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Winklers Team existiert nicht mehr. Von seinem neuen Chef, Tom Waisl, an den Schreibtisch verbannt, verbringt Kommissar Winkler seine Tage mit ungeliebtem Papierkram. Er fühlt sich zu Unrecht kaltgestellt, ist gelangweilt und beginnt, in eigener Sache zu ermitteln. Womit er nicht rechnet: Seine Ermittlung reißt alte Wunden auf und bringt Marks in Gefahr. Die soll währenddessen allein den Tod eines Mannes in einer Straßenbahn aufklären. Winkler um Hilfe zu bitten, geht leider nicht, denn zwischen ihnen herrscht Funkstille.
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Seitenzahl: 808
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Sylvie Braesi Kommissar Winkler ermittelt
„Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.“ Mark Twain
Ein Toter in der Straßenbahn wirft jede Menge Fragen auf. Wie kam er dahin? Was geschah mit ihm? Wer ist er? Diese Ermittlung wäre genau das Richtige für Winkler und sein Team. Aber das Team existiert nicht mehr und Winkler wurde zu Schreibtischarbeit verdonnert. Das alles ist das Werk des neuen Mannes in der Chefetage: Tom Waisl. Während sich einige mit der neuen Situation zu arrangieren versuchen, geht Winkler einen anderen Weg. Mit Hilfe des Nerds, Frieder Schulze-Eggard, beginnt er in eigener Sache zu ermitteln, mit fatalen Folgen.
Geboren 1960 und aufgewachsen in Magdeburg. Sie hat eine Ausbildung als Heimerzieherin und war u.a. als Dozentin und Vermittlungscoach in der Erwachsenenbildung sowie als Kabarettistin tätig. Mit dem Schreiben begann sie 2015 als Selfpublisherin. Nach der Veröffentlichung von 3 historischen Krimis, wechselte sie zu aktuellen Regional- und Cosy-Krimis. Darüber hinaus schreibt sie gern schwarzhumorige Kurzgeschichten für Erwachsene. Bisher wurden 13 Bücher von ihr veröffentlicht. Ihre Bücher sind als Taschenbuch, E-Book und zum Teil auch als Hörbuch erhältlich.
Dezember 2019
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Oktober 2023
Elf
Zwölf
Dreizehn
Juni 2024
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dreißig
Einunddreißig
Zweiunddreißig
Dreiunddreißig
Vierunddreißig
Fünfunddreißig
Sechsunddreißig
Siebenunddreißig
Achtunddreißig
Neununddreißig
Vierzig
Einundvierzig
Zweiundvierzig
Dreiundvierzig
Vierundvierzig
Fünfundvierzig
Sechsundvierzig
Siebenundvierzig
Achtundvierzig
Neunundvierzig
Danksagung
Die S-Bahn war leer, wie so oft um diese Zeit. Ruckelnd und ratternd schob sie sich durch die kalte Novembernacht, auf dem Weg von Magdeburg nach Schönebeck. Joline hatte sich weit in die Ecke von Sitzbank und Fenster gedrückt, ihre gefütterte Jeansjacke fest um sich geschlungen und die Augen geschlossen. In Schönebeck-Frose schlug sie die Augen wieder auf. Es war inzwischen halb drei und Joline spürte, wie die Müdigkeit sie zu überwältigen drohte. Wenn sie jetzt einschlief, verpasste sie vielleicht den Ausstieg und fuhr am Ende wieder zurück nach Magdeburg. Ein paar Minuten noch, dann war sie am Ziel, Schönebeck-Bahnhof. Von dort lag noch ein Fußmarsch von zwanzig Minuten vor ihr. Sie begann, Grimassen zu ziehen, um sich wach zu halten, schlug sich mit den Händen auf die Wangen und musste schmunzeln, als sie sich in der Fensterscheibe dabei beobachtete. Das sah wirklich albern aus, aber es half. Unter leisem Kichern zog sie ein paar Fratzen. So wie es Kinder taten.
Ein Hüsteln schreckte sie plötzlich auf. Sie war sich so sicher gewesen, der einzige Fahrgast im Wagon zu sein. Doch anscheinend war dem nicht so. In der Vierer-Sitzecke, schräg hinter ihr, stand ein Mann auf und sah zu ihr herüber. Sie glaubte, ein paar Lachfältchen um seinen Mund herum zu erkennen. Hatte er sie etwa beobachtet? Offensichtlich, denn als er an ihr vorbei ging, sagte er leise: „Ich mache das immer, wenn ich beim Autofahren müde werde und nicht anhalten will.“ Eine Erwiderung schien er nicht zu erwarten, denn er schritt unbeirrt weiter auf die Tür zu.
Endlich fuhr der Zug in den Bahnhof. Normalerweise wäre Joline bis Salzelmen weitergefahren, doch diese S-Bahn fuhr nicht bis dorthin. Joline stand auf und blieb abwartend in der Sitzecke stehen. Auch wenn der Fremde ihr freundlich zugelächelt hatte, wollte sie ihn lieber vor sich wissen. Sie wartete also, bis er ausgestiegen war, dann verließ auch sie den Zug. Weiter vorn sah sie noch weitere Fahrgäste. Das beruhigte sie etwas. Trotzdem hielt sie Abstand zu dem Mann, war die Letzte, die die Treppe hinunterstieg und den Tunnel zum Bahnhofsvorplatz durchquerte. Der Tunnel war kurz, unbeleuchtet und natürlich roch es dort, wie so oft in Unterführungen, nach Urin. Heute empfand sie den Gestank als besonders unangenehm.
Joline beschleunigte ihre Schritte, als sie im Tunnel war. Zum einen wollte sie diesen ekligen Abschnitt ihres Heimweges schnell hinter sich bringen und zum anderen, weil vor ihr niemand mehr im Tunnel zu sehen war. Nachdem sie dem widerlichen Geruch entkommen war, blieb sie kurz stehen und atmete ein paar Mal tief ein. Die kühle Nachtluft tat ihr gut. Sie verscheuchte den letzten Rest Müdigkeit und den Gestank.
Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass der Mann aus ihrem Wagon nicht mehr zu sehen war, die anderen Fahrgäste leider auch. Nun war sie also allein. Sie lief ein Stück durch die Bahnhofstraße und bog dann in die Friedrichstraße ein. Bis nachhause hatte sie noch ein gutes Stück vor sich. Und zu allem Übel setzte auch noch Schneefall ein.
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Vom Auto aus sah er sie durch die Straße laufen. Er genoss es, sie zu beobachten. Ihr Gang war zügig, aber nicht schnell. Sie stemmte sich gegen den eisigen Wind und den Schnee. Den einzigen Schutz gegen die Widrigkeit des Wetters bot ihr der hochgeschlagene Kragen. Das war nicht annähernd ausreichend, deshalb zog sie die Schultern so hoch sie konnte und hielt den Kopf gesenkt. Nun wirkte sie fast ein bisschen hilflos. Als sie um die Ecke in die Friedrichstraße einbog, wurde es Zeit, eine Entscheidung zu fällen. Sie gefiel ihm, keine Frage und alles war bereit. Aber, war sie die Richtige? Nun, ohne Grund waren sie sich heute Nacht nicht begegnet. Er wertete das eindeutig als gutes Zeichen. Keine Frage, er war soweit.
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Die Temperaturen lagen um die null Grad. Joline kam es aber viel kälter vor. Im Wetterbericht hieß es immer: gefühlte minus zehn Grad. Und genauso fühlte es sich heute Nacht an. Der kalte Wind zerrte schmerzhaft an ihren Ohren, die Nase fing an, taub zu werden und auch sonst war sie für dieses Wetter viel zu dünn angezogen. Selbst die gefütterte Jacke schaffte es nicht, die eisige Kälte abzuhalten. Und dort, wo die Jacke aufhörte, spürte sie ihren Körper auch nicht mehr. Also, alles von der Taille an abwärts. Sie hatte sich für eine Kunstlederleggins und ungefütterte Wildlederstiefeletten entschieden. Wieso auch nicht? Am Nachmittag sah alles noch nach einem Spätherbsttag aus, trotz Dezember. Sie hatte ja nicht ahnen können, wie beschissen sich der Abend und das Wetter entwickeln würden.
Joline hätte gern geflucht, doch sogar dafür war es ihr zu kalt. Mit einer Hand hielt sie die Ecken ihres Kragens vor dem Mund zusammen, mit der anderen drückte sie ihre Tasche fest an sich. Als würde der Wind dies als Herausforderung verstehen, legte er an Intensität noch zu. Er peitschte den Schnee direkt in ihr Gesicht und pfiff ihr so laut um die Ohren, dass sie beinahe das Geräusch neben sich überhört hätte. Neben ihr hielt ein Auto, plötzlich und ohne Vorwarnung. Erschrocken sprang Joline zur Seite. Dabei kam sie mit ihren glatten Sohlen auf dem Schneematsch ins Rutschen. Als sie ihr Gleichgewicht zurückgewonnen hatte, warf sie einen vorsichtigen Blick zum Auto.
❖
Alles schien sich zu seinem Vorteil zu entwickeln. Sogar das Wetter hatte sich in den letzten Minuten drastisch verschlechtert. Ihm war nicht entgangen, wie unpassend sie angezogen war. Kein Stück ihrer Kleidung schützte sie ausreichend vor Schnee und Kälte. Und sie hatte den Wind von vorn, das musste sich einigermaßen unerträglich anfühlen. Er fuhr im Schritttempo hinter ihr her. Zufrieden beobachtete er, wie ihr schmächtiger Körper sich gegen den Wind stemmte. Noch vor dem Kreisverkehr holte er sie ein.
