Wo hohe Türme sind - Utta Danella - E-Book
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Wo hohe Türme sind E-Book

Utta Danella

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Beschreibung

Kurz nach dem 1. Weltkrieg wächst Angèle geliebt und behütet auf Schloss Bodenstein auf. Ihr Vater, Graf Bodenstein, fühlt sich als Böhme, nichts anderes, es ist ihm gleichgültig, zu welchem Staat seine Heimat gerade gehört. Als er 1938 stirbt, heiratet Angèle den fürsorglichen Arzt Karl Anton Wieland, doch der 2. Weltkrieg beendet ihr glückliches Leben auf dem Schloss mit dem hohen Turm. Angèle verliert alles: ihre geliebte böhmische Heimat, ihre Freunde und den Mann, der verschollen bleibt. Mit Tochter Blanca und Stiefsohn Peter flüchtet sie nach Franken zu Josefa, der Schwester ihres Mannes. Die Familiengeschichte verfolgt das schillernde Schicksal der schönen Gräfin und ihrer Familie in den stürmischen Zeiten der Nachkriegsjahre bis 1990 – vom Frankenland über Wien, Berlin, München, Amerika, Italien – bis der Kreis sich in Prag wieder schließt.

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Seitenzahl: 815

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Utta Danella

Wo hohe

Türme sind

Roman

hockebooks

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Utta Danella: Wo hohe Türme sind. Roman

Copyright ©2016 by Erbengemeinschaft Utta Danella vertreten durch AVA international GmbH, Germany

Die Originalausgabe ist 1993 im Knaus Verlag, München erschienen.

Überarbeitete Neuausgabe ©2020 by hockebooks gmbh

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: Joachim Luetke (www.luetke.com) unter Verwendung eines Motivs von mareksaroch.cz/shutterstock.com

ISBN: 978-3-957-51355-7

www.ava-international.de

www.uttadanella.de

Gewidmet

dem Land Böhmen

und seinem großen König,

der die Stadt Prag zur

europäischen Kulturmetropole machte,

Karl IV.

Kaiser des Heiligen Römischen Reiches

Deutscher Nation

Prolog

Die Gemahlin des Kaisers erwachte zu ungewohnt früher Stunde. Ein schrilles, kratzendes Geräusch hatte sie so jäh geweckt, dass sie erschrocken die Augen aufriss, noch gefangen in einem Traum, nun verwirrt in der fremden Umgebung. Was war das? Und wo befand sie sich eigentlich? Ach ja, in einem Hotel. Sie musste geträumt haben. Sicher von einem Krach mit der Bürgerin.

Sie wandte den Blick zur Seite, seine Stirn lag auf ihrer Schulter, er schlief noch fest. Ihre Körper berührten sich nicht, denn er wusste, dass sie das nicht mochte. So leidenschaftlich sie in der Umarmung war, so zärtlich sie sich an ihn schmiegte, zuvor und danach, im Schlaf wollte sie allein sein.

Sie schloss die Augen, öffnete sie gleich wieder. Sie würde nicht wieder einschlafen, so hell wie es in diesem Zimmer war, die Vorhänge taugten nichts.

Sie zuckte mit der Schulter. Wenn sie nicht schlief, brauchte er auch nicht zu schlafen.

Er war sofort da. Sein Arm legte sich so behutsam um ihren Körper, wie seine Stirn an ihrer Schulter gelegen hatte.

»Du bist schon wach?«

»Es ist so hell. Und so ein Krach.«

»Was für ein Krach? Ich höre nichts.«

»Ein grässliches Geräusch. Vielleicht habe ich auch nur geträumt. Nein! Da ist es wieder. Das geht einem durch und durch.«

»Was ist das denn?«

Ein schleifendes, schepperndes Kratzen direkt vor dem Fenster. Er lachte leise. »Das ist die Straßenbahn. Die hättest du gestern schon hören können, als wir schlafen gingen. Aber du hattest fünf Becherovka getrunken, da hast du gar nichts mehr gehört.«

»Du gehst mit mir in ein Hotel, an dem direkt eine Straßenbahn vorbeifährt?« Sie richtete sich auf und schüttelte seinen Arm ab. »Also wirklich!«

»Es ist das erste Haus am Platze. Und schalldichte Fenster haben sie hier noch nicht.«

»Es hat mir gleich nicht gefallen. Warum sind wir überhaupt hier?«

»Du wolltest partout in diese Stadt.«

»Sag bloß nicht wegen dem Bier.«

»Wegen des Bieres«, verbesserte er freundlich.

»Ach, komm mir nicht germanistisch. So spricht kein Mensch. Außerdem kann ich Bier nicht ausstehen, das weißt du doch. Ich habe für den Rest meines Lebens genug von Bier.«

»Das weiß ich, Liebling. Aber jetzt bist du in Pilsen, und hier gibt es ein besonders gutes Bier. Mir hat es gestern Abend sehr gut geschmeckt, und ich habe bestens darauf geschlafen.«

»Du bist ganz einfach rücksichtslos. Du schläfst wie ein Ratz, und ich kann nicht schlafen.«

»Du bist noch vor mir eingeschlafen. Ich habe nicht einmal einen Gute-Nacht-Kuss bekommen.«

»Wozu auch?«, sagte sie streitlustig. »Du bist lange genug ohne Gute-Nacht-Kuss von mir ausgekommen.«

»Umso notwendiger brauche ich ihn jetzt.«

Diesmal nahm er beide Arme, sie ließ sich zurücksinken, doch sie drehte den Kopf zur Seite, sodass er nur ihre Wange küssen konnte. »Du wachst auf und bist gleich schlechter Laune, Majestät.«

»Das bin ich oft. Überhaupt, wenn ich nicht ausgeschlafen habe. Wie spät ist es eigentlich?«

Er griff über die Schulter nach der Uhr auf dem Nachttisch. »Kurz nach sieben.«

»Na bitte! Das ist eine unmenschliche Zeit, um aufzustehen.«

»Wer redet von Aufstehen?«

»Nein, lass mich. Es ist auch zu früh für die Liebe.«

»Dann schlaf noch ein bisschen.«

»Kann ich nicht. Mit diesem Ungeheuer auf der Straße. Jetzt kommt sie wieder. Kannst du mir sagen, aus welchem Jahrhundert diese Straßenbahn stammt?«

»Möglicherweise aus dem vorigen. Kann sein, dein Vater ist schon damit gefahren. Oder dein Großvater.«

»Mein Vater war Arzt und hatte ein Auto. Und mein Großvater war Ingenieur bei den Škoda-Werken, also wird er wohl auch ein Auto gehabt haben.«

»Nehmen wir mal an, als dein Vater ein kleiner Junge war und in die Schule ging, dass er damals …«

»Mit dieser quietschenden Tram gefahren ist. Du langweilst mich. Hör auf, von dieser blöden Straßenbahn zu reden.«

»Du hast davon angefangen.«

»Erklär mir lieber, warum wir hier sind. In diesem blöden Hotel mit der blöden Straßenbahn vor dem Fenster. Das Essen war auch schlecht. Nur der Schnaps war gut. Wie heißt er, sagst du?«

»Becherovka. Ich habe ihn dir empfohlen, ich wusste nur nicht, dass du dich damit betrinken würdest.«

»Ich bin nicht betrunken von fünf Schnäpsen. Sie schenken allerdings sehr gut hier ein, das muss ich zugeben.«

»Das erste Lob, das du der Heimat deiner Väter zukommen lässt.«

»Becherovka. Trink ich heute wieder. Du kennst ihn wahrscheinlich aus Prag, als du mit deiner Freundin dort warst.«

Er nickte. »Ich kenne ihn aus Prag, als ich mit meiner Freundin dort war.«

»Wie oft warst du mit der Dame in Prag?«

»Mindestens viermal. Wenn nicht fünfmal.«

»Ich hasse dich. Vermutlich bist du nichts anderes als ein widerlicher kommunistischer Spion.«

»Das könnte man vermuten.«

»Darum hat man mich auch nicht verhaftet, eingesperrt, gefoltert und hingerichtet, als ich gestern über die Grenze kam.«

»Warum sollte man das alles mit dir tun?«

»Wenn sie wissen, wer ich bin, werden sie es tun. Und natürlich wissen sie es. Aber sie denken, du wirst mich ihnen sowieso ausliefern.«

»Und warum sollte ich das tun?«

»Du bekommst dafür den Stalin-Orden. Oder den Lenin-Orden, oder was es heute so gibt. Aber am Ende werden sie dich auch hinrichten, das geht allen verdammten Spionen so. Das hat der Kaiser auch mit ihnen getan. Eigentlich hätte der Grenzer an meinem Namen sehen müssen, dass ich die Frau des Kaisers bin.«

»Du erwartest zu viel von einem Grenzbeamten. Er weiß weder, wer der Kaiser war, noch wie seine Frauen hießen. Das lernt man heutzutage nicht in einer tschechischen Schule.«

»Sprich nicht in der Mehrzahl!«

»In der Mehrzahl von was?«

»Du hast Frauen gesagt.«

»Bekanntlich hatte er vier.«

»Die Namen der anderen hat sich kein Mensch gemerkt. Und er hat nur mich geliebt. Vermutlich hat man mich deswegen ermordet.«

