Frei in seinen Fesseln - Elisa Schwarz - E-Book

Frei in seinen Fesseln E-Book

Elisa Schwarz

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Beschreibung

„Kein Spielzeug, mein Partner.“ Mit diesen Worten stellt Felix Naurod seinen Sub im Club vor. Bill erkennt auf den ersten Blick, welche Ironie hinter den Worten steckt, denn der junge Mann zu Naurods Füßen ist mitnichten dessen gleichberechtigter Partner. Er ist Naurods Sklave. Sein Hund. Sein Eigentum. Mitleid drängt in Bill nach oben, denn obwohl Naurod und sein Partner das beiderseitige Einverständnis beteuern, wirkt der junge Mann zutiefst verstört. Bill ergreift die einzige Chance, an den Sklaven heranzukommen. Er nimmt Naurods Angebot an, sich den Sub für eine Session ausleihen zu dürfen. In dieser kurzen Zeit unter erschwerten Bedingungen erfährt er nicht nur den Namen des Mannes, sondern sieht ihm auch erstmals in die von Schmerz durchzogenen Augen. Zu dem Mitleid gesellen sich in diesem Moment an sein Herz gehende Gefühle. Wird es Bill gelingen, Steffen von seinem Besitzer wegzulocken? Und wie würde es weitergehen? Steffen braucht Hilfe, keinen Dom und vor allem keinen Partner. Zumal Bill mit konditionierten Subs nichts anfangen kann. *** Dieses Buch hat homoerotischen Inhalt und gehört zu der Reihe "München", angesiedelt im Jahr 2008

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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FREI IN SEINEN FESSELN
IMPRESSUM
STEFFEN MEINHARD
PROLOG
1. LATEXMANN
2. HELFERSYNDROM
3. MEIN SKLAVE STEFFEN
4. DER NEUE HERR
5. KUMMERTAGE
6. ALBTRAUM
7. SCHÖNHEIT
8. SCHRITT FÜR SCHRITT
9. DEFEKT
10. HAUSBESUCH
11. ORGASMEN
12. FERNDIAGNOSE
13. SUB SEIN DÜRFEN
14. TAG X
15. IN SEINEN ARMEN
16. AUSGELAUGT
17. FALLEN UND FLIEGEN
18. EINVERNEHMLICHE NICHTEINVERNEHMLICHKEIT
19. VERWÖHNPROGRAMM
20. TAGE WIE DIESE
21. TAGE WIE DIESE
22. AUSKLANG
23. SAG DANKE
24. FELIX
25. MEIN FREUND
26. HERAUSFORDERUNGEN
27. BILLMASTER
28. METAEBENE
29. SUBORDINATION
30. DOMINANZ
31. MASTER D
32. KEIN WELTUNTERGANG
33. DESTRUKTIVE BEZIEHUNG
34. DER FREMDE
35. MEILENSTEINE
36. AUF EINE KARTE
37. BULLWHIP
38. STEP BY STEP
39. BESTIE VS. ELTERN
EPILOG
DANKE
MEHR VON DER AUTORIN
IN PLANUNG
LESEPROBE

FREI IN SEINEN FESSELN

 

MÜNCHEN 2008

 

 

 

 

 

Elisa Schwarz

 

IMPRESSUM

 

 

 

1. Auflage - November 2019

Copyright © Elisa Schwarz

 

Kontakt:

[email protected]

Elisa Schwarz

Krauseneckstr. 24 d

55252 Mainz-Kastel

 

 

© Cover: Elisa Schwarz

© Foto: Claudia Busch – 123rf

Lektorat: Julia Fränkle

Korrektorat: Melanie Henning

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Übersetzung, Nachdruck und Veröffentlichung

jeglicher Art, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Autorin.

 

STEFFEN MEINHARD

 

 

 

 

Seine Ausstrahlung und seine Kraft,

Machtgefälle ohne Worte herzustellen, machen mich schwach.

Der Groll auf ihn fällt wie ein Häufchen Asche in sich zusammen.

Der Wunsch, ihm zu dienen, nimmt mich ein.

PROLOG

 

 

Steffen

 

Nicht zittern. Auf keinen Fall zittern. Vor allem still bleiben.

Der Schmerz leckt sich durch die Wunden auf meinem Rücken, zieht bis in die letzte Nervenbahn. Explodiert dort. Ich krümme mich. Beiße mir fest auf die Innenseiten meiner Wangen, um keinen Laut von mir zu geben.

Dabei will ich schreien: Aufhören! Das Wort hallt in mir nach, verklingt in meinem Kopf.

„Ich bin stolz auf dich.“ Seine Hand an meinem Haar. Reflexartig ducke ich mich weg. Tränen sammeln sich hinter meinen Lidern, ich kneife die Augen noch fester zusammen.

Nicht weinen. Nicht weinen. Nicht zittern. Das Zucken war schon zu viel. Es nährt die Seele meines Besitzers.

Ich bin schutzlos, nackt, ausgeliefert. Die Haut ist aufgeplatzt. Aber da ist kein Blut. Dieses Mal nicht. Die Male, die er mir zugefügt hat, brennen dennoch wie Feuer. Der Wunsch, den beißenden Schweiß, seinen Dreckssaft und seine Spucke von mir zu waschen, wird übermächtig, aber ich schiebe ihn vehement beiseite.

Nicht darum bitten. Nicht! Betteln! Fest beiße ich mir auf die Zunge. Bete es wie ein Mantra herunter: Du wartest, bis du es gestattet bekommst. Vielleicht heute noch. Bitte, bitte heute noch!

„Meine brave Stella. Du hast dir einen vollen Napf verdient. Schnell auf deine Decke. Um den Rest kümmere ich mich.“

Er erlöst mich.

Endlich!

Tiefe Dankbarkeit macht sich in mir breit. Eine Träne windet sich vor Erleichterung aus meinem Augenwinkel. Hastig wende ich das Gesicht ab. Meine Schwäche darf er nicht sehen. Der Weg bis zum Hundekorb zieht sich. Mühsam krieche ich vorwärts, mein gesamter Körper ist ein einziger Schmerzklumpen. Alles in mir sehnt sich nach der rettenden Decke. Meinem Ruheplatz. Die Zone, in der er mich frei atmen lässt.

Mir ist so kalt.

Mein in Flammen stehender Körper kommt nicht gegen das Gefühl an, zu erfrieren. Noch ein Meter …

„Dreh dich um!“

Scheiße! Bitte, nicht! Bitte, bitte nicht!

„Ich werde dir jetzt den Käfig entfernen, du darfst es dir selbst machen. Als kleine Belohnung.“

Nein! Ich will nicht!

Mein Hals ist wie zugeschnürt. Trotzdem drehe ich mich um, rapple mich hoch. Feuer in mir!

Ich stöhne auf, nehme unaufgefordert die Grundhaltung an: die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Kniend, die Beine so weit auseinandergeschoben, bis es in den Innenschenkeln reißt, Arsch raus. Das Kinn auf die Brust gedrückt. Mein Körper so gestreckt wie möglich.

So gestreckt, wie er es möchte!

Ein Lernprozess. Ein langer. Wochen hat es gedauert, bis jeder Muskel so exakt gedehnt war, wie er es verlangt hat. Mein Besitzer ist speziell. Seine Vorlieben sind speziell und ich … Ich war stark heute. So unglaublich gut. Während er sich an meinem Penisgefängnis zu schaffen macht, schwelt Stolz in meiner Brust. Still und heimlich. Genährt von meinem Drang, mich nicht ganz zu verlieren. Sein Lob züngelt tief, ich habe alles richtig gemacht. Dabei hasst er fehlerfreies Verhalten. Er verabscheut es, mich zu belohnen. Macht es trotzdem. Auf seine Art. Belohnung für ihn, Qual für mich!

Kaum nimmt er mir das Stachelgefängnis ab, brechen meine Dämme. Tränen laufen über meine Wangen. Die weiche Haut um mein Geschlecht ist von den Stacheln aufgeritzt, meine Eichel feuerrot.

„Ach, meine Kleine. Heute warst du wirklich gut drauf, du hast mir Freude gemacht. Ich weiß schon, warum ich an dir festhalte. Du hast dir einen Orgasmus redlich verdient.“

Mein Magen rebelliert. Aber es ist nichts drin, was ich herausbrechen könnte. Nichts, außer seinem Saft. Und den werde ich in mir behalten, komme was wolle.