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Neben ihr stand ein Kombi mit langgezogenem Heck. Bei der Lackierung war sie sich nicht sicher. Es konnte Dunkelblau, Dunkelgrün oder Schwarz sein. Die Straßenbeleuchtung war einfach zu schlecht. In einem Punkt war sie sich aber sicher. Wer immer das Ding fuhr, es war niemand, den sie kannte. Gerade wollte sie weitergehen, als das Beifahrerfenster herunterfuhr und jemand fragte: „Soll ich Sie ein Stück mitnehmen? Ist kein schönes Wetter für einen Fußmarsch.“
Die Stimme kam ihr bekannt vor. Sie beugte sich ein Stück nach vorn, um ins Innere sehen zu können. Das war doch der Mann aus der S-Bahn. Instinktiv glitt ihre Hand in die Jackentasche und umschloss das Pfefferspray, trat einen Schritt zurück und lehnte dankend ab.
Er lächelte verstehend. „Sie können auch hinten einsteigen, wenn Ihnen das lieber ist. Von da aus können Sie mir besser eins über den Schädel hauen, wenn ich frech werde. Werde ich aber nicht. Ich will nämlich auch nur nach Hause. Also, was machen wir?“
Das war genau die Frage, die sie sich auch stellte? Das Wetter war wirklich Scheiße. Aber um diese Zeit zu einem Fremden ins Auto steigen? Manchmal, wenn sie nicht schlafen konnte, schaute sie Dokus über wahre Kriminalfälle und auch solche über die übelsten Serienmörder. Wenn sie eins daraus gelernt hatte, dann, dass die meisten von denen erschreckend nett aussahen und stets als freundliche Nachbarn beschrieben wurden. Dieser Mann sah, naja, normal aus und er war ihr unheimlich. Das musste aber nicht bedeuten, dass er harmlos war. Sie wollte es lieber nicht riskieren.
„Vielen Dank, aber ich habe es nicht mehr weit. Muss nur bis zur Edelmannstraße.“
Der Mann zuckte nur mit den Schultern. „Okay, wie Sie wollen. Dann guten Heimweg.“ Das Fenster schloss sich und der Wagen fuhr los.
Joline fühlte sich beschissen. Zum einen war sie erleichtert, dass der Mann weg war. Andererseits schalt sie sich eine dumme Tusse, weil sie die Mitfahrgelegenheit, ausgeschlagen hatte. Vielleicht sollte sie nachts nicht mehr solchen Mist gucken.
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Sie hatte abgelehnt, was ihn aber nicht enttäuschte. Sie hatte ihm auch eine Adresse genannt, die sicher nicht stimmte, doch auch das nahm er ihr nicht übel. Er war sich sicher, mit seinem nächsten Schachzug würde er ihren Argwohn ein gutes Stück entkräften. Sie würde sich wieder sicher fühlen, genau das wollte er.
Er fuhr weiter. Ließ sie zurück in Schnee und Kälte und Wind, so wie sie es gewollt hatte. Er wusste, dass sie es tief im Inneren schon jetzt bereute, nicht eingestiegen zu sein. Ihr Zittern war nicht zu übersehen gewesen. Ein Zeichen dafür, wie sehr ihr die Kälte schon nach dem kurzen Weg zugesetzt hatte. Je länger sie dem ausgesetzt war, umso geschwächter würde sie sein, wenn er ihr sein drittes Angebot unterbreiten würde. Und dieses Mal würde er dafür sorgen, dass sie nicht ablehnen konnte.
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Die Adresse, die Joline dem Mann genannt hatte, war natürlich falsch gewesen. Ihr wirkliches Ziel lag in der entgegengesetzten Richtung. Nie würde sie einem Fremden sagen, wo sie wohnte, schon gar nicht nachts auf der Straße. Sie war ja nicht dämlich. Oder doch? Immer öfter fragte sie sich, ob sie das Angebot nicht doch hätte annehmen sollen. Der Typ war ja nicht aufdringlich gewesen, weder im Zug, noch hier auf der Straße. Im Gegenteil! Er hatte nur freundlich sein wollen. Und was hatte sie getan? Ihn wie einen Schwerverbrecher behandelt. Als ob es einen Serienmörder ausgerechnet nach Schönebeck verschlagen würde. Wer wollte hier schon tot überm Zaun hängen?
Joline hatte das Gefühl, dass es mit jedem Schritt kälter wurde und vor ihr lagen noch mindestens 15 Minuten Weg, bei dem Gegenwind wohl eher 20 Minuten. Verdammt! Bis sie zuhause ankam, waren ihre Füße nur noch Eisklumpen. Selbst wenn sie mit dicken Strümpfen ins Bett ging, würde es Stunden dauern, sie wieder warm zu kriegen. Mit kalten Füßen konnte sie nicht einschlafen.
Ein kleines Stück lag noch vor ihr, dann war sie zuhause. Dieses letzte Stück des Weges, gehörte allerdings nicht zu einer dicht bewohnten Gegend. Und weit und breit war nichts zu sehen. Kein Auto, kein Radfahrer und auch kein Fußgänger.
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Er hatte sich hinter dem Kreisverkehr am Ruth-Lübschütz-Platz, in einen Seitenweg gestellt, von wo aus er die August-Bebel-Straße gut im Blick hatte. Hier musste sie vorbeikommen, vorausgesetzt sie hatte ihm die richtige Adresse genannt, was er aber bezweifelte. Seine Zweifel waren berechtigt gewesen. Sie lief nicht durch die August-Bebel-Straße, sondern in die entgegengesetzte Richtung, durch die Boeltzigstraße. Er wartete, bis sie gerade noch zu sehen war, dann fuhr er, so langsam er konnte, hinter ihr her. Erregung erfasste ihn, als er bemerkte, dass sie kurz darauf in den Schwarzen Weg einbog. Der führte zu den Bahngleisen und darüber hinweg. Bis zu den Gleisen gab es kaum Wohnhäuser. Links stand ein REWE-Markt und dahinter gab es bis zum Bahnübergang nur noch Grünzeug. Rechts sah es auch nicht anders aus. Erst kam eine kleine Firma, welche genau fiel ihm nicht ein, dann ein Angelshop und danach …
Er sog hörbar die Luft ein. Gegenüber der Grünfläche lag ein großer Garagenkomplex. Er wusste sofort: Eine bessere Gelegenheit würde er nicht bekommen, nicht heute und nicht an einem anderen Tag.
Er wartete, bis sie den Garagenkomplex erreicht hatte, dann drückte er aufs Gas. Er bog nach dem Angelshop rechts ab, in einen Weg, der um den gesamten Komplex führte. Nach wenigen Metern fuhr er zwischen den ersten beiden Garagenreihen hindurch und kam so schnell auf die andere Seite. Dort stellte er sein Auto hinter ein paar querstehenden Garagen. Vom Schwarzen Weg aus war der Wagen nur zu sehen, wenn man genau hinsah. Doch das tat sie bestimmt nicht. Er musste nur noch den Kofferraum aufschnappen lassen, dann war er fertig. Dicht neben dem Fußweg standen einige Büsche, unbelaubt und dennoch dicht genug, um von ihr nicht entdeckt zu werden. Lange bevor er sie sah, hörte er sie schon kommen.
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Den Blick gesenkt, achtete sie nur auf den Schneematsch unter ihren Füßen. Wenigstens war sie bald am Bahnübergang und somit auch bald zuhause. Vorbei an den Garagen musste sie nur noch an ein paar Büschen vorbei und über die Gleise. Dahinter standen wieder Häuser.
Sie hörte ein Geräusch, das sie nicht zuordnen konnte. War das etwa ein Zug? Bloß nicht! Sie wollte auf dem letzten Stück nicht noch von einer bescheuerten Bahnschranke aufgehalten werden. Sie hob den Kopf für einen Augenblick und lauschte. Nein, da kam kein Zug. War wohl eher irgendein Tier gewesen. Es hatte sich auch so angehört, als ob das Geräusch hinter ihr und nicht vor ihr gewesen war. Instinktiv drehte sie sich um und sah etwas auf sich zukommen. Alles geschah so schnell, dass sie den Mann aus der S-Bahn nicht mal mehr erkannte.
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Eigentlich hatte er sie von hinten packen wollen; eine Hand um den Hals und eine über Mund und Nase. So, dass sie weder fliehen noch schreien konnte. Im Film hatte er das mal gesehen. Dass sie sich plötzlich umdrehte, damit hatte er nicht gerechnet. In dieser einen Sekunde drohte sein ganzer Plan zu platzen. Ein Zurück gab es aber nicht mehr, also tat er das Einzige, was ihm einfiel: Er schlug zu. Sein Faustschlag traf sie völlig unvorbereitet, direkt an die Schläfe. Er bereitete sich darauf vor, ein zweites Mal zuschlagen zu müssen, doch das war nicht mehr nötig. Der erste Schlag reichte aus, um sie zu Boden gehen zu lassen, benommen, aber nicht bewusstlos. Jetzt kam es auf jede Sekunde an. Aus ihrem Stöhnen konnte jeden Augenblick ein Schreien werden. Wenn sie jetzt anfing, um Hilfe zu rufen, war alles vorbei. Dann würde ihm keine Wahl bleiben, als sie zu töten. Doch das wollte er ja nicht. Er wollte sie lebendig und ganz für sich. Er wusste, was er zu tun hatte.