»Es steht nirgends geschrieben, dass man dich ermordet hat.«

»Warum wäre ich sonst so jung gestorben?«

»Zweiunddreißig war für die damalige Zeit ein sehr angemessenes Alter. Die meisten Frauen sind schon vorher gestorben, im Kindbett oder an einem Schnupfen. Wenn wir noch in deiner Traumzeit leben würden, wärst du längst tot.«

»Du bist gemein. Jetzt schmeißt du mir noch mein Alter vor. Ich lasse mich scheiden.«

»Wenn ich der Kaiser wäre, könntest du dich gar nicht scheiden lassen. Ich könnte dich verstoßen und dich in ein Kloster sperren oder dich vergiften lassen, wenn es mir so beliebt und …«

»Siehst du!«

»Und außerdem kannst du dich gar nicht scheiden lassen, denn wir sind nicht verheiratet.«

»Das hätten die ja auch merken müssen hier in diesem Saftladen. Eine schlampige Diktatur ist das.«

»Eine tschechische eben. Nebenan, in der deutschen, ist man gründlicher. Da wüssten sie genau Bescheid, dass du die Gemahlin des Kaisers bist und unter einem italienischen Namen reist und aus einem reaktionären Feudalgeschlecht stammst.«

»Und du ein Spion bist.«

»Da hätten sie uns vermutlich schon eingelocht. Allerdings – eines darf man nicht vergessen, hier wie dort haben sie Spaß an Devisen.«

»Die Straßenbahn!« Sie richtete sich wieder auf. »Sag mal, hast du mit jener Dame auch in diesem Hotel gewohnt?«

»Ich war nie mit ihr in Pilsen. Immer in Prag.«

»Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich in demselben Hotel mit dir wohne, wo du mit dieser Person abgestiegen bist.«

»Mit ihr habe ich am Wenzelsplatz gewohnt. Für dich habe ich ein anderes Hotel ausgesucht. Ein schönes, neues, amerikanisches, direkt am Moldau-Ufer.«

»Ich hasse dich. Ich werde dich in Prag in den Kerker werfen und später ermorden lassen. Ja«, sie breitete begeistert die Arme aus, »ich weiß auch schon, wie. Sie werden dich fesseln und in die Moldau werfen. Du wirst ertrinken wie der heilige Nepomuk.«

»Es ist zwar ein kommunistisches Regime, aber ich glaube nicht, dass sie unliebsame Leute noch auf diese Weise beseitigen.«

»Es ist mir egal, was sie mit den anderen machen. Mit dir wird es so gemacht, wie ich es will.«

»Du bist grausam, Majestät.« Er hob die Hand und legte sie um ihre linke Brust. »Wirst du mich vorher noch küssen?«

»Ehe man dich in die Moldau schmeißt? Kommt nicht in Frage; man würde denken, dass ich dich begnadige.«

»Dann küsse mich jetzt.«

Sie ließ sich weich an ihm niedergleiten, küsste sein Ohr, seine Wange, die Kinnspitze.

»Ich muss dich was fragen.«

»Ja?«

»Warum sind wir eigentlich in Pilsen?«

»Du wolltest es. Nicht unbedingt wegen dem Bier.«

»Nein. Wegen Vater. Gestern hat es geregnet, als wir kamen. Ich habe nicht viel von der Stadt gesehen.«

»Wir werden heute einen Rundgang machen.«

»Falls es nicht mehr regnet. Meinst du, sie haben heute Nacht unseren Wagen aufgebrochen oder gleich gestohlen?«

»Ich weiß es nicht.«

»Solltest du nicht nachschauen gehen?«

»Jetzt nicht. Später.«

»Und du willst auch nicht nachschauen, ob es noch regnet?«

»Nein. Solange wir im Bett liegen, ist es unwichtig.«

»Dann werde ich es tun.«

Sie löste sich aus seinen Armen, sprang aus dem Bett, nackt, denn sie schlief immer ohne Nachthemd, lief zum Fenster und schob den Vorhang beiseite.

»Es regnet nicht, aber grau und trüb ist es. Und kalt ist es auch.«

»Dann komm schnell wieder ins Bett.«

»Ich gehe erst ins Bad. Aber schlaf nicht wieder ein.«

»Welcher Mann könnte einschlafen, der auf dich wartet.«

»Gestern Abend bist du auch gleich eingeschlafen mit dem ganzen Bier im Bauch.«

Er lachte. »Du bist eine unverschämte Lügnerin, Ich habe dir doch gesagt, dass du vor mir eingeschlafen bist.«

»Das behauptest du. Mir war sehr nach Liebe zumute mit den schönen Becherovkas in den Adern.«

»Geh schnell ins Bad, ehe ich dich aus dem Fenster werfe.«

»Auf die Straßenbahnschienen, das könnte dir so passen. Außerdem weißt du nicht, was in diesem Lande Brauch ist. Man wirft die Leute in Prag aus dem Fenster.«

Sie verschwand im Badezimmer, er legte die Hände geöffnet auf die Bettdecke, er spürte noch ihren Körper darin. Er lächelte. Er liebte sie, er begehrte sie, hier und jetzt. Bald würden sie sich trennen müssen.

Sie kam zurück und schauerte.

»Ein popliges Badezimmer. Und eiskalt ist es darin. Warum heizen die nicht? Es ist erst April.« Sie schlüpfte ins Bett und kuschelte sich mit dem ganzen Körper an ihn.

»Ach, du bist schön warm. Und nun küss mich! Ich habe mir die Zähne geputzt.«

»Aber – dann muss ich ja auch.«

»Nein, es reicht für uns beide. Im Moment kann ich nicht auf dich verzichten. Du musst mich wärmen, und ich muss dir erzählen, was mir eben klar geworden ist.«

»Und das wäre?«

»Ich weiß jetzt, warum wir hier sind.«

»Da bin ich gespannt.«

»Eine Laune. Die Bürgerin würde sagen, es ist wieder eine von meinen Launen. Launisch ist sie wie eine Wildkatze. Wieso sind Wildkatzen besonders launisch, und was ist überhaupt eine Wildkatze?«

»Warum fragst du mich? Sie ist deine Tante, und sie nennt dich eine Wildkatze. Sie wird ihre Gründe haben.«

»Ich war neun, da hat sie mir eine Backpfeife gegeben, und ich habe ihr daraufhin das Gesicht zerkratzt. Mami warf sich dazwischen, bekam einen Puff ab und weinte dann. Seitdem bin ich eine Wildkatze.«

»Ich kenne die Geschichte. Ich war nicht da, ich hätte es verhindert.«

»Spiel dich nicht auf. Kein Mensch, nicht einmal du, konnte die Streitereien zwischen mir und der Bürgerin verhindern. Jedenfalls geschlagen hat sie mich nie wieder.«

Sie drehte sich auf den Rücken und lächelte zur Decke empor. »Vertragen haben wir uns nie. Sicher, es lag auch an mir. Ich war vom ersten Tag an nichts als Widerspruch, Ablehnung, Hass. Ist es nicht schrecklich, wenn ein Kind Hass empfindet?«

»Du hattest zu viel gesehen und gehört, was du nicht verstehen konntest. Und deine Mutter mit ihrem Hochmut war nicht ganz unschuldig an deinem Verhalten. Denn du hattest gewiss keinen Grund, Josefa zu hassen. Was wäre aus dir geworden ohne sie?«

»Das ist ein Grund für Hass. Nenn mich Tante Seffi, Kind, sagte sie und nahm mich in die Arme. Ich stand steif wie ein Stock.«

Sie konnte sich selbst sehen wie auf einem Bild. Steif und abwehrend die Haltung, starr das Gesicht, die unterdrückten Tränen hinter den Augen, den verbissenen Schrei der Empörung auf den Lippen.

Es war drei Tage her, dass man Jaroslav vor ihren Augen erschossen hatte. Und gleich darauf den Hund, der sich wütend auf die Mörder stürzte.

»Ich hasste sie vom ersten Augenblick an. Man hatte mir alles weggenommen, was ich liebte. Und sie hatte alles behalten.«

»Es ist töricht von dir, so etwas zu sagen. Ihr Mann war gefallen, und ihren Bruder hatten vermutlich die Russen umgebracht. Du hattest deine Mutter behalten und deinen Bruder.«

»Sie haben Jaro getötet und meinen Hund. Sie haben uns aus dem Schloss getrieben wie Verbrecher. Sie haben Mami angespuckt und meinen Bruder geschlagen. Und ich sollte keinen Hass empfinden?«

»Aber doch nicht gegen Josefa.«

»Doch. Solche wie sie und ihr Mann waren auch schuld daran, was geschehen ist. Sie haben die Nazis ins Land geholt.«

»Du bist schon wieder ungerecht. Josefas Mann hatte überhaupt nichts damit zu tun, und Josefa hat schon lange nicht mehr in der Tschechoslowakei gelebt.«

»Ja, ja, ich weiß. Ich bin ungerecht, undankbar, unausstehlich, ich habe es oft genug zu hören bekommen.«

»Wollen wir sagen, du warst es?«

Er zog sie fest an sich, küsste sie.

Sie erwiderte den Kuss nicht, bog den Kopf zurück.

