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Als Kommissar Winkler an einem Samstagabend von seinem Chef zu einem Tatort gerufen wird, hat er es nicht weit dorthin. Das Verbrechen hat sich nämlich nahe seinem Zuhause ereignet, in Barleben. Der kurze Weg dorthin ist aber auch der einzige Vorteil. Ansonsten erwarten Winkler und sein Team, jede Menge Schwierigkeiten, sogar aus den eigenen Reihen. Zwei Mehrfachmorde kurz hintereinander und ohne erkennbares Motiv machen viele Leute nervös. Stehen die Morde miteinander in Verbindung? Haben ein Escort-Service, ein Pharmaunternehmen und eine dubiose Security-Firma etwas gemeinsam? Wer hatte es auf die Opfer abgesehen und warum? Winklers dritter Fall bringt ihn näher an den Rand der Legalität, als er es sich in seinen kühnsten Träumen jemals hätte vorstellen können.
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Seitenzahl: 797
Veröffentlichungsjahr: 2022
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„Die Strafe des Lügners ist nicht, dass ihm niemand mehr glaubt, sondern dass er selbst niemandem mehr glauben kann.“ George Bernard Shaw
Buch
Als Kommissar Winkler an einem Samstagabend von seinem Chef zu einem Tatort gerufen wird, hat er es nicht weit dorthin. Das Verbrechen hat sich nämlich nahe seinem Zuhause ereignet, in Barleben. Der kurze Weg dorthin ist aber auch der einzige Vorteil. Ansonsten erwarten Winkler und sein Team, jede Menge Schwierigkeiten, sogar aus den eigenen Reihen. Zwei Mehrfachmorde kurz hintereinander und ohne erkennbares Motiv machen viele Leute nervös. Stehen die Morde miteinander in Verbindung? Haben ein Escort-Service, ein Pharmaunternehmen und eine dubiose Security-Firma etwas gemeinsam? Wer hatte es auf die Opfer abgesehen und warum?
Sylvie Braesi
Geboren 1960 und aufgewachsen in Magdeburg. Sie hat eine Ausbildung als Heimerzieherin und war u.a. als Dozentin und Vermittlungscoach in der Erwachsenenbildung sowie als Kabarettistin tätig. Mit dem Schreiben begann sie 2015 als Selfpublisherin. Alle Bücher sind als Taschenbuch und E-Book erhältlich.
Bisher erschienen sind:
Manhattan Trilogie - Manhattan Tenderloin
Manhattan Tenderloin – Die Jagd geht weiter
Manhattan Revenge
Magdeburg Krimi Reihe – Winkler ermittelt
Horror Vacui
Malum Concilium Bademantel-Gang Krimi Reihe
Mord mit Therapie
Magdeburger Mord(s)geschichten.
Magdeburger Mords- und Spukgeschichten
Für meinen größten Fan, meine Mutter.
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehhn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanig
Zweiundzwanzig
Dreiundwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Acttundzwanzig
Neunundzwaanzig
Dreißig
Einunddreißig
Zweiunddreißig
Dreunddreißig
Vierunddreißig
Fünfunddreißig
Sechsunddreißig
Siebenunddreißig
Achtunddreißig
Neununddreißig
Vierzig
Einundvierzig
Zweiundvierzig
Dreiundvierzig
Vierundvierzig
Fünfundvierig
Secchsundvierzig
Siebenundvierzig
Achtundvierzig
Neunundvierzig
Fünfzig
Einundfünfzig
Zweiunddfünfzig
Dreiundfünfzig
Vierundfünfzig
Fünfundfünfzig
Hinweise
Danksagung
Eins
Der Oktober zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Es war, als würde der Sommer einfach nicht aufgeben wollen. An einem heißen Tag wie diesem, lag man entweder am Barleber See, saß in einem Straßencafé, schlenderte eisleckend am Elbufer entlang oder genoss den Rundumblick aus einer der Gondeln des Riesenrades. In einem schwarzen Anzug neben einem Pool zu stehen und zwei planschenden Kindern zuzusehen, gehörte nicht zu den Dingen, die einem bei 30° C im Schatten normalerweise einfielen. Aber was war schon normal im Job eines Bodyguards?
Man tauchte ein in das Leben der zu schützenden Person und das, wenn es sein musste, unter Einsatz seines eigenen Lebens. Was nichts anderes bedeutete, als dass man selber zur Zielscheibe werden konnte. Lag eine Drohung für den Schutzbefohlenen vor, war es die Aufgabe des Bodyguards, alles zu tun, damit aus dieser Drohung keine Realität wurde. In den meisten Fällen genügte zum Glück die Anwesenheit eines Bodyguards, um gewisse Leute von gewissen Taten abzubringen. Man trug den Gedanken an eine akute Gefahr auch nicht immer mit sich herum. Das würde nur ablenken und Ablenkung war ebenfalls gefährlich. Und zwar jede Form von Ablenkung.
Dieser Bodyguard wusste das, doch wissen allein reichte manchmal nicht. Und so wanderten seine Augen, von den Kindern, hin zu der Frau auf der Sonnenliege und verharrten dort länger als nötig. Ihr Anblick war aber auch die pure Versuchung. Ihre perfekten Rundungen und der sonnengebräunte Körper kamen in ihrem winzigen weißen Bikini besonders gut zur Geltung. Klar war das, was er tat, absolut unprofessionell, aber hey, er war auch nur ein Mann und nicht aus Beton.
Jeder zufällige Beobachter mit bösen Absichten würde für diese Nachlässigkeit nur ein abfälliges Lächeln übrighaben und denken: Es ist doch immer wieder dasselbe. Wenn eine attraktive Frau auftaucht, trennt sich die Spreu vom Weizen.
Genau das dachte die Frau, die die Szene am Pool schon eine ganze Weile vom Nachbargrundstück aus beobachtete. Ihrer Meinung nach war dieser Bodyguard Spreu und sein Geld nicht wert. Zu diesem Schluss war sie schon nach fünf Minuten gekommen.
Ihr Handy vibrierte und sie wandte sich ab. Das Gespräch war kurz und einseitig. Nach einem kurzen „Okay“ und einem Nicken erhob sie sich geschmeidig aus dem Liegestuhl.
Immerhin registrierte der Bodyguard die Bewegung auf dem Nachbargrundstück und schaute hinüber. Er sah, wie die Nachbarin aufstand und sich ein buntes Strandtuch lässig um die Hüften band. Seinem Kennerblick entging nicht, dass sie mit der Frau am Pool durchaus mithalten konnte. Ihre Brüste waren kleiner und die Hüften nicht so ausladend, doch ihre langen Beine waren auch nicht zu verachten. Ihre Bewegungen hatten etwas Katzenhaftes an sich und das gefiel ihm.
Als die Nachbarin hüftschwingend auf das Haus zusteuerte, spürte sie förmlich den Blick des Bodyguards auf ihrem Hintern.
Geiles Arschloch!
Der Bodyguard selber fand es völlig okay, dass er die Frau so angestarrt hatte. Schließlich musste er ja eine mögliche Gefahr ausmachen. Welche Gefahr ausgerechnet vom Hintern der Frau ausgehen sollte, hätte er nicht erklären können. Aber es fragte ihn ja niemand danach, da seine Blicke von niemandem bemerkt werden konnten. Genau dafür trug er eine Sonnenbrille. So sah keiner, worauf seine heimlichen Blicke sich richteten und mehr war es ja auch nicht, was er sich erlaubte.
Noch nie hatte er ein Wort mit der Dame des Hauses gewechselt. Das war ihm nur gestattet, wenn er angesprochen wurde und wozu sollte sie das tun. Für sie war er nur Luft oder notwendiges Übel. Der Flasche Wein auf dem Tischchen neben der Liege schenkte sie viel mehr Aufmerksamkeit, als ihm. Aber wenn sie ihn schon nicht bemerkte, dann konnte er das doch wenigstens tun. Die anderen Schützlinge behielt er trotzdem im Auge.
*
In der Küche der weitläufigen Villa richtete die Hausangestellte, Anita, die Eisbecher für die beiden Kinder an. Das Mädchen mochte nur Schlumpf- und Erdbeereis, der Junge hatte sich eine große Portion Bananen- und Kaugummieis mit viel Schlagsahne gewünscht. Die Kids kriegten immer, was sie wollten.
Anita winkte dem Bodyguard zu, der sich sofort in Bewegung setzte. Ihm übergab sie die Eisbecher. Ohne, dass sie extra gerufen werden mussten, stiegen die Kids aus dem Pool, warfen sich die flauschigen Bademäntel über und setzten sich mit ihren Eisbechern auf die Hollywoodschaukel.
Anita blieb in der Küche und machte sich daran, für die Hausherrin eine Champagnersorbet anzurichten. Dabei achtete sie darauf, dass noch ein wenig vom leckeren Sorbet für sie selber übrigblieb. Diesen Rest würde sie genießen, nachdem sie der Dame des Hauses ihr Glas serviert hatte. Es fehlte nur noch das Topping: eine Himbeere und ein frisches Minzblatt. In diesem Moment ertönte der Türgong.
Anita lief eilends zur Tür. Entweder war die Lebensmittellieferung heute früh dran oder der Paketbote zu spät. Auf jeden Fall schmolz nun das Sorbet mit jeder Sekunde ein wenig mehr und am Ende musste sie es neu anrichten.
