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Als Winkler aus Spanien zurückkehrt, ist der Empfang Zuhause mehr als frostig. Nicht nur seine Ehe steht vor dem Aus, auch sein Job ist in Gefahr. Selbst sein alter Freund und Kollege, Kriminalrat Horstmann, kann ihm nicht helfen. Stattdessen bittet er Winkler um Hilfe. Er soll einen von Horstmanns ungeklärten Fällen wiederaufrollen, den Fall eines seit fünfundzwanzig Jahren vermissten Kindes. Marks, die noch nichts von Winklers Heimkehr weiß, bekommt es inzwischen mit einem brutalen Mordfall in Ottersleben zu tun. Identität des Opfers und Motiv des Täters sind unklar. Als ein weiterer Mord geschieht, steht sie vor der nächsten ungeklärten Frage: War es in beiden Fällen derselbe Täter? Zu allem Überfluss bekommt sie einen neuen Kollegen vor die Nase gesetzt, der sich als alles andere als hilfreich erweist.
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Seitenzahl: 785
Veröffentlichungsjahr: 2023
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„Wo Zorn und Rache heiraten, da wird die Grausamkeit geboren.“ Russisches Sprichwort
Buch
Als Winkler aus Spanien zurückkehrt, ist der Empfang Zuhause mehr als frostig. Nicht nur seine Ehe steht vor dem Aus, auch sein Job ist in Gefahr. Selbst sein alter Freund und Kollege, Kriminalrat Horstmann, kann ihm nicht helfen. Stattdessen bittet er Winkler um Hilfe. Er soll einen von Horstmanns ungeklärten Fällen wiederaufrollen, den Fall eines seit fünfundzwanzig Jahren vermissten Kindes. Marks, die noch nichts von Winklers Heimkehr weiß, bekommt es inzwischen mit einem brutalen Mordfall in Ottersleben zu tun. Identität des Opfers und Motiv des Täters sind unklar. Als ein weiterer Mord geschieht, steht sie vor der nächsten ungeklärten Frage: War es in beiden Fällen derselbe Täter? Zu allem Überfluss bekommt sie einen neuen Kollegen vor die Nase gesetzt, der sich als alles andere als hilfreich erweist.
Sylvie Braesi
Geboren 1960 und aufgewachsen in Magdeburg. Sie hat eine Ausbildung als Heimerzieherin und war u.a. als Dozentin und Vermittlungscoach in der Erwachsenenbildung sowie als Kabarettistin tätig. Mit dem Schreiben begann sie 2015 als Selfpublisherin. Sie schreibt historische und aktuelle Krimis, Gedichte, aber auch Kurzgeschichten für Erwachsene und Kinder. Bisher wurden zehn Bücher von ihr veröffentlicht. Ihre Bücher sind als Taschenbuch und E-Book erhältlich.
Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Nenzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Kapitel Dreiundzwanzig
Kapitel Vierundzwanzig
Kapitel Fünfundzwanzig
Kapitel Sechsundzwanzig
Kapitel Siebenundzwanzig
Kapitel Achtundzwanzig
Kapitel Neunundzwanzig
Kapitel Dreißig
Kapitel Einunddreißig
Kapitel Zweiunddreißig
Kapitel Dreiunddreißig
Kapitel Vierunddreißig
Kapitel Fünfunddreißig
Kapitel Sechsunddreißig
Kapitel Siebenunddreißig
Kapitel Achtunddreißig
Kapitel Neununddreißig
Kapitel Vierzig
Kapitel Einundvierzig
Kapitel Zweiundvierzig
Kapitel Dreiundvierzig
Kapitel Vierundvierzig
Kapitel Fünfundvierzig
Kapitel Sechsundvierzig
20. Juni 1995
Der Sommer dieses Jahres versprach heiß und trocken zu werden. Die Bauern blickten sorgenvoll in den Himmel, die Natur sehnte sich nach Regen, nur die Kinder waren voller Vorfreude. Dazu hatten sie auch allen Grund. Die letzten drei Schultage lagen vor ihnen, das bedeutete, die Zeugnisse waren geschrieben. Große Anstrengungen, die eine oder andere Note noch zu verbessern, waren also überflüssig. Hinzu kam, dass das Quecksilber im Thermometer schon morgens kurz davorstand, die 30er Marke zu knacken. Bei diesem Wetter hätte man den Tag ganz sicher mit viel angenehmeren Unternehmungen verbringen können als mit Lernen.
Sebastian und sein Freund, Andreas, sahen das jedenfalls so. Deshalb hatten sie auch schon gestern nach dem Freibadbesuch den Entschluss gefasst, es heute draufankommen zu lassen und sich den Schultag zu ersparen. Ins Freibad konnten sie freilich nicht, dort würde der Bademeister sie bestimmt fragen, wieso sie nicht in der Schule waren. Oder irgendjemand sah sie und die Eltern erfuhren davon. Dann doch lieber gleich an den Baggersee. Die Gefahr, von jemandem erkannt zu werden, war am Salbker See auch viel geringer als im Freibad Süd. Das lag viel zu nah an ihrem Viertel. Lemsdorf war in solchen Dingen genau das, was der Name schon sagte: ein Dorf. Den längeren Weg mussten sie halt hinnehmen, doch wozu hatten sie schließlich ihre Fahrräder.
Bevor sie sich in das kühle Nass werfen konnten, musste Sebastian aber noch eine Hürde überwinden, die nicht ohne war: seine kleine Schwester Franzi. Wann immer er mit dem Fahrrad zur Schule fahren wollte, wollte sie es natürlich auch und hing an seinem Rücklicht wie angelötet. Das konnte er heute aber nicht gebrauchen. Den ganzen Morgen über war er damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie er ihre ungewollte Begleitung verhindern konnte. Als sie ihre Räder vom Hof schoben, hatte er immer noch keine zündende Idee. Sein Freund wartete schon an der Ecke und sah ihn von weitem schon mit Franzi im Schlepptau angeradelt kommen. Ziemlich genervt fragte Andy: „Was wird denn das?“ Er zeigte auf das Mädchen und wartete auf eine Erklärung. Zerknirscht murmelte Sebastian leise: „Wir müssen an der Schule vorbeifahren.“
„Hast du sie nicht alle? Ich dachte, unser Plan sieht heute keine Schule vor?“
„Das geht schon klar. Wir liefern sie dort ab und fahren gleich weiter. Ist nur ein kleiner Umweg.“
„Aber einer, der uns im Ernstfall direkt in die Arme von Burkowski führt.“ Herr Burkowski war ihr Klassenlehrer und außerdem auch noch der stellvertretende Direktor. Wenn der sie erst mal im Blick hatte, dann konnten sie ihren Traum von einem verfrühten Ferienbeginn vergessen. Auch darüber hatte Sebastian sich schon Gedanken gemacht. Er hoffte, dass sein Vorschlag Andy besänftigen würde.
„Wir bringen sie nur bis kurz vor die Schule. Das letzte Stück kann sie dann allein fahren.“
Franzi hatte den beiden stumm zugehört. Sie war vier Jahre jünger als ihr Bruder und brauchte entsprechend länger, um den Sinn des Wortgefechts zu begreifen. Nun wurde ihr klar, dass es um sie ging und dass die beiden Freunde nicht in die Schule wollten. „Au backe, ihr wollt die Schule schwänzen.“
„Halt die Klappe, Franzi. Wenn du uns verpfeifst, kannst du was erleben.“ An sowas hatte Franzi gar nicht gedacht. Sie war nur über die Ungeheuerlichkeit des Vorhabens erschrocken gewesen und über die möglichen Konsequenzen. „Ich würde dich nie verpfeifen“, kam es aus ihrem Schmollmund. Nach kurzer Überlegung erschien ihr das Versprechen aber zu großzügig und sie hängte schnell noch ein: „Nicht, wenn du meine Matheaufgaben machst“, hintendran.
Dieses kleine Miststück, dachte Sebastian. Da konnte sie lange warten. Natürlich würde er es ihr versprechen, doch bis es wieder neue Hausaufgaben geben würde, war es noch lange hin.
„Ja, ja. Mach ich“, sagte er leise und strich ihr über den Kopf. Andreas wurde immer ungeduldiger. „Was ‘n jetzt? Du willst sie doch nicht echt zur Schule bringen, oder?“ Sebastian zuckte nur mit den Schultern.
„Ich glaub, es hackt. Mann, Alter, ich habe schon in der Schule angerufen. Hab so getan, als ob ich mein Vater bin und gesagt, dass wir heute mit zu ihm in die Firma fahren.“ Er war sichtlich stolz auf seinen Einfall und erwartete von Sebastian ebenso viel Initiative. Die kam aber nicht. Also deutete er mit einem Nicken auf Franzi. „Sie ist groß genug, um allein fahren zu können.“ Als Sebastian immer noch nicht reagierte, schaute er Franzi direkt an. „Oder bist du noch ‘n Baby?“
„Bin ich gar nicht. Aber Mama hat gesagt, dass ich immer mit Sebastian fahren soll.“ Franzi mochte Andy nicht. Nach ihrem Verständnis war er der Grund dafür, dass ihr Bruder immer weniger Zeit mit ihr verbrachte. Nicht, weil er das so wollte, nein, weil Andy es verlangte. Genauso wie heute. Andy stieg aufs Rad, umrundete Franzi und grinste gehässig: „Na, dann komm halt mit. Aber ich werde deinetwegen nicht langsamer fahren.“ Und schon trat er kräftig in die Pedale.