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Obwohl der Schlag sie nur am Kopf getroffen hatte, spürte Joline, wie der Schmerz ihren ganzen Körper überflutete. Die Wucht schleuderte sie nach hinten und in all dem Schneematsch fanden ihre Füße keinen Halt. Als sie stürzte, versuchten ihre Arme reflexartig, den Sturz abzufedern. Steiß, Rücken, Kopf; in dieser Reihenfolge schlug ihr Körper hart auf dem Boden auf. Der Aufprall verursachte nicht nur starke Prellungen. Ihr wurde schwarz vor Augen und für Sekunden blieb ihr die Luft weg. Sekunden, die sie hätte nutzen können, um dem Alptraum doch noch zu entkommen. Sekunden, die letztlich über ihr Schicksal entschieden. Wertvolle Sekunden, in denen sie nichts tat und er gewann.
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Der kleine Zwischenfall hatte ihn nur kurz aus der Fassung gebracht. Das war vorbei. Mit einer Hand packte er Jolines Haar, zog sie brutal nach oben und rammte ihr sein Knie in den Rücken. Mit der freien Hand verschloss er ihr Mund und Nase. Zuletzt ließ er ihr Haar los, damit er den Arm um ihren Hals legen konnte. Das wurde auch höchste Zeit, denn Joline hatte ihre Benommenheit überwunden. Sie begann, sich zur Wehr zu setzen, auch wenn ihre Möglichkeiten sehr eingeschränkt waren. Die Füße scharrten über den Boden, fanden aber keinen Halt. Sie warf die Arme über den Kopf. Ihre Finger krallten sich in seine Hände, was sich als sinnlos erwies, da er derbe Handschuhe trug. Zu mehr als ein paar erstickte Schreie war sie nicht in der Lage und die waren bei dem Wind keine zwei Meter weit zu hören. Abgesehen davon war niemand in der Nähe, der ihr hätte helfen können.
Während er den Druck auf Hals, Mund und Nase verstärkte, zog er die zappelnde Joline runter vom Weg und hin zum Auto. Es dauerte länger, als er gedacht hatte, bis sie ein letztes Grunzen von sich gab und erschlaffte. Erschrocken ließ er sie zu Boden gleiten. War er am Ende zu heftig vorgegangen? Er hatte keine Erfahrung mit sowas. Neugierig legte er zwei Finger an ihren Hals, auf der Suche nach einem Puls. Da war er. Schwach, aber spürbar.
Er öffnete den Kofferraum. Alles, was er brauchte, war in die Plane eingeschlagen, die er nun auseinanderfaltete. Mühelos hob er sie in die Höhe und legte sie in den Kofferraum. Als nächstes schob er ihr ein weiches Tuch in den Mund. Darüber kam das Klebeband. Zur Sicherheit wickelte er es gleich mehrmals um den Kopf. Die Nase ließ er frei. Zuletzt zog er ihr noch einen Stoffbeutel über den Kopf. Jetzt kamen Hände und Füße dran. Er fixierte sie mit Kabelbinder und verschnürte dann alles noch zusätzlich hinter dem Rücken. So verpackt, konnte sie sich garantiert nicht mehr bewegen und liegen ging nur noch auf der Seite. Er schob ihren Körper weit hinein und schlug die Plane darüber. Mit ein paar Sachen, die fast jeder in seinem Kofferraum aufbewahrte, tarnte er seine Fracht. Abschleppseil, Starterkabel, Sani-Kasten und eine alte Decke. Außerdem befand sich auf dem Rücksitz noch ein Kasten mit Pfandflaschen, der nun auch noch in den Kofferraum wanderte. Jetzt sah es einigermaßen verkramt aus. Niemand wäre beim Blick hinein auf die Idee gekommen, dass unter all dem Krempel eine gefesselte und geknebelte Frau lag. Lange würde sie ja auch nicht dort liegen. Es war nur eine kurze Fahrt bis zu ihm.
Er fuhr zügig, aber der Witterung entsprechend, nicht nur wegen seiner besonderen Fracht. Würde er jetzt in eine Polizeikontrolle geraten, käme er sicher in Erklärungsnöte. An seiner Ausstattung war nichts zu bemängeln, sogar einen Reservereifen führte er mit sich. Nur kam er da im Moment schlecht ran.
„Wenn Sie mir freundlicherweise mal mit der gefesselten Frau helfen könnten, dann kann ich Ihnen den Reifen gern zeigen.“ Das wollte er sich dann doch lieber nicht vorstellen.
Die letzten Kilometer bis zu ihrem Ziel führten über eine holprige Straße. Obwohl er den Weg sehr gut kannte, konnte er nicht verhindern, dass das Auto gewaltig hin und her schaukelte, während er es durch die Schlaglöcher lenkte. Ein Poltern aus dem Kofferraum ließ ihn für einen Moment seine Gedanken vergessen. Sollte er sich Sorgen um sie machen? Ach was. Sie wurde vielleicht ein wenig durchgeschüttelt, aber mehr auch nicht. Es dauert nicht mehr lange und dann waren sie am Ziel. Solange würde sie schon noch durchhalten.
Er fuhr das Auto direkt bis vor den Zugang. Die nächsten Minuten blieb er im Auto sitzen. Die plötzliche Stille half ihm, sich auf seine nächsten Schritte zu konzentrieren. Es war ja heute das erste Mal, dass er einen Gast mitgebracht hatte, ungeplant und überraschend. Freudige Erregung erfasste ihn, als er sich ausmalte, wie sie darauf reagieren würde. Er fühlte sich so euphorisch, dass er es kaum erwarten konnte. Trotzdem wollte er, bevor er die Schlüssel holte, einen kurzen Blick in den Kofferraum werfen. Ihm gefiel nicht, dass es da hinten so ruhig war. Das Geschüttel musste sie doch längst aus ihrer Bewusstlosigkeit geholt haben.
Langsam öffnete er den Kofferraum, schob die Sachen beiseite und zog die Plane weg. Nein, sie war nicht mehr bewusstlos, sie war tot.
❖
Der erste Blick in ihre Augen hatte ihm verraten, dass sie tot war. Um sicher zu gehen, fühlte er den Puls. Nichts. Ihre Haut war noch warm, aber das würde sich bald ändern. Während er sie noch anstarrte, dachte er wehmütig an all das, was er sich erhofft hatte. Nichts davon würde nun wahr werden, denn sie war tot. Wie konnte das denn nur geschehen? War sie krank gewesen? Hatte er etwas falsch gemacht? An den Fesseln konnte es nicht liegen. Die trug sie nur an Händen und Füßen. Das Klebeband lag fest auf ihrem Mund, doch die Nase hatte er extra freigelassen, damit sie genug Luft bekam. Was zum Teufel war hier passiert?
Er starrte auf das Klebeband. Das war nicht der Grund für ihren unbeabsichtigten Tod. Der Lappen, den er ihr in den Mund geschoben hatte, war schuld daran. Er steckte so tief in ihrem Rachen, dass sie sich erbrochen hatte und daran war sie erstickt. Ob er das Tuch zu tief hineingeschoben hatte oder ob es durch die holprige Fahrt nach hinten gerutscht war, ließ sich jetzt nicht mehr feststellen. Vielleicht hatte sie aber auch durch irgendwelche unglücklichen Bewegungen dieses Desaster selber herbeigeführt. Was immer der Grund war, das konnte ihm im Moment völlig egal sein. Viel schlimmer war, sein Plan hatte nicht funktioniert. Das war wirklich ärgerlich. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr kam er zu der Erkenntnis, dass er vielleicht doch noch nicht bereit gewesen war. Daran war nun nichts mehr zu ändern. Am besten, er sah das Ganze als eine Art Testlauf an. Sie war das Testobjekt gewesen, mehr nicht. Und das hieß, er konnte es wieder versuchen. Fehler waren schließlich dazu da, gemacht zu werden und daraus zu lernen. Beim nächsten Mal würde es besser laufen.
Er konnte sie natürlich nicht im Kofferraum lassen und spazieren fahren. Sie musste raus da. Wie gut, dass er sie in die Plane eingeschlagen hatte. Er brauchte sie nur ganz fest darin einwickeln. Dann konnte er sie, ohne sie berühren zu müssen, wegschaffen. Und in die Plane gewickelt, konnte er sie ein paar Tage hierbehalten. Bis dahin würde ihm bestimmt einfallen, wo er sie lassen konnte.
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Der nächste Tag war ein Sonntag. Als er gegen Mittag erwachte, fühlte er sich ausgeruht und die trüben Gedanken der Nacht waren wie weggewischt. Noch mit der ersten Tasse Kaffee in der Hand, fand er die Lösung für sein kleines Problem. Es war einfach und genial. Heute Abend schon würde er sie verschwinden lassen. Dort, wo sie keiner finden würde, im Leben nicht. Was seinen Misserfolg betraf, der ärgerte ihn nicht mehr. Er würde eben eine Andere suchen. Schon bald. Und die würde die Richtige sein.