Sieh mich doch mal an, will ich schreien, aber wieder findet es nur in meinem Kopf statt.

„Pass auf, dass nichts daneben geht, wenn du wichst. Komm in deine Hand und leck sie anschließend ab.“

Wie soll ich mich noch anfassen? Ich schluchze. Rasende Panik breitet sich in mir aus.

„Nicht doch, Stella. Nicht weinen. Es wird alles gut, meine Süße. Alles wird gut.“

Nichts ist gut!

Die Tränen rinnen wie Sturzbäche, seine Worte sagen alles, seinen Blick sehe ich nicht. Zum Glück! Ich bin zu schwach für diesen Mann.

„Jetzt mach es dir! Fass dich an, schenk mir deinen Schmerz.“

Alles zu spät.

Viel zu spät.

Hastig greife ich an meinen Schwanz, schreie auf …

1. LATEXMANN

 

 

Bill

 

Grübelnd sitze ich in meinem Stammclub und lausche den gedämpften, lustvollen, aber auch den von Schmerz durchzogenen Lauten um mich herum. Nicht jedes Paar zieht sich in einen Raum zurück. Manche lieben das Spiel unter bekannten und auch fremden Blicken.

Ich bin gern hier. Genieße mein Feierabendbier, die Atmosphäre und die Gleichgesinnten um mich herum. Einer meiner Freunde – Enrice – ist mit seinem Partner noch im Einzelgespräch, ich rechne fest damit, später noch ein wenig seine Gesellschaft zu genießen. Bis dahin möchte ich allein sein. Die wenigen schwulen Subs, die heute ohne dominanten Partner da sind, haben es mittlerweile aufgegeben, mich mit ihren devoten, wissenden und oft auch neugierigen, unwissenden Blicken auf sich aufmerksam zu machen. Manche kenne ich, einige neue Gesichter sind auch darunter. Mein gesamter Körperausdruck hält sie aber offenbar davon ab, mich anzusprechen. Das ist gut so.

Ich habe keine Lust auf ein Spiel, möchte einfach nur vor mich hin sinnieren, ohne für eine Session verantwortlich zu sein. Sie zu gestalten, alles aus dem Sub herauszuholen, was dieser bereit ist zu geben, um am Ende tiefste Befriedigung der Seele beider Seiten zu erlangen.

Seit meinem sechsunddreißigsten Geburtstag – weder ein runder noch ein besonderer –, komme ich häufiger ohne Begleitung. Ich werde wohl alt.

Vielleicht liegt es aber auch an den zahlenden Kunden, die ich in meinen privaten Räumen bediene. Mir fehlt derzeit einfach Energie, um die Abende oder Wochenenden noch mit eigennützigen Spielen zu füllen. Meine Kunden kommen aus den verschiedensten Gründen heraus zu mir. Sie vertrauen mir, mit den meisten bin ich eingespielt. Sie bestimmen, was geht und was nicht geht, setzen mir Grenzen. Verstand ist immer dabei, klares Denken Voraussetzung. Sensibilisierung der Sinne und der notwendige respektvolle Umgang miteinander selbstredend. Bei mir können sie ihre Leidenschaft ausleben und ich biete den privaten Rahmen dazu: Anonymität.

Nach meiner Arbeit sehne ich mich allerdings mittlerweile nach Entspannung und die einzige Unterhaltung, die sich mir bietet, ist der Fernseher in meinem Wohnzimmer, wenn ich nicht die zahlreichen Menschen, die ich kenne, zu Gast habe oder in den Club gehe. Viele der Doms surfen auf der gleichen Welle wie ich. Sie alle haben allerdings einen anderen Lebensinhalt als ich. Einen erlernten Beruf, dem sie nachgehen, der nichts mit ihrer sexuellen Neigung zu tun hat. Mitunter haben sie Familie oder leben in einer festen Partnerschaft. Wie auch immer, sie alle scheinen derzeit ausnehmend glücklich zu sein.

Ich gönne es ihnen von Herzen, wenn auch der Gedanke daran irgendwie schmerzt. Befremdlich ist das. Fühlt sich wie Neid an.

Daher gehe ich es langsamer an, suche meine Subs gezielter aus und habe keine Probleme damit, auch mehrere Sessions mit ein und demselben Mann abzuhalten, wenn wir harmonieren. Die Müdigkeit und diese ungreifbare Sehnsucht, die in mir wohnt, machen das Spiel allerdings gefährlich. Weniger für mich als vielmehr für die Subs.

Unser neuestes Clubmitglied zieht meine Aufmerksamkeit auf sich: Felix Naurod! Ein dominanter schwuler Mann, der die dunkelste Gangart des BDSM lebt. Er ist hart, brutal, gnadenlos. Ein Sadist der rauesten Sorte – und niemals allein unterwegs.

Es gibt genügend zähe Jungs da draußen, die seine Art zu Spielen befürworten. Ihm die Füße küssen, damit er sie wie Dreck behandelt. So weit meine Beobachtungen. Naurod geht seit einigen Wochen hier ein und aus. Immer mit einem anderen Sub an der Seite. Meist als Hund – allerdings ohne Wackelschwanz und Plüschohren. Spielereien und Liebeleien scheint Naurod nicht zu mögen. Seine Spielpartner sind in Latex verhüllt. Stets. Ihre Köpfe sind tief gesenkt, ihr Wille für den Abend an der Eingangstür abgegeben.

Das sind keine Männer, mit denen ich meine Zeit verbringen wollte. Wir würden uns langweilen. Schon allein deshalb, weil meine Grenzen innerhalb des Limits der Subs liegen, nicht außerhalb. Ich könnte ihnen also niemals genügen. Eine Session würde ihnen nicht ausreichen, sie wollen untergeordnet werden. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Monat für Monat. Mit der Psyche dieser Menschen habe ich mich nie auseinandergesetzt, will es auch nicht. Und so alt Sadismus mit seinen Facetten auch ist, persönlich bin ich jemandem wie Naurod nie begegnet. Wo bleibt der Spaß, wenn der Hund keine Abweichungen mehr zeigt?

Meine Abneigung gegen ihn und seine Art kocht erneut hoch, als der lebende Beweis für seine Vorlieben in diesem Moment an mir vorbeikommt. Es ist das erste Mal, dass ich einen seiner Hunde nicht im Vierfüßlerstand kriechen sehe. Dieser hier geht aufrecht. Halb aufrecht zumindest.

Seine Haltung ist unnatürlich. Er geht leicht gebeugt, die nackten Füße berühren den Boden, als wären rohe Eier unter ihnen festgebunden – man kann ja nie wissen –, aber das Bild ist nicht stimmig. Stimmt nicht überein mit einem Sub, der seine Muskelschmerzen auskurieren oder gleichartige Wehwehchen wegatmen muss. Der Sub sieht wie zu erwarten nach unten, das Kinn liegt auf der Brust auf. Das ist nicht hübsch, erregt mich kein bisschen. Zum Glück muss ich nicht jeden Fetisch mögen. Kein Grund zur Aufregung.

Flüchtig nehme ich aus dem Augenwinkel heraus wahr, dass auch Oleg Paulsen, der Besitzer des Clubs, sowie Enrice den Neuen und sein Spielzeug bemerkt haben. Paulsen nähert sich dem Zweiergespann, sein Lächeln gefriert auf den Lippen. Das wird kein Gespräch, welches ihm behagt.

„Felix, schön, dass du wieder zu Gast bist. Wen hast du dir denn heute zum Spielen mitgebracht?“

Knapp nickt der Dom zur Begrüßung und zieht an der leinenartigen Konstruktion. Ein Zucken erfasst den schlanken Körper, gleich darauf sinkt der Sub ohne weitere Aufforderung neben ihm auf die Knie.

Kein Laut, kein Ton, nichts.

Weder von dem Sub, noch von seinem Herrn. Fieberhaft rattern meine Gedanken, kramen in den Clubregeln, was eigentlich gar nicht nötig ist, denn ich kenne sie auswendig. Leider kann ich, wie immer, keinen Passus gegen Naurod finden. Er ist nun einmal so. Wenig liebevoll. Zudem scheint ihr Spiel bereits zu laufen.

„Was kann ich für dich tun, Oleg?“, erkundigt sich Naurod und bestellt sich ein Ginger-Ale.

