Nicht normal, aber das richtig gut - Denise Linke - E-Book

Nicht normal, aber das richtig gut E-Book

Denise Linke

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Beschreibung

Schwer zu sagen, wie viele der kuriosen und komischen Dinge, die ihr im Alltag widerfahren, im Zusammenhang mit ihren Diagnosen stehen - vermutlich viele. Warum Menschen auf sie anders reagieren, kann sich die Studentin und Journalistin erst erklären, als der damals 22-Jährigen Asperger diagnostiziert wird. Das Enttäuschendste: Sie kann keinen einzigen Rainman-Trick. Das Schönste: Fast alles andere. Außer den Vorurteilen, gegen die sie angeht. Sie startet ein Crowd-Funding-Projekt und bringt 2014 die Zeitschrift »N#MMER. Magazin für Autisten, AD(H)Sler und Astronauten« heraus, die ein gewaltiges Echo erfährt. In ihrem Buch erzählt sie, wie es ist, sensorisch hochempfindlich durch die Welt zu gehen, und was es bedeutet, Freundschaften zu führen und zu lieben, wenn soziale Interaktionen wie Händeschütteln und das Halten von Blickkontakt Anstrengung kosten. Ihr Leben erscheint darin so reich, intensiv und vielschichtig, dass der Normalo zuweilen neidisch wird. Und begreift, warum sie sich ihre »Ticks« nicht einfach wegtherapieren lassen will. Und dass es gut ist, wenn manche Menschen anders sind.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.berlinverlag.de

In zahlreichen Fällen wurden Namen und charakteristische Merkmale von Personen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte verändert.

Redaktion: Oliver Kobold

Übersetzung aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2015

ISBN 978-3-8270-7841-4

© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, München / Berlin 2015

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Von Katzen und Menschen

Am meisten von allen Dingen, die mich retten, hilft wahrscheinlich, dass ich keinen Alltag habe. Und am meisten von allen Dingen, die bei mir regelmäßig für Panikattacken sorgen, quält mich wahrscheinlich, dass ich keinen Alltag habe.

Alltag, das klingt einengend und klein und schnürt mir die Kehle zu.

Keinen Alltag zu haben, fühlt sich dagegen an wie ein freier Fall.

An guten Tagen genieße ich, wie alles in rasender Geschwindigkeit an mir vorüberzieht, die Welt sieht dann aus wie mit Wasserfarben hingetupft. Ständig neue Reize, dauernd lachen, Bewegung immerzu. Dann ist mein ganzer Tag eine Tanzszene aus einem Baz-Luhrmann-Film. Es gibt keine freie Sekunde, um nachzudenken. Um in Ruhe irgendwo zu sitzen und zu spüren, wie meine Gedanken im Kreis geschleudert werden, so schnell, dass die Zentrifugalkraft sie gegen meine Stirn presst und ich Kopfschmerzen von ihnen bekomme. Je schneller und lauter das Leben, desto leiser sind die an mir nagenden Erinnerungen und die mich lähmenden Ängste.

An schlechten Tagen lege ich zu lange Pausen ein, weil ich mich erholen muss. Weil die Rastlosigkeit mich sonst überfordert. Dann ist es plötzlich nicht mehr aufregend und inspirierend, keinen Alltag zu haben. Dann wirkt der Alltag auf einmal wie die einzige Struktur, die mein zerbröselndes Leben noch vor dem totalen Chaos bewahren könnte.

Meine Aufmerksamkeitsdefizite und meine Hyperaktivität, kurz: mein ADHS, machen es mir unmöglich, in den Stand-by-Modus zu gehen. Ich sende und empfange immer – egal ob es erforderlich ist oder nicht. Passiert nicht genug, drehe ich mich um meinen Kern wie ein Perpetuum mobile. Mein Autismus macht es jedoch unumgänglich, Ruhezeiten einzulegen, um die leergesaugten Batterien wieder aufzuladen. Ein ewiges Hin und Her.

Heute ist jedoch alles anders.

