlte, wieder einmal in diesen Räumen zu sein, und war es ebenso wenig ein Wunder, dass ich mich langweilte auf dem Land? Und war es nicht zu verstehen, dass ich es genoss, wenigstens vorübergehend in einem Haushalt zu leben, in dem nicht immerzu von dem Geld gesprochen wurde, das man nicht hatte? Marina Delmonte hatte viel Geld verdient, doch das größte Wunder geschah vor anderthalb Jahren: Die Inflation hatte ihr Vermögen nicht aufgefressen, sie war nach dem November 1923 nicht arm wie die meisten Menschen, sie war reicher als zuvor. Das verdankte sie ihrem Bruder Ralph, der schon immer mit Dollar und Schweizer Franken spekuliert hatte, er musste ein Genie an der Börse gewesen sein, da konnte des abgedankten Kaisers Goldmark ruhig dahinsiechen. Sie konnte wirklich mühelos einen Aufenthalt in Davos für mich bezahlen, falls ich wirklich dorthin musste. Und ich hatte auch keinerlei Hemmungen, wenn sie nächster Tage mit mir einkaufen ging, wie sie angekündigt hatte.

Nur, was zog ich an diesem Abend an? Ich öffnete den tiefen, breiten Kleiderschrank in meinem komfortablen Gastzimmer, die paar Plünnen, die ich mitgebracht hatte, wirkten recht kümmerlich darin, und altmodisch waren sie auch. Hier in Berlin waren die Frauen anders angezogen als in Hinterpommern. Jetzt dachte ich Hinterpommern, ich dachte es trotzig, und dann sprach ich laut: »Hinterpommern, Joschi, ob dir das nun passt oder nicht. Und wenn du mal überlegst, wie ich gelebt habe hier in dieser Wohnung, in diesem Haus, in dieser Straße, in dieser Stadt, dann geht es vielleicht in deinen pommerschen Dickschädel hinein, dass ich dort, hinter dem letzten Dorf der Welt, nicht glücklich sein kann.«

Ich weinte nicht mehr, ich war wütend und blickte erbost in den großen Spiegel, den es in diesem Zimmer selbstverständlich auch gab. Es war nicht mein ehemaliges Kinderzimmer, es war das Zimmer für besonders geschätzte Gäste. So!

Erst Anfang des Sommers 1919 war ich von Berlin nach Pommern gezogen, längst ungeduldig ermahnt, den mir zustehenden Platz als Herrin des Gutes einzunehmen. Aber Mamas Krankheit, dann ihr Tod, hatten meinen Umzug verhindert, und als ich dann schließlich auf das Gut kam, war ich trübselig, ich trauerte um Mama, ich fühlte mich ausgestoßen und fremd, daran konnte auch Joschis Liebe nichts ändern. Und was hieß schon Herrin des Gutes! Das war und blieb meine Schwiegermutter. Was mir nicht das Geringste ausmachte. Und dann war ich sowieso unentwegt mit Kinderkriegen beschäftigt.

Schon halb acht. Ich musste mich beeilen. Sicher gab es vor dem Essen ein Glas Champagner, das durfte ich nicht versäumen. Auf Cossin war auch daran nicht im Traum zu denken. »Das können wir uns nicht leisten, nicht wahr, Joachim?«

Ob ich das zartgrüne Seidenkleid anzog? Auch wenn der Professor ein älterer Herr war, gefallen wollte ich ihm trotzdem. Er hatte mich seit einigen Jahren nicht gesehen, ich durfte ihn nicht enttäuschen. Das Grüne hatte einen weiten Rock und ein Spitzenjabot um den Ausschnitt, das machte mich ein bisschen voller, ich musste ja nicht gerade aussehen wie vor dem letzten Zug nach Davos. Ich bürstete mein Haar und steckte es neu auf. Ob ich nun nach Davos reiste oder zurück nach Cossin, die Haare würde ich mir ganz bestimmt abschneiden lassen. Wenn ich sonst schon nichts vom Leben hatte, dann wollte ich wenigstens einen Bubikopf haben.

Ich betrachtete mich sorgfältig im Spiegel in dem grünen Kleid und fand mich eigentlich ganz hübsch.

Natürlich liebe ich dich, Joschi, ich habe immer nur dich geliebt, und ich will dir eine gute Frau sein. Und es gefällt mir in Cossin, wirklich, jeden Tag ein bisschen mehr. Und es kommen auch wieder bessere Zeiten, das sagt jeder. Der Krieg ist nun schon so lange vorbei, und die Inflation haben wir auch überstanden, und das mit dem Versailler Vertrag wird sich schon zurechtschaukeln, das sagt doch immer unser Nachbar, der Herr von Crantz. Die können uns ja hier mitten in Europa nicht verrecken lassen, sagt er. Und vielleicht bekommen wir in diesem Jahr eine gute Ernte. Nur musste ich mich mal erkundigen, wie man es macht, sich lieb zu haben und trotzdem nicht immerzu Kinder zu kriegen. In Berlin wussten sie das bestimmt. Oder ich frage einfach Marina, sie muss es wissen, schließlich hat sie keine bekommen.