„Nichts Bestimmtes.“ Oleg lächelt mild. „Ich wollte nur dein neues Spielzeug betrachten.“

„Kein Spielzeug, mein Partner.“

Ich verschlucke mich an meinem Bier, huste den sich anbahnenden Anfall von Luftmangel weg und geselle mich dazu. Das interessiert mich näher.

„Bist du zu einem festen Sklaven übergegangen?“, frage ich prompt. „Wie kommt’s?“

Naurod feixt und deutet auf einen Tisch unweit von uns. „Lasst uns doch setzen. Freunde.“

Er zieht nicht an der Leine, dennoch zuckt der Latexmann erneut zusammen, bevor er sich auf seinen Knien und Händen langsam fortbewegt.

„Platz!“ Felix bellt in einer Lautstärke, die in den Ohren wehtut. Der Mann muss taub sein. Er zittert kurz, reißt sich zusammen und … zögert.

Er zögert.

Meine Augen sind geschult. Ich sehe das! Bedauerlicherweise wird es auch sein Dom bemerkt haben. Der Brustkorb hebt und senkt sich schwer, jede Bewegung erfolgt in Zeitlupe und scheint ihm sichtlich schwerzufallen. Theoretisch sollte das schneller gehen – er muss Schmerzen haben. Naurod scheint das nicht zu kümmern. Er hilft mit der flachen Hand am Rücken nach, bis der Sklave unterwürfig am Boden liegt und den Kopf neben den Schuh seines Doms platziert hat. Er präsentiert uns somit ein wohlgeformtes Kreuz, einen wirklichen hübschen Arsch und feste Schenkel. Mein Interesse erwacht. Lust könnte aufkommen, wenn kein Latex um diesen wunderschönen Körper gegossen worden wäre. Ich hasse Latex. Dieser Gestank …

„Interessanter Leinenersatz.“ Ich deute auf das Konstrukt in seiner Hand, das am eng anliegenden Halsband endet.

„Nicht wahr? Entdeckt auf einer Messe und für gut befunden. Es ist eine Disziplinarhilfe, siehst du?“ Naurod hält mir die Leine vor die Augen. Ein roter Knopf ziert das Ende der Schlaufe.

„Strom? Ist das dein beschissener Ernst?“

Ich bekomme ein boshaftes Lächeln geschenkt und Paulsen deutet mir an, ruhig zu bleiben. Konditionierung – kein Fremdwort für mich. Dennoch steigt in mir Galle nach oben.

 

Eine Stunde belanglosen Small Talks und zwei Bier später sitzen wir immer noch zusammen. Enrice und sein Partner sind dazugestoßen. Während sein Hund gemütlich auf dem Boden sitzt und vor sich hin döst, die Streicheleinheiten Enrices genießt, kauert der fremde Sub nach wie vor auf dem Boden – ohne Getränk. Seine Position scheint einigermaßen angenehm zu sein, auch wenn ich das Zittern seiner überanstrengten Oberschenkelmuskulatur mittlerweile deutlich sehen kann.

„Ihr seid also erst seit Kurzem zusammen?“ Ich kratze erneut das Brennpunktthema an, in der Hoffnung, dass Naurod etwas aufgetaut ist und ein wenig mehr von sich und seinen Methoden preisgibt.

„Nein, das nicht. Aber die Ausbildung war etwas langwieriger.“

„Tatsächlich? Aber warum bringst du ihn erst heute mit? Du hattest ständig andere Partner dabei.“

„Bill, du bist neugierig.“ Naurod zieht arrogant eine Augenbraue in die Höhe. „Mein Hund war einfach noch nicht so weit, daher habe ich mich mit anderen Subs über Wasser gehalten. Heute ist seine Generalprobe.“

„Er wird Durst haben. Habt ihr einen Raum reserviert?“

„Haben wir.“

Mir stecken weitere Worte in der Kehle fest, Naurod ist auf ein Getränk für seinen Hund nicht eingegangen. Kurzerhand besorge ich eine saubere Edelstahlschale aus der Küche, gieße sie halb voll mit stillem Wasser aus der Flasche. Respektlos gegenüber dem Sub, aber die einzige Möglichkeit, die mir in diesem Moment wenigstens halbwegs respektvoll gegenüber seines Doms erscheint.

„Lass ihn trinken, Felix.“ Mit dem Fuß schiebe ich die Schüssel neben den Kopf des Subs.

Eine unausgesprochene Bitte klingt in meinem Ton mit und Paulsen kommt mir zu Hilfe. „Bill hat recht. In dem Anzug kann der Körper nicht atmen. Wenn ihr noch spielen möchtet, schadet es nicht, deinem Partner etwas anzubieten.“

„Freund und Feind sind nah beieinander, nicht wahr?“

Kurz berührt Naurod den Sub am Rücken, wieder zuckt dieser zusammen. Mein Blick fliegt zum Leinenende, das locker und unbeachtet auf seinem Oberschenkel liegt. Kein Strom. Lediglich eine Berührung, die jeder Sub in einer 24/7 Beziehung schnurrend annehmen würde. Ist es Angst? Gar Panik?

„Trink das leer und pass auf, dass nichts daneben geht“, ordnet Naurod an.

Es ist herabwürdigend, wie der Mann sich darum bemüht, das kleine Loch vor seinen Lippen zu dehnen, um mit der Zunge das Wasser schlecken zu können.

Ich liebe das Spiel mit der Scham, inhaliere es geradezu – nur gerade eben nicht. Ich könnte mich ohrfeigen. Eine grandios dämliche Idee war das von mir, dem Sub das zuzumuten!

Da ist sie wieder, diese Entwicklung an und in mir, die mir nicht gefällt. Ich vergesse das Denken, wenn meine Gefühle Mitspracherecht bekommen. Tiefes Mitleid sitzt in meiner Brust fest und mir fällt es immer schwerer, mir nichts anmerken zu lassen. Dieser Sub möchte es so – ich muss es mir nur noch ein paar Mal vorsagen.

„Wieso Latex?“

Naurod lacht belustigt auf. „Stehst du wohl nicht drauf, was? Ich habe schon bemerkt, dass deine Subs in der Regel gar nichts anhaben, im allerhöchsten Fall mal ein Schmuckstück wie einen Harness oder einen Plug tragen. Aber Stella gefällt es. Sie mag Latex. Ich auch.“

„Stella?“ Eine Transfrau? Von der Statur ist der Mensch zu unseren Füßen eindeutig ein Mann. Einer, der sich gerade abmüht, den Napf zu leeren, ohne dabei etwas zu verschütten und ohne sich die Zunge auszurenken, denn er kommt nicht wirklich dran.

„Den Namen hat sie sich selbst zu verschreiben. Am Anfang hat sie ziemlich oft den Schwanz eingezogen, da blieb mir gar nichts anderes übrig, als sie zu kastrieren.“

„Das ist nicht dein Ernst!“ Enrice, Paulsen und ich springen gleichzeitig auf.

Der Napf kippt in Zeitlupe.

Naurod grinst schadenfroh. „Keine Aufregung. Was will ich mit einem Sklaven, der keine Eier mehr zwischen den Beinen hat? Ich glaube, es ist an der Zeit, unseren Raum zu beschnuppern. Was meinst du, Stella?“ Diesmal zuckt er zusammen, ohne auch nur ansatzweise berührt worden zu sein. Die Leine liegt fest in Naurods Hand. Ich schlucke. „Ach nein, mein Mädchen. Du hast ja alles verschüttet. Leck die Lache schnell auf, damit du deine neue Umgebung erschnüffeln kannst.“

Der Sub senkt erneut den Kopf, bemüht darum, seiner Oberschenkelmuskulatur, vor allem seinen Knien keine Schwäche einzugestehen. Hier ist es sauber, gar keine Frage, aber wie sauber kann schon ein Boden in einem gut besuchten Club sein? Alles wird von ihm aufgeleckt, einschließlich der wenigen Spritzer, die auf Naurods Schuhen gelandet waren, dies ohne Aufforderung. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit und mir gefriert das Blut in den Adern, als Naurod noch einen draufsetzt.

