Nietzsche: Krankheit und Wirkung - Wilhelm Lange-Eichbaum - E-Book

Nietzsche: Krankheit und Wirkung E-Book

Wilhelm Lange-Eichbaum

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Beschreibung

Nietzsche gehört zu den berühmtesten Erscheinungen der deutschen und der internationalen Kulturwelt. Seine Werke haben einen riesigen Widerhall gefunden, und von Hunderttausenden wird er als Genie gefeiert und verehrt. Sein Lebensschicksal gibt zu unaufhörlichen Diskussionen Anlass.
Nietzsche wurde 1844 geboren und verfiel mit 44 Jahren 1888 in schwerste Geisteskrankheit, die schlagartig zur Verblödung führte und die bis zu seinem Tode 1900 andauerte. Die Nietzsche-Verehrer werden über ihn Dinge hören wie wohl noch niemals. Verehrungstrieb und Illusion werden bitter leiden müssen. Aber im Laufe der Kulturgeschichte der Menschheit ist, auf die Dauer, Wahrhaftigkeit noch immer Sieger geblieben.

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Wilhelm Lange-Eichbaum

NIETZSCHE -KRANKHEIT UND WIRKUNG

1946

© 2022 Librorium Editions

ISBN : 9782383835677

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

ERSTER TEIL: Nietzsche als psychiatrisches Problem

1. Einleitung

2. Diagnose und Krankengeschichte

3. 1889-1900. Turin, Basel, Jena, Naumburg, Weimar

4. Die Diagnose

5. Die Lues-Infektion und die frühluische Meningitis 1865

6. 1873. Die tertiäre Hirnsyphilis

7. Von Februar 1880 bis Dezember 1888 Übersicht über Psychologie und Produktion

8. Die Psychopathie und Abstammung

9. Das Problem vom Februar 1880 Hirnsyphilis und Paralyse

10. Kann die Paralyse eine Produktion fördern?

11. Inspirationen, Ekstasen und mystische Erlebnisse

12. Inhalt der Inspirationen: Übermensch und ewige Wiederkunft

13. Einbuße an Intelligenz 1880 bis 1888?

14. Schema der luetischen Erkrankungen Nietzsches

15. Paralyse und das Problem ”Genie und Irrsinn”

16. Nietzsches Zerstörungslust

17. Möbius und die Kritik von Nietzsches Werken

18. Der „Wille zur Macht” und die Psychologie des Autors

19. Nietzsche als Gefahr für Unreife

20. Schlusswort Nietzsches

21. Ausklang

22. Entstehung der Werke

ZWEITER TEIL: Nietzsches Wirkung

I. Entstehung des Ruhms und seine Wertung

II. Nietzsche „schafft” den Übermenschen

III. Umsetzung der Lehren in die Tat

1.Die Psychologie des Machtgefühls

2. Von der mitleidlosen Härte

3. Die Ausmerzung lebensunwerten Lebens

4. Züchtung einer Führer-Schicht? Genie-Züchtung?

5. Die Psychologie des führenden Politikers

Zusammenfassung

Ausklang

Literatur

Anhang

Erklärung von Fremdwörtern

Der Menschlichkeit gewidmet

Vorwort

Nietzsche, den stillen, feinen, geistvollen Gelehrten, mitleidig und zartfühlend, kannte 1887 fast noch niemand. Die Geistesstörung Ende 1888 ließ die Freunde und die Welt aufhorchen.

Aber nach 1933 verkehrten im Nietzsche-Archiv zu Weimar des öfteren zwei fanatisch-extreme Machtpolitiker: Hitler und Mussolini. Und Hitler schenkte seinem intelligenteren Vorbild Mussolini eines Tages sämtliche Werke von Nietzsche in Gold gebunden. Denn beide waren Anhänger von Nietzsches Lehren, und der Geist des „Willens zur Macht” schwebte über ihnen gemeinsam. Der zurückhaltende, einsame Denker Nietzsche hatte sein Werk „Der Wille zur Macht” „auf eine Katastrophe hin bauen” wollen; die Erde würde sich in „Konvulsionen” winden – und den „herrschenden Naturen sei alles erlaubt” – sogar die „Wollust des Zerstörens” müsse den späteren Gesetzgeber erfüllen. –

