Offroad: Seven Days - Elisa Schwarz - E-Book

Offroad: Seven Days E-Book

Elisa Schwarz

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Beschreibung

In sieben Tagen durch sieben Länder – eine Garantie für Action, Spaß und Abenteuer! Genau das erwartet Mathias bei der diesjährigen Rallye, auf die er sich mit seinen Freunden monatelang vorbereitet hat. Für mehr Adrenalinschub als nötig sowie unerwartetes Herzklopfen sorgt dabei ein Mann aus einem anderen Team. Tjare wirkt arrogant und geheimnisvoll zu gleichen Teilen und stellt Mathias mitten im Startfeld vor eine Herausforderung: »Gib dir dieses Jahr mehr Mühe.« Zwischen Steinwüstenstaub und Lagerfeueridylle erwarten dich spannende Szenen, cosy Moments und ein halbes Coming-out, während Hoffnung, Freude und Enttäuschung die Gefühle der jungen Männer durcheinanderwirbeln. New Adult Roman.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt
Start * Stuttgart, Deutschland
Etappenziel 1 * Stadl an der Mur, Österreich
Etappenziel 2 * Salaš Krajinka, Slowakei
Etappenziel 3 * Krka Nationalpark, Kroatien
Etappenziel 4 * Soleluna Spiaggia Barricata, Italien
Etappenziel 5 * Marseille, Frankreich
Etappenziel 6 * Pamplona, Spanien
Ziel * Lissabon, Portugal
Endstation * Stuttgart – Büsingen, Deutschland
Ziellos * Büsingen – Stuttgart, Deutschland
Über die Autorin und ihre Werke
Leseprobe: OFFROAD – Seven Nights

Impressum

 

1. Auflage - April 2024

© Elisa Schwarz

 

Kontakt:

[email protected]

Elisa Schwarz

Krauseneckstr. 24 d

55252 Mainz-Kastel

 

 

Coverdesign: Elisa Schwarz

Bildrechte: depositphotos, shutterstock

Korrektorat: Bernd Frielingsdorf

 

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Textstellen, sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin gestattet. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiter veräußert werden.

OFFROAD

Seven Days

 

 

Elisa Schwarz

 

Inhalt

 

In sieben Tagen durch sieben Länder – eine Garantie für Action, Spaß und Abenteuer!

 

Genau das erwartet Mathias bei der diesjährigen Rallye, auf die er sich mit seinen Freunden monatelang vorbereitet hat. Für mehr Adrenalinschub als nötig sowie unerwartetes Herzklopfen sorgt dabei ein Mann aus einem anderen Team. Tjare wirkt arrogant und geheimnisvoll zu gleichen Teilen und stellt Mathias mitten im Startfeld vor eine Herausforderung: »Gib dir dieses Jahr mehr Mühe.«

 

Zwischen Steinwüstenstaub und Lagerfeueridylle erwarten dich spannende Szenen, cosy Moments und ein halbes Coming-out, während Hoffnung, Freude und Enttäuschung die Gefühle der jungen Männer durcheinanderwirbeln. New Adult Roman.

 

Start * Stuttgart, Deutschland

 

Musik sämtlicher Stilrichtungen schallte aus offen stehenden Wagenschlägen, Motoren liefen warm, die Luft flimmerte und über allem schwebte eine dicke Wolke Staub. Gespräche und lautes Lachen drangen an mein Ohr, die ausgelassene Stimmung füllte jeden Winkel des Geländes.

Die Lautsprecher rauschten, das Organisationsteam gab das erste und zugleich letzte Briefing vor dem Start durch. Es waren wichtige Informationen zur Strecke, zu alternativen Routen und zum Verhalten bei einer Autopanne. Das geschäftige Treiben um mich herum ebbte langsam ab. Stattdessen gesellten sich zu dem Dröhnen der Beats Motivationsrufe und verbreiteten sich über den großen geschotterten Parkplatz des Stuttgarter Geländes mitten im Herzen der Stadt.

Adrenalin rann wie flüssige Lava durch meinen Körper und mein Herz klopfte so hart, dass ich es im Brustkorb spürte. Fasziniert sah ich mich um, ließ das Startfeld auf mich wirken und erfreute mich an den diesjährigen Mottos. Wie jedes Jahr durften 200 Pkw gemeldet werden, für die diesjährige Rallye war die Anzahl der Wagen auf 79 Teams verteilt. Laut Check-in waren allerdings nur 197 Startnummern eingefahren. Drei hatten es nicht mal bis zum Startplatz geschafft und in einer halben Stunde sollte das Spektakel beginnen: in sieben Tagen, durch sieben Länder! Das Ziel war, unbeschadet in Lissabon anzukommen, um dort die Party des Jahres zu feiern, sich gegenseitig zu beglückwünschen, in den Armen zu liegen und die erfolgreiche Rallye zu begießen.

Allein bei dem Gedanken flatterte weitere Aufregung empor. Teil dieses Abenteuers zu sein, war ein geiles Gefühl. Ein Blick in Oles Augen bestätigte mir, dass es ihm nach all den Jahren genauso erging. Mit neunzehn waren wir beide die erste Rallye gefahren und nun zum fünften Mal dabei. Die letzten Monate hatten wir uns einzig und allein darauf vorbereitet, heute hier stehen zu können und Teil des Ganzen zu sein. Egal, in welche Gesichter ich sah, pure Freude auf die kommende Woche war darin zu lesen. Gute Laune und Kampfgeist steckten jeden Einzelnen von uns an.

Doch wusste ich eines genau: Diese große Familie würde fair bleiben. Wir fuhren eine Rallye, kein Rennen. Wir halfen einander, wenn wir in Schwierigkeiten gerieten. In Lissabon winkte kein Preisgeld für den Sieger, jeder war ein Gewinner, der die Strecke mit ihren Tücken und der alten Karre hinter sich brachte.

Ich ließ den Blick über die in Reih und Glied geparkten Fahrzeuge und die zugehörigen Personen schweifen. Nur die wenigsten Gesichter kamen mir bekannt vor. An einem mattschwarzen BMW blieb ich hängen und just in dem Moment sah mich einer der danebenstehenden Jungs über die Dächer der Pkw hinweg an. Ich stutzte, eine sagenhafte Hitze stieg in mir auf. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn wiederzusehen. Diesen Typen, mit seinem rabenschwarzen Haar und der schlanken, hochgewachsenen Figur, der genauso laut und schillernd wie leise und in sich gekehrt sein konnte. Mit jeder vergehenden Sekunde wurde sein Blick intensiver und kroch mir unter die Haut. Wegsehen war unmöglich.