»Mon dieu, Julia, Verehrer hatte sie die Menge, von der Garde bis ins diplomatische Korps. Höchster Adel dabei«, soweit Mama. »Sie hätte einen Prinzen heiraten können. Aber sie nahm die Männer immer nur so«, hier schnippte Mama mit den Fingern, »nur so zum Spaß. Ihre Kunst war für sie das Wichtigste im Leben.«

Mama, dünn und blass wie ich, kränklich, immer mit etwas nölender Stimme, bewunderte ihre große Schwester schrankenlos. Aber das tat ich schließlich auch.

Hoffentlich würden die beiden musizieren heute Abend. Und was war das für ein Junge, der dabei sein sollte, ein Schüler vom Professor? Na egal, Hauptsache war erst mal das Essen, Kaviar, die seltsame Ente, mir lief jetzt schon das Wasser im Munde zusammen. Wenn ich bei Marina bleiben durfte, lange, möglichst lange, das würde mir besser bekommen als dreimal Davos.

Am nächsten Tag traf ich Elaine.

Elaine

Am nächsten Tag regnete es nicht mehr, die Sonne schien leuchtend von einem klarblauen Himmel, es sah schon richtig nach Frühling aus. In Berlin kam der Frühling ja immer sehr plötzlich, geradezu über Nacht.

Ich frühstückte mit bestem Appetit, auch am Abend zuvor hatte es mir großartig geschmeckt, den anderen ebenfalls. Der Professor hatte mir die Hand geküsst und ein paar Komplimente gemacht, der Junge war ein junger Mann von Anfang zwanzig, ein bisschen schüchtern, aber gegessen hatte er viel und mit Hingabe. Als er die Geige in die Hand nahm, war er nicht mehr schüchtern, sondern ein Herrscher in seinem ureigensten Königreich.

Sie spielten die Kreutzer-Sonate und dann auf meinen Wunsch die F-Dur-Romanze von Beethoven, kein sehr origineller Wunsch, aber ich hörte sie nun einmal gern. Anschließend sang Marina drei Lieder von Hugo Wolf aus dem Spanischen Liederbuch. Ich schwebte wieder einmal wie auf Wolken.

Einkaufen würden wir erst morgen, erfuhr ich beim Frühstück, denn heute kamen die Masseuse, die Fußpflegerin, die Friseuse, am Abend war Marina eingeladen bei einer Gräfin Soundso. »Ich kann dich leider nicht mitnehmen, erstens hast du nichts anzuziehen, zweitens macht sie immer eine präzise Tischordnung, und drittens würdest du dich langweilen, es geht da immer ziemlich steif zu. Ein paar alte Stabsoffiziere sind auch da, die führen den Krieg noch einmal. Kenne ich auswendig.«

»Und warum gehst du dann hin?«

»Man hat ein paar Verpflichtungen. Außerdem werd’ ich in diesem Kreis sehr verehrt, das gefällt mir«, sagte sie in schöner Aufrichtigkeit. »Sie kennen mich alle noch von der Bühne. Junge Leute wissen manchmal nicht, wer ich bin, da komme ich mir alt vor.«

»Du bist nicht alt. Du bist lebendiger als alle Leute, die ich kenne.«

»Ich bin alt. Aber lebendig trotzdem. Was wirst du denn machen heute Abend?«

»Ich werde lesen. Die ›Woche‹ ist neu, und die ›Berliner Illustrirte‹. Bis wir sie kriegen, ist sie mindestens vierzehn Tage alt.«

»Wanda wird dir ein Schnitzel braten, und du darfst aussuchen, was du dazu haben willst.«

»Am liebsten Bratkartoffeln, die macht sie einmalig.«

»Ein wenig Gemüse auch, und vorher ein Tässchen Suppe. Morgen gehen wir in aller Ruhe einkaufen, überleg dir schon immer mal, was du brauchst. Für Sonnabend habe ich Opernkarten bestellt. Tiefland.«

»Was kann ›Tiefland‹ schon sein ohne dich.«

»Hm«, machte sie, es klang zustimmend. »Wir werden sehen beziehungsweise hören. Es ist schönes Wetter heute, du könntest mit der S-Bahn ein bisschen hinausfahren in den Grunewald und spazieren gehen. Frische Luft ist gut für dich.«

Frische Luft und Wald hatte ich in Pommern ausreichend, der Kurfürstendamm bekam mir viel besser.

Kein Gewaltmarsch heute, ich schlenderte bis zum Olivaer Platz und bummelte auf der anderen Seite des Kurfürstendamms gemächlich zurück, besah sorgfältig alle Schaufenster, um ein paar Anregungen für den nächsten Tag zu bekommen. Was für wundervolle Schuhe es gab! Zierlich und hochhackig, wie für Aschenbrödels Füße geschaffen. Bei uns auf dem Lande würde ich so etwas nie tragen können, da würden sich sogar die Kühe darüber wundern.