Wie reimte sich das alles? Die „Katastrophe” kam. Ein grauenvoller Krieg zertrümmerte Nietzsches Vaterland. Nicht mehr wie einst im Boxerkrieg in China konnte es heißen: „The Germans to the front!” Abgründe voll Entsetzen gähnten ungeahnt auf. Nun müssen endlich die Frauen in die Front, voll Mitleid und Warmherzigkeit, voran als Führerin die Göttin der Menschlichkeit. Ihr Feind ist der neue „technische Gorilla”, zu dem sich der Mensch zu entwickeln scheint. Sie gebieten dem „technischen Gorilla”: Halt! Du kommst aus dem Dunkel des Urwalds, aber deine Intelligenz der Technik ist derart gewachsen, dass du all deine tierischen Instinkte, Grausamkeit, Machtgier, Futterneid und Hass, nach Herzenslust austoben kannst. Doch zurück in den Urwald und sein Dunkel! Wir schreiten ins Licht einer ethischen Höher-Entwicklung des Menschen. Der „Krieg des Irrsinns” ist aus.

Rätsel über Rätsel um den einsamen Denker von Sils-Maria ... Wie kam dies alles –?

Der erste Abschnitt dieses Buches „Nietzsche als psychiatrisches Problem” ist aus einem Vortrag entstanden, den der Verfasser Mitte März 1945 vor der gesamten psychiatrischen Universitätsklinik in Hamburg gehalten hat. Der Ordinarius, Prof. Dr. Bürger-Prinz, war dafür, die Arbeit sofort auf Universitätskosten drucken zu lassen, und hat sie mit einem Vorwort beehrt. Der Vortrag wurde dann noch im April 1945 unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten gedruckt (von Anton Lettenbauer, Hamburg, persönlich) und im vorliegenden Werk durch zahlreiche Einfügungen ergänzt.

Der zweite Teil bringt die praktische Auswirkung der Werke Nietzsches: also zuerst den Ruhm und seine psychologischen Gründe, die gar nicht so einfach auf der Hand liegen. Sodann Wertungen dieses Ruhms von Kritikern, die dazu berufen waren.

Endlich folgt die Umsetzung von Werken nebst Ruhm in die Tat. Dies geschah nach dem Jahre 1933 und gibt der Menschheit Probleme auf, wie sie bedeutsamer nicht gedacht werden können.

Der Laie wird gebeten, sich durch die medizinischen Fachausdrücke auf den ersten Seiten nicht abschrecken zu lassen; sie sind für ihn unwesentlich. Sie mussten aber gebracht werden: erstens, weil es seit 1888 immer noch nicht gelungen war, die psychiatrische Diagnose einwandfrei und gründlich zu klären, und zweitens, da es sich bei Nietzsche um eine welthistorische Persönlichkeit handelt, die auf strenge Wissenschaftlichkeit Anspruch erheben kann.

Hamburg, 28. April 1946. Wilhelm Lange.

Vorbemerkung: In eckigen Klammern [] findet man stets die Ansicht, die Auffassungen und die Worte des Verfassers Lange-Eichbaum.

ERSTER TEIL Nietzsche als psychiatrisches Problem

1. Einleitung

Nietzsche gehört zu den berühmtesten Erscheinungen der deutschen und der internationalen Kulturwelt. Seine Werke haben einen riesigen Widerhall gefunden, und von Hunderttausenden wird er als Genie gefeiert und verehrt. Sein Lebensschicksal gibt zu unaufhörlichen Diskussionen Anlass.

Nietzsche wurde 1844 geboren und verfiel mit 44 Jahren 1888 in schwerste Geisteskrankheit, die schlagartig zur Verblödung führte und die bis zu seinem Tode 1900 andauerte. Die Nietzsche-Verehrer werden über ihn Dinge hören wie wohl noch niemals. Verehrungstrieb und Illusion werden bitter leiden müssen. Aber im Laufe der Kulturgeschichte der Menschheit ist, auf die Dauer, Wahrhaftigkeit noch immer Sieger geblieben.