Sebastian sah den Freund schnell davonfahren. Er war hin- und hergerissen. Andy wurde kleiner und kleiner. Sogar ihm würde es nicht leichtfallen, ihn einzuholen. Franzi würde es auf keinen Fall schaffen. Wut begann, in ihm zu brodeln. Eigentlich hatte Andy Recht. Das kurze Stück bis zur Schule konnte sie wirklich mal allein fahren. Oft genug hatten sie die Strecke schon gemeinsam zurückgelegt. So schwierig war das nicht. Wieso musste er sich immer um sie kümmern? Nie konnte er auch mal was allein machen. Sie war schlimmer als eine Klette und er hatte keinen Bock mehr darauf, ständig für sie den Babysitter zu spielen. Heute nicht!
„Ich fahr jetzt mit Andy und du fährst allein zur Schule. Wenn du uns verpetzt, rede ich nie wieder mit dir. Und vor dem Dicken aus deiner Klasse beschütze ich dich auch nicht mehr. Klar?“ Ohne ihr die Chance zu geben, etwas darauf zu erwidern, fuhr er los. Wenn er Andy noch einholen wollte, musste er mächtig in die Pedale treten. Und los gings zum Baden.
Sprachlos sah Franzi ihrem Bruder hinterher, der immer kleiner und kleiner wurde. Heiße Tränen kindlicher Wut liefen ihr wie kleine Bäche über die Wangen. Sie würde sie nicht abwischen. Es konnten ruhig alle sehen, wie sehr ihr Bruder sie gekränkt hatte. Schniefend versuchte sie, aufs Rad zu steigen. Gar nicht so einfach, mit tränenfeuchten Augen und laufender Nase. Plötzlich hatte sie auch keine Lust mehr, in die Schule zu fahren. Nach Sebastians Drohung hätte sie ja sowieso nicht gewusst, was sie sagen sollte, falls sie nach ihm gefragt werden würde.
Der Gedanke, zur Schulschwänzerin zu werden, erschreckte sie ein bisschen. So was wäre ihr ganz sicher nie eingefallen, doch was blieb ihr denn jetzt weiter übrig. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass die Schuld dafür bei ihrem Bruder lag. Und noch etwas fiel ihr ein, ihr Bruder würde sie garantiert nicht verpetzen. Er schwänzte ja selber. Jetzt musste sie nur noch entscheiden, was sie mit der erschwindelten freien Zeit machen sollte. Nach Hause konnte sie nicht, nur Sebastian hatte einen Schlüssel. Oma wohnte in Wanzleben, das war viel zu weit. Also was dann?
Als erstes fuhr sie ein bisschen durch die Gegend, doch das gefiel ihr nicht. Ihr schlechtes Gewissen gaukelte ihr vor, dass die Leute sie merkwürdig anschauten. So, als würden sie ihr ansehen können, dass sie etwas Verbotenes machte. Sie fuhr zum Spielplatz. Dort war um diese Zeit nicht viel los. Hier konnte sie bleiben und sie hatte die Spielgeräte für sich allein.
Schwänzen war doof, stellte sie schon nach kurzer Zeit fest, jedenfalls wenn man allein war. Für einen kurzen Moment dachte sie, es wäre besser gewesen, doch noch zur Schule zu fahren, aber nun traute sie sich nicht mehr. Sie stieg wieder aufs Rad, um nach Hause zu fahren. Lieber wollte sie dort vor der Tür sitzen und warten, bis Mutti heimkam. Vielleicht würde ja jemand aus dem Haus kommen und sie auf den Hof lassen.
Kaum war sie ein paar Meter geradelt, als es nicht mehr weiterging. Sie hatte einen platten Reifen. Jetzt würde sie auch noch das kaputte Rad bis nachhause schieben müssen. Wut und Trotz stiegen in ihr hoch. Das alles war nur passiert, weil Sebastian mit Andy unbedingt schwänzen wollte. Sie würde ihn auf jeden Fall verpetzen, dann konnte er was erleben. War ihr doch egal, ob er sie danach noch beschützte oder nicht. Das hier war viel schlimmer, als das, was der Dicke ihr antun konnte. Schon wieder musste sie heulen und die Nase lief auch. Wütend warf sie das Rad ins Gras und suchte in ihrem Ranzen nach einem Taschentuch. Bevor sie eins fand, hielt ihr jemand ein Tempo entgegen. Sie erschrak, weil sie glaubte, Mutti oder Vati hätten sie erwischt. Bestimmt gab es jetzt Schimpfe. Sie sah auf und war so erleichtert. Die Hand mit dem Tempo gehörte weder Mama noch Papa, doch das Gesicht dazu war ihr bekannt und es lächelte freundlich.
„Na, Franzi. Ist dein Rad kaputt?“ Auch die Stimme klang freundlich.
„Mein Reifen. Die Luft ist raus.“ Ihre Antwort wurde immer wieder von heftigem Schniefen unterbrochen.
„Das ist doch nicht so schlimm. Kann man leicht reparieren. Hast du eine Luftpumpe dabei?“ Franzi schüttelte den Kopf. „Macht nichts. Ich habe eine Luftpumpe zuhause. Wenn du willst, mach ich dein Rad wieder heil.“
„Ich weiß nicht.“ Franzi wusste, dass sie nicht mit Fremden mitgehen sollte, aber das traf ja hier nicht zu. Trotzdem zögerte sie.
„Es ist nicht weit. Danach kann ich dich dann noch heimbringen.“ Die Hand griff nach dem Rad. „Du kannst dir auch dein Gesicht waschen, dann merkt keiner, dass du geweint hast.“ Franzi wusste nicht, was sie tun sollte. Angst hatte sie nicht. Sie fand es nur ein bisschen komisch, was gerade geschah. Verstohlen blickte Franzi sich um, konnte aber niemanden entdecken.
„Soll ich deinen Ranzen tragen? Der ist schick. Ich hatte keinen so schicken Ranzen. Meiner war aus braunem Leder und schon getragen.“ Die Stimme redete einfach weiter, freundlich und so, als wäre das alles völlig normal. „Wollen wir an der Klinke langgehen? Ist nur ein kleiner Umweg und ich trage ja deine Sachen. An der Klinke lang kommt man zum Teich. Da bin ich oft, Enten füttern. Jetzt sind auch kleine Entenküken dabei. Die sind niedlich. Ich habe immer Futter mit.“ Die andere Hand griff in eine Tasche und kam mit Brotkrümeln wieder heraus. Das Gesicht lachte und die große Hand ließ etwas von dem Futter in ihre kleine Hand rieseln. Enten füttern. Wieso war sie nicht selber darauf gekommen? Sie hätte doch ihr Pausenbrot dafür nehmen können.
„Wir füttern zuerst die Enten und danach repariere ich dein Fahrrad.“
Warum nicht, dachte Franzi. Sie hatte ja genug Zeit, bis sie zuhause sein musste.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“
Franzi nickte.
„Die Küken sind schon so an mich gewöhnt, dass sie ganz dicht rankommen. Vielleicht kannst du sogar eins streicheln.“ Der Gedanke an ein flauschiges Entenküken auf ihrer Hand ließ Franzi die letzten Zweifel vergessen. Sowas Schönes würde Sebastian bestimmt nicht erleben. Als sich ihr die Hand entgegenstreckte, ergriff sie sie ohne Zögern.
Je näher Sebastian seinem Zuhause kam, umso langsamer wurde er. Als er kurz vor seiner Straße war, stieg er sogar vom Rad, nur um den Zeitpunkt des Heimkommens noch etwas hinauszuzögern. Im Laufe des Tages hatte sich sein toller Plan mehr und mehr zu einer Luftnummer entwickelt. Erst hatte er seine nervige Schwester loswerden müssen und dann war Andy allein losgefahren und weil ihm der Weg zum Salbker plötzlich zu weit gewesen war, ins Freibad. Sebastian hatte das nicht mitgekriegt und war schließlich allein zum Salbker gefahren. Das war vielleicht langweilig gewesen. Und zu allem Überfluss hatte er dort auch noch genug Zeit gehabt, um über seine Schwänzerei nachzudenken. Ziemlich schnell war ihm klar geworden, dass ihm beim Heimkommen noch ein Donnerwetter blühen würde. Andy musste sich darüber sicher nicht so viele Sorgen machen. Seine Eltern waren in Ordnung. Mehr als eine Standpauke hatte er nicht zu erwarten. Bei ihm sah das ganz anders aus. Sein Vater kannte nur eine wirksame Erziehungsmethode: Prügel. Bei ihm saß die Hand sehr locker und schon für die kleinste Verfehlung setzte es Ohrfeigen. Für das, was er sich heute geleistet hatte, würde es aber nicht bei denen bleiben. Wahrscheinlich würde ihm morgen sowas von der Arsch wehtun. Wieso hatte er sich von Andy aber auch wieder breitschlagen lassen? Jetzt war es für seine Reue allerdings zu spät. Dass er den Tag am See bis zum Schluss ausgekostet hatte, war nicht wirklich ein Trost, wenn er daran dachte, was ihn erwartete. Also dann mal los. Am besten, er brachte es hinter sich. Schade nur, dass sein Vater noch nicht gemerkt hatte, wie wenig seine Schläge bisher bei ihm bewirkt hatten.