»Nicht einmal dir wird es gelingen, einen guten Menschen aus mir zu machen.«

»Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben.«

»Wir werden heute das Haus suchen, wo Vater und Josefa aufgewachsen sind. Und dann will ich nach Eger, wo sie geboren sind. Und ich weiß noch genau, wo das Haus war, in dem Jaroslav wohnte. Und ich muss die Burg sehen, wo Wallenstein ermordet wurde, und …«

»Er ist nicht in der Burg ermordet worden.«

»Himmel, ja, ich weiß, du hast es mir schon erzählt. Es geschah in einem anderen Haus. Ich dachte immer, es war die Burg. Und in Prag muss ich die Universität sehen, die Karl gegründet hat.«

»Wir fahren erst nach Prag und auf dem Rückweg über Eger.«

»Weiß ich auch. Und dann besuchen wir Tante Josefa und nehmen ihr eine Flasche Becherovka mit oder auch zwei. Ist mal was anderes als der Schnaps, den sie brennt. Und ich werde ein ganz sanftes, schnurrendes Kätzchen sein, sie wird mich nicht wiedererkennen. So sanft und schnurrend wie diese Straßenbahn da unten. Ich habe mich an das Geräusch schon gewöhnt.«

»Mittlerweile geht sie mir auf die Nerven.«

»Das freut mich. Da siehst du gleich, wie das ist bei den Kommunisten. Die können sich nicht einmal eine neue Straßenbahn leisten. Und damit du gleich Bescheid weißt, zum Schloss will ich nicht. Sicher haben sie ein Altersheim daraus gemacht. Oder ein Gefängnis. Oder eine Parteischule. Ich will es nie wiedersehen.«

»Man soll nie nie sagen, Blanca. Es ändert sich so viel auf diesem Stern. Vielleicht wirst du eines Tages wieder in deinem Schloss wohnen.«

»So alt kann ich gar nicht werden. Nichts ändert sich. Das hast du ja gesehen, was aus ihrem sogenannten Prager Frühling geworden ist. Ach!« Sie legte den Arm um seinen Hals. »Ist ja auch egal. Ich habe dich. Ich kann alles verlieren, alles wieder verlieren, nur dich nicht.«

Ihre Hände glitten seinen Rücken entlang, er konnte spüren, dass sie noch immer spitze Nägel hatte.

»Du hast mich nie verloren. Trotz all dieser Männer, die du geliebt hast.«

»Geliebt! Wer spricht von Liebe? Vergiss sie, so wie ich sie vergessen habe. Aber wenn du mich wieder verlässt, werde ich dich wirklich töten.«

»Ich habe dich nie verlassen.«

»Doch. Du bist fortgegangen. Immer wieder bist du fortgegangen.«

Er beugte sich über sie. »Du weißt, warum.«

Er küsste sie, und nun erwiderte sie den Kuss, gab sich hin, wurde nachgiebig in seinen Armen. Es war wie jener erste Kuss – vor einem Tag, vor einem Monat, vor einem Jahr.

Wann hatte es angefangen? Es gab keinen Anfang, denn sie war immer da gewesen. Aber es gab ein Ende. Er würde sie verlieren.

Es war wirklich nichts als eine Laune, als sie vor einiger Zeit erklärte, sie wolle nach Pilsen fahren. Allein hätte sie es nie gewagt, sich dieser verlorenen und längst vergessenen Vergangenheit zu stellen, aber mit ihm zusammen hatte sie den Mut. Vor allem weil er schon öfter diese Reise gemacht hatte, allein oder zusammen mit jener Frau, auch er auf der Suche nach der Vergangenheit.

Jetzt, da sie hier war, empfand sie nichts als Ablehnung und Widerstand. Sie machte es sich nicht klar, aber es war das gleiche Gefühl wie damals, als sie nach Deutschland kam. Was, verdammt, ging sie die Tschechoslowakei an. Ihre Mutter würde es Böhmen nennen, aber jetzt war es ein kommunistischer Staat und hieß Tschechoslowakei. So hieß es allerdings schon, als man sie aus diesem Land vertrieb, wie Verbrecher hinauswarf.

»Es ist die Strafe«, sagte sie, als sie vor dem Haus standen, in dem ihr Vater und Josefa als Kinder gewohnt hatten. »Weil sie uns vertrieben haben, werden sie jetzt von Kommunisten regiert. Wir waren länger hier als alle Kommunisten zusammen. Als kein Mensch was von denen ahnte, gab es uns in diesem Land. Der Kaiser hat Prag schließlich zum Mittelpunkt des Reiches gemacht, er hat ihnen eine Universität geschenkt. Und was haben sie jetzt? Sie werden von Moskau beherrscht, und wenn es denen dort so passt, fahren hier die Panzer auf und schießen alles zusammen.«

»Karl regierte vor sechshundert Jahren. Und mit der Pracht war es bald vorbei, spätestens nach dem Dreißigjährigen Krieg. Später regierten die Kaiser von Wien aus.«

»Das Haus gefällt mir auch nicht.« Sie hatte sich etwas Großräumiges, Imponierendes vorgestellt, aber es war nichts als ein graues, vergammeltes Mietshaus in einer engen Straße. Hier war ihr Vater eingezogen, als er sechs Jahre alt war, bald darauf begann der Erste Weltkrieg. Seine Schwester Josefa war einige Jahre jünger. Von ihrer Kindheit sprach sie eigentlich nie. Von Eger erzählte sie manchmal, dann kamen ein paar sentimentale Töne, was fast schon zu viel gesagt war, Josefa Bürger, die Bürgerin, wie man sie allgemein nannte, neigte nicht zu Sentimentalität.

»Ich muss nicht wieder nach Pilsen«, hatte sie einmal gesagt. »Was soll ich da? Unser Bier ist genauso gut wie das Pilsner.«

Daran musste Blanca denken, als sie jetzt vor dem fremden Haus in einer fremden Stadt stand. Wenn Josefa das Haus nicht wiedersehen wollte, was hatte dann sie für einen Grund, es zu sehen?

»Mir gefällt es nicht«, wiederholte sie. »Außerdem ist mir kalt.«

»Wir werden zum Auto gehen und deinen Pelz holen. Ich habe dir gleich gesagt, für die Lederjacke ist es noch zu kühl.«

»Ich habe sie auch nur angezogen, weil du das gesagt hast. Ich lasse mich nicht ewig von dir bevormunden.«

»Aha. Dann musst du eben frieren.«

Das Auto war weder gestohlen noch aufgebrochen worden, obwohl es die Nacht über im Freien auf einem Platz vor dem Hotel gestanden hatte. Ein älterer Mann hatte sie am Abend, als sie ankamen, angesprochen und sich angeboten, den Wagen zu bewachen. Vor einer Stunde, als sie das Gepäck in den Wagen räumten, war er wieder da. Oder immer noch.

Blanca hätte ihn am liebsten gefragt, ob er geschlafen habe in dieser Nacht, im Hoteleingang, im Auto oder überhaupt nicht. Er sprach ein wenig Deutsch und verbeugte sich höflich, als sie ihm ein paar Kronen in die Hand drückte, ohne zu wissen, wie viel das wert war. Doch sie erkannte die stumme Frage in seinen Augen, also griff sie in die Tasche ihrer Lederjacke und zog einen Zehnmarkschein heraus. Der Mann war entzückt, sah sich jedoch gleichzeitig nach allen Seiten vorsichtig um.

Als sie nun wieder zu dem Platz neben dem Hotel kamen, an der kreischenden Straßenbahn knapp vorbei, war er immer noch da und lachte ihnen freundlich entgegen. Jetzt hätte sie ihn am liebsten gefragt, ob er denn gefrühstückt oder überhaupt seit dem gestrigen Abend etwas zu essen bekommen habe. Konnte ja sein, er hatte jemand in der Nähe, der ihm gelegentlich einen Happen brachte. Oder die vom Hotel ernährten ihn, dankbar dafür, dass er die Autos bewachte. Wie immer gebar Blancas lebhafte Fantasie solche Fragen und Gedanken. Ihr Wagen war der einzige nun auf dem Platz, am Abend zuvor waren noch ein deutsches und zwei tschechische Autos neben dem Hotel geparkt.

Es war alles noch da, das Gepäck unversehrt im Kofferraum, auf dem Rücksitz lag ihr Nerz.

»Sie sind eben doch ehrlicher in einem kommunistischen Staat, findest du nicht? Lass mal einen Wagen so in Italien stehen.«

Der Mann strich mit der Hand liebevoll dem Mercedes über den Kotflügel.

»Scheenes Auto«, sagte er.

Blanca lächelte ihm zu und griff noch einmal in die Tasche ihrer Jacke. Ein paar Lirescheine waren darin, ein paar Schillinge, ein Zwanzigmarkschein. Sie hatte immer loses Geld in ihren Jacken- oder Manteltaschen, ein ständiges Ärgernis für Josefa.

»Du wirst nie lernen, mit Geld umzugehen«, hatte sie gesagt. Blancas Antwort darauf: »Hauptsache, ich habe welches.«

Sie drückte dem Alten den Zwanzigmarkschein in die Hand. »Wenigstens du sollst gut über uns Böhmen denken, Genosse. Bye, bye.«

Der Mann stand fassungslos, er murmelte etwas, was sie nicht verstand, denn gerade kreischte wieder die Straßenbahn vorbei. Ehe sie um die Ecke bogen, sah sie sich nochmals um. Da stand er immer noch, starrte ihnen nach, die Hand um den Geldschein geballt. Diesmal hatte er vergessen, sich vorsichtig umzuschauen.

»Ich schäme mich«, sagte sie.