Es klingelte ein zweites Mal und Anita rief leicht verärgert: „Ich komme ja schon.“ Sie ließ sich trotzdem nicht aus der Ruhe bringen und schaute durch den Türspion. Es gab zwar eine Kamera über der Tür und eine Hausregel besagte, dass von fremden Besuchern ein Foto gemacht werden musste. Anita kam aber mit dieser modernen Technik nicht gut klar. Sie hatte einmal den Sicherheitscode falsch eingegeben und die Alarmanlage war Amok gelaufen. Seitdem benutzte sie lieber den Türspion. Außerdem hatte sie noch klebrige Finger vom Eisanrichten.
Vor der Tür stand ein Bote mit einer Lieferung. Ein riesiger Karton verdeckte den gesamten Oberkörper und das Gesicht. Nur das NYBasecape ragte darüber hinaus. Anita wusste von keiner Bestellung, also fragte sie vorsichtshalber.
„Was wollen Sie?“
„Blumenlieferung“, kam es zurück.
Das war nichts Ungewöhnliches. Blumen wurden öfter ins Haus geliefert. Der Hausherr schickte seiner Frau mindestens zweimal pro Woche alles, was Blüten hatte, edel war und teuer. Anita öffnete die Tür und ließ den Boten ein.
„Wohin mit dem Grünzeug?“, fragte der Basecape-Träger.
„Ich nehme es Ihnen ab.“
„Ist aber schwer. Vorsicht!“
„Dann bringen Sie es in die Küche und nehmen Sie den Karton gleich wieder mit.“ Anita wies mit einem Nicken in besagte Richtung, während sie sich die Finger ableckte. Dann suchte sie im Portemonnaie nach Trinkgeld.
Der Bote schritt durch die Küche, legte den Karton neben der Spüle unter dem Fenster ab und begann, ihn zu öffnen. Sein Blick wanderte von der Haushälterin nach draußen, zum Bodyguard. Der war, so wie es sich gehörte, schon auf dem Weg, um den unangemeldeten Besucher persönlich in Augenschein zu nehmen.
Als der kräftige Aufpasser die Küche betrat, warf ihm der Bote ein entschuldigendes Lächeln zu, weil er den Frieden des Hauses durch seine Anwesenheit störte. Parallel dazu griff er in den Karton und holte den Inhalt heraus.
Anita hatte das Trinkgeld schon neben den Karton gelegt und widmete sich wieder ganz dem Sorbet. Sie stand mit dem Rücken zu den beiden Männern. Der Bodyguard fuhr den Boten mürrisch an.
„Beeil dich mal, Kumpel.“
Das Gesicht des Boten blieb freundlich. Er hielt jetzt einen großen Strauß dunkelroter, langstieliger Rosen in den Händen, den er dem Bodyguard scheinbar entgegenstreckte. Ein leises Plopp ertönte und dann fiel etwas Schweres auf den Boden. Anita stöhnte innerlich auf.
Was hat der Polterheini jetzt wieder umgestoßen? Mit diesem Gedanken drehte sie sich um und starrte in die Mündung eines Schalldämpfers.
Blitzschnell war der vermeintliche Bote bei ihr, schob sie gegen die Wand und presste ihr eine Hand auf den Mund. Die Waffe wurde ihr fest auf die Brust gedrückt, doch sie spürte den Schmerz nicht. Die Angst und der Schock hatten sie voll im Griff.
Als ihr die Beine den Dienst versagten, rutschte sie unaufhaltsam nach unten. Die Gestalt des Boten ließ sie während der ganzen Zeit keine Sekunde aus den Augen und auch der Druck von Hand und Waffe verringerte sich nicht. Über sie gebeugt, flüsterte er zischend:
„Du rufst jetzt die Frau her. Wenn du schreist, bring ich erst die Kinder um und dann dich. Hast du verstanden?“
Anita nickte hektisch. Die Hand wurde vom Mund genommen und mit zitternder Stimme rief sie nach der Frau. „Frau Wölker!“
„Was ist denn los, Anita? Krieg’ ich heute noch mein Sorbet?“
Der Bote flüstere Anita etwas ins Ohr und sie rief erneut.
„Bitte, Frau Wölker, kommen Sie. Manfred geht es nicht gut. Ich glaube, er hat einen Herzinfarkt.“
Sichtlich erbost über die Belästigung erhob sich die Frau, schlüpfte in ihr buntes Strand-Jäckchen und kam schimpfend angelaufen. „Mit dem Kerl hat man doch nichts als Ärger. Ich habe gleich gesagt, dass ich den nicht im Haus haben will.“
Der Bote war aufgestanden und hatte sich zur Terrassentür gedreht. Um die Haushälterin brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Sie saß auf dem Küchenboden starr vor Angst, während es unter ihr nass wurde. Hilflos musste sie mitansehen, was nun geschah. Alles ging rasend schnell.
Der Bote wartete, bis die Frau so weit in die Küche getreten war, dass man sie von draußen nicht mehr sehen konnte. Drei Schritte waren genug, solange war die Waffe noch zu Boden gerichtet, unsichtbar für sie. Eine weitere Sekunde verging, in der die Frau versuchte, die Situation in der Küche zu erfassen. Ihr Blick kam nur bis zum Bodyguard auf den Fliesen. Genau diese Sekunde genügte dem Boten, um den Arm zu heben und abzudrücken.
Plopp.
Die Frau sank zusammen, wie ein nasser Sack. Ohne Zögern trat er an den Körper heran und begutachtete das Ergebnis. Der Schuss in die Brust war nicht sofort tödlich gewesen, wie der sich ausbreitende Blutfleck bewies. Ihre Augen waren geöffnet, die Lider flatterten und der Mund zitterte. Nicht nötig, sie noch länger leiden zu lassen. Er brachte die Waffe in Position.
Plopp.
Ein kurzes Zucken des Körpers, dann war es vorbei.
Erneut wandte er sich der Haushälterin zu. Anita keuchte und schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht doch zu schreien. Die Drohung des Boten stand ihr noch allzu deutlich vor Augen: erst die Kinder und dann sie.
Sie sah, wie er langsam auf sie zukam. Sein Blick wirkte im ersten Moment gar nicht so beängstigend. Seine Gesichtszüge waren so weich und friedlich. Wenn man aber in seine Augen schaute, erkannte man nur eisblaue Leere darin. Als er sich vor Anita hinhockte, nahm sie allen Mut zusammen und flehte schluchzend: „Nicht die Kinder. Bitte nicht die Kinder.“
Für eine Sekunde erschien der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht. Jetzt sah er wie ein Engel aus, aber wie ein Engel des Todes. Denn in seinem Blick erkannte sie noch etwas anderes, etwas, das ihr sehr geläufig war: Gleichgültigkeit. Und da wusste sie es, er würde sie töten.
„Bitte nicht“, bettelte sie tonlos.
Der Todesengel legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Pssst.“
Behutsam schob er seine Hand über ihre Augen.Plopp.
Es war das Letzte, was Anita wahrnahm.
Der Bote packte ruhig, aber zügig, die Waffe in den Karton, ohne sich damit aufzuhalten, den Schalldämpfer abzuschrauben. Der Blick aus dem Fenster zeigte ihm ein idyllisches Bild am Pool. Der Junge hatte sein Eis inzwischen aufgegessen und war mit seinem Handy beschäftigt. Über seine Bluetooth-Kopfhörer hörte er Musik. Seine Schwester kämpfte immer noch hoch konzentriert mit der Menge ihres Eisbechers. Die Hollywoodschaukel stand weit genug vom Haus entfernt, so dass sie nicht zu unfreiwilligen Zeugen geworden waren. Dieser Umstand rettete ihnen heute das Leben. Doch das würde nie wieder so sein wie bisher, sie wussten es nur noch nicht. Eben noch behütet und sorglos, waren sie jetzt Waisen, schutzlos und abhängig von Verwandten oder Fremden.
Wäre es nicht gnädiger gewesen, ihnen den Schmerz des Verlustes und dieses ungewisse Schicksal zu ersparen? Doch egal, wie er darüber dachte, die Kinder waren nun mal nicht Bestandteil des Auftrags gewesen. Nur im allergrößten Notfall, hatte es geheißen. Als ob es jemals solche Notfälle bei ihm gegeben hätte. Dafür war er zu gut.
Bevor er verschwinden konnte, hatte er noch eine letzte Sache zu erledigen. Mit einer Mini-HD-Digitalkamera machte er jeweils zwei Fotos von jeder Leiche. Sie waren sein Nachweis, für die erbrachte Dienstleistung. Das letzte Foto zeigte die Kinder und ein Stück des Schalldämpfers, der wie ein Finger auf sie gerichtet war. Dieses Foto hatte sich der Auftraggeber ausdrücklich erbeten. Dafür würde er einen Bonus bekommen. Das war schon etwas schräg, aber wenn der Kunde zahlte, war ihm egal, welche krankhafte Obsession dahintersteckte.
Er nahm die SD-Karte aus der Kamera und verstaute sie in einem Futteral. Diese Fotos würden die einzigen sein, die jemals auf der SDKarte gespeichert wurden. Nachdem der Auftraggeber die SD-Karte auf dem vorgeschriebenen Weg zugespielt bekommen hatte, erhielt er sein Geld. Das war das Einzige, was ihn wirklich interessierte. Er war fertig.