Schon vor dem Haus spürte Sebastian, dass irgendwas anders war. Als er aufschließen wollte, wurde die Wohnungstür förmlich aufgerissen und sein Vater stand vor ihm. Jetzt geht’s los, dachte Sebastian und ging innerlich in Deckung. Das Gesicht seines Vaters sah aber nicht wütend aus, sondern besorgt.
„Ist sie bei dir?“, schoss es aus ihm heraus.
„Wer?“ Meinte er etwa Mutti?
„Franzi, natürlich? Ist sie nicht bei dir?“
„Franzi? Nein, die ist doch im Hort.“
„Ist sie nicht.“ Die Stirn seines Vaters legte sich in tiefe Falten. „Seid ihr heute zusammen zur Schule gefahren?“ Etwas Lauerndes lag in der Frage. Sebastian nickte, zu zögerlich, zu wenig.
Klatsch! Die erste Ohrfeige traf ihn mit voller Wucht. „Du lügst! Du hast sie allein fahren lassen und sie ist nicht angekommen!“ Das Gebrüll schallte durch den ganzen Hausflur. Mutti kam angelaufen, schob sich an dem wütenden, großen Mann vorbei, legte die Arme um Sebastian und zog ihn in die Wohnung. Dann ging sie auf Vati los. „Schrei doch nicht so! Das hilft uns auch nicht. Und hör auf, den Jungen zu schlagen. Ruf endlich die Polizei an!“ Mutti konnte also auch laut werden. Das schien sogar den Vater zu überraschen, doch es half. Er ließ von Sebastian ab, ging ins Wohnzimmer und telefonierte. Sebastian konnte nichts verstehen, weil Mutter ihn in sein Zimmer schob.
„Sebastian, weißt du, wo Franzi ist? Sie war nicht in der Schule.“ Ihr flehentlicher Ton machte ihm Angst, doch er konnte nur hilflos mit dem Kopf schütteln. „Wann hast du sie zuletzt gesehen?“ Natürlich erzählte er alles wahrheitsgetreu und ohne Ausreden zu erfinden. Den Ernst der Situation hatte er längst begriffen. Seine kleine Schwester war verschwunden. Sie war nicht in der Schule gewesen und auch nicht wieder nach Hause gekommen. Der nächste Gedanke ließ ihn erstarren. Das ist meine Schuld! Sie hat bestimmt einen Unfall gehabt und nur weil ich sie nicht zur Schule gebracht habe.
Mutti war bei seinem Bekenntnis in Tränen ausgebrochen und konnte sich nicht wieder beruhigen. Vor lauter Verzweiflung tat Sebastian das Einzige, das ihm in den Sinn kam: Er fragte, ob sie vielleicht bei Oma sein könnte. Jetzt war es Mutti, die verneinte. „Habt ihr schon im Krankenhaus gefragt?“ Er brachte die Frage kaum raus, so große Angst machte sie ihm und Mutti weinte noch mehr.
„Natürlich haben wir das schon gemacht, du Idiot.“ Sein Vater hatte in der Tür stehend die Frage gehört. „Die Polizei ist unterwegs. Bei Kindern kommen sie immer schnell.“ Ob er damit sich selbst oder Mutti beruhigen wollte, konnte Sebastian nicht mit Sicherheit sagen. Für ihn war die Tatsache, dass Franzi nicht im Krankenhaus lag, jedenfalls eine Beruhigung. Nur, wieso hörte Mutti trotzdem nicht auf zu weinen?
Die Polizei kam wirklich schnell und sie wollten irgendwann auch mit Sebastian sprechen, der immer noch wie betäubt in seinem Zimmer saß. Er erzählte alles, auch vom Schule schwänzen und dass er keine Ahnung hätte, wohin Franzi allein gefahren sein konnte, wenn nicht in die Schule. Ihre Freundinnen waren bestimmt alle in der Schule gewesen und sie war auch noch zu klein, um irgendwo mit einer Clique rumzuziehen. Meist hing sie doch an ihm dran, nur eben heute nicht. Komischerweise fragte der Polizist mehrmals, ob sie nicht doch mit an den See gekommen wäre. Und obwohl er das immer wieder bestritt, redete der Mann so komisches Zeug. Dass sie ihm vielleicht heimlich nachgefahren wäre, er sich darüber geärgert habe und dass es dann einen Unfall gegeben hätte. Was redete der Typ für einen Quatsch? Was für ein Unfall? Und was sollte er nicht mit Absicht getan haben? Erst, als er den Typen draußen zu seinen Eltern sagten hörte, dass sie natürlich auch den See mit Tauchern absuchen würden, dämmerte ihm, was das alles zu bedeuten hatte. Er sprang von seinem Bett auf und schrie: „Sie war nicht bei mir! Ich war allein am See, ich schwöre es!“
Niemand kümmerte sich mehr um ihn, nicht an diesem Abend und nicht in der Nacht. Er blieb in seinem Zimmer, lag auf seinem Bett, ohne dass er wahrnahm, was um ihn herum geschah. Irgendwer stellte ihm einen Teller mit belegten Broten und einen Apfelsaft auf den Nachtschrank. Nichts davon rührte er an. Er fragte sich, ob Franzi, dort wo sie jetzt war, auch etwas zu essen hatte. Franzi. Immer noch hoffte er, dass alles wieder gut werden würde. Das musste es einfach. Sie war sauer auf ihn gewesen, na klar. Deshalb war sie nicht zur Schule gefahren, damit er Ärger bekam. Sie hatte sich bestimmt versteckt. Wer weiß, vielleicht beobachtet sie sogar, wie die Polizisten, die Nachbarn und die Freunde sie suchen. Er erinnerte sich, dass sie in der Schule Tom Sawyer durchgenommen hatten. Genau sowas hatte der mit seinem Freund doch auch gemacht. Ach, wenn es doch bei Franzi auch so wäre. Er würde ihr auch bestimmt nicht böse sein und beschützen würde er sie doch sowieso immer. Er wollte, dass sie wieder nachhause kam. Bitte, bitte, komm wieder nachhause, Franzi. Er rollte sich auf seinem Bett zusammen und weinte hemmungslos. Es war ihm egal, ob es jemand sah oder hörte. Es fühlte sich so an, als würde der Strom der Tränen nie wieder versiegen. Doch nach und nach erlahmte seine Kraft und endlich schloss er die Augen. Vor anderen hätte er es mit aller Macht abgestritten, dass ihm sowas passieren könnte, aber er hatte sich in den Schlaf geweint wie ein Baby.
Franzi blieb verschwunden. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war riesig. Man verteilte Flyer, fragte herum, leider vergebens. Von dem Mädchen fand sich nicht die kleinste Spur. Die Polizei tat das, was sie in solchen Fällen immer tat: Sie verfolgte ihre eigenen Spuren. Keine davon führte zu Franzi. Nachdem ganz Lemsdorf durchkämmt worden war, weitete die Polizei ihre Suche auf die Umgebung aus. Es gab auch eine großangelegte Suche im und am Salbker See, die nach einigen Tagen ergebnislos abgebrochen wurde. Die Ungewissheit über das Schicksal von Franzi lag bleiern über allem und lähmte die Menschen. Gerüchte, Franzi sei entführt oder verschleppt worden, kamen in Umlauf und ebbten wieder ab.
Kriminalkommissar Harro Horstmann, der in diesem Fall leitender Ermittler war, wollte natürlich nicht aufgeben. Doch bald lagen andere Fälle auf seinem Tisch, die seine ganze Aufmerksamkeit benötigten. Zwar widmete er sich weiterhin dem Fall Franzi, doch Zeit dafür fand er nur noch selten und irgendwann nur noch in seiner Freizeit. Er nahm auch an der Gedenkfeier für Franzi teil.
Die Stimmung, die ihm entgegenschlug, konnte bestenfalls als angespannt bezeichnet werden. Zum einen, weil er von den Leuten als der Ermittler angesehen wurde, der in ihren Augen versagt hatte. Zum anderen, weil die Familie der Gedenkfeier fernblieb. Für Horstmann kam das nicht überraschen. Die Eltern hatten eine psychologische Betreuung abgelehnt. Sie konnten und wollten die Hoffnung, ihr Kind doch noch lebend wiederzusehen, nicht aufgeben. Eine Teilnahme an der Gedenkfeier hätte bedeutet, dass sie die schreckliche Tatsache akzeptierten. Unmöglich.
Horstmann hielt sich im Hintergrund und beobachtete die Leute. Was er sich davon versprach, konnte er selber nicht sagen. Er wollte wahrscheinlich keine noch so kleine Chance ungenutzt lassen. Doch die bekam er erst ein paar Tage später. Franzis Fahrrad tauchte plötzlich auf. Es lag im Schilf des Ottersleber Teichs, wo spielende Kinder es fanden. Bis auf einen platten Reifen war es völlig in Ordnung. Wieder kamen Polizisten, Taucher und auch ein Leichenspürhund zum Einsatz. Doch auch dieses Mal brachte die Suche nichts weiter zutage. Als nach ein paar Tagen die Ergebnisse der kriminaltechnischen und forensischen Untersuchung des Rades vorlagen, musste sich Horstmann ernüchtert eingestehen, dass er nichts in der Hand hatte. Es schien, als würde der Fall zu einem Cold Case werden. Ein Alptraum für jeden Ermittler, vor allem, wenn es um ein verschwundenes Kind ging. Deshalb startete er noch einen Versuch, die Öffentlichkeit einzubinden. Er ließ ein Bild des Fahrrades in der Presse veröffentlichen, verbunden mit der Bitte um Meldung, falls jemand um den 20 Juni herum dazu eine Beobachtung gemacht hatte. Alle Hinweise würde man natürlich vertraulich behandeln.