„Du Brave. Jetzt werden wir dir dein Schnäuzchen mit Seife auswaschen gehen. Das nächste Mal wirst du dir also dreimal überlegen, etwas zu verschütten, nicht wahr? Komm, meine Kleine.“

Enrice hält mich mit warnendem Blick zurück, gerade als die Wut in mir die Oberhand gewinnen will. Der Mann müht sich ab, dem Leinenzug zu folgen. Bis die Hand seines Herrn auf seinem Rücken einen Schmerzenslaut auslöst. Der erste Ton überhaupt. Naurod blafft ihn an und zieht ihn verärgert weiter. Kein beruhigendes Einreden, was ich erwartet hätte. Naurod ist ein kaltherziges Arschloch. Seinem Sub geht es nicht gut, daran gibt es nichts zu rütteln. Er braucht Hilfe, kein hartes Spiel. Zumindest ist das meine Vorstellung von sicherem BDSM. Naurod und seine Partner sehen das anscheinend anders.

Was muss das für ein Typ Mensch sein, der sich hinter dem Latex versteckt? Wer macht so was mit? Komplette Selbstaufgabe, kompletter Kontrollverlust über sein eigenes Tun. Es wird sich nicht an der Nase gejuckt, wenn der Dom – in dem Fall wohl eher Besitzer – es nicht erlaubt und es wird nicht gepupst, wenn kein Einverständnis vorliegt. Getrunken und gegessen wird nach Plan und das offenbar nur in geringen Mengen. Zumindest sieht er ausgemergelt aus. Geschlafen wird dann und vor allem dort, wo es angeordnet wurde. Gesprochen wird so gut wie nie und auch seine Welt mit den Augen wahrzunehmen, scheint in diesem Fall unterbunden worden zu sein.

Andere Doms haben sich zu dem Schauspiel gesellt, während Paulsen mich mit seinem Blick an Ort und Stelle festhält. „Bleib ruhig“, mahnt er leise. „Du explodierst gleich. Bill, du kannst nichts dagegen machen. Ich bin seit über elf Jahren Besitzer dieses Clubs, wir haben hier schon ganz andere Dinge zu Gesicht bekommen.“

„In diesem Club sind Subs, die unter Zwang stehen, untersagt. Unterlassene Hilfeleistung ist darüber hinaus nicht nur eine gebrochene Regel des Clubs, sondern ein Vergehen gegen jeglichen Konsens, was unser Sein ausmacht.“

„Ich weiß das. Aber nichts deutet darauf hin, dass hier Zwang vorliegt. Wenn er gerade beginnt, uns sein wahres Gesicht zu zeigen, sollten wir die Augen achtsam auf ihn gerichtet lassen. Ein schwarzes Schaf dulde ich hier nicht. Klar? Solange ich aber keine Beweise habe, sind mir die Hände gebunden. Halt also die Füße still.“

„Oleg, das ist zu viel verlangt.“

Paulsen atmet tief durch, nickt nach einer Schweigeminute. „Wir stellen ihn zur Rede. Im Nebenzimmer meines Büros. Mehr kann ich nicht tun.“

„Danke“, presse ich hervor und folge Naurod und seinem Hund. Er hat das hinterste Spielzimmer gewählt. Ein spärlich eingerichteter Raum, aber von großem Nutzen, wenn man Gehorsamkeitstraining anstrebt. Von mir eher selten gebucht. Nur auf Wunsch des Subs.

Enrice geht neben, Paulsen hinter mir. Beide Männer geben mir Kraft. Ich sammle mich, klopfe laut und deutlich an. Ohne Antwort abzuwarten, tippe ich anschließend den Code ein, um eingelassen zu werden. Viel Zeit hatten die beiden noch nicht. Der Mann steht krumm und zitternd mit dem Rücken zur Tür, Naurod schimpft los. Paulsen tritt vor mir ein und der Sub knickt wie ein Streichholz in sich zusammen. Nein, ihm geht es ganz und gar nicht gut.

Paulsen stellt Naurod zur Rede, während Enrice und ich uns vor dem Bündel Mensch niederlassen. Er hat sich zusammengerollt und wimmert leise.

„Können Sie mich hören?“ Enrice streicht ihm über die Schulter und ein Schmerzenslaut kommt als Antwort. Der Sub zieht sich weiter zurück.

Naurod ist wütend. Er weigert sich, Paulsen zu folgen und seinen Sub hier zurückzulassen. Laut und deutlich macht er sich Luft. „Ich habe gegen keine Clubregel verstoßen. Was bildet ihr euch eigentlich ein?“ Mit grausamer Vehemenz wird mir die Richtigkeit seiner Worte bewusst. Er ruft nach seinem Sub, der mechanisch beginnt, sich zu drehen, dabei stöhnt und in Richtung seines Besitzers kriecht.

„Sie müssen das nicht tun.“ Ich halte ihn auf und beuge mich noch tiefer. Will so gern einen Blick in seine Augen erhaschen, nur einen einzigen. Meist verraten sie viel über das Seelenleben. Das würde mir mehr Klarheit bringen. „Hören Sie mich?“ Ich krieche neben ihm her. Mir ist die Musterung der anderen Doms bewusst, die sich langsam alle in dieser Ecke des Clubs eingefunden haben.

Der Mann reagiert nicht, kommt bei Naurod an und legt, wie bereits in der Bar demonstriert, seine Wange flach auf den Boden genau neben den Schuh.

 

Eine gute Stunde später ist der Club wegen interner Probleme geschlossen. Paare, die sich heute einen Ausklang vom Alltag holen wollten, kommen nicht mehr herein und die Paare, die grundsätzlich ihr eigenes Süppchen kochen, sind bereits gegangen. Geflüchtet, besser gesagt.

„Felix, nimm Vernunft an.“ Paulsen redet auf ihn ein wie auf einen Irren. Ist er das nicht sogar? „Erlaube ihm das Wort. Wir wollen nur ein einziges Wort von ihm hören, dann seid ihr erlöst und selbstverständlich auch weiterhin willkommen. Wenn er seine Freiwilligkeit bestätigt, ist alles gut. Dann haben wir dem nichts entgegenzusetzen.“

Sehr wohl sogar! Aber diesen Gedanken spreche ich nicht laut aus. Der Sub ist konditioniert. Niemals würde er vor seinem Besitzer zugeben, dass er gegen seinen Willen abgerichtet wird. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.

Naurod lässt sich über Gebühr Zeit, bevor er dem Jungen die Erlaubnis zum Antworten erteilt. Nur zum Antworten. Einsilbig mit Ja und Nein lautet der Befehl.

Enrice und ich gehen gleichzeitig vor ihm in die Hocke. Ich beginne mit einer leichten Frage, zum Test, ob der Mann überhaupt realisiert hat, was von ihm erwartet wird. „Können Sie mir bitte antworten?“

Er nickt und Naurod schnauzt ihn rüde an. „Antworte gefälligst, wie ich es dir beigebracht habe.“

Dadurch sinkt er noch tiefer in sich zusammen und bestätigt: „Ja, Herr.“

„Schmerzt Ihr Rücken?“

„Nein, Herr.“

Mein Herz schlägt viel zu schnell, raubt mir die Konzentration. „Sie laufen sehr wackelig, stimmt was mit ihrem aufrechten Gang nicht?“

„Nein, Herr. Alles ist gut, Herr.“

„Haben Sie rektale Schmerzen?“

„Nein …, Herr.“

Nach wie vor versteckt er sich an Naurods Bein. Wut und Enttäuschung kochen an die Oberfläche und meine Stimme wird um Nuancen lauter. „Sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich Ihnen Fragen stelle.“

Totenstille. Sie raubt mir den letzten Nerv.

„Bill, beruhige dich“, flüstert mir Enrice zu und auch Paulsen hebt beschwichtigend die Hand in die Höhe.

„Gut, okay.“ Es kostet so viel Kraft. „Ich formuliere die Frage anders.“

„Du solltest auf den Punkt kommen.“

„Halt den Mund, Felix. Du bist jetzt nicht gefragt.“ Ich schreie diesen fadenscheinigen Mann an, der seelenruhig im Sessel gegenüber des Schreibtisches in Paulsens Büro sitzt. Sich seiner Sache so widerlich sicher scheint. Der Sub wird mit jedem lauten Wort ein Stück kleiner.

So schutzbedürftig.