Auf demselben Weg, auf dem er vor gerade fünf Minuten das Haus betreten hatte, verließ er es wieder. Niemand schenkte ihm Beachtung. Er war nur ein Bote mit einem unauffälligen Outfit und einem Allerwelts-Basecape. Beides wanderte eine halbe Stunde später in einen Altkleidercontainer am anderen Ende der Stadt. Um alles andere kümmerten sich Fachleute. Das Prepaid-Handy landete, in seine Einzelteile zerlegt, in einer Müllpresse, genauso wie der unbeschriftete, weiße Kleintransporter. Schon heute Abend würde nichts mehr davon existieren.
Zwei
Wenn Kriminalrat Horstmann ihn an einem Samstagabend anrief, obwohl er nicht mal Bereitschaft hatte, dann musste was ganz Übles dahinterstecken. Und so war es auch. Zu dieser Erkenntnis kam Hauptkommissar Martin Winkler schon nach den ersten Worten seines Chefs.
Ein paar Stunden zuvor hatte er mit Lydia und den Kindern noch im Garten gesessen und die Sirenen näherkommen hören. Es klang nach mehreren Fahrzeugen von Polizei und Rettungsdienst. In der City hörte man das ja häufiger, doch hier in Barleben war sowas nicht alltäglich. Er hatte sich natürlich die Frage nach dem Grund dafür gestellt. Ganz in der Nähe war etwas passiert, vielleicht ein Unfall. Da sein Handy schwieg, schob er jeden Gedanken daran schnell wieder beiseite. Er würde auf keinen Fall nachfragen. Wie lautete doch seine erste Regel? Gehe nicht zu deinem Fürst, … und daran hielt sich Winkler.
Jetzt, nur wenige Stunden später, war sein Wochenende gestrichen. Sein erstes Wochenende in diesem Monat und er hatte sich so gewünscht, der Kelch würde an ihm vorübergehen. Doch er arbeitete nicht bei Wünsch dir was, sondern bei der Kripo. Also schob er behutsam, das Handy noch am Ohr, Lydias Füße von seinem Schoß. Ein leises unwilliges Murmeln war die Antwort, dann drehte sie sich auf die Seite und schlief weiter. Wie sie das bei voller Lautstärke des Fernsehers hinbekam, war ihm schleierhaft. Vor allem, weil sie es doch gewesen war, die diesen TV-Krimi unbedingt hatte gucken wollen.
Winkler beendete das Telefonat im Flur. Hastig schrieb er, bevor er das Haus verließ, ein paar Zeilen für seine Frau auf. Er war sich nicht sicher, ob sie seinen Aufbruch wirklich mitbekommen hatte. Während er die Nachricht auf den Couchtisch legte, warf er ihr einen schuldbewussten Blick und einen Luftkuss zu. Sie würde an diesem Wochenende wieder auf ihn verzichten müssen.
*
Schon von seinem Haus aus konnte Winkler sehen, wie das Blaulicht den abendlichen Himmel flackernd erhellte. Diesem Umstand hatte er es zu verdanken, dass er zu Fuß zum Tatort laufen konnte. Das war aber auch der einzige Vorteil, den ihm dieser Einsatz bescheren würde, da war er sich sicher.
Schon nach wenigen Minuten erreichte er die erste Absperrung und was er sah, versetzte ihn doch in Erstaunen. Eine Menschentraube versperrte ihm den Weg. Halb Barleben schien sich versammelt zu haben. Unter Zuhilfenahme seiner Arme und des Dienstausweises musste er sich durch die Menge kämpfen, um überhaupt an das Absperrband heranzukommen. Danach lag der Rest der Straße menschenleer vor ihm. Jedoch nur die Straße. Die Anwohner hatten sich entweder in den Vorgärten oder an den Fenstern postiert. Man wollte nichts verpassen.
Winkler sah Horstmann schon auf sich zukommen. Ohne sich groß mit der Begrüßung aufzuhalten, fing sein Chef sofort an, ihm die wenigen bereits bekannten Fakten zu präsentieren.
„Drei Tote, zwei Frauen, ein Mann. Alle drei wurden erschossen in der Küche des Hauses gefunden. Das Haus gehört Sebastian Wölker. Schon mal gehört?“
Kopfschütteln von Winkler und die Frage: „Ist er der Tote?“, unterbrachen Horstmanns Redefluss für einen Moment.
„Nein, der Tote war sein Bodyguard. Die weiblichen Opfer sind Wölkers Frau und ein Hausangestellte, eine gewisse Anita Bachmayer.“
„Wer ist Wölker, dass er einen Bodyguard braucht und vor allem, wo ist er, wenn sein Bodyguard tot im Haus liegt?“
„Gute Frage. Erstens: Wölker ist der Geschäftsführer von Schutter Pharmaceutical.“
Winkler blieb stehen und sah Horstmann an. „Wow. In diesem Fall habe ich schon mal von ihm gehört. Haben die nicht erst vor ein paar Monaten eine neue Produktionshalle, hier ganz in der Nähe aus dem Boden gestampft?“
„Richtig. Seine Firma ist in den letzten fünf Jahren gewaltig expandiert, allerdings mehr ins Ausland als in Deutschland. Seit der Pandemie hat sich das geändert. Der Standort hier in Sachsen-Anhalt wurde ausgebaut. War eine große Sache, schon wegen der zusätzlichen zweihundert Arbeitsplätze.“
„Okay. Wir werden uns noch ausführlich mit seinem Background beschäftigen. Jetzt wüsste ich aber wirklich gern, wo Wölker ist. Wenn sein Bodyguard erschossen im Haus liegt, könnte es sich dann nicht um eine Entführung handeln?“
„Das können wir ausschließen.“
„Und wieso bist du dir so sicher?“
„Wir haben zwei Zeugen für die Morde. Naja, nicht direkt für die Morde. Es sind Wölkers Kinder, Mädchen 5 und Junge 7 Jahre alt. Von dem Jungen wissen wir, dass der Vater zurzeit verreist ist. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der Morde am Pool, haben aber nichts gesehen oder gehört. Wahrscheinlich sind sie nur deshalb noch am Leben.“
„Sie wurden also schon befragt?“
„Soweit das möglich war. Die Notärztin hat sich mit dem Jungen unterhalten. Er, seine Schwester, ihre Mutter und der Bodyguard waren am Pool, die Haushälterin hielt sich in der Küche auf und hat Eis für alle angerichtet. Die Kinder haben das Eis gegessen und nicht darauf geachtet, was sonst noch passierte. Erst nach einer Weile ging der Junge in die Küche, weil er noch mehr Eis wollte. Da hat er die Leichen gefunden. Mehr war aus ihm nicht rauszukriegen, steht total unter Schock. Das Mädchen hat glücklicherweise nichts mitgekriegt.“
„Wissen wir schon, wo der Vater zurzeit ist?“, fragte Winkler.
„Noch nicht. Als Geschäftsführer einer international tätigen Firma könnte er sich theoretisch überall auf der Welt aufhalten. Kannst du nicht Schulze-Eggard darauf ansetzen?“
Daran hatte Winkler auch schon gedacht. Sie mussten den Vater finden, bevor ihn die Nachricht vom Dreifachmord über das Internet erreichen würde.
Er formulierte schnell eine E-Mail an Frieder. Es tat ihm leid, den Nerd nun doch aus seinem Wochenende reißen zu müssen. Obwohl, irgendwie hatte er das Gefühl, Frieder würde sich darüber freuen. Der saß doch sowieso meistens an seinen Computern, egal, ob im Dienst oder in der Freizeit.
Wie richtig er damit lag, erkannte Winkler daran, dass schon Sekunden, nachdem er die Mail abgeschickt hatte, eine Antwort im Postfach landete. Sie lautete: Schon so gut wie erledigt, Chef! Wie Winkler den Nerd kannte, würde er schon bald Ergebnisse liefern. Er wandte sich daher wieder Horstmann zu.
„Wer hat den Notruf getätigt?“
„Der Ärztin gegenüber hat der Junge angegeben, dass er die Polizei angerufen hat. Sein Vater hat wohl öfter mit ihm darüber geredet, wie man sich verhalten soll, wenn etwas passiert. Der Notruf ging 16:08 Uhr ein. Damit können wir die Tatzeit ziemlich gut auf 15 bis 16 Uhr eingrenzen.“
Winkler verarbeitete die Fakten zunächst mal gedanklich, während Horstmann sich interessiert umsah.
„Wo sind eigentlich deine Leute?“, unterbrach er Winklers Gedankengang.
„Die werden sicher gleich hier sein. Ich hatte den kürzesten Weg.“
„Ach ja, du wohnst ja gleich um die Ecke. Hatte ich schon wieder vergessen.“
Die beiden Männer standen noch wartend vor dem Haus. Rein konnten sie erst, wenn die Rechtsmedizin und die SpuSi grünes Licht gaben. Winkler machte das nichts aus, er hatte genug Stoff zum Nachdenken. Derjenige, der mit dieser Situation nicht so gut klarkam, war sein Chef. Er klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Vor lauter Verzweiflung versuchte er, die Wartezeit mit einem Smalltalk zu überbrücken.
„Und wie wohnt es sich so hier? Ist bestimmt eine ruhige Ecke, oder?
„Normalerweise schon. Ab und zu geschieht mal ein Dreifachmord, aber sonst…“ Das brachte Horstmann zum Schweigen. Abgelenkt wurde er auch durch den Anblick von Personen, die sich mit Kamera und Mikrofon direkt an der Absperrung aufbauten.
