Notärztin Andrea Bergen 1491 - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1491 E-Book

Hannah Sommer

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sven Reckenbach wird wegen Nierensteinen im Elisabeth-Krankenhaus behandelt. Überraschend stellt sich bei dem Routineeingriff heraus, dass er einen schweren Prostatatumor hat, der dringend entfernt werden muss. Höchstwahrscheinlich wird dabei auch seine Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt.
Wo andere Patienten Unterstützung ihrer Liebsten wollen, möchte Sven lieber allein sein. Zwischen ihm und seiner Partnerin Johanna kriselt es schon länger, und wenn sie jetzt erfährt, dass sie möglicherweise kein Kind bekommen können und sie so ihren größten Wunsch begraben muss, ist der nächste Streit schon vorprogrammiert.
Dr. Irene Kessler, die den Fall übernommen hat, kann Sven so gut verstehen. Auch sie hatte einen schweren Eingriff, bei der sie unfruchtbar geworden ist. Voller Mitgefühl versucht sie alles, um einen positiven Ausgang der OP herbeizuführen, denn der Fall Sven lässt sie nicht nur auf beruflicher Ebene nicht mehr los ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 126

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Der Fall Sven

Vorschau

Impressum

Der Fall Sven

Meine Kollegin Irene Kessler ist am Boden zerstört, nachdem sie bei Sven Reckenbach einen Tumor an der Prostata entdeckt hat. Denn Sven ist nicht irgendein Patient für die schöne Internistin, er ist vielmehr der Mann, in den sie sich nach einer großen Enttäuschung endlich wieder verliebt hat. Sven gegenüber hat sie sich ihre Besorgnis nicht anmerken lassen und nur sachlich darauf gedrängt, die Art des Tumors abklären zu lassen. In der nächsten Woche stehen nun die wichtigen Untersuchungen an, die über Glück und Unglück der beiden entscheiden werden ...

Doch der Notruf zu später Stunde heute hat alles verändert. Sven ist unter größten Schmerzen zusammengebrochen! Nur eine eiligst anberaumte Operation kann ihn retten! Aber Irene traut sich den Eingriff nicht zu – sie ist emotional viel zu stark beteiligt. Wenn Sven überhaupt überlebt, steht seine Zeugungsfähigkeit auf dem Spiel. Und Irene weiß, er wünscht sich sehnlichst eigene Kinder ...

Der schmale Ring mit dem aufgesetzten Brillanten funkelte wie frisch gefallener Schnee im Morgenlicht. Sven Reckenbach drehte ihn im flackernden Schein der Kerze, die in der Tischmitte stand und ihren warmen Lichtschein über die weiß gestärkte Tischdecke warf.

Heute, sagte er sich. In seiner Magengrube kribbelte es aufgeregt.

Elf Jahre kannte er Johanna nun, und fast ebenso lange arbeitete er in ihrer Speditionsfirma. Sie hatten sich auf der Geburtstagsfeier eines Freundes kennengelernt und sofort ineinander verliebt. Die damals vierundzwanzigjährige Johanna hatte ihm mit ihrem Temperament und ihrem jugendlichen Übermut ganz schön den Kopf verdreht.

Zwar mochte er ihre forsche Art, doch sie führte nicht selten dazu, dass sie aneinandergerieten. Nachdem Johanna vor fünf Jahren an ihrem dreißigsten Geburtstag die Firma von ihrem Vater übernommen hatte, war sie nach außen hin ein wenig ruhiger geworden, aber privat sprühte sie noch immer vor Leidenschaft und Impulsivität.

Hitzige Wortgefechte standen ebenso an der Tagesordnung wie manch feuriger Kuss, und Sven wusste, dass es nicht immer einfach mit ihr sein würde. Dennoch liebte er Johanna und wollte den nächsten Schritt mit ihr gehen.

Doch es war wie verhext. Das erste Mal, als er darüber nachgedacht hatte, ihr einen Antrag zu machen, war ihr ein wichtiger Termin in der Firma dazwischengekommen. Beim zweiten Mal hatten ihn in ihrem Kurzurlaub an der Côte d'Azur heftige Halsschmerzen geplagt, und zwei Tage hatte er sogar mit Fieber im Bett verbracht. Ein anderes Mal hatten sie sich kurz davor gestritten, und Sven hatte den Zeitpunkt unpassend gefunden, ihr in jenem Moment einen Ring an den Finger zu stecken.