„Okay.“ Eine andere Anrede muss her. Dringend. Die Höflichkeitsform scheint bei ihm nicht anzukommen. Vielleicht ist er schon entpersonalisiert. „Darfst du mich ansehen … Kleiner?“

„Nein, Herr.“

„Dein Besitzer hat aber nichts davon, wenn das hier noch Stunden dauert. Ich möchte also, dass du mich ansiehst. Hat dein Besitzer mit dir über die Befehle fremder Doms gesprochen?“

„Ja, Herr.“

„Und? Musst du sie befolgen?“

„Ja, Herr.“

„Großer Gott. Alle? Immer?“

„Ja, Herr.“

Das ist abartig. Widerlich. Kennt Naurod keine Grenzen? Niemals, nie und nimmer würde ich einen solch allumfassenden Befehl an einen meiner Jungs erteilen, die mir ihr hundertprozentiges Vertrauen schenken. Niemals. Natürlich kommt es vor – das gemeinsame Spiel zu dritt oder gar viert. Aber dann gilt eine solche Regel ausschließlich für diesen Zeitraum. Niemals darüber hinaus!

Und trotzdem nutze ich diesen Befehl nur zu gern aus. „Dann sieh mich jetzt an. Dazu drehst du dich herum, richtest dich auf. Ich möchte, dass du mir direkt in die Augen siehst. Ich bin genau hinter dir, du musst also nur deinen Oberkörper ein wenig aufrichten. Tu das bitte für mich.“

Er reagiert.

In mir legt sich ein Schalter um. Ein Schalter, der mich davor bewahrt, meine kompletten Emotionen vor seine Füße zu kotzen. Er müht sich redlich ab, kann sich ein schmerzhaftes Keuchen kaum noch verkneifen und richtet sich letztendlich mit verzerrtem Gesicht vor mir auf. Die Knie weit gespreizt, der Hintern herausgestreckt. Der Rücken ist durchgebogen und die Arme wandern automatisch dahinter. Das Kinn sinkt auf die Brust.

„Heb den Kopf und mach die Augen auf.“

Zögerlich folgt er meiner Anweisung. Ich sehe Naurods Hand zucken – entweder möchte er den Blickkontakt um jeden Preis verhindern oder es ging ihm schlicht und ergreifend nicht schnell genug. Wunderschöne Augen kommen zum Vorschein. Haselnussfarben, ein wenig meliert. Was für ein herrlicher, natürlicher Ton. Er starrt mich an, besser gesagt, durch mich durch. Wie vermutet erkenne ich nichts als Leere in dem faszinierenden Braun. Kein Glanz, nichts. Und alles andere kann ich nur erahnen. Hohe Wangenknochen hat er, die Wangen selbst wirken eingefallen, eine fein geschnittene Kinnpartie zeichnet sich ebenfalls durch das Latex ab.

„Stellst du nun deine restlichen Fragen?“ Naurod ist sichtlich aufgerieben. Ob es daran liegt, dass sein Sub keinen Ausweg mehr wusste, sich mir nach einer Sekunde zögerlich doch offenbart hat? Von dem Mann geht ein penetranter, kaum ertragbarer Latexgeruch aus.

Ich nicke Naurod zornig zu, richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann vor mir. „Noch mal von vorne“, bestimme ich neutral ruhig, obwohl es in mir brodelt. „Hast du Schmerzen?“

Der Sub schließt die Augen, antwortet sofort: „Nein, Herr.“

„Stopp. Vergiss das ganz schnell wieder. Sieh mich an, wenn ich dir diese Fragen stelle. Die Augen bleiben geöffnet und auf meine gerichtet. Hast du Schmerzen? Ich werde dir ansehen, wenn du mich anlügst.“

Er zögert, würgt beinahe, die Antwort steckt ihm im Halse fest. Er ist kaum hörbar. „Ja, Herr.“

„Auch rektal?“

„Ja, Herr.“

„Hast du Angst?“

„Ja, Herr.“

„Vor deinem Herrn?“

Er blickt weg, krächzt: „Nein, Herr.“

Das war eine glatte Lüge. „Vor was denn sonst? Schau mich wieder an.“

Enrice gibt mir ein Zeichen, diese Frage anders zu formulieren und ich schnaube frustriert auf. Überlege, in welcher Situation er sich befindet, was die nächste, logische Reihenfolge in einem Szenario wie diesem für ihn wäre. „Hast du Angst vor der Bestrafung?“

„Ja …, Herr.“ Zögerlich spricht er das Unvermeidbare aus. Vermutlich wäre es egal, wie seine Antwort gelautet hätte, er wird sowieso eine saftige Strafe bekommen.

„Wohnst du bei ihm?“

„Ja, Herr.“

„Möchtest du mit ihm nach Hause?“

„Ja, Herr.“

Diese Antwort lässt mich kräftig schlucken. „Ich möchte seinen Namen wissen, Felix.“

„Stella.“

„Das reicht mir nicht. Nenn mir seinen Namen.“

„Was geht er dich an? Du hast doch gehört, dass er endlich nach Hause will. Dein Kreuzverhör strapaziert ihn.“

„Machst du das freiwillig?“ Eine nächste Frage für den Sub. Meine Aufmerksamkeit wird zeitlich von Naurods dreckigem Auflachen angezogen.

Noch im selben Moment könnte ich mir in den Hintern treten. Nur für einen Moment habe ich den Blick des Mannes losgelassen und schon schießt ein „Ja, Herr“ aus ihm heraus. Ich bin mir so sicher, dass er es nicht gewagt hätte, mir offen ins Gesicht zu lügen und muss mit dieser zweiten Lüge nun auch noch leben.

Paulsen seufzt und Naurod hat ein triumphales Siegerlächeln im Gesicht. Er zerrt seinen Hund aus dem Raum, aus dem Club.

2. HELFERSYNDROM

 

 

Bill

 

Zwei Wochen sind vergangen, seit ich zum letzten Mal im Club war. Aus zuverlässigen Quellen bekomme ich alle paar Tage Neuigkeiten erzählt. Naurod hat seinen Ärger über den besagten Abend offenbar vergessen, macht weiter wie bisher. Mich wundert es kein bisschen. Dieser Mann hat kein Gewissen, weder ein gutes, noch ein schlechtes. Oleg Paulsen hat mit ihm ein weiteres Gespräch geführt. Allein. Auch mit dem Sub wollte er Worte wechseln. Erfolglos. Er beteuerte, gern mit seinem Dom zusammen zu sein, und alles, was ihm zugefügt würde, passiere mit seinem Einverständnis. Naurod wurde auferlegt, sich innerhalb der Wände des Clubs besser um seinen Sub – Sklaven – zu kümmern. Immerhin. Paulsen wird das kontrollieren, ich verlasse mich auf ihn.

Aber wo ist der Anfang, wo die Grenze des Überschreitens ihrer beider Privatangelegenheit? Ich bin niemand, der eine Konfrontation scheut, aber seit ich in diese leeren Augen geblickt habe, hat sich eine Eisenklammer um mein Herz gelegt und dieses schlägt spürbar verwundet vor sich hin. Nicht definierbare Gefühle für den jungen Mann – ich schätze ihn nicht älter als zwanzig ein –, stecken in mir fest. Helfersyndrom, rede ich mir ein. Dennoch, da sind Gefühle. Tiefe, krankhaft schmerzende und ich bekomme sie nicht weg.

Seitdem gehe ich noch umsichtiger mit meinen Kunden um. Drei Beschwerden gab es deshalb bereits. Ich habe mich zu häufig nach ihrem Wohlbefinden erkundigt. Da es langjährige Kunden sind, bin ich mir ihres Vertrauens in mein Können bewusst. Sie haben mir verziehen. Ich mir selbst nicht.

Mir ist unwohl, nachdem die Tür des Clubs hinter mir zugegangen ist. Das Schummerlicht fängt mich ein, der Geruch nach Haut, Schweiß, Leder und Sex dringt in meine Nase und ich inhaliere ihn extra lange. Ein junger, aber gut ausgebildeter Sub läuft neben mir – locker, beschwingt, freut sich auf die Session. Die erste seit Wochen, die ich mir privat gönne und dafür nicht meinen eigenen Kellerraum nehmen möchte. Ich fürchte mich ein wenig vor einer Begegnung mit Naurod, denn es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass das beiderseitige Einverständnis unverletzt ist.