„Na prima, das Fernsehen ist auch schon zur Stelle. Das hat ja nicht lange gedauert.“
„Besser, du kümmerst dich um sie, bevor sie sich was aus den Fingern saugen.“
Horstmann zuckte mit den Schultern. „Was soll ich denn sagen? Ich weiß ja noch nichts.“
„Ist doch bestens. Dann kannst du ja auch nichts verraten.“
Horstmann sah Winkler von der Seite an. „Du hast ja eine Laune, Martin.“
„Es ist Samstagabend, was erwartest du? Gute Laune habe ich nur von Montag bis Freitag, so wie jeder anständige Arbeitnehmer.“
Zum Glück kamen Winklers Kollegen gerade angelaufen. Horstmann verkniff sich also eine passende Antwort. Nach einem mürrischen Blick drehte er sich wortlos um und stapfte auf die Phalanx der Reporter zu.
*
Schnell hatte Winkler die beiden Kommissare, Jenny Marks und Lars Ole Pasold, auf den aktuellen Stand gebracht. Den fünften Mann in seinem Team, Hauptkommissar Sören Grießler, hatte er nicht alarmieren lassen. Grießler sollte nach langer Krankheit ab Montag wieder zu ihnen stoßen und so lange wollte Winkler ihn auch in Ruhe lassen.
Eine ganz in Weiß gehüllte Person kam aus der Vordertür und winkte die drei Kommissare zu sich. Unter der Ganzkörpermontur verbarg sich die Kriminaltechnikerin Susanne Uhlmann.
„Sie können jetzt rein. Die Rechtsmedizin will die Leichen gleich abtransportieren lassen. Wenn Sie noch einen Blick draufwerfen wollen, dann jetzt.“
Winkler entschied sich nur Marks mit reinzunehmen. Pasold schickte er los, die Nachbarn zu befragen. Der schien froh darüber zu sein. Seit dem Anblick seiner toten Freundin vor ein paar Monaten im Leichenkeller auf dem Werder* war ihm dieser Aspekt seines Jobs nahezu unerträglich geworden. Der Psychologe meinte zwar, dass würde sich mit der Zeit wieder geben, aber Pasold hatte da so seine Zweifel. Er war nur froh, dass Winkler darauf Rücksicht nahm, ohne es ihm ständig unter die Nase zu reiben.
* Malum Concilium – Winklers zweiter Fall
*
Winkler und Marks betraten das Haus der Familie Wölker. Uhlmann blieb draußen. Der Eingangsbereich, der Weg zur Straße und auch die Straße selber waren schon untersucht worden, damit nachkommende Kollegen keine Spuren zerstörten. Jetzt nahmen sie sich noch den restlichen Bereich rund ums Haus vor.
Auch wenn die Spurensuche am Tatort so gut wie abgeschlossen war, trugen Winkler und Marks dennoch Masken, Überschuhe, Hauben und Handschuhe. Vorsichtig bewegten sie sich durch den Flur in die Richtung, die ihnen der grelle Schein der Fotolampen wies. Im Durchgang zur offenen Küche bleiben sie stehen. Noch war der Rechtsmediziner damit beschäftigt, Formulare auszufüllen. Als er die Neuankömmlinge bemerkte, zog er die Maske vom Gesicht.
Es war Dr. Mark, ein früherer Kollege des jetzigen Magdeburger Rechtsmediziners, Dr. Schilling. Weder Winkler noch Marks hatten damit gerechnet, Dr. Schilling am Tatort vorzufinden. Der war nach der Attacke auf ihn im Leichenkeller-Fall noch nicht wieder im Dienst. Als Vertretung kam sonst ein Rechtsmediziner aus Halle, doch der wäre heute den Verantwortlichen nicht schnell genug vor Ort gewesen. Also hatte man Schillings Vorgänger, Dr. Mark, aus seinem wohlverdienten Ruhestand geholt.
„Hallo Kommissar“, begrüßte er Winkler gutgelaunt. „Hätten Sie gedacht, dass wir uns noch mal an einem Tatort treffen würden?“
„Eigentlich nicht, Doc. Aber man sieht sich ja bekanntlich immer zweimal. Für Ihr Comeback haben Sie sich natürlich einen richtigen Knaller ausgesucht. Herzlichen Glückwunsch.“
„Von ausgesucht kann keine Rede sein und eine Wahl hatte ich auch nicht wirklich.“ Dr. Mark winkte ab. „Aber lassen wir das. Wie ich Sie kenne, können Sie mal wieder nicht bis nach der Autopsie warten. Dann werde ich Sie nicht länger auf die Folter spannen. Wer die Toten sind, wissen sie schon?“
Winkler nickte nur.
„Gut. Ich habe die Ausweise von allen dreien hier.“ Mit diesen Worten reichte der Doktor die Dokumente an Marks weiter, während er sie mit einem sehr neugierigen Blick bedachte. „Sie müssen die Neue sein. Habe von meinem Nachfolger schon viel über Sie gehört.“
„So neu bin ich nun auch nicht mehr“, murmelte Marks. Bevor der alte neue Doktor noch mehr aus dem Nähkästchen plaudern wollte, stellte sie ihm lieber ein paar Fragen.
„Wurden alle drei erschossen?“
„So sieht’s aus. Kopfschuss beim Mann, Schuss in die Brust bei der Haushälterin. Die Ehefrau bekam zwei Schüsse ab, einen in die Brust und einen in den Kopf.“
„Wollte der Täter bei der Frau auf Nummer sicher gehen?“
„Entweder das, Verehrteste, oder der erste Schuss war kein Volltreffer. Ich vermute, der Täter hat der Ehefrau zuerst in die Brust geschossen, das Herz verfehlt und deshalb noch mal nachgelegt.“
Da Marks damit beschäftigt war, sich Notizen zu machen, übernahm Winkler das Fragen.
„Der Mann und die Haushälterin wurden mit einem Schuss getötet, für die Ehefrau brauchte der Schütze zwei. Was denken Sie, weshalb?“
„Das ist reine Spekulation, aber ich glaube, der Mann stand näher beim Schützen und gab mit seiner großen, kräftigen Figur ein leichter zu treffendes Ziel ab. Die Ehefrau stand ziemlich nah an der Tür zur Terrasse und bewegte sich vielleicht. Der erste Schuss streckte sie nieder und der zweite brachte es zu Ende.“
„Was ist mit der Haushälterin? Bei ihr reichte ein Schuss?“
Dr. Mark trat an den Leichnam heran und winkte den Kommissar zu sich. „Also, das ist in der Tat interessant. Sie können davon ausgehen, dass die Frau schon auf dem Boden saß, als sie erschossen wurde.“ Er bog den Oberkörper leicht nach vorn, so dass der Blick auf die Wand dahinter und ein Einschussloch frei wurde.
„Ein Durchschuss“, bemerkte Winkler. „Dann muss der Täter dem Opfer sehr nah gewesen sein.“
„Ihre Technikerin hat das Projektil schon eingesammelt. Die anderen finde ich sicher in den Opfern. Da ist noch was.“ Dr. Mark lehnte den Körper wieder gegen die Wand und deutete nun auf die Spuren des Einschusses auf dem Körper des Opfers. „Sehen Sie das? Brandspuren und Pulverrückstände. Der Schuss war aufgesetzt und ihre Augen waren geschlossen.“
„Sie glauben, der Täter hat sie erst erschossen und ihr danach die Augen zugemacht?“ Es war Marks, die sich mit dieser Frage wieder ins Gespräch einschaltete. „Das würde ja bedeuten, dass er Reue empfunden hat. Das ist wohl eher unwahrscheinlich.“
Der Doktor hob die Schultern. Winkler sah noch eine andere Möglichkeit. „Die Haushälterin war vielleicht ein Kollateralschaden, zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Täter musste sie erschießen, weil sie ihn gesehen hat. Er hockt sich vor sie hin und hält ihr die Augen zu, damit sie es nicht sehen muss.“
Marks konnte sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden, das sah man ihr an.
„Warum ist Reue so unwahrscheinlich?“, wollte Winkler wissen.
„Der Täter kommt am helllichten Tag ins Haus, ermordet drei Leute, obwohl sich draußen zwei Kinder aufhalten. Die haben nichts gehört, also hatte er eine Waffe mit Schalldämpfer. Trotzdem war das Risiko, von den Kindern bemerkt zu werden, sehr groß. Der Bodyguard wurde von vorn getroffen, er hat den Täter zumindest gesehen, vielleicht auch die Waffe, hat aber nicht mehr reagieren können. Das war die Tat eines Profis, geplant und kaltblütig. So einer empfindet keine Reue.“
„Na gut, Marks. Dann eben keine Reue. Er kann der Haushälterin die Augen trotzdem nach dem Schuss geschlossen haben.“ Er wandte sich wieder dem Rechtsmediziner zu. „Können Sie uns sagen, in welcher Reihenfolge die Opfer erschossen wurden?“
„Nein, alles deutet darauf hin, dass der Tod bei allen dreien ungefähr zur selben Zeit eingetreten ist. Sie lagen nicht übereinander und in gewisser Entfernung zueinander.“
Winkler sah nicht überrascht aus. Er hatte sich schon sowas gedacht. Wenn der Täter wirklich, wie vermutet, ein Profi war, dann hatte er ganz sicher Wert daraufgelegt, schnell zu arbeiten. Also schnell rein, schießen und wieder raus. Er sah Marks auffordernd an.