Er seufzte und schloss das Kästchen wieder. Hoffentlich klappte es heute!

Sven rutschte auf seinem Stuhl nach vorne. Erleichtert spürte er, wie das Ziehen in seinem unteren Rücken etwas nachließ. Seit einiger Zeit plagten ihn immer wieder Schmerzen, die jedes Mal ein wenig stärker wurden. Das war auch kein Wunder, denn in der Firma hatten sie viel zu tun.

Die Spedition lief sehr gut, doch gelegentlich fielen Mitarbeiter aus, und so kam es nicht selten vor, dass Sven einsprang und beispielsweise beim Verladen der schweren Möbel und Güter half. Er musste dringend etwas kürzertreten.

Eigentlich hatte er sich vorgenommen, Johanna darauf anzusprechen, zwei weitere Arbeitskräfte einzustellen, doch sie hatte schon beim letzten Mal verstimmt darauf reagiert und setzte lieber auf eine Handvoll Springer, die sie für Gelegenheitsarbeiten anrufen und engagieren konnte.

»Ach, hier bist du!« Johannas Stimme ließ ihn aufblicken. Sie bahnte sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch zu ihm ans Fenster.

Wie immer war sie tadellos gekleidet. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm mit Bleistiftrock, ihre zartrosa Bluse aus Chiffon umfloss ihre Silhouette wie eine zweite Haut und ließ ihren schlanken Körper und ihre wohl gerundeten Brüste erahnen. Ihr schwarzes Haar war zu einer perfekten Frisur aufgesteckt, ein wenig streng, doch das Businesshafte ihres Outfits ließ einen darüber hinwegsehen.

Sven erinnerte sich noch allzu gut, wie Johanna früher mit einer löchrigen Jeans, einem T-Shirt mit Print und einem wippenden Pferdeschwanz seinen Alltag auf den Kopf gestellt hatte. Spontane Kinobesuche standen ebenso auf ihrer Liste wie eine durchtanzte Nacht in einem Club, doch jetzt hatte sie das Kino gegen Opernbesuche zweimal im Jahr eingetauscht und Feiern – wenn sie nicht den Geschäftsbeziehungen der Firma dienten – ganz gestrichen.

Einerseits faszinierte es Sven, wie professionell sie in den letzten Jahren geworden war, andererseits vermisste er manches Mal ihre heißblütige Art. Sogar ihre Küsse waren selten geworden, und oftmals dienten sie nur der Begrüßung oder Verabschiedung, flüchtig hingehaucht im Türrahmen oder am Auto.

Als sie jetzt mit selbstbewussten Schritten auf ihn zukam – ihre Pumps hallten durch das edle Restaurant und ließen einige Blicke der Gäste zu ihr wandern –‍, begann Svens Herz wild zu klopfen.

»Hallo«, grüßte er sie und rückte ihr den Stuhl zurecht.

Johanna nahm es mit Selbstverständnis hin. Bei dem Kuss, den sie tauschten, berührten sich ihre Lippen nur flüchtig.

Sven versuchte, darüber nicht zu enttäuscht zu sein.

»Du weißt doch, dass ich lieber in der Raummitte sitze«, sagte sie und warf ihm einen tadelnden Blick zu.

Natürlich. Johanna liebte es, im Mittelpunkt zu sein. Sogar bei so etwas Nichtigem wie einem Restaurantbesuch genoss sie es.

»Ich finde den Platz hier am Fenster schöner«, entgegnete Sven. »Wenn man in die Dunkelheit schaut, sieht der Teich mit seinen halb hohen Laternen um das Ufer und der Trauerweide, die ihre Zweige ins Wasser fallen lässt, wie ein verwunschener Garten aus.«

Johanna schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf ihr Geschäftshandy.