Als ich mich mit einem Seufzer, unsere Schwarzbunten vor dem inneren Auge, von dem Schaufenster abwandte, sah ich sie. Ich erkannte sie sofort, wie sie da auf dem breiten Trottoir daherspazierte, noch ein Stück von mir entfernt. Hübsch war sie immer gewesen, jetzt, als erwachsene Frau, war sie noch viel hübscher, sie trug ein rostrotes Kostüm mit einem reichlich kurzen Rock, ein gleichfarbiges Hütchen, über der rechten Schulter hing ein Fuchs. Und die Schuhe, wirklich und wahrhaftig, die Schuhe waren auch rostrot.

Ich stand und starrte, streckte ihr unwillkürlich den Arm entgegen, als sie näher kam. Sie sah es, stutzte, blieb stehen. »Elaine!«, rief ich.

Sie kam die paar Schritte auf mich zu, die uns trennten, und ich merkte, dass sie mich keineswegs auf den ersten Blick erkannte, wie ich sie erkannt hatte. Sie blickte mich fragend an, ich spitzte die Lippen und flötete geziert: »Ah, bonjour, Mademoiselle Elaine. Comment allez-vous aujourd’hui?«

Da lachte sie hellauf. Ich hatte genau den Ton von Madame Legrand getroffen, der Leiterin des Pensionats in Lausanne, wo wir uns kennengelernt hatten, Elaine und ich.

»Das kann nur Julia sein!«, sagte sie.

Wir gaben uns die Hand, dann küsste sie mich auf die Wange. »Ich muss ganz schön alt geworden sein, wenn du mich nicht auf den ersten Blick erkennst.«

»Du siehst aus wie ein junges Mädchen«, sagte sie. »Eigentlich wie früher auch. Ich war in Gedanken, weißt du. Lass dich anschaun.«

Sie legte den behandschuhten Finger unter mein Kinn. »Blass und schmal, das allerdings. Aber die blauen Kinderaugen hast du immer noch. Ach, Julia, wie nett, dich zu treffen.«

Sie legte den Arm um mich und zog mich an sich. Sie war ein wenig größer als ich, ich spürte ihren vollen Busen, als sie mich an sich drückte. Dann blickten wir uns gegenseitig prüfend an.

Sie war immer viel hübscher gewesen als ich, das erkannte ich auch jetzt neidlos an. Ihr Gesicht war dezent geschminkt, die Augen groß und dunkel mit herrlichen langen Wimpern, das Hütchen ließ genug von ihrem dunklen Haar sehen, das mich als Mädchen schon entzückt hatte. Wenn sie es löste, reichte es ihr bis auf die Hüften, schwer wie glänzende Seide.

Es fiel mir denn auch als Nächstes nichts anderes ein, als zu sagen: »Du hast dir die Haare auch nicht abschneiden lassen.«

»Ich kann mich nicht dazu entschließen. Wenn sie ab sind, sind sie ab, nicht wahr?«

»Um deine Haare wäre es ja auch besonders schade.«

»Ich weiß, für eine moderne Frau ist es unmöglich, noch mit langem Haar herumzulaufen. Na ja, eines Tages werde ich genug Mut gesammelt haben. Aber du hast auch noch langes Haar.«

»Ach, ich! Ich lebe doch in der Verbannung. Den Kühen ist es egal, wie mein Kopf ausschaut.«

Seit ich die Schuhe betrachtet hatte, waren die Kühe offenbar in meinen Gedanken präsent geblieben. »Aber ich habe mir geschworen, ehe ich heimfahre, lasse ich mir einen ganz kurzen Bubikopf schneiden. Was ich dann allerdings in Hinterpommern damit anfangen soll, weiß ich nicht, einen Friseur haben wir nicht in erreichbarer Nähe.«

Und den können wir uns auch nicht leisten, fügte ich in Gedanken hinzu.

»Hinterpommern?« fragte sie.

»Da lebe ich.«

»Aber du hast doch deinen flotten Leutnant geheiratet. Und du warst so verliebt. Warte, wir haben uns im Oktober siebzehn gesehen, ihr hattet gerade geheiratet. Mein Gott, ist er denn … sag bloß nicht, dass …«

Sie schaute mich mit erschrockenen Augen an, und ich schüttelte den Kopf.

»Nein, nein, er ist nicht gefallen. Aber sein Vater und sein Bruder, und darum sitzen wir jetzt auf dem Gut. Er muss das machen, verstehst du? Das Gut ist da, und von irgendwas müssen wir ja leben. Aus dem Krieg ist er zwar als Rittmeister heimgekommen, aber damit war Schluss mit der Karriere. Da sind wir eben jetzt in Hinterpommern. Das Leben ist dort ziemlich schwierig heutzutage, Joachim kann sich nicht mal einen Verwalter leisten, er muss alles allein machen.«

»Und du, so eine echte Berlinerin, das ist nicht ganz einfach, ich kann es mir denken. Musst du denn auch viel arbeiten?«

»Nee, das ist nicht so schlimm. Ich verstehe sowieso nichts von Landwirtschaft. Meine Schwiegermutter ist ja da, die macht das schon. Aber ich habe drei Kinder, deswegen sehe ich so vermickert aus.«

»Drei Kinder! Das ist ja allerhand. Das musst du mir genau erzählen. Komm, wir gehen eine Tasse Kaffee trinken.«

»Au ja«, sagte ich. Mit einer Freundin in einem Café am Kurfürstendamm sitzen, das hatte mir noch gefehlt zu meinem Glück.