Ich selbst bin auch heute noch, seit 50 Jahren, trotz alledem ein Nietzsche-Verehrer. Man muss erst lernen, mit ihm und seinen Werken umzugehen. Aber die innerste und tiefste Wahrhaftigkeit führt zu einer noch größeren Verehrung bei diesem Menschenwunder an Geist und Schicksal.

Weilheim schreibt 1929: „Seine literarische Tätigkeit hat früh begonnen, sie erweckte aber gar keinen Widerhall, höchstens einige sehr Nahestehende haben von ihr Kenntnis genommen. Die Welt verschloss sich hartnäckig diesen Werken, die an ihre Tore pochten. Das hielt bis zu seiner Erkrankung an. Mit ihr beginnt erst die Welt aufzuhorchen, und in ganz kurzer Zeit ist der Name Nietzsche berühmt und sind seine Werke in allen Händen.” Genau das Gleiche habe ich 1927 veröffentlicht: Die Psychose eines Produktiven verschafft allein schon Ruhm.

2. Diagnose und Krankengeschichte

Welcher Art war diese Geistesstörung? Fast die gesamte Laienwelt erging und ergeht sich noch heute in Erklärungsversuchen, die psychologisch orientiert sind: Zusammenbruch durch Überarbeitung, durch die Schwere und Wucht seiner geistigen Berufung. Die Laien lehnen die Diagnose der Fachleute, der Psychiater, leidenschaftlich und mit den gröbsten Beleidigungen ab. „Allein seine ausgebrannte leibliche Hülle gehört den Psychiatern”, war ein beliebtes Zitat von Andler. Die Psychiater hatten es nicht leicht, unwiderlegbare Beweise für ihre Diagnose beizubringen.

Nietzsche erkrankte in den letzten Tagen des Dezember 1888 in Turin. Ein Freund brachte ihn im Januar 1889 nach Basel in die psychiatrische Universitätsklinik, und von dort wurde er nach etwa einer Woche in die Klinik von Jena überführt. Hier blieb er ungefähr fünfviertel Jahr bis zum März 1890; dann kam er in seine Heimat zur Mutter nach Naumburg. Der medizinischen Fachbeurteilung fehlten bis 1930 die Unterlagen; denn – die Krankengeschichte aus Jena (in der die Baseler Notizen enthalten waren) blieb auf unerklärliche Weise verschwunden. Und Möbius, der Leipziger Nervenarzt, hatte sie 1901 zwar eingesehen, aber, mit Rücksicht auf die Familie, nur sehr sparsam und taktvoll in seiner Pathographie von 1902 (2. Aufl. 1904) verwertet und die offenbare Ursache der Geistesstörung überhaupt nicht genannt, sondern sie nur, für Fachleute verständlich, angedeutet.

Später war die Krankengeschichte von Jena jahrzehntelang spurlos verschwunden. Dadurch wurde die Forschung zum Rätselraten verurteilt, und die Andeutungen von Möbius wurden, nicht nur von den Laien, bezweifelt und verunglimpft. Da tauchte 1929 eine Abschrift der Krankengeschichte auf. Ein Philologe, Dr. Podach, begann mit Veröffentlichungen über Nietzsches Zusammenbruch im Berliner 8-Uhr-Abendblatt und setzte sie 1930 mit einer Broschüre fort. In dieser wurden die Krankengeschichten von Basel und Jena abgedruckt, doch unter Weglassung ganz wichtiger Stellen.

Nun kam überraschend die Nachricht, dass die Jenaer Original-Krankengeschichte ganz heimlich in der Klinik wieder aufgetaucht wäre! Wo war sie gewesen? Auf dem Hausboden eines Hamburger Nervenarztes hatte sie Jahrzehnte unter Gerumpel gelegen. Dieser Arzt hatte sie, als Assistent von Prof. Binswanger (Jena), samt anderen Krankengeschichten für eine wissenschaftliche Arbeit mit nach Hause genommen und offenbar später vergessen. So war also das authentische ärztliche Material zur Stelle.

