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Manchmal spült das Meer die unglaublichsten Überraschungen an Land …
In letzter Zeit hat Romy nur noch Pech. Von heute auf morgen muss sie ihre Wohnung und ihre angrenzende Schmuckwerkstatt verlassen. Vorübergehend zu den Eltern zu ziehen kommt nicht in Frage – seit ihr geliebter Adoptivbruder der Familie den Rücken gekehrt hat, ist das Verhältnis zu ihnen schwierig. Zu viele Fragen sind für Romy offen geblieben. Schließlich landet sie auf Sylt. Bei Strandspaziergängen bläst der Wind ihr wunderbar den Kopf frei, und auf dem Wintermarkt kann sie ihre Schmuckstücke verkaufen. Romy findet die schönsten Muscheln am Strand – und sie trifft auf Ed, der ihrem Bruder zum Verwechseln ähnlich sieht. Hat er vielleicht Hinweise? Und hat das Herzklopfen, das Romy bei ihm empfindet, wirklich nur mit der Aufregung um ihren Bruder zu tun? Mit den Gezeiten scheint sich auch ihr Pech in Glück zu wandeln …
Ein Roman, mitreißend wie ein Wintersturm an der See.
Dies ist der vierte Teil der WINTERknistern-Reihe. Alle Romane können unabhängig voneinander gelesen werden. Es erhöht jedoch das Lesevergnügen, mit dem ersten Band zu beginnen.
Die WINTERknistern-Reihe: Plätzchen, Tee und Winterwünsche; Misteln, Schnee und Winterwunder; Sterne, Zimt und Winterträume; Muscheln, Gold und Winterglück; Vanille, Punsch und Winterzauber; Mondschein, Flan und Winterherzen; Engel, Blues und Winterfunkeln; Pancakes, Samt und Winterglanz.
Lesen Sie auch die Insel- und Gipfelfarben-Reihe von Stina Jensen.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Impressum
Über die Autorin
Wunsch-eBook
Die Winterknistern-Reihe
Das Buch
Prolog
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Nachwort
Eine persönliche Bitte
Alle Bücher von Stina Jensen
Leseprobe Sterne, Zimt und Winterträume
Erstausgabe: November 2020
© Stina Jensen
Bahnhofstraße 11
61118 Bad Vilbel
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STINA JENSEN schreibt Insel- und Gipfelromane, romantische Wintergeschichten und Krimis.
Sie liebt das Reisen und saugt neue Umgebungen in sich auf wie ein Schwamm. Meist kommen dabei wie von selbst die Figuren in ihren Kopf und ringen dort um die Hauptrolle in ihrem nächsten Roman. Die Autorin hat ein Faible für authentische Figuren und Geschichten, die genau so passiert sein könnten. Sie mag Familiengeheimnisse und auch ein bisschen Drama. Eben genau das, was das Leben für uns alle bereithält!
Wenn sie nicht verreist, lebt die Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.
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Bisher erschienen:
1. Plätzchen, Tee und Winterwünsche
2. Misteln, Schnee und Winterwunder
3. Sterne, Zimt und Winterträume
4. Muscheln, Gold und Winterglück
5. Vanille, Punsch und Winterzauber
6. Mondschein, Flan und Winterherzen
7. Engel, Blues und Winterfunkeln
8. Pancakes, Samt und Winterglanz
Alle Titel sind in sich abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Manchmal spült das Meer die unglaublichsten Überraschungen an Land …
In letzter Zeit hat Romy nur noch Pech. Von heute auf morgen muss sie ihre Wohnung und ihr angrenzendes Goldschmiedeatelier verlassen.
Vorübergehend zu den Eltern zu ziehen kommt nicht in Frage – seit ihr geliebter Adoptivbruder der Familie nach einem Streit den Rücken gekehrt hat, ist das Verhältnis zu ihnen schwierig. Zu viele Fragen sind für Romy offengeblieben.