»Du warst schon immer ein Träumer.«

Ein leiser Stich bohrte sich in Svens Herz. Anfangs hatte Johanna es geliebt, wenn sie sich gemeinsam ihre Zukunft ausgemalt hatten. Doch für solche Träumereien hatte sie keine Zeit mehr. Manchmal überlegten sie zusammen, wohin der nächste Urlaub gehen sollte, aber wegen Johannas Spontaneität wurde das Reiseziel ohnehin noch dreimal geändert.

Johanna legte ihr Smartphone zur Seite, als der Kellner ihr die Speisekarte überreichte. Sie wählte einen ausgezeichneten Rotwein aus, der Sven jedoch zu trocken war, entschied sich für die Kalbsbäckchen und klappte die Karte zu.

»Also, was wolltest du mir sagen?«, fragte Johanna, nachdem auch Sven seine Bestellung aufgegeben hatte. »Heute Mittag klang unser Treffen ja extrem wichtig.« Sie schmunzelte über ihren flapsigen Satz.

Sven ärgerte sich. So hatte er sich den Abend seiner Verlobung ganz und gar nicht vorgestellt. Er warf einen knappen Blick auf Johannas Smartphone, das zwischen ihnen auf dem Tisch lag. Ein störender ungebetener Gast.

Johanna musste seinen Blick bemerkt haben, denn ihre Hände wanderten zu dem schwarzen Gerät.

»Entschuldige, ich erwarte noch einen wichtigen Anruf«, sagte sie, als ihre Finger darüber schwebten. Ihre Finger, an die Sven eben noch einen Verlobungsring hatte stecken wollen. Doch war das wirklich die richtige Entscheidung? Er zögerte.

Die Situation wurde ein wenig aufgelockert, als der Kellner einen Gruß aus der Küche brachte. Vielleicht brauchte alles nur einen zweiten Anlauf, sagte sich Sven. Er bestrich sich eines der kleinen Brötchen mit Butter.

»Darf ich mich nicht gelegentlich auch mal mit meiner Freundin verabreden, ohne einen driftigen Grund dafür zu haben?«, griff er ihre Frage von eben wieder auf.

»Na, wenn du meinst.« Sie hatte sich ebenfalls eines der Brötchen genommen und biss hinein. »Stell dir vor, wir haben die Anfrage für einen Großauftrag auf dem Tisch liegen. Ein Hersteller für Baumaschinen möchte diese nach Spanien liefern. Er plant, sich dort ein zweites Standbein aufzubauen. Aktuell verhandeln wir über die erste Lieferung. Diese muss zügig dort sein, weil die Maschinen in zwei Tagen schon für den Bau gebraucht werden. Wenn wir das schaffen, könnte er sich vorstellen, uns mit Folgeaufträgen zu versorgen. Gerade prüft er das Angebot, das ich ihm kurz vor unserem Meeting noch zugeschickt habe.«

Hatte sie ihre romantische Verabredung zum Abendessen gerade tatsächlich als »Meeting« bezeichnet? Sven glaubte, sich verhört zu haben.

»Deshalb auch das Smartphone«, sagte sie und deutete wieder auf das Mobiltelefon.

Sven wusste, wie viel ihr die Firma bedeutete. Trotzdem kränkte es ihn, dass er anscheinend immer nur an zweiter Stelle kam. Dennoch, sie war hier, und das wertete er als gutes Zeichen. Er beugte sich vor, was ihm sein unterer Rücken mit einem heftigen Schmerz quittierte, doch er griff nach Johannas Händen und hielt sie zwischen seinen.

»Johanna, ich ...«

Das Smartphone brummte in gleichmäßigen Abständen.

»Entschuldige.« Sie lächelte und löste ihre Hände aus seinen. Ein kurzer Blick auf das Display ließ ihre Augen aufleuchten. »Das ist der Inhaber. Vergiss nicht, was du sagen wolltest.«

Sie nahm das Gespräch entgegen, und Sven konnte anhand ihrer Sätze in etwa den Inhalt des Telefonats rekonstruieren. Der Inhaber hatte zugesagt, hatte allerdings noch ein paar Änderungswünsche bezüglich des Vertrages.