Ich ersuchte nun die „Medizinische Welt” um Veröffentlichung der ungekürzten Krankengeschichte und erreichte dies auch, da ich selber sie sonst veröffentlicht hätte.

3. 1889-1900.Turin, Basel, Jena, Naumburg, Weimar

Wir beginnen absichtlich mit diesem ganz groben Zusammenbruch von Ende 1888; die schwierigen Probleme liegen ein bis zwei Jahrzehnte zurück. Die Geistesstörung begann unzweideutig in der Zeit zwischen dem 28. Dez. 1888 und dem 3. Jan. 1889. Nietzsche lebte damals vollkommen vereinsamt in Turin in einem einfachen Mietzimmer bei italienischen Wirtsleuten. In diesen Tagen schrieb er ganz alarmierende Briefe an Strindberg, Brandes, Jakob Burckhardt usw. Er wollte Deutschland mit einem eisernen Hemd einschnüren und das Reich zu einem Verzweiflungskrieg provozieren und ähnliches.

Am 3. Januar gab es einen Straßenauflauf in Turin: Ein Kutscher hatte einen müden alten Gaul unbarmherzig gepeitscht, und nun wirft sich Nietzsche, von Mitleid übermannt, dem armen Tier schluchzend um den Hals. Nietzsches Wirt kommt zufällig vorbei und führt ihn nach Haus. –

Am 5. und 6. Januar 1889 schreibt Nietzsche einen seiner letzten Briefe, den an Jakob Burckhardt. Das Schreiben beginnt „... zuletzt wäre ich sehr viel lieber Basler Professor als Gott; aber ich habe es nicht gewagt, meinen Privat-Egoismus so weit zu treiben, um seinetwegen die Schaffung der Welt zu unterlassen. Sie sehen, man muss Opfer bringen, wie und wo man lebt ...” An den König von Italien schreibt Nietzsche, er wolle Europa regieren usw. Manche Briefe unterzeichnet er mit „Dionysos”, manche mit „Der Gekreuzigte”. Seinen Freund Rohde erhebt er „zu sich unter die Götter”.

Sein Freund Overbeck holt ihn am 10. Januar von Turin ab. Nietzsche befand sich in einem motorischen Erregungszustand, sprach oder sang unaufhörlich, spielte exzentrisch Klavier, war kaum zu fixieren und redete wirr durcheinander. Zur Fahrt nach Basel war er nicht zu bewegen. Aber ein jüdischer Zahnarzt aus Deutschland machte ihm klar, in Basel wären große Empfänge für Nietzsche vorbereitet. Sofort erhob er sich und fuhr mit nach Basel.

Der deutsche Arzt in Turin, Dr. Baumann, hatte ein Aufnahmeattest für die Klinik ausgestellt; wichtig daraus: „Erste Krankheitsspuren ... mit Bestimmtheit erst seit dem 3. Januar 1889. Heftige Kopfschmerzen mit Erbrechen, die monatelang dauerten, gingen voraus. Schon 1873-77 häufige Unterbrechungen seiner Lehrtätigkeit wegen exzessiver Kopfschmerzen ... Symptom gegenwärtiger Krankheit: Größenwahn, geistige Schwäche, Abnahme des Gedächtnisses und Abnahme der Gehirntätigkeit. Pat. ist gewöhnlich aufgeregt, isst viel, verlangt beständig zu essen, dabei ist er nicht imstande, etwas zu leisten und für sich zu sorgen, behauptet, ein berühmter Mann zu sein, verlangt fortwährend Frauenzimmer. – Diagnose: Hirnschwäche. Wurde von unterzeichnetem Arzt nur einmal gesehen. Dr. Baumann, Turin.”

Die Diagnose dürfte nicht schwer sein. Aber „Allein seine ausgebrannte leibliche Hülle gehört den Psychiatern ...” Ich finde: Die ausgebrannten Köpfe solcher Beurteiler gehören auf jeden Fall dem Psychiater. –

Auf der Fahrt nach Basel wollte Nietzsche alle Menschen umarmen und Reden an die Menge halten, ließ sich aber (typischerweise) beruhigen und lenken. In der Bahn sang er bisweilen ganz laut.