„Wie wärst du vorgegangen, Marks?“
Marks legte die Notizen beiseite und stellte sich in den Durchgang zur Küche. „Ich würde zuerst die größte Bedrohung für mich ausschalten, also den Bodyguard, dann Wölkers Ehefrau und zum Schluss die Haushälterin.“ Das war eine logische Schlussfolgerung und Winkler nickte zustimmend.
Doktor Mark war damit beschäftigt gewesen, seine Sachen in seiner Tasche zu verstauen, hatte die Diskussion trotzdem aufmerksam verfolgt. Auch wenn er sich um andere Dinge kümmern musste, etwas interessierte ihn doch. „Wieso hat die Haushälterin nicht geschrien, während der Täter mit den anderen Opfern beschäftigt war?“
Darauf hatte Winkler eine sehr einleuchtende Erklärung parat. Er trat auf den Doktor zu, drückte ihm spielerisch den Zeigefinger gegen die Brust und flüsterte: „Wenn du schreist, erschieße ich die Kinder.“
Drei
Es war ruhig geworden in der Birkenstraße. Das lag zum Teil an der vorgerückten Stunde, aber nicht nur daran. Nachdem die Toten kurz vor Mitternacht abtransportiert worden waren, hatte es nicht lange gedauert, bis sich die Zuschauermenge zu lichten begann. Man hatte bisher nichts Spektakuläres zu sehen bekommen und würde deshalb ganz sicher auch nichts verpassen, wenn man wieder reinging. Da war ja jeder Polizeiruf 110 spannender.
Nach und nach beendete auch das Team der SpuSi ihre Arbeit im Haus und auf dem Grundstück. Nur Uhlmann geisterte in ihrem weißen Overall noch auf der Straße herum. Winkler und Marks saßen auf der Terrasse neben dem Pool und hörten Pasold zu. Es war nicht besonders viel, was er in Erfahrung gebracht hatte.
„Die Nachbarn rechts haben nichts gehört oder gesehen. Sie waren seit 11 Uhr unterwegs. Erst zum Mittagessen im La Bodega auf dem Breiten Weg, anschließend im Alleecenter zum Shoppen und vor der Heimfahrt gab’s noch ein Eis im Eiscafé am Ulrichplatz. Sie waren erst kurz nach 17 Uhr wieder hier. Die ganze Zeit haben sie sich bei mir darüber ausgekotzt, dass sie mit ihrem Auto nicht bis vors Haus fahren konnten. Sie mussten es auf dem Supermarkt-Parkplatz abstellen und die Einkäufe zu Fuß herbringen. Die haben vielleicht Probleme.“
„Haben Sie von Ihnen was über die Wölkers erfahren?“, fragte Winkler leicht ungeduldig.
„Ja, aber es wird nicht besser. Wölkers haben zur gleichen Zeit hier gebaut, wie alle anderen in der Straße, waren aber viel eher fertig. O-Ton Nachbar: Der hat vielleicht mit seiner Kohle rumgeprotzt. Dabei war es das Geld seiner Frau, genau wie die Firma. Die gehört auch der Frau. Hat sie von ihrem Vater geerbt.“ Pasold machte eine kurze Pause und blätterte in den Notizen, bis er fand, was er suchte. „Die Frau des Nachbarn hat das im Grunde bestätigt. Sie meinte noch, dass Wölker in der Pharma-Bude als Vertriebsleiter gearbeitet hat, bis der alte Schutter starb. Danach hat er sich an die Erbin rangemacht. Schon ein Jahr später war er mit ihr verheiratet und übernahm die Geschäftsleitung.“
„Alles klar“, warf Winkler ein. „Dann war es also die ganz große Liebe.“
„Klar, Chef. Die Liebe zum Geld. Ich wette, wenn der auftaucht, wird er vor Trauer zerfließen.“
Marks mischte sich ein. „Halt mal lieber den Ball flach, Lars. Nachbarn reden gern viel und nicht immer die Wahrheit. Du hast doch selber gesagt, dass Wölker nicht beliebt war, weil er schneller und bestimmt auch teurer baute, als der Rest der Anwohner.“
Pasold gab nicht so schnell klein bei. „So, wie die Tat abgelaufen ist, sieht es doch ganz nach Auftragsmord aus. Ziel war die Ehefrau. Bodyguard und Haushälterin waren Kollateralschäden. Frag dich doch mal, wer vom Tod der Ehefrau am meisten profitiert? Der Ehemann. Darum ist er für mich erstmal Verdächtiger Nummer 1. Er muss ja nicht zwangsläufig selber abgedrückt haben. Wahrscheinlicher ist, dass er den Mord beauftragt hat.“
Die Theorie vom Auftragsmord hatte einiges für sich, das musste Marks zugeben. Sie entdeckte trotzdem einige Schwachstellen in Pasolds Argumentation. „Wenn der Mann den Mord beauftragt, warum dann hier und zu einem Zeitpunkt, wo jede Menge Zeugen im Haus sind. Ich denke dabei an die Kinder. Das hätte leicht schiefgehen können. Es hätte nur eins der Kinder ins Haus laufen müssen. Ich will ja nicht abstreiten, dass es schon Fälle gegeben hat, in denen Männer ihre reiche Frau umbringen ließen, um an das Vermögen zu kommen. Aber dabei die eigenen Kinder in Gefahr bringen? Nein, das ist mir noch zu heftig.“
„Der Auftragskiller hatte sicher genaue Anweisungen, wen er umbringen sollte und wen nicht.“
Marks verdrehte die Augen. Jetzt redete Pasold so, als ob schon feststand, dass es ein Auftragsmord war. Zu so einem frühen Zeitpunkt einer Ermittlung war es fatal, wenn man sich zu sehr auf eine mögliche Auslegung festlegte. Bis jetzt fehlten ihnen noch die Beweise. Genau das bekam Pasold nun gesagt und als er Luft holte, um zu kontern, schnitt Marks ihm das Wort ab.
„Wenn du jetzt sagst, dass die Benutzung eines Schalldämpfers auf einen Auftragskiller hindeutet, schmeiß ich dich in den Pool.“
Pasold klappte beleidigt den Mund zu. Woher wusste Marks, was er gerade sagen wollte? Das passierte in letzter Zeit viel zu oft, wie er fand. Winkler hatte nur mit einem Ohr hingehört, weil gerade eine Mail von Frieder reingekommen war. Nachdem er sie gelesen hatte, stoppte er die Diskussion.
„Wir wissen jetzt, wo der Vater sich zurzeit aufhält.“ Diese Bemerkung sicherte ihm die volle Aufmerksamkeit der beiden Streithähne.
„Er ist seit vier Tagen auf Geschäftsreise in Südamerika. Genauer gesagt in Kolumbien und er wird nicht vor Ende der nächsten Woche zurück sein. Frieder schreibt, dass er einen Rückflug für nächsten Freitag gebucht hat.“
Pasold stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
„Was?“, fragte Marks ihn.
„Na, das nenne ich mal ein Alibi. Auf Geschäftsreise in Kolumbien, klingt auf jeden Fall besser, als: Ich war im Kino.“
„Für uns spielt das keine Rolle“, schaltete Winkler sich ein. „Wir werden sein Alibi genau unter die Lupe nehmen, egal wie es lautet. Marks, das übernimmst du am besten. Pasold, Sie werden sich um den Background des Bodyguards und der Haushälterin kümmern.“ Als er die fragenden Blicke seiner Kollegen sah, fügte er noch hinzu: „Nicht jetzt. Wir treffen uns morgen, nein heute, um 12 Uhr im Büro. Ich werde jetzt Horstmann anrufen und ihm sagen, wo Wölker gerade ist.“
„Wer wird Wölker benachrichtigen? Die deutsche Botschaft?“, fragte Marks.
„Ist in solchen Fällen üblich. Es wird wahrscheinlich ein paar Tage in Anspruch nehmen, ihn zu finden. Umbuchen muss er auch noch. Also, ich rechne nicht vor Dienstag mit seiner Ankunft. Bis dahin sollten wir auf jeden Fall mehr wissen. Also los, ab nach Hause. Eine Mütze voll Schlaf nehmen und um 12 Uhr geht’s weiter.“
Als erster verschwand Pasold. Marks erhob sich zwar auch von der Liege, blieb aber vor dem Pool stehen und starrte ins Wasser. Dann drehte sie sich um und schaute in Richtung Terrasse. Winkler wusste, sie wollte abschätzen, wie weit entfernt die Kinder von ihrem eigenen Tod gewesen waren. Auch ihn hatte dieser Gedanke beschäftigt. Plötzlich erstarrte seine Partnerin. Bevor Winkler sich umsehen konnte, um den Grund dafür herauszufinden, hatte sie ihre Waffe schon gezogen.
„Polizei! Stehenbleiben und die Hände so, dass ich sie sehen kann!“
Obwohl Marks gar nicht so laut gesprochen hatte, donnerte der Ruf durch die nächtliche Stille. Der Eindringling stand an der Tür zur Küche, hob die Hände nach oben und sagte in sehr gedämpfter Stimme: „Ganz ruhig. Ich bin nicht der, den Sie suchen.“ Der Mann sprach mit unverkennbar osteuropäischem Akzent. Die Waffe in Marks’ Hand senkte sich keinen Millimeter.