»Ey, Ole«, sprach ich meinen besten Freund und direkten Teampartner an. »Schau mal unauffällig zu dem BMW dahinten.« Ich ließ die letzte Tour in Gedanken Revue passieren und konnte jede Minute abrufen, in der er mir aufgefallen war. Manchmal war er spät am Abend mit irgendeiner Frau aus dem Feld zugange gewesen, manchmal aber hatte er still im Kreise seiner Freunde gesessen und sein Bier hypnotisiert, bis auch der letzte im Zelt verschwunden war. Einmal, als ich mitten in der Nacht aufgestanden war, hatte ich ihn allein an einem kleinen Lagerfeuer sitzen sehen.

Ich bekam von Ole einen Stoß in die Rippen. »Ich dachte zuerst, du meinst die hässliche Karre. Aber du meinst den Typen, richtig?« Er stellte sich mit verschränkten Armen neben mich und fixierte den Mann genauso wie der zuvor mich. Unauffällig war er dabei nicht, aber das war eben Ole. »Ich erinnere mich an ihn. Vor allem daran, dass er heftig mit den Mädels im Camp geflirtet hat.« Endlich sah Ole zu mir und grinste frech. »Den hattest du letztes Jahr schon im Visier, oder? Die Frauen, die sich ihm an den Hals geschmissen haben, konntest du also nicht übersehen. Dein Schmachten ist ihm sicher auch nicht entgangen und ich bezweifle stark, dass er ein Kandidat für dich ist.«

»Idiot!«, rügte ich ihn liebevoll. »So auffällig war ich gar nicht, das ist dem nicht aufgefallen.«

»Wer weiß. Wenn sogar ich mich daran erinnere. Du hast damals nur keinen Ton zu mir gesagt, daher bin ich davon ausgegangen, dass du einfach ein bisschen heimlich für ihn schwärmst.« Ole sah erneut in die Richtung. »Was findest du an dem?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Er hat irgendwas an sich, was mich fasziniert.«

»Okay? Seit wann vergucken wir uns in Heten? Bist du untervögelt, Hase? Wäre ich auch, wenn ich ständig auf Handbetrieb setzen würde. Du hast genügend Angebote und müsstest nur zugreifen. Muss ja nicht direkt die große Liebe sein.«

»Wer sagt dir denn, dass ich nur Handbetrieb –«

»Ah, halt, stopp. Erzähl’s mir später im Wagen, ja?«

Ich wackelte mit den Augenbrauen und wir lachten gemeinsam, bevor ich doch wieder zum BMW sah. Kurz musste ich den Kerl suchen, er hatte sich abgewandt und stand mit seinen Kumpels gemeinsam um die Motorhaube des Autos, auf der gut sichtbar eine große Karte aufgefaltet lag. Ich gönnte mir den unbeobachteten Moment, ihn zu mustern. »Ich glaube, ich würde ihn gern kennenlernen.«

»Ernsthaft? Ach, Shit.« Ole seufzte übertrieben. »Das kann ja eine heitere Woche werden.« Er schnippte mit den Fingern vor meinem Gesicht. »Warum jetzt und nicht schon letztes Jahr?«

»Weil ich das Gefühl habe, dass er interessiert ist. Ich mein, er hat mich eben angesehen, so richtig halt. Das war ein deutliches Abchecken.«

»Ah ja, na dann … Vielleicht steht er ja auch auf Schwänze. Er trägt ja kein Schild mit sich herum, wo es draufsteht. Wenn du magst, gehen wir zusammen hin und stellen uns vor. Dann musst du ihn die nächsten Tage nicht aus der Ferne anschmachten und vielleicht verrät er dir ja sein Geheimnis, wenn ihr ins Gespräch kommt.«

»Meinst du?« Kurz zweifelte ich, gab mir dann einen Ruck. Es schadete sicher nicht, ein paar mehr Leute zu kennen und bei der Gelegenheit direkt die Fühler auszustrecken.

»Wir sind kurz weg«, rief ich unseren Freunden zu, die in ihrem Wagen saßen, die Augen geschlossen hatten und dem Start entgegen chillten. Gemeinsam bildeten wir ein Rallyeteam. Die Sicherheit und Gewissheit, niemals allein auf unwegsamem Gelände unterwegs zu sein, war wertvoll. Bei einer Panne notfalls im zweiten Wagen doch noch zum Treffpunkt kutschiert zu werden, statt in irgendeiner Wüste zu versauern, war sehr beruhigend. Ole zog mich zwischen den eng geparkten Pkw hin zu dem BMW. Wahrgenommen wurden wir erst, als wir neben der Gruppe ankamen.

Der Typ zog erstaunt die Augenbrauen hoch und wandte sich an Ole. »Ja? Können wir helfen?«

»Wir wollten uns vorstellen und euren BMW ansehen, wir erinnern uns an euch vom letzten Jahr. Ich bin Ole.« Er nickte kurz in meine Richtung. »Und der hier ist mein bester Freund Mathias.«

Unser Gegenüber wirkte sichtlich überrumpelt, aber einer von der Gruppe streckte Ole die Hand hin. »Sven, hi. Das sind Tjare« – fest klapste er auf die Schulter des Mannes neben sich, sodass dieser nach vorn schwankte, und deutete auf die anderen beiden Mitstreiter – »und die zwei sind Hain und Georg. Wir fahren zu sechst, die beiden anderen von unserem Team sind noch auf dem Platz unterwegs.« Georg grüßte mit einem knappen Hallo, Hain verzog das Gesicht und eindeutiger konnte eine Mimik kaum sein. Wir waren nicht willkommen. Während dieser Hain blutjung wirkte, war Georg eindeutig der Älteste der Runde und ich vermutete einen alteingefleischten Schrauber, der auf dieser Tour Gold wert sein dürfte.

Tjare hingegen rieb seine Schulter und sein Blick glitt an mir hinab. Kurz und flüchtig – das war ein Abchecken. Er sah verboten gut aus und wirkte genauso anziehend wie unnahbar. Sein schwarzes Haar war ungebändigt und wurde von einer Sonnenbrille, die er auf den Kopf geschoben hatte, durchbrochen. Die Wangen waren schmal, die Lippen nicht zu voll, dafür wirkten sie einladend und ich fand das ziemlich sexy. Seine dunklen Augen loderten uns gleich darauf entgegen. »Das ist mein Wagen. Was wollt ihr wissen?«, fragte er und es klang, als wäre er nicht bereit, eine Auskunft zu geben. Dennoch war seine Stimme wohltuend tief und ich wünschte, er würde weiterreden.