Schließlich landet sie auf Sylt. Bei Strandspaziergängen bläst der Wind ihr wunderbar den Kopf frei, und auf dem Wintermarkt kann sie ihre Schmuckstücke verkaufen. Romy findet die schönsten Muscheln am Strand – und sie trifft auf Ed, der ihrem Bruder zum Verwechseln ähnlich sieht. Hat er vielleicht Hinweise? Und hat das Herzklopfen, das Romy bei ihm empfindet, wirklich nur mit der Aufregung um ihren Bruder zu tun?
Mit den Gezeiten scheint sich auch ihr Pech in Glück zu wandeln …
Ein Roman, mitreißend wie ein Wintersturm an der See.
Manche Menschen glauben an Schicksal. Es gibt noch andere Worte dafür: Vorhersehung, Vorbestimmung, Fügung oder auch, wie ich es bisher immer genannt habe: zufällige Ereignisse, die andere Geschehnisse in Gang setzen. Nichts weiter.
Das war vor dem zweiten Dezember. Doch dann sind ein paar Dinge in meinem Leben geschehen, die mich nicht mehr an Zufall glauben lassen. Es ist zu unwahrscheinlich, dass all diese Vorkommnisse eingetreten sind, ohne dass es so sein sollte. Deshalb möchte ich meine Geschichte erzählen, die sich genau so zugetragen hat. Und die mich hierhergeführt hat. An diesen winterlichen Strand auf Sylt, den die Wintersonne in ein unwirkliches Licht taucht, als wäre alles ein Traum. Ein Traum, in dem ich mich nur schwer fortbewegen kann, so wie hier in meinen Stiefeletten im feuchten Sand. Der Wind treibt mir Tränen in die Augen. Wie immer trage ich keine Mütze.
Ich sehe über meine Schulter hinweg, und schon kommen sie über die Düne auf mich zu. Die Menschen, die mir das Schicksal beschert hat. Einen davon liebe ich so sehr, dass ich mich nicht mehr halten kann und ihm entgegenstakse, um ihm um den Hals zu fallen.
Aber ich wollte ja erzählen, wie es dazu kam, dass das Schicksal mich hierhergeführt hat.
Oder war es doch nur ein Zufall?
Alles begann jedenfalls mit riesigem Pech.
An diesem zweiten Dezember vor vier Wochen dröhnte der Lärm der benachbarten Baustelle zu mir nach oben unters Dach des Frankfurter Jugendstilhauses, in dem ich seit vier Jahren lebte. Morgens um sieben hatten die Bauarbeiter gestartet, mit der Baggerschaufel die Grube für das neue Wohnhaus auszuheben, das neben unserem entstehen sollte. Vorher stand dort ein Gebäude, in dem es Probleme mit Asbest gegeben hatte.
Das Malerviertel, wie sich diese Ecke des Frankfurter Stadtteils Sachsenhausens nannte, ist sehr beliebt bei Besserverdienenden. Es ist nicht weit zum Museumsufer und damit zum Main; es gibt erstklassige Schulen und Kindertagesstätten in der Nähe. Die Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel ist optimal.
Unten im Haus lag mein kleines Goldschmiedeatelier mit angrenzender Werkstatt. Als ich dort hinzog, zweifelte ich, ob ich mir das alles auf Dauer würde leisten können, doch es hatte sich gezeigt, dass ich bei der Wahl dieser Location richtig gelegen hatte. Meine potentielle Kundschaft ging jeden Tag am Atelier vorbei. Manche kamen zunächst nur zum Schauen oder Plaudern in den Laden. Aber irgendwann ergab sich ein Geschäft oder eine Weiterempfehlung. Inzwischen hatte ich einen festen Kundenstamm. Und in meiner Wohnung fühlte ich mich pudelwohl – auch wenn der Baulärm mir gerade auf die Nerven ging.
Mein Versuch, das offene Badezimmerfenster zu schließen, scheiterte. Ich rüttelte daran und probierte es erneut. Eigenartigerweise klemmte es heute.