Die Polizei bittet um Mithilfe! Vermisst wird seit dem 11. Dezember 2019 die 22jährige Joline Faber aus Schönebeck. Zuletzt gesehen wurde sie in der Nacht von 10. zum 11. Dezember gegen 3:30 Uhr, in der S-Bahn von Magdeburg nach Schönebeck. Joline Faber ist 1,67 m groß, schlank und hat schulterlange, blonde Haare. Bekleidet war sie mit einer gefütterten Jeansjacke, einer schwarzen Kunstlederleggins und Wildlederstiefeletten. Die Polizei bittet alle Personen, die Hinweise zum Verbleib von Joline Faber machen können, sich zu melden. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle telefonisch oder persönlich entgegen. Alle Meldungen werden vertraulich behandelt.
Horstmann lag im Sterben. Die Schreckensnachricht erreichte Hauptkommissar Martin Winkler an einem Montagnachmittag im Juli. Winkler hatte dem Kriminalrat am Tag seines offiziellen Abschieds versprechen müssen, ihn nicht zu besuchen, nicht zuhause und nicht im Krankenhaus. Daran hatte er sich gehalten, auch wenn es ihm verdammt falsch vorkam. Doch nun hatte Melitta, Horstmanns Frau, angerufen und ihm gesagt, dass es dem Ende zu gehen würde. Er hatte alles stehen und liegen gelassen. Nun war er unterwegs, dorthin, wo Harro Horstmann seine letzten Wochen verbracht hatte: zum Hospiz in Cracau.
Winkler war noch nie in einem Hospiz gewesen. Was ihn dort erwartete, überraschte ihn total. Natürlich hatte er sich keinen düsteren Ort vorgestellt, der von Hoffnungslosigkeit und Totenstille erfüllt war. Am ehesten hätte er sich die cleane Atmosphäre eines Krankenhauses vorstellen können, doch weit gefehlt. Lebendig und positiv auf eine wunderbar normale Art und Weise, das war sein erster Eindruck. Nicht nur von der Einrichtung, sondern auch vom Umgang mit den Patienten. Nein, korrigierte Winkler sich sofort. Hier gab es keine Patienten. Wer hierher kam, war ein Gast. Er war auf einer Reise, und machte vor dem großen Ziel hier eine letzte Rast. Jeder Gast wurde mit großer Fürsorge, aber ohne falsch verstandener Vorsicht behandelt. Besuche waren ausdrücklich erwünscht. Familie, Freunde und Verwandte durften zu jeder Zeit vorbeikommen. Es ging darum, den Gästen bis zuletzt ein selbstbestimmtes Leben zu bieten und ihnen ihre Würde zu lassen. Wenn ihnen hier eins genommen werden sollte, dann die Angst vor dem Tod.
Winkler, der den Tod aus einer anderen Perspektive zu sehen bekam, fühlte sich angenehm berührt. In seinem Job hatte der Tod ein anderes Gesicht. Dort verkörperte er all das, was die Menschen in Angst und Schrecken versetzte: gestohlene Lebenszeit, unerfüllte Wünsche, Gewalt, Erniedrigung und Schmerz. So etwas wünschte sich niemand. Jeder hoffte auf ein schnelles und schmerzfreies Ende. Fast schien es, als würde man genau das hier bieten. Doch Winkler war Pragmatiker. Auch das schönste Umfeld konnte ihn nicht darüber hinwegtrösten, dass jeder Tod ein Abschied für immer war. Und jeder Tote, egal wie friedlich er dahinschied, hinterließ eine schmerzliche Lücke unter den Lebenden. Die Lücke, die Harro in Melittas Leben hinterlassen würde, war sicher besonders groß. Davon zeugten ihre rotgeweinten Augen, ihre hohlen Wangen und die zitternden Hände. Sie war Winkler so dankbar, dass er gekommen war. Sagen konnte sie es ihm nicht. Das war aber auch nicht nötig.
Gemeinsam saßen sie an Horstmanns Bett. Melitta hielt die Hand ihres Mannes und Winkler die ihre. Sie redeten leise, tauschten Erinnerungen aus oder schwiegen. Horstmann war inzwischen in einen Dämmerschlaf gefallen und nicht mehr bei Bewusstsein. Ab und an kam eine Schwester ins Zimmer. Sie schaute nach Horstmann, brachte ihnen Tee und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Einmal ging Winkler ihr nach. Eigentlich wollte er wissen, wie lange es noch dauern würde. Weil ihm aber keine Formulierung einfiel, die in seinen Ohren nicht herz- und gefühllos klang, fragte er stattdessen, ob er für Melitta eine Decke bekommen könnte. Die Schwester erkannte trotzdem die wahre Absicht hinter seiner Bitte. Als sie ihm die Decke brachte, legte sie für einen Moment ihre Hand auf seine und sagte leise, dass es nun nicht mehr lange dauern würde.
Eine Stunde später war Horstmann tot. Er war, wie man so schön sagte, friedlich und im Kreise seiner Lieben eingeschlafen. In diesem Fall waren das nur Melitta und Winkler. Tief im Inneren fühlte Winkler, dass Horstmann ihre Anwesenheit gespürt und seinen Frieden gemacht hatte. Davon war Melitta noch weit entfernt. Auch wenn ihre Trauer verständlich war, den Schmerz in ihren Augen zu sehen, machte Winkler ganz schön zu schaffen. Und noch schlimmer war es, dass er hilflos danebenstehen musste, unfähig, die richtigen Worte zu finden. Wie gern hätte er ihr etwas von ihrem Kummer abgenommen, doch das war leider nicht möglich. Nichts, was er tun oder sagen konnte, würde etwas daran ändern, dass ihr Ehemann gestorben war. Und da die beiden keine Kinder hatten, war sie nun allein. Wenigstens das konnte er ändern. Er konnte für sie da sein und ihr helfen, bei dem, was jetzt auf sie zukam.
Melitta nahm sein Angebot nur zögernd an. „Du hast doch selber genug um die Ohren, Martin“, erwiderte sie. Ihr „Ich komm schon klar“, hörte sich aber eher nach dem Gegenteil an. Winkler hätte sich ohnehin nicht abhalten lassen, das zu tun, was er für richtig hielt.
Als er am nächsten Morgen übernächtigt und mitgenommen ins Büro kam, stand sein Entschluss fester denn je. Als erstes überbrachte er dem Team die traurige Nachricht. Auch wenn inzwischen jeder von Horstmanns unheilbarer Krankheit wusste, hatte doch kaum einer damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Alle reagierten betroffen oder fassungslos. Die Kunde von Horstmanns Tod sprach sich schneller rum, als Winkler durchs Haus laufen konnte. Immer wieder kamen Kollegen auf ihn zu, nickten mitfühlend oder wollten ihm ihr Beileid aussprechen. Winkler nahm es zur Kenntnis, reagierte aber nicht. Ihm war einfach nicht nach Reden. Außerdem brauchte er seine Kraft für das, was er nun tun musste. Das Schlimmste lag nämlich noch vor ihm.
Einen Raum im Haus hatte die Gerüchteküche ausgespart: Horstmanns ehemaliges Büro. Aus gutem Grund: Niemand wollte Babsi die furchtbare Nachricht überbringen. Seine langjährige Sekretärin und treue Seele, die unumschränkte Herrscherin des Vorzimmers und die netteste Vorzimmerlöwin der Dienststelle, ihr musste Winkler nun den Tag versauen, wie er es für sich ausdrückte.
Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und tippte verbissen auf der Tastatur herum. Im ersten Moment hatte Winkler die Vermutung, dass sie schon von Horstmanns Ableben gehört hatte und nun verzweifelt bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen. Doch so viel Glück hatte er nicht. Ein Blick zur Seite erklärte die angespannte Stimmung.
In der kleinen Kochnische war Horstmanns Nachfolger, der frischgebackene Kriminalrat Tom Waisl, damit beschäftigt, die Kaffeemaschine in Gang zu bringen. Babsi weigerte sich also noch immer, für ihn Kaffee zu kochen. Nur bei Besprechungen oder wenn hochkarätiger Besuch da war, machte sie eine Ausnahme. Wäre sein Anliegen nicht ein so schmerzliches gewesen, Winkler hätte darüber geschmunzelt.
Waisl kam ursprünglich aus Berlin, hatte sich hierher versetzen lassen. Warum, wusste niemand. Schon an seinem ersten Tag in Magdeburg hatte er es geschafft, jeden, der das Pech hatte, ihm über den Weg zu laufen, zu brüskieren. Seine arrogante Art und sein narzisstischer Arbeitsstil hatten ihn in Rekordzeit zum unbeliebtesten Mann der Dienststelle werden lassen. Seinen anfänglichen Beteuerungen zum Trotz, er wolle hier niemanden ersetzen, schon gar nicht Horstmann, war er sofort in dessen Büro gezogen und hatte damit in Babsis Augen eine bodenlose und unverzeihliche Impertinenz gezeigt. Ihre Strafe folgte auf den Fuß und hielt bis heute offenbar an. Für ihren Kriminalrat hatte Babsi alles getan, bis hin zu kleinen privaten Erledigungen. Für Waisl machte sie Dienst nach Vorschrift und sie kannte sich natürlich sehr gut aus, was zu ihren Pflichten zählte und was nicht.