Fieberhaft überlegte ich, was ich ihn fragen könnte, der BMW interessierte mich nämlich gar nicht. Wichtiger zu wissen war doch, welche Funktion Tjare im Team übernahm. Denn ich zum Beispiel war der Koordinator und Motivator, der, der die Karten und die Strecke auswendig kannte und jede kleinste Nebenstraße im Voraus checkte, sowie derjenige, der die Jungs antrieb, damit wir zügig vorwärtskamen. Ole hingegen war unser Mechaniker, der das Vierrad instand halten und notfalls reparieren musste. »Wie lang habt ihr am BMW geschraubt?«, fragte ich daher und strich über das glanzlose Schwarz. »Hat die Zeit nicht für eine ordentliche Lackierung und ein Motto gereicht?«

Tjare zog überheblich die Mundwinkel hoch, schob sich die Brille auf die Nase, schirmte somit seine echt schönen Augen ab. Er wandte sich der Motorhaube zu, nahm die Karte an sich und faltete sie zusammen. »Sechs Monate etwa, an beiden Pkw. Mottos sind was für Kids und wozu schick lackieren, wenn er nach einem Tag bereits aussieht wie Sau?« Er sah mich von der Seite an. »Die gelbe Ente dahinten, gehört die euch?«

»Das ist keine Ente«, korrigierte Ole. »Das ist ein Audi und das Motto ist die Sesamstraße. Der Wagen soll Bert darstellen.«

»Das erklärt die regenbogenbunten Rallyestreifen«, bemerkte Tjare ohne besondere Tonlage. »Dann gehört das orangefarbene Vehikel mit den grünblauen Streifen ein paar Wagen weiter sicher auch dazu. Ernie, ja? Kindergarten.«

»Und wie ist euer Teamname?« Ole schob herausfordernd das Kinn vor. »Totengräber?«

»MH Motorservice, völlig ausreichend. Die Arbeit mit der Lackierung hättet ihr euch schenken können. Sollte man doch eigentlich wissen, wenn man schon mal dabei war.« Spöttisch grinsend versenkte er die Hände in den Taschen seiner ausgewaschenen, einst schwarzen Jeans. Mit irgendwas klimperte er dabei in der Hosentasche. »Lasst mich raten, letztes Jahr war es der goldlackierte Blechhaufen, der mit seinem letzten Atemzug ins Zielfeld eingerollt ist und am nächsten Tag vom Schrotthändler eingesammelt wurde. Ich erinnere mich ebenfalls an euch.« Fuck, er hatte ins Schwarze getroffen. Aber dass wir mit dem goldenen Blechhaufen drei von sieben Tageszielen zuerst erreicht hatten, war ihm offenbar entfallen.

Ole zischte neben mir. »Uns ist damals kurz vorm Ziel der Kühler kaputtgegangen, sonst wären wir unter den ersten zehn gewesen. Das kann bei den alten Karren durchaus passieren, und vor allem jedem. Wir waren ziemlich geknickt.«

»Na dann.« Tjare schob seine Brille wieder auf den Schopf. »Ich werde euch im Auge behalten. New race, new happiness.« Zu meiner Überraschung beugte er sich zu mir und wisperte in mein Ohr: »Gib dir dieses Jahr mehr Mühe.«

»Es ist kein Rennen, es ist eine Rallye«, antwortete ich verwirrt und hatte dabei seinen echt guten Geruch nach einem feinen Deo und vermutlich seinem Aftershave in der Nase. »Es ist völlig egal, wer zuerst im Ziel einfährt.«

Tjare lachte auf. »Das hast du jetzt absichtlich falsch verstanden, oder? Zumindest hoffe ich das, denn ich habe dich pfiffiger eingeschätzt.« Er wedelte mit der Hand und es kam einem Rauswurf gleich, während Hitze in meine Wangen schoss. Was meinte er damit, dass er mich eingeschätzt hatte? Konnte das sein, dass er … Nein, auf keinen Fall hatte er das so gemeint, wie es mir gerade meine Fantasie vorgaukelte. Das würde ja heißen, dass ich ihm aufgefallen war. Wann denn? Während er eine Frau abgeknutscht hatte?

Ole nickte in die Runde. »Guten Start, wir sehen uns bestimmt bald wieder.« Sogleich zog er mich weg und hatte es eilig, zu unserem Wagen zurückzukehren. Das leuchtende Gelb stach tatsächlich sehr aus den meist eher dunklen Lackierungen heraus. Ich stolperte hinter ihm her und kam nicht umhin, zu bemerken, dass Ole angefressen war. Kaum waren wir bei unseren Freunden angekommen, stellte er sich vor mich. »Was hat er zu dir gesagt?«

»Ich soll mir mehr Mühe geben.«

»Hä? Was meinte er damit, dass du es falsch verstanden hast? Was ist denn daran falsch zu verstehen? Das hat absolut nichts mit Zusammenhalt und Spaß zu tun. Wir fahren doch kein Rennen! Ich wünsche ihm echt einen Motorschaden, auch wenn das fies ist.«

»Ole«, sagte ich leise und strich über seinen Arm. »Er meinte damit mich privat, nicht uns als Team.«

»Was?« Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich forschend an. »Du glühst ja förmlich. Was ist los mit dir? Steigt dir die Rallye schon zu Kopf? Der war eben keinen Meter nett zu uns und scheint krass überheblich zu sein. Tu dir den bloß nicht an, der passt null zu dir. Du bist witzig, wortgewandt, klug und einer zum Liebhaben und Kuscheln, im Gegensatz zu dem. Eisblock lässt grüßen. Oder der Teufel aus der Hölle, wie man’s nimmt. Ich sag dir was: Den lassen wir Staub fressen. Wir werden jede gottverdammte Abkürzung nutzen, die möglich ist, und ihm den Mittelfinger zeigen, wenn er Stunden nach uns an den Etappenzielen ankommt.« Er sah auf die Uhr und klopfte aufs Autodach unserer Kumpels. »Es wird Zeit und wir haben eine Planänderung. Matze fährt zuerst, wir setzen uns vor euch. Sobald es unwegsam wird, tauschen wir die Plätze, damit Matze uns lotsen kann. Jetzt brauchen wir aber erst mal Vorsprung.«

Tobi öffnete blinzelnd die Augen und schielte zu Ole. »Du bist ja total heißgelaufen. Sollten wir nicht vorfahren?« Sachte strich er über den Schenkel seines Freundes Louis. »Genug Schönheitsschlaf gemacht. Komm, aussteigen, wir müssen Ole zur Ruhe kriegen, der hyperventiliert gleich und unterhält den gesamten Platz.« Rasch sah ich mich um, natürlich hörte uns niemand zu. Tobi kletterte aus dem Wagen und streckte sich. »Also? Warum eine Planänderung?«

»Wir müssen da was klarstellen«, antwortete Ole. »Deswegen fahren wir vor, und das nicht im Bummelgang.«

»Hat euch jemand geärgert?« Louis kam um den Wagen, legte seinen Arm um Tobis Schultern und schirmte seine Augen gegen die aufsteigende Sonne mit seiner Sonnenbrille ab. »Aber die Route passt noch? Nicht, dass wir uns direkt im ersten Abschnitt verlieren.«

»Route passt, sofern Matze nicht eine Abkürzung findet. Deshalb bleibt ihr besser hinter uns.«

»Warum so eilig?«

»Unser Superbrain braucht Ablenkung«, meinte Ole lapidar, »dem spukt sonst zu viel Mist im Kopf rum.« Oles freundschaftlicher, beinahe liebevoller Blick ließ Gegenworte in mir verhallen. Er kannte mich leider sehr gut.