»Wir könnten zu ›Möhring‹ gehen«, schlug ich vor.

Sie schob ihren Arm unter meinen.

»Ach nein, lass uns ins ›Romanische Café‹ gehen, da sind immer so interessante Leute. Lauter berühmte Männer und solche, die es werden wollen.«

»Aha, ich sehe schon, für interessante Männer schwärmst du immer noch.«

Sie lachte. »Ununterbrochen.«

Wir gingen nebeneinander in Richtung Gedächtniskirche und redeten, meist gleichzeitig, aufeinander ein.

Ich war selig. Berlin, Tante Marina, und nun noch Elaine, das Leben konnte gar nicht schöner sein.

Leider hatte sie nur eine Stunde Zeit, für den frühen Nachmittag habe sie etwas vor, sagte sie. Aber sicher könnten wir uns in den nächsten Tagen wieder treffen.

Da hatte ich eine glorreiche Idee.

»Heute! Heute Abend. Tante Marina ist eingeladen, und ich bin ganz allein. Du kommst zu mir, wir können zusammen essen, Schnitzel und Bratkartoffeln. Und Gemüse natürlich. Und vorher ein Tässchen Suppe. Ja? Kommst du?«

»Heute Abend?« Sie überlegte. »Ja, das ließe sich machen. Aber wird es Madame Delmonte recht sein, wenn ich so einfach komme und sie ist nicht da?«

»Bestimmt ist ihr das recht. Du kennst sie nicht. Sie ist einfach fabelhaft.«

Ich musste mich beherrschen, um nicht wie ein Kind von einem Bein auf das andere zu hüpfen, als ich in die Meinekestraße zurückkehrte. Das musste ich sofort Marina erzählen. Und Wanda musste ich sagen, dass ein Gast zum Abendessen kommen würde. Wir könnten eine Flasche Wein trinken zu dem Schnitzel, und ich würde Elaine alles von meinem Leben berichten. Viel blieb zwar nicht mehr übrig, das meiste hatte ich schon in der vergangenen Stunde erzählt. Aber meine Gefühle und meine Gedanken, meine Wünsche und meine Träume, die musste ich noch loswerden.

Ich war nur ein halbes Jahr in dem Pensionat in der Schweiz gewesen, dann begann der Krieg.

Es war Marinas Wunsch gewesen, dass ich für ein Jahr oder besser noch für zwei Jahre ein Schweizer Pensionat besuchte, wegen der Sprache, wegen des Auftretens und vor allem der feinen Lebensart wegen. Ich war ein Kind, das tun durfte, was es wollte, am liebsten spielte ich mit den Jungen vom Hinterhof, und dort hatte ich mir einige nicht sehr passende Ausdrücke angewöhnt; der Bühnenjargon, von dem ich auch allerhand aufgeschnappt hatte, kam hinzu. Mama seufzte öfter darüber und fand Marinas Vorschlag ganz fabelhaft, ich weniger.

Ich war bockig, ich wollte da nicht hin.

Elaine, fast zwei Jahre älter, war schon eine richtige junge Dame und schon länger im Institut von Madame Legrand, denn sie war Waise, ein Vormund bezahlte den Aufenthalt in dem teuren Pensionat. Französisch sprach sie perfekt, denn, das erwähnte sie bei jeder Gelegenheit, ihre Mutter sei schließlich Französin gewesen, Pariserin dazu.

Mein Französisch war miserabel trotz der Zofe Antoinette, die von den Hugenotten abstammte. Antoinette sprach leider die Sprache ihrer im siebzehnten Jahrhundert eingewanderten Vorfahren nicht, sie konnte dafür fließend berlinern, und das konnte ich auch.

Ich bewunderte Elaine vom ersten Tag an schrankenlos, ihr Aussehen, ihr Auftreten, ihre Gewandtheit, sich auszudrücken. Und da ich in eine ganz fremde Welt gekommen war, unter teilweise sehr hochnäsige oder auch naseweise junge Mädchen, die keinesfalls sehr freundlich zu mir waren, schloss ich mich eng an Elaine an.

Ich war von zu Hause aus verwöhnt und vielleicht etwas vorlaut, das einzige Kind unter lauter Erwachsenen, aber dort war ich scheu und fühlte mich schlecht behandelt. Wenn ich mir das heute so überlege, begreife ich die Haltung der anderen Mädchen viel besser. Wir hatten hauptsächlich Französinnen und Engländerinnen in dem Pensionat, und sie standen, von zu Hause aus beeinflusst, dem Deutschen Reich sehr kritisch gegenüber. Ich war eine Deutsche, noch dazu aus Berlin, aus der Reichshauptstadt, und unser Kaiser war natürlich für mich der Höhepunkt, soweit es irdische Wesen betraf. Nicht zu vergessen, dass er meist in den Premieren war, wenn Marina sang, das sprach für ihn.