Während Waisl sich also gerade abmühte, seiner hochmodernen, neuen Kaffeemaschine, die eigentlich ein Friedensangebot sein sollte, etwas von der braunen Brühe zu entlocken, saß Babsi mit verbissener Miene an ihrem Schreibtisch. Als Winkler hereinkam, schaute sie auf und ihre Miene hellte sich schlagartig auf. Aber nur für eine Sekunde, bis sie seine bekümmerte Miene bemerkte und die richtigen Schlüsse zog. Im nächsten Augenblick brach sie zusammen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und ein herzzerreißendes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Sogar Waisl fuhr erschrocken herum. Die ärgerliche Frage nach dem Warum verkniff er sich gerade noch rechtzeitig, als er Winkler erblickte. „Horstmann?“, fragte er tonlos und Winkler nickte.
Winkler ging um den Schreibtisch herum und nahm Babsi in den Arm. Sie weinte hemmungslos, minutenlang, in denen Winkler sie sacht hin und her wiegte, während er leise auf sie einsprach.
Waisl zeigte sich wider Erwarten endlich mal menschlich. Er ließ die Kaffeemaschine Kaffeemaschine sein und ging in sein Büro. Als Babsi sich wieder etwas beruhigt hatte, kam er wieder heraus und tat etwas, das Winkler erneut verblüffte. Er gab Babsi den Tag frei. Auch Babsi schien von so viel Mitgefühl überrascht zu sein, nahm das Angebot jedoch sofort an. „Ich werde Melitta helfen“, sagte sie. „Die hat doch sonst niemanden.“
Winkler fand das eine gute Idee, nur nicht im Moment. „Ich habe sie gerade nachhause gefahren. Sie wollte sich etwas hinlegen und heute Nachmittag wieder ins Hospiz fahren.“
„Dann werde ich sie begleiten.“ Babsi klang entschlossen. Sie hatte eine Aufgabe und das gab ihr Kraft. Da Winkler seine Begleitung auch schon zugesagt hatte, sagte er: „Dann begleiten wir sie beide.“ Er warf Waisl einen herausfordernden Blick zu. „Ich brauche ein paar Tage Urlaub.“
„Ich auch!“, kam es gleich darauf von Babsi.
Waisl schnappte nach Luft und Winkler befürchtete, dass sein menschlicher Moment wieder vorbei war. Doch dann winkte er ab und erwiderte: „Legen Sie die ausgefüllten Anträge auf den Schreibtisch, bevor sie gehen.“ Sprachs und verschwand wieder in seinem Zimmer. Kurz danach hörte man ihn telefonieren. Er musste nun seinerseits einige Leute über Horstmanns Ableben informieren.
Babsi und Winkler füllten die Anträge aus und verabredeten sich für den Nachmittag.
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Zwei Etagen tiefer, im Büro der Ermittlergruppe, herrschte gedrückte Stimmung. Pasold starrte schon seit einer ganzen Weile auf seinen Monitor. Marks stand mit ihrer Kaffeetasse vor der Tafel, was eigentlich keinen Sinn machte, denn dort hingen nur ein paar Tatortfotos, die sie schon vor Tagen angebracht hatten. Die Fotos gehörten zu einer Reihe von Einbruchdiebstählen, ihrer momentanen Ermittlungsarbeit. In den Randbezirken von Magdeburg war es vermehrt zu Einbrüchen in Kellern, Wohnungen und Einfamilienhäusern gekommen. Für die Sommerzeit nichts Außergewöhnliches. Im Sommer herrschte Hochsaison für Urlauber und für Einbrecher. Die waren immer öfter in regelrechten Banden unterwegs. Auch in den vorliegenden Fällen gingen sie von einer solche Bande aus.
Die Bandenkriminalität nahm zu, daran war nichts zu deuteln. Auch wenn die Statistiken ein anderes Bild zeigten. Hier, wo die Fälle bearbeitet wurden, war man sich einig, dass es von Jahr zu Jahr mehr wurde. Dabei hatte man es nicht so sehr mit ortsansässigen Banden zu tun. Die gab es auch, aber deren Geschäftsfelder lagen hauptsächlich im Handel mit Drogen und Waffen. Die meisten Bandenmitglieder waren bekannt, ihre Geschäfte wurden überwacht und es kam beinahe regelmäßig zu Verhaftungen und Verurteilungen. Ganz verschwinden würden diese Banden dadurch nicht, das war jedem Ermittler klar. Wenn sie eine Bande zerschlugen, tauchte schon bald eine neue auf und nahm deren Platz ein. Wie hieß es immer? Die Natur duldet kein Vakuum. Es ging also im Grunde nur darum, den Überblick zu behalten und es nicht ausufern zu lassen. Das war nicht einfach, aber meistens klappte es ganz gut.
Viel mehr zu schaffen machten den Ermittlern eher die auswärtigen Banden, die auftauchten, zuschlugen und wieder verschwanden. Sie zogen wie Heuschrecken quer über das Land und waren kaum greifbar, da sie sich immer wieder ins Ausland absetzten. Familienclans agierten mit ständig wechselnden Routen und auch das Personal wurde regelmäßig ausgewechselt. Manche arbeiteten mit Alibi-Geschichten und falschen Identitäten, manche verließen sich mehr auf die Schwerfälligkeit der Ermittlungsbehörden, die in krassem Gegensatz zur Flexibilität der Banden stand. Es war schon schwierig, in einem Bundesland die Zuständigkeiten zu beachten und gemeinsam zu agieren. Über die Grenzen des Bundeslandes hinaus wieherte der Amtsschimmel noch lauter. Die Bürokratie nahm ein solches Ausmaß an, dass es die doppelte Zahl von Leuten gebraucht hätte, um den Wust an Anträgen, Protokollen und Berichten zu bewältigen. Und selbst wenn man das schaffte, hieß das noch lange nicht, dass man bekam, was man brauchte, um die Bösen zu überwachen, zu überführen und vor Gericht zu bringen.
An all das dachte Marks auch gerade. Hauptsächlich, weil ihr eine Begebenheit eingefallen war, die Horstmann betraf. Sie hatte mal mitangehört, wie der Kriminalrat im Zuge einer Ermittlung dem Staatsanwalt vorgeworfen hatte, er würde seinen Leuten nur Steine in den Weg legen, anstatt die Ermittlung zu unterstützen. Die lakonische Erwiderung des Staatsanwalts hatte gelautet, er würde sich nur an die Gesetze halten. Im Übrigen würde es seinen Leuten auch nicht schaden, das zu tun. Marks hatte weder vorher noch danach den Kriminalrat jemals wieder so wütend erlebt. Er war regelrecht ausgerastet und seine Antwort war im ganzen Haus zu hören gewesen. „Vielleicht sollten Sie die Verteidigung dieses Verbrechers übernehmen! Sie stehen doch sowieso mehr auf dessen Seite als auf unserer.“ All das sah sie gerade wieder vor sich. Sie hörte Horstmanns Stimme, sah seine ehrliche Entrüstung und es trieb ihr die Tränen in die Augen. Deshalb starrte sie auf die weiße Tafel. Pasold sollte sie nicht heulen sehen.
Die Stille im Büro wurde jäh unterbrochen. Waisl kam herein und verkündete, dass Winkler Urlaub genommen hatte, um Frau Horstmann bei dem, was nun auf sie zukam, zu helfen. Marks wischte sich verstohlen übers Gesicht, ehe sie sich umdrehte. Die Nachricht überraschte sie nicht. Sie hatte, wenn sie ehrlich war, sogar damit gerechnet. Horstmann und Winkler hatten sich schon immer nahegestanden. Den Fall der verschwundenen Franzi, ein Cold Case des Kriminalrates, hatte Winkler sich erst vor kurzem auf dessen Bitte hin vorgenommen und zum Abschluss gebracht. Ein letzter Freundschaftsdienst für den schon totkranken Horstmann. *
* Vindictus Meam – Meine Rache, Winklers vierter Fall
Bei Waisls nächstem Satz befiel Marks eine merkwürdige Unruhe. Warum erzählte Waisl ihnen, dass Babsi auch Urlaub genommen hatte? Wollte er etwa einen von ihnen zu Babsis Vertretung ernennen? Auf keinen Fall!
Denk nicht mal dran! Ihr stilles Stoßgebet wurde nur teilweise erhört. Denn das, was nun kam, war noch schlimmer und versaute ihr den Tag wirklich.
„Für die nächsten Tage werden wir ein bisschen zusammenrücken. Ich werde Sie bei den aktuellen Ermittlungen unterstützen. Am besten geht das natürlich, wenn ich bei Ihnen bin.“ Falls er irgendeine Zustimmung erwartet hatte, wurde er enttäuscht. Beide, Marks und Pasold, taten sehr beschäftigt. Mit gleichmütiger Miene schaute Waisl auf Winklers Platz. „Frau Marks!“ So direkt angesprochen musste Marks sich ihm zuwenden. „Schaffen Sie schon mal ein bisschen Ordnung auf Winklers Schreibtisch. Ich will nichts durcheinanderbringen. Außerdem möchte ich mich nicht dem Vorwurf aussetzen, in seinen Sachen rumzuwühlen.“ Dagegen ließ sich leider nichts sagen. Auch wenn sie keine große Lust dazu verspürte, sie war sich sicher, dass es Winkler lieber war, wenn sie sich, anstatt Waisl, an seinem Schreibtisch zu schaffen machte. Dies war Winklers Schreibtisch und alles, was sich darauf oder darin befand, ging erst mal nur ihn etwas an. Niemand von ihnen würde doch jemals auf die Idee kommen, in den Sachen eines Kollegen zu wühlen. Sie tat das ja auch nur auf Anordnung von Waisl und das sehr widerstrebend.