Stolz strich ich über den polierten Lack unseres Audi, den wir auf sagenhafte dreihundert Euro Kampfpreis heruntergehandelt hatten – mehr war für den reinen Erwerb der Fahrzeuge laut Rallye-Regel schlicht nicht erlaubt. Ein Vierteljahr Arbeit steckte in ihm, eine zweiseitige Mängelliste war von Ole abgearbeitet worden und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er sieben Tage durchhalten musste, ohne im Nirgendwo auseinanderzufallen. Sein Vorgänger hatte es mit dem Kühlerschaden immerhin bis ins Ziel geschafft. In dem Wagen lag unser vollstes Vertrauen, zumindest rein äußerlich sah er wie aus dem Ei gepellt aus. Dabei war er an einigen Stellen geschweißt, gespachtelt und sogar verstärkt sowie mit jeder Menge Ersatzteilen ausgestattet. All das, um eine Zulassung für ihn zu bekommen, ihn straßen- und zugleich wüstentauglich zu machen. Berge würde er erklimmen müssen, durch sandige Äcker fahren, die Schönheit unbewohnter Landstriche würde er kennenlernen und die wahnsinnige Freiheit entlang einiger Küstenstraßen spüren. Steilpässe, Regengüsse und Staub waren eine Zerreißprobe für die Karosserie. Und für uns.

Zu viert legten wir die Hände in der Mitte übereinander. Zusammenhalten zählte bereits vor dem Start. »Wir rocken diese Woche«, rief Ole. »Team Sesamstraße wird mit beiden Wagen im Ziel einfahren und wir werden den Spaß unseres Lebens haben.«

Als wir uns trennten, wagte ich einen letzten Blick zu Tjare. Er kletterte gerade auf die Motorhaube seines BMW und stieß einen Schlachtruf aus, reckte dabei eine Faust in die Höhe und erntete von diesem Sven ein schallendes Auflachen. »Brüll nicht so laut, Löwe«, kam bei mir an, der Rest von Svens Ausruf ging in weiteren Schlachtrufen um uns herum unter.

Ole kitzelte mich im Nacken und ich zuckte zusammen. »Einsteigen und anschnallen. Jetzt! Behalt bloß einen kühlen Kopf.«

In diesem Moment wurde unser erstes Ziel, Stadl an der Mur in Österreich, durch die Lautsprecher geschickt und ein ohrenbetäubendes Hupkonzert übertönte alles. Das war ein Katzensprung – das Aufwärmtraining für die kommenden Tage.

Während Ole sich auf den Beifahrersitz schwang, sah ich abermals zu Tjare. Er blickte genau in meine Richtung, seinen Gesichtsausdruck konnte ich aus der Distanz leider nicht wahrnehmen. Dennoch stieg Aufregung in mir empor. Das war kein Zufall! Triumphal ballte ich die Hand zur Faust. Ich wollte Tjare kennenlernen, egal, ob Ole ihn mochte. Mein bester Freund würde mich trotzdem aufbauen und zu mir stehen, auch wenn er recht behielt. Ich glitt hinters Steuer, legte die Rallyegurte an und Ole klopfte mir aufmunternd auf den Schenkel. »Es geht los.« Er grinste schief. »Wow, jetzt werde ich auch nervös. Denk dran, dass wir uns am Fernsehturm treffen. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn Tobi und Lou uns nicht im Startfeld verlieren.«

Plötzlich lag über dem Parkplatz eine angespannte Atmosphäre, die nur vom Brummen und Aufheulen der Motoren unterbrochen wurde. Schaulustige, Bekannte, Anwohner und Sponsoren hatten sich versammelt und warteten gemeinsam mit uns auf das Startsignal. Ich ließ den Wagen an und öffnete meine Hand, die um den Schaltknauf lag, Ole nahm dies als Aufforderung und legte die seine darauf. Mein gesamter Körper pulsierte mit dem Countdown um die Wette, der auf einer Anzeigetafel heruntergezählt wurde. Die Straßen rund um den Parkplatz waren voll gesperrt, doch anschließend gelangten wir in den morgendlichen Berufsverkehr. »Alles klar? Deine Hand schwitzt jetzt schon. Soll ich lieber fahren?«

»Nein, ich bin nur tierisch angespannt.«

»Vergiss Tjare. Zumindest für den Moment. Er sitzt vermutlich auch hinterm Steuer und es wäre echt toll, wenn du deine Gedanken beisammenhast. Tjare wird nichts anderes außer dem heutigen Ziel im Kopf haben.«

Ich gab mir Mühe, die verkrampfte Haltung zu lösen, Ole drückte freundschaftlich zu. »Und los geht’s«, flüsterte er und deutete zum Countdown. »Fünf … vier … drei … zwei … eins … Start!«

Mit dem Erscheinen der grünen Flagge und der Nullanzeige auf der Anzeigetafel fuhren die ersten Wagen unter aufheulenden Motoren vom Parkplatz. Es dauerte, bis ich überhaupt vom Fleck kam, da wir im Mittelfeld standen. Mit dem Anrollen lenkte ich die Aufmerksamkeit umgehend auf den Verkehr vor, neben und sogar hinter mir, damit die Rallye wegen eines Zusammenstoßes nicht bereits hier ein jähes Ende nahm. Mit geöffneten Wagenfenstern kamen wir an dem applaudierenden, Mut spendenden Publikum vorbei und es war dieser eine Moment, das Verlassen des Geländes, der uns in eine andere Zeit versetzte.

Freiheit, grenzenloser Spaß, Land und Leute, fremde Küche, brennende Sonnentage und Schlechtwetterfronten, Nebel, Staub, Geröll, Nässe und allerlei Spannendes würde uns die kommenden sieben Tage erwarten.

