Notärztin Andrea Bergen 1423 - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1423 E-Book

Hannah Sommer

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als die schöne Alltagshelferin Elli zum ersten Mal die Villa Uhland betritt, meint sie, ihren Augen nicht trauen zu dürfen: Wohin sie auch schaut, herrschen Unordnung und Chaos! Dabei ist Johann von Uhlands Villa einmal der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt gewesen. Doch das ist lange her. Seit seine geliebte Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, hat sich der kauzige alte Hausherr ganz zurückgezogen und lässt niemanden mehr an sich heran. Mit seiner Frau scheint alles Glück das Haus verlassen zu haben ...

Nach und nach gelingt es Elli, Ordnung und ein wenig Freude in Johanns Leben zu bringen. Dass sie so engagiert ist, liegt auch an Johanns gut aussehendem Sohn Marius, in den Elli sich unsterblich verliebt hat. Aber auch ihn umgibt ein Geheimnis, das ihn unnahbar und kühl wirken lässt. Nur manchmal meint Elli, in seinen Augen etwas wie Liebe zu lesen - doch darf sie wirklich auf eine Zukunft mit Marius hoffen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 133

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Reich und verwahrlost

Vorschau

Impressum

Reich und verwahrlost

Was für ein schrecklicher Abend war das gestern! Nachdem seine Villa endlich wieder im alten Glanz erstrahlt und die Jahre der Verwahrlosung Geschichte sind, hatte Jakob von Uhland zum ersten Mal wieder zu einer Feier geladen – und alle waren gekommen. Doch dann kam es auf der Party zu einem Eklat zwischen Jakobs Helferin Elli und seinem Sohn Marius! Der junge Mann hat vollends die Nerven verloren und Elli vor allen Leuten gedemütigt, sodass sie unter Tränen das Haus verließ!

Dabei haben Jakob und Markus ihr so viel zu verdanken! Doch nun scheint sich das Drama der Vergangenheit auf tragische Weise zu wiederholen: Mit Elli scheint abermals alles Glück die Villa Uhland verlassen zu haben ...

»Hier ist noch dein Einkaufskorb mit dem Gemüse, Hilde.« Elli Döring nahm den Flechtkorb aus dem Kofferraum und schloss die Heckklappe ihres Wagens.

»Kannst du ihn für mich hereintragen?«, bat die ältere Dame, die selbst eine der leichteren Taschen genommen hatte und jetzt nach dem Toilettenpapier auf dem Rücksitz angelte.

»Selbstverständlich.« Elli griff nach der anderen Tasche und folgte Hilde Bergen ins Haus. Dort stellte sie alles auf der Küchenanrichte ab.

Elli hatte einen Alltagshilfe-Dienst, der älteren oder pflegebedürftigen Menschen unter die Arme griff. Sie half beim Einkaufen, im Haushalt und leistete den Leuten auch ein bisschen Gesellschaft, wenn sie sonst keine Angehörigen hatten, die nach ihnen sehen konnten. Dies traf auf Hilde Bergen nicht zu. Sie war weder alleinstehend, noch hatte sie wirklich Hilfe nötig. Doch Elli half ihr gern aus Freundschaft.

»Soll ich dir noch beim Ausräumen helfen?«, bot die junge Frau an.

Hilde schüttelte den Kopf. »Danke dir, ich mach das schon«, sagte sie. »Du musst sicherlich zu einem Termin.«

»Ein paar Minuten habe ich noch«, entgegnete Elli mit einem kurzen Blick auf die große Küchenuhr an der Wand. »Ich könnte noch mit Dolly Gassi gehen, wenn du willst.«

»Nein, nein, die Runde um den Block nachher wird mir guttun«, meinte Hilde. »Trink lieber einen Tee mit mir«, bot sie an, und schon hatte sie zwei Becher aus dem antiken Küchenschrank neben der gemütlichen Sitzecke geholt.