»Hm«, murrte ich ratlos und lehnte den Fensterrahmen nur an, wandte mich zum Waschbecken, um mich für die Arbeit fertigzumachen.
Ich gab jeweils einen Klecks Gesichtscreme auf Nasenspitze, Wangen, Kinn und Stirn. Anschließend verrieb ich alles bis zum Haaransatz. So hatte es meine Mutter früher bei mir gemacht, und ich hatte es bis heute beibehalten. Der Rest der Creme landete auf Hals und Dekolleté – mit vierunddreißig konnte auch dort ein bisschen Pflege nicht schaden, selbst bei meiner dunklen Haut, die fetthaltiger ist als helle.
Gerade war ich im Begriff, mich mit Bodylotion einzureiben, als mein Handy auf dem Ablageschränkchen neben der Toilette vibrierte.
Ich säuberte mir die Finger an einem Handtuch und griff nach dem Gerät.
Was du machst diese Freitagabend, Romy? Anna ist verabredet. :*, las ich.
Ob ich sofort antworten sollte? Oder lieber abwarten? Lange Zeit hatten mich Ennos Nachrichten in freudige Erwartung versetzt, und ich hätte dem Treffen begeistert zugestimmt. Das war, als ich noch daran glaubte, dass Ennos Beziehung zu Anna vor dem Aus stand und er nur auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um mit ihr zu reden. Allmählich bezweifelte ich, dass er das wirklich vorhatte. Im Stillen fragte ich mich sogar, ob er mich nicht an der Nase herumführte. Und nicht nur ich fragte mich das, auch meine Freundin Johanna bestärkte mich in dieser Meinung. Dafür sind Freundinnen immerhin da, die unangenehmen Dinge auszusprechen. Einerseits war ich ihr dankbar dafür, andererseits tat es auch weh. Dabei hätte mir Ennos Unentschlossenheit viel mehr wehtun müssen.
Abwartend wog ich das Smartphone in den Händen. Was, wenn ich ihn aus der Komfortzone locken würde? Johanna hatte mir oft dazu geraten, doch ich fürchtete mich davor. Immerhin bezeichnete Enno seine Frau oft genug als furia, eine Zicke, und ich wollte auf gar keinen Fall eine sein. Dabei, so meinte Johanna, war das psychologische Kriegsführung von meinem Freund.
Zögernd tippte ich: Was ist denn aus deinem Versprechen von Anfang des Jahres geworden, dich noch in diesem Jahr von ihr zu trennen?
Es war keinesfalls zickig, sondern bewies meine grenzenlose Geduld, denn immerhin war es schon Anfang Dezember. Aber ich ahnte ohnehin, was er mir darauf antworten würde. Dass es beruflich kein einfaches Jahr für ihn gewesen sei und dass eine Trennung kein Pappenstiel war, allein finanziell. Und dass es uns doch gutging, so wie es war.
Ihm vielleicht. Manchmal wünschte ich mir verzweifelt, wir wären uns nie begegnet. Dabei hatte das Schicksal uns sogar zwei Mal zueinander geführt. Beim ersten Mal stand ich am Anfang meiner Ausbildung. Ich war gerade zwanzig geworden, träumte davon, zu Hause auszuziehen, und bekam von meinen Eltern einen Kochkurs für zwei geschenkt. Der Kurs hieß »Genial italienisch«, ich nahm eine Freundin mit. Enno war unser Lehrer. Ein leidenschaftlicher Hobbykoch – die Stelle bei der VHS war eigentlich eine Vertretung. Bei seinem Anblick flatterten von der ersten Sekunde an Schmetterlinge in meinem Bauch. Obwohl er fünfzehn Jahre älter war, gehörte er damals schon für mich zu dieser Sorte Männer, nach denen ich mich heimlich umdrehte. Seine Augen leuchteten, wenn er sprach. Enno war schlank, hatte lockiges Haar und eine klassische Nase. Man sah ihm das römische Blut sofort an. Er spielte regelmäßig Tennis und fuhr ein altes italienisches Cabriolet, in dem es im Winter so kalt war, dass die Scheiben von innen gefroren – so seine sehr bildreiche Beschreibung. Seine Hände unterstrichen jedes seiner Worte, und wenn er mit jemandem ins Gespräch vertieft war, dann berührte er ihn am Arm oder an der Schulter, um seiner Sprache mehr Kraft zu verleihen.