Heute sitze ich allein in meinem Schlafzimmer, tippe vor mich hin und werde höchstens von meinen zwei Katern, Michael Jackson und Elvis Presley, gestört. Manchmal wenn ich in Michaels Augen zu viel arbeite (soll heißen: zu wenig mit ihm kuschele), schubst er meinen Computer mit dem kleinen Katerkopf weg und legt sich einfach zwischen die Tastatur und mich. Ich bewundere seine Hingabe, denn für eine Katze ist es ein schwieriges Unterfangen, einen Laptop zu bewegen. Ich sitze dann da, bringe es nicht übers Herz, Michael von seiner Mission abzuhalten, und warte geduldig, bis er sein Werk vollbracht hat und endlich seine Massen an rot-weißem Fell an meiner schwarzen Hose reiben kann. Dabei schnurrt er so laut, dass ich beim Bauchkraulen ein ums andere Mal vorsichtig nachtaste, ob er nicht vielleicht aus Versehen ein kleinmotoriges Auto verschluckt hat.

Gelegentlich muss ich meine Arbeit unterbrechen, weil ich zu sehr abgelenkt werde. Wenn mein Nachbar seinen Fernseher wieder zu laut dreht, meine Mutter telefoniert, die Katzen meckern. Es fällt mir nicht leicht, mich auf das zu fokussieren, was vor mir liegt. Und es ist erst recht nicht leicht, Dinge zu tun, die kompliziert sind.

Und doch sitze ich jeden Tag an meinem Computer. Bis spät in die Nacht huschen meine Finger über die Tastatur, lese ich, kommuniziere ich, spiele ich. Die Lampe über mir und die Lampe neben mir werfen Lichtkegel in den Raum, mein Rücken schmiegt sich an den weißen Ledersessel. Mein Schreibtisch droht jede Sekunde zusammenzubrechen, weil jeder Zentimeter von ihm mit Buntstiften und Post-its, Tage- und Wörterbüchern, Kerzen und Zettelbergen bedeckt ist. Seit ein paar Wochen besitze ich akkurat sortierte Leitz-Ordner, wenigstens waren sie das, als meine Mutter sie gekauft und eingerichtet hat. Alles nicht Eingeheftete flattert beim kleinsten Luftzug wild über die dunkle Fake-Holz-Tischplatte.

Selbstständigkeit ist ein Segen, weil ich meinen eigenen Ablauf haben und Dinge so tun kann, wie ich sie nun einmal tue. Und sie ist ein Fluch, weil sie ein Maß an Organisation und Disziplin abverlangt, das höchstens einem preußischen General zumutbar ist. Aber ganz sicher nicht mir.

Das Schreiben ist mir hingegen schon immer leicht gefallen. Es hilft mir auch dabei, mich zu erinnern. Es gibt mehrere Theorien und Studien, die behaupten, dass Autisten Probleme damit hätten, sich zu erinnern. Fakten ausgenommen, aber auch nur vorausgesetzt, die Fakten sind für den Autisten interessant.

Natürlich kann man dieses Phänomen, so wie alle anderen Erkenntnisse zum Autismus, nicht pauschalisieren. Auf mich trifft es aber zu. Ich war schon immer sehr gut darin, mir Zahlen oder Fakten zu merken, wenn mir etwas in meinem Gehirn sagte, dass ich diese Zahlen wissen sollte. Ich weiß von meinen vier Konten alles: Kontonummern, Bankleitzahlen, Filialkürzel, PINs und seit Neuestem auch IBANs und BICs. Ich weiß die wichtigsten Telefonnummern und auch noch einige aus der Grundschulzeit, die ich, aus mir unbekannten Gründen, wahrscheinlich nie wieder vergessen werde. Ich weiß mein Buchstaben-und-Zahlensalat-WLAN-Passwort sowie die Postleitzahlen und Hausnummern der Wohnungen, in denen ich bisher gelebt habe (insgesamt sieben).

Ich weiß aber nicht, was ich an meinem vierundzwanzigsten Geburtstag gemacht habe. Oder an dem davor. An die letzten beiden Jahre erinnere ich mich überhaupt nur vage. Ich weiß nicht mehr, wie der Urlaub auf Zypern 2013 verlaufen ist. An meine letzten Reisen, die nach New York und Florida, kann ich mich zwar noch erinnern, aber auch nur, weil sie erst vor Kurzem stattfanden. Es wird nicht lange dauern, bis auch sie nicht mehr da sind. Obwohl – sie sind schon noch da, ich finde sie bloß nicht mehr.