Äußerungen dieser Art stießen auf Spott und Bosheit, das war für mich eine ganz neue Erfahrung, außerdem war es noch nie geschehen, dass man nicht in Begeisterung ausbrach, wenn der Name Marina Delmonte erwähnt wurde.

Mama brachte mich kurz nach Weihnachten in das Institut von Madame Legrand, im August 1914 begann der Krieg, dieser schreckliche endlose Krieg, der so viele Menschen töten oder zu Krüppeln machen, den Kaiser vertreiben und das Deutsche Reich zugrunde richten sollte.

In meiner Vorstellungswelt gab es weder Krieg noch Feindschaft zwischen den Völkern, doch nun, da ich das ganze Unheil miterlebt hatte, glaube ich, dass die Neigung zu Mord und Krieg in der Luft lag, wenn es sogar unter jungen Mädchen, halben Kindern noch, zu erspüren war.

Es verwirrte mich, es ärgerte mich, abfällige Bemerkungen über mein Land, meine Heimat, meinen Kaiser zu hören, es machte mich noch bockiger, alles in allem fand ich das Pensionat grässlich. Wenn Elaine nicht gewesen wäre. Madame Legrand und die anderen Lehrerinnen, das muss man gerechterweise zugeben, beteiligten sich nicht an dieser im Untergrund schwelenden Feindseligkeit, sie haben es vermutlich nicht einmal bemerkt. Sie waren freundlich und gerecht, behandelten alle Mädchen gleich, und wenn sie tadelten, geschah es wegen mangelnder Leistung, Ungezogenheit oder schlechtem Benehmen. Ich war nicht ungezogen, nur unglücklich. Und daran gewöhnt zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen war, nur eben nicht gerade auf Französisch. Doch ich versuchte mein Bestes, und Elaine half mir dabei. Dafür wusste ich sehr viel über Musik, besonders über Opern, ich spielte ganz nett Klavier, Elaine allerdings noch viel besser, sie hatte eine hübsche Stimme, und sie wusste, wer Marina Delmonte war. Elaine war immerhin eine halbe Deutsche, der Vater war Balte gewesen.

Das Mädchen, das mir offen feindselig gegenüberstand, war seltsamerweise auch eine Deutsche, eine Hamburgerin, ein kühles blondes Geschöpf, recht hübsch, ein Jahr älter als ich, und sie grenzte sich von Anfang an sehr bewusst von mir ab.

»Du bist eine Preußin«, teilte sie mir mit.

»Ja, schon. Aber ich bin Deutsche wie du auch.«

»Wir sind Hanseaten«, war die verblüffende Antwort, worunter ich mir nicht viel vorstellen konnte. Getreu diesem Ausspruch verkehrte sie am liebsten mit den Engländerinnen, denn sie sprach, eine Seltenheit, perfekt Englisch. Dafür war ihr Französisch sehr mangelhaft, glücklicherweise.

Sie mochte auch Elaine nicht und erklärte mir eines Tages: »Sie heißt nicht Elaine, sie heißt Helene. Und das Baltikum hat sie nie gesehen. Wir kennen uns da nämlich aus, wir treiben Handel mit Riga. Das ist auch eine Hansestadt.«

»Dann nennt sie sich eben Elaine«, erwiderte ich wütend. »Ist doch egal, wie sie sich nennt.«

Tatsache war, dass Elaine über ihre Herkunft und ihre Familie nicht sprach, oder nur sehr knapp, und manchmal widersprach sie sich. Von der Hanseatin in die Enge getrieben, gab sie zu, nur als Kind in Riga gewesen zu sein, ein andermal sprach sie von Reval und von einem großen Rittergut an der Ostsee, wo sie aufgewachsen war. Außerdem hatte sie ihre Eltern früh verloren. Geheimnisvoll fügte sie hinzu, ihr Vater sei in einem Duell gefallen. Das fanden die Mädchen interessant, denn in unserer aufgeklärten Zeit war es längst verboten, sich zu duellieren, man kannte das nur aus Romanen.

»Und deine Mutter?«, forschte die Hanseatin.

»Sie starb an gebrochenem Herzen«, sagte Elaine mit einem gewissen Pathos. »Sie war der Anlass für das Duell. Ganz unschuldig natürlich.«

»Woher willst du das denn wissen, wenn du noch so klein warst«, sagte daraufhin die Hanseatin. »Außerdem stirbt man nicht an gebrochenem Herzen.«

»Woher willst du denn das wissen«, war die kühle Antwort von Elaine, »du hast ja keins.«

Junge Mädchen können bösartig und gehässig sein, auch das war für mich eine neue Erfahrung. Die Briefe, die ich nach Hause schrieb, klangen wohl ziemlich deprimiert. Mama schrieb einmal, ich solle versuchen, es wenigstens ein Jahr auszuhalten, dann wäre mein Französisch sicher perfekt.

Im Mai kam Onkel Ralph mich besuchen, und das hob mein Renommee beträchtlich, ein gut aussehender und charmanter Onkel, das war schon etwas, womit man den Mädchen imponieren konnte. Er fand Elaine sehr reizvoll und lud uns beide in das beste Restaurant von Lausanne zum Essen ein. Elaine flirtete ein wenig mit ihm, das konnte sie sehr gut, und er ging in seiner liebenswürdigen Art darauf ein. Ich war eifersüchtig.

