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Was für ein Schock für die Bademantel- Gang. Marzena liegt im Krankenhaus und braucht Hilfe. Sandra macht sich auf den Weg, dorthin, wo Ebbe und Flut herrschen. Doch statt Nordseefeeling mit niedlichen Seehunden, Fischbrötchen und Grog, bekommt sie es mit den Untiefen der Esoterik und des Tarots zu tun. Auch das Watt hält so manche Überraschung parat. Die Bademantel-Gang Cosy Krimi Reihen geht in die vierte Runde. Auch dieser Fall bietet den Lesern nicht nur Spannung, sondern auch eine gehörige Portion Humor.
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Seitenzahl: 541
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Buch
Der vierte Band der Bademantel-Gang-Krimi-Reihe, setzt die erfolgreiche Geschichte um Sandra Büchner und ihre Freundinnen auf gewohnt spannende und humorige Weise fort. Dieses Mal verschlägt es Sandra an die Nordseeküste. Nicht für ein entspanntes Treffen mit den Mädels oder um sich die niedlichen Seehunde anzusehen. Grund dafür ist ein schrecklicher Vorfall, der Marzena betrifft. Ihre Freundin wurde überfallen und braucht ihre Hilfe. Natürlich macht sich Sandra sofort auf den Weg und bei ihr ist dieses Mal Billy, die Frau von Kommissar Grießler. Ob der friesische Kommissar Petersen Sandras Hilfe annimmt und ob Tarotkarten zur Lösung des Falls beitragen können, gehört zu den Fragen, mit denen sich die Bademantel-Gang dieses Mal beschäftigt.
Sylvie Braesi
Geboren 1960 und aufgewachsen in Magdeburg. Sie hat eine Ausbildung als Heimerzieherin und war u. a. als Dozentin und Vermittlungscoach in der Erwachsenenbildung sowie als Kabarettistin tätig. Mit dem Schreiben begann sie 2015 als Selfpublisherin. Nach der Veröffentlichung von 3 historischen Krimis wechselte sie zu aktuellen Regional- und Cosy-Krimis. Darüber hinaus schreibt sie gern schwarzhumorige Kurzgeschichten für Erwachsene. Bisher sind 14 Bücher von ihr erschienen. Erhältlich sind ihre Bücher als Taschenbuch, E-Book und einige auch als Hörbuch.
Die Bademantel-Gang Krimi Reihe Bisher erschienen als Taschenbuch und E-Book:
Mord mit Therapie (2021)
ISBN 9783754306819
Mord in Teufels Küche (2022)
ISBN 9783756293711
Mord fürs Karma (2023)
ISBN 9873758301230
Hörbücher:
Mord mit Therapie
Mord in Teufels Küche
AN DER NORDSEEKÜSTE ...
Kapitel EINS
Kapitel ZWEI
Kapitel DREI
Kapitel VIER
Kapitel FÜNF
Kapitel SECHS
Kapitel SIEBEN
Kapitel ACHT
Kapitel NEUN
Kapitel ZEHN
Kapitel ELF
Kapitel ZWÖLF
Kapitel DREIZEHN
Kapitel VIERZEHN
Kapitel FÜNFZEHN
Kapitel SECHZEHN
Kapitel SIEBZEHN
Kapitel ACHTZEHN
Kapitel NEUNZEHN
Kapitel ZWANZIG
Kapitel EINUNDZWANZIG
Kapitel ZWEIUNDZWANZIG
Kapitel DREIUNDZWANZIG
Kapitel VIERUNDZWANZIG
Kapitel FÜNFUNDZWANZIG
Kapitel SECHSUNDZWANZIG
Kapitel SIEBENUNDZWANZIG
Kapitel ACHTUNDZWANZIG
Kapitel NEUNUNDZWANZIG
Kapitel DREIßIG
Kapitel EINUNDDREIßIG
Kapitel ZWEIUNDDREIßIG
Kapitel DREIUNDDREIßIG
Kapitel VIERUNDDREIßIG
Kapitel FÜNFUNDDREIßIG
Kapitel SECHSUNDDREIßIG
Kapitel SIEBENUNDDREIßIG
Kapitel ACHTUNDDREIßIG
Kapitel NEUNUNDDREIßIG
Kapitel VIERZIG
Kapitel EINUNDVIERZIG
Kapitel ZWEIUNDVIERZIG
Kapitel DREIUNDVIERZIG
Die dichte Wolkendecke machte die Nacht noch finsterer. Nur draußen am Horizont, dicht über der Wassergrenze, blinkten ein paar Lichter. Positionslichter, die einzigen Lichtquellen auf dem Meer, wenn die Sterne nicht zu sehen waren. Auf See sorgten sie dafür, dass Schiffe unbehelligt aneinander vorbeifuhren. Daran hatte sich trotz Radar und GPS bis heute nichts geändert.
So wie die Leuchttürme den Seeleuten eine baldige glückliche Heimkehr verhießen, so weckten die Lichter der Schiffe in den Menschen an Land das Fernweh, die Sehnsucht nach fernen Ländern. Noch heute schickt man Schiffen sehnsuchtsvolle Blicke und gute Wünsche hinterher.
Inzwischen war die christliche Seefahrt von der ständigen Modernisierung verdrängt worden. Das letzte bisschen Romantik wurde nur noch von einigen Segelschiffen verkörpert, die man ab und an bei Hafenfesten und Paraden bewundern konnte. Eines hoffentlich noch fernen Tages würden auch sie verschwinden und nur noch vollautomatische KI-gesteuerte Ozeanriesen die Meere befahren.
An all das verschwendete er keinen Gedanken. Die Schiffe interessierten ihn nicht und die Seefahrt war nie ein Teil seines Lebens gewesen, auch wenn er die meiste Zeit am Meer gelebt hatte. Im Moment war er mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Wasser spielte dabei zwar auch eine untergeordnete Rolle, doch es war nur Mittel zum Zweck. Es sollte ihm helfen, die Spuren zu verwischen und zwar nicht nur seine. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Was war falsch gelaufen? Jetzt war es zu spät, um darüber nachzudenken. Er brauchte seine ganze Aufmerksamkeit für das, was sich unter seinen Füßen befand. Diese dunkle, zähe und glitschige Masse, die man Watt nannte. Hier musste jeder Schritt sitzen, damit sich die Anstrengung in Grenzen hielt. Wer sich nicht auskannte, konnte schnell ausrutschen oder steckenbleiben. Er kannte sich zum Glück bestens aus.
Das schlittenartige Gefährt, das er hinter sich herzog, machte sein Vorankommen etwas leichter, aber die Zeit saß ihm im Nacken. Bald würde die Flut einsetzen und bis dahin wollte er schon längst wieder auf dem Rückweg sein. Seiner Schätzung nach blieb ihm höchstens noch eine Stunde, bis er umkehren musste. Er musste sich wirklich beeilen.
Das schmatzende Geräusch unter seinen Stiefeln zeigte ihm an, dass er sich dem Priel näherte. Als die Silhouette einer im Watt steckenden Stange, Prigge genannt, vor ihm aus der Dunkelheit auftauchte, atmete er erleichtert auf. Priggen kennzeichneten schmale Schifffahrtswege durch das Wattenmeer, die unabhängig von den Tiden befahren werden konnten. Fähren nutzten diese Fahrrinnen. Für ihn bedeutete das Auftauchen der Prigge, dass er am Ziel war. Noch ein paar Handgriffe und seine Arbeit war getan. Der Rückweg würde leichter werden. Dann nämlich musste er nur noch einen leeren Schlitten hinter sich herziehen. Seine Last, ein in eine Plane gewickeltes Bündel, blieb hier.
Die Last vom Schlitten zu heben erwies sich noch als einfach. Die letzten Schritte bis zur Prigge waren anstrengend. Verflucht, war das schwer! Bloß gut, dass er den Schlitten genommen hatte. Ohne ihn hätte er keine Chance gehabt, seinen Plan umzusetzen.
Mit Schwung ließ er das Bündel neben der Prigge auf den Boden klatschen. Durch den Aufprall verrutschte die Plane und gab den Blick frei auf ein bleiches Gesicht. Irgendwie, fand er, hatte dieser Anblick etwas Friedliches an sich. Als würde man einem Schlafenden ins Gesicht sehen.
Er zog die Plane vom Körper, faltete sie zusammen und legte sie zurück auf den Schlitten. Den Körper lehnte er mit dem Rücken an die Prigge. Immer noch war friedlich das Wort, das die Szene am besten beschrieb. Als letztes schlang er ein Seil um Prigge und Körper. Der lockere Knoten vor der Brust sollte beides, während das Wasser stieg, noch zusammenhalten. Irgendwann würde er sich lösen und die nächste Ebbe den ganzen Dreck mit aufs Meer hinausziehen. Oder auch nicht. Ihm war es egal. Ob der Körper gefunden wurde oder nicht, ob das im offenen Meer oder im Watt geschah, spielte keine Rolle. Niemand konnte eine Verbindung zu ihm herstellen. Das Wasser vernichtete alle noch vorhandenen Spuren. Unfall oder Selbstmord, etwas anderes würde die Polizei nicht vermuten. Und das war durchaus naheliegend. Wie oft zogen leichtsinnige Besucher nachts betrunken durchs Watt. Sie achteten nicht auf die Zeichen, weil sie sie nicht kannten, verloren die Orientierung und brachten sich in Schwierigkeiten. So manches Mal war Rettung im erst letzten Moment erfolgt. Bei dem hier würde es einfach nur heißen, dass er nicht so viel Glück gehabt hatte.