Pasold war aufgestanden und kam zu ihr rüber. „Ist schon okay. Ich kann es auch noch nicht glauben, dass Horstmann nicht wiederkommt. Wenn du darüber reden willst? Ich bin immer für dich das, das weißt du.“ Es hatte etwas rührendes, wie er versuchte, den großen Bruder zu spielen. Im Normalfall hätte Marks ihn belächelt und mit einer witzigen Bemerkung reagiert. Danach war ihr aber heute nicht.
Wenn sie ehrlich war, hatte sie schon lange nicht mehr gelacht. Nicht, seit sie den Fall Franzi abgeschlossen hatten. Nein, eigentlich schon seit Winkler sie und das Team, ohne ein Wort, für eine wilde Verfolgungsjagd quer durch Europa, verlassen hatte. Und das auch noch mit dem Russen Kaminov. Damit hatte er einiges aufs Spiel gesetzt: seine Familie, seinen Job und ihre Freundschaft. Natürlich waren alle, einschließlich Marks, froh gewesen, als er wohlbehalten wieder Zuhause angekommen war. Doch der Bruch, der durch seine Aktion zwischen ihnen entstanden war, hatte ihre Zusammenarbeit schwierig werden lassen. Das lag hauptsächlich daran, dass sie ihm einfach nicht verzeihen konnte. Und wieder stiegen ihr Tränen in die Augen.
Nein, sie wollte nicht mit Pasold reden, nicht über Horstmanns Tod und schon gar nicht über ihre Beziehung zu Winkler. Also lenkte sie ein. „Hast du schon Frieder erreicht?“ Der Jüngste im Team, Frieder Schulze-Eggard, ihr Nerd, war gerade auf einer Schulung in Wiesbaden. Noch so eine Sache, die Marks zu schaffen machte. Alles an dieser Schulung war merkwürdig. Zum Beispiel, dass Frieder eine Einladung erhalten hatte, obwohl dies eine Schulung vom BKA war und demzufolge auch nur BKA-Mitarbeiter zugelassen wurden. Frieder war aber explizit angefordert worden. Die nächste Überraschung war gewesen, dass Frieder angenommen hatte, obwohl er mit der hiesigen Dienststelle des BKA noch immer auf Kriegsfuß stand. Marks hatte sogar den Eindruck gehabt, dass er auf diese Einladung gewartet hatte. Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte sie. Was, wenn Frieders Schulung kein Zufall, sondern Absicht war? Dachte Winkler am Ende auch daran, den Job zu wechseln?
Marks’ Ungewissheit, was Winklers und Frieders Zukunftspläne betrafen, blieb vorerst bestehen. Eine andere Befürchtung bewahrheitete sich jedoch schnell. Waisl machte sie, kaum dass er Winklers Schreibtisch in Beschlag genommen hatte, zu seiner Vorzimmerdame. Seine in Aussicht gestellte Unterstützung bestand hauptsächlich darin, Marks zu beaufsichtigen und das Team mit Arbeit zu versorgen, wenn sie seiner Meinung nach nicht ausgelastet waren. Mit seiner Arbeit wohlgemerkt. War Marks im Büro, machte sie Telefondienst, schrieb Protokolle und durfte Waisl alle möglichen administrativen Arbeiten abnehmen. Ihre Arbeit bekam entweder Pasold aufgebrummt oder sie blieb, wenn der Botengänge zu erledigen hatte, liegen. Wenn Waisls Anwesenheit an der Front überhaupt etwas Gutes hatte, dann nur, dass er alle neuen Fälle einem anderen Team zuschob, um möglichst wenig damit zu tun zu haben. Selbst einen Teil der Einbrüche delegierte er weg. Das führte allerdings auch dazu, dass Marks und Pasold noch seltener in den Außendienst durften. Jeden Morgen betraten die beiden das Büro, in der Hoffnung, Winkler und Frieder wären endlich wieder zurück.
Es dauerte drei Tage, bis sich ihre Hoffnung erfüllte. Das Erste, was Marks Freitagmorgen entdeckte, war Frieders Strubbelkopf hinter der Wand aus Monitoren. Auf die sonst übliche lebhafte Begrüßung wartete sie jedoch vergebens. Frieder war tief in seine Welt versunken und reagierte nicht auf ihr „Guten Morgen“. Dann eben nicht!
Ein unwilliges Brummen lenkte ihren Blick zu Winklers Schreibtisch und da stand er. Mit der einen Hand hielt er die Kaffeetasse und mit der anderen versuchte er, die gewohnte Ordnung wiederherzustellen. Besonders erfreut sah er nicht aus. Bildete sie sich das nur ein oder herrschte wirklich eine angespannte Stimmung im Büro? Es war keine Einbildung, wie sie an Winklers Flüchen erkannte.
„Was denkt der Arsch eigentlich, wer er ist? Das ist mein Schreibtisch und der geht ihn nichts an. Sowas hätte es unter…“ Der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken. Stumm nickte er Marks zu, setzte sich und starrte verbissen vor sich hin.
Einige Minuten später traf Pasold endlich ein. Winkler hatte sich inzwischen auch wieder beruhigt. Er rief das Team zu einer Besprechung an den runden Tisch zusammen und ließ sich auf den neusten Stand bringen. Er wollte gerade die Berichte kommentieren, als das Unheil in der Person von Waisl über sie hereinbrach. Ohne Winklers Anwesenheit große Beachtung zu schenken, legte er sofort los.
„Gibt es neue Meldungen über Einbrüche?“ Am gestrigen Tag waren keine neuen Anzeigen eingegangen. Böse Zungen behaupteten daraufhin, dass Waisl mit seiner Beteiligung an der Ermittlung sogar den Gaunern den Spaß an der Arbeit genommen hatte. Marks hatte sich wegen der momentanen Nähe zu ihm nicht an dem Tratsch beteiligen können. Sehr zu Waisls Verdruss war auch das andere Team im Fall der Einbruchsserie nicht weitergekommen. Anfangs hatte er noch rumgetönt, dass mit dem zweiten Team ein paar neue Ansätze eingebracht werden sollten. Die hatten sich dann schnell als bereits bearbeitete Ansätze entpuppt und auch beim zweiten Mal nichts ergeben. Waisls Laune war täglich mehr in den Keller gerutscht und schon am zweiten Tag von Winklers Urlaub war er wieder in seine Gefilde verschwunden. Nun stand er vor ihnen und sein Ton klang wieder wie gewohnt: fordernd und herablassend.
Winkler übernahm das Antworten. „Uns liegen keine neuen Einbruchsmeldungen vor. Es gab nur zwei Schlägereien, einen Handyraub und einen häuslichen Streit. Die Anzeigen wurden aufgenommen und sind schon in Bearbeitung.“
Waisl sah plötzlich ungewohnt zufrieden aus, was Marks stutzig machte. Soweit kannte sie ihn schon, dass sie eins wusste: Dieses selbstgefällige Lächeln trug er nur zur Schau, wenn er irgendwas in Petto hatte. Leider traf das auch dieses Mal zu und die Bombe, die er platzen ließ, war noch weitaus schlimmer als sein letztes Eingreifen.
„In den letzten Tagen musste ich mitansehen, wie sich dieses Team mit Bagatellfällen herumschlägt und das, obwohl wir im Moment unter einem enormen Personalmangel in allen Bereichen zu leiden haben. Daher bleibt mir keine andere Wahl, als eine Umstrukturierung vorzunehmen. Frau Marks, Sie werden bis auf Weiteres dem Team vom Kriminaldauerdienst zugeordnet. Herr Schulze-Eggard, Sie melden sich wieder in der IT-Abteilung bei Herrn Braumann. Herr Winkler, Sie übergeben Ihre restlichen Fallakten zur Einbruchsserie an Kommissar Heger. Sein Team wird die Ermittlung fortführen und Herr Pasold wird ihn unterstützen.“
Für einen Moment herrschte eisige Stille im Raum. Waisls kleine Rede hatte allen die Sprache verschlagen. Der Erste, der sie wiederfand, war Winkler. „Wäre es nicht besser, wenn Pasold und ich die Einbruchsserie weiterbearbeiten? Wir kennen doch die Fakten am besten.“ Mehr sagte er nicht und Marks fühlte, wie sich ihr Innerstes verkrampfte. Was war denn mit Winkler los? Schlimm genug, dass er sich nicht gegen die Auflösung des Teams stellte. Aber nun sah es auch noch so aus, als wäre ihm ihre Versetzung egal. Wollte er wirklich lieber mit Pasold zusammenarbeiten als mit ihr? Nur mit Mühe gelang es ihr, sich nichts anmerken zu lassen. Pasold dagegen sah aus, wie ein begossener Pudel.