»Wie viel hast du ihm denn gegeben?«

»Vorhin zehn Mark und jetzt zwanzig.«

»Falls es jemand beobachtet hat, wird er Ärger kriegen. Und du auch. Du darfst keine Devisen haben, wie ich dir doch erklärt habe.«

»Ah bah! Sie sollen froh sein, wenn sie welche kriegen.«

»Sie kriegen sie ja, wenn wir eintauschen.«

»Und wie wird er das eintauschen?«

»Das wird er schon wissen. Jedenfalls wird er uns nie vergessen. Er hat von mir auch schon einen Zehner bekommen, als ich das erste Mal unten war.«

Blanca schlug wie ein Kind die Hände zusammen. »Wunderbar! Jetzt gefällt mir Pilsen doch.«

Sie musste an ihre Mutter denken, die Komtesse Bodenstein. Die hatte auch kein Verhältnis zu Geld, hatte es nie gehabt. In ihrer Kindheit und Jugend war alles da, was sie zum Leben brauchte, Geld wurde dafür nicht benötigt. Später hatte sie kein Geld, lebte von der Gnade ihrer Schwägerin Josefa.

Als sie nach Franken kamen, im achtundvierziger Jahr, gab es bald die Währungsreform, und die Leute redeten von nichts anderem als von Geld, allen voran Josefa Bürger, die Besitzerin der Bürger-Brauerei. Dabei hatte sie am wenigsten Grund, sich zu beklagen, das Bier verkaufte sich hervorragend und ständig besser, und war sie zuvor schon eine wohlhabende Frau gewesen, wurde sie bald eine reiche Frau. Später kam die Schnapsbrennerei dazu, und noch später baute sie ein Hotel. Die geborene Bodenstein war weder am Anfang noch im Laufe der späteren Entwicklung beeindruckt, ihr gefiel rundherum gar nichts. Sie bewohnte mit den beiden Kindern vier Zimmer in dem alten fränkischen Hof, den schon Josefas Schwiegermutter hatte umbauen lassen und der mehr Komfort bot, als man in dem kleinen Ort gewohnt war. Doch die Komtesse Bodenstein war auf einem böhmischen Schloss aufgewachsen, ihr waren die Zimmer zu niedrig, die Fenster zu klein, sie zog die Brauen hoch, dann die Schultern, sie sprach nicht dazu, doch ihre Haltung drückte deutlich genug aus, was sie empfand.

An diesem Tag, so viele Jahre später, während sie aus Pilsen hinausfuhren, erinnerte sich Blanca an jene erste Zeit in dem Bürger-Haus. Auch daran, dass sie selbst nichts anderes gewesen war als das Abbild und das Echo ihrer Mutter, genauso ablehnend, genauso hochmütig, ein siebenjähriges Kind, das sich mit der Veränderung seines Lebens nicht abfinden konnte und wollte. Und sie begriff auf einmal auch, warum ihr Vater seine junge Frau nicht mitnahm, als er nach Prag ging. Vermutlich hatte er sich gedacht, dass das nicht gut gehen würde. Er war anfangs Assistenzarzt im Allgemeinen Krankenhaus, er verdiente wenig, eine Wohnung oder gar ein Haus, in dem seine Frau sich wohlfühlen konnte, war für ihn unerschwinglich.

Blanca hatte den Kopf zurückgelehnt, ihr Blick ging achtlos über die Landschaft hinweg, die an ihr vorbeizog. Die Wolken waren verschwunden, der Himmel wurde blau, während sie auf Prag zufuhren.

Warum hatte sie eigentlich in all den Jahren nicht darüber nachgedacht, warum ihre Mutter mit den Kindern auf dem Schloss lebte und ihr Vater in Prag? Auf einmal war das ganz klar: Ihre Mutter brauchte die großen Räume des Schlosses, sie brauchte ihr Pferd, sie brauchte die Dienerschaft. Hatte sie ihren Mann eigentlich geliebt?

Blanca lächelte verträumt. Es war absurd, im Zusammenhang mit ihrer Mutter an Liebe zu denken, sie selbst hatte sich nie von ihr geliebt gefühlt. Einbezogen in ihr Leben, beeinflusst, geprägt von ihrer Art, die das Kind Blanca von Beginn an akzeptiert hatte. Und geliebt hatte ihre Mutter wohl nur einen Menschen auf der Welt: ihren Vater.

»Und den Kaiser«, sagte sie laut.

Er legte die Hand auf ihr Knie. »Hm?«

»Ich dachte eben an Mami. Ich bin mit Karl aufgewachsen, weißt du. So wie andere Kinder mit Puppen spielen oder mit einem Teddybären, hatte ich einen Kaiser an der Seite.«

»Wer wüsste es besser als ich«, sagte er. »Es war für deine Entwicklung nicht sehr hilfreich.«

»Ach, blabla. Meine Entwicklung! Spiel dich bloß nicht so auf. Lass uns umkehren!«

»Bitte?«

»Ich will nicht nach Prag. Ich will überhaupt weg aus diesem Land.«

Er schwieg, sie sah die Falte auf seiner Stirn.

»Hörst du? Ich möchte, dass du anhältst, kehrtmachst und zurückfährst.«

»Ich fahre weiter, wir fahren nach Prag, und du benimmst dich nicht wie ein ungezogener, launischer Fratz.«

»Ich hasse dich.«

»Auch gut.«

»Ich will nicht zu diesen verdammten Kommunisten.«

»Du bist schon da.«

Blanca schwieg erbittert.

»Wenn du größer bist, nehme ich dich einmal mit nach Prag«, hatte ihr Vater gesagt. »Dann gehen wir über die Karlsbrücke, und du wirst auf die Moldau hinunterschauen. Sie ist ein großer, breiter Strom.«

»Größer als unsere Eger?«

»Viel größer.«

Er hatte sie nie mitgenommen nach Prag. Als der Krieg zu Ende war, gab es keinen Vater mehr. Die Tschechen hatten ihn erschlagen, die Russen mitgenommen, keiner wusste was.

Josefa Bürger bangte um ihren Bruder, und dann trauerte sie um ihn, nachdem alle Nachforschungen vergeblich blieben. Und Blanca erinnerte sich noch dunkel an den Vater ihrer ersten Kinderjahre, der sie hochgehoben hatte, der sie durch den Schlossgarten trug bis zur Mauer, sie daraufsetzte und mit dem Arm über das grüne, hügelige Land wies.

»Dort liegt Eger, und dann fährt man hinüber in die Oberpfalz und nach Franken. Wenn ich mal Urlaub habe, werden wir Tante Josefa besuchen.«

Weder nach Prag noch ins Frankenland war sie mit ihrem Vater gekommen, es gab keinen Vater mehr. Als sie größer wurde, sprach sie viel mit ihrem Bruder über ihn. Auch mit Josefa. Nur ihre Mutter vermied das Thema, sie schien wie immer von allem unberührt.

An eine Szene erinnerte sich Blanca ganz genau. Sie waren nach der Flucht im Bürgerhaus gelandet, und einmal sagte Josefa gutmütig: »Ich hoffe, Angèle, du wirst dich einigermaßen wohlfühlen bei uns. Es ist eine schlimme Zeit. Aber wir Sudetendeutschen müssen zusammenhalten, jetzt erst recht.«

Und ihre Mutter darauf, die hellen Augen kalt wie Eis: »Ich bin keine Sudetendeutsche. Wir sind Böhmen.«

Josefa sagte verwirrt: »Aber das ist doch dasselbe.«

Die Gräfin sagte kühl: »Das ist es eben nicht.«

Zu näheren Erklärungen ließ sie sich nicht herab. Blanca hatte nicht begriffen, worum es ging. Sie sah ihrer Mutter nach, die hoheitsvoll den Raum verließ, sah den Ärger in Josefas Gesicht. Und da sie immer für richtig hielt, was ihre Mutter tat oder sagte, wiederholte sie stolz: »Wir sind Böhmen.«

»Halt die Pappen«, fuhr Josefa sie an. »Was verstehst du denn davon?«

Ihr Bruder versuchte später, es ihr zu erklären. Instinktiv begriff sie den Unterschied, begriff, was ihre Mutter meinte. Einige Jahre später, als sie mit der Geschichte des Landes vertraut wurde, in dem sie geboren war, begriff sie ihn wirklich und ganz.

»Du bist so schweigsam«, sagte er.

»Ich bin traurig. Wir hätten nicht hierherfahren sollen.«

»Du wolltest es, Blanca. Sei nicht mehr traurig. Siehst du, wie schön die Sonne scheint? Heute Nachmittag gehen wir auf die Brücke deines Kaisers, und du wirst über die Moldau hinweg auf den Hradschin blicken.«

»Du sprichst wie mein Vater«, sagte sie.

Er wandte den Kopf und lächelte.

»Das ist nicht weiter schwer. Du hast mir oft genug erzählt, was er gesagt hat.«

Sie war viel zu klein gewesen, um sich an die Worte ihres Vaters zu erinnern. Es war Jaroslav, der sie wiederholte. Nachdem der Krieg zu Ende war und keine Nachricht aus Prag kam, 1945, ’46, ’47, kein Wort, keine Zeile vom Chefarzt des Allgemeinen Krankenhauses in Prag, musste man befürchten, dass er tot war.

Nur Jaroslav gab die Hoffnung nicht auf.