Am 10. Januar 1889 kam man in Basel an. Nietzsche erkennt den Direktor der Klinik, Dr. Wille, erst, als dieser seinen Namen nennt, und sagt: „Wille? Sie sind Irrenarzt.” Er hatte vor 7 Jahren ein Gespräch mit ihm gehabt. Nietzsche zieht aber aus der Begrüßung durch den Irrenarzt nicht die geringsten Folgerungen, sondern geht ruhig mit zur Abteilung. Er sagt nur: „Ich will euch, ihr guten Leute, morgen das herrlichste Wetter machen.” Er benimmt sich zuvorkommend und isst mit großem Appetit.

[Die medizinischen Fachausdrücke der nachfolgenden Befunde sind im Anhang erklärt!]Vom Körperbefund wäre wichtig: Herz und Lungen o. B. „Pupillen different, rechte größer als die linke, sehr träge reagierend. Strabismus convergens. Starke Myopie.” Zunge ohne Deviation und ohne Tremor. „R. Nasolabialfalte eine Spur verstrichen.” „Patellarreflexe erhöht. Fußsohlenreflexe normal.”

Psychischer Befund: „Spricht fortwährend.” „Kein rechtes Krankheitsbewusstsein.” „Fühlt sich ungemein wohl und gehoben,” wie er selbst sagt; er hätte am liebsten alle Leute auf der Straße umarmt und geküsst, wäre am liebsten an den Mauern in die Höhe geklettert. Pat. ist schwer zu fixieren. Beantwortet Fragen unvollständig oder gar nicht. Fährt in seinen verworrenen Reden fort. „Sensorisch stark benommen.” Zuweilen laut singend und johlend. Der Inhalt seines Gespräches ist ein buntes Durcheinander von früher Erlebtem, ein Gedanke jagt den andern ohne jeden logischen Zusammenhang. – Gibt an, dass er sich „zweimal spezifisch infiziert habe.” [„Zweimal” ist offenbar eine Größenvorstellung.]

11. Januar. Ganze Nacht nicht geschlafen. „Sprach ohne Unterlass.” Stand öfters auf. Frühstückt mit großem Appetit. Fortwährend motorische Erregung. „Legt sich zuweilen auf den Boden.” „Spricht verworren.”

12. Januar. Fühlt sich so unendlich wohl, dass er dies höchstens in Musik ausdrücken könne.

13. Januar. „Zeigt einen ungeheuren Appetit, verlangt immer wieder zu essen.” Singt, johlt, schreit.

14. Januar. Fortwährend gesprochen und gesungen. Besuch der Mutter. „Mutter macht einen beschränkten Eindruck.” Ein Bruder der Mutter starb in einer Nervenheilanstalt. Die Schwestern des Vaters waren hysterisch und etwas exzentrisch. (Angaben der Mutter.) Vater durch Fall von der Treppe hirnkrank. Nietzsche unterhält sich anfangs harmlos mit der Mutter. Dann plötzlich: „Siehe in mir den Tyrannen von Turin.” Redet dann verworren weiter.

15. Januar. Sehr laut. Laut schreiend und gestikulierend.

17. Januar. Parese des linken Facialis viel deutlicher. Sprache: keine nachweisbaren Störungen. Diagnose: „Paralysis progressiva.”

Am 17. Januar 1889 abends erfolgt die Fahrt nach Jena. Nietzsche geht „schlotternden Ganges”, „in unnatürlich steifer Haltung, das Gesicht einer Maske gleich, völlig stumm” ins Abteil. Bekommt auf der Reise einen Wutanfall auf die Mutter, mit Worten des Widerwillens.

Am 18. Januar 1889 fand die Aufnahme in die psychiatrische Universitätsklinik in Jena statt.

Aus der Vorgeschichte: 1866 syphilitische Ansteckung [diese Angabe wahrscheinlich von Nietzsche selber, wie er sie auch sonst gemacht hat]. 1879 Professur wegen Augenleidens aufgegeben.