Von den vielen Meldungen erwiesen sich die meisten als nutzlos. Einige waren schon bekannt und längst überprüft worden. Eine Zeugin meldete sich und gab an, am 20. Juni ein Mädchen in Begleitung eines Mannes am Teich gesehen zu haben. Im ersten Moment klang das sehr erfolgversprechend, denn sie erwähnte, dass der Mann auch ein Kinderfahrrad getragen hätte. Ihre Beschreibung des Mannes war aber so vage, dass sogar der Phantombildzeichner nichts rausholen konnte.
Die Spur erkaltete und der Fall Franzi blieb ungelöst.
Von all dem bekam Sebastian nichts mit. Franzis Bruder war schon am Tag nach dem Verschwinden seiner Schwester von seiner Oma abgeholt worden. Bei ihr verbrachte er die Ferien und blieb auch dort, als das neue Schuljahr wieder begann. Mutti sagte, dass die neue Schule ihm helfen sollte, Abstand zu dem schrecklichen Erlebnis zu kriegen. Tief in seinem Inneren wurde er aber das Gefühl nicht los, dass seine Eltern ihm die Schuld an dem gaben, was mit Franzi passiert war. Das konnte er ihnen nicht mal übelnehmen, denn im Grunde genommen dachte er das ja auch.
Gegenwart
Wie jeden Morgen schaute Marks auch heute beim Betreten des Büros zuerst zu Winklers Schreibtisch hinüber und wie schon in den letzten Wochen ging ihr Blick ins Leere. Winklers unbesetzter Platz hinterließ eine Lücke in ihrem Team. Er kam ihr wie eine Bedrohung ihrer kleinen Gemeinschaft vor und drückte die Stimmung in Richtung Nullpunkt, wann immer er in ihr Blickfeld geriet. Pasold und Frieder schien es nicht anders zu gehen. Seit Winklers inoffiziellen Verfolgungsjagd eines Mörders, war es im Büro still geworden. Zwischen den Jungs gab es keine Geplänkel mehr und auch Gelächter war kaum noch zu hören gewesen. Mehrere Wochen waren seit Winklers Aufbruch nach Spanien inzwischen vergangen und immer noch ließ die eine Frage sie nicht zur Ruhe kommen: Was hatte Winkler sich nur dabei gedacht? Die einzige Antwort, die ihr dazu einfiel, war wenig schmeichelhaft für ihn. Er hatte gar nicht gedacht. Jedenfalls hatte er nicht an sein Team gedacht, als er seinen eigenmächtigen Rachefeldzug gegen den Auftragskiller Nielsen startete.
Was für Marks aber noch schlimmer war, war die Tatsache, dass er sich Kaminov als Reisegefährten auserkoren hatte. Ausgerechnet diesen zwielichtigen Russen, der mit der BKA-Analystin Unger unter einer Decke gesteckt hatte. Dass Kaminov Nielsen mit allen Mitteln zur Strecke bringen wollte, konnte sie ja noch verstehen. Nielsen hatte Unger, die für den Russen mehr als nur eine Partnerin gewesen sein musste, eiskalt getötet. Aber wieso war Winkler auf diesen Zug aufgesprungen? Für wen hatte er das getan? Für Kaminov ganz sicher nicht. Also doch für Unger? Jedes Mal, wenn sie bei diesem Gedanken ankam, spürte sie, wie sich der Stachel der Eifersucht in ihr Herz bohrte. Sie hasste sich dafür, zumal sie ja wusste, dass sie keinen wie auch immer gearteten Anspruch auf Winklers Gefühle erheben konnte. Sie verbannte den Gedanken der Eifersucht, so gut es ging, aus ihrem Kopf. Außerdem tat sie Winkler damit vielleicht Unrecht. Immerhin war auch der Tod von Winklers früherem Partner, Bauer, auf das Konto von Nielsen gegangen. Trotzdem, was blieb, war die Wut über die Situation, in der Winkler das Team zurückgelassen hatte. Gegen diese Wut kam sie nicht an.
Die Jungs reagierten etwas pragmatischer. Sie akzeptierten die Veränderung im Team, indem sie ganz einfach ihr Winklers Rolle als Teamleiter zuschoben, inoffiziell jedenfalls. Offiziell war noch nicht entschieden worden, was aus Winkler und ihnen werden würde. Das kam aber ganz sicher bald. Spätestens, wenn Kriminalrat Horstmann aus dem Urlaub zurück war und Winkler aus Spanien. Die Ungewissheit, was dann passieren würde, lastete schwer auf ihnen, doch darüber reden, taten sie schon lange nicht mehr.
Anfangs hatte Frieder noch versucht, Winklers Spur zu verfolgen, um die Gruppe mit Infos zu versorgen, doch das hatte Marks ihm irgendwann verboten. Damit würde er weder Winkler noch dem Team einen Gefallen tun, war ihr Argument gewesen. Ob er wirklich die Finger davongelassen hatte, darüber war sie sich nicht so sicher, aber seine Berichte über die Geschehnisse hörten auf. Sie hatten auch so genug zu tun. Über Mangel an Arbeit brauchten sie sich nämlich nicht zu beschweren.
Auch heute entdeckte Marks drei neue Fälle in ihrem Postfach: bewaffneter Raub, Körperverletzung, Einbruchdiebstahl. In Gedanken begann sie schon, die Fälle aufzuteilen, als sie vom Flur her ihre Kollegen hörte, vornweg Frieders kratzige Stimme.
„Eh Alter, red’ keinen Scheiß! Woher willst du das überhaupt wissen?“ Offensichtlich wusste Pasold etwas, von dem Frieder noch nichts gehört hatte. Wenn Frieder etwas nicht ausstehen konnte, dann, dass jemand besser informiert war als er.
„Ich hab’s von Babsi.“ Dann musste es stimmen. Babsi war Horstmanns langjährige Sekretärin und sie verfügte nicht nur über den neusten Klatsch, sondern auch über Quellen, an die nicht mal Frieder rankam.
„Und ab wann?“, fragte Frieder nach.
„Weiß sie auch nicht genau. Wahrscheinlich, wenn Horstmann wieder da ist.“ Das klang in Marks Ohren gar nicht gut. Sie wollte schon fragen, was sich dahinter verbarg, als Pasold sie schon bestürmte. „Hast du schon gehört? Es kommt ein Neuer, einer aus Berlin.“ Marks dachte kurz nach. Aus Berlin bedeutete: ein Kollege mit Berufserfahrung. Alle Abgänger des letzten Jahres waren schon seit Sommer verteilt. Außerdem handelte es sich um eine Versetzung über die Bundesgrenzen hinaus. Das kam nicht so häufig vor, ungewöhnlich war es aber auch nicht. Dafür konnte es viele Gründe geben, persönliche und dienstliche. Marks wollte nicht spekulieren, also fragte sie: „Was soll der Neue denn machen?“
„Das wusste Babsi auch nicht.“ In dieser Aussage schwang etwas Unheilvolles mit. Frieder sprach schließlich aus, was die anderen beiden befürchteten. „Hoffentlich kriegen wir den nicht vorgesetzt.“ Die augenblicklich einsetzende Stille im Raum verstärkte die Ungeheuerlichkeit des Gesagten. Frieder wurde von seinen Kollegen angesehen, als hätte er gerade verkündet, dass er sich künftig als Bankräuber betätigen wolle. Obwohl, mit Bitcoins kannte er sich bestimmt bestens aus.
„Wie kannst du sowas auch noch aussprechen“, fauchte Pasold. „Das ist wie schlafende Hunde wecken.“
„Bleib cool, Digga. Das war doch nur ein Scherz.“
„Darüber solltest du lieber keinen Scherz machen. Ich will jedenfalls nicht, dass Winkler durch irgendwen ersetzt wird.“
„Das würde Horstmann doch nie zulassen. Bevor der nicht wieder aus dem Urlaub zurück ist, passiert sowieso nichts. Wollen wir wetten?“
Marks schwieg die ganze Zeit über. Sie teilte Frieders Optimismus nicht, wollte aber Pasold nicht noch mehr beunruhigen. Außerdem wurde es Zeit, dass sie sich an die Arbeit machten.
„Teambesprechung in fünf Minuten. Pasold Kaffee! Frieder Brötchen! Auf geht’s!“ Sie hatte es kaum ausgesprochen, als die Jungs auch schon losmarschierten. Marks wollte inzwischen die Aufträge ausdrucken, doch im Drucker war wieder mal das Papierfach leer. Es dauerte einige Minuten, bevor sie mit den Ausdrucken zurückkam. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass Pasold und Frieder die Tür zum Büro blockierten.
„Was ist los? Traut ihr euch nicht rein?“ Frieder drehte sich um. Er sah aus, als hätte man ihm gerade seine Computer geklaut. Eine dunkle Vorahnung überfiel Marks. Sie schob sich zwischen den beiden hindurch und dann sah sie die Bescherung auch.