 

Etwa vier Dutzend Fahrer fuhren gemeinsam mit uns auf den Parkplatz des Fernsehturms, denn natürlich hatten wir unsere Freunde im Startfeld verloren. Und es war klar, dass wir nicht die Einzigen mit dieser Idee waren. Aber es beruhigte auch. Denn es machte deutlich, dass wir niemals allein auf weiter Flur sein würden. Nicht einmal dann, wenn das eigentliche Partnerteam die Rallye abbrechen müsste. Wenig später tauchte der orangefarbene Mercedes unserer Leute hinter uns auf und ich hielt den Daumen aus dem Fenster und fuhr an. Die erste Teilstrecke hatte ich im Kopf und benötigte keinen Wegweiser, entsprechend rasant kamen wir vorwärts.

Ole regulierte alsbald die Lautstärke der Anlage herunter und ich sah erstaunt zu ihm. Normalerweise liebten wir beide dröhnende Rockmusik und schraubten den Beat erst runter, wenn wir auf unwegsamem Gelände unterwegs waren. Damit wir schneller hörten, wenn am Wagen etwas klapperte, rasselte oder gar brach. Gerade aber fuhren wir auf einer Bundesstraße und würden bald auf eine Landstraße abfahren, mit direktem Kurs auf die Alpen. Autobahnen und Mautstrecken wurden umfahren. Das war eine Regel dieser Rallye.

»Was ist los?«, fragte ich nach, als er seufzte und die Musik komplett abstellte.

»Ich weiß nicht, du tagträumst. So kenne ich dich gar nicht.«

Prompt nickte ich und beobachtete zeitgleich im Rückspiegel, wie sich ein fremder, baugleicher Mercedes wie der unserer Freunde zwischen unsere beiden Wagen schob. Er war ebenfalls mit dem Logo der Rallye auf der Motorhaube ausgestattet. »Wer ist das hinter uns?«

Ole inspizierte das blaue Gefährt und schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich seh auch nicht, wer drin sitzt, die Frontscheibe spiegelt. Wo sind die anderen?«

»Direkt dahinter. So ein Affe, der hat sich in eine winzige Lücke gequetscht. Lou musste sicher bremsen.«

»Er wird schon aufpassen, dass er an dir dranbleibt und der Typ hinter uns haut sicher auch bald ab. Aber zurück zu dir, oder trügt mich mein Gefühl?«

»Ich konzentriere mich, das ist alles.«

»Du lügst«, sagte Ole lachend. »Ich seh’s dir an der Nasenspitze an. Also, was ist los?«

»Okay, ja … mir will das nicht aus dem Kopf gehen.«

»Was genau?«

»Er hat mich kurz vor dem Einsteigen noch mal angesehen.«

»Hase, du kennst den Typ jetzt wie lang? Fünf Minuten? Wenn es überhaupt fünf Minuten waren. Was hat der denn an sich, dass du in Dauerschleife an den denkst?« Ole streckte sich, kurbelte das Fenster runter, um Fahrtwind einzulassen, und kauerte sich bequemer in den Sitz. »Ich sagte vorhin schon, dass mir aufgefallen ist, wie du ihn letztes Jahr immer mal wieder beobachtet hast, aber mehr war es halt auch nicht. Du hast weder während der Fahrt noch zu Hause ein Wort über ihn verloren. Für mich war das ein klarer Fall von Schwärmerei und mehr nicht. Normalerweise redest du nämlich mit mir über Männer, die dich interessieren. Ich hab mir echt nichts dabei gedacht. Du hattest weder die Muße, dich nach seinem Namen zu erkundigen noch mit ihm irgendwie ins Gespräch zu kommen. Was ich verstehen kann, okay? Du hast dir wenig Chancen ausgerechnet und ich hätte dir voll zugestimmt. Tjare ist der typische feuchtgewordene Traum von Frauen.« Ole schnaufte lautstark. »Okay, und wie mir scheint, auch der von dir. Soll ich dir sagen, was ich in ihm sehe? Wäre er nicht so schlank, wäre er der Typ Rugbykapitän, dessen Lächeln ihm alle Herzen zufliegen lässt. Von der Figur her passt er besser in das Schema Leichtathlet, der allen davonläuft und als Nachwuchssportler des Jahres gehandelt wird. Ganz sicher war er niemals die Brillenschlange, die sich täglich in der Bibliothek weitergebildet hat und dafür verantwortlich war, dass sich Mädchen an der Glasscheibe die Nase platt gedrückt haben. Ich versteh deine Schwärmerei, ehrlich. Aber du hast ihn doch vorhin kennengelernt, mir war der total unangenehm. Dir etwa nicht? Wenn doch, mach einen Haken dran, dann ist er es nicht wert.«

»Durchschaut«, gab ich leise zu. »Du hast recht, mit allem. Trotzdem ist es leichter gesagt als getan.«

»Nur weil der dich zweimal ansieht, bist du schon Feuer und Flamme und machst dir Hoffnung? Auf was denn bitte? Wenn der so drauf ist wie im letzten Jahr, dann kannst du dich im besten Fall mit ihm auf einen Dreier mit einer Frau treffen. Hast du gesehen, wie viele wieder dabei sind? Mindestens ein Viertel der Teilnehmenden sind weiblich. Er muss sich nur eine aussuchen.«

Verbissen kaute ich auf der Innenseite meiner Wange herum. »Gönn mir die Schwärmerei einfach und tu so, als wäre nichts. Genau deswegen habe ich letztes Jahr geschwiegen, weil ich das ja alles selber weiß.«

»Ich würde dir von Herzen einen Mann gönnen, mit dem du glücklich wirst. Ich verstehe nur nicht, wieso es ausgerechnet dieser ist, auf den du dich gerade einschießt. Luka findet dich zum Beispiel interessant. Frederik auch. Die wohnen wenigstens in Stuttgart und mögen dich beide sehr. Trotzdem blockst du ihre Versuche, dich zu daten, immer wieder ab.«

»Ja, Mann«, antwortete ich lahm, »ich mag die auch beide. Aber eben nicht mehr.«

»Verstehe. Lieber verguckst du dich in einen Proleten.«

»Habe ich doch gar nicht.«

Ole prustete. »Du flunkerst schon wieder. Ihr seid in deiner Fantasie also brav und artig gewesen? Habt Händchen gehalten und euch mit Gesprächen zufriedengegeben?«

»Fantasien tun niemandem weh.«

»Aber sie nehmen dich nicht in den Arm und halten und trösten dich und sie geben dir nichts zurück. Ich bitte dich nur, dich nicht zu verrennen. Was machst du denn, wenn er heute Abend eine Frau abschleppt?«

Verzagt zog ich die Schultern hoch, nuschelte ein »Nichts« und drehte die Musik wieder an. Kurz darauf brüllte ich über sie hinweg: »Ich habe nie gesehen, wie er mit einer im Zelt oder wo auch immer hin verschwunden ist.«