»Ja, selbstverständlich kümmere ich mich darum, Herr Rodriguez. Gleich morgen ...« Sie schien von ihm unterbrochen worden zu sein. »Verstehe ... Ja, gut ... Ja, natürlich kann ich den Vertrag für Sie noch einmal neu aufsetzen.«

Sven seufzte. Er sah Johanna dabei zu, wie sie das Smartphone zwischen Ohr und Schulter klemmte und noch eines der Brötchen mit der salzigen Butter bestrich. Unter dem Tisch angelte sie dann nach ihrer Handtasche, die sie neben ihren Stuhl abgestellt hatte.

»Schicken Sie mir Ihre Punkte einfach per Mail zu, dann kann ich alles einarbeiten und an Sie zurücksenden.« Sie beendete das Telefonat, biss hastig in ihr Brötchen und wischte sich ihre Finger an der Serviette ab. »Entschuldige, ich muss noch mal los. Du hast es ja eben selbst gehört.«

»Und was wird aus unserem gemeinsamen Essen?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ein anderes Mal.« Schon halb im Gehen warf sie ihm noch eine Kusshand zu. »Sei nicht böse. Und warte nicht auf mich. Es wird spät.«

Vielleicht ist es Schicksal, flüsterte eine kleine Stimme in Svens Innerem. Vielleicht soll die Verlobung einfach nicht sein.

***

Dr. Irene Kessler nahm den Papierstapel in die eine und ihren Kaffeebecher in die andere Hand. Voll bepackt machte sie sich auf den Weg in die Verwaltung, die sich an die große Eingangshalle anschloss.

Die Patientencafeteria, die geradeaus in der Halle untergebracht war, war gut besucht. Angehörige saßen dort mit ihren Liebsten und tranken jetzt, am Nachmittag, einen Kaffee oder aßen ein Stück Kuchen. Irene würde sich heute mit einem Coffee-to-go von dort begnügen. Sie hatte ihre Mittagspause dafür genutzt, zusammen mit ihrer Freundin und Kollegin Andrea Bergen einen Antrag für ein neues Behandlungsgerät zu stellen.

Zufrieden warf sie noch einmal einen Blick auf die Unterlagen in ihrem Arm. Wenn der Verwaltungsleiter Herr Grossert sein Okay gab, würden sie bald ein neues Ultraschallgerät in der Notaufnahme haben.

Im selben Moment spürte sie, wie sie etwas von der Seite rammte. Sie taumelte, hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, und ein Stapel Papier wirbelte wie Herbstlaub im Wind durch die Luft und kam gemeinsam mit ihr auf dem Boden wieder auf.

»Um Gottes willen!«, hörte sie gleich darauf eine entsetzte Männerstimme. »Hab ich Ihnen wehgetan?«

»Nein, alles okay«, sagte Irene, die merkte, dass sie unverletzt war. Ihre Knie schmerzten ein wenig von der unsanften Landung auf dem Boden, und ihr Arztkittel war durchtränkt von dem Kaffee, aber ansonsten war ihr nichts passiert.

»Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.«

Er reichte ihr die Hand, und als Irene jetzt aufsah, stand ein Mann mit einem umwerfenden Lächeln vor ihr. Er trug Jeans und ein kariertes Hemd, das seine Muskeln umspannte. Seine mahagonibraunen Haare waren kurz geschnitten, und bei einem Blick in seine Augen verfing sie sich in einem funkelnden Grünbraun, das sie an Bernstein erinnerte.

»Verzeihen Sie, ich war so in Gedanken, da habe ich Sie einfach übersehen.«

»Kein Problem, es geht mir wirklich gut«, versicherte Irene. »Bis auf den Kaffeefleck auf meinem Kittel.« Sie sah an sich hinunter und betrachtete den unschönen braunen Fleck, der die linke Seite ihres Kittels zierte.

»Oh Mann, ich zahle Ihnen auf jeden Fall die Reinigung.«

Irene winkte ab. »Das übernimmt die Wäscherei des Krankenhauses, aber danke.«

»Schade, dann kann ich Sie ja gar nicht nach Ihrer Nummer fragen.«

In Irene begann etwas aufgeregt zu kribbeln. Flirtete dieser Mann etwa mit ihr? Warum nicht?, dachte sie für den Bruchteil einer Sekunde. Fingen so nicht auch die schönsten Liebesfilme im Fernsehen an?