„Wir trinken noch was“, informiere ich meinen heutigen Partner Marius und deute auf die lange Reihe an Hockern vor der Theke. „Was möchtest du?“

„Eine Rhabarber-Schorle.“

„Eine Rhabarber-Schorle und ein Wasser, bitte“, ordere ich bei Ginny, die heute bedient, und vertiefe mich in ein Gespräch mit Marius, der bereits jetzt vor Aufregung rote Wangen hat und nervös auf dem Hocker herumzappelt.

Naurods Stimme erklingt plötzlich hinter mir. „Lange nicht gesehen.“ Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Demonstrativ drehe ich mich auf dem Hocker und sehe den Dom an, der mich ein gutes Stück überragt. Meine Größe ist mir bewusst, auch die innere, daher stehe ich nicht auf, um ihm auf gleicher Ebene zu begegnen. Ich lasse ihm das Machtspiel, denn ich sehe keinen Sinn darin, überhaupt mit ihm Konversation zu betreiben. Der Mann zu seinen Füßen bekommt allerdings meine volle Aufmerksamkeit. Von der Statur her ist es derselbe wie vor Wochen. Naurods Lebensgefährte. Oder Sklave. Wie auch immer. Obwohl ich mir die Tatsache tagelang laut vorgesagt habe, erliege ich noch im selben Moment einer Welle Mitleid. Alles reißt wieder auf, was ich sorgfältig weggeschlossen hatte.

„Wenn du das Bedürfnis hast, dich mit mir zu unterhalten, dann stelle ich die Bedingung, dass dein Hund ordentlich und bequem sitzt und ein Getränk von dir bekommt.“

„Gibst du nie auf?“

„Nein. Gib ihn frei, Felix.“

Ich bin erstaunt über meine Worte, Naurod und auch Marius neben mir zischen hörbar.

„Was hättest du davon? Außer Genugtuung? Oder bist du auf der Suche nach einem ausgebildeten Sub? Nimm dir Frischfleisch und forme es nach deinen Wünschen.“

„Gibt es denn an ihm nichts mehr zu formen?“

„Doch, jede Menge. Stella hat nicht immer lichte Tage. Warum auch immer, aber du bist scharf auf sie, mach mir nichts vor.“

Mir wird heiß. Marius neben mir vergesse ich beinahe. Der Anblick des gebeutelten Mannes, der sich vor Schmerzen kaum bewegen konnte, war scheußlich. Es waren nur seine Augen, an denen ich mich festgebissen habe. Stundenlang möchte ich das Naturbraun betrachten, mir würde nicht langweilig werden.

„Du hast recht, ich bin scharf auf sie“, lüge ich und gehe absichtlich auf die weibliche Ansprache ein. „Leihst du sie mir für eine Session?“

Naurod lacht auf und der Mann zuckt zusammen. Am liebsten würde ich dem Dom die Leine aus der Hand reißen, ihm damit eins überziehen, bis er vor Angst winselnd diesen Club verlässt.

„Sie hat Sprechverbot, auch über die Anordnung des Gehorsams gegenüber anderen Doms hinaus.“ Er zwinkert – es wirkt boshaft. „War heute nicht artig und hat in ihr Körbchen gepinkelt. Heißt für dich, der Katheder bleibt gelegt.“ Ein Katheder in der Harnröhre? Habe ich richtig gehört? Alles in mir will diesen Mann in Sicherheit bringen. „Stella hat jetzt einen Pissbeutel“, redet Naurod unbeirrt weiter, „damit sie sich nicht mehr einnässt. Den Plug darfst du entfernen, vergiss aber nicht, ihn wieder reinzumachen, wenn du fertig bist.“ Zusätzlich noch einen Plug? Nichts Ungewöhnliches, es sei denn, das Ding ist zu groß für ihn. Das würde seine merkwürdig gequälte Haltung erklären. Wie groß muss ein Plug sein, damit sich ein Sub nicht mehr richtig damit fortbewegen kann?

Mit diesen überrumpelnden Worten übergibt Naurod mir die Leine und sieht mit lüsternem Blick auf Marius. Ich bekomme es mit, gerade noch so am Rande. Nur ein leises Stimmchen bewahrt mich vor einer riesigen Dummheit, die selbst mir, mit meinem Stand, in meinem Alter, noch passieren kann. Marius ohne Schutz zurücklassen? Ihn wie Freiwild zurücklassen, um mich mit einem anderen Sub zu beschäftigen? Das kann und werde ich nicht tun.

Die Zwickmühle ist gigantisch.

„Hast du Angst, ich tue dem blonden Engel was?“

„Um ehrlich zu sein, ja. Es tut mir leid, aber ich muss passen, so sehr ich dein Angebot auch zu schätzen weiß.“ Eine Zerreißprobe, quälend, gemein. Die Leine halte ich vor Naurod. „Nimm sie.“

Doch er winkt lässig ab. „Ich hatte heute sowieso keine Lust auf eine Session. Bring deinen Sub in Sicherheit, Bill, und dann lass es dir gut gehen mit ihr.“ Hellhörig blicke ich mein Gegenüber an. Eine Chance. Was verspricht sich Naurod davon? Hat er so ein Gottvertrauen in seine Erziehung, dass er mir seinen Hund überlässt?

„Freie Handhabe?“, hake ich ohne darüber nachzudenken nach und lasse meinen Blick bereits schweifen. Suche einen Freund, der einfach nur hier sitzt, dem ich Marius anvertrauen könnte. Adrenalin rauscht durch meine Adern. Eine Chance – ich muss sie ergreifen.

Wenig später schließe ich die Tür eines Spielzimmers hinter dem fremden Sklaven und mir und atme tief durch. Eine Hürde wäre geschafft. Marius ist sicher bei einem befreundeten Paar untergebracht – Markus und Sanna. Markus ist mein bester Freund und ich vertraue ihm und seiner Frau in allen Belangen.

Mein Stundensklave kriecht in die Mitte des Raumes und nimmt Haltung an. Völlig überzogen. Nachdem ich ihm erklärt habe, dass die Tür nun geschlossen ist, er diese aber jederzeit auf bekommt, gehe ich zu ihm und hebe sein Kinn an. Trotz seiner halb gesenkten Lider sehe ich das Desinteresse in seinem Blick. Resignation, Angst und Leere nisten in ihm. Ob er wusste, dass Naurod ihn ohne Gewissensbisse und ohne sein Einverständnis einzuholen, an andere Männer ausleihen würde, ohne selbst anwesend zu sein?

„Er hat nach wie vor Sprechverbot“, erinnerte mich sein Besitzer kurz vorher. Sprechverbot bedeutet doch eigentlich nur eins: Er darf sich nicht verbal äußern. Ich verstehe mich auf die Körpersprache anderer Menschen, hoffe, dass ich auch den jungen Mann verstehen werde. Seinen Namen kenne ich nach wie vor nicht.

Weder reagiert er auf den Blickkontakt, noch auf mein Gesagtes. Es scheint ihm egal zu sein, ob er hier festsitzt oder nicht. Daher verschwende ich auch keine Energie darauf, es ihm erneut zu erklären. Dies ist vermutlich die erste und letzte Chance für mich, an ihn heranzukommen. „Du kannst dich entspannen“, flüstere ich ihm zu. „Ich habe nicht vor, dich zu benutzen.“

Mit wenigen Handgriffen entledige ich mich meines Shirts und greife an seinen Arm, verdeutliche ihm, dass er seine angestrengte Haltung aufgeben darf. Beidhändig lege ich seine Finger auf mein donnerndes Herz und erstmals sehe ich ihm eine Gefühlsregung an. Er sieht halb auf, seine Augen weiten sich, sichtlich nervös huscht sein Blick von links nach rechts über mein Gesicht, gar über meinen gesamten kahl rasierten Schädel. Unter seiner Handfläche wird es warm. „Wir sind allein. Hab keine Angst vor mir. Ich möchte deinen Namen wissen. Du darfst mir mit Körpersprache antworten, schaffst du das?“

Panisch sieht er sich um. Erst auf mein leises Murmeln hin atmet er krampfhaft ein, nickt dabei. „Beruhige dich. Dein Besitzer hat uns eine Stunde gegeben.“ Der Latex widert mich einfach nur an. Dennoch, ich kann nicht anders, fasse an seine Schulter und lasse die Fingerspitzen kreisen. Die Verbindung ist hergestellt.