Waisl wischte Winklers Einwand mit einer abfälligen Handbewegung beiseite. „Heger und sein Team kriegen das auch ohne Ihre Hilfe hin. Es geht ja hauptsächlich um die Zuarbeit fürs BKA. Außerdem wurden Heger und seine Leute in den letzten Tagen von mir schon ausführlich gebrieft. Also, suchen Sie die restlichen Unterlagen zusammen. Heger wartet schon darauf. Ich werde Ihnen andere Fälle zuteilen. Und bis das passiert, nutzen Sie die Zeit, alles was liegengeblieben ist, aufzuarbeiten. Davon gibt’s auf Ihrem Tisch ja mehr als genug.“ Um jeglicher Diskussion aus dem Weg zu gehen, drehte er sich auf dem Absatz um und ging. Nicht schnell genug. Kurz vor der Tür erreichte ihn Marks’ Ruf: „Und ab wann soll das gelten?“
Mit einem süffisanten Lächeln wandte Waisl sich ihr zu. „Ich dachte eigentlich, dass das klar ist. Natürlich ab sofort. Packen Sie zusammen, was Sie brauchen und dann melden Sie sich in Ihren neuen Abteilungen.“
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Zehn Sekunden herrschte die berühmte Stille vor dem Sturm. Dann stand Marks auf, ging zur Tür und machte etwas, das sonst nicht üblich war. Sie schloss die Tür. Am meisten war Pasold erstaunt darüber. Er hatte noch nie eine Situation erlebt, in der einer von ihnen es für nötig gehalten hatte, diese Tür zu schließen. Aber für alles gab es ja bekanntlich ein erstes Mal.
Mark ging mit energischen Schritten durch den Raum. Vor Winklers Schreibtisch blieb sie stehen, stützte die Hände auf die Tischplatte und fauchte ihn an. „Wieso lässt du ihm das durchgehen, Martin?“
Erstaunt blickte er sie an. „Ach, reden wir jetzt wieder miteinander?“
Okay, der Punkt ging an ihn, musste Marks zugeben. Nach der Aufklärung des Falls Franzi und seinem holprigen Wiedereinstieg in den Job hatte er mehrfach versucht, sich mit ihr auszusprechen. Er war wirklich bemüht gewesen, diese eine Sache, die zwischen ihnen stand, aus der Welt zu schaffen. Immer wieder war Marks ihm ausgewichen und nach einer Weile hatten sie nur noch dienstlich miteinander kommuniziert. Mal abgesehen davon, konnte sie immer noch nicht mit seiner Zurückweisung umgehen, als sie ihm ihre Gefühle gestanden hatte.
Statt auf seine Bemerkung einzugehen, stellte sie lakonisch fest: „Dann bist du also damit einverstanden.“ Mit einem abfälligen Schnauben unterstrich sie ihre Wut. „Horstmann ist noch nicht mal unter der Erde, aber er reißt schon unser Team auseinander.“
Winkler sortierte stoisch seine Unterlagen weiter, während er sagte: „Apropos Horstmann. Die Trauerfeier ist in zehn Tagen auf dem Südfriedhof um 14 Uhr. Falls es einen von euch interessiert.“ Er hätte sie auch auf den alljährlichen Polizeiball hinweisen können, so hatte er geklungen. Ohne eine Erwiderung abzuwarten, stand er auf, packte einen Stapel Akten und verließ das Büro mit den Worten: „Falls mich jemand suchen sollte, ich bin bei Heger und mach die Übergabe.“
Fassungslos sah Marks ihm nach. So fühlte es sich also an, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Sie verstand nicht, was hier gerade geschehen war. Oder besser gesagt; sie wollte es nicht verstehen. Und was war mit den beiden Jungs? Pasold schaute betreten nach unten und Frieder hämmerte auf seine Tastatur, als müsse er die Welt hacken. Plötzlich wollte sie nur noch raus. Auf der Suche nach den Dingen, die sie mitnehmen wollte, zog sie die Schreibtischschubladen auf und knallte sie lauter als nötig wieder zu. Sie durchwühlte die Ablagekästen nach ihren persönlichen Notizen. Was ihr dabei in die Quere kam, wurde rigoros vom Tisch geschoben. Das Bisschen, was sie schließlich einpackte, passte in ihren Rucksack und einen Karton. Ein paar Minuten später war sie fertig. Sie schaute ein letztes Mal durch den Raum, dann ging sie ohne ein Wort zur Tür. Sie war schon fast draußen, als Pasold doch noch etwas sagte.
„Kopf hoch, Jenny. Das wird sich bestimmt wieder einrenken.“ Damit konnte die private oder auch die dienstliche Misere gemeint sein. Marks glaubte jedoch nicht, dass auch nur eins davon wieder in Ordnung kam.
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Als Winkler wieder ins Büro zurückkam, empfing ihn eine ungewöhnliche Stille. Pasolds Schreibtisch sah wie leergefegt aus. Verwaist traf es noch besser. Frieders Platz wurde noch immer von PC-Technik dominiert, doch es fehlten die dazugehörigen Geräusche. Das leise Summen der Geräte war verstummt. Man hörte weder Mause-Klicken, noch Tastatur-Klappern und natürlich fehlte auch Frieders Gebrabbel, mit dem er ständig seine eigenen Handlungen kommentierte. Ein Schreibtisch fiel aus der Rolle, der von Marks. Einige der Schubladen waren nicht geschlossen, ihr Stuhl stand mitten im Raum und das Chaos, das auf der Tischplatte herrschte, setzte sich ringsum den Schreibtisch fort. Obenauf lagen Aktenmappen, Stifte, Tacker, Notizblöcke kreuz und quer. Der Boden war übersät von losen Blättern und einer Ablagebox. Nichts davon hatte seinen Weg von allein dorthin gefunden. Man musste kein Profiler sein, um zu erkennen, dass sie den Raum mit jeder Menge Wut im Bauch verlassen hatte. Sie war aber nicht die Einzige, die wütend war. Ihm ging es ja auch nicht anders, nur wollte er es nicht so zeigen. Er hatte es einmal fast getan. Nur Waisls fluchtartiger Abgang und sein Sturz über einen Papierkorb hatten verhindert, dass Winkler ihm eine reingehauen hatte. Er war nicht stolz auf seinen Ausrutscher gewesen, entschuldigt hatte er sich dennoch bis heute nicht. Seitdem stand er auf Waisls Abschussliste, daran konnte kein Zweifel bestehen. Er war darüber nicht besonders beunruhigt gewesen. Immerhin hatten ihm in der Vergangenheit schon ganz andere Leute den Kampf angesagt und selten mit Erfolg. Doch diese Ansagen hatten nur ihm gegolten. Hier sah das anders aus. Waisls Plan, ihn loszuwerden, war durch Horstmanns letzte Intervention vereitelt worden, was Winkler als Sieg für sich verbucht hatte. Mit dieser etwas vorschnellen Einschätzung lag er wohl falsch, wie er nun erkennen musste.
Nie hätte er damit gerechnet, dass Waisl seinen Frust darüber an seinem Team auslassen würde. Der Schlag, den er ihm damit verpasste, war so hart und so überraschend gekommen, dass er zu keiner Reaktion fähig gewesen war. Schon möglich, dass die anderen so etwas wie Gegenwehr von ihm erwartet hatten. Doch bei allem Verständnis, Marks war die Letzte, die ein Recht darauf hatte, ihm Vorwürfe zu machen. Nicht nachdem, wie sie sich ihm gegenüber in den vergangenen Monaten aufgeführt hatte. Ihre anfängliche Zurückhaltung hatte er ja noch verstanden. Sie braucht Zeit, hatte er gedacht. Doch seine wiederholten Anläufe zu einer Aussprache waren immer wieder abgeblockt worden. Die Stimmung zwischen ihnen wurde immer eisiger, die gemeinsame Arbeit immer schwieriger. Zum Schluss war das Miteinander so verkrampft gewesen, dass er selber schon daran gedacht hatte, ihr einen Wechsel vorzuschlagen. Waisl war ihm zuvorgekommen und eigentlich hatte Winkler angenommen, dass Marks die Versetzung nur recht sein würde. Auch deshalb hatte er sich für Pasold eingesetzt und nicht für sie. Die Schuld dafür lag bei ihr. Er hatte alles versucht. Also, wieso regte sie sich jetzt so auf?
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Marks’ erster Tag beim KDD ließ sich eigentlich ganz gut an. Grieger und ihr Team waren in der Dienststelle als ein wilder, bunter Haufen verschrien. Das war leicht untertrieben. Es ging sehr laut und chaotisch zu. Letzteres ließ sich auch auf die Räumlichkeiten übertragen. Jeder hatte seinen eigenen Schreibtisch, dem jeder auch seinen eigenen Stempel in Form von Fotos, Pflanzen und Schnikokchen aufgedrückt hatte. Nur in einem Punkt waren sie alle gleich. Auf allen herrschte das gleiche, an Chaos grenzende Durcheinander. Wer da den Überblick behielt, musste ein wahrer Meister dieses Chaos’ sein. Das lockere Miteinander im Team empfand Marks anfangs als etwas gewöhnungsbedürftig. Alle duzten sich. Das verlieh dem Team den Charakter einer Schülerclique, was wiederum zu dem hostelähnlichen Zustand der Räume passte. Es wurde viel gefrotzelt. Soweit Marks das jetzt schon beurteilen konnte, störte das weder den Arbeitsablauf noch die Effizienz. Bis hierher blieb also alles im Rahmen.