Jedenfalls entbrannte zwischen uns ein heftiger Flirt. Es war bald ziemlich auffällig, dass er sich meistens bei mir und meiner Freundin aufhielt und er uns bevorzugte. Eines Tages beschwerte sich eine andere Teilnehmerin bei der VHS-Leitung, und Enno bekam einen auf den Deckel. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits wild entschlossen, ihn privat zu treffen und mit ihm zu schlafen. Das ungelenke Gefummel Gleichaltriger hatte ich satt, ich wollte einen reiferen Mann. Doch Enno zog buchstäblich den Schwanz ein und verhielt sich fortan ausschließlich professionell. Als ich ihn fragte, was los sei, sagte er, er habe eingesehen, ich sei viel zu jung für ihn. Ich war verletzt und litt unter Liebeskummer. Doch wie das meistens so ist: Schließlich vergaß ich ihn.
Erst zwölf Jahre später sollte ich ihn wiedertreffen. Das war jetzt fast zwei Jahre her. Allerdings war er bei dieser neuen Begegnung nicht allein. Ausgerechnet mit seiner zukünftigen Frau kam er in mein Atelier. Die beiden wollten mich mit dem Entwurf ihrer Trauringe beauftragen. Mir wurde regelrecht schwindelig, als ich ihn erkannte – und wie ich an dem erstaunten Aufleuchten seiner Augen sehen konnte, ging es ihm genauso. Sofort loderte da dieses alte Feuer zwischen uns. Und eines war klar: War ich ihm damals vielleicht zu jung gewesen, diesmal war ich genau richtig.
Anna hörte unserem Gespräch, in dem es natürlich erst mal um den damaligen Kochkurs ging, lächelnd zu, schien sich darüber zu freuen, dass ihr Verlobter und ich alte Bekannte waren. Immerhin, so dachte sie vielleicht, würde ich mir dann mit ihren Ringen besonders viel Mühe geben.
Während ich die ersten Entwürfe zeichnete, drehten sich meine Gedanken um diesen Mann, dessen italienischer Singsang mir wie früher in den Ohren nachklang. Wir hatten verabredet, dass das Paar in einer Woche zum Anschauen der Skizzen vorbeikommen würde, doch Enno kam allein. Anna ginge es nicht so gut, sie hatte ihm gesagt, er sollte die Vorschläge ohne sie abholen. Ich bereitete uns einen Kaffee zu, und wir plauderten weiter. Dabei klopfte mir das Herz bis in den Hals.
Beim Abschied zog er mich an sich, und wir küssten uns zum ersten Mal. Danach verließ er hastig das Atelier. Ich blieb zurück, als hätte mich der Blitz getroffen. Die unterschiedlichsten Gefühle tobten in meiner Brust. Zum einen war Enno mein Kunde, und Kunden waren grundsätzlich tabu. Außerdem war er mit einer Frau zusammen, die er demnächst heiraten würde. Und als seine Verlobte mich nur einen Tag später anrief und ihre Begeisterung für meine Entwürfe zum Ausdruck brachte, mich obendrein mit den Ringen beauftragte, nahm ich mir fest vor, Enno sofort wieder zu vergessen. Immerhin war mir das schon mal gelungen.