Elli musste lächeln. »Da sage ich natürlich nicht Nein. Dein Pfefferminztee schmeckt nämlich wirklich lecker.«

»Na, siehst du.« Hilde befüllte das Teesieb mit mehreren Löffeln Tee und stellte die Blechdose anschließend auf das Küchenregal zurück. »Ich freue mich schon, wenn im Sommer wieder unsere Pfefferminze wächst. Da können wir bestimmt wieder einiges ernten.«

»Oh ja. Und dann machen wir deine weltbeste Limonade. Die mag Franzi doch so gerne.«

Hilde lachte. »Stimmt.« Dass ihre Enkeltochter Franziska die selbst gemachte Limonade nur zu gerne trank, war ein offenes Geheimnis. »Nächste Woche möchte ich übrigens in die Bücherei«, sagte Hilde, als sie den Tee aufgebrüht hatte. »Hast du Lust, mich zu begleiten.«

»Gut, dann komme ich so gegen zehn Uhr.« Elli holte ihren Kalender aus ihrer Handtasche und notierte sich den Termin. »Musst du danach noch zum Arzt?«

»Nein, da begleitet mich Andrea«, sagte Hilde. »Kommende Woche hat sie frei. Es ist nur diese Woche, wo sie Nachtdienst hat und mich deshalb nicht fahren kann.«

Andrea Bergen war Hildes Schwiegertochter und eine langjährige Freundin von Elli. Sie arbeitete als Notärztin am Elisabeth-Krankenhaus, und je nach Dienstplan half Elli bei den Bergens ein bisschen aus.

»Ach, dann klappt es da vielleicht mal auf einen Kaffee«, sagte Elli.

»Da würde sich Andrea sicherlich freuen«, meinte Hilde. »Sie sagt, dass ein Treffen mit dir mittlerweile fast so schwierig auszumachen ist wie eine Audienz beim Papst.«

Elli musste herzhaft lachen. »Normalerweise ist es Andrea, die ständig im Einsatz ist. Aber ja, sie hat schon recht, momentan habe ich wirklich viele Kunden.«

»Das ist schön«, freute sich Hilde Bergen. »Es war eine gute Idee, dass du dich vor einem halben Jahr damit selbstständig gemacht hast. Hilfe im Alltag wird immer gebraucht.«

Elli nickte. »Ich freue mich auch sehr, dass mein Alltags-Service so gut angenommen wird. Und ich habe großen Spaß an meiner Arbeit.«

»Das ist das Wichtigste«, sagte Hilde und schenkte Elli und sich Tee ein. Dann stellte sie einen Teller mit Keksen dazu, die Elli vor ein paar Tagen mit ihr zusammen gebacken hatte.

»Nachher treffe ich mich zum Musizieren mit Herrn Gruber.«

»Ach, belästigt dich der alte Herr wieder mit seiner Trompete?«, meinte Hilde schmunzelnd. Herr Gruber war ein guter Freund von ihr, dem sie »Ellis Alltagsengel« empfohlen hatte, nachdem sein Sohn aus beruflichen Gründen weggezogen war.

Elli kicherte. »Normalerweise würde Nina das machen, aber sie ist diese Woche krank. Also springe ich für sie ein.«

»Wird dir das denn nicht zu viel?«, fragte Hilde besorgt. »Du machst doch auch noch den ganzen Papierkram im Büro.«

Elli zuckte mit den Schultern. »Es hilft ja nichts. Wenn ich es nicht erledige, macht es keiner. Aber du hast recht, ich würde schon gerne wieder mehr Zeit mit den Menschen zusammen verbringen als mit den Aktenordnern. Ich hoffe wirklich sehr, dass sich bald noch jemand auf unsere Stellenanzeige meldet, damit wir Unterstützung im Team haben.«

»Ach, das wird sich bestimmt regeln«, machte Hilde ihr Mut. »Und dann kannst du bald auch wieder dem nachgehen, was du gerne machst.«

Elli lächelte. Sie mochte die Gespräche mit Hilde. Die ältere Dame war immer zuversichtlich und nett, und neben Herrn Gruber hatte sie ihr auch noch einige andere Kunden zu verdanken. Hilde wurde nämlich nicht müde, »Ellis Alltagsengel« ihrem Freunden- und Bekanntenkreis zu empfehlen.

»So, jetzt muss ich aber los«, sagte Elli, nachdem sie ihren Tee getrunken hatte. »Grüß Andrea von mir.«

»Das mache ich«, versprach Hilde. »Bis nächste Woche.«

***

Marius von Uhland hielt vor dem schmiedeeisernen Tor und drückte auf den Türöffner in seinem Wagen. Quietschend schoben sich die Torflügel zur Seite und gaben den Weg zur Villa frei.