Was dem Ruf des Teams auf jeden Fall entsprach, war das Erscheinungsbild von KHK Charlotte Grieger, ihrer neuen Teamchefin beim KDD. Nicht nur, dass sie schulterlange Rastalocken trug, einige Strähnen waren auch bunt eingefärbt, in grün und pink. Griegers Kleidungsstil war dem von Marks sehr ähnlich. Lässig, funktional und so gar nicht bunt. Einziger Farbtupfer, außer der Haarsträhnen, waren bunte geflochtene Armbändchen. Ein bisschen sehr Retro, aber das hing vielleicht mit ihrem Alter zusammen, das Marks überhaupt nicht einschätzen konnte. Sie war auf jeden Fall viel dichter an den 40ern dran als sie. Die Frage war nur, aus welcher Richtung. Noch etwas fiel an Grieger auf: ihr Augen-Makeup. Violetter Lidschatten, schwarzem Kajal und ihre dichten, eingefärbten Augenbrauen ließen ihr Gesicht aussehen wie das einer Gothic Braut. Fehlte nur noch der dunkle Lippenstift, aber genau das tat er: Er fehlte.
Als Marks sich bei Grieger meldete, saß die Truppe gerade beim Freitagsfrühstück. Eine Tradition, die, wie Marks schon gehört hatte, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfand. Grieger war aufgestanden, hatte ihr die Hand entgegengestreckt und sie mit den Worten begrüßt: „Du bist also die berühmte Marks, die Partnerin des inzwischen berüchtigten Winklers. Ich bin Charlotte Grieger und damit du es gleich weißt: Heger und ich hatten die Wahl zwischen Ihnen und Pasold. Wir mussten zwar nicht Schnick-Schnack-Schnuck spielen, aber so ähnlich. Ich war schneller und deshalb bist du jetzt hier und Heger hat Pasold an der Backe.“ Marks sollte sich wohl geschmeichelt und willkommen fühlen. Die Tatsache, dass Pasold als Trostpreis eingeschätzt worden war, versetzte ihr jedoch einen Stich. Pasold war eindeutig besser als sein Ruf und ihr gefiel nicht, dass außer Winkler, Frieder und ihr keiner das erkannte. Sie nahm sich vor, ein Auge auf ihn zu haben, egal ob sie im selben Team spielten oder nicht. Fürs Erste ergriff sie Griegers Hand und spürte den kühlen, festen Händedruck und bekam noch eine letzte Bemerkung zu hören. „Setz dich und lerne den Rest der Meute kennen, solange noch Zeit dafür ist. Ach übrigens, ich bin lesbisch und vergeben.“ Griegers Outing klang nicht im Geringsten aufgesetzt. Es war von derselben rauen Herzlichkeit wie der Rest der Begrüßung und Marks begann, sich überraschend wohl zu fühlen. Das wiederum führte dazu, dass ihre Wut sich langsam legte. Zum Feierabend verließ sie die Dienststelle mit der Erkenntnis, dass sie es schlechter hätte treffen können. Sie würde sich hier gut einleben, davon war sie überzeugt. Winkler war schließlich nicht der Nabel der Welt.
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Winkler tat während des restlichen Tages das, was Waisl ihm geraten hatte: Er nahm sich liegengebliebenen Schreibkram vor. Es gelang ihm, bis auf einen kleinen Rest, den Stapel abzuarbeiten. Das war sicher gut, denn spätestens am Montag würde Waisl zu seinem nächsten Schlag ausholen und ihm andere Fälle zuteilen. Darüber musste er sich aber heute noch nicht den Kopf zerbrechen. Erst mal lag noch das Wochenende vor ihm und das gehörte Melitta Horstmann.
In den letzten Tagen hatten Babsi und er ihr geholfen, alle behördlichen Wege zu erledigen und mit dem Bestatter zu reden. Alles was mit der Beerdigung zusammenhing, hatten sie erledigt. Jetzt galt es, Horstmanns Nachlass zu regeln. Babsi hatte angeboten, sich um Horstmanns Sachen aus dem Büro zu kümmern und dafür zu sorgen, dass seine persönlichen Sachen zu Melitta kamen. Dienstliches würde sie entweder archivieren oder schreddern. Darüber war Melitta sehr froh gewesen. So kurz nach Harros Tod wäre es ihr sehr schwergefallen, in die Dienststelle zu kommen. Es gab auch so noch genug, um das sie sich zuhause kümmern musste. Dabei wollte Winkler ihr helfen. Harro Horstmann hatte zu denen gehört, die ihre Arbeit oft mit nachhause nahmen. Sein Arbeitszimmer war angefüllt mit alten Fallakten. Sich da durchzuwühlen, hatte Winkler sich vorgenommen. Er konnte als Einziger entscheiden, was davon noch wichtig war und was nicht. Außerdem lenkte es ihn von seiner gegenwärtigen Misere ab.
Nachdem Lydia die Scheidung eingereicht hatte, war sein bisheriges Leben so ziemlich den Bach runtergegangen. Er hatte keinen Kontakt zu den Kindern. Lotte war Lydias Tochter aus erster Ehe, was sein Recht auf Kontakt schon mal einschränkte. Lotte wollte ihn aber auch nicht sehen. Finn Leon, ihr gemeinsamer Sohn, war noch zu klein für solche Entscheidungen. Lydias Meinung zufolge war ein Besuch im Monat ausreichend und Winkler hatte zugestimmt. Sie hatte ihm aber auch unmissverständlich klargemacht, dass sie, sollte er die ausgemachten Termine nicht einhalten, das alleinige Sorgerecht beantragen würde. Dazu bestand bisher kein Grund. Sein nächster Besuch würde erst Sonntag in zwei Wochen sein, also stand ihm dieses Wochenende ganz allein zur Verfügung und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nach dem Umzug in die kleine Zweiraumwohnung hatte sich sein Privatleben fast ausschließlich nur noch dort abgespielt. Langsam war ihm aufgegangen, dass in seinem Leben einiges mehr als nur seine Ehe nicht im Lot war. Man konnte es mit einem Satz beschreiben: Er war allein. Noch nie hatte er das so deutlich erkannt, wie in den letzten Monaten. Sein Sohn aus erster Ehe lebte in Bayern, seine zweite Ehe brach gerade auseinander und einen Freundeskreis gab es auch nicht. Die Arbeit und sein Team waren sein einziger Halt gewesen, doch das hatte ihm Waisl heute auch noch genommen. Kein Wunder, dass es ihm lieber war, sich mit den Hinterlassenschaften von Horstmann zu beschäftigen, als ein weiteres Wochenende mit sich selbst zuhause verbringen zu müssen.
Winkler sah auf die Uhr. Es war kurz vor acht. Noch zu früh für einen Feierabend mit Fremdschäm-TV-Programm und jeder Menge Selbstmitleid auf der Couch. Er würde noch mindestens 2 Stunden ausharren, bevor er ging. Und morgen früh würde er mit frischen Brötchen bei Melitta zum Frühstück erscheinen.
Toni Wiener liebt seine Arbeit als Straßenbahnfahrer. Egal was seine Freunde auch vorbrachten, die konnten ihm seinen Job nicht vermiesen. Von wegen eintönig. Es gab mehr als genug Abwechslung und aufpassen musste man sowieso immer. Seit 16 Jahren fuhr er unfallfrei, andere Kollegen hatten weniger Glück gehabt. Er wusste von unschönen Begegnungen mit motorisierten und nichtmotorisierten Leuten, die alle dem Irrtum erlegen waren, der da lautete: Das schaffe ich noch! Da komm ich noch dicke rüber! Auf solche Erlebnisse konnte man gern verzichten. Zum Glück gab es auch lustige Begebenheiten. Die etwas verwirrte Omi, die letztens mit einem Plüschhund auf Rädern und einem Geschirrtuch um den Kopf nach Neustadt gefahren war, weil sie mit ihrem Gustl in den Zoo wollte. Sie war natürlich ohne Fahrschein gefahren und prompt in eine Kontrolle gekommen. Worum es ging, hatte sie nicht verstanden und gedacht, die Männer wollten ihr Gustl wegnehmen. Das Geschrei war so infernalisch gewesen, dass andere Fahrgäste dazwischen gegangen waren. Wiener selber war kurz davor gewesen, aus seiner Fahrerkabine zu kommen und die Kontrolleure zu fragen, ob sie nicht lieber auf die nächste Bahn warten wollten. Zum Glück hatte eine Frau der Omi ein Ticket gekauft, und die Kontrolleure waren weitergezogen.
Etwas rauer ging es oft in der Nachtschicht zu, besonders am Wochenende. Die besoffenen und zugedröhnten Jugendlichen konnten schon sehr nerven, vor allem, wenn sie im Rudel auftraten. Großmäulig und aggressiv attackierten sie gern vermeintliche männliche Rivalen oder belästigten weibliche Fahrgäste mit dem unwiderstehlichen Charme einer halbvollen Bierflasche. Oder sie randalierten, beschmutzten Sitze und ließen ihren Müll zurück. Kurz, sie benahmen sich wie die wirklich allerletzte Generation. Mal abgesehen davon, bekam man aber auch so einiges geboten, das eindeutig nicht in eine Straßenbahn gehörte: Sex in allen Variationen und unter Beteiligung aller Geschlechter. Wiener hatte es mal so ausgedrückt: „Wer wirklich Wert aufs Gendern legt, der sollte mal eine Nachtschicht mitmachen.“
Heute Nacht war es zur Abwechslung mal ruhig geblieben, bis jetzt. Noch lagen einige Stunden vor ihm. Er fuhr heute eine der zwei Linien, die auch nachts als Straßenbahn verkehrten, die N8 und im Moment war er in Richtung Barleber See unterwegs.
An der Haltestelle