„Hubert? Michael? René? Thomas?“ Flüsterleise. Nur nicht laut werden, er hat Panik davor.

Er wird mit jeder Sekunde ruhiger, bleibt aber stumm. Gerne möchte er seine Hand von meiner Brust wegziehen, die ich nach wie vor festhalte, aber ich lasse es nicht zu.

„Peter? Hans? Torben? Konfuzius?“

Der letzte Name lässt ihn überrascht blinzeln, endlich antwortet er mir mit einer Geste.

„Kasimir? Robert? Stefan? Christian?“

Ein kurzes Aufblitzen in den Augen, das die Leere gefüllt hat.

„Kasimir?“

Er zögert. Eine Sekunde, zwei. Schüttelt anschließend leicht den Kopf.

„Robert?“

Diesmal erfolgt das Kopfschütteln zügiger. Das Zittern in den Fingern lässt ein wenig nach.

„Stefan?“

Wieder ein Kopfschütteln, darauf ein Nicken und ein Abwiegeln. Er ist verdammt mutig.

„Steven? Steffen?“

Beim zweiten Namen nickt er nun deutlich und senkt reuevoll den Blick.

„Steffen, ja? Perfekt.“ Erleichtert, diese kleine, persönliche Hürde gemeistert zu haben, beuge ich mich zu ihm. „Ich möchte, dass du dir jetzt eine bequeme Position suchst, in der du dich eine Stunde entspannen kannst. Wenn du möchtest, entfernen wir den Plug. Vermutlich ist es aber die weitaus größere Quälerei, dich aus dem Latex zu schälen und später wieder dort hinein zu zwängen. Kannst du mir folgen?“

Steffen nickt, sieht sich langsam um.

„Plug raus? Ja oder nein?“ Ich mache mich auf alles gefasst. Zu gern würde ich den Mann unter dem Anzug sehen, kann mir aber genauso gut vorstellen, dass die zweite Haut Sicherheit für ihn bedeutet. Unter keinen Umständen möchte ich ihm diese nehmen.

Er setzt sich auf die Fersen zurück, seine Augen werden dabei zu Schlitzen. Allein diese Bewegung scheint anstrengend für ihn zu sein. Erstaunlicherweise greift er an den Reißverschluss seines Anzugs und zieht ihn bis zum Nacken auf. Ich höre sein Aufatmen, als die Kopfbedeckung aufgeht, dunkelbraunes, verschwitztes Haar zum Vorschein kommt und ein wundervolles Gesicht, in dem in tiefen Höhlen die strahlendsten haselnussfarbenen Augen sitzen, die mich jemals angeblickt haben. Leider viel zu kurz, schon sieht er eingeschüchtert zu Boden. Aber endlich habe ich ein Bild des Mannes, den ich auf keine zwanzig geschätzt habe. Ich habe mich getäuscht. Er ist mindestens vierundzwanzig, wenn nicht sogar ein, zwei Jahre älter.

In Zeitlupe fasse ich an seine Wange, streiche sacht über die glattrasierte Haut. „Oh, Baby“, wispere ich und umrahme sein Gesicht, hindere ihn daran, wieder nach unten zu sehen. „Du bist älter, als ich angenommen hatte. Und unglaublich mutig. Danke, dass du mir diesen Einblick gewährst.“

Unter meinen Handflächen fühle ich, wie er die Wangen zwischen seine Kiefer saugt und darauf beißt. Einen Versuch, sich gegen meinen Griff zu wehren, unternimmt er nicht. Lange sitzen wir uns gegenüber, mustern uns stumm, bis ich merke, dass er unruhig wird, seine Position etwas verlagert und damit beinahe unsere Verbindung unterbricht.

„Wieso bist du bei Felix? Es interessiert mich wirklich. Was muss in deinem hübschen Kopf vor sich gehen, dich einem solchen Mann auszuliefern?“

Erneutes Blinzeln, dann zieht er sich zurück und senkt den Kopf. Ich gewähre es ihm. Die Unterbrechung des Blickkontaktes ist mir Antwort genug. „Dir geht es nicht gut, habe ich recht? Du musst nicht reden, gib mir ein kleines Zeichen. Bewege deine Finger, wenn ich richtig liege. Hast du das verstanden?“

Der Zeigefinger bewegt sich nach oben und dankbar dafür, dass er den Kontakt zu mir tatsächlich nutzt und zulässt, streichle ich träge über seine Arme bis hinunter zu den Handgelenken und animiere ihn dazu, seine Finger mit meinen zu verflechten.

„Das ist gut, das ist perfekt“, lobe ich ihn und tausend Fragen rasen durch meine Gedanken. Er ist bereit, mit mir zu kommunizieren, diese Bereitschaft darf ich nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen. „Ich werde dir jetzt einige Fragen stellen, antworte mir mit deinem Finger. Hast du Schmerzen? Ich nehme an, der Plug ist zu groß. Liege ich damit richtig?“

Eine Bewegung in meiner Hand, ich bin zufrieden. „Sollen wir ihn entfernen?“

Diesmal spüre ich nichts, atme meine Enttäuschung weg. „Hast du noch andere schmerzende Stellen?“

Erneut zuckt sein Finger gegen meinen Handrücken, ich umfasse sein Kinn, hebe es an. Wieder rast sein Blick über mein Gesicht, kurz hoch zu meiner Glatze, geht dann aber über meine Schulter ins Leere.

„Wo? Zeig es mir.“

Resignation.

„Brauchst du einen Arzt? Oder anderweitige Hilfe?“

Heftiges Kopfschütteln folgt, vor Angst weit aufgerissene Augen starren mich für einen winzig kurzen Moment wieder an.

„Ich kann dir helfen, Steffen. Das geht aber nur, wenn du ehrlich bist und Felix nicht schützt. Dafür musst du dich öffnen und sagen, wie es wirklich zwischen euch abläuft.“

Ein Beben erfasst den Körper, es folgt ein Krampfen um meine Hand. „Deine Angst ist deutlich“, flüstere ich und bin erstaunt, als er den Kopf erneut anhebt. Mir seine tränenfeuchten Augen offenbart. „Wieso bleibst du bei ihm? Wieso lässt du zu, dass er dich so behandelt?“ Er wird mir nicht antworten, ich weiß es noch in diesem Moment und korrigiere mich selbst. „Droht er dir Konsequenzen an?“

Steffen zittert, presst verbittert die Kiefer aufeinander und fieberhaft überlege ich, was es sein könnte, dass einen Mann so an einen anderen bindet, außer die Angst vor der Strafe. Mir fällt nichts ein, nur die Strafe selbst, die so abartig sein muss – wenigstens bei mir müsste es so sein – dass ich freiwillig mitspielen würde, um diesem Attentat auf Körper und Seele zu entgehen. „Foltert er dich?“

Der Blickkontakt bricht erneut ab.

„Also gut. So kommen wir nicht weiter. Ich gehe davon aus, dass er dich quält, auch, wenn du es nicht aussprechen kannst. Aber ich sehe dir an, dass es nicht das ist, was du möchtest. Deine ganze Körpersprache verrät mir das und es ist mir völlig gleich, ob du vor wenigen Wochen etwas anderes behauptet hast. Ich ertrage den Gedanken schon jetzt nicht, dich heute hier zurückzulassen. Komm mit mir! Ich verspreche dir, dir wird nichts geschehen.“

Panisch zuckt er zusammen und schüttelt wild den Kopf.

„Gottverdammt … Steffen. Ich nehme dich jetzt mit. Es ist mir scheißegal, ob du das möchtest oder nicht.“

Erneutes Kopfschütteln, er rückt sogar ein Stück von mir ab.

„Ist es wirklich das, was du willst? Bei ihm bleiben?“

Diesmal nickt er – in Zeitlupe. Dabei sieht er für den Bruchteil einer Sekunde auf.

Himmel noch eins, diese Augen. Sie weichen mein Herz förmlich auf. Betteln darum, einen Ausweg aufzuzeigen, ohne dass er hier und heute ein Verbot missachten muss.

Was mache ich jetzt? Mir in Zukunft unterlassene Hilfeleistung vorwerfen und Steffen in den Händen seines Peinigers lassen?