Ein letztes Mal überprüfte er den Knoten auf Festigkeit und den Körper auf Lebenszeichen. Die gab es, aber nur ganz schwach. Ausgeschlossen, dass der Typ das Bewusstsein wiedererlangte, bevor er ertrank. Er war zufrieden. Es wurde auch höchste Zeit für den Rückmarsch. Ohne sich nochmal umzusehen, stapfte er mit dem leeren Schlitten wieder aufs Ufer zu. Sehen konnte er es nicht, aber das war auch nicht nötig. Er wusste genau, wohin er gehen musste.
Das Klingeln ihres Handys riss Sandra aus einem wirren Traum, in dem sie wieder mal versucht hatte, kriechend vor etwas zu fliehen. Diesen Traum hatte sie schon oft gehabt. Sie konnte nicht laufen und erst recht nicht rennen. Nur wenn sie sich mit den Händen über den Boden zog, kam sie vorwärts. Irgendwann kam dann der Moment, an dem sie versuchte zu schreien. Doch wenn sie den Mund aufmachte, kam kein Ton heraus. Ein beängstigendes Gefühl. Aus dieser Beklemmung holte sie das Klingeln, zurück in die Realität.
Ihr Wecker zeigte kurz nach 3 Uhr. Wer rief sie um diese nachtschlafende Zeit an? Einige ihrer Klienten konnte man zwar als Nachtschwärmer bezeichnen, aber selbst die würden sich an ihre Bürozeiten halten. Lang genug waren sie schließlich. Auf Sandras Website stand: Telefonisch erreichbar von 8 Uhr bis 22 Uhr. Persönliche Termine nach Absprache. Bisher war sie damit ganz gut gefahren. Also, wer klingelte sie aus dem Schlaf? Sie schaute auf die Nummer, erschrak und ging ran.
„Gerti? Wieso rufst du um diese Zeit an? Ist was passiert?“ Noch im Halbschlaf versuchte Sandra sich auf Gertis hektische Stimme zu konzentrieren. Wenn sie aufgeregt war, sprach sie manchmal so schnell, dass sie über ihre eigenen Worte stolperte.
„Ich musste dich anrufen. Nach dem Schreck konnte ich nicht mehr schlafen. Du etwa? Deine Nerven möchte ich haben. Findest du das nicht auch schrecklich?“
Akustisch hatte Sandra alles verstanden, wusste aber nicht, worauf Gerti anspielte. „Halt mal kurz die Luft an. Ich komme mir gerade vor, als würde ich einen Film sehen, bei dem ich den Anfang verpasst habe. Was ist so schrecklich, dass du nicht schlafen kannst?“
Für ein paar Sekunden herrschte Ruhe am anderen Ende und Sandra begann zu hoffen, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Dann hörte sie erneut Gertis Stimme, die jetzt sehr erstaunt klang.
„Du weißt es nicht? Wieso weißt du es noch nicht? Du weißt doch sonst immer alles.“
„Gerti! Ich bin nicht Jesus! Und wenn du mir nicht langsam mal erzählst, was ich deiner Meinung nach wissen sollte, dann leg ich auf und sterbe irgendwann in seliger Unwissenheit.“
Vom anderen Ende der Leitung drang ein Schnaufen an ihr Ohr und Sandra befürchtete schon, Gertis Blutdruck wäre Amok gelaufen. Dem war zum Glück nicht so. Gerti hatte nur Luft geholt.
„Marzena liegt im Krankenhaus, in Bremen. Es sieht nicht gut aus.“
Das war zwar in der Tat eine schreckliche Nachricht, informationstechnisch aber völlig unzureichend für Sandra.
„Gerti, bitte tu nicht so, als könnte ich Gedanken lesen. Du musst mir den Rest schon noch erzählen.“
„Hach ja. Ich bin nur so aufgeregt, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen so.“
„Okay. Beruhig dich und sag mir erst mal, warum Marzena im Krankenhaus liegt. Hatte sie eine Operation?“
„Eine? Ich glaub, sie hatte schon drei.“
Spätestens in diesem Moment begriff Sandra, dass es wirklich ernst war. „Ein Unfall?“ Marzena fuhr viel mit dem Fahrrad, da lag die Vermutung nahe.
„Nein! Viel schlimmer. Marzena wurde überfallen und schlimm verletzt. Ihr Glück war, dass sie schnell gefunden wurde.“ Jetzt war es Sandra, der es die Sprache verschlug. Das war aber kein Problem, denn nun war Gerti im Redefluss. „Es ist am Samstagabend passiert. Marzena war auf dem Nachhauseweg, kam von einem Treffen. Es war noch nicht spät, aber schon dunkel. Sie fuhr durch einen kleinen Park und da ist es passiert. Die Polizei geht von einem Raubüberfall aus, weil ihre Tasche geklaut wurde.“ Gerti schnieft und konnte kaum weitersprechen. „Sie liegt im Koma und sie wissen nicht, ob sie wieder aufwacht. Und selbst wenn sie wieder aufwacht, wissen sie nicht …“ Der Rest ging in Gertis heftigem Schluchzen unter. So gern Sandra die Freundin auch getröstet hätte, im Moment hatte sie selber zu kämpfen, um ihre Fassung nicht zu verlieren. Eine Frage musste sie Gerti aber noch stellen.
„Woher weißt du denn das alles?“
„Ich wollte Marzena anrufen und da war ihr Mann am Telefon. Der hat es mir erzählt.“
„Wow! Der erzählt einer Fremden einfach so, was mit seiner Frau passiert ist?“
„Ach, so fremd bin ich doch gar nicht. Er weiß doch von unserer Freundschaft seit der Reha.“
„Am Telefon könnte aber jeder behaupten, mit Marzena befreundet zu sein.“
„Quatsch! Weshalb sollte das jemand tun?“
„Um herauszufinden, wie es Marzena geht?“
„Isch globs ja nich! Unsere Freundin liegt schwerverletzt im Krankenhaus und du machst einen Kriminalfall draus? Echt jetzt?“
„Ich mache keinen Fall draus, Gerti. Aber du musst mir schon gestatten, dass ich mir ein paar Gedanken über das alles mache. Immerhin ist Marzena ja wirklich Opfer eines Verbrechens geworden.“ Damit hatte Sandra natürlich Recht und das musste auch Gerti zugeben. Sandra hakte noch mal nach. „Ich finde es trotzdem ziemlich gutgläubig von dem Mann, dir das alles zu erzählen.“
„Ich sag doch, ich bin keine Fremde.“ Klang da ein bisschen Schuldgefühl bei Gerti durch? Die verbarg doch etwas. Das wollte Sandra genauer wissen.
„Woher kennt er dich denn?“
„Or, is ja gut! Isch hab se ähm ma besucht. Nu weestes!“
Im ersten Moment war Sandra viel zu überrascht, um zu reagieren. Das war auch ganz gut so. Ihre Erwiderung wäre vielleicht heftiger ausgefallen als in dieser Situation gut war.
„Biste jetzt sauer?“, fragte Gerti plötzlich leise.
„Wie kommst du denn da drauf? Du kannst doch besuchen, wen du willst.“ Das klang nicht mal halbwegs überzeugend. Gerti fühlte sich daher auch verpflichtet, eine Erklärung abzugeben.
„Das war nicht geplant. Wir haben doch vor ein paar Monaten Urlaub in Dänemark gemacht. Auf dem Rückweg sind wir auf einen Sprung zu Marzena gefahren, nur für einen Tag und eine Nacht. Lag ja fast auf dem Weg.“
Das war aus Sandras Sicht etwas übertrieben. Sie verzichtete auf die Bemerkung: Bei mir seid ihr aber nicht gewesen. Stattdessen sagte sie: „Bremen liegt aber nicht auf dem direkten Weg zwischen Dänemark und Sachsen.“
„Marzena wohnt nicht mehr in Bremen. Sie und ihr Mann sind letztes Jahr umgezogen, nach Neuharlingersiel.“
„Neuhar…was?“ Noch eine Neuigkeit, von der sie nichts wusste.
„Neuharlingersiel. Das liegt in Ostfriesland, am Wattenmeer. Richtig schön.“
„Schön für Marzena! Ich verstehe nur nicht, wieso ihr so ein Geheimnis darum gemacht habt. Na egal, das ist jetzt nicht wichtig. Hast du zufällig die Telefonnummer von Marzenas Mann? Ich würde gern mal anrufen und fragen, wie es ihr geht.“ Damit konnte Gerti dienen und mit der Info: „Er ist bestimmt im Krankenhaus. Wird also schwierig, ihn dort zu erreichen.
„Macht nichts. Ich kann ihm ja was auf die Mailbox sprechen. Ruf mich an, wenn du noch was hörst.“
„Ich ruf dich auf jeden Fall an, spätestens heute Abend. Und jetzt muss ich versuchen, wenigstens noch ein bisschen Schlaf zu kriegen. Ich muss nämlich um halb sechs aufstehen. Nacht, Sandra!