Seine Augen weiteten sich. »Oh Gott, habe ich das eben tatsächlich laut gesagt?« Er schlug sich eine Hand vor den Mund. »Sie müssen verzeihen, ich bin ein bisschen durcheinander.«

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Irene, und in ihre Stirn gruben sich Falten. Vielleicht war das kein Flirtversuch, sondern der Mann brauchte ernstlich Hilfe. Warum sonst war er hier im Krankenhaus?

»Nein, ich äh ...« Er kratzte sich am Kopf.

»Brauchen Sie einen Arzt?«

»Was? Nein!« Jetzt veränderte sich etwas in seiner Miene. Anscheinend war ihm ihre Frage unangenehm.

Irene ärgerte sich ein bisschen über sich selbst. Sie hätte gerne noch eine Weile mit ihm geflirtet, denn er war wirklich attraktiv, und seine Ausstrahlung hatte sie direkt gefangen genommen. Aber sie war im Dienst, und wenn es darum ging, Menschen zu helfen, musste das Private zurückstehen, das wusste sie.

»Dann besuchen Sie einen Angehörigen? Oder einen Freund?«, hakte sie vorsichtig nach.

»Nein. Ich war zum ... äh ...« Er sah sich um. »Kaffeetrinken hier.«

»Hier im Krankenhaus?«, wunderte sich Irene.

»Ja, der Kaffee hier ist fantastisch. Wussten Sie das nicht?« Sein Blick wanderte über ihren Körper, aber es war nicht unangenehm, und blieb an dem großen Kaffeefleck auf ihrem Kittel hängen. »Wahrscheinlich nicht«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Irene. »Aber vielleicht kann ich Sie ja einladen? Als Wiedergutmachung?«

»Gerade habe ich wirklich keine Zeit«, sagte Irene und deutete auf die Blätter, die um sie herum verstreut lagen. »Ich bin im Dienst, und die hier müssen dringend in die Verwaltung.«

»Ach so, natürlich.« Huschte da ein Schatten der Enttäuschung über seine Miene?

Irene schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie durfte sich so etwas nicht einreden. Nur weil sie sich wieder eine Beziehung wünschte, musste nicht gleich der nächstbeste Mann, der freundlich zu ihr war, sofort auf sie stehen. Obwohl er schon ziemlich gut aussah. Und nett schien er durchaus zu sein, wenn er sie als Entschädigung auf einen Kaffee einladen oder ihr die Reinigung zahlen wollte.

Schluss jetzt!, ermahnte sie sich in Gedanken. Du kennst ihn doch überhaupt nicht.

Sie bückte sich, um ihre Unterlagen aufzusammeln, und sofort kam ihr der Mann zu Hilfe. Als er ihr seinen Stapel Blätter überreichte, berührten sich ihre Fingerspitzen, und Irene durchzuckte es heiß und kalt. Was auch immer das zwischen ihnen war, es war mehr als eine flüchtige Begegnung, da war sie sich plötzlich ganz sicher.

»Vielleicht geht es ja ein anderes Mal?«, wagte sie einen Vorstoß.

»Ja ... ähm, sicher ...« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, eine Geste, die ihn ein wenig verlegen und gleichzeitig unheimlich süß wirken ließ, wie Irene fand. »Ich ... Ich melde mich!« Er hob kurz eine Hand zum Gruß, dann machte er auf dem Absatz kehrt und durchquerte mit raschen Schritten die große Eingangshalle in Richtung der breiten Türen. Dabei hinkte er leicht.

Irene sah ihm mit einem wehmütigen Lächeln hinterher.

»Na, da bin ich gespannt«, murmelte sie, denn der Fremde hatte sie weder nach ihrem Namen noch nach ihrer Telefonnummer gefragt. Und sie wagte zu bezweifeln, dass er bei seinem zerstreuten Zustand ihr Namensschild am Revers gelesen hatte.