Ruckzuck drehte Ole erneut am Regler, beugte sich so weit vor, dass ich ihn beim Geradeausgucken sehen konnte, und runzelte die Stirn. »Sag mal, hast du mit offenen Augen gepennt oder was? Eindeutiger kann man niemandem die Zunge in den Hals schieben. Mag ja sein, dass er Männern ebenfalls nicht abgeneigt ist, ich spreche dir also nicht ab, dass du seine Blicke richtig deutest, aber hey, erliege bitte keinem Trugschluss.«

»Er war auch ganz oft still und in sich gekehrt.«

»Ach? Woher weißt du das?«

»Weil ich nicht gepennt hab, als ich ihn beobachtet habe. Wenn im Camp alles ruhig war, saß er oft noch allein draußen und grübelte vor sich hin.«

»Du hast ja richtiggehende Stalkingambitionen, wusste ich gar nicht.« Bevor ich mich verteidigen konnte, lachte Ole los und fläzte sich zurück in den Sitz. »Ey, ehrlich, wenn es einer verdient hat, glücklich zu sein, auch wenn es nur ein kurzer Urlaubsflirt wird, dann du. Pass nur ein bisschen auf dich auf. Versprich mir das.« Ole würde ebenfalls auf mich aufpassen, das musste er nicht aussprechen, das war so zwischen uns. Nachdenklich schüttelte mein bester Freund den Kopf. »Ich habe nicht mal mitbekommen, dass du deine Beobachtungen so ausgedehnt hast. Ein bisschen ärgert es mich schon, dass mein bester Freund mir nicht mitteilt, wenn er sich Hals über Kopf in einen Kerl verguckt und darüber schweigt. Wir hätten ihn garantiert über irgendwelche Social-Media-Plattformen ausfindig gemacht.«

»Hab ich schon versucht«, gab ich zerknirscht zu. »Ich konnte ihn nicht finden. Nicht mal unter den Hunderten von Beiträgen im Forum auf der Rallye-Website. Ich bin jeden einzelnen Kommentar samt Unterkommentaren durchgegangen.«

»Und ich Depp merke nicht, dass du wegen eines Mannes, den du nicht mal kennst, sämtliche Körbe an echt tolle Jungs verteilst. Erinnerst du dich nicht an die Frau, die an ihm hing, als wir in Ljubljana wegen Dauerregen beinahe abgesoffen sind? Die hat er halb auf dem Platz ausgezogen und ich wette mit dir, er hat sie auch mit ins Zelt genommen. Dir fehlt leider etwas Entscheidendes.« Ole machte typische, kreisrunde Bewegungen vor seiner flachen Brust und ich lachte herzlich auf. Anschließend zupfte er an meinem Haar, das jeder Bürste standhielt und die kurz gehaltenen, drahtigen Strähnen und Wirbel eh immer machten, was sie wollten.

»Lass das«, brummelte ich. »Er hat sie damals nicht mitgenommen.«

»Was macht dich da so sicher? Wieder nachts gestalkt?«

»Nein!« Lachend schlug ich nach ihm. »Aber ich möchte es gern glauben.« Ein Schnauben folgte und Ole sah aus dem Beifahrerfenster, reckte die Nase zu den sonnendurchfluteten Feldern entlang der Straße. »Gesetzt den Fall, dein Gespür hat dich nicht im Stich gelassen, wieso ist er dann so provokant?«

»Vielleicht will er mir wehtun.«

»Dafür müsste er ja erst mal wissen, dass du mehr als freundschaftliches Interesse an ihm hast. Selbst das ist kein Grund, jemandem wehzutun.«

»Er weiß das doch schon längst«, erwiderte ich. »Sein Spruch vorhin war eindeutig. Du merkst so was nur nicht mehr, weil du seit Jahren mit Steve zusammen bist.«

»Ach, komm schon … Das kannst du auch haben, du willst es nur nicht.«

»Sprach der beste Freund, der bereits die Einladungen zur Hochzeit verteilt hat.«

Ein fester Knuff landete in meiner Seite und ich jaulte auf. Steve war sein Ein und Alles. Mit so einem irrsinnigen Vertrauen ausgestattet, dass es für Ole keinerlei Gründe dagegen gab, diese Rallyes mit mir zu fahren. Steve hatte bisher stets dankend abgelehnt. Glück für mich. Stille zog im Wagen ein, Ole ruckelte sich zurecht und ich war froh, dass das Thema bei ihm nun durch war. Ich regelte die Lautstärke der Anlage auf ein gutes Maß, damit er die Augen noch mal schließen konnte. Die nächsten Tage würden wir wenig Schlaf abbekommen. Es war nur verständlich, wenn wir als Beifahrer immer mal wieder Augenpflege betrieben.

 

Knapp zog der blaue Mercedes, der uns seit gefühlten Stunden auf der Landstraße folgte und mich von Lou trennte, links vorbei und setzte sich direkt vor unseren Audi. »Vollidiot!« Ich tippte die Bremse an, meine Cola flog vom Schoß und Ole schreckte aus dem Halbschlaf. Rasch angelte er nach dem Getränk und stopfte die Flasche zurück zwischen meine Beine. »Was war das?«

»Der Arsch zieht so knapp an mir vorbei, dass ich beinahe im Graben gelandet wäre. Was ist das für ein Depp?«

Der Mercedes wurde beschleunigt, von der Beifahrerseite aus wurde uns ein Mittelfinger gezeigt. Ich schäumte vor Wut, war plötzlich hellwach und gab Gas. »Lass ihn ziehen«, murmelte Ole. »Wer weiß, wie der drauf ist.«

»Mann!« Frustriert schlug ich aufs Lenkrad. »Der nervt schon die ganze Zeit. Hat immer wieder versucht, an mir vorbeizukommen und mir Lichthupe gegeben.«

Ole starrte aus dem Fenster, kniff die Augen zusammen. »Ist das da vorn nicht der BMW von Tjare?« Ein fettes Grinsen schlich sich um seine Mundwinkel. »Alter Schwede … Jetzt wird mir einiges klar. Ich wette mit dir, der Mercedes gehört zu dem. Die haben den direkt nach dem Start verloren und sind nun durch die Walachei gezockelt, bis er sich wieder anschließen konnte. Ich vermute, dein Love-Interest kotzt gerade im Strahl. Der hatte sicher einen guten Vorsprung.«

Auch ich zwang meinen Blick auf die weit vor uns fahrenden Autos und konzentrierte mich auf das an der Spitze des Konvois. Es könnte der mattschwarze BMW sein. Nachdenklich klopfte ich mit den Fingern aufs Lenkrad und drosselte die Geschwindigkeit. Wenn das da vorn Tjare war und dieser Rowdy zu denen gehörte … Ich schaltete kurz den Warnblinker an, ein Zeichen für Lou, dass er aufpassen sollte. »Du, Ole, halt dich mal fest.«

»Was hast du vor?«

»Mach einfach.« In allerletzter Sekunde setzte ich mit dem Drehen des Lenkers den Blinker nach links und der Audi holperte über zwei tiefe Schlaglöcher, bevor er auf einem sandigen Feldweg vor sich hin schnurrte.