„Nacht, Gerti. Danke für deinen Anruf.“
An Schlaf war bei Sandra nicht mehr zu denken. Dazu war sie viel zu aufgewühlt. Ihre Gedanken sprangen hin und her. Der Überfall auf Marzena, ihre beängstigend schlechten Aussichten und, wie konnte es anders sein, die Frage, was die Polizei schon alles unternommen hatte. Natürlich schwang da auch noch so ein kleiner Hauch von Eifersucht durch den Raum. Gerti und Marzena schienen ihre Freundschaft in letzter Zeit vertieft zu haben. Den Verdacht hatte sie schon länger gehabt. Hier war nun der Beweis: Gertis Besuch bei Marzena und der Umzug in dieses Neuharlingerdorf. Ja, sie fühlte sich ausgeschlossen und das war ein beschissenes Gefühl. Davon runterziehen ließ sie sich jedoch nicht. Je länger sie darüber nachdachte, umso schneller verflog ihr Ärger wieder. Im Grunde war sie selber schuld. Sie hätte doch auch jederzeit die Freundinnen besuchen können. Ein Besuch bei Gerti war sogar schon in Planung gewesen. Sie hatte ihn aber immer wieder verschoben, aus Gründen, die jetzt plötzlich ziemlich fadenscheinig klangen. Wieso nur machte man immer wieder denselben Fehler und schob Dinge vor sich her, bis es zu spät war? Die Antwort gab Sandra sich gleich selber. Weil man vergaß, wie endlich die Zeit für jeden war. Und niemand wusste, wie viel Zeit ihm noch blieb.
Das waren ganz schön trübsinnige Gedanken. Solange die ihr im Kopf rumspukten, brauchte sie gar nicht erst daran denken, wieder ins Bett zu gehen. Also ließ sie es bleiben und setzte sich stattdessen an ihren Laptop, ging ins Internet und suchte nach Infos. Ein so brutaler Überfall war bestimmt durch die Medien gegangen.
So war es auch. Schon nach kurzer Suche wurde Sandra fündig. Nicht nur in der Presse, auch das Regionalfernsehen hatte darüber berichtet. Den Namen hatte man ausgespart, ansonsten aber kein grausiges Detail ausgelassen. Im Gegenteil. Sandra kam es so vor, als hätte man noch ein paar Schauerlichkeiten hinzugefügt. Bei den Vermutungen über die Hintergründe war dann eindeutig die Phantasie mit einigen Verfassern durchgegangen. Besonders wild und haarsträubend gebärdete sich ein spezielles Blatt. Die Überschrift lautete:
OPFER ÜBERLEBT NUR KNAPP
BRUTALEN RIPPER-ÜBERFALL
In fetten Großbuchstaben prangte die Schlagzeile auf Seite 1, mit wenig Text dazu. Düstere Bilder vom Tatort gab es dafür genug. Sie zeigten Einsatzfahrzeuge, Leute von der SpuSi bei der Arbeit unter grellem Licht und hinter viel Flatterband. Sogar ein Foto von Marzena war abgebildet worden. Der schwarze Balken quer über den Augen konnte nicht verhindern, dass jeder aus Marzenas Umfeld sie auch wiedererkannte. Damit war der Spießrutenlauf vorprogrammiert. Immer wieder ärgerte Sandra sich über die respektlose Zurschaustellung von Opfern. War es denn nicht genug, dass sie den Schrecken eines Verbrechens am eigenen Leibe erfahren mussten? Polizeiliche Befragungen brachten ihnen diese Schrecken immer wieder in Erinnerung. Und im Fall eines Gerichtsverfahrens mussten sie nicht nur ihrem Peiniger Auge in Auge gegenübertreten. Sie durchlebten bei ihrer Aussage die Momente der Angst und des Schmerzes noch ein weiteres Mal. Von den teils erniedrigenden Fragen der Anwälte mal ganz zu schweigen. Die Täter aber verschanzten sich hinter Aktenordnern, ihren Anwälten und den Persönlichkeitsrechten. Sie mussten nicht mal aussagen. Das war etwas, das Sandra nie verstehen würde. Wer anderen Menschen Gewalt antat, sollte zumindest genauso vorgeführt werden dürfen wie ihre Opfer.
Sandra wollte sich diese Sensationshascherei nicht weiter ansehen. Wie arm musste jemand im Geiste sein, der sich sowas zu Gemüte führte und, was noch schlimmer war, sich daran ergötzte. Sie fuhr den Laptop runter. Wenig später stand sie mit einer Tasse Kaffee auf ihrem Balkon und schaute auf den langsam heller werdenden Horizont. Die Stadt erwachte. Schon bald würden die ersten Sonnenstrahlen die Nacht vertreiben und mit ihr auch die Dunkelheit und die trübsinnigen Gedanken. Als es hell genug war, setzte sie sich mit ihrem Notizblock an den kleinen runden Tisch neben dem Olivenbäumchen. Als erstes notierte sie alles, was sie über Marzena wusste.
Marzena Mikulska Kloss
geb. 14.08.1979 in Krakow (Polen)
2000 Übersiedlung nach Bremen
Heirat mit Jens Kloss, 1 Kind (Mädchen *2002)
Arbeit als Krankenschwester, nach der Reha Hausfrau
2023 Umzug nach Neuharlingersiel
Auf den ersten Blick sah das nach nicht besonders viel aus, doch das täuschte. Das waren nur die blanken Fakten. Sandra könnte noch vieles über Marzena schreiben, aber eben nur subjektive Dinge. Zum Beispiel etwas über ihren melancholischen Charakter, ihre Vorlieben für polnische Wurst oder dass sie gerne Fahrradtouren machte und keine Fernreisen mochte. Ihr Lieblingswort war mega. Sie benutzte es, wann immer ihr etwas gefiel. Außerdem kochte sie leidenschaftlich gern und mochte klassische Musik. Seit dem letzten Treffen der Bademantel-Gang im vergangenen Jahr wusste Sandra auch um Marzenas spirituelle Seite und ihr Interesse für Esoterik. Marzena war diejenige von ihnen gewesen, die ihren Aufenthalt im Buddhistischen Meditationszentrum Bodhi Vihara auf dem Darß wirklich genossen hatte, während Sandra wiedermal in einen Mordfall gestolpert war. Gertis Versuche, sie vom Detektivspielen abzuhalten, waren natürlich ohne Erfolg geblieben. Daran hatte nicht mal ihr Freund und Ehrenmitglied, Kommissar Sören Grießler, etwas ändern können. *
* Mord fürs Karma – dritter Fall der Bademantel-Gang
Sandra wandte sich nun den Fakten des Überfalls zu. Viel kam nicht zusammen.
Samstagabend, gegen 20 Uhr
Marzena mit Fahrrad unterwegs durch kleinen Park
Vermutung der Polizei: Raubüberfall
Handtasche gestohlen
Da blieben noch so einige Fragen offen. Nach dem Inhalt der Handtasche zum Beispiel. War etwas davon wieder aufgetaucht? Gerti hatte etwas von einem Treffen erwähnt. Was für ein Treffen hatte Marzena besucht? Das wusste hoffentlich ihr Mann. Dann war da noch die Frage nach den Verletzungen. Welcher Art waren die und wie hatte man sie ihr zugefügt? Vielleicht mit einer Tatwaffe? War etwas Derartiges gefunden worden? Es konnten auch mehrere Täter gewesen sein. Das alles interessierte Sandra brennend und nichts davon würde sie erfahren, solange sie sich nur an die offiziellen Kanäle hielt.
Musste sie das denn überhaupt? Immerhin war sie eine Privatdetektivin und durfte ermitteln. Der Haken an der Sache war, dass sie einen offiziellen Auftrag brauchte, um tätig zu werden. Von Marzena würde sie vorläufig keinen bekommen. Vielleicht aber von ihrem Mann. Sie beschloss, ihn auf jeden Fall um so einen Auftrag zu bitten, wenn sie ihn anrief, heute noch. Hoffentlich ließ er sich darauf ein. Es könnte nicht schaden, wenn sie zu dem Gespräch schon ein paar Ergebnisse vorweisen könnte, als Referenzen sozusagen. Im Moment wusste sie aber nicht mal das, was die Polizei wusste und sie hatte keine Idee, wie sie daran was ändern konnte.
Grießler, schoss es ihr durch den Kopf. Wieso hatte sie nicht schon viel eher an ihn gedacht. Ihm sollte es nicht schwerfallen, an interne Infos ranzukommen. Ob er diese Infos mit ihr teilen würde, stand allerdings auf einem anderen Blatt. Er hatte sich immer noch nicht mit ihrer Rolle als Privatdetektivin abgefunden. Doch da es um Marzena ging, sollte er seine kleinlichen Bedenken ruhig mal hintenanstellen. Und wenn er ihre Ermittlung unterstützte, konnte auch Gerti nichts dagegen sagen. Nicht, dass sie vorgehabt hätte, Gerti um Erlaubnis zu bitten. Das wäre ohnehin zu spät, sie war ja schon längst mittendrin.
Sandra schaute auf die Uhr. Inzwischen war es schon kurz nach sechs, immer noch zu früh für ihren Anruf in Ostfriesland und Grießler würde sie frühestens um 8 Uhr an seinem Schreibtisch erwischen. Bis dahin konnte sie sich schon mal eine Strategie zurechtlegen. Die erwies sich in diesem Fall als gar nicht so kompliziert. Erst die schlechte Nachricht übermitteln und dann um Hilfe bitten. Einfach und ohne Umschweife. Das klang gut und praktikabel.
Sandra wusste schon nach 5 Minuten, dass ihr Plan nicht aufgehen würde. Grießler reagierte zwar betroffen auf die Nachricht vom Überfall, machte ihr aber sehr schnell klar, dass sie sich von seiner Seite nicht mehr erhoffen durfte. Unumwunden kam er sofort auf den Punkt.
„Wenn du Blumen und eine Karte schicken willst, bin ich gern bereit, etwas beizusteuern. Bei allem, was darüber hinausgeht, bin ich nicht dabei.“
„Was du gleich wieder denkst“, entgegnete Sandra. Sie gab sich alle Mühe nicht enttäuscht zu klingen. Es wäre ihr aber nicht mal dann gelungen, Grießler zu täuschen, wenn sie einen heiligen Schwur geleistet hätte. Sein Lachen und seine nächste Bemerkung ließen keinen Zweifel daran, wie sehr er sie durchschaut hatte.