»Ich glaube nicht, Gräfin, dass er tot ist. Ich habe das sichere Gefühl, dass er lebt. Sie werden sehen, eines Tages kommt er.«

Und zu dem Kind sagte er: »Weißt du nicht, Blanca, was dein Vater dir versprochen hat? Er fährt mit dir nach Prag, er geht mit dir über die Brücke, die dein Kaiser gebaut hat. Es ist dein Kaiser, du trägst den Namen seiner Frau. Ihr werdet auf die Moldau hinunterschauen und hinauf zur Burg …« Er verstummte, in seinen Augen standen Tränen.

Daran erinnerte sich Blanca sehr genau. Ihre Mutter schwieg, sie blickte an ihnen vorbei ins Land; der Wind, der vom Turm herabblies, spielte mit ihrem Haar. Sie verließen das Schloss und den Park nicht mehr, sie waren damals schon wie Gefangene. Jaroslav war die einzige Verbindung, die sie zur Außenwelt hatten, er kam fast jeden Tag.

Ihr Vater kam nicht. Und dann töteten sie Jaroslav. Und den Hund.

Es waren fast dreißig Jahre seit jenem Tag vergangen.

DAS SCHLOSS

Der Vater

Angèle war ein spät geborenes Kind und eine Vater-Tochter. Graf Bodenstein war einundsechzig Jahre alt, als das Kind zur Welt kam, und als er es zum ersten Mal betrachtete, tat er es mit zwiespältigen Gefühlen, keineswegs mit Freude oder gar Liebe.

Geliebt hatte er seine Söhne; sie waren beide gefallen. Der jüngste gleich zu Anfang des Krieges im Osten, sein Bruder im sechzehner Jahr vor Verdun, im gleichen Jahr, als der alte Kaiser starb. Seit der Zeit hatte der Bodensteiner mit dem Leben abgeschlossen. Der Krieg zog sich hin und war nicht mehr zu gewinnen, darüber war er sich klar, und am Hof in Wien begegnete man ihm mit Misstrauen, denn sie wussten von seiner Freundschaft mit Masaryk. Später stellte er sich die Frage, ob es nicht übertrieben sei, von Freundschaft zu sprechen; man kannte einander und hatte manches vernünftige Gespräch geführt, zwei Männer von Format, die die gleiche Heimat hatten und die gleiche Sprache sprachen, denn der Graf sprach Tschechisch so gut wie Deutsch, und das konnte Masaryk auch. Sie waren sich darüber einig gewesen, bei allem Autonomiebestreben der Tschechen, dass die Donaumonarchie, die Zentrale in Wien, erhalten bleiben musste, um den widerspenstigen Völkern, vor allem den Ungarn, einen Halt zu geben. Ein Jahr nach Kriegsausbruch war Masaryk nach England emigriert, und von dort hörte man nun, dass er nach einem unabhängigen Staat Tschechoslowakei verlangte. Franz Joseph Bodenstein empfand es als Verrat, und er fragte sich, ob Masaryk ihn belogen hatte oder ob es der Einfluss des jüngeren und radikalen Beneš war, der dessen Meinung geändert hatte. Das Habsburger Reich zerfiel, die Kronländer verlangten nach Selbstständigkeit. Seit die Schüsse in Sarajevo gefallen waren, hatte der Graf den Untergang kommen sehen. Er hätte nicht erklären können, warum und wieso, es war sein sicherer politischer Instinkt, sein historisches Verständnis, die seinen Pessimismus verursachten. Und dass es an intelligenter Führung mangelte, hatte sich schnell herausgestellt, das bewiesen schon die Wochen vor Beginn des Krieges. Anstatt eine rasche Strafaktion in Serbien durchzuführen, palaverte man (wie er es nannte) vier Wochen hin und her, gab der westlichen Entente, gab dem Zaren Zeit, sich vorzubereiten.

Dann verpatzten die Deutschen den Feldzug in Frankreich, und seitdem verblutete sich der Krieg in den Schützengräben. Die Menschen hungerten in Wien, in Prag, in Berlin und im Böhmerwald. Nichts verlief geordnet, nirgends war ein Plan zu erkennen, der Kaiser in Wien war alt und müde, den in Berlin mochte der Bodensteiner sowieso nicht, er hielt ihn für unfähig, was möglicherweise anfangs ein Vorurteil gewesen war, doch die Ereignisse bestätigten seine Meinung. Hier wie dort regierte eine dubiose Camarilla, die an Mittelmäßigkeit nicht zu überbieten war.

Es fehlte ein Bismarck. Den mochte der Bodensteiner zwar auch nicht, denn er konnte ihm Königgrätz nicht verzeihen. Er war ein Knabe von zehn Jahren, als der Prager Frieden geschlossen wurde, nach Beendigung des Krieges zwischen Preußen und Österreich, alt genug, um sich an die zornigen Worte seines Vaters zu erinnern und den Abscheu, den seine Mutter gegen die Preußen empfand.

Wie auch immer, Bismarck hatte seine Kriege rasch beendet und immer gewonnen.

Vier Jahre nach dem Prager Frieden hatte die schöne Angèle, eine Französin, erst recht Grund, auf Bismarck und die Preußen zu schimpfen, und das tat sie in Prag und in Wien, wo sich nur die Gelegenheit bot. Im Schloss hielt sie sich höchstens im Sommer für einige Wochen auf, das Landleben behagte ihr nicht, und als ihr Mann Mitte der siebziger Jahre starb, kehrte sie für immer nach Paris zurück.

Franz Joseph jedoch liebte seinen Besitz, das Schloss und die weiten Ländereien, das Egerland und die böhmischen Wälder. Aber er besuchte seine Mutter oft in Paris, denn sie liebte er auch, und er teilte ihre Leidenschaft für Pferde und für die Oper.

Als er 1888 heiratete, kam sie zum letzten Mal nach Bodenstein, denn er hatte darauf bestanden, seine Vermählung auf dem Schloss zu feiern, mit allen Freunden und Verwandten, mit dem Dorf, mit den Angestellten vom Schloss und aus der Fabrik.

Gräfin Angèle ließ ihn wissen, dass sie das als eine Zumutung empfand, aber sie kam, begleitet von ihrer Zofe, und gab zu, dass man jetzt doch ganz bequem mit der Eisenbahn reise. Auch mit ihrer Schwiegertochter war sie zufrieden. Franz Joseph heiratete eine liebreizende junge Wienerin aus edlem Haus, die wunderschön singen und Klavier spielen konnte und auch gute Figur auf dem Pferd machte.

Er war sehr glücklich mit seiner jungen Frau, die das alte Schloss mit Lachen und Musik füllte, sie lebte gern im Egerland und auf Bodenstein, seine Heimat wurde auch ihre Heimat, und das war wichtig für das Gelingen ihres Zusammenlebens.

»Ich bin ein Böhm«, sagte er immer. Austria war der Mantel, der alles umschloss, Prag und Wien waren ihm lieb und wert, Prag stand ihm näher, die Familie besaß ein bezauberndes Palais auf der Kleinseite, in beiden Städten hielt er sich gern auf, vor allem weil man dort in die Oper gehen konnte. Auch das hübsche kleine Stadttheater in Eger stand seinem Herzen nahe, er besuchte es oft, war genau informiert, wer dort engagiert war, und verfolgte aufmerksam die Laufbahn manch eines begabten Anfängers, die nicht selten an die großen Bühnen führte.

Doch nach und nach ging seine Welt zugrunde. Der erste Schlag traf ihn, als seine Frau Constanze mit fünfunddreißig Jahren an einer Lungenentzündung starb. Damals kehrte er Bodenstein für längere Zeit den Rücken, lebte in Wien, lebte ein wenig zügellos, verbrachte die Nächte in Lokalen, trank, hatte wechselnde Mätressen, aus denen er sich im Grunde nichts machte. Paris war kein Ausweg mehr, auch Angèle war gestorben. Später dachte er, wie gut es der Tod mit Constanze meinte, dass er sie mit sich nahm, ehe er ihre Söhne holte. Nun war ihm ein Kind geboren worden, in diesem November des unheilvollen Jahres 1918, da dieser grauenvolle Krieg mit der von ihm erwarteten Niederlage geendet hatte.

»Gut, dass es ein Mädchen ist«, sagte er zu der blassen, erschöpften Frau, die da vor ihm lag und mit ängstlichen Augen zu ihm aufsah. Sie war neununddreißig, es war ihre erste Geburt gewesen, und der Arzt sagte später, als er mit dem Grafen in der Bibliothek saß und ein Glas Rotwein trank: »Es ist ein Wunder, dass sie es überlebt hat.«

Es hätte dem Bodensteiner nicht viel ausgemacht, wenn sie gestorben wäre, er liebte diese stille, immer ein wenig scheue Frau nicht, die er kurz vor dem Krieg geheiratet hatte, einzig aus dem Grund, damit wieder eine Herrin auf dem Schloss residierte, dass das Personal beaufsichtigt wurde und seine Söhne ein Heim vorfanden, wenn sie auf Urlaub nach Hause kamen, der eine war aktiver Offizier, der andere studierte.

Der Graf wunderte sich heute noch darüber, dass er vor neun Monaten mit seiner Frau, die er kaum beachtete, geschlafen hatte. Er kam von der Isonzofront und hatte offenbar ein wenig Trost, ein wenig Wärme bei ihr gesucht. Die Söhne tot, der Krieg schon so gut wie verloren.

»Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie ein Kind gebären würde«, sagte er zu dem Arzt.