Langsam fuhr Marius die geschotterte Auffahrt entlang, auf der das Unkraut wucherte. Auch die Thujahecke, die das Anwesen umgab, hätte längst schon geschnitten werden müssen – jedenfalls an den Stellen, die noch nicht verdorrt waren. Marius parkte seinen Sportwagen vor dem Garagentor, von dem die Farbe abblätterte, griff nach dem Aktenkoffer auf dem Beifahrersitz und stieg aus.

Auch die Villa selbst hatte schon bessere Tage gesehen. Die Sandsteintreppe mit den ausgetretenen Stufen war mit Moos bewachsen, ein Fensterladen hing schräg in den Angeln, und in den Blumenkästen neben der Tür wuchs das Unkraut. Marius seufzte. Er fand es schade, dass alles so heruntergekommen war. Früher hatte er sich gefreut, wenn er nach einer Geschäftsreise nach Hause gekommen war, jetzt fehlte ihm das Gefühl von Ankommen, von Geborgenheit, von einem Zuhause, in dem er sich wohlfühlte.

Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete quietschend die Tür. Wie jedes Mal stieg ihm ein strenger Geruch in die Nase, und Marius verzog angewidert das Gesicht. So konnte es wirklich nicht weitergehen.

Marius zog sich den Schal über die Nase und kämpfte sich durch einen Berg Schuhe, der unachtsam vor dem Schuhschrank lag. An der Wohnzimmertür angekommen, stieß er einen Stapel Bücher um, der dort schon länger lagerte. Vorsichtig trat er zwischen den Schallplatten in Richtung Fenster. Er räumte Vasen und Gläser von der staubigen Fensterbank und lüftete erst einmal.

»Was tust du da?«, donnerte plötzlich eine Stimme hinter ihm.

Marius erschrak und fuhr ruckartig herum. In der Wohnzimmertür stand sein Vater Johann, wie immer in Jogginghose und ein schmutziges, weißes T-Shirt gekleidet. Seine Füße steckten in den ausgelatschten Hausschuhen, in denen sich vorne sein großer Zeh ein Loch gebohrt hatte. Über seiner Schulter hing der braun karierte Bademantel, den er schon seit Monaten nicht mehr in die Wäsche gegeben hatte.

»Ich lüfte!«, sagte Marius knapp.

»Mach sofort wieder zu, es ist auch so schon kalt genug hier!«

Marius verdrehte die Augen. »Dann müssen wir eben die Isolierungen erneuern.«

»Wir müssen gar nichts!«, knurrte sein Vater und ging, auf seinen Gehstock gestützt, zu dem dunkelgrünen Ohrensessel, neben dem ein kleiner Beistelltisch stand. Mit einem Ächzen ließ er sich in dem mit Samt bezogenen Sessel nieder, griff nach dem Teller neben ihm, auf dem ein angebissenes Stück Kuchen lag, und roch daran.

»Das wirst du doch wohl nicht essen wollen!«, rief Marius bestürzt.

»Hmm«, brummte Johann, doch Marius sah, dass seinen Vater die vertrockneten Apfelstücke nicht mehr wirklich lockten. Mit zitternder Hand stellte er den Teller zurück auf die achtlos zusammengefaltete Tageszeitung. »Ich hatte sowieso keinen Hunger.«

»Waren die von ›Essen auf Rädern‹ nicht da?«, erkundigte sich Marius jetzt ein wenig freundlicher.

»Ach, die.« Johann seufzte. »Den Fraß kann doch keiner essen.«

»Warum nicht? Ich bin die Speisekarte ja letzte Woche mit dir durchgegangen. Da gab es einiges, was gar nicht schlecht klang.«

Johann winkte ab. »Dann bekomme ich nur wieder Bauchschmerzen. Die liefern das Essen immer in so einem Schälchen mit Pappdeckel für die Mikrowelle.«

»Besser als gar nichts«, gab Marius zu bedenken und stellte mehrere benutzte Teller aufeinander. »Wieso räumst du die nicht in die Spülmaschine?«

»Die ist kaputt ...«, gab Johann kleinlaut zu.

»Ich könnte einen Techniker anrufen und –«

»Einen Teufel wirst du tun!«, fauchte Johann.