„Was ich denke? Willst du das wirklich wissen? Okay. Du hast mich angerufen, weil du mich bitten willst, dass ich dir die Ermittlungsakte besorge. Ich weiß doch genau, dass es dir schon wieder in den Fingern juckt. Kannst es also ruhig zugeben.“
„Ich gebe gar nichts zu, also bitte erspar mir deine Unterstellungen.“
„Ich habe nicht vor, dir irgendwas zu unterstellen und es ist mir auch egal, ob du dich wieder einmischen willst. Tu was du willst. Ich habe nur eine Bitte: Lass mich da raus! Ich verspüre nämlich keinerlei Interesse, in Ostfriesland ermittlerisch tätig zu werden.“
„Gut. Dann ist das ja geklärt. Ich habe sowieso genug eigene Fälle, die ich bearbeiten muss.“
„Freut mich, dass du so gut im Geschäft bist. Lass dich von mir nicht aufhalten und wenn du mit Gerti telefonierst, grüß sie von mir. Bis dann.“ Und schon hatte er aufgelegt.
Sandra war maßlos enttäuscht. Sie hatte wirklich auf seine Hilfe gehofft, gerade weil es doch um eine Freundin ging, um eine von ihnen, um die Bademantel-Gang. Kommissar hin oder her, so von ihm abgeschmettert zu werden, tat weh. Diese Schlappe musste sie erst mal verdauen.
Verdauen musste Grießler die Nachricht auch. Natürlich hatte er schon mit viel schlimmeren Verbrechen zu tun gehabt. Es war aber etwas ganz anderes, wenn es jemanden betraf, den man persönlich kannte oder mit dem man sogar befreundet war. Grießler erinnerte sich an die Zeit in der Reha-Klinik Rosenburg. Dort waren sich die drei von der Bademantel-Gang und er zum ersten Mal begegnet. Sandra, die mit ihren lustigen, flotten Sprüchen immer wieder für gute Laune sorgte, die aber auch ständig auf der Suche nach Angelegenheiten zu sein schien, in die sie ihre Nase stecken konnte. Gerti, mit ihrem herrlich sächsischen Dialekt, die schnell in Hektik verfiel, wenn mal wieder etwas außer der Reihe passierte. Und dann noch Marzena: introvertiert, nicht so leicht zu begeistern, aber eine herzensgute Seele, die keiner Fliege was zuleide tun konnte. Und ausgerechnet sie war das Opfer eines brutalen Verbrechens geworden. Es traf immer die Falschen. Das sollte um Gottes willen nicht heißen, dass Gerti oder Sandra es eher verdient hätten. Niemand hatte sowas verdient.
Je mehr Grießler darüber nachdachte, umso mehr bedauerte er, Sandra so angegangen zu sein. Tat er ihr am Ende Unrecht damit, dass er ihr solche Hintergedanken unterstellte? Der Anruf hatte vielleicht wirklich nur dem Freund gegolten, nicht dem Kommissar. Und war es denn nicht ganz natürlich, dass sie wissen wollte, was genau der Freundin zugestoßen war? Bestimmt ging es Gerti genauso und Billy sicher auch.
Heilige Scheiße, Billy!
Jetzt musste er ihr erst mal die schlechte Nachricht überbringen. Er konnte sich schon denken, wie sie es aufnehmen würde. Gar nicht gut. Nicht nur den Überfall auf Marzena, sondern auch sein Telefonat mit Sandra. Was seine Weigerung, Sandra Informationen zu beschaffen betraf, da würde sie ihm Recht geben. Die Art und Weise, wie er mit Sandra gesprochen hatte, war etwas ganz anderes. Grießler hörte schon ihre Worte: „Manchmal kannst du wirklich ein richtiger Stiesel sein, Sören.“ Wie er seine Billy kannte würde die auf eine Entschuldigung bei Sandra bestehen. Und sie würde ihn fragen, ob er sich wirklich nicht für den Überfall interessierte. Widerstrebend musste er sich eingestehen, dass es ihn sehr wohl interessierte, zu erfahren, was passiert war. Je mehr er darüber nachdachte, umso besser erschien es ihm, dieser Diskussion von Vornherein aus dem Weg zu gehen. Er wusste auch schon wie. Ein unverbindlicher Anruf bei den Kollegen in Ostfriesland würde schon reichen. Er rechnete nicht damit, dass man ihm viel Neues erzählte, aber wenigstens könnte er Billy sagen, dass er es versucht hatte. So würde er ihr den Wind aus den Segeln nehmen und hatte seine Ruhe.
Nach dem niederschmetternden Anruf bei Grießler brauchte Sandra dringend etwas Zuspruch. Und von wem würde sie den bekommen? Von Gerti sicher nicht. Die stand ja immer auf Sörens Seite, wenn es um ihre Detektivarbeit ging. Zum Glück musste sie nicht an jeder Front gegen Widerstände kämpfen. In Grießlers Frau, Billy, hatte sie bisher immer eine Verbündete gefunden. Warum sollte es dieses Mal anders sein. Sie griff erneut zum Telefon.
„Sandra! Was für eine schöne Überraschung?“, wurde sie von Billy in der für sie typischen, heiteren Art begrüßt. Sandra kam blitzartig eine Idee.
„Kann ich kurz vorbeikommen, Billy. Ich muss was mit dir bereden.“
Billy, die gut zwischen den Zeilen lesen konnte, wurde sofort hellhörig. „Ist was passiert?“, fragte sie.
„Ich würde lieber unter vier Augen mit dir darüber reden. Geht das oder passt es gerade nicht?“
„Nein, schon gut. Komm vorbei. Wir können zusammen frühstücken.“ Mit ihrer Einladung wollte Billy sicher die schlimme Vorahnung abschwächen, die in der Luft lag. Sie war eine leidenschaftliche Köchin und Bäckerin. Heute kam Sandra in den Genuss ihrer berühmten Gastlichkeit.
Als Sandra bei Billy eintraf, hatte die schon den Tisch gedeckt, frische Brötchen gekauft und Kaffee gekocht. Durch die Wohnung zog der wunderbare Duft von Rührei und gebratenem Speck. Bei so viel liebevoller Vorbereitung ging Sandra das Herz auf. Es tat ihr leid, die Stimmung mit ihrer schlechten Botschaft zu zerstören. Billy, die schon ahnte, dass etwas Schlechtes auf sie zukam, schob Sandra kurzerhand an den Tisch und sagte: „Egal was es ist, erst wird gefrühstückt. Mit vollem Magen redet es sich besser.“ Dafür war Sandra ihr dankbar, denn gerade merkte sie, wie hungrig sie war.
Billy schenkte Kaffee ein, machte für Sandra noch ein Glas selbstgemachte Johannisbeermarmelade auf und schaufelte ihr eine große Portion Rührei auf den Teller. Erst als Sandra bei der dritten Tasse Kaffee angelangt war und sich satt zurücklehnte, war sie zufrieden. „Na dann lass die Bombe mal platzen“, waren ihre Worte und genau das tat Sandra auch.
Billy hörte aufmerksam zu. Selbst als Sandra endete, schwieg sie. Sie war viel zu erschüttert, als dass sie etwas hätte sagen können. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, stellte sie nur eine Frage: „Was wirst du jetzt tun?“
Damit hatte Sandra nicht gerechnet. Allerdings hatte sie Billy auch noch nichts von dem Telefonat mit ihrem Mann erzählt, was sie nun nachholte. Sie fasste das Gespräch mit wenigen Sätzen zusammen, die darauf hinausliefen, dass sie gerne etwas für Marzena tun würde, was über Blumen und Genesungswünsche hinausging. Da Grießler ihr aber nicht helfen wollte, würden ihre Chancen nicht gutstehen.
„Wann hast du denn mit ihm telefoniert?“, wollte Billy wissen.
„Kurz bevor ich dich angerufen habe.“
„Das ist also schon über eine Stunde her.“ Billy stand auf und ging hinaus. Als sie wieder in die Küche kam, hatte sie ihr Handy dabei. „Typisch Sören“, murmelte sie.
„Was ist denn?“
„Er hat mich noch nicht angerufen.“ In Billys Stimme schwang ein Hauch von Ärger mit, was selten bei ihr vorkam. Sandra überlegte, warum Billy so verärgert darüber war, dass Ihr Mann sich noch nicht gemeldet hatte. Die Antwort bekam sie prompt.
„Ich wette mit dir, dass er mit der Nachricht erst rausrückt, wenn er Feierabend hat. Und seine Entschuldigung wird lauten: Ich dachte Sandra oder Gerti würden wollen, dass sie es sind, die dir das mitteilen. Aber damit kommt er nicht durch. So ein Drückeberger!“
„Warum sollte er sich denn drücken wollen? Schlechte Botschaften überbringen gehört doch zu seinem Job. Will er dich schonen?“
„Von wegen schonen. Der weiß genau, was ich dazu sagen würde und das will er nicht hören.
Jetzt begann bei Sandra der Groschen zu fallen. Sie fragte trotzdem nach. „Was meinst du denn?“
„Na was schon, Sandra. Ich würde natürlich von ihm verlangen, dass er was unternimmt. Das Mindeste wäre, dass er sich erkundigt, wie weit die Kollegen in dem Fall sind. Marzena ist unsere Freundin. Da kann er sich nicht einfach raushalten.“
„Seine Absage war ziemlich deutlich, glaub mir.“
„Das werden wir ja sehen. Überlass Sören Grießler ruhig mir.“ Billy konnte ganz schön energisch klingen und Sandra schöpfte neue Hoffnung.