Das verschwieg ich ihm nicht, als ich ihn am nächsten Tag zum Bahnhof brachte. Er lachte mich aus und schloss mich in die Arme, nachdem ich gesagt habe: »Ich sehe schon, sie ist viel hübscher als ich, und jetzt ist sie dein Liebling.«

»Du bist mein einziger Liebling auf dieser Welt, das weißt du doch. Ich freue mich schon, wenn du nächstes Jahr wieder da bist, dann werden wir ganz groß ausgehen, wir beide ganz allein. Denn dann bist du schon eine junge Dame.«

Er hatte keine Kinder, seine Ehe war ziemlich verkorkst, das wussten wir alle, Marina sprach in aller Offenheit darüber.

»Immer hat er meinen Rat befolgt, und es war zu seinem Besten. Und dann geht er hin und heiratet diese Zimtzicke. Ich hatte ihn gewarnt.«

Ich kannte seine Frau kaum, sie kam nie zu uns ins Haus. In die Oper ging sie überhaupt nicht, und sie war, wie Mama mir einmal mitgeteilt hatte, ein »Banause«.

Das schlimmste Schimpfwort in unserer Familie.

Für Onkel Ralph war ich wie eine Tochter, und mehr noch, wie ich an jenem Tag auf dem Bahnhof von Lausanne erfuhr, sein einziger Liebling. Das gefiel mir.

Er fügte dann noch hinzu: »Sieh mal, mein kleines Mädchen, es ist für dich ganz gut, mal ein Jahr lang in anderer Umgebung zu sein. Du musst lernen, auch mit anderen Menschen auszukommen, und ihr habt ja da so ein wenig internationale Atmosphäre in eurem Pensionat, das ist auch ganz lehrreich. So in zwei, drei Jahren, wenn du dann eine wirklich erwachsene junge Dame bist, werden wir beide eine Reise nach Paris machen. Und vielleicht auch zwei Wochen an der Riviera verbringen. Es ist also wichtig, dass du gut Französisch sprichst. Und diese Elaine ist doch sehr nett. Muss dir doch Spaß machen, mal eine Freundin zu haben.«

Da war ich gerade sechzehn geworden, im Mai 1914. Elaine war achtzehn. Zwei Jahre machen in diesem Alter viel aus, sie war schon eine junge Dame.

Helles Entsetzen erregte ich im Pensionat, als es wärmer wurde, und ich den Wunsch äußerte, im Genfer See zu schwimmen. Man wollte mir das glatt verbieten, aber in diesem Fall setzte ich meinen Willen durch, denn Schwimmen war meine große Leidenschaft. Ich hatte es bei Onkel Ralph gelernt, als ich sieben war, Seen gab es ja um Berlin herum genug. Ich schwamm ausdauernd und sicher, genau wie er.

Das war mal etwas, das ich konnte und Elaine nicht. Sie konnte nicht schwimmen, hatte auch nicht die Absicht, es zu lernen, war nicht einmal zu bewegen, wenigstens ein Stück ins Wasser hineinzuwaten.

»Das ist mir viel zu kalt«, meinte sie und schüttelte sich. Die Hanseatin machte mit und eine von den Engländerinnen. Wir erregten großes Aufsehen bei den Leuten, die uns vom Ufer aus zusahen.

Onkel Ralph hatte großen Eindruck auf Elaine gemacht, sie sagte einmal: »So einen Mann wie deinen Onkel möchte ich heiraten.«

»Klar«, sagte ich. »Den würde ich auch nehmen. Aber er hat schon eine Frau. Und er ist ja mein Onkel. Ist auch nicht schlecht.«

Sie seufzte. »Ich wünschte, mein Onkel würde mich auch einmal besuchen.«

»Du meinst deinen Vormund?«

»Ja.«

»Ist er denn dein Onkel? Da hast du noch nie von erzählt.«

»Ein Bruder meiner Mutter.«

»Aber dann ist er ja Franzose.«

Sie überlegte eine Weile. »Nicht so ganz. Seine Mutter war Russin.«

»Russin!«, staunte ich. »Dann war deine Großmutter Russin?«

»Ja. So kam die Verbindung zum Baltikum. Du weißt ja, dass es zum Russischen Reich gehört.«

Ich hatte es nicht gewusst, aber nun wieder einmal etwas dazugelernt.

Elaine wurde immer interessanter. Mit ihren großen dunklen Augen blickte sie melancholisch über den Genfer See, es war an einem Abend Mitte Juni, und ich fand, sie sah genauso aus, wie ich mir eine Mischung aus Russin und Französin vorstellte. »Ich wünschte, Onkel Fedor würde mich auch einmal besuchen.«

»Und warum tut er es nicht?«

»Er will mich nicht sehen. Er ist ein sehr leidenschaftlicher Mann, und er hat meinem Vater nie vergeben, dass er schuld ist am Tod meiner Mutter. Dabei hatte sie nichts Unrechtes getan. Sie war sehr schön, und sie hatte viele Verehrer. Mein Vater muss rasend eifersüchtig gewesen sein.«

Das war wie in einem Roman, und ich sagte nachdenklich: »Vielleicht hat deine Mutter zu viel kokettiert mit den Männern, die sie umschwärmten.«

»Wie meinst du das?«, fuhr sie auf.