Doktor Wieland lachte. »Warum nicht, mein Lieber? Weil sie bisher keins bekommen hat? Vielleicht war es auch ein wenig Ihre Schuld. Sie waren in den letzten Jahren selten da.«

»Auch das«, erwiderte der Graf und verzog den Mund. »Es ist wirklich meine Schuld. Wird sie sich erholen?«

»Ich denke schon. Sie ist ja noch eine junge Frau. Nur für die erste Geburt war es ein wenig spät.«

Der Arzt gähnte. Er war gegen Mittag des vorangegangenen Tages von Eger heraufgekommen und hatte seitdem ununterbrochen bei der kämpfenden Frau gesessen. Es gab Stunden, in denen er zweifelte, ob sie oder gar das Kind die Geburt überleben würden. Er und die Hebamme sahen sich an, sie dachten beide dasselbe. Und die zweite Frau im Zimmer, die Beschließerin Jana, dachte es auch. Sie wussten alle drei, welch reiche Ernte der Tod in diesem Haus gehalten hatte.

Doktor Wieland leerte sein Glas, er war sehr zufrieden mit sich selbst.

»Es ist ein hübsches kleines Mädchen«, sagte er.

»Constanze und ich«, sagte der Graf, »wir haben uns immer eine Tochter gewünscht. Sind Sie sich klar darüber, dass ich viel eher der Großvater dieses Kindes sein könnte als sein Vater? Ein hübsches kleines Mädchen, so.«

Der Doktor gähnte wieder.

»Wollen Sie sich nicht eine Stunde vor dem Essen hinlegen?«, fragte der Graf.

»Eigentlich wollte ich heute Abend noch in die Stadt hinunterfahren.«

»Das kommt nicht in Frage. Ich denke, der junge Kollege, den Sie in der Praxis haben, ist so tüchtig?«

»Ist er auch. Nur gesund ist er nicht. Nicht so gesund, wie ein Arzt sein sollte. Er hat einen Lungendurchschuss gehabt. Aber unsere Welt ist ja voll von Toten, Kranken und Verzweifelten.«

Der Graf stand auf. »Das sollten Sie gerade heute nicht sagen, Doktor. Wir haben etwas im Haus, das lebt.«

Es war erstaunlich, so etwas wie Freude empfand er jetzt doch, Lebensmut. Der Krieg verloren, kein Reich, kein Kaiser mehr, aber ein neugeborenes Kind. Und Schloss Bodenstein stand unversehrt.

»Sie legen sich jetzt hin und schlafen eine Stunde oder zwei«, bestimmte der Graf. »Heute Abend wird nicht gehungert, wir bekommen Wildschweinbraten mit Knödeln und Kraut, wie Jana mir verraten hat. Und ich sehe jetzt mal nach meiner Frau.«

»Kann sein, sie schläft jetzt«, warnte der Arzt.

»Ich werde ganz leise sein. Und das Kind … hm, eine hübsche kleine Tochter. Ich werde sie Angèle nennen. Nach meiner Mutter. Die kennen Sie ja auch noch, Doktor.«

»Und ob ich sie kenne! Sie war die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Ich erinnere mich noch, als ich die Praxis in Eger übernommen hatte und das erste Mal aufs Schloss kam. Sie war ravissante, die Frau Mama.«

»Und Constanze? Sie war auch eine schöne Frau.«

»Anders, auf ganz andere Art. Sie war lieblich. Sie wirkte immer auf mich wie ein junges, unberührtes Mädchen.«

Der Graf nickte. »Stimmt.«

Schön und ravissante die eine, lieblich und mädchenhaft die andere. Und die jetzige Gräfin Bodenstein?

Wie auch immer, ihr Schattendasein würde beendet sein, dafür würde er sorgen. Sie hatte seine Tochter Angèle geboren, neues Leben war ins Haus gekommen, und wie die Zukunft zeigte, konnte er die Ermutigung, die das neue Leben mit sich brachte, notwendig gebrauchen.

Der Versailler Vertrag und die Pariser Verträge veränderten Europa, veränderten die Welt auf so ungeheuerliche Weise, schufen so viel Not und Elend, dass sogar Not und Elend des Krieges dagegen verblassten. Die Menschen wurden arm, sie verloren jede Hoffnung, die sie doch so dringend für ihr kurzes Leben brauchten. In Wien gab es keinen Kaiser mehr, es gab das große Reich Austria nicht mehr.

Der Graf hatte den Staat, dem er angehörte, immer Austria genannt, niemals Österreich, er gewöhnte sich auch jetzt nicht daran, er benannte ihn gar nicht mehr. Außerdem lebte er nicht in diesem Staat, er lebte jetzt in einem neuen Staat, der sich Tschechoslowakische Republik nannte und in dem die Deutschen und die Österreicher noch unbeliebter waren als zuvor.

Der Graf war kein Deutscher, kein Österreicher, er war Böhme, und daran konnte auch die Tschechoslowakei nichts ändern. Allzu sehr überraschte ihn die Entwicklung nicht. Seit den Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts, genau genommen seit der großen, der Französischen Revolution im Verein mit der industriellen Revolution, strebten die Völker dem nebulösen Ziel einer Befreiung entgegen. Befreiung von was? Befreiung für was?

Machten die Menschen sich klar, wonach sie strebten? Und was verbanden sie mit dem Begriff Freiheit? Verändert hatte sich immer und immer wieder alles auf dieser Erde, früher trugen wechselnde Herrscherhäuser die Verantwortung dafür, jetzt ging die Staatsgewalt vom Volke aus.

Wer war das Volk? Die eben noch zerfetzt worden waren auf den Schlachtfeldern, die in Massengräbern verscharrt wurden, die in Gefangenenlagern im fernen Sibirien darbten? Und die überlebt hatten, arm waren, verständnislos, aufgeputscht wurden, grölend, schreiend durch die Straßen zogen, erneut zerstörend; und zählten auch jene zum Volk, die sich am Elend der anderen bereicherten, die schoben, betrogen, verdienten, eine neue Herrenklasse zu sein glaubten, die reichen Schieber der Nachkriegszeit, die dem Grafen gleichermaßen widerwärtig waren wie der Pöbel auf den Straßen?

Manchmal dachte der Graf, dass es am besten sei, sich um die Welt da draußen nicht mehr zu kümmern, auf seinem Land, in seinem Schloss zu bleiben, sich fernzuhalten vom Irrsinn dieser Nachkriegsjahre. Aber da war die Fabrik, da waren seine Leute.

Seine Leute, so nannte er das immer noch. Sie gehörten zum Land und zum Schloss, sie arbeiteten für ihn und mit ihm, und er hatte sich immer für sie verantwortlich gefühlt, sie waren Deutsche und Tschechen, er machte keinen Unterschied zwischen ihnen, und er konnte in beiden Sprachen mit ihnen reden.

Einige Male, gleich nach der Gründung der Tschechoslowakei, war es vorgekommen, dass auch im Dorf gegrölt wurde. Er achtete nicht darauf. Einmal flog ein Stein an die hintere Scheibe seines Autos, auch das übersah und überhörte er. Anders hätte er reagiert, wenn sie mit Steinen nach seinen Pferden geworfen hätten, denn noch immer fuhr er lieber mit der Kutsche als mit dem Auto.

Doch diese Versuche im Dorf, sich als Revolutionäre zu gebärden, legten sich bald, die Burschen, die es gewagt hatten, wurden von den Älteren zurückgepfiffen. Zu gut kannte man ihn, man wusste, dass er gerecht und großzügig war, außerdem gehörte die Familie Bodenstein seit dem zwölften Jahrhundert in dieses Schloss und zu diesem Dorf. Der hohe Turm des Schlosses, noch immer standfest, überragte Dorf und Land ringsum. Er hatte die wechselnden Herrscher, die Kämpfe der Hussiten und den Dreißigjährigen Krieg überstanden, er gehörte nicht zu Deutschland, nicht zu Austria, es war ein böhmischer Turm, und die Bodensteins waren ein böhmisches Geschlecht, sie waren mit dem Premislyden gut ausgekommen und mit den Habsburgern auch. Und der Herrscher, den sie am meisten geschätzt hatten, war König Karl, der als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Karl IV. hieß. Das war das goldene Zeitalter in den Augen des Grafen gewesen.

Im Dorf brauchten sie schließlich und endlich Arbeit. Das Personal für das Schloss, für die Gärten und die Landwirtschaft war immer aus dem Dorf gekommen, gerade seine Mutter hatte sich eine Zofe aus Paris mitgebracht, und sein Vater holte sich eine Köchin aus Prag, die dann die nachfolgende Köchin anlernte.

Und sie brauchten ihn als Arbeitgeber für die Porzellanfabrik, die ebenfalls zum Haus Bodenstein gehörte. Die Leute im Dorf, das immerhin etwa fünfhundert Einwohner zählte, waren auf die Arbeit in der Fabrik angewiesen, die Landwirtschaft allein konnte sie nicht ernähren. Die Fabrik lag zwölf Kilometer entfernt, etwas östlich von Eger, sie hatte vor dem Weltkrieg guten Gewinn gebracht, im Krieg war die Produktion vereinfacht und eingeschränkt worden, doch nun kümmerte sich der Graf selbst darum, dass sie wieder neuen Schwung gewann, denn auch die Tschechoslowakei wollte exportieren, böhmische Glas- und Porzellanware besaß einen guten Ruf, den es zu erhalten und zu festigen galt.