„Dann redest du mit ihm?“
„Natürlich! Deswegen bist du doch hergekommen, oder?“ Billy ließ sich wirklich nicht so leicht was vormachen. Dazu war sie viel zu sehr die Frau eines Kriminalkommissars.
Müde und abgespannt kam Grießler zuhause an. Er fühlte sich so zerschlagen, als hätte er den ganzen Tag zu Fuß Verbrecher verfolgen müssen. Dabei bestand seine ganze Arbeit darin, Akten zu wälzen, Protokolle zu schreiben und Fallberichte einzusortieren. Er hätte nie vermutet, dass ein Tag Schreibtischarbeit ihn so ermüden würde. Einen Vorteil hatte die Versetzung in den Innendienst immerhin gehabt. Er konnte pünktlich Feierabend machen. Wenn er jetzt nachhause kam, wartete Billy schon mit selbstgebackenem Kuchen und Kaffee auf ihn. Im Sommer setzten sie sich auf den Balkon, im Winter in den Erker. Das war etwas, wozu sie früher nie gekommen waren. Normalerweise freute Grießler sich darauf. Heute kam er mit zwiespältigen Gefühlen heim.
Billy saß schon auf dem Balkon. Nach einem dicken Schmatz auf die Wange begrüßte Grießler seine Frau mit den Worten: „Hallo Schatz. Hm, Marmorkuchen.“ Nach außen klang er begeistert. In Wirklichkeit wusste er, dass was im Busch war. Marmorkuchen gab es nur aus zwei Gründen: wenn unerwünschter Besuch anstand oder Billy keine Lust zum Backen hatte. Ab heute kam wohl noch ein dritter Grund dazu: wenn er was ausgefressen hatte.
„Und? Wie war dein Tag?“ Diese Frage stellte Billy immer und gewöhnlich erzählte er ihr dann ein paar Anekdoten. Heute verzichtete er darauf.
„Du weißt wohl schon was passiert ist?“
„Hm hm.“ Natürlich wusste sie es.
„Schlimme Sache.“ Grießler seufzte vernehmlich und hoffte, damit wäre der Fall erledigt. Das war er natürlich nicht.
„Warum hast du mich nicht angerufen und mir davon erzählt?“
„Ich bin davon ausgegangen, dass Sandra dich anruft.“ Genau wie sie es vermutet hatte. Und wie aus der Pistole geschossen, legte Grießler noch eine Schippe drauf. „Du weißt doch, wie Sandra ist. Sie möchte die Neuigkeiten gern selber verbreiten.“
Billy spürte, wie ihr Unmut wuchs. „Seit wann nimmst du auf Sandras Wünsche Rücksicht?“ Sie winkte ab. „Ich hätte eine so schlechte Nachricht jedenfalls gern von meinem Mann erfahren, aber der hat es nicht für nötig gehalten, mich anzurufen. Und das obwohl Marzena unsere Freundin ist. Sandra dagegen ist sogar extra hergekommen“
Wenn Billy zur indirekten Anrede überging, war das gar nicht gut. Grießler versuchte gegenzusteuern.
„Siehst du! Ich hatte also Recht mit meiner Vermutung, dass Sandra es dir selber sagen wollte. Außerdem war heute viel zu tun.“
„Fang bloß nicht so an, Sören. Wir beide wissen, warum du nicht angerufen hast. Weil dir klar war, was ich von dir erwarte. Überspringen wir diese Diskussion also ruhig und kommen gleich zum Punkt. Was hast du rausgefunden?“
Es überraschte ihn nicht, dass Billy ihn durchschaute. Schließlich war sie seine Frau. Dass sie so sauer sein würde, damit hatte er nicht gerechnet. Jetzt war er doch froh, etwas unternommen zu haben. Ein bisschen würde er sie aber noch zappeln lassen.
Wieso denkst du, ich könnte versucht haben, etwas herauszufinden? Das ist ein anderes Bundesland, da habe ich nichts zu melden. Ich bin auch kein Ermittler mehr. Das scheint ihr alle gern zu vergessen.“
Billy sah ihn fast ein bisschen mitleidig an. „Du willst wirklich, dass ich es ausspreche? Okay!“ Sie räusperte sich übertrieben, dann tat sie ihm den Gefallen. „Du wusstest, dass ich von dir verlange, dich nach dem Stand der Ermittlung in Ostfriesland zu erkundigen und auch, dass ich keine Ruhe geben würde, bis du es tust. Um dieser ganzen Debatte aus dem Weg zu gehen, hast du lieber gleich angerufen. Du dachtest wahrscheinlich, dass es egal ist, ob man dir was erzählt oder nicht. So oder so könntest du immerhin sagen, dass du es versucht hast. Liege ich soweit richtig?“
Grießler nickte nur und Billy sprach weiter.
„Zu deinem Glück weiß ich, dass du immer noch ein guter Ermittler bist und dass du sogar richtig freundlich sein kannst, wenn es darauf ankommt. Und ich weiß, dass dir Marzena auch am Herzen liegt. Also gehe ich davon aus, dass du dich nicht hast abwimmeln lassen. Und jetzt rück raus mit den Infos, bevor ich wirklich sauer werde.“
Grießler konnte nicht anders, er musste lachen. „Schade, dass du nie auf die Idee gekommen bist, zur Kripo zu gehen.“
„Lenk nicht ab, Sören.“
„Also gut. Ja, ich habe angerufen und ja, ich habe mit dem ermittelnden Beamten gesprochen. Viel erfahren konnte ich aber nicht. Übrigens nicht, weil ich nicht nett genug gefragt habe, sondern weil es bisher noch nicht viele Erkenntnisse gibt. Es könnte ein Raubüberfall gewesen sein. Jedenfalls ermitteln sie in dieser Richtung. An Marzenas Körper, ihrer Kleidung und dem Fahrrad wurden Spuren gesichert und die werden jetzt ausgewertet. Bis Ergebnisse vorliegen kann es noch dauern. Eine Täterbeschreibung wäre natürlich hilfreich. Da es aber keine Zeugen gibt, ruhen alle Hoffnungen darauf, dass Marzena bald wieder aufwacht und dass sie sich an den Überfall erinnert. Tja, das ist alles, was man mir gesagt hat.“ Damit sollte Billys Wissensdurst eigentlich gestillt sein, hoffte Grießler.
Mit den Worten: „Du bleibst doch aber dran, oder?“, wurde diese Hoffnung jäh zerstört. Er wollte gerade verkünden, gleich noch Sandra anzurufen, als seine Frau ihm zuvorkam.
„Ich habe mit Sandra vereinbart, dass ich mich melde, sobald ich mit dir gesprochen habe. Du gehst immer so schnell an die Decke, wenn du mit ihr redest. Außerdem möchte ich auch Bescheid wissen. Halte du einfach den Kontakt zu den Ostfriesen.“
Etwa zur selben Zeit versuchte Sandra immer noch Marzenas Mann, Jens Kloss, ans Telefon zu kriegen. Bei jedem Versuch war nur die Mailbox angesprungen. Sandra war kein Freund von Mailbox Nachrichten. Heute machte sie jedoch eine Ausnahme, in der Hoffnung, dass Kloss irgendwann seine Nachrichten abhörte. Dann hieß es erst mal warten. Je mehr Zeit verging, umso schwerer fiel es ihr, ihre wachsende Ungeduld zu bezähmen. Nur weil sie Billy versprochen hatte, die Füße vorläufig stillzuhalten, verzichtete sie auf ihren üblichen Trick: Bei der örtlichen Polizeistation anrufen, sich als Reporterin ausgeben und um Informationen bitten. In der Regel bekam man sowieso nur die Auskunft, dass über laufende Ermittlungen keine Auskünfte erteilt wurden. Manchmal, aber sehr selten, traf man auf einen kommunikativen Polizisten, der sich noch durch Wortgewandtheit und nettes Auftreten beeindrucken ließ. Dann konnte es sogar vorkommen, dass man Details erfuhr, die nicht durch die Medien gegangen waren. Nun, diese Möglichkeit blieb ihr immer noch und zwar dann, wenn Billy erfolglos blieb.
Sandra schaute auf die Uhr. Noch einen Versuch wollte sie machen, bevor sie sich zu einem Kunden aufmachen musste. Drei Mal klingeln, dann ein Knacken. Wieder die Mailbox?
„Hallo?“ Eine männliche Stimme meldete sich. Sandra atmete auf.
„Hallo. Ich bin Sandra Büchner, eine Freundin von Marzena. Sind Sie ihr Mann?“
„Ja, bin ich. Sie sind die Frau aus Magdeburg, nicht? Gerti hat mir gesagt, dass Sie bestimmt auch noch anrufen.“ Koss klang nicht gerade erfreut, aber wahrscheinlich war er nur müde und besorgt. Das Telefon verzerrte die Stimmen oftmals und da man das Gesicht seines Gesprächspartners nicht sah, konnte man sich leicht irren. Das war wohl auch ein Grund dafür, wieso Betrüger am Telefon so erfolgreich waren.
„Herr Kloss, ich wollte mich nach Marzenas Befinden erkundigen. Gerti hat mir erzählt, dass sie überfallen wurde und im Krankenhaus liegt.“ Natürlich wusste sie schon etwas mehr. Mit diesem kleinen Trick wollte sie nur erreichen, dass er ins Reden kam. Und wenn er das tat, dann erfuhr sie ja vielleicht doch noch das eine oder andere.
Zunächst erzählte ihr Kloss das, was sie von Gerti auch schon gehört hatte. Leider hatte sich Marzenas Zustand inzwischen noch nicht gebessert. Sie lag nach wie vor im Koma.
