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Der bewegende Bericht eines Mannes, der am 13. November 2015 während der Terroranschläge in Paris die Liebe seines Lebens verlor und mit einem einzigen Post die ganze Welt bewegte.
Am 13. November 2015 sah Antoine Leiris seine Frau Hélène zum letzten Mal – sie wurde an diesem Tag mit neunundachtzig weiteren Personen im Konzertsaal Le Bataclan Opfer der Terroranschläge in Paris. Während die Welt geschockt und in tiefer Trauer versuchte, eine Erklärung für das Unfassbare zu finden, postete der Journalist auf Facebook einen offenen Brief. In bewegenden Worten wandte er sich darin an die Attentäter und verweigerte „den toten Seelen“ seinen Hass – und den seines damals siebzehn Monate alten Sohnes Melvil. Die Botschaft ging um die Welt. Er, der an jenem Tag die Liebe seines Lebens verlor, hatte nur eine Waffe: seine Worte. Das Grauen, der Verlust und die Trauer haben Antoine Leiris‘ Leben erschüttert. Ehrlich und ergreifend schildert er Momente aus einem zerstörten und doch so zärtlichen Alltag zwischen Vater und Sohn – und sagt damals wie heute, dass das Leben trotzdem weitergehen soll. Antoine Leiris trotzt dem Terror und der Gewalt mit einer bewegenden und hoffnungsvollen Botschaft: „Meinen Hass bekommt ihr nicht“.
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Seitenzahl: 66
Buch
Der bewegende Bericht eines Mannes, der am 13. November 2015 während der Terroranschläge in Paris die Liebe seines Lebens verlor und mit einem einzigen Post die ganze Welt bewegte.
Antoine Leiris hat bei den Anschlägen von Paris am 13. November 2015 im Bataclan seine Frau Hélène verloren. Auf Facebook wandte sich der Radiojournalist in einem offenen Brief an die Männer, von denen sie getötet wurde. Seine Worte bewegten und bewegen immer noch viele im Netz. Der Beitrag wurde bereits 229.903 Mal geteilt. Der Journalist ist damit zum Symbol für den Terror-Widerstand in Paris geworden. Ehrlich und ergreifend schildert er Momente aus einem zerstörten und doch so zärtlichen Alltag zwischen Vater und Sohn – und sagt damals wie heute, dass das Leben trotzdem weitergehen soll.
Autor
Antoine Leiris (geb. 1982) war Kulturredakteur bei den französischen Radiosendern France Info und France bleu. Heute arbeitet er als Journalist in Paris.
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Antoine Leiris
Meinen Hass
bekommt ihr nicht
»Freitag Abend habt ihr das Leben eines
außerordentlichen Wesens geraubt,
das der Liebe meines Lebens,
der Mutter meines Sohnes,
aber meinen Hass bekommt ihr nicht.«
Deutsch von Doris Heinemann
Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel
»Vous n’aurez pas ma haine« bei Librairie Arthème Fayard, Paris.
Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text
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Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.
1. Auflage
Copyright der Originalausgabe © 2016 by
Librairie Arthème Fayard
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvalet
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: © www.buerosued.de
Umschlagmotiv: © www.buerosued.de
ED · Herstellung: kw
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN 978-3-641-20223-1V001
www.blanvalet.de
»Ich habe sie überall gesucht …«
»…«
»Sind da noch Leute?«
»Monsieur, Sie müssen sich auf das
Schlimmste gefasst machen.«
EINE NACHT DER BARBAREI
13. November
22:37 Uhr
Melvil ist ohne einen Mucks eingeschlafen, wie meistens, wenn seine Mama nicht da ist. Er weiß, dass bei Papa die Lieder weniger sanft sind und die Umarmungen weniger weich, also verlangt er keine Zugaben. Um mich wach zu halten, bis sie zurückkommt, lese ich.
Die Geschichte eines ermittelnden Romanciers, der herausfindet, dass ein Romancier und Mörder den Roman, der ihn selbst zum Romancier werden ließ, in Wirklichkeit gar nicht geschrieben hat. Von Verwicklung zu Verwicklung finde ich heraus, dass der Romancier und Mörder in Wirklichkeit niemanden umgebracht hat. Und dafür der ganze Aufwand. Auf dem Nachttisch vibriert mein Handy.
»Hallo, alles gut? Seid ihr zu Hause?«
Ich möchte nicht gestört werden. Ich hasse diese nichtssagenden SMS. Keine Antwort.
»Alles in Ordnung?«
»…«
»Seid ihr in Sicherheit?«
Was soll das heißen, »in Sicherheit«? Ich lege das Buch weg und haste auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Ich darf das Baby nicht wecken. Ich greife nach der Fernbedienung, die Horrorkiste braucht irrsinnig lange, bis sie endlich an ist. Attentat im Stade de France. Die Bilder sind wenig aussagekräftig. Ich denke an Hélène. Daran, sie anzurufen und ihr zu sagen, dass sie besser mit dem Taxi nach Hause kommen sollte. Aber da ist noch etwas. In den Gängen des Stadions stehen einige Menschen erstarrt vor den Bildschirmen. Den Inhalt der Bilder kann ich nur von ihren Gesichtern ablesen. Sie wirken verstört. Nehmen etwas wahr, das ich nicht sehe. Noch nicht. Dann bleibt das Schriftband, das viel zu schnell über den unteren Rand des Bildschirms läuft, plötzlich stehen. Das Ende der Unschuld.
»Attentat im Bataclan.«
Tonausfall. Ich höre nur noch mein Herz, das aus meiner Brust auszubrechen versucht. Die Wörter hallen in meinem Kopf nach wie ein nie enden wollendes Echo. Eine Sekunde, lang wie ein Jahr. Ein Jahr der Stille, da auf meinem Sofa. Es muss ein Irrtum sein. Ich vergewissere mich, dass sie wirklich dorthin gegangen ist, ich könnte mich geirrt oder etwas vergessen haben. Ja, das Konzert findet im Bataclan statt. Hélène ist im Bataclan.
Bildausfall. Ich sehe nichts mehr, doch ich spüre einen elektrischen Schlag durch meinen ganzen Körper. Ich möchte losrennen, einen Wagen stehlen, sie holen. In meinem Schädel brennt nur noch drängende Eile. Diese Flammen lassen sich nur durch Bewegung eindämmen. Doch ich kann nicht weg, nebenan schläft Melvil, ich stecke hier fest. Dazu verurteilt, dem um sich greifenden Feuer zuzusehen. Ich möchte schreien. Unmöglich, ich darf das Baby nicht wecken.
Ich greife nach dem Telefon. Ich muss sie anrufen, mit ihr sprechen, ihre Stimme hören. Kontakte. »Hélène«, einfach nur Hélène. Ich habe nie ihren Namen in meinem Telefonbuch geändert, nie ein »mon amour« oder ein Foto von uns beiden hinzugefügt, um ihn aus den anderen herauszuheben. Sie auch nicht. Es ist ein Anruf von »Antoine L.«, der sie an diesem Abend nie erreicht. Klingeln. Mailbox. Ich lege auf, versuche es noch einmal – einmal, zweimal, hundertmal. So oft es nötig ist.
Ich fühle mich von diesem Sofa erdrückt, das mich einschließt, gerade bricht die ganze Wohnung zusammen. Mit jedem Anruf, der nicht angenommen wird, versinke ich ein wenig tiefer in die Trümmer. Alles erscheint mir fremd. Die Welt ringsum verschwindet. Es gibt nur noch sie und mich. Mit einem Anruf holt mich mein Bruder in die Realität zurück.
ENDE DER LESEPROBE