»Erwartest du jetzt, dass ich das alles hier von Hand spüle?« Marius deutete auf das Geschirr, das in einer kunstvollen Konstruktion auf dem Wohnzimmertisch gestapelt war. Vermutlich hielten die Teller und Tassen durch die Essensreste, die an ihnen klebten.

»Ich erwarte gar nichts!« Johann stand auf, doch er beugte sich sofort vornüber und hielt sich den Bauch.

»Vater, so kannst du nicht mehr weitermachen! Die ganze Villa ist das reinste Chaos. Es riecht wie in einem Schweinestall, und mittlerweile führt das Geschirr vermutlich schon ein Eigenleben!«

»Wenn es dir nicht passt, brauchst du ja nicht hier zu sein!«

»Ich war bei einem Kunden!«, fauchte Marius. »Du weißt genau, dass ich das Haus nur noch in seltenen Fällen verlasse.«

»Und ansonsten hockst du oben in deiner Etage und lässt dich auch nicht mehr blicken!«

»Weil es hier unten keiner mehr aushält! Es gibt nicht mal mehr einen freien Tisch!«

Johann wurde rot vor Zorn. Er ballte eine Hand zur Faust und fuhr mit dem Arm über den kleinen Beistelltisch neben seinem Sessel. Der Kuchenteller und die halb volle Teetasse fielen zu Boden und zersprangen. Überall verteilten sich Kuchenkrümel, und auf dem fleckigen Teppich blieb ein See zurück, der langsam im Hochflor versickerte.

Marius spürte, wie die Wut in ihm aufkochte. »Und das macht es jetzt besser?«, fragte er ungehalten. »Wenn Mutter das sehen könnte, wie du –«

»Sie sieht es aber nicht mehr. Weil sie tot ist!« Johann stieß wieder einen unterdrückten Schmerzenslaut aus und krümmte sich nach vorne.

»Und jetzt kommst du mir wieder mit deinen Bauchschmerzen!« Fassungslos schüttelte Marius den Kopf. »Immer, wenn es unangenehm wird, spielst du mir was vor. Ich bin dieses Theater leid!«

»Dann geh doch!«, fuhr Johann ihn an. »Los, pack deine Sachen und hau ab! Es hat dich doch noch nie interessiert, wie es mir geht!«

Marius musste schlucken. Die Anschuldigungen seines Vaters trafen ihn hart. Natürlich interessierte es ihn, wie es Johann ging, doch er fühlte sich ohnmächtig und hilflos, wenn er seinen Vater so sah. Das ungekämmte Haar klebte ihm fettig an der Stirn, die Kleidung war schmutzig und verlottert, und die ganze Wohnung war mittlerweile schon gesundheitlich bedenklich. So konnte es doch nicht weitergehen.

Aber Johann war halsstarrig und stur. Einen Arzt besuchte er nicht, die Haushaltshilfe, die Marius vor einigen Jahren eingestellt hatte, hatte Johann sofort wieder entlassen, und wenn Marius vor Verzweiflung einen Müllsack nahm und das Schlimmste wegwerfen wollte, gerieten sie jedes Mal aneinander.

Johann stützte sich mit zitternden Händen auf seinen Gehstock und schlurfte zur Terrassentür, die einen trüben Blick auf den verwilderten Garten bot. Auch das Glas hatte schon länger keiner mehr geputzt. Hinter der verdorrten Thujahecke konnte man das Rheinufer erkennen.

An der Promenade schlenderten einige Spaziergänger im Sonnenschein entlang, aber niemand schien sich für die heruntergekommene Villa zu interessieren. Das trostlose Haus mit seinem verwilderten Garten hatte sich den Passanten mittlerweile so eingeprägt, dass sich kaum noch jemand daran störte. Die meisten Leute spazierten achtlos daran vorbei oder warfen nur einen kurzen Blick auf das Anwesen.

Mit seiner faltigen Hand öffnete Johann die Terrassentür.

»Vater ...« Marius war sichtlich bemüht, einen sanfteren Ton anzuschlagen. »Lass uns doch wenigstens versuchen, hier mal ein bisschen aufzuräumen.«

»Es bleibt alles genau so, wie es ist«, sagte Johann entschieden und trat nach draußen. Wieder wanderte seine Hand auf seinen Bauch. »Das Thema ist beendet.«

»Nein, das ist es nicht.« Marius wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment sackte Johann in sich zusammen, fiel auf die Knie und schlug kurz darauf mit einem dumpfen Laut auf den Mosaikplatten der Terrasse auf.