Als Sandra schließlich nachfragte, ob die Polizei schon einen Verdächtigen hatte, wurde es doch noch interessant.
„Kommissar Petersen ist nicht sehr optimistisch.“ Na bitte! Jetzt hatte sie zumindest den Namen des zuständigen Ermittlers. Sie lauschte gespannt, was Kloss noch zu sagen hatte.
„Petersen hat gesagt, ohne eine Beschreibung von Marzena wird es schwierig werden. Und wer weiß, ob sie sich noch an irgendwas erinnern kann, wenn sie wieder aufwacht. Falls sie wieder…“ Der Rest blieb ungesagt. Die Vorstellung war für Sandra zu schrecklich, deshalb wollte sie das Gehörte nicht so im Raum stehen lassen.
„Das wird sie ganz sicher. Nicht den Mut verlieren. Marzena ist stark. Sie schafft das.“ Gott, wie hohl und platt sie sich anhörte. Kloss war ihr trotzdem dankbar.
„Das sagt mir Svenja auch immer wieder. Svenja ist unsere Tochter. Sie studiert in Bremen Sonderpädagogik. Zurzeit ist sie aber hier und hilft mir mit allem. Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen würde. Sie ist wirklich ein prächtiges Mädel.“ Über die Tochter zu reden, tat Kloss gut. Es lenkte ihn ab und machte ihn zugänglicher.
„In solchen Situationen ist es gut, wenn man nicht allein ist. Familie und Freunde sind da sehr wichtig. Marzenas Familie lebt in Polen, nicht wahr?“
„Sie hat nur noch ihren Vater. Der lebt in einem Seniorenheim, mit schwerer Alzheimer. Weil Svenja auch Polnisch spricht, habe ich sie dort anrufen lassen. Man wird es ihm sagen, wenn er mal wieder einen lichten Moment hat. Ich weiß aber nicht, wozu das gut sein soll. Wahrscheinlich hat er es nach ein paar Minuten schon wieder vergessen. Manchmal beneide ich ihn darum.“ Den letzten Satz hatte Kloss mehr zu sich selber gesagt. Sandra spürte instinktiv, dass das Telefonat in die falsche Richtung abdriftete. So leid ihr der Mann auch tat, sie wollte kein Therapiegespräch führen. Was sie brauchte, war ein Auftrag von ihm.
„Bitte, Herr Kloss. Wenn ich irgendwas für Sie tun kann, dann lassen Sie es mich wissen.“ Die Sekunden vergingen, doch von Kloss kam keine Reaktion. Sandra wollte ihn nicht drängen, aber ohne sein Okay sahen ihre Chancen schlecht aus. Es musste doch eine Möglichkeit geben, ihn zu einem Zugeständnis zu bewegen, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.
„Ich bin hier zurzeit nicht so eingespannt, also könnte ich auch nach Bremen kommen. Wir könnten uns im Krankenhaus abwechseln, damit immer einer bei Marzena ist.“
„Das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Gerti hat sich auch schon angeboten. Im Moment dürfen aber nur Svenja und ich zu Marzena.“
„Das sieht in ein paar Tagen vielleicht schon anders aus und wenn es soweit ist, wäre ich wirklich gern in der Nähe. Und machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Ihnen bestimmt nicht zur Last fallen.“
„Naja, wenn es Ihnen keine Umstände macht?“
„Ach was, Umstände. Marzena ist meine Freundin. Wir haben uns schon in so manch abenteuerlicher Situation beigestanden. Sie hat vielleicht mal davon erzählt. Was ich damit sagen will, jetzt braucht sie meine Hilfe, also komme ich.“ Damit hatte sie sich weit aus dem Fenster gelehnt. Wenn er darauf nicht ansprang, dann war sie mit ihrem Latein am Ende.
„Stimmt es, dass Sie Privatdetektivin sind?“ Na endlich! Sie hatte schon fast nicht mehr dran geglaubt.
„Ja, das ist richtig. Ich könnte auch in diesem Fall tätig werden. Solange Marzena noch keinen Besuch bekommen darf, könnte ich mich dort umsehen, wo es passiert ist.“
„Geht das denn so einfach?“
„Sie müssten mich nur damit beauftragen, Ermittlungen anzustellen.“
„Wird die Polizei das nicht als Einmischung auffassen?“
„Ich mische mich nicht ein. Wenn, dann unterstütze ich die örtliche Polizei höchstens, indem ich ihnen meine Ermittlungsergebnisse mitteile.“ Das war ein bisschen hochgepokert, zugegeben. Sie durfte Kloss aber nichts von Schwierigkeiten erzählen, wenn sie ihn überzeugen wollte. Noch hatte sie es nicht geschafft.
„Dürften Sie denn auch die Polizeiunterlagen einsehen?“
„Sie meinen, damit ich Ihnen sagen kann, was die Polizei inzwischen wirklich rausgefunden hat?“
„Na mir erzählt doch keiner was. Ich soll immer nur Fragen beantworten, stellen darf ich keine.“
„Sie dürfen schon, nur beantwortet werden sie nicht.“
„Stimmt und es nervt, so im Unklaren gelassen zu werden.“
Sandra hätte Kloss jetzt erklären können, dass dies die normale Vorgehensweise der Kripo war, weil Täter oft aus dem familiären Umfeld kamen und die leichtfertige Weitergabe von sogenanntem Täterwissen den Erfolg einer Ermittlung in Gefahr bringen konnte. Nichts lag ihr jedoch ferner als Kloss zu schulmeistern. Deshalb beließ sie es dabei, seine Frage nach den Polizeiunterlagen zu beantworten.
„Ich darf zwar die Polizeiakte nicht einsehen, aber ich habe andere Möglichkeiten, den Stand der Ermittlung in Erfahrung zu bringen. Und ich werde Sie natürlich über alles, was ich erfahre, in Kenntnis setzen.“
„Ich weiß nicht.“ Kloss war eindeutig nicht überzeugt. „Was können Sie denn tun das die Polizei nicht auch kann? Ich bin mir nicht sicher, ob man einen Privatdetektiv genauso ernst nimmt wie einen Kommissar von der Kripo. Ganz zu schweigen von den ganzen Laboruntersuchungen und so. Die könnten Sie gar nicht machen lassen.“
Sandra holte tief Luft. Bei Kloss’ Vorbehalten half nur ein Rundumschlag. „Ich koche zwar auch nur mit Wasser, aber ein paar Vorteile kann ich schon vorweisen. Erstens: Meiner Erfahrung nach reden Leute lieber mit mir als mit der Polizei. Vor allem, wenn sie nicht wissen, dass ich eine Detektivin bin. Zweitens: Ich kann mich voll auf diesen Fall konzentrieren, während die Polizei viele Fälle gleichzeitig bearbeiten muss. Das Meiste davon läuft auch noch sehr bürokratisch ab. Zu jedem Pups muss ein Protokoll erstellt werden und für jede Polizeiaktion braucht es einen Antrag, eine Genehmigung sowie eine zeitliche und personelle Planung. Das gilt nicht für mich.“ Sie machte eine Pause und ergänzte: „Hören Sie! Ich sage ja nicht, dass ich besser bin als die Polizei, aber ich bin gewiss auch nicht schlechter. Zwei Augen mehr könnten gewiss nicht schaden.“
„Das mag ja stimmen, aber ich will keinen Ärger mit der Polizei.“
„Den kriegen sie nicht, versprochen.“
„Und was kostet das, wenn Sie für mich arbeiten? Haben Sie einen Festpreis oder rechnen Sie nach Stunden ab?“
„Ich werde nicht für Sie arbeiten, sondern für Marzena und das mache ich pro bono, also ohne Bezahlung. Da Marzena mich im Moment nicht selber beauftragen kann, müssen Sie als ihr Ehemann das machen. Es reicht eine formlose E-Mail.“
„Gibt es keinen Vertrag?“
„Nur, wenn Sie darauf bestehen, mich bezahlen zu wollen.“ Dem Brummen nach wollte Kloss das nicht. Sandra nannte ihm ihre E-Mail-Adresse.
„Sobald ich die Mail habe, mache ich mich auf den Weg. Können Sie mir eine preiswerte Pension im Ort empfehlen?“
„Das wird nicht nötig sein. Sie kriegen eine von unseren Ferienwohnungen. Natürlich ohne Bezahlung. Melden Sie sich, wenn Sie unterwegs sind.“
„Danke! Ich wusste gar nicht, dass Sie auch Ferienwohnungen vermieten.“
„Das macht hier unten fast jeder. Deshalb sind wir ja auch nach Neuharlingersiel gezogen.“ Auch das war etwas, von dem Sandra noch nichts gewusst hatte. Fürs Erste war sie so gut wie durch, bis auf eins noch.
„Herr Kloss, ich habe noch eine Frage. Haben Sie schon einen Anwalt eingeschaltet?“
„Einen Anwalt? Wieso brauche ich einen Anwalt? Glauben Sie, die Polizei verdächtigt mich?“
„Angehörige werden nie von vornherein ausgeschlossen, aber das habe ich nicht gemeint. Sie müssen sich einen Anwalt nehmen, der die Interessen Ihrer Frau vertritt, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt.“
„Macht das nicht der Staatsanwalt?“
„Der ist als Hauptankläger dem Gesetz verpflichtet. Wie heißt es immer so schön? Der Staat gegen sowieso. Opfer brauchen einen eigenen Anwalt, der ihre Interessen als Nebenkläger vor Gericht vertritt. Könnte doch sein, dass Sie im Falle einer Verurteilung eine Zivilklage einreichen wollen.“
„Aha. Das wusste ich nicht.“
„Dafür haben Sie ja jetzt mich. Und morgen sehen wir uns dann in Neuharlingersiel.“
Eine halbe Stunde später musste Sandra zugeben, dass ihr Versprechen, schon am nächsten Tag vor Ort zu sein, ganz schön ambitioniert gewesen war. Sie konnte nicht einfach die Tasche packen und losfahren. Sie musste noch einige Anfragen bearbeiten, Termine verschieben oder absagen. Dem digitalen Zeitalter sei Dank, würde sie vieles auch außerhalb Magdeburgs erledigen können, aber nicht alles.