Früher hatte er sich kaum um die Fabrik gekümmert, ein Verwalter war dafür zuständig, der neben den hervorragenden handwerklichen und gestalterischen Kräften, die dort arbeiteten, für den geschäftlichen Ablauf sorgte. Der Mann war alt, ein Deutscher, und fand sich in der neuen Zeit nicht mehr zurecht.

Der Graf sah sich in Eger um, in Karlsbad und Marienbad, die Porzellanmanufakturen hatten Tradition im Land, er sprach zu Freunden und Bekannten davon, dass er einen tüchtigen Mann für die Leitung der Fabrik suche, einen Direktor, wie er es hochtrabend nannte, der ein Fachmann und ein Geschäftsmann sein musste, und er bekam diesen Mann.

Der erste, den man ihm empfahl, der allen Anforderungen entsprach, war ein Deutscher aus dem Fränkischen. Der Graf überlegte einige Tage, dann entschied er, dass es besser wäre, einen Tschechen zu engagieren. Die Zeit war schwierig genug, man musste sich nicht unnötige Komplikationen auf den Hals laden.

Er traf den Mann in Eger, wo er bei Verwandten am Marktplatz wohnte, und sagte ihm ehrlich, was der Grund für seine Absage sei.

»Ich denke, Sie haben recht, Graf«, sagte der Deutsche. »Es gibt genügend Unruhe in diesem Staat, man muss den Hass vermeiden.«

»Sie sprechen von Hass?«

»Ich fürchte, ja. Wir leben nicht mehr in der Hussiten-Zeit, man wird die Deutschen nicht verjagen und umbringen. Aber es wird unfreundlich werden. Ich habe in meiner Kindheit viele glückliche Ferien in Eger verbracht, wo die Schwester meiner Mutter lebt. Es ist auch heute noch eine außerordentlich harmonische und fröhliche Familie; mein Cousin und die beiden Cousinen, natürlich inzwischen erwachsen und ihrerseits verheiratet, sind meine besten Freunde, daran haben weder der Krieg noch die zurzeit leider stattfindenden Streitigkeiten zwischen Tschechen und Deutschen etwas geändert. Eger war im Grunde immer eine deutsche Stadt, auch wenn die Tschechen das heute nicht gern hören. Für uns bestand da nie eine Grenze. Nun ist es anders geworden, und die Zukunft sieht schwierig aus. Die Tschechen mögen die Slowaken nicht, und die Slowaken nicht die Tschechen, und beide nicht die Deutschen. Jetzt ist es betrüblicherweise so. In so einem Nationalitätenstaat kann man selten auf die Dauer friedlich miteinander leben.«

»Ist Deutschland denn nicht auch ein Nationalitätenstaat?«

»Gewiss nicht. Zwar bestand das Deutschland vor Bismarcks Reichsgründung aus verschiedenen Fürstentümern und vier Königreichen, aber die Deutschen sprachen immer eine Sprache, und die Geschichte hat sie – nun, sagen wir – hat sie seit Karl dem Großen vereinigt. Das lässt sich nicht auslöschen. Das hat Bestand.«

»Und heute?«

»Heute erst recht. Wir haben den Krieg verloren, diesen sinnlosen Krieg, der uns arm gemacht hat und uns Teile unseres Landes gestohlen hat. Doch so etwas kann auch verbinden.«

»Sie nennen es also einen sinnlosen Krieg?«

»Ist nicht jeder Krieg im Grunde sinnlos, jedenfalls in unserer modernen, aufgeklärten Zeit, da es ja nicht um Eroberungen geht? In den Kriegen der Griechen, der Römer, des Mittelalters ging es immer um Landgewinn. In unserem letzten Gespräch erwähnten Sie Karl den Vierten. Er führte diese Kriege, oder besser diese Kämpfe, in seiner Jugend zumeist auf italienischem Boden, der ja wirklich seit dem Niedergang des Römertums ein ständiger Kriegsschauplatz war, gerade wegen dieser vielen Stadtstaaten. Und der junge Karl wurde von seinem Vater dazu gezwungen. Dieser König Johann von Böhmen muss ein rechter Haudegen gewesen sein. Doch als Karl dann in Prag regierte, schuf er Frieden. Frieden und Bildung, soweit es nur möglich war.«

»Es hat nicht lange vorgehalten.«

»Das würde ich nicht sagen. Trotz allem, was später geschah, steht sein Name mit goldenen Lettern im Buch europäischer Geschichte.« Der junge Mann lachte ein wenig verlegen. »Verzeihen Sie das Pathos, Graf. Mein Geschichtslehrer im Gymnasium drückte es so aus. Und warum sollten wir, die aufgeschlossenen, aufgeklärten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, nicht versuchen, in Frieden miteinander zu leben? Gerade jetzt nach diesem Krieg, den ich sinnlos nenne. Ihr Thronfolger und seine Frau wurden in Sarajevo ermordet, gewiss schlimm genug. Aber war es Grund genug, dass Millionen Menschen dafür sterben mussten? In Wien wusste man, wie verhasst die Monarchie bei den Serben war. Warum also diesen Staatsbesuch riskieren?«

»Wenn das Unheil geschehen ist, weiß man es immer besser. Ja, es war ein sinnloser Krieg. Und für euch Deutsche bestand erst recht kein Grund, sich an diesem Krieg zu beteiligen.«

»Das ist die vermaledeite Bündnispolitik. Hätte ein Bismarck gelebt, wäre es nicht passiert. Aber ich habe den Eindruck, die Welt war versessen auf diesen Krieg.«

»Das ist ein böses Wort. Die Welt? Wer ist das?«

»Europa. Dieses zerstörte, uneinige Europa, aufgerüstet bis zu den Zähnen, auch wir. Doch wenn Amerika nicht eingegriffen hätte, wäre der Krieg nicht auf diese jämmerliche Weise verloren gegangen. Also kann man schon sagen, die Welt.«

»Die Welt? Was ist die Welt? Es ist immer nur noch unser bisschen Erde. Sie sprechen lobend von Bismarck. Ich sage, wenn Bismarck dieses neue Deutsche Reich nicht erzwungen hätte, wenn er nicht ausgerechnet im Schloss von Versailles, dem Sitz des Sonnenkönigs, einen preußischen König zum Deutschen Kaiser proklamiert hätte, der sich nur widerwillig dazu hergab, meinen Sie nicht, dass uns erspart worden wäre, was wir hinter uns haben?«

»Vielleicht. Bismarck war ein Sieger. Und Sieg macht oft unklug. Einen Versailler Vertrag hätte er jedenfalls nicht diktiert. Denn er war ein kluger Sieger.«

»Nicht im Fall der Kaiserkrönung.«

»Ich muss Ihnen recht geben, Graf. Ich würde gern hoffnungsvoll in die Zukunft sehen. Aber wir alle sind Erben und damit Verdammte der Geschichte. Wir können ein Stück weiter zurückgehen. Wenn nicht Napoleon dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation den Todesstoß versetzt hätte, sähe es vielleicht anders aus.«

Der Bodensteiner nickte. »Ja, so ist es wohl. Was wäre, wenn. Die ganze blutige Geschichte der Menschheit wurde zumeist von den sogenannten großen Männern der Geschichte geschrieben. Sie erwähnten die Römer. Was wäre gewesen, wenn sie, wenn beispielsweise Cäsar nicht die Hand ausgestreckt hätte, ihren Herrschaftsbereich zu erweitern, auch über das Gebiet, das wir heute Europa nennen. Heute ist es Historie, die man in der Schule lernt, und wir finden es amüsant, dass die Römer in unseren Quellen gebadet haben. Und was war es damals? Not, Blut, Tod. Sterbende Männer, vergewaltigte Frauen, ermordete Kinder. Und Sie glauben, dieses Jahrhundert, das zwanzigste, wie man es nennt, wird es besser machen?«

»Ich weiß es nicht, ich wünsche es nur. Die Menschen sind klüger geworden.«

»Das meinen Sie doch nicht im Ernst. Die Masse Mensch ist so töricht wie eh und je, sie lässt sich betören und verführen. Und das, was heute regiert, es nennt sich Demokratie, das hatten die alten Griechen schon. Ist auch nicht gut gegangen.«

»Auch sie hatte Eroberer und Krieger. Und heute? Ich weiß es nicht, ob den Demokraten das Blut der Kriege auch gut schmecken wird.«

Ohne Übergang sprach der Graf noch einmal von seinem Helden. »Wir hatten den besten Herrscher in diesem Land, Karl den Vierten. So einen wie ihn braucht die Welt.«

»Die Welt von heute würde wohl auch für ihn zu groß geworden sein. Immerhin, er steht für beste europäische Tradition. Ein Luxemburger als böhmischer König in Prag und schließlich als Kaiser des Reiches.«

»Er gründete die erste deutschsprachige Universität. Wissen Sie zufällig wann?«, fragte der Graf listig.