Ein Fremder hatte während ihrer kurzen Abwesenheit unbemerkt das Büro betreten. Der Mann war groß und schlank. Der dunkle Anzug verstärkte diesen Eindruck noch. Sein hageres Gesicht wurde von schwarzen, nach hinten gegelten Haaren umrahmt. Da sie noch keine Anzeichen von Silber darin erkennen konnte, schätzte Marks ihn um einiges jünger als Winkler. Das auffallendste aber waren seine grauen Augen, mit denen er sie alle drei aufmerksam musterte. Die Arme vor der Brust verschränkt, hatte er sich halb auf Winklers Schreibtisch gesetzt. In dieser lässigen Haltung lag allerdings nicht die Spur von Gemütlichkeit.
Marks gab sich einen Ruck und trat an den runden Tisch in der Mitte. Erst nachdem sie die Papiere abgelegt hatte, wandte sie sich dem Neuankömmling zu. Sie wusste genau, wer da vor ihr stand, aber eben nur inoffiziell. Das gab ihr die Chance, ihn wie einen Eindringling zu behandeln.
„Hallo. Wer sind Sie und was wollen Sie in unserem Büro?“ Ihr Ton war eisig, jedoch nicht so sehr, dass es unhöflich geklungen hätte.
„Tom Waisl“, kam es nach kurzem Zögern zurück. „Kriminalhauptkommissar Tom Waisl, um genau zu sein.“
„Würden Sie, um genau zu sein, den zweiten Teil der Frage auch noch beantworten?“
Waisl stieß sich vom Schreibtisch ab und kam auf Marks zu. Er näherte sich ihr soweit, dass er bequem auf sie herabsehen konnte. Marks begann, sich unwohl zu fühlen, hielt seinem Blick aber stand. Ihr fiel ein Spruch von Oma Käthe ein: Es ist keine Kunst, auf andere herabzusehen, wenn man zwei Köpfe größer ist. Viel schwerer ist es, den Kleineren auf Augenhöhe zu begegnen.
Waisl schien sich dessen nicht bewusst zu sein oder es war ihm egal. Marks beschloss, es drauf ankommen zu lassen und schwieg weiter beharrlich. Ihre beiden Kollegen standen immer noch in der Tür und verfolgten das Augenduell gebannt. Keiner von beiden wagte, sich zu regen
Endlich brach Waisl die Stille. „Ich bin der Neue und drehe gerade meine Runde durchs Haus.“
Mehr als ein „Herzlich willkommen“ hatte er von Marks nicht zu erwarten. Und mehr bekam er auch nicht. Demonstrativ fing sie an, die Papiere auf dem Tisch zu ordnen. Pasold und Frieder murmelten ein schnelles „Hallo“ und liefen zu ihren Schreibtischen. Als Waisl keine Anstalten machte, zu gehen, schaute Marks ihn mit diesem provokanten Gesichtsausdruck an, mit dem sie schon Winkler zu Beginn ihrer Zusammenarbeit regelmäßig auf die Palme gebracht hatte. „Wir wollten gerade die Aufgaben für heute verteilen. Wenn Sie der Neue sind, können Sie ja gleich was übernehmen.“ Pasold sah aus, als ob er in Deckung gehen wollte und nur nicht wusste, wo. Frieder verschwand einfach hinter seinen Laptops.
Plötzlich huschte der Anflug eines Lächelns über Waisls Gesicht. „Nicht heute, Frau Marks.“ Dann schlenderte er gemächlich zur Tür hinaus und ließ eine verdutzte Marks zurück.
„Woher weiß er, wer du bist? Du hattest dich doch noch gar nicht vorgestellt.“ Pasold sprach genau das aus, was Marks sich gerade selber fragte. Anders als ihr Kollege hatte sie aber auch gleich eine Antwort parat. „Weil er genau wusste, zu wem er wollte. Von wegen, Runde durchs Haus drehen. Der kam ganz gezielt zu uns. Was das bedeutet, ist euch doch klar, oder?“
Frieders Antwort bestand aus einem abfälligen Schnauben. Pasold hielt sich nicht so dezent zurück. „Wenn der es wagt, sich an Winklers Schreibtisch zu setzen, wird er es bereuen.“
Sein kindlicher Trotz brachte Marks zum Schmunzeln. „Was willst du denn machen? Reißzwecken auf den Stuhl oder lieber Kleister?“
„Mehr traust du mir nicht zu?“ Pasold fühlte sich wieder mal unterschätzt. Zu Recht, wie Marks’ Lachen und ihre nächste Bemerkung bewiesen. „Sei mir nicht böse, aber Sorgen um den Neuen würde ich mir höchstens machen, wenn Frieder das gesagt hätte. Bei dir läuft’s wahrscheinlich auf Salz in der Zuckerdose hinaus. Klappt aber nur, wenn der Typ seinen Kaffee süß trinkt.“
In diesem Moment tauchte Frieder wieder hinter seinen Laptops auf. „Lars hat schon viel von mir gelernt, seit ich in eurem Team bin.“
„Siehste! Frieder kennt meine Qualitäten.“
Marks, die das schalkhafte Blitzen in Frieders Augen bemerkt hatte, tat ihm den Gefallen und sprang drauf an. „Und was kann er schon alles, außer den PC ein- und ausschalten?“
„Na, er kann mich bitten, ihm zu helfen“, kam es postwendend zurück. Marks und Frieder lachten schallend und Pasold tat, als würde er schmollen. Doch im Grunde war er froh über den Stimmungswechsel. Er fand sogar den Mut, eine heikle Frage in die Runde zu werfen.
„Er wird doch wiederkommen, oder? Ich meine Winkler. Ihr glaubt doch auch, dass er wiederkommt.“ Hinterher hätte er sich gern vor Wut auf die Zunge gebissen, denn die Stimmung sank augenblicklich wieder auf den Nullpunkt.
Auch Winkler spürte die zunehmende Kälte, je näher er seiner Heimat kam. Es war Ende Oktober und in Deutschland hatte längst der Herbst Einzug gehalten. Ganz anders als in Andalusien, wo die Temperaturen am Tage noch bis über die 20°C Marke geklettert waren. Doch die Kälte, die Winkler fühlte, kam bei ihm auch von Innen. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihm stark zugesetzt.
Eine Familie in Barleben nahezu ausgelöscht, ein Doppelmord im Parkhotel, das allein war schon harter Tobak gewesen. Doch damit nicht genug. Auch sein früherer Partner, Bauer sowie Unger, eine BKA-Analystin, waren beide kaltblütig ermordet worden. Alle Morde gingen auf das Konto eines Auftragskillers und keinen hätte er verhindern können. Dennoch nagte das Gefühl der Schuld an ihm. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass es letztendlich auch den Killer erwischt hatte. Vielleicht, weil die Umstände seines Todes immer noch unklar waren. Dass die Spanier ihn nicht mehr für den Täter hielten, war für Winkler zwar erfreulich, aber noch plagten ihn zwei offene Fragen: Wer hatte Nielsen getötet und wo war Kaminov abgeblieben? Angetreten hatten sie diese Reise zu zweit, jetzt, auf der Heimfahrt, saß er allein im Auto.
Leider war es ihm verwehrt worden, Antworten auf seine Fragen in Spanien zu suchen. Capitan Perez hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass seine Anwesenheit in Andalusien nicht mehr erwünscht war. Doch da sein Geldvorrat langsam zur Neige gegangen war, blieb ihm ohnehin keine Wahl, als heimzufahren. Er hätte sowieso nicht gewusst, wo er mit seiner Suche nach Kaminov ansetzen sollte. Der war mit Sicherheit schon längst nicht mehr in Spanien. Winkler hielt es durchaus für möglich, dass sich Kaminov, falls er etwas mit Nielsens Tod zu tun hatte, mit dessen falschen Papieren abgesetzt hatte. Darüber zu spekulieren lohnte sich aber nicht. Nach Kaminovs Verschwinden war Winkler auf sich allein gestellt und musste sich mit seinen eigenen Problemen beschäftigen.
Das tat er auch. Zum Beispiel hatte er angenommen, dass er sich nach Nielsens Tod besser fühlen würde, erleichtert vielleicht. Leider traf das nicht zu. Bestenfalls könnte er sagen, dass der Tod von Bauer und Unger nun gerächt war, aber Winkler hatte nie ein Rächer sein wollen. Sein Plan war es gewesen, Nielsen zu verhaften und der Justiz zu übergeben. Dieser Plan war nicht aufgegangen. Jemand war ihm zuvorgekommen und dem hatte eine endgültigere Lösung besser gefallen. Auch wenn er für den toten Killer kein Mitleid empfand, zufrieden war Winkler mit dem Ausgang der Geschichte nicht. Und darüber hinaus stand noch die Frage im Raum, welche Rolle Kaminov dabei gespielt hatte. Würde er jemals die Wahrheit über Nielsens Tod erfahren? Von Capitan Perez sicher nicht.
Als ob das nicht schon genug offene Fragen waren, kam nun noch eine dazu, die nicht weniger schwer wog. Was würde ihn Zuhause erwarten? Nicht, was den Job betraf. Da war alles klar. Er war bis zum Abschluss der gegen ihn laufenden Untersuchung suspendiert. So ähnlich hatte es Horstmann ausgedrückt, als er aus der Untersuchungshaft heraus mit ihm telefoniert hatte. Winklers Sorge galt seiner Familie. Irgendwann hatte er Lydia angerufen und ihr gesagt, dass er wieder nachhause kommen würde. Das Telefonat ein Gespräch zu nennen, traf es nicht mal annähernd. Lydia hatte nur eins wissen wollen: Wann er zurück sein würde?