Nachdem sie ihre geschäftlichen Angelegenheiten geregelt hatte, gab es noch zwei Dinge zu erledigen: Sachen packen und Billy anrufen. Ersteres tat sie sofort. Mit dem Anruf wollte sie bis zum nächsten Morgen warten, wenn Grießler auf Arbeit sein würde. Daraus wurde nichts, denn Billy kam ihr zuvor. Sie berichteten sich gegenseitig ihre Neuigkeiten und waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Als Sandra Billy ihre Reisepläne offenbarte, bot diese spontan an, mitzukommen. Sandra war sofort Feuer und Flamme. Über sie bekam sie jederzeit Kontakt zu Grießler. Auch wenn er ihr nicht helfen wollte, seiner Frau konnte er doch nie was abschlagen. So gesehen kam, Billy an ihrer Seite zu haben, einem Glücksfall gleich. Sandra war nicht so abgebrüht, dass ihr dieser Hintergedanke nicht ein ganz kleines bisschen peinlich war. Zu ihrer Ehrenrettung musste aber auch gesagt werden, dass sie sich Billy als Reisebegleitung gut vorstellen konnte. Deshalb ging sie sofort auf ihren Vorschlag ein.
„Das wäre wirklich toll. Kannst du dich denn so einfach loseisen?“
„He, ich bin Hausfrau. Wer sollte mich daran hindern, einen Spontanausflug an die Nordsee zu machen?“
„Dein Mann?“, wand Sandra vorsichtig ein.
„Der wird schon ein paar Tage ohne mich auskommen. Solange er genug zu essen hat und saubere Wäsche findet, sollte das kein Problem sein.“
Aus dem Hintergrund ertönte der wohlbekannte Bariton Sören Grießlers. „Was ist kein Problem für mich, Schatz?“
„Essen auftauen und was zum Anziehen aus dem Schrank nehmen“, konterte Billy.
„Muss ich das? Mit wem redest du?“, war noch zu hören, dann beendete Billy das Gespräch mit den Worten: „Ich muss Schluss machen. Schreib mir, wann du mich abholst und wieviel Tage du einplanst.“
„Und, wie hat Sören es aufgenommen?“, war Sandras erste Frage nach der Begrüßung am nächsten Morgen.
„Och, er hat ein bisschen gebrummt am Anfang, aber als ich ihn fragte, ob er nicht mitkommen möchte, da war Ruhe.“ Sie schaute Sandra an und ergänzte: „Etwas hat er doch gesagt. Es klang wie: Nur über meine Leiche.“
„Dich mitfahren zu lassen war wohl das kleinere Übel.“
„Hm. Heute Morgen fand ich diesen Zettel von ihm auf dem Küchentisch. Darauf steht: Mein Schatz, ich wünsche euch eine gute Fahrt. Noch ein guter Rat von mir: Macht euch ein paar schöne Tage an der Nordsee und lasst euch ja nicht einfallen, mich ständig anzurufen. Kaution stelle ich übrigens auch nicht. Dein dich liebender Ehemann. Ist er nicht putzig?“
„Was hast du ihm geantwortet?“
„Nichts. Damit warte ich bis wir da sind. Ich soll ihm nämlich Bescheid geben, dass wir gut angekommen sind.“
„Also doch anrufen?“
„WhatsApp.“
„Na dann, mal los. Wenn wir gut durchkommen, können wir in 3 Stunden da sein.“
„Dann gibt’s heute Mittag ja schon das erste Fischbrötchen!“ Billys Begeisterung in allen Ehren, Sandra wollte erst gar keine Ferienstimmung aufkommen lassen.
„Muss ich dich daran erinnern, weswegen wir da runterfahren? Bevor wir uns irgendwelchen Lustbarkeiten widmen können, gibt es noch eine Menge zu erledigen.“
„Das weiß ich doch. Aber essen müssen wir schließlich auch mal.“
„Erst mal fahren wir nach Bremen zu Marzena ins Krankenhaus. Dort treffen wir uns mit ihrem Mann. Und von da aus geht es nach Neuharlingersiel. Kloss stellt uns eine seiner Ferienwohnungen zur Verfügung. Wenn wir dann vor Ort sind schauen wir mal, was wir noch erledigen können.“
„Du machst aber ganz schön Druck, Sandra.“
„Der Überfall ist schon ein paar Tage her. Je eher wir anfangen zu ermitteln, umso besser.“
„Ich verstehe schon. Die Spur wird kalt.“
Der Blick, den Sandra Billy zuwarf, drückte Zweifel aus. Nicht, dass sie es bereute, Billys Vorschlag mitzukommen, angenommen zu haben. Ihr war nur gerade eingefallen, dass sie sich vor nicht allzu langer Zeit auch so angehört haben musste. Kein Wunder, dass Grießler sie nicht ernst genommen hatte.
Derweil saß Grießler an seinem Schreibtisch vor seinem Computer. Er hatte einen Stapel Anforderungsformulare vor sich, die er eintragen und weiterleiten sollte. Seine Konzentration war aber heute nicht die Beste. Immer wieder ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken abschweiften, hin zu Billy und Sandra.
Begeistert war er ganz sicher nicht gewesen, als Billy ihm verkündete, Sandra begleiten zu wollen. Da ihm aber klar war, wie gering seine Chancen waren, sie davon abzuhalten, verzichtete er lieber von vornherein darauf, es zu versuchen. Nachdem er sich damit abgefunden hatte, konnte er dem Ganzen sogar noch etwas Positives abgewinnen. Billy würde ihn ganz sicher über alles auf dem Laufenden halten und das gab ihm die Möglichkeit, schneller einzugreifen, wenn die Sache aus dem Ruder lief. Und wer weiß? Vielleicht wirkte Billys Anwesenheit sich sogar ein wenig mäßigend auf Sandras Tatendrang aus. Das waren seine Gedanken gewesen, als er zur Arbeit fuhr.
Inzwischen war diese Zuversicht einer gehörigen Portion Skepsis und einer damit verbundenen dunklen Vorahnung gewichen. Er war kurz davor, die Kollegen vor Ort anzurufen und sie vorzuwarnen, dass da eine gewaltige Welle ermittlerischer Phantasie in Gestalt zweier Frauen im Anrollen war. Das tat er aber dann doch nicht, weil eine dieser Frauen immerhin seine Ehefrau war und die würde ihm das sehr übelnehmen. Was er aber tun konnte, war, Gerti anzurufen. Die konnte zwar auch nicht helfen, aber sie war wenigstens auf seiner Seite, bestimmt.
Ganz so schnell, wie gehofft, kamen die Frauen dann doch nicht durch. Bis Bremen brauchten sie fast 4 Stunden, was zwei Baustellenstaus und einem Unfall geschuldet war. Sie hatten sich mit Marzenas Mann auf dem Parkplatz beim Klinikum Bremen-Nord verabredet und dort stand er auch. Müde, mit hängenden Schultern und dunklen Augenringen reichte er ihnen die Hand zur Begrüßung. Er machte keine Anstalten in die Klinik hineinzugehen und das aus gutem Grund. Es gab leider schlechte Neuigkeiten. Marzenas Zustand hatte sich verschlechtert. In der letzten Nacht war es bei ihr zu Komplikationen gekommen, die eine weitere OP notwendig gemacht hatten. Dabei hatte Sandra so sehr auf einen kurzen Besuch bei Marzena gehofft. Daran war aber vorläufig nicht zu denken. Selbst ihr Mann würde heute frühestens am Nachmittag zu ihr dürfen und das auch nur ganz kurz. Nachdem feststand, dass sie hier nichts machen konnten, wollte Sandra, so schnell es die Höflichkeit zuließ, weiterfahren. Kloss würde hierbleiben und warten, so wie jeden Tag. Bei genauerer Betrachtung, sah er so aus, als ob er auch die Nächte hier verbrachte. Die verknitterten Sachen deuteten darauf hin, dass er, wenn überhaupt, dann auf irgendwelchen Stühlen übernachtete. Das war nur allzu verständlich. Er wollte in der Nähe sein, wenn Marzena aus ihrem Koma erwachte, falls sie erwachte.
Etwas Erfreuliches gab es dann doch noch. Kloss hielt Wort und überließ den beiden Frauen kostenlos eine Ferienwohnung. Er nannte ihnen die Adresse und den Code für die Schlüsselbox. Bevor er wieder ans Krankenbett eilte, musste Sandra aber noch was loswerden. Sie wollte unbedingt den Ort sehen, wo Marzena überfallen worden war. Da es ihr etwas herzlos vorkam, Kloss darum zu bitten, ihnen die Stelle zu zeigen, fragte sie, ob es jemanden gab, der sie dorthin bringen konnte. Kloss versprach, sich darum zu kümmern.
Während Sandra und Billy ins Auto stiegen, schauten sie der schlanken hochgewachsenen Gestalt von Kloss hinterher. Billy wurde bei seinem Anblick von ihren Gefühlen übermannt.