Doch so easy war das nicht. Die Gedanken an ihn besetzten meinen Geist wie eine Krankheit. Als die Ringe fertig waren, holten er und Anna sie gemeinsam ab. Normalerweise gebe ich den Paaren bei dieser Übergabe einen Sekt aus. Ich tauche das Atelier in ein romantisches Licht und präsentiere den Schmuck auf einem roten Samtkissen. Dazu überreiche ich dann dezent die Rechnung. Auch diesmal zog ich die Sache durch, aber ich dachte an nichts anderes als an diesen Kuss. Und Enno starrte andauernd auf meine Lippen.
Bei der Verabschiedung schwor ich mir erneut, ihn nie wiederzusehen.
Sechs Monate später klopfte es eines Abends an die Eingangstür des Ateliers. Ich war in meiner Werkstatt, die an den Laden grenzt, legte eine begonnene Arbeit beiseite und ging zur Tür.
»Ciao«, sagte Enno und sah mich unverwandt an.
»Komm doch rein«, erwiderte ich.
Enno war ein fantastischer Liebhaber. Noch nie hatte ein Mann sich im Bett so um mich gekümmert wie er. Er wäre niemals nach Hause gegangen, ohne dass ich befriedigt war. Das ging jetzt seit anderthalb Jahren. Seitdem wartete ich auf den Moment, dass er ihr von mir erzählen würde. Dass er sich zu seinen Gefühlen für mich bekannte. Auch wenn Anna mir leidtat und ich Schuldgefühle hatte, das schon. Vielleicht liebte sie ihn.
Seufzend löschte ich meine fordernde Nachricht, in der ich ihn an sein Versprechen erinnerte – ich traute mich nicht.
Frustriert legte ich das Handy wieder zurück und schlüpfte in Unterwäsche, Jeans und einen zartgelben Wollpullover; zum Abschluss knetete ich Öl in mein schulterlanges Haar. Meine Naturkrause habe ich von meinem Vater geerbt, der aus Ghana stammt. Enno liebte es, seine Finger in meinem Haar zu versenken und mein Gesicht zu betrachten, von dem er meinte, es erinnerte ihn an das einer Porzellanpuppe. Dabei weiß ich gar nicht, ob es dunkelhäutige Porzellanpuppen überhaupt gibt.
In diesem Moment schlug die Uhr an der benachbarten Bonifatiuskirche zehn.
Ich musste los! Vormittags hielt ich mein Atelier immer für zwei Stunden geöffnet, nachmittags noch einmal. Dazwischen arbeitete ich in der Werkstatt. Heute musste ich dringend mit einer Auftragsarbeit vorankommen. Ein Verlobungsring – diese und Trauringe waren meine Haupteinnahmequelle. Der Mann, der ihn in Auftrag gegeben hatte, wollte seiner Freundin an Heiligabend den Antrag machen.
Glücklicherweise hatte mein eigenes Liebeschaos mir nie die Freude am Glück anderer genommen. Es bereitete mir noch immer wahnsinnig viel Spaß, durch meinen Schmuck zwischen zwei Liebenden eine Verbindung zu schaffen.
Melde mich später, muss jetzt los, tippte ich an Enno und versuchte abermals, das Badezimmerfenster zu schließen. Der Staub aus der Baugrube zog herein. Aber es klemmte noch immer. Wenigstens legten die Arbeiter eine Pause ein; die Baggergeräusche waren verstummt.
Enno schickte zur Antwort einen Kussmund. Gleich würde er den Chatverlauf in seinem Handy löschen. In seinen Kontakten war ich unter Romy Mensah, Goldschmiedin Sachsenhausen eingespeichert. Anna würde darüber keinen Verdacht schöpfen.
Aus der Ferne näherte sich ein Martinshorn. Dank nahegelegener Feuerwache und Krankenhaus ging das manchmal den ganzen Tag.