Lydia mochte es nicht, am Telefon zu streiten. Es war also keine Überraschung gewesen, dass sie sofort nach seiner Antwort aufgelegt hatte. Mit ihren Vorhaltungen würde sie sich gedulden, bis er wieder vor ihr stand. Und sie würde ihm nichts ersparen, das wusste er nur zu gut. Schließlich hatte es diese Art Streitgespräche schon einige Male gegeben. Alle waren nach dem gleichen Schema abgelaufen: Sie redete und er hörte zu. Wenn sie sich alles von der Seele geredet hatte, war gewöhnlich sein mea culpa und ein durchaus ernst gemeintes Versprechen, sich zu bessern, gekommen. Darauf würde es auch dieses Mal hinauslaufen. Vielleicht mit etwas mehr mea culpa und einem größeren Versprechen.
Er würde das in Ordnung bringen. Zumal er durch die Suspendierung nun tatsächlich mehr Zeit für die Familie hatte. Allzu lange sollte das aber nicht dauern. Er wollte so schnell wie möglich wieder an die Arbeit gehen. Klar würden die ersten Tage im Job nicht leicht werden, dafür war zu viel geschehen. Wegen der Jungs machte er sich keine Gedanken. Die sehnten ganz sicher schon den Tag herbei, an dem sie ihren Chef wieder hatten.
Bei Horstmann sah das schon etwas anders aus. Aber Winkler war optimistisch. Harro und er waren zu lange Kollegen und Freunde, als dass sich das nicht wieder einrenken lassen würde. Am meisten Bauchschmerzen bereitete ihm der Gedanke an Marks. Sie zu überzeugen, dass er nicht anders hatte handeln können, würde nicht leicht werden. Wie er das wieder kitten sollte, darüber musste er sich echt Gedanken machen. Aber nicht jetzt. Alles der Reihe nach und Schritt für Schritt.
Er hatte gerade Paris hinter sich gelassen. Es lagen noch rund 900 km oder auch 9 Stunden Fahrt vor ihm. Heute würde er aber nicht mehr weit kommen. Die Müdigkeit setzte ihm von Minute zu Minute stärker zu. Als die nächste Raststätte angezeigt wurde, überlegte er nicht lange und fuhr ab. Ein paar Stunden Schlaf, dann ein Kaffee, das war es, was er jetzt dringend brauchte. Ob er einen Tag früher oder später ankam, machte nun auch keinen Unterschied mehr. Dachte er.
Kriminalrat Horstmann lag in seinem Bett im Krankenhaus und grübelte. Er musste eine Entscheidung treffen, die ihm nicht leichtfiel. Das Geträller aus dem Fernseher, das ständige Hin- und Herlaufen auf dem Gang und die Geräusche aus den Nachbarzimmern ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Wie sollte er hier einen klaren Gedanken fassen? Daran war nicht im Traum zu denken. Sein Blick ging zum Telefon. Sollte er anrufen? Nein, er hatte versprochen, nicht an die Arbeit zu denken. Als ob das so einfach war. Er konnte nicht einfach einen Schalter umlegen und schon war er im Freizeitmodus. Horstmann kannte Kollegen, die einen solchen Schalter zu haben schienen. Auf ihn traf das definitiv nicht zu. Er hatte noch nie einfach so abschalten können und in letzter Zeit wurde das immer schwieriger. Namen schwirrten durch seinen Kopf. Wie sollte er …? Welche Entscheidung war die Richtige? Gab es die überhaupt?
Sein Telefon brummte. An der Nummer erkannte er die Anruferin: Melitta, seine Frau. Sie wollte bestimmt wissen, wie es ihm ging. Na wie schon? Beschissen! Ihr das zu sagen, brachte er aber nicht übers Herz. Also blieb ihm wieder mal nur die Notlüge. Bevor er das Gespräch annahm, kam ihm zum Glück eine andere Idee und bei der fühlte er sich gleich viel besser. Er würde das Ganze hier abbrechen und nachhause kommen. Hier hielt ihn nichts mehr. Das konnte er ihr sagen. Er drückte auf den grünen Hörer.
„Hallo, mein Schatz. Ich habe eine Überraschung für dich.“
Waisl hatte sich nicht mehr blicken lassen, was Marks mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nahm. Bis zum Feierabend waren die Ermittlungen in die richtigen Bahnen gebracht und das Stimmungsbarometer wieder etwas gestiegen. Auch der nächste Vormittag verging, ohne dass sie etwas von dem Neuen hörten oder sahen. Nicht, dass sie großen Wert darauf gelegt hätten. Nicht nach seinem gestrigen Auftritt.
Zwei Fälle konnte Marks am Nachmittag schon der Staatsanwaltschaft übergeben. Blieb noch einer übrig, der Einbruchdiebstahl in ein Einfamilienhaus am Stadtrand. Marks sah jetzt schon, dass sie den nicht so schnell aufklären würden. Er gehörte zu einer Reihe von ähnlichen Vorfällen, alle in den Stadtteilen Rothensee und Neustädter See. Die Nähe zur A2 ließ auf eine Bande schließen, die sich auf diese Art von Einbruch spezialisiert hatte. Schnell rein, schnell zupacken und noch schneller wieder weg. Marks hatte Frieder mal recherchieren lassen und er konnte ihren Verdacht bestätigen. Entlang der A2 hatte es in den letzten Monaten mehrere solcher Einbruchserien gegeben. Irgendwann war die Region abgegrast und die Bande zog weiter. Jetzt waren sie also in Magdeburg angekommen. Marks hatte so eine Ahnung, dass die Vorfälle auch hier bald wieder aufhören würden. Viel zu machen, war da nicht. Wenn die Gauner nicht zufällig in eine Verkehrskontrolle kamen oder von einem Blitzer erfasst wurden, dann konnten sie leider noch lange so weitermachen.
Weit nach dem üblichen Dienstschluss holte Marks nochmal das Team zusammen, um den anderen ihre Vermutung mitzuteilen. Die Männer stimmten ihr zu. Es lief also darauf hinaus, dass sie den Fall gut dokumentierten. Falls die Fahnder irgendwann einen Treffer landeten, sollte wenigstens alles vorbereitet sein, um einen möglichen Zusammenhang feststellen zu können. Pasold sollte alles zusammenstellen und Frieder dokumentieren.
„Das hat Zeit bis morgen“, verkündete Marks. Den Satz hörten die Jungs doch gern und Pasold fügte hinzu: „Glück gehabt!“
Marks sah ihn an. „Na, so häufig haben wir in letzter Zeit aber auch nicht länger gearbeitet.“
„Das hab ich nicht gemeint.“
„Was dann?“
Pasold machte eine vielsagende Kopfbewegung in Richtung Winklers Schreibtisch. Eigentlich wollte Marks nicht darauf eingehen. Sie wusste ganz genau, dass Pasold dabei nicht an Winkler gedacht hatte. Er schien aber auf Zustimmung zu warten. Die gab’s nicht. Nur ein gemurmeltes: „Abwarten!“.
Frieder hatte genug für heute. Er stand auf und fragte: „Machen wir dann jetzt Feierabend?“
„Nein!“ Nicht der Befehlston ließ alle zusammenzucken. Es war die Stimme, die eindeutig zu Tom Waisl gehörte. Man sah den dreien an, dass sie alle in etwa das Gleiche dachten: Scheiße!
„Tut mir leid, wenn ich hier so reinplatze.“ Man konnte deutlich hören, dass dies nur eine Floskel war. Darum sagte auch keiner was dazu. Waisl erwartete auch keine Reaktion und redete unbekümmert weiter: „Umso mehr freut es mich, dass ich Sie noch erwischt habe.“ Auch das war nur bedingt so gemeint. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie noch da waren. Sein strenger Blick traf Pasold, als er lakonisch hinzufügte: „Glück gehabt!“ Diese Bemerkung ließ nur einen Schluss zu: Er hatte schon eine Weile vor der Tür gestanden und zumindest Teile ihres Gespräches mitbekommen. Marks nahm sich vor, in Zukunft die Tür besser im Auge zu behalten. Pasold fühlte sich natürlich ertappt und drehte sich weg. Bevor Waisl die Röte auf seinen Wangen bemerken konnte, beschloss Marks, dem Spuk ein Ende zu machen.
„Wir wollten gerade Feierabend machen. Es war ein langer Tag.“
„Das verstehe ich, Frau Marks. Leider kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ihre Hilfe wird benötigt.“ Das wollte Marks nicht widerspruchslos hinnehmen. „Sind Sie sicher, dass es nicht bis morgen Zeit hat?“ Zu spät bemerkte sie, dass sie mit dieser Frage Waisls Autorität unbewusst anerkannt hatte. Dumm gelaufen!
Waisl schien kurz zu überlegen, dann nickte er. „Sie haben Recht. Es genügt, wenn Sie und ich uns die Nacht um die Ohren schlagen. Sie beide…“, er schaute Pasold und Frieder an, „…können Schluss machen. Marks, Sie kommen mit mir.“ Ohne weitere Erklärung verschwand er durch die Tür.