„Er tut mir leid. Es muss ein beschissenes Gefühl sein, seine Frau in diesem Zustand zu sehen und nichts tun zu können.“ Sandras Antwort klang nicht sehr überzeugend. „Vielleicht können wir das ja.“
Neuharlingersiel im April war nicht gerade das, was Sandra ein absolutes Urlaubswunschziel nennen würde. Kalter Wind aus Nordost fegte tiefhängende Wolken über das platte Land und bereitete den beiden Frauen einen stürmischen Empfang.
„Was für ein Schietwetter“, stellte Billy schon nach wenigen Sekunden fest.
„Wie gut, dass wir nicht zum Urlaub machen hier sind“, konterte Sandra.
„Ermitteln macht aber mehr Spaß, wenn schönes Wetter ist.“
„Ja schon. Wir können es uns aber nun mal nicht aussuchen. Bereust du, mitgekommen zu sein?“
„Nein! Natürlich nicht.“ Damit war die Wetterfrage ausdiskutiert.
Ihr Domizil war eine von 6 Ferienwohnungen in einem Neubau, direkt hinter dem Deich. Zum Glück gehörte zu ihrer Ferienwohnung auch ein Parkplatz, direkt vor der Tür. Einlass ins Haus bekam man mittels eines Chips, doch in ihrem Fall brauchten sie den nicht. Eine Frau kam gerade heraus und hielt ihnen die Tür auf. Mit geschultem Blick auf die Koffer erkannte sie sofort die Urlaubsgäste.
„Moin und Willkommen im schönen Neuharlingersiel.“
„Danke“, murmelte Sandra und schob sich schnell in den Hausflur. Billy nickte nur. Auch sie wollte so schnell es ging aus dem kalten Wind.
„Sind Sie Gäste von Familie Kloss? Die Wohnung ist ganz oben, 2. Etage. Schönen Urlaub.“ Kaum ausgesprochen, war sie auch schon weg.
Die Ferienwohnung übertraf ihre Erwartungen und tröstete die beiden Frauen über das raue Wetter hinweg. Sie war modern und geschmackvoll eingerichtet und ließ nichts zu wünschen übrig. Ein großer Wohnbereich mit offener Küche, das Bad geräumig mit begehbarer Dusche und zwei großen Aufsatzwaschbecken, das gefiel Sandra. Hier konnte man es gut aushalten. Da ihre Wohnung in der oberen Etage lag, hörten sie die Wellen nicht nur rauschen, vom Balkon aus konnten sie das Meer auch sehen. Heute bot sich ihnen allerdings kein besonders einladender Anblick. Der Wind wühlte das Wasser auf und dicke Regentropfen schlugen gegen die Fensterscheiben. Außerdem war Ebbe und das Meer ging zurück. Bis zum Abend würde das Watt wasserlos sein.
Während Sandra noch aus dem Fenster starrte, schaute Billy sich in der Küche um. Auch hier war alles vorhanden, was zwei Selbstversorgerinnen wie sie brauchten. Besonders wichtig, die Kaffeemaschine und dank Billys gründlicher Planung konnte die auch gleich einem Praxistest unterzogen werden. Billy holte aus einer großen Kühltasche nicht nur Kaffee und Milch, sie hatte auch noch andere Lebensmittel eingepackt. Auf Sandras erstaunten Blick hin sagte sie: „Nur, damit wir nicht gleich einkaufen müssen. Es sei denn, du willst heute Abend was Warmes essen.“
„Willst du etwa kochen?“ Sandra zog es an den Tatort und nicht an den Kochtopf.
„Nicht unbedingt, aber machen würde ich es. Dann müssten wir aber noch einiges besorgen.“
„Man kann hier bestimmt auch essen gehen.“ Damit war für Sandra das Thema abgeschlossen. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich auf die Couch.
„Hast du schon einen Plan?“, fragte Billy, während sie die mitgebrachten Leckereien verstaute.
„Ich würde mir wirklich gern den Ort ansehen, wo es passiert ist.“
„Weißt du denn, wo der ist?“
„Gerti hat was von einem Park erzählt. Davon kann es ja hier nicht so viele geben.“ Sie fing an, in der Gästemappe für die Touristen zu blättern, die jede Menge Flyer und Prospekte enthielt. Gastronomie, Meerwasser-Hallenbad, Buddelschiffmuseum, Ausflüge zu den Seehundbänken, Überfahrt nach Spiekeroog, eine Surf- und Kite-Schule und Wellnessangebote. Letzteres gefiel Sandra schon sehr. Aber es waren auch merkwürdige Sachen dabei, die Urlauber eher weniger interessieren würden: Versicherungen, Angebote für Fenster- und Wintergärten und sogar eine Wahrsagerin. Zum Glück fand Sandra auch das, was sie gesucht hatte. Triumphierend zog sie es aus dem Stapel heraus. „Hier! Das ist ein Plan von Neuharlingersiel. Mal sehen, ob der uns was verrät.“
Der Plan war natürlich mehr auf die Bedürfnisse von Urlaubern als auf die von Privatdetektivinnen ausgerichtet. Sehenswürdigkeiten, Gaststätten, Radwege, Supermärkte, Ärzte und sogar die Fährverbindung nach Spiekeroog waren verzeichnet, Tatorte natürlich nicht. Grün schraffierte Flächen gab es auch einige, aber welche davon war der Park? Hoffentlich hielt Kloss Wort und besorgte jemanden, der ihnen die Stelle zeigen konnte. Sie hatte keine Wahl, als abzuwarten, bis er sich wieder meldete. Oder auch nicht. Wenn Sandra etwas nicht tat, dann die Flinte schnell ins Korn oder besser ins Watt werfen. Sie hatte auch schon eine Idee.
„Billy! Heute wird nicht gekocht. Wir gehen was essen und bei der Gelegenheit können wir uns auch gleich ein bisschen umhören.“ Sie begann in der Gästemappe nach einem erfolgversprechenden Angebot zu suchen, als es an der Tür klingelte.
„Ob das Marzenas Mann ist?“, fragte Billy verwundert.
„Oder die freundliche Frau vom Begrüßungskomitee“, erwiderte Sandra. „Viel mehr Möglichkeiten gibt es wohl nicht“, entgegnete Sandra. Sie hatte schon bei der Ankunft bemerkt, dass die Gästeparkplätze alle verwaist waren. Die Osterferien waren vorbei und der große Ansturm würde erst in ein bis zwei Wochen losgehen.
Vor der Wohnungstür stand eine junge Frau. Die Ähnlichkeit mit Marzena war frappierend. Das konnte nur Svenja, Marzenas Tochter, sein. So war es auch. Sie wollte die beiden Freundinnen ihrer Mutter persönlich begrüßen und fragen, ob etwas benötigt wurde. Svenja entpuppte sich in jeder Hinsicht als gute Gastgeberin.
„Ich habe Sie bei unserem Brötchenservice angemeldet. Da ich nicht wusste, was Sie mögen, habe ich verschiedene Brötchen bestellt. Sie können dort anrufen und die Bestellung jederzeit ändern oder auch abmelden.“ Sie stellte eine große Tasche auf die Küchentheke, aus der sie jede Menge Leckereien hervorzauberte: Pizzas, Brot, Käse, Joghurt, Tee, Kaffee, Äpfel, Orangen und Mineralwasser. Da lag die Mutter schwerverletzt im Krankenhaus, doch Vater und Tochter fanden trotzdem noch Muße, sich um das Wohlbefinden der Gäste zu kümmern. Zu Sandras großer Freude hatte ihr Vater sie außerdem gebeten, ihnen den Ort des Überfalls zu zeigen.
Die beiden Frauen waren von so viel Gastfreundlichkeit gerührt und wussten gar nicht, was sie sagen sollten. Billy fand als Erste ihre Sprache wieder. „Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, aber danke. Und sag bitte Billy zu mir.“
„Und zu mir Sandra. Wir wollten euch wirklich keine Umstände machen.“
„Das sind keine Umstände. Mama hat so viel von euch erzählt. Ich freue mich wirklich, euch mal kennenzulernen, auch wenn der Grund dafür so traurig ist.“
Billy legte Svenja den Arm um die Schulter. „Ich kenne deine Mutter noch nicht so lange. Aber nach allem, was Sandra über sie erzählt hat, bin ich sicher, dass sie stärker ist als es vielleicht den Anschein hat. Bestimmt geht es ihr bald wieder besser. Daran wollen wir einfach glauben, okay?“ Svenja versuchte tapfer ihre aufkommenden Tränen zu unterdrücken und schenkte den beiden Frauen ein scheues, dankbares Lächeln.
Sandra nahm Svenjas Hand. „Das war sehr nett von dir, für uns einzukaufen. Wir werden die Sachen natürlich bezahlen. Immerhin stellt ihr uns schon die Ferienwohnung zur Verfügung.“
„Das kommt nicht in Frage. Mein Vater hat mir gesagt, weshalb ihr hergekommen seid. Ihr wollt bei den Ermittlungen helfen. Das finde ich toll. Hoffentlich lässt die Polizei das auch zu.
„Weißt du Svenja, was die Polizei davon hält, spielt keine Rolle. Dein Vater hat mich beauftragt, also darf ich auch ermitteln.“
„Und was willst du tun? Die Polizei lässt dich bestimmt nicht in die Akte schauen.“
„Wer weiß? Vielleicht gibt es ja doch einen Weg, Akteneinsicht zu bekommen. Fürs Erste möchte ich mich aber am Tatort umschauen. Ich habe auch einige Fragen. Zum Beispiel muss ich wissen, was deine Mutter an jenem Tag gemacht hat. Das kannst du mir doch bestimmt erzählen.“
„Ich weiß nur das, was Papa mir erzählt hat.“