Der andere lachte. »Es war 1348.«

»Schade, dass wir nicht zusammenkommen, Herr Molander. Ich glaube, wir hätten manches gute Gespräch miteinander führen können.«

»Ich werde zurückgehen nach Selb, ich finde schon Arbeit. Aber ich kann Ihnen einen guten Mann empfehlen. Einen Tschechen. Er hat bei uns in Selb gelernt. Er ist älter als ich, ein hervorragender Fachmann. Es geht ihm derzeit nicht besonders gut, er war in russischer Gefangenschaft. Und er wäre sicher froh, eine Arbeit zu finden, die seinen Fähigkeiten entspricht. Vielleicht wird er nicht gleich imstande sein, die volle Verantwortung zu übernehmen, ich meine, was die geschäftliche Seite betrifft. Aber Sie sind ja da und werden sicher etwas Geduld aufbringen.«

Der Graf zog die Brauen hoch. »Geduld ist nicht meine starke Seite. Wie heißt der Mann? Und wo finde ich ihn?«

»Jaroslav Beranék wohnt derzeit bei seinen Eltern in Prag. Er ist, wie gesagt, erst vor Kurzem aus Russland heimgekehrt. Er hat keine Arbeit, aber er ist gesund, und er ist ein Fachmann. Ehe ich nach Eger kam, habe ich ihn in Prag besucht. Ich darf sagen, wir sind befreundet. Soll ich ihm schreiben?«

»Ich werde nach Prag fahren«, sagte Graf Bodenstein.

Anfang des Jahres 1921 trat Jaroslav Beranék seine Stellung in der Porzellanfabrik Bodenstein an. Er verstand seine Arbeit und entwickelte sich sehr bald zu einem fähigen Geschäftsmann, und er konnte, was wichtig war in dieser Zeit, gut mit den Arbeitern umgehen. Die Fabrik erweiterte ihre Kapazität, hatte natürlich Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre in der allgemeinen Wirtschaftsflaute zu kämpfen, doch das Exportgeschäft lief nach wie vor einigermaßen zufriedenstellend. Allerdings verkaufte der Graf zu jener Zeit während der Wirtschaftskrise das Palais in Prag zu einem guten Preis, eine gewisse Kapitaldecke war vonnöten, und das Haus stand sowieso die meiste Zeit leer. Personal wurde dennoch benötigt, da gab es Ärger, die Leute in der Großstadt waren unzuverlässig geworden, und der endlose Streit, die ständige Unruhe, die Schlägereien zwischen Tschechen und Deutschen, die Überfälle der Tschechen auf deutschen Besitz, deutsche Lokale, die gewaltsame Übernahme des Deutschen Theaters, dieser ganze bösartige Kampf der Tschechen gegen die deutschen, österreichischen und jüdischen Bewohner der Stadt, der seit der Gründung des Staates an der Tagesordnung war, verdüsterte das Leben in der schönen alten Stadt. Die Deutschen und die Juden hielten zusammen, denn in ihren Händen lag noch immer die wirtschaftliche Macht.

Der Graf hielt sich nicht mehr gern in Prag auf. Die Torheit der Menschen, die auch nach diesem schrecklichen Krieg nicht in Frieden zusammenleben konnten, erbitterte ihn. Im Palais hatte man eingebrochen, wertvolle Gemälde waren gestohlen worden, auch das Bildnis des Kaisers, worüber sich der Graf am meisten ärgerte. Die Polizei war nachlässig, gab sich keine Mühe, die Diebe ausfindig zu machen oder gar den Bildern nachzuspüren. So verstärkte sich der Gedanke, das Palais auf der Kleinseite zu verkaufen.

Die Tochter

Seine Tochter Angèle, mittlerweile zwölf Jahre alt, erboste sich noch mehr über den Verlust der Bilder als er.

»Du hast mir immer versprochen, Vater, dass du mich einmal mitnehmen wirst nach Prag. Nun werde ich den Kaiser nie sehen.«

»Es gibt noch mehr Bilder von ihm. Und vielleicht, man kann ja nicht wissen, bekommen wir es doch wieder.«

Karl IV. war der Abgott ihrer Mädchenzeit; das lag vor allem daran, dass ihr Vater immer wieder von ihm erzählte. Und zwar auf eine so lebendige Art, als habe er dieses Leben, diese glanzvolle Zeit des ausgehenden Mittelalters selbst miterlebt.

Gräfin Leonore sagte einmal: »So genau kannst du das gar nicht wissen«, als ihr Mann wieder einmal ausführlich einen Abend am Prager Hof geschildert hatte, die anwesenden Gäste, die Gespräche, sogar was gegessen und getrunken worden war. »Ich weiß es aber. Es ist genug darüber geschrieben worden. Der Kaiser hat ja selbst in jungen Jahren ein Tagebuch geführt. Viel anders hat die Stadt damals nicht ausgesehen. Karl ließ den Veitsdom erbauen, er hat die Neustadt angelegt, und der Golem ist gewiss auch damals schon durch die Stadt gegangen.«

Am nächsten Tag, der Graf und seine Tochter standen an der Schlossmauer und blickten hinab ins Tal, auf den Fluss, an dem sich die Straße entlangzog, sagte Angèle: »Vielleicht ist er da unten geritten, nicht wahr, Vater, das kann doch sein?«

»Ist möglich.«

»Vielleicht war er auch bei uns im Schloss.«

»Könnte sein.«

»Und dann stand er hier, wo ich jetzt stehe, und der Wind, der vom Turm herunterbläst, hat ihm das Haar und den Bart zerzaust. So wie mir jetzt.«

»Ich sehe aber keinen Bart bei dir.«

Sie bog den Kopf zurück, ihre langen dunklen Haare tanzten im Wind.

»Wenn ich ein Junge wäre, möchte ich einen Bart haben. Wie er. Warum hast du keinen Bart, Vater?«

»Ich hatte früher einen. Aber ohne ihn komme ich mir jugendlicher vor.«

Zu dieser Zeit war er zweiundsiebzig, immer noch schlank und gerade, er aß gern, er trank reichlich, er rauchte schwere Zigarren, manchmal fühlte er Stiche in der Brust, und Schmerzen in der Hüfte plagten ihn, sodass er nächtelang wach lag. Doch darüber sprach er nicht.

»Du kannst ja mal einen Mann mit Bart heiraten.«

»Ich möchte gar nicht heiraten. Dann müsste ich von hier fort. Ich möchte niemals woanders leben als hier.«

»Das verstehe ich. Dann müssen wir einen Mann für dich finden mit Bart und einem Schloss wie unserem.«

»Es müsste einen Turm haben, so hoch wie unser Turm. Als der Kaiser hier war, ob dann auch der Wind geblasen hat wie heute?«

»Ganz bestimmt. Wo hohe Türme sind, da ist auch Wind.«

»Wenn ich unbedingt heiraten muss, kann es ja ein Mann sein, der hier bei uns wohnt.«

Der Graf betrachtete sie nachdenklich. Sie war groß für ihr Alter, schmal gewachsen, sie hatte sehr helle graue Augen. Augen wie er. Sie konnte kühl und abweisend blicken, wenn ihr etwas nicht passte. So wie er.

Und das tat sie sofort, als er auf das verhasste Thema kam.

»Ehe du heiratest, ob nun einen Mann mit oder ohne Bart, musst du noch viel lernen.«

Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. »Fang nicht wieder von der Schule an!«

»Wir müssen gelegentlich davon reden, damit du dich an den Gedanken gewöhnst. Ein ungebildetes Mädchen bekommt weder einen Mann mit Bart noch einen mit Schloss.«

»Ich sage doch, ich will gar keinen.«

»Zum Beispiel musst du lernen, dass ein Schloss mit Turm eine ganze Menge Geld verschlingt.«

Wer wusste das besser als er? Auch er hatte lernen müssen zu rechnen, jedes Jahr ein wenig mehr, und ganz besonders seit die Weltwirtschaftskrise auch über die Tschechoslowakei und sie gekommen war.

Angèle lachte unbeschwert. »Das Geld verdient doch Jaroslav für uns.«

Jaroslav Beranék gehörte für sie zur Familie. Er kam oft ins Schloss, jeder mochte ihn, seine ruhige, verständige Art, seine Zuverlässigkeit. Für Angèle war er neben ihrem Vater der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Besser gesagt, nach dem Kaiser und ihrem Vater war sie Jaroslav am meisten zugetan. Und gleich danach kam Jiři, seit der Kindheit ihr vertraut, ein Freund und Gefährte, besonders seit er mit ihr reiten durfte. Der ungarische Fuchswallach Tibor begleitete ihr Leben, seit sie das erste Mal auf einem Pferd sitzen konnte, und genau genommen liebte sie ihn mehr als alle Menschen. Allein schon seinetwegen war der Gedanke, in eine Schule zu gehen, unvorstellbar. Eine Schule würde ein Internat sein, und dann musste sie Tibor verlassen.

Der Graf konnte nicht mehr reiten, seit ihn das schmerzende Hüftgelenk plagte. Er schwieg über die Schmerzen, er unterdrückte das Hinken, nur mit Doktor Wieland sprach er darüber.

»Da lässt sich nicht viel machen«, sagte der Arzt aus Eger bekümmert. »Ich habe zwar davon gelesen, dass man eine Operation an einem maroden Hüftgelenk versuchen kann. Sie sollten nach Wien fahren, Graf. Oder nach Berlin. Da gibt es gute und fortschrittliche Ärzte.«

»Den Teufel werde ich tun und mich ganz lahm machen lassen. An mir wird keiner herumschneiden.«

»Am besten machen Sie jedes Jahr eine Kur in Marienbad. Direkt vor Ihrer Nase, Graf. Bequemer können Sie es nicht haben. Denken Sie mal an Goethe, wie lange der mit der Postkutsche reisen musste, bis er da war.«

»Ich hasse Kuren«, knurrte der Graf.