Winkler stand auf und näherte sich dem Mann. „Wer sind Sie und wie kommen Sie hier rein?“
Der Gefragte nickte mit dem Kopf in Richtung Marks und fragte: „Wird Dirty Harriet mich erschießen, wenn ich meinen Ausweis raushole?“
Winkler sah keine Veranlassung, auf das Wortspiel einzugehen. Nicht, ehe er genau wusste, wen sie da vor sich hatten. „Vermeiden Sie einfach jede ruckartige Bewegung.“
Betont langsam griff der Mann in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Dokument hervor. Winkler nahm es ihm ab, wobei er ihn nicht aus den Augen ließ. Ohne einen Blick auf den Ausweis zu werfen, fragte er erneut.
„Also fangen wir noch mal an. Wer sind Sie?“
„Mein Name ist Pavel Kaminov. Einer der Toten hat fur meine Security-Firma gearbeitet.“
„Der Bodyguard?“
„Sein Name war Manfred Borchert und ja, er war als Bodyguard bei den Wölkers.“
Jetzt geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Marks nahm ihre Waffe runter und Winkler sah sich den Ausweis an. Pavel Kaminov, geboren 13.06.1981 in Tscheljabinsk. Also war er Russe, wie der Akzent Winkler schon hatte vermuten lassen. Gemeldet war Kaminov in Cracau, einem Stadtteil von Magdeburg, östlich der Landeshauptstadt. Winkler fotografierte den Ausweis und schickte das Bild an Frieder. Bis morgen würde der wissen, was es über Kaminov zu wissen gab.
Nachdem Winkler sich und Marks vorgestellt hatte, nahm er sich die Zeit, Kaminov genauer zu betrachten. Marks war ihm da um einiges voraus. Sie schätzte ihn auf höchstens 1,75 m groß und 70 kg schwer, was für einen Mann in seiner Branche eher unterdurchschnittlich war. Trotzdem ließen sie und Winkler sich nicht von Kaminovs Äußerem täuschen. Die drahtige Statur legte nahe, dass Kaminov wendig und schnell war.
Da weder Winkler noch Marks Anstalten machten, etwas zu sagen, fing Kaminov an. „Ich war gerade in Berlin, als ich die Nachricht bekam, dass es bei unserem Kunden einen Zwischenfall gegeben hat. Ich bin sofort hergekommen. Inzwischen weiß ich, dass es Tote gab und dass Manfred einer von ihnen ist. Können Sie mir sagen, was genau passiert ist?“
Winkler hatte durchaus Verständnis für den Russen, trotzdem kam es nicht in Frage, dass er dessen Fragen beantwortete. Vielmehr würde er ihm welche stellen.
„Sie wissen, dass ich Ihnen nichts zu den Geschehnissen sagen kann. Ich kann Ihnen lediglich bestätigen, dass Ihr Mitarbeiter tot ist. Er wurde Opfer eines Gewaltverbrechens, so wie die anderen Opfer auch.“
Kaminov atmete tief durch, bevor er seine nächste Frage stellte. „Was ist mit den Kindern?“
„Es geht ihnen soweit gut. Sie haben nichts davon mitbekommen und werden psychologisch betreut.“
Marks hatte geantwortet und wurde nun von ihrem Chef durch ein leises Räuspern unterbrochen. Kaminov vermutete darin nicht zu Unrecht eine Zurechtweisung. Wohl deshalb bekam Marks von ihm ein Lächeln und ein „Danke“.
„Herr Kaminov“, übernahm Winkler wieder das Reden. „So leid mir das mit Ihrem Mitarbeiter auch tut, ich muss Sie trotzdem bitten, den Tatort zu verlassen. Wir werden ganz sicher noch mit Ihnen reden müssen, also halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung.“
Das Nicken Kaminovs war in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Er nahm seinen Ausweis entgegen und schickte sich an, zu gehen.
„Sie sagten, Sie würden aus Berlin kommen? Was haben Sie denn in Berlin gemacht?“, rief Winkler ihm plötzlich hinterher. Ein Schuss ins Blaue, doch er zeigte Wirkung. Plötzlich drehte der Russe sich wieder um und kam mit energischen Schritten zurück.
„Sie verdächtigen mich, etwas mit den Morden zu tun zu haben? Ich verstehe durchaus, dass Sie das mussen, aber es ist pure Zeitverschwendung.“
„Wenn Sie es verstehen, dann können Sie mir die Frage ja jetzt gleich beantworten.“
Kaminovs Antwort kam ohne zu zögern. „Ich bin am Freitag um 18 Uhr nach Berlin gefahren. Dort gab es ein Treffen mit den Chefs von drei anderen Security-Firmen. Es ging darum, sich zukunftig bei größeren Aufträgen zusammenzutun. Wir trafen uns in der Villa eines Kollegen am Muggelsee, haben dort ubernachtet und am nächsten Tag unsere Besprechung abgehalten.“ Mit diesen Worten reichte er Winkler eine Visitenkarte. „Rufen Sie den Kollegen an, er wird es bestätigen. Da das Treffen bis morgen dauern sollte, sind die anderen Kollegen sicher auch noch da. Man wird Ihnen versichern, dass ich bis zum Erhalt der Nachricht von den Morden dort gewesen bin.“
„Das werden wir tun, Herr Kaminov.“ Winkler reichte die Visitenkarte an Marks weiter. Für ihn war das Gespräch beendet, für Kaminov nicht. Er wollte nun doch noch was loswerden.
„Ich akzeptiere, dass Sie mir nichts sagen dürfen, Kommissar. Aber zuhören dürfen Sie doch, oder?“
Winkler nickte, sagte aber kein Wort.
„Charascho. Ich sage Ihnen jetzt, was ich schon weiß. Alles, was ich möchte, ist eine Bestätigung, ob meine Informationen richtig sind. Wenn ja, sagen Sie nichts. Wenn nicht, schutteln Sie den Kopf. Haben wir einen Deal?“
„Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber ich kann Ihnen nicht verbieten, zu reden.“
Dass Ihr Chef so ein Zugeständnis machte, überraschte Marks nicht. Auf diesem Weg erfuhren sie, über welche Informationen der Russe verfügte. Auf eine Bestätigung konnte der lange warten. Und das war noch nicht alles, wie Winklers nächste Bemerkung zeigte.
„Wenn ich Ihnen zuhöre, sollten Sie allerdings damit rechnen, dass ich Sie nach Ihren Quellen fragen werde.“
Ein Schulterzucken war die Antwort. „Ich denke, damit muss ich leben. Und Sie werden damit leben mussen, dass ich meine Quellen nicht preisgeben werde.“ Die nächsten Sekunden standen Winkler und Kaminov sich schweigend gegenüber. Der eine abwartend, der andere abschätzend. „Was soll’s“, begann Kaminov schließlich. „Sie sind nicht mein Feind und ich nicht Ihrer. Also werde ich Ihnen vertrauen und Sie mir dann vielleicht auch. Als ich vorhin durchs Haus gelaufen bin, habe ich mich umgesehen. Keine Kampfspuren, nichts wurde durchwuhlt wenig Blut, Einschussloch in der Wand und die Kennzeichnung von drei Opfern. Ihre Kollegin war so freundlich, mir zu sagen, dass die Kinder wohlauf sind. Das bestätigte das, was mir meine Quelle gesagt hat. Die drei Opfer waren Borchert, Frau Wölker und Anita. Sie wurden nacheinander in der Kuche erschossen. Die Waffe war eine Kleinkaliberwaffe mit einem Schalldämpfer. Und das alles muss sehr schnell gegangen sein. Wölker ist momentan im Ausland. Sie werden ihn trotzdem genauso verdächtigen, wie mich. Ich habe eine Waffe, eine SIG Sauer, und ich habe einen Waffenschein. Sie liegt in meinem Waffentresor, in meiner Wohnung. Sie können Sie gern unter die Lupe nehmen. Borchert trug bei den Einsätzen hier im Haus auch eine Waffe, eine Walther PPK/S. Die mussten Sie jetzt haben. Wölker besitzt, meines Wissens nach, keine Waffe.“
Kaminov hatte aufgehört, zu reden und wartete nun auf eine Reaktion Winklers. Doch alles, was der Russe zu hören bekam, war: „Danke für die Hinweise zu den Waffen. Wir werden gelegentlich darauf zurückkommen. Alles andere? Vermutungen. Gut geschlussfolgert, aber mehr nicht. Trösten Sie sich, mehr als Vermutungen haben wir auch nicht. Und was Ihre Quelle betrifft: Ich denke, die existiert nur in Ihrer Phantasie.“
Marks glaubte sich verhört zu haben. Sie hatte fast ein Rüffel einstecken müssen, weil sie das mit den Kindern ausgeplaudert hatte. Und nun hatte Winkler dem Russen genau die Bestätigung gegeben, die er gewollt hatte. Der zufriedene Ausdruck in Kaminovs Gesicht machte ihr deutlich, dass er es genauso sah. Winkler schien dennoch sehr zufrieden zu sein mit sich. Das sollte verstehen, wer wollte, sie nicht.