Ole löste seine Finger langsam vom Haltegriff. »Unser Superbrain hat wieder zugeschlagen. Ist das eine Abkürzung?«

»Zumindest sollte es eine sein. Wenn ich das richtig im Kopf habe, ist diese Strecke durch sämtliche Dörfer deutlich kürzer als die Landstraße außenrum. Wenn es so klappt, wie ich das will, setzen wir uns direkt vor Tjares Nase, sobald die Wege wieder zusammenlaufen.«

Rasch wagte ich einen Seitenblick und wir grinsten gleichzeitig los. Er hob die Hand und ich schlug ab. »So gefällst du mir schon viel besser. Lass ihn Staub fressen, das hat er sich verdient.« Ich lachte auf und gab Gas, dicht gefolgt von Lou, der mir aus dem offenen Fenster einen Daumen hoch zeigte und hupte. Ja, verdammt, die kommenden Tage würden grandios werden. Ob mit oder ohne Tjare. Ich würde mir, vor allem aber meinen Freunden, sicher nicht die Laune verderben lassen.

Etappenziel 1 * Stadl an der Mur, Österreich

 

Am späten Nachmittag lenkte Ole den Wagen im Schritttempo auf eine waldumgebene Wiese mitten in den Alpen, und ließ einen erschöpft klingenden Seufzer los. Geschafft. Sich unendlich ziehende Pass- und weniger ausgebaute Gebirgsstraßen, die wohl schon lang keine Verkehrssicherheitskontrolle genossen hatten, lagen hinter uns. Eine Gewitterfront hatte das Teilnehmerfeld, inmitten dessen wir gefahren waren, komplett auseinandergezogen und die letzten beiden Stunden war uns kein Rallyefahrzeug mehr begegnet. Selbst an dem Zwischenziel, einer kleinen Burgruine, um den Etappenaufkleber einzusammeln, waren wir allein gewesen.

Interessiert sah ich mich in unserem heutigen Lager um. Eine Leinwand war aufgebaut, sowie das Camp des Veranstalters. Diverse Wagen parkten kreuz und quer daneben. Zwei von dem Orga-Team hielten den Daumen hoch, als wir bei ihnen anhielten, checkten unsere Startnummern und pflegten sie in ihrem Laptop ein. Gleich darauf leuchteten sie mitsamt dem Teamnamen Sesamstraße auf der Anzeigetafel auf Platz 1 und 2 auf. Yes.

Vergnüglich grinste ich Ole an. Er ließ den Motor nahe dem Waldrand verstummen und mit einem nicht weniger breiten Grinsen drehte er sich zu mir, die Hand zum Einschlagen hochgehalten. Im selben Moment brüllte Tobi aus dem Mercedes, den er neben dem Audi geparkt hatte. »Ey, ich lieb euch so dermaßen. Erstes Etappenziel und direkt als Erster eingefahren. Ich könnte euch knutschen.«

Ich hielt den Daumen hoch und wandte mich meinem besten Freund erneut zu. »Müde?«

»Frag nicht. Noch tiefer rein in unwegsames Gebirge konnten sie uns nicht lotsen. Ich falle später vermutlich mit dem Gesicht voran ins Zelt.«

»Du bist mega gefahren, obwohl man die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Ich hätte vermutlich angehalten und abgewartet.«

Er lupfte einen Mundwinkel. »Erzähl das wem auch immer. Mich wundert, dass seit etlichen Kilometern niemand mehr hinter uns war. Hast du dafür eine Erklärung?«

Verlegen kratzte ich mich am Kinn und wir stiegen aus, streckten unsere müden Glieder. Über das Dach hinweg spürte ich Oles fragenden Blick allerdings immer noch. »Ja, okay. Es war vielleicht ein kleiner Umweg. Ich dachte mir, wir kommen rascher vorwärts, wenn wir nicht ständig ausgebremst werden.«

»Hat funktioniert. Wir sind angekommen und das noch vor allen anderen.« Tobi und Lou gesellten sich zu uns, gleich darauf lagen wir uns in den Armen und die Jungs stimmten ein »Hoch soll er leben« an. Übermütig hüpften wir auf und ab.

»Lasst uns direkt die Zelte aufschlagen«, meinte Tobi, »ich finde den Platz hier am Waldrand perfekt.« Just in dem Moment fuhren drei weitere Wagen auf die Wiese und auch dort war die Freude unüberhörbar, unter den Ersten im Ziel angekommen zu sein.

Ich nahm einen Kapuzenpullover von der Rückbank, schlüpfte rein und machte mich mit Ole an die Arbeit, bevor das Tageslicht von den Bergen und Bäumen verschluckt wurde und die Temperatur weiter sank. Wir waren ein eingespieltes Team, der Zeltaufbau lief reibungslos, die Isomatten und Schlafsäcke lagen rasch an ihrem Platz. Immer mehr Wagen trafen ein, die Freude, angekommen zu sein, überwog die miese Stimmung, über Stunden bei Starkregen in den Alpen festgehangen zu haben und keinen Millimeter vorwärtsgekommen zu sein. Musikboxen wurden aufgedreht und sorgten für einen bunten und lauten Stilmix, der alles andere als klangvoll war, und wie schon am Morgen begann geschäftiges Treiben.