„Lauscher an der Wand“, knurrte Pasold ihm hinterher.
„Klappe!“, zischte Marks ihm zu. „Haut endlich ab, bevor er es sich anders überlegt. Wenn es was Wichtiges gibt, ruf ich an.“ Sie schnappte sich ihren Rucksack und folgte dem Neuen.
Sie holte Waisl erst ein, als der schon im Fahrstuhl stand und die Tür aufhielt. Ungeduld schwang in seiner Stimme mit, als er ihr zurief, sie solle sich beeilen. Während der Fahrstuhl hinunterfuhr, spürte Marks, wie er sie von der Seite musterte. Sie tat so, als würde sie die Stockwerksanzeige verfolgen. Auf dem Weg zum Parkplatz brach er endlich das Schweigen.
„Habe ich Ihnen jetzt den gemütlichen Fernsehabend mit Ihrem Freund versaut?“
Also, das war doch die Höhe. Wollte er sie etwa aushorchen? Und dann auch noch so plump. Wenn er in den Befragungen genauso vorging, na dann Prost Mahlzeit. Oder wollte er sie, was noch bescheuerter war, anbaggern? Soweit kam’s noch.
„Wollen Sie mir nicht lieber sagen, wohin und warum wir jetzt unterwegs sind?“ Wollte er nicht, noch nicht. Dafür wollte er wissen, wo ihr Auto stand.
„Sie fahren. Ich kenne mich in Magdeburg noch nicht so gut aus.“ Er hatte den Namen der Stadt so ausgesprochen, wie es gewöhnlich nur Wessis taten: Mag-de-burg, mit langem a und einem g. Natürlich ergriff Marks die Gelegenheit und stichelte.
„Wenn Sie hier ernst genommen werden wollen, dann sollten Sie darauf achten, Machteburch oder wenigstens Machteburg zu sagen.“
„Wie bitte?“ Mit Kritik konnte er also nicht so gut umgehen.
„Ist nur ein gut gemeinter Rat. Manchmal können schon Kleinigkeiten entscheiden.“
Sie waren bei Marks’ rotem Ford angekommen und, was Waisl in Bezug auf Alter und Zustand des Wagens auch hatte sagen wollen, er verkniff es sich. Marks wäre es sowieso egal gewesen. Sie war nur froh, dass sie am letzten Wochenende den Innenraum einer gründlichen Reinigung unterzogen hatte.
„Ich könnte jetzt eine Adresse gebrauchen oder wird das eine Fahrt ins Blaue?“
Waisl nannte ihr eine Adresse in Ottersleben, den Diesdorfer Graseweg. Als sie vom Hof fuhren, rückte er auch endlich mit den restlichen Informationen heraus.
„Männlicher Toter, Todesursache unklar. Der Tote wurde in der Nähe eines Gewässers gefunden.“ Mit dem Gewässer konnten entweder die Klinke oder der Ottersleber Teich gemeint sein. Eigentlich hieß der ja Frankefelder Teich, aber Marks kannte ihn auch nur unter dem anderen Namen. Ihr wurde mulmig. Wenn Wasser im Spiel war, musste man sich auf scheußliche Bilder gefasst machen.
„Wurde der Tote schon identifiziert?“
„Scheint schwierig zu sein. Sieht schlimm aus.“
Na prima! Eine Wasserleiche war genau das, was sie jetzt noch brauchte. „Lag er schon länger im Wasser?“
„Nein, das wohl nicht. Aber genaueres weiß ich auch noch nicht.“
„Wir sind ja gleich da. Ist sowieso besser, wenn wir uns selber ein Bild machen.“ Marks war gespannt, wie Waisl auf eine Wasserleiche reagieren würde. Bis ihr einfiel, dass er vielleicht das Gleiche im Sinn hatte.
Es war der Teich, zu dem sie mussten, wie sie an der weiträumigen Absperrung erkannte. Mehrere Einsatzfahrzeuge waren schon vor Ort und standen am Rand der umliegenden Straßen. Marks wollte nicht lange herumsuchen. Sie strebte sofort den Parkplatz des Supermarktes auf der anderen Seite der Chaussee an. Von dort waren es nur ein paar Meter bis zum Fundort. Als sie ihren Rucksack aus dem Kofferraum nahm, fiel ihr auf, dass Waisl nichts bei sich trug, das nach Ausrüstung aussah. Auch gut. Hauptsache, er stand ihr nicht im Weg.
Marks entdeckte schon von weitem zwei Kriminaltechniker in ihren weißen Anzügen. Eine dieser Gestalten kam auch gleich auf sie zu. Als sie die Maske abnahm, kam Susanne Uhlmanns Gesicht zum Vorschein. Marks und Uhlmann konnten auf einige erfolgreiche Einsätze zurückblicken. Seitdem verband beide eine Freundschaft, die Marks auch gern mal zu ihren Gunsten ausnutzte, wenn es darum ging, schnelle Ergebnisse zu bekommen. Daher hielt sie sich auch nicht lange mit der Vorrede auf.
„Hast du schon was?“
„Dir auch einen schönen Abend, Süße.“
„Bitte Susi, es war ein langer Tag.“
„Wann ist es das mal nicht? Ich freue mich trotzdem, dich zu sehen“
„Ja, ich freue mich auch. Obwohl unsere Treffen immer so einen schalen Beigeschmack haben.“
„Und die Locations sind auch keine Highlights. Aber ich kann nichts dafür, dass unsere Dates immer mit Mord und Totschlag zusammenhängen.“
„Wenigstens sind wir heute an der frischen Luft.“
„Warte, bis du den Rest gesehen hast.“
„Kann’s kaum erwarten. Wurde das Opfer schon identifiziert?“
„Männlicher Toter. Reicht das für den Anfang?“
„Mehr hast du nicht?“
„Wie denn? Er hatte nichts bei sich, keine Brieftasche, keine Papiere und auch kein Handy. Bisher wurde auch noch nichts in der Nähe gefunden, was man ihm zuordnen könnte, also eine Tasche oder einen Rucksack. In seiner Hosentasche steckten etwas Kleingeld, Zigaretten und ein Feuerzeug. Und auf ein Foto brauchst du auch nicht zu hoffen.“
„Hattest du schon angedeutet. Wann wird der Fundort freigegeben?“
„Du kannst ruhig Tatort sagen. Ich bin mir sicher, dass es hier passiert ist. Die Spurenlage deutet daraufhin, dass der Tote nicht hierher transportiert wurde.“
„Okay. Und wie lange braucht ihr noch?“
„Ein paar Minuten müsst ihr euch noch gedulden, dann haben wir alles gesichert. Und keine Bange, wir lassen euch von der Schweinerei noch genug übrig. Schmeißt euch schon mal in die Kostüme.“ Zum ersten Mal hatte Uhlmann Waisl in das Gespräch miteinbezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er einen Schritt hinter Marks gestanden und zugehört. Jetzt meldete auch er sich zu Wort.
„Ist die Rechtsmedizin schon vor Ort?“
„Ist vor einer Stunde eingetroffen. Wir müssen heute mit dem Bereitschaftsdienst vorliebnehmen. Doktor Schilling ist noch an einem anderen Tatort in Burg.“ Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien Waisl das nicht zu gefallen. Marks glaubte sich daran zu erinnern, dass er ursprünglich aus Berlin kam.
„Sie sind aus der Hauptstadt bestimmt was Besseres gewöhnt.“
„Wenn Sie wüssten.“ Das klang eher nach Gegenteil. „Verwöhnt worden sind wir höchstens, was die Menge und die Vielfalt der Delikte betrifft. Das sind ganz andere Kaliber als hier in der Provinz.“ Und schon hatte er mit einem Satz erreicht, dass Marks’ aufkeimendes Verständnis im eisigen Hauch seiner Überheblichkeit verdorrte.
„Na, dann wird Ihnen unser Kleinkram wie ein Erholungsurlaub vorkommen. Den erledigen Sie bestimmt ganz nebenbei.“
„Heißt das, dass Sie es von der Schwere des Verbrechens abhängig machen, wie stark Ihr Interesse daran ist, es aufzuklären?
„Natürlich nicht!“
„Aha. Und wieso unterstellen Sie mir dann so ein Verhalten? Fürs Protokoll: Für mich ist noch nie ein Fall Kleinkram gewesen, egal was es war. Im Übrigen pflege ich mir für meinen Erholungsurlaub schönere Gegenden auszusuchen und nettere Gesellschaft.“ Marks konnte es nicht fassen. Da war sie dem Kerl doch tatsächlich auf den Leim gegangen.
Dass Lydia es ihm nicht einfach machen würde, wieder nachhause zu kommen, damit hatte Winkler schon gerechnet. Doch seine schlimmste Ahnung wurde von der Realität noch übertrumpft. Bevor er dazu kam, die Tür aufzuschließen, wurde sie von innen geöffnet. Seine Frau hatte offenbar schon Ausschau nach ihm gehalten. Ein Lächeln legte sich über Winklers Gesicht. Das verging ihm aber sofort wieder, als er Lydias eisige Miene gewahrte. Sie trat beiseite und ließ ihn eintreten.
Dann ging es Schlag auf Schlag.