„Danke, Kommissar“, erwiderte Kaminov und es klang ehrlich. „Mehr wollte ich gar nicht. Ich hoffe, Sie kriegen den Bastard. Wenn Sie Hilfe brauchen, lassen Sie es mich wissen.“
„Das wird wohl kaum geschehen.“
„Man soll nie, nie sagen, Kommissar. Könnte doch sein, dass ich den Mistkerl eher finde, als Sie.“
„Sie werden nichts in der Richtung unternehmen, Kaminov. Haben wir uns verstanden?“
„Klar und deutlich. Ich kann meine Hand aber nicht fur andere Kollegen ins Feuer legen. Was, wenn die sich umhören und was erfahren?“
Winkler hatte schon den Mund geöffnet, doch Marks kam ihm zuvor. „In diesem Fall erwarten wir, dass sie uns umgehend informieren und sich ansonsten da raushalten.“
„Krieg ich Ihre Telefonnummer, Kommissarin Marks?“
„Die finden Sie bestimmt selber raus, ansonsten wäre ich sehr enttäuscht.“
Nach diesem abschließenden Geplänkel, ließen Marks und Winkler den Russen gehen. Zurück blieb ein ungutes Gefühl. Beiden war klar, dass Kaminov seine letzten Bemerkungen bitter ernst gemeint hatte. Was in Wölkers Haus geschehen war, nahm er persönlich. Nicht nur, weil er einen Mitarbeiter verloren hatte. Seine Klientin und ein unschuldiges Opfer waren ebenfalls erschossen worden, quasi vor den Augen der Kinder. Das waren der Supergau in seiner Branche und ein totaler Gesichtsverlust. Bei aller Freundlichkeit und der Bereitschaft, ihnen zu helfen, der Täter hatte keine Gnade von Kaminov zu erwarten.
Nachdem Kaminov weg war, verließen auch Winkler und Marks endlich den Tatort. Hier konnten sie nichts mehr machen. Das Haus würde, sobald Uhlmann endlich fertig war, von ihr und den Polizisten, die noch vor Ort waren, gesichert werden. Einer von denen musste Kaminov durchgelassen haben, aber Winkler war zu müde, um jetzt noch Detektiv zu spielen. Es konnte genauso gut auch Uhlmann gewesen sein. Die war inzwischen auch schon dabei, ihre Ausrüstung sowie die Behälter mit den gesicherten Spuren im Auto zu verstauen. Die beiden Kommissare winkten ihr zu und bekamen ein müdes Nicken zurück.
Das nächtliche Telefonat zwischen Martin Winkler und Kriminalrat Horstmann fiel kurz aus. Sein Chef war bereit, die Benachrichtigung von Wölker sofort auf den Weg zu bringen, alle weiteren Gespräche und Aktivitäten verschob er aber auf den nächsten Tag.
Vier
Als Winkler am Sonntag die Dienststelle betrat, rechnete er deshalb fest damit, sofort zu seinem Chef in den Olymp zitiert zu werden. Im Büro checkte Winkler deshalb als erstes seine E-Mails, entdeckte aber keine Aufforderung von Horstmann. Das hatte nichts zu sagen, außer dass sein Chef noch gar nicht da war. Dafür saßen aber Winklers Kollegen schon an ihren Schreibtischen. Marks stand an der Tafel und notierte die ersten Fakten. Pasold und Frieder steckten am Besprechungstisch die Köpfe zusammen. Vor ihnen lagen die Tatortfotos ausgebreitet, von denen einige ihren Weg zu Marks an die Tafel fanden. Winkler ließ Marks und Pasold ungestört weitermachen, winkte aber Frieder zu sich.
„Morgen Chef“, begrüßte er Winkler. „Das ist ja wieder mal eine krasse Nummer. Ich wäre übrigens auch heute Nacht noch zum Tatort gekommen.“
„Da du kein Ermittler bist, konnte ich dir das zum Glück ersparen. Du hast mir ja mit den Infos über Wölkers Aufenthalt geholfen. Es war mir wichtiger, dich ausgeruht heute hierzuhaben.“
Frieder nickte, wirkte aber keineswegs zufrieden mit Winklers Anflug von Fürsorglichkeit. „Ich habe mit der Hintergrundrecherche der Opfer angefangen, wenn’s recht ist. Die ersten Infos hab’ ich schon Marks übergeben. Wenn Sie mich fragen, war da nichts Auffälliges dabei.“
„Ich frag’ dich nicht, Frieder, weil du, wie ich bereits sagte, kein Ermittler bist. Mach das, was du besser kannst als wir, nämlich suchen und finden. Und jetzt kümmere dich mal um den Hintergrund von Sebastian Wölker.“
Frieder besaß eine wirklich lobenswerte Eigenschaft: An ihm perlten Zurechtweisungen ab, wie Wasser an Lotosblättern. Sein sonniges Gemüt bewahrte ihn davor, beleidigt zu reagieren und das machte eine Zusammenarbeit mit ihm angenehm. Er setzte sich also sofort wieder an seinen Platz und ließ seine Finger im Gleitflug über die Tasten huschen. Jetzt konnte Winkler sich Marks und der Tafel zuwenden. Dort standen Frieders erste Infos neben den Fotos der Opfer. Marks fasste für ihn zusammen.
„Anita Bachmayer, geboren am 2. August 1969 in Magdeburg. Sie hat seit der Wende für Katharina Wölkers Eltern gearbeitet. Erst in der Produktion, später dann als Hauswirtschafterin. Als Katharina heiratete, nahm sie Anita mit in ihren Haushalt. Anita Bachmayer ist seit fast zehn Jahren geschieden und hat keine Kinder. Irgendwelche Freunde oder Bekanntschaften scheint es nicht zu geben. Das PFZ ist sauber, sie hat keine Eintragungen, nicht mal einen Strafzettel. Sie war wohl die ideale Hausangestellte.“
„Bei ihr habe ich sowieso am meisten das Gefühl, dass sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort war. Was ist mit Katharina Wölker?“
„Da ist Frieder noch dran. Sie war ziemlich aktiv auf Social Media. Frieder sagt, dafür braucht er noch ein wenig mehr Zeit.“
„Okay, dann der Bodyguard.“
„Manfred Borchert, geboren 7.3.1985 in Köthen, ledig, keine Kinder, lebt seit 2010 in Magdeburg. Keine Vorstrafen, keine Auffälligkeiten, hat 2011 seine Sachkundeprüfung bestanden und seit dem bei verschiedenen Security-Firmen gearbeitet. Bei Kaminov war er die letzten drei Jahre als Bodyguard tätig, zuletzt in Wölkers Familie. Wölker engagierte seinen Personenschutz für sich und die Familie über Kaminovs Security-Firma, Nagaika.
„Was bedeutet Nagaika?“, fragte Pasold in die Runde und erntete nur Schulterzucken.
„Das ist Russisch.“ Mehr konnte Winkler nicht sagen. Frieder fand schon nach kurzer Recherche die Übersetzung.
„Eine Nagaika nennt man eine Kosakenpeitsche“, verkündete er und Marks konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen.
„Kosakenpeitsche? Das sagt ja wohl einiges über ihn aus.“
Winkler wollte wieder zurück zum Thema. „Können wir dann mal weitermachen? Marks, du warst bei der Verbindung von Wölker zu Kaminov. Gibt’s genauere Infos?“ Marks nickte und redete weiter.
„Die Vereinbarung lautet: jeweils 2 Leute im 12-Stundenrhythmus, von denen immer einer bei der Familie und einer bei Wölker ist. Borchert war meistens bei den Kindern und der Frau. Und jetzt rate mal, mit wem sich Borchert den Job des Kindermädchens geteilt hat.“
„Mit Kaminov“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Winkler. Er hatte schon sowas vermutet, als der Russe in der Nacht noch am Tatort auftauchte. Sie würden sich also mit dem Mann heute noch mal unterhalten müssen.
Mit einem Anruf erfuhr er, dass Kaminov seit dem Morgen bei Wölkers Kindern war. Die hatte man noch in der Nacht der Mutter von Katharina Wölker übergeben. Nachdem Winkler sich die Adresse notiert hatte, wollte er sich schon mit Marks auf den Weg machen, doch daraus wurde erst mal nichts. Horstmann stand plötzlich in der Tür und seine Geste war eindeutig.
Nach oben, sofort!
*
Sebastian Wölker saß wie betäubt in seinem bequemen Sitz der Business Class und bemerkte nicht, dass die nette Flugbegleiterin, Susan, ihn schon zum dritten Mal fragte, ob alles in Ordnung sei. Als ihn die Nachricht vom Tod seiner Frau erreicht hatte, war sein Leben in sich zusammengefallen, wie das sprichwörtliche Kartenhaus. Was dann geschah, lag hinter einer Nebelwand verborgen.
Das darf nicht wahr sein.
Dieser Gedanke war der Einzige, der ihm immer wieder durch den Kopf ging. Er selber war unfähig gewesen, die Heimreise zu organisieren, also hatte er das dem Mitarbeiter der Botschaft überlassen. Der hatte auch nicht lange gebraucht, um einen Platz in der nächsten Maschine in Richtung Europa zu buchen. Es dauerte gerade mal solange, wie das Zimmermädchen brauchte, um Wölkers Koffer zu packen.
In der letzten Stunde bis zum Abflug war es auch noch zu einem handfesten Streit mit Jadee gekommen. Sie hatte sich auf eine weitere Woche in dem Luxushotel gefreut und schmollte natürlich. Darauf konnte er aber unter diesen Umständen keine Rücksicht nehmen. Die bereits gebuchten Annehmlichkeiten würde er sie auf keinen Fall allein genießen lassen. Genauso hatte er es ihr gesagt und damit einen Heulkrampf ausgelöst. Noch wütender war sie gewesen, als Wölker ihr eröffnete, dass sie beide getrennte Flüge nehmen müssten. Da war aus dem Heulkrampf ein Schreikrampf geworden. Wie hatte dieses kleine Luder sich das denn vorgestellt? Die Ehefrau tot und er kommt am Arm einer anderen Frau nach Hause? Man würde ihn sicher vom Flughafen abholen, da wollte er sie unter keinen Umständen in seiner Nähe haben. Zähneknirschend hatte sie schließlich ihre Koffer gepackt. Von da ab war kein Wort mehr zwischen ihnen gewechselt worden. Das war auch nicht nötig. Um ihren Heimflug kümmerte sich jemand anders. Wölker wusste, dafür würde sie ihn bezahlen lassen und zwar wortwörtlich.