Lange Zeit war ich überzeugt davon, dass mein Gehirn damit beschäftigt ist, alles zu löschen. Es kam mir vor, als versuchte ich, lauter MP3s auf einer Diskette zu speichern. Weil die Diskette natürlich viel zu wenig Speicherplatz besitzt, muss andauernd alles Alte gelöscht und mit Neuem überspielt werden.

Aber das stimmt gar nicht. Von wegen Diskette. In meinem Kopf befindet sich eine gigantische Festplatte, die so unaufgeräumt ist, dass man absolut nichts mehr findet. Wie ein Teenager-Schlafzimmer. Irgendwo wird wohl alles sein, es kommt ja nichts weg. Aber wo sich etwa unter dem Berg von Klamotten und Papier eine bestimmte CD befindet, weiß man nicht mehr. Irgendwann vergisst man, dass man die CD überhaupt besitzt, und findet sie dann zufällig beim Aufräumen, wenn man eigentlich etwas ganz anderes sucht. Egal was ich tue, um Ordnung in mein Chaos zu bringen, es ist schlichtweg vergebens.

Wenn ich schreibe, erinnere ich mich aber plötzlich an Begebenheiten, an die ich eine Ewigkeit nicht mehr gedacht habe.

Alles wird dann ganz still, nichts um mich herum nehme ich noch wahr. Dabei gibt es hier vieles, das es wahrzunehmen lohnt.

Es ist Frühling, und vor meinem Fenster blühen die Kastanienbäume im schönsten, kräftigsten Rosa. Vögel singen und kreischen und zirpen und flattern, Kinder spielen vor dem Haus.

Wenn es noch ein bisschen wärmer wird, kommen die Musiker wieder, die einmal am Tag, immer gegen 18Uhr, durch meine Straße schlendern, Trompeten und andere Instrumente spielen und mit Trinkgeldhüten unter unseren geöffneten Fenstern herumturnen. Ich liebe das. Jeden Abend stelle ich mich auf den französischen Balkon im Wohnzimmer und lausche, während sie immer näher kommen, spielen und scherzen.

Gegenüber von unserem Haus befindet sich ein kleiner Laden für Holzblasinstrumente, der im Sommer nie die Tür schließt. Kunden probieren Saxophone und Oboen aus, und wenn nicht viel los ist, nimmt der Besitzer selbst eine Klarinette in die Hand und erfüllt die ganze Straßenschlucht mit wundervoll fremdartigen Melodien. Und im Haus nebenan wohnt eine Klavierlehrerin. Der kleine Hof, den wir teilen, trägt die Töne ihres Klaviers wie ein Grammofon in unsere Küche.

Aber fünf Minuten am Tag gehören den Trompetern. Dann verstummen Laden und Lehrer, Kunden und Schüler, die Nachbarn treten an ihre Fenster und versuchen, mit ihren Münzen den alten braunen Hut zu treffen.

Ein Baumhaus ohne Tür

Im Sommer 2011 hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, nach Los Angeles zu fliegen und drei Monate dortzubleiben. Drei Monate können eine verdammt lange und teure Zeit sein, besonders in einer Stadt, in der man für ein Loch achthundert Dollar Miete im Monat bezahlt.

Und wenn ich »Loch« sage, dann meine ich das ziemlich wörtlich.

Mein Zuhause war eine Ecke, die mit Brettern notdürftig vom Rest des Zimmers abgetrennt wurde. Sie war ungefähr so groß wie die bettgestelllose Matratze, die ich von meinem Vorgänger übernahm. Es blieb bloß noch Platz für ein winziges Bücherregal und für eine Stange, an die man mit Glück zehn Kleidungsstücke hängen konnte, bevor sie herunterkrachte.

Außerdem durfte ich für diesen Spottpreis die Wohnküche benutzen, den Balkon und ein kleines Bad, das ich mir mit riesigen Spinnen teilen musste.

Ich war abends angekommen. Ryan hatte mich abgeholt.

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