Mittlerweile dämmerte es, Tobi hatte in unserem Pkw-Zelt-Viereck ein paar Decken ausgebreitet und legte sich darauf lang. »Ich habe Hunger. Was wollen wir futtern? Den Grill anschmeißen?«

»Eher nicht«, antwortete ich. »Solange wir noch Zivilisation um uns haben, sollten wir das ausnutzen. Lass uns in den Ort gehen.« Stadl an der Mur mitten in den Bergen war groß genug, dass es mit Essen-to-Go und sogar diversen Dorfschenken punkten konnte. »Wie wäre es mit einem Kellerbier zum Anstoßen? Danach gehen wir die paar Hundert Meter zurück in den Ortskern und sehen uns um?«

»Gebongt«, antwortete Lou und gesellte sich neben mich, nahm eine Flasche nach der anderen entgegen, die ich aus der Kühlbox zog. »Hammer. Ich liebe deinen Onkel und seine Brauerei. Wie viel Bier haben wir an Bord?«

»Drei Kästen hat er mir mitgegeben, für mehr war kein Platz im Kofferraum.« Ich zwinkerte ihm zu, als er herzhaft gähnte. »Wir können es uns auch hier gemütlich machen, dann müssen nur zwei los, um Futter zu holen.«

Tobi nickte rasch. »Ich mach das und du kommst mit«, sagte er zu Lou und brachte ihn gleich darauf zu Fall. Sie rangelten über die Decken, bis Lou sich ergab, still unter ihm liegen blieb und sie einen sanften Kuss teilten. Ein Blick zu Ole genügte, um festzustellen, dass auch er den beiden zusah. Sie waren ein tolles Paar und ich beobachtete sie gern, die Harmonie zwischen ihnen war so real, so greifbar und über allem stehend. Genau so sollte eine Beziehung sein. Das Bild meines Ex-Freundes schob sich vor mein inneres Auge und ich wandte mich von meinen Freunden ab, hing in Gedanken fest. Unsere Partnerschaft war wunderbar gewesen – zumindest war das meine Meinung. Leider war die Liebe seinerseits verloren gegangen und ich habe bis heute nicht verstanden, wieso er sich von mir getrennt hatte. Ich war vor vollendete Tatsachen gestellt worden und musste es akzeptieren. Und verdauen. Die Suche nach einer neuen Liebe gestaltete sich selbst nach Jahren der Trennung schwierig für mich. Ich war zu wählerisch, meine Ansprüche offenbar zu hoch.

»Matze, träumst du?« Ich blinzelte in ihre Richtung, alle drei Jungs hielten mir ihre Flaschen zum Anstoßen hin. Bevor Ole nachhaken konnte, was los ist, gab ich mir einen Ruck und gesellte mich zurück zu ihnen. »Auf den ersten Etappenerfolg«, grölte Ole und unsere Bierflaschen klackten dumpf aneinander.

Wir lehnten uns gegen Lous Wagen und beobachteten die Teams, die mit dem Aufbau ihrer Schlaflager kämpften. Mittlerweile kamen sie im Sekundentakt an. Die Wiese war lang nicht voll und ich ahnte, dass einige Teilnehmer nach wie vor auf irgendwelchen unbefestigten Wegen feststeckten, die sie vermeintlich als Abkürzung angesehen hatten.

Ole neben mir ließ die Flasche in Zeitlupe sinken. »Sieh mal einer an, die Proletenkarren rollen an. Drei an der Zahl. Wie wir vermutet hatten, gehört der Mercedes dazu.« Ich folgte seiner Blickrichtung und schluckte hart, denn das Team fuhr direkt auf unser Lager zu. Der schwarzmatte BMW rollte mit heruntergelassenem Fenster mit keinem Meter Abstand an unseren Füßen vorbei. Tjare hatte die Sonnenbrille auf den Kopf geschoben und blickte mir direkt in die Augen. Seine Lippen waren dabei zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Ich grüßte unbehaglich mit einem dürftigen Nicken und sah dem BMW hinterher, der neben unserem Lager geparkt wurde.

»Die Wiese ist wirklich groß genug«, schimpfte Ole leise. »Müssen die sich ausgerechnet neben uns quetschen?« Die beiden anderen Wagen kamen in diesem Moment vorbei und offensichtlich war Oles Fluch gehört worden. Der Fahrer des Mercedes, der mich am Vormittag geärgert hatte, streckte den Mittelfinger raus.

»Lernt mal Autofahren, ihr Vollpfosten. Zwei beschissene Stunden habe ich hinter der Ente gehangen.«

»Reiß dich zusammen«, rief Tjare in diesem Moment seinem Kumpel zu und die Wagentür schepperte irre laut hinter ihm zu.

Ole sprang trotzdem darauf an und streckte ebenfalls den Mittelfinger hin. »Und dann? Was hätte es euch gebracht? Glaubst du, ihr wärt schneller gewesen? Wahrscheinlich habt ihr euch beim Unwetter irgendwo verkrochen und abgewartet, bis es aufgehört hat.«

»Der Regen kam die Passstraße sintflutartig runter, wir standen alle.«

Ole grinste ihn frech an und prostete in seine Richtung. »Nein, wir nicht. Viel Spaß beim Zeltaufbau im Dunkeln. Gleich seht ihr die Hand vor Augen nicht mehr.«

Tjare war dem Wortwechsel gefolgt und stapfte auf uns zu. »Seit wann seid ihr da?«

Kämpferisch schob Ole das Kinn vor und setzte sein Bier geradewegs wieder von den Lippen ab. »Frag doch bei der Orga nach. Beim nächsten Mal schlagt ihr das Lager nicht direkt neben uns auf, klar? Wir haben keinen Bock auf eure Partys und Orgien.«

Ich prustete los und Tjares Augen verengten sich. »Eher umgekehrt, was? Wir müssen eurem Gestöhne heute Nacht zuhören.«

Ole drückte mir völlig überrumpelnd sein Bier in die Hand, dann überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und stieß Tjare mit beiden Händen fest gegen die Brust. »Du homophober Wichser. Seht bloß zu, dass ihr euch von uns fernhaltet.«

Tjare stolperte rückwärts und fiel hin, während ich entsetzt beide Flaschen auf dem Dach des Audi abstellte, zu Ole spurtete und ihn festhielt. »Geht’s noch? Was ist los mit dir?«

»Ist doch wahr«, schnauzte Ole und befreite sich aus meinem Griff. Als ich nachgreifen wollte, hob er entwaffnend die Hände. »Ich hasse so was.«

Tjares Kumpels bauten sich um uns herum auf und Tjare kniff die Augen zusammen, beobachtete uns kritisch. Offenbar beschloss er, dass keine Gefahr mehr drohte. Er entließ die Körperspannung, streckte die Arme und Beine weit von sich und starrte in das Sternenzelt über uns. Plötzlich lachte er schallend los. »Was war daran denn homophob? Vertragt ihr die Wahrheit nicht?«

»Ach Mann, ey, haut doch einfach ab«, brummelte Ole. »Niemand hat euch gebeten, neben uns zu zelten.«

»Hast du nicht angefangen?« Tjare rappelte sich auf und trat erneut auf Ole zu. Mit Sicherheitsabstand und drei seiner Jungs im Rücken. Ich machte mich auf eine Schlägerei gefasst und fragte mich, wie wir in diese Situation geraten waren. Wieso Ole sich dermaßen provozieren ließ? Doch mein bester Freund wirkte ruhig und sah Tjare direkt ins Gesicht, als dieser sich einen nächsten Schritt heranwagte und weitersprach: »Spar dir künftig irgendwelche Sprüche, dann kontere ich auch nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---