Ich griff nach der Kaffeetasse und stellte sie zu dem anderen Geschirr in die Küchenspüle. Im Flur schlüpfte ich in Stiefeletten, zog für den kurzen Weg zum Atelier eine Strickjacke über und rückte eine Falte im Teppich gerade. Ein handgeknüpfter aus Ghana. Mein Blick fiel auf die kleine Ahnengalerie mit Schnappschüssen von Papas Geschwistern und deren Sprösslingen. Es gab auch ein paar Fotos von Mama mit meinen Großeltern. Opa stammte aus dem Allgäu, er trug noch immer jeden Tag seinen Hut mit Gamsbart. Zwei Bilder zeigten meine Eltern, meinen drei Jahre jüngeren Adoptivbruder Atti und mich aus glücklicheren Zeiten.
Mein Bruder hatte uns vor über einem Jahr plötzlich den Rücken gekehrt, und ich vermisste ihn seither entsetzlich. Ich wusste nicht einmal, wieso er alle Zelte hinter sich abgebrochen hatte. Es musste einen schrecklichen Streit zwischen ihm und unseren Eltern gegeben haben, danach sah ich ihn nur noch einmal und hatte seitdem nichts mehr von ihm gehört. Immer wieder fragte ich mich, wo er bloß stecken mochte und ob er überhaupt noch am Leben war.
Seufzend schüttelte ich die Gedanken an meinen geliebten Bruder ab und schlüpfte endlich aus der Wohnungstür ins Treppenhaus, betrat die erste Stufe, die heute knarrte. Genauso wie die nächsten, die ich auf meinem Weg hinab nahm. Offenbar kam das Haus allmählich in die Jahre.
Das Martinshorn war nun laut zu hören, so, als hielte die Polizei auf unsere Straße zu. Ich spähte aus dem Treppenhausfenster. Was war da unten eigentlich los? Eine Menschentraube hatte sich auf dem Bürgersteig gegenüber gebildet, alle starrten nach oben. Schon hörte ich Stimmen aus dem Parterre zu mir heraufschallen. Aufgeregte Rufe. Direkt vor der Scheibe kam ein Leiterwagen der Feuerwehr zum Stehen. Himmel. Brannte etwa unser Gebäude? Aber dann hätte ich doch den Qualm gerochen! Das Herz in meiner Brust trommelte wie verrückt. Schon oft hatte ich mich gefragt, was den Menschen in den letzten Minuten ihres Lebens durch den Kopf gehen mochte. Wenn sie realisierten, dass sie aus einer Situation nicht mehr lebend herauskamen. Wie fühlte man sich in einem Auto, das auf nasser Straße ins Schleudern kam und wenn der Betonpfeiler auf einen zuraste? Oder in einem abstürzenden Fahrstuhl? In einem brennenden Tunnel? Oder wenn ein Haus in Schieflage geriet. War es das, was hier geschah? Hatte deshalb mein Fenster geklemmt?
Alarmiert hetzte ich nach unten. Im Erdgeschoss drängte jemand die sechsundachtzigjährige Mieterin, umgehend das Haus zu verlassen. Von draußen ertönte eine Megafondurchsage, mit der die Bewohner des Gebäudes mit der Nummer siebzehn aufgefordert wurden, alles stehen und liegen zu lassen.
Endlich war ich unten. Zusammen mit der alten Frau, die noch im Morgenmantel und in Pantoffeln steckte, trat ich aus dem Haus, hakte sie ein und half ihr auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Von dort wanderte mein Blick die Hauswand hinauf. Ein Riss zog sich vom Dachgebälk einmal quer über die Fassade. Von ihm splitterten zahlreiche weitere Spalten nach oben und unten ab. Wie ein Blitz, der ins Gebäude gefahren war.
Entsetzt wandte ich den Kopf zur Eingangstür des Ateliers. Im Gegensatz zum benachbarten Bestatter, dessen Fensterfront an die Baugrube grenzte, lag mein Laden an der anderen Hausecke neben einer Hofeinfahrt. Diese Seite des Hauses sah unbeschädigt aus.