»Könnte doch sein. Wenn sie war, wie du bist.«

»Wie bin ich denn?«

»Na, auch sehr schön. Und kokettieren kannst du gut, das habe ich bei Onkel Ralph gesehen. Er war ja ganz hin und weg von dir.«

Nun lächelte sie. »Das hört sich an, als seist du eifersüchtig.«

»Ach wo«, sagte ich großmütig. »Onkel Ralph liebt mich am meisten. Aber da sieht man, wie es geht mit solchen Gefühlen. Wenn du mal an deinen Vater denkst. Vielleicht hat er wirklich keinen Grund gehabt, eifersüchtig zu sein. Aber er war es nun mal, falls deine Mutter einen Mann so angesehen hat wie du Onkel Ralph.«

»Erzähl mir von seiner Frau!«

»Nicht der Rede wert. Tante Marina nennt sie eine Zimtzicke. Und ein Banause ist sie auch. Wir können sie alle nicht leiden. Erzähl von deiner Mutter!«

»Da kann ich leider nicht viel erzählen. Es gibt ein wunderschönes Gemälde von ihr, aber das hat Onkel Fedor behalten.«

»Warum will er denn nun wirklich nichts von dir wissen? Du kannst doch nichts dafür, dass es so gekommen ist.«

»Er kann es nicht verzeihen, dass ich die Tochter meines Vaters bin«, sagte sie düster.

»Aber er bezahlt doch für dich.«

»Ja, er bezahlt alles, was ich brauche. Aber er will mich nicht sehen.«

Ich legte den Arm um ihre Schultern.

»Das ist eine Gemeinheit. Was macht er denn?«

»Wieso, was soll er machen?«

»Ich meine, was hat er für einen Beruf!«

»Beruf?«, fragte sie erstaunt. »Er braucht keinen. Er hat Geld genug.«

Das war höchst eindrucksvoll, bei mir zu Hause verdienten sie ihr Geld durch einen Beruf, Tante Marina, Onkel Ralph. Mama nicht, aber mein Vater hatte einen Beruf gehabt, er war kaiserlicher Beamter gewesen. So nannte es Mama, und ich konnte mir nichts Genaues darunter vorstellen. Jetzt dachte ich darüber nach und nahm mir vor, mir das erklären zu lassen, wenn ich wieder in Berlin sein würde.

Vierzehn Tage später fielen die Schüsse von Sarajewo. Aus der Reise nach Frankreich mit Onkel Ralph wurde nichts.

Der Abschied von Lausanne ging überaus schnell. Elaine blieb in der Schweiz, doch dann traf ich sie überraschend im Oktober 1917 während der Pause im Theater. Joachim und ich waren seit wenigen Tagen verheiratet, wir hatten eine kurze Hochzeitsreise gemacht, zwei Tage davon verbrachten wir in Dresden und zwei weitere in Bad Schandau im Elbsandsteingebirge.

Im Hotel Bellevue in Dresden erfuhr ich, was Liebe war, und es bedeutete eine große Überraschung für mich, denn bis dahin hatte ich nicht die geringste Vorstellung gehabt, wie diese Sache in der Praxis aussah. Trotz der vielen Opern, die ich gesehen hatte, in denen ewig von Liebe gesungen, aus Liebe gekämpft, gelitten und gestorben wurde. Das war eben nur Theorie. Weder Mama noch Tante Marina hatten es für nötig gehalten, mir wenigstens ein paar Andeutungen zu machen. Ich wurde ins Wasser geschmissen wie ein junger Hund und konnte schwimmen, es machte mir nicht einmal allzu viel Mühe.

Joachims Körper war angenehm, seine Haut, sein Mund, und was er mit mir tat, erstaunte mich zwar, aber es stieß mich nicht ab. Was er vorher für Erfahrungen gemacht hatte, wusste ich nicht, und wir sprachen auch später nicht darüber. Besonders raffinierte Erlebnisse konnten es nicht gewesen sein, keine große Leidenschaft, er war sehr zärtlich, sehr behutsam, und als wir uns trennen mussten, liebte ich ihn genauso wie zuvor. An meinem Leben änderte sich nicht viel, ich blieb bei Tante Marina und Mama, verwunderlich war es höchstens, dass ich nicht gleich schwanger geworden war. Nun wartete ich, dass der Krieg ein Ende haben würde, und betete um das Leben meines Mannes, wie so viele Frauen in dieser Zeit, und ich tat es nicht vergebens.

Den letzten Tag verbrachten wir in Berlin, am Abend gingen wir ins Theater, und dort trafen wir Elaine.

Sie war sehr elegant und schien sich zu freuen, mich zu sehen.

»Quelle surprise! Ma petite Julia«, sagte sie, und Joachim runzelte die Stirn, man sprach damals nicht französisch in Deutschland.