»Vater!« Marius' Stimme war schrill und durchdringend. Obwohl er eben noch wie gelähmt gewesen war, fuhr jetzt ein Ruck durch seinen Körper. Sofort rannte er zu seinem Vater ins Freie.

***

Hilde Bergen machte Dolly von der Leine los und steckte sich den Lederstrick in die Jackentasche. Sofort trottete die Mischlingshündin zufrieden an den Wegesrand und schnupperte im Gras. Hilde sah Dolly lächelnd dabei zu. Auch sie genoss die ersten Sonnenstrahlen in diesem Februar, und der kleine Spaziergang an der Rheinpromenade tat ihr gut. Sie mochte es, Werner und Andrea ein bisschen Arbeit abzunehmen, wobei man die Gassirunden mit Dolly ja nicht wirklich als Arbeit bezeichnen konnte.

Hilde setzte sich auf eine Bank am Wasser und beobachtete die Spaziergänger, die ebenfalls den schönen Nachmittag nutzten, während Dolly ihren Streifzug auf dem Grünstreifen fortsetze.

Hildes Blick blieb an dem Anwesen der von Uhlands hängen, das nur ein paar Meter von ihr entfernt war. Die alte Thujahecke hatte auch schon einmal bessere Zeiten gesehen, einige der Bäume waren verdorrt, die anderen wucherten wild vor sich hin und hätten längst einen Grünschnitt gebraucht. Barbara hatte früher immer regelmäßig einen Gärtner damit beauftragt. Ihr war es wichtig gewesen, dass der Garten gepflegt ausgesehen hatte. Aber Barbara war mittlerweile schon viele Jahre tot.

Hilde seufzte. Sie vermisste ihre Freundin, mit der sie ihr Faible für Krimis geteilt hatte.

Auch sonst wirkte die alte Villa nicht mehr so glanzvoll wie früher. Man merkte deutlich, dass sich niemand mehr um das schöne alte Haus kümmerte. Wahrscheinlich war es Johann allein alles zu viel geworden, und Marius, der Sohn der beiden, der ungefähr in Werners und Andreas Alter war, war sicherlich mit seiner IT-Firma voll ausgelastet. Hilde konnte sich noch gut erinnern, wie stolz Barbara ihr damals von seiner Firmengründung erzählt hatte.

Schade eigentlich, dachte Hilde. Es war wirklich ein schönes Haus. Früher hatten die von Uhlands auch viele Feste dort gefeiert, aber Hilde hatte die Villa schon seit Jahren nicht mehr betreten. In der Anfangszeit nach Barbaras Tod hatte sie Johann immer mal wieder einen Besuch abgestattet oder ihm einen Kuchen vorbeigebracht, aber sie hatte das Gefühl gehabt, dass der ältere Herr lieber für sich sein wollte, und so hatte sie sich schließlich mehr und mehr zurückgezogen. Wie es ihm wohl ging?

Hilde kniff die Augen zusammen, als sie eine Bewegung zwischen den Hecken bemerkte. Ob das ein Vogel gewesen war? Nein, dann hätte Dolly doch sicherlich angeschlagen. Aber die Hündin war gerade mit einem Stock beschäftigt, den sie beherzt zerkaute. Hilde beugte sich ein wenig vor. Doch, sie war sich ganz sicher. Da war jemand auf der Terrasse. Früher hatte sie oft dort mit Barbara und Johann gesessen und Rommé gespielt. Sie erinnerte sich noch gut an das schöne Mosaikbild, auf das Barbara so stolz gewesen war. Da! Jetzt hörte sie doch auch eindeutig Stimmen!

Hilde hielt die Luft an, aber sie konnte durch das Wasserrauschen des Flusses nur einzelne Wortfetzen erhaschen. Die Stimmen klangen irgendwie angespannt, fast nach einem Streit, fand sie. Was da wohl los war?

»Vater!«, hörte sie plötzlich einen schrillen Schrei, und dann wurde ihr klar, was sie gerade gesehen hatte: Jemand war auf der Terrasse zusammengebrochen. Oh nein, da war etwas passiert!