Eben wurden alle Bewohner von der Feuerwehr aufgefordert, sich ein paar Häuser weiter hinter eine Absperrung zu begeben, die soeben gespannt wurde. Wie betäubt trottete ich zusammen mit den anderen dorthin. Alle redeten durcheinander. Das Haus müsste sich »gesetzt« haben. Ob man das wohl noch mal richten könnte? Ob wir noch ein paar Sachen retten dürften? Eine Frau weinte bitterlich, malte den Teufel an die Wand, wir hätten alles verloren. Sie hätte doch den ganzen wertvollen Schmuck einer Erbtante bei sich in der Wohnung. Den würde ihr doch niemand ersetzen, wenn das Haus in sich zusammenfiel. Und wo man jetzt unterkommen sollte – über Weihnachten würden die doch garantiert nicht mit der Sanierung beginnen.
Ihre Panik übertrug sich auf mich. Mein Atelier!
In meiner Handtasche kramte ich nach dem Schlüssel. Ob ich mich einfach hineinschleichen sollte? Hilfesuchend wandte ich mich an einen Herrn vom Technischen Hilfswerk. Noch könnte man nichts Genaues sagen, beantwortete er meine Frage, ob ich ein paar Arbeitsutensilien und wertvolle Materialien retten dürfe; zuerst müsse wegen der Statik das Haus abgestützt werden. »Sicherheit geht vor!«
Die Menschen aus den umliegenden Häusern luden uns ein, uns in ihren Wohnungen aufzuwärmen, was meine alte Nachbarin dankend annahm. Jemand verteilte Tee an die, die draußen warten wollten. Inzwischen war auch unser Vermieter, Herr Wenzel, eingetroffen, er versprach, uns auf dem Laufenden zu halten. Jetzt sollten wir erst einmal schauen, wo wir vorübergehend unterkommen könnten. Sein Gesicht leuchtete rot, als stünde er kurz vorm Kollaps.
Ich rief meine Eltern an, die in einem nahegelegenen Stadtteil wohnten, und berichtete ihnen von der Katastrophe. Sie sagten, ich sollte mich auf den Weg zu ihnen machen, das könnte noch Stunden, wenn nicht Tage dauern, bis ich wieder ins Haus dürfe. Irgendein Bekannter hätte schon mal etwas Ähnliches durchgemacht.
Bald darauf saßen wir in ihrer Küche zusammen und gaben uns weiteren Spekulationen hin. Ich stand unter Schock. Fühlte mich so erschöpft, als hätte ich die Nacht durchgefeiert. Fest stand, dass ich ein paar Tage bei ihnen unterkommen musste, bis ich eine Ersatzwohnung finden würde. Oder ein Zimmer in einer WG.
»Du kannst so lange hierbleiben, wie du möchtest«, bot Mama an.
Doch das wollte ich nicht. Zu vieles stand nach Attis Verschwinden zwischen uns. Sobald ich mit meinen Eltern über meine Ängste um ihn sprechen wollte, blockten sie ab. Auch wenn feststand, dass etwas zwischen ihnen vorgefallen sein musste, bevor er verschwand – sie wollten mir partout nicht sagen, worum es sich handelte. Ich war zu jenem Zeitpunkt im Urlaub auf Korfu gewesen. Atti tauchte danach zunächst nur für eine Woche unter. Durch Nachfragen bei seinem Chef – Atti hatte Masseur gelernt und war in einer Massagepraxis angestellt – erfuhr ich später, dass mein Bruder dafür sehr kurzfristig eine Woche Urlaub beantragt hatte, um nach seiner Rückkehr völlig unvermittelt zu kündigen und um sofortige Freistellung zu bitten.
In jenen Tagen kam er auch zu mir, die ich davon damals noch nicht das Geringste ahnte, und bat mich um Geld. Es sei für einen guten Zweck, sagte er. Natürlich wollte ich wissen, wofür genau und weshalb er sich so seltsam benahm, denn er tigerte die ganze Zeit rastlos in meinem Wohnzimmer hin und her. Und dann – bevor er zu einer Erklärung ansetzen konnte – klingelte mein Handy. Ausgerechnet. Es war Enno, der sich ja höchst selten telefonisch bei mir meldete. Ich bat Atti, kurz zu warten, aber er gab mir ein Zeichen, er müsse los. Drängte, ich solle ihm das Geld sobald wie möglich überweisen, ich bekäme es zurück.