Lydia war nicht allein. Ihre Eltern waren auch da. Seine Schwiegermutter spielte mit den Kindern im Garten. Als er zu ihnen gehen wollte, hielt Lydia ihn mit den Worten zurück: „Du gehst jetzt da nicht raus.“
„Ich will doch nur die Kinder begrüßen.“
„Nicht nötig. Sie wissen nicht, dass du heute kommst.“ Bei ihren Worten überlief ihn ein eiskalter Schauer. Die Vorahnung von etwas Endgültigem packte ihn. Aber klein beigeben, wollte er nicht so schnell.
„Dann wird es eben eine Überraschung.“
„Du meinst, so eine Überraschung, wie die, als du einfach ohne ein Wort verschwunden bist? Danke, aber von solchen Überraschungen haben wir die Nase voll.“
„Ich kann das erklären, glaub mir, aber nicht hier im Flur. Lass mich die Kinder begrüßen und dann reden wir.“ Winkler fühlte Ärger in sich aufsteigen und seine Stimme war etwas lauter geworden. Die Reaktion darauf war, dass Lydias Vater aus dem Wohnzimmer herauskam und sich demonstrativ hinter seine Tochter stellte. Nun standen zwei Leute zwischen ihm und den Kindern und das machte Winkler wütend. Was sollte das hier werden? „Ich bin jetzt wieder zuhause, Lydia und alles ist okay. Wenn du weißt, was passiert ist, wirst du es verstehen, glaub mir.“
Es war, als wäre ein Damm gebrochen und all der aufgestaute Frust brach aus ihr heraus. „Okay?! Nichts ist okay! Ich will auch gar nicht wissen, was passiert ist. Es ist mir egal, welchen Teil der Welt du wieder mal retten musstest. Ich habe genug von deinen Geschichten. Wenn dein Job dir wichtiger ist als deine Familie, dann ist das eben so und ich muss das akzeptieren. Was ich nicht muss, ist mich damit abfinden, dass unser Platz erst ganz weit hinten liegt. Damit ist jetzt Schluss.“
Winkler glaubte seinen Ohren nicht zu trauen und er wollte nicht, dass sie weitersprach. Also griff er behutsam ihre Hände und begann, beschwörend auf sie einzureden. „Ich mach es wieder gut, versprochen. Ich rede gleich morgen mit Horstmann und sage ihm, dass ich kürzertreten will, weniger Stunden, weniger Fälle. Er wird ganz sicher einverstanden sein. Dann habe ich mehr Zeit für dich und die Kinder. Und weißt du was? Die habe ich jetzt auch schon. Ich bin ja suspendiert und muss gar nicht arbeiten. Siehst du? Es kommt alles in Ordnung, jetzt wo ich wieder zuhause bin.“
Lydia entzog ihm ihre Hände und trat einen Schritt zurück. „Du bist nicht mehr hier zuhause, Martin. Ich will, dass du gehst. Jetzt sofort!“ Sie machte noch einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei auf etwas, das Winkler bisher nicht aufgefallen war. Da standen zwei Koffer und eine Tasche. Für sie und die Kinder war es zu wenig Gepäck. Für ihn war es mehr als genug.
In diesem Moment wurde ihm alles klar. Sie hatte es geplant. Von dem Augenblick an, als er ihr am Telefon gesagt hatte, dass er heute zurück sein würde. Sie hatte sich die Eltern zur Verstärkung geholt, seine Sachen gepackt und die Tür hatte sie ihm geöffnet, weil sein Schlüssel nicht mehr passte.
„Lydia. Bitte, mach das nicht.“ Es war ein kläglicher letzter Versuch, wie er sich selber eingestehen musste.
„Ich werde die Scheidung einreichen, Martin. Und ich will, dass du dich von mir und den Kindern erst mal fernhältst.“
„Und wo soll ich jetzt hin?“
„Ist mir egal. Warum gehst du nicht dahin, wo du sonst auch bist?“
„Ich kann nicht ins Revier! Ich bin suspendiert!“
„Das habe ich auch nicht gemeint“, parierte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Aus ihr sprach der blanke Hass, als sie hinzufügte: „Deine Freundin hat bestimmt Platz für dich in ihrem Haus.“
Was zum Teufel wollte sie damit andeuten? Bevor Winkler noch etwas sagen konnte, legte ihm sein Schwiegervater die Hand auf die Schulter. „Komm, Martin. Mach es nicht noch schlimmer, als es schon ist. Ich helfe dir mit den Sachen. Wenn du noch was von hier brauchst, ruf mich an.“
Winkler war so geschockt, dass er sich widerspruchslos aus dem Haus führen ließ. Er fuhr los, raus aus Barleben, ohne zu wissen, wohin. Kurz hinter der Ortseinfahrt Magdeburg spürte er, dass er am Ende war. Mit letzter Kraft lenkte er den Wagen auf einen Kundenparkplatz eines Autohauses, bis in die hinterste Ecke. Dort, in der Dunkelheit, wo niemand ihn sah, konnte er es endlich zulassen, dass alles aus ihm herausbrach. Winklers Flüche dröhnten durchs Wageninnere, einer heftiger als der andere, doch sie richteten sich hauptsächlich gegen ihn selbst. Okay, ein paar davon gingen auch an Lydias Adresse. Immer wieder schlugen seine Hände auf das Lenkrad ein. Das alles konnte seine Wut nicht lindern. Er stieg aus, lief um das Auto herum und schrie sich die Verzweiflung von der Seele.
Irgendwann machte auch das keinen Sinn mehr. Die Realität holte ihn wieder ein. Sein Verstand begann zu arbeiten und nach und nach nahm Winkler seine Umgebung auch wieder wahr. Hier konnte er nicht bleiben, soviel war klar. Also überdachte er seine Optionen. Natürlich konnte er in ein Hotel oder in eine Pension gehen. Wahrscheinlich würde er das vorübergehend sogar müssen. Nur bitte nicht heute. Also, wohin konnte er dann? Sein Team? Auf keinen Fall. Die hatten auch so schon genug Ärger seinetwegen gehabt. Grießler? Besser nicht. Lydia und Grießlers Ehefrau hatten sich immer gut verstanden. Noch mehr Vorwürfe konnte er heute wirklich nicht vertragen. Zu Bauer hätte er gehen können. Er war für ihn das gewesen, was einem Freund am nächsten kam, doch Bauer war tot. Kaminov schoss ihm durch den Kopf. In seiner jetzigen Situation hätte er sogar seine Hilfe dankend angenommen. Wenn der es nicht vorgezogen hätte, zu verschwinden und ihn allein zurückzulassen. Was Freunde betraf, sah es wirklich nicht besonders gut aus in seinem Leben. Es gab nur noch einen, den er um ein Bett für die Nacht bitten konnte: Harro Horstmann. Ob der ihm aber nach allem noch helfen würde? Er würde es wohl gleich rausfinden.
Wenig später stand er vor dem Haus in der Hegelstraße und drückte behutsam auf die Klingel. Gleich würde sich zeigen, in wie weit die Spanien-Aktion und alles was damit zusammenhing, zwischen ihnen etwas geändert hatte. Die Gegensprechanlage knackte und eine Stimme fragte: „Ja, bitte?“ Er nannte seinen Namen und wartete. Die Sekunden schienen sich endlos hinzuziehen, doch dann ertönte der Summer und die Haustür sprang auf.
Horstmann wohnte in der dritten Etage. Die Wohnungstür stand einen Spalt offen und Winkler folgte der stummen Einladung. Im schwachen Licht der Deckenleuchten sah er am Ende des langen Flures eine schlanke Gestalt stehen.
„Martin! Seit wann bist du wieder zurück?“ Es war Horstmanns Frau, Melitta, die mit einem warmen Lächeln auf ihn zukam und ihn umarmte. In diesem Moment fiel eine tonnenschwere Last von seiner Seele. Die Gefühle drohten ihn ein weiteres Mal zu überwältigen. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Tränen zu unterdrücken.
„Wo ist Harro?“, fragte er, als ihm bewusst wurde, dass eigentlich er ihn hätte begrüßen sollen.
„Er ist heute nicht da. Kommt aber morgen wieder. Du musst also mit mir vorliebnehmen. Verrätst du mir, was dich um diese Zeit hierher treibt, oder ist das ein Dienstgeheimnis? In dem Fall kann ich dir nur einen Kaffee anbieten und muss dich auf morgen vertrösten.“
„Eigentlich hatte ich auf ein Bett für heute Nacht gehofft. Einen Kaffee würde ich aber auch nehmen.“
„Oh.“ Melittas Augen wurden groß, doch dann fing sie sich schnell wieder. „Natürlich kannst du heute Nacht hier schlafen. Ich mach dir das Gästezimmer fertig.“
Winkler kam sich wie der letzte Arsch vor. Er hatte nicht nur Melittas großzügiges Angebot, im Gästezimmer zu nächtigen, angenommen, er hatte auch noch seinen ganzen Kummer bei ihr abgeladen. Allerdings nur den privaten, nicht den dienstlichen. Er wollte seine Freundschaft mit Horstmann nicht überstrapazieren, indem er dessen Ehefrau mit in alles hineinzog. Seine familiären Probleme reichten auch so schon, um einen ganzen Abend zu füllen. Bei Tee und Schnittchen redete er sich alles von der Seele. Melitta, als aufmerksame Gastgeberin, ließ ihn ausreden. Vielleicht lag es daran, dass sie als Frau eines Polizeibeamten auch beide Seiten der