Jetzt saß er im Flieger, 10.000 Meter über dem Boden, flog der Sonne entgegen und ließ sich einen Whiskey nach dem anderen kommen. Die Tabletten, die er vor dem Abflug genommen hatte, sollten in Verbindung mit dem Alkohol, so hoffte er, Wirkung zeigen und ihn einschlafen lassen. Wie sonst sollte er die nächsten Stunden aushalten, ohne durchzudrehen?
Zum wiederholten Male versuchte er, seinen Anwalt, Torsten Brömme, zu erreichen. Aber der ging nicht ran. Er hatte ihm bereits drei Nachrichten auf die Mailbox gesprochen, eine drängender als die andere. In Brömmes Kanzlei brauchte er es gar nicht erst zu versuchen, es war Sonntag. Er konnte nur noch eins machen, eine E-Mail schicken. Mit zitternden Händen fing Wölker an, zu tippen. Wieso rief der Arsch nicht zurück? Der wusste doch bestimmt schon längst, was passiert war. Eigentlich hätte er erwartet, dass Brömme ihn kontaktierte und nicht umgekehrt. Und jetzt ging er nicht mal ran! Mit jedem Buchstaben wurde Wölker immer wütender. Weder die Pillen, noch der Alkohol beruhigten ihn. Er warf noch zwei von den Dingern ein, die angeblich so schnell wirken würden. Zumindest war ihm das vom Doktor in gebrochenem Englisch versichert worden.
Scheiß Ausländer!
Wer weiß, was der ihm verschrieben hatte. Lesen konnte er das, was auf der Packung stand, ja nicht.
Susan hatte ihm diskret nachgeschenkt und Wölker spülte den bitteren Geschmack mit dem edlen Tropfen hinunter. Bevor er die Mail abschickte, las er noch mal, was er geschrieben hatte. Es waren hauptsächlich Fragen. Er wollte wissen, was genau passiert war. Von dem Botschaftsfuzzi hatte er nichts Konkretes erfahren können. Entweder wussten die nichts, oder sie durften ihm nichts sagen. Das war ihm aber auch scheißegal. Er wollte endlich Antworten! Wozu hatte er schließlich einen scheißteuren Anwalt? Von Brömme konnte er erwarten, dass er ihm die ganze Scheiße haarklein erzählen würde.
Wo war Kathi gestorben und vor allem wie? Der Mann von der Botschaft hatte immer nur von einem bedauerlichen Unglück gesprochen. Was sollte das bedeuten? War es ein Unfall gewesen? Oder war etwas viel Schlimmeres passiert? Wie konnte überhaupt sowas passieren? Wo waren diese Trottel vom Personenschutz gewesen? Und nicht zu vergessen, was war mit den Kindern? Die hatte man bestimmt zu seiner Schwiegermutter gebracht. Dass die ihn nicht anrief, war ja klar. In ihren Augen war es unverzeihlich gewesen, dass Kathi ihn so schnell nach dem Tod des Vaters geheiratet hatte. Und der Richtige für die Tochter war er sowieso nicht. Wahrscheinlich würde sie ihm nun die Schuld an Kathis Tod geben.
Blöde Kuh!
Wölker tippte auf senden. Mehr konnte er nicht tun. Verdammt! Wenn er doch nur endlich wissen würde, was da los war. Kathi war tot und ihn überkam die dumpfe Ahnung, dass das wirklich seine Schuld sein könnte. Was war da passiert?
*
Genau diese Frage stellte Horstmann nun Winkler. Das Wenige, was sie bis jetzt herausgefunden hatten, war schnell erzählt. Er ließ nichts aus, weder Pasolds Theorie von einem Auftragsmord durch den Ehemann, noch seine Vermutung, dass die drei Toten eine Botschaft an Wölker sein könnten. Dabei kamen natürlich auch das überraschende Auftauchen von Pavel Kaminov und seine Verbindung zu Wölkers Familie zur Sprache. Besonders erwähnenswert fand Winkler die Tatsache, dass Kaminov aktiv mitgearbeitet hatte.
Horstmann hörte, wie immer, aufmerksam zu und ließ Winklers kurzen Vortrag zunächst eine Weile im Raum stehen. Für den Kommissar war das nichts Neues. Er wusste, dass das nichts weiter zu bedeuten hatte. Nach der Denkpause kamen gewöhnlich die Fragen. Und so war es auch dieses Mal.
„Kaminov hat also selber als Bodyguard für Wölker gearbeitet. Ist das ungewöhnlich?“
„Das allein nicht, aber er hat es uns gegenüber nicht erwähnt.“
„Ihr habt ihn doch überprüft. Gab es andere Auffälligkeiten?“
„Die erste Überprüfung hat nichts ergeben. Pasold checkt gerade sein Alibi. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Kollegen seine Aussage bestätigen werden. Trotzdem werden wir ihn noch mal befragen und die Waffe überprüfen wir natürlich auch.“
„Was für ein Motiv könnte Kaminov denn haben? Er hat doch an dem Auftrag gut verdient.“
„Ach komm schon, Harro. Motive gibt’s doch wie Sand am Meer. Vielleicht wollte Wölker den Auftrag kündigen oder der Grund war Wölkers Frau. Dass ein Schützling ein Verhältnis mit dem Bodyguard hat, ist doch keine Erfindung von Hollywood. Vielleicht wollte Katharina Wölker es ihrem Mann beichten. Oder Wölker wollte seine Frau loswerden und beauftragt die Leute, die ganz nah rankommen oder, oder, oder. Ich könnte noch stundenlang mögliche Motive aufzählen.“
„Schon gut, ich habe verstanden. Wenn du meine Meinung hören willst, ich finde Pasolds Theorie trotzdem am vielversprechendsten. Auch wenn Wölker nicht der Täter sein kann, die Chance, dass er da mit drinhängt, klingt doch recht plausibel. Ihr solltet ihn so schnell wie möglich befragen.“
„Das versteht sich von selbst. Im Moment können wir uns aber nur an Kaminov und seine Angestellten halten. Wölker muss warten, bis er wieder im Land ist. Bis jetzt wissen wir aber noch nicht mal, wann das sein wird.“
„Was das betrifft, da kann ich dir helfen.“ Horstmann reichte Winkler einen Ausdruck. „Ankunft heute Abend 18:25 Uhr auf dem BER mit einer Maschine aus London/Heathrow. Wie es aussieht, kommst du doch schneller zu deinem Gespräch mit Wölker als gedacht. Hol ihn ab und nimm Marks mit.“
„Du willst, dass wir hinfahren? Er ist nicht verpflichtet, unser Angebot, ihn nachhause zu fahren, anzunehmen. Er muss nicht mal mit uns reden. Hast du daran mal gedacht? Und was, wenn er sich von jemandem abholen lässt?“
„Himmel Herrgott, Martin. Bei einem Dreifachmord können wir auf seine Befindlichkeiten doch keine Rücksicht nehmen und ich auf deine leider auch nicht. Ich weiß, dass der Fall dir den Samstag versaut hat und jetzt versaue ich dir den Sonntag auch noch. Aber so ist das nun mal. Wölker steht ganz oben auf der Liste und fertig! Willst du es schriftlich haben?“
Horstmann hatte in jedem Punkt den Nagel auf den Kopf getroffen. Winkler dachte mit Bedauern daran, dass Lydia nun auch noch den Sonntagabend allein mit den Kindern verbringen musste. Außer der Befragung von Wölker stand ihm also ein noch weit schwierigeres Gespräch bevor.
*
Das Umsteigen in Heathrow verlief für Wölker komplikationslos, wie nicht anders zu erwarten. Als Passagier der Business Class hatte er nicht nur Anspruch auf einen besonders bequemen Sitzplatz mit viel Beinfreiheit und exquisite Versorgung mit Speisen und Getränken, vor allem alkoholischen. Ein weiterer Vorzug war auch, als einer der ersten Passagiere ein- und aussteigen zu können. So blieb ihm mehr als genug Zeit, um von einem Gate zum anderen zu gelangen. Unter diesen Umständen zu fliegen, hätte normalerweise ein Vergnügen sein können. Doch die Angst im Nacken ließ ihn all die Annehmlichkeiten vergessen.
Diese Angst verstärkte sich von Minute zu Minute, da alle seine Kontaktversuche bisher erfolglos geblieben waren. Weder seinen Anwalt, noch Kaminov oder Borchert hatte er erreichen können. Seine Schwiegermutter anzurufen wagte er nicht, solange er noch nichts Genaues wusste. Das Letzte, was ihm einfiel, war, seinem Anwalt und Kaminov per WhatsApp die genauen Daten seiner Ankunft in Berlin zu schicken. Einer von beiden sollte ihn doch wenigstens abholen. Wenn nicht, würde er sie feuern. Auf jeden Fall aber den, der nicht am Flughafen auf ihn wartete.