Sie war in Begleitung eines älteren Herrn, und ich dachte sofort, es könne vielleicht Onkel Fedor sein, aber sie sagte, es sei ein Freund ihres Vaters, den sie als Monsieur Garbanow vorstellte. Herr Garbanow machte eine leichte Verbeugung und schwieg. Er spreche nicht Deutsch, erklärte Elaine, und dann sprach sie von der Revolution in Russland und wie schrecklich das alles sei, aber dieser Freund ihres Vaters habe sich retten können und sei nun in Sicherheit. Er werde mit ihr in die Schweiz reisen. Von einer Revolution hatte ich gehört, aber Näheres wusste ich nicht darüber.

Ob sie denn noch in der Schweiz lebe, fragte ich, und sie erwiderte, ja, nach wie vor in Lausanne. Ich hätte ja nun fragen können, wieso sie sich in Berlin aufhielt, denn wir hatten immerhin seit dreieinhalb Jahren Krieg, und so ungeniert konnte man nicht mehr über Grenzen ein- und ausreisen, doch darauf kam ich gar nicht, ich musste ja erzählen, was sich neuerdings in meinem Leben ereignet hatte. Es erstaunte sie, dass ich geheiratet hatte.

»So ein Baby wie du«, sagte sie lachend.

Sie ihrerseits war verlobt, wie sie berichtete, ihr Verlobter sei Franzose, und ganz demnächst werde sie versuchen, nach Paris zu gelangen. »Ich hoffe, er kann mir dazu verhelfen. Er ist Capitaine.«

»Er ist im Feld?«, fragte Joachim.

Sie nickte. »Ja. Leider.«

Dann war die Pause zu Ende, wir verabschiedeten uns, sie bedauerte, dass wir uns nicht mehr treffen könnten, aber sie musste Berlin schon am übernächsten Tag wieder verlassen. Als wir zu unseren Plätzen gingen, sagte Joachim, es sei doch ein merkwürdiges Gefühl, eine Frau kennengelernt zu haben, deren Verlobter an der Front war, auf der anderen Seite, und auf den er vielleicht schon in der nächsten Woche schießen müsse.

»Oder er auf dich«, sagte ich. »Ach, dieser grässliche Krieg! Wie lange wird es denn noch dauern?«

Er gab keine Antwort, und ich sah wieder die harte, bittere Linie um seinen Mund, die des Kaisers schönster Leutnant früher nicht gehabt hatte.

»Wie gefällt sie dir denn?«, fragte ich.

»Wer?«, fragte er abwesend.

»Na, Elaine.«

»Eine hübsche Person. Etwas verwirrend.«

»Wie meinst du das?«

»Sie reist einfach so durch die Gegend. Und nach Paris will sie auch.«

»Von der Schweiz aus geht das vielleicht.«

»Vielleicht ist sie eine Spionin.«

»Du bist verrückt«, sagte ich.

Die Spionagefurcht ging damals um, man wurde ständig gewarnt, wachsam und vorsichtig zu sein.

An diesem Tag im März des Jahres 1925 musste ich daran denken. Von Spionen sprach heute kein Mensch mehr, aber was die Revolution in Russland bedeutete, wussten wir inzwischen sehr genau. Ich musste Elaine fragen, wie es Monsieur Garbanow ging und was aus Onkel Fedor geworden war und aus dem französischen Capitaine. Im »Romanischen Café« hatte ich nur von mir und meinem Leben erzählt und nebenbei registriert, wie viele der berühmten Männer, oder jene, die es werden wollten und die in diesem Café saßen, kamen oder gingen, Elaine kannten und grüßten.

Schon vorbei

Mein Leben schien perfekt zu sein; Berlin, Tante Marina,

Elaine, neue Kleider, Frühling, Theater, ich steckte voller Pläne für die nächste Zeit. Es war ein kurzer Traum, er dauerte gerade noch eine Woche, dann kamen ein Telegramm und ein Brief.

Es war der Tag, an dem das Diner stattfand, das Tante Marina mir zu Ehren gab.

Die Woche war randvoll ausgefüllt gewesen. Nach meinem Abendessen mit Elaine ging Marina mit mir einkaufen, bei ihrer Schneiderin wurde ein Kostüm für mich angemessen, zwei Kleider kauften wir am Kurfürstendamm, gleich um die Ecke. Es war nicht schwer, für mich etwas Passendes zu finden.

»Ich bin viel zu dünn«, klagte ich, als ich vor dem Spiegel stand.

»Gnädige Frau haben eine wundervolle Figur«, lobte die Verkäuferin, und Marina sagte: »Ganz zeitgemäß. Die Garçonne ist die Frau der Gegenwart.«

Na, auch gut. In Hinterpommern wussten wir bloß wieder nicht, was modern war.

Ich erzählte Marina im Detail, wie der Abend mit Elaine verlaufen war.

»Wir haben sogar zwei Flaschen Wein getrunken«, verkündete ich stolz.

»Beachtlich. Ich hatte den Eindruck, du warst ein wenig beschwipst, als ich heimkam.«

Ich nickte begeistert. »Das war ich. Ach, das war ich seit damals nicht mehr.«

»Wann war damals?«