Wie hätte ich ahnen können, dass es das letzte Mal war, dass ich ihn sah? Ich überwies ihm das Geld, dachte ja, wir sprechen noch einmal ausführlich darüber. Würden vielleicht sogar einen Rückzahlungsplan oder etwas Ähnliches vereinbaren. Doch nachdem er sich ein paar Tage lang nicht gemeldet hatte, kam mir das alles komisch vor. Ich schickte ihm Nachrichten, ob alles okay sei. Keine Antwort.
Meine Eltern wussten angeblich auch nichts Näheres.
Schließlich erhielt ich eine Message von meinem Bruder, bis heute die letzte.
Hi. Danke für die Kohle. Wollte nur sagen, ich bin dann weg. Ich fange ein neues Leben an, ist besser so. Such nicht nach mir, vielleicht melde ich mich irgendwann mal, wenn ich das alles verkraftet hab. Aber vielleicht auch nie. Atti.
Erschrocken schrieb ich zurück, bombardierte ihn mit Fragen, doch Funkstille. Ich rief an, er nahm nicht ab.
Ich leitete die Nachricht an Mama weiter, die mehrere Stunden brauchte, um mir zu antworten, nämlich: Da kann man nichts machen.
Mein Herz raste vor Ratlosigkeit und Furcht. Was ist zwischen euch vorgefallen? Was muss er verkraften??, tippte ich und erntete Schweigen.
Ich fuhr zu Attis Wohnung – einer Zweizimmerwohnung in Bahnhofsnähe – doch sein Name war nicht mehr an der Klingel. Ich läutete trotzdem. Ein junger Typ öffnete mir, ein Student, der sein Glück kaum fassen konnte, wie schnell das mit dieser Wohnung gegangen war. Dem Vormieter hätte er für die Möbel Abstand bezahlt.
Erst dann rief ich auf Attis Arbeit an und erfuhr von der Kündigung. Panisch begab ich mich auf den Weg zum Boxclub, wo er seine halbe Freizeit verbrachte; aber auch dort wusste niemand etwas.
Es dauerte ein paar Tage, bis mir dämmerte, dass er wirklich alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte. Unter seiner Nummer ertönte schließlich die Ansage: kein Anschluss. Natürlich hatte ich auch das Internet nach ihm befragt. Atti heißt wie ich mit Nachnamen Mensah – einer der häufigsten Familiennamen im westafrikanischen Raum. Wenn man nach einem Mann fahndet, dessen Name Charles Kofi Ata Mensah lautet, erhält man unzählige Treffer. Alles, was ich fand, war nutzlos. Und alle Fragen, die ich meinen Eltern stellte, blockten sie weiterhin ab.
Ich verschwieg ihnen allerdings auch etwas. Seit ich Atti das Geld geliehen hatte, war ich finanziell klamm. Von beidem ahnten sie nichts. Zehntausend Euro. Natürlich hätte ich es ihnen sagen und sie um Unterstützung bitten können, aber ich wollte nicht, dass mein Bruder in ihren Augen noch mehr sank. Er hatte es immer so viel schwerer gehabt als ich. Während sie von allem, was ich anpackte, stets begeistert waren und mich unterstützten, verursachte Atti nur Stirnrunzeln und Zweifel. Worüber hatten sie sich diesmal nur so schrecklich überworfen?
Obwohl ich meine Eltern über alles liebe, war unser Verhältnis seitdem angespannt. Ich hätte unmöglich längerfristig bei ihnen wohnen können. Zum Glück meldete sich am späten Nachmittag mein Vermieter und teilte mir mit, ich dürfe zumindest kurzfristig ins Atelier, um die Dinge herauszuholen, die ich für meine Arbeit benötigte.