„Steffen, bitte … Felix kann dir nichts anhaben. Ich bringe dich hier raus, danach sehen wir weiter.“

Er rückt ein nächstes, gutes Stück von mir ab und ich muss einsehen, dass ich hier und heute nicht bis zu ihm vordringen werde. So, wie er sich verhält, würde er aufbegehren, wenn ich ihn einfach an die Hand nehmen und zum Ausgang ziehen würde. Das ist keine Lösung. Aber ich kann ihm Möglichkeiten aufzeigen, eventuell – so hoffe ich – wird er mein Gesagtes in einer ruhigen Minute überdenken. Oder auch nicht! Vielleicht täusche ich mich auch und Steffen braucht diese Behandlung – er wäre nicht der einzige Mensch mit solch ausgefallenen Bedürfnissen.

„Also, gut“, murmle ich, und schließe für einen Moment verbittert die Augen. „Ich möchte, dass du mir jetzt zuhörst. In diesem Club ist immer jemand erreichbar. Der Besitzer, Oleg Paulsen, wohnt in der Nähe und die Türklingel schickt ein Signal zu seinem Handy, falls er nicht hier sein sollte. Wir sind hier in der Maistraße, merk dir den Namen. Paulsen kann mich jederzeit erreichen. Wenn du gehen willst, dann geh. Du kannst und darfst Felix jederzeit verlassen. Ein Mensch ist niemals Eigentum eines anderen. Hörst du? Niemals. Felix muss dich freigeben, wenn du das möchtest. Präg dir das ein.“

In diesem Moment höre ich die Tür. Klopfen hält Naurod für nicht notwendig. „Wenn du fertig bist, übernehme ich jetzt. Ich habe noch eine kleine Überraschung für meine Süße. Deiner ist übrigens nicht schlecht.“

Was? Das kann nicht sein. Auf Markus ist Verlass. Mein Herzschlag setzt dennoch für den Bruchteil einer Sekunde aus, ich starre Naurod an und dieser lacht vergnügt los. „Keine Sorge, dein Engel ist unversehrt. Ich wurde angeknurrt, als ich nur in die Nähe kam.“

Zart, als könnte er gar nicht anders, streicht er eine verirrte Strähne hinter Steffens Ohr und zwinkert ihm zu. „Sieht ja nicht so aus, als hättet ihr ein gemeinsames Spiel genossen. Hat Bill versucht, dich auszuhorchen, hm? Ich bin sicher, er weiß nun, dass wir unzertrennlich sind. Komm, meine Schöne, ich habe es mir anders überlegt. Lass wenigstens uns noch ein wenig spielen.“

Steffen zittert. Ich kann nicht hinsehen. In aller Ruhe, dazu zwinge ich mich, ziehe ich mir das Hemd an, streiche ein letztes Mal über Steffens Arm und suche seinen Blick. Chancenlos. Das Kinn liegt wie angetackert auf der Brust. Er hat sich wieder verschlossen. Seinen Mut eingeschlossen. Ich hoffe inständig, dass er Naurod nie wissen lassen wird, dass noch ein Funke in ihm keimt, der Menschlichkeit transportiert.

3. MEIN SKLAVE STEFFEN

 

 

Bill

 

In mich gekehrt sitze ich im Arbeitszimmer vor meinen Unterlagen und fühle mich seit Tagen wie gelähmt. Ich habe versagt.

Naurod hat mich mit einem Grinsen herauskatapultiert und ich habe Marius – nach ein paar dankenden Worten an Markus und Sanna – an die Hand genommen. Mich mit ihm in einer Nische verkrochen und zwei Stunden darauf verwendet, ihn über Naurod und die Gefahr, die von diesem Mann ausgeht, aufzuklären. Mit dem Versprechen, die ausgefallene Session nachzuholen, habe ich Marius daraufhin nach Hause gefahren. Immerhin hat er verstanden, sich fernzuhalten. Zum Glück.

Wie Steffen diesen Abend noch hinter sich gebracht hat, daran wage ich nicht einmal zu denken. Und tue es dennoch ständig. War ich mir im Club noch sicher, dass er mich verstanden hat, so bin ich mir das jetzt, über eine Woche später, ganz und gar nicht mehr. Naurod scheint sehr überzeugende Werkzeuge und Mittel einzusetzen. Seinen kranken Verstand mit eingerechnet.

Gerade als mir die Augen zufallen wollen, klingelt mein Handy. Paulsen? Jetzt? Es ist nach Mitternacht, der Club hat heute Ruhetag.

„Oleg?“, frage ich knapp. „Was ist los?“

Kurz herrscht Stille. Es folgt ein Räuspern. „Bill, mein Freund, wirbst du alle Subs von anderen Herren auf diese Art und Weise ab?“

„Was meinst du?“ Ich atme einmal tief durch, um dieses Gespräch überhaupt richtig führen zu können.

„Der Sklave von Naurod stand zitternd vor der Clubtür und hat um Einlass gebeten. Jetzt liegt er auf der Pritsche im Nebenraum, hat sich auf ihr zusammengerollt und bat mich einsilbig, dich anzurufen. Er möchte sich ganz offenbar in deine fähigen Hände begeben. Ich gehe davon aus, dass du für seinen Herrn eine gute Erklärung parat hast.“

„Scherzkeks.“ Wobei mir Arschloch beinahe über die Lippen rutscht. „Ich fahre sofort los. Pass auf ihn auf und lass ihn nicht mehr weg. Ich beeile mich.“ Der Club ist nicht gerade um die Ecke, dafür aber mein zweites Zuhause. Oleg ein Freund. Er wird mir helfen. Zur Sicherheit schicke ich noch eine eilig getippte Nachricht hinterher: Lass niemanden rein. Vor allem nicht Naurod.

 

„Steffen?“ Mit fester, aber gesenkter Stimme gehe ich vor der Liege in die Hocke, völlig außer Atem. Die letzten paar Meter vom Parkplatz bis zum Hinterhof bin ich gerannt. Vorher durch die Stadt gerast. „Steffen, ich bin’s, Bill.“

Er regt sich, blinzelt zwischen den verkeilten Armen hindurch. „Kannst du mich ansehen?“ Eine weitere Regung. Lähmend langsam. Leises Keuchen dringt an mein Ohr, der Versuch, Schmerzen zu unterdrücken.

Ich sehe Oleg an, der zieht die Schultern nach oben. „Ich durfte ihn nicht anfassen. Offenbar hat er aber zu dir einen Draht und du bist zu ihm durchgedrungen. Gut gemacht, Bill. Wirklich. Und jetzt bring den Mann fort von hier. Im Club kann er nicht bleiben. Du hattest von Anfang an recht, irgendwas stimmt nicht, das hier sieht mir mehr nach Flucht als nach normaler Trennung aus. Naurod ist ein gerissener Spieler, ich habe mich wirklich von ihm blenden lassen. Natürlich werde ich ihn mir vorknöpfen, aber für ihn“, damit deutet er mit dem Kopf auf Steffen, „ist es wohl zu spät. Informiere mich bitte, wie es mit ihm weitergeht.“

Ich wende mich Steffen erneut zu und mein Herz macht einen kleinen Satz, als er mich anblickt. Er hat sich tatsächlich aus seinem Schneckenhaus heraus getraut. Sachte fasse ich an seine Schulter, will sichergehen, dass er mir bewusst folgt.

„Hör zu, Kleiner, wir machen es wie letztens. Bewege deine Finger, wenn du mich verstanden hast. Hebe einen bei einem Ja, zwei bei einem Nein.“

 

Eine schwierige Aufgabe, er wird sich konzentrieren müssen, genau das erwarte ich jetzt von ihm. Er soll seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich lenken, bis er nichts anderes um sich herum wahrnimmt. „Hast du mich verstanden?“

Sein kleiner Finger geht nach oben, ich habe es gerade noch gesehen, mich eigentlich auf seinen Zeigefinger konzentriert. Kurzerhand lege ich meine Hand auf seine, damit ich die Bewegungen spüren, statt sehen kann. Ein Schauer packt den Körper, aber ich lasse nicht los. Er wird sich daran gewöhnen, merken, dass mit meinen Berührungen nicht die Welt untergeht.

„Bist du abgehauen?“

Wieder geht ein Finger nach oben.

„Hat Felix etwas mitbekommen?“

Nichts. Keine Regung.

„War er nicht zu Hause?“

Stille, die mir direkt unheimlich wird. Außerdem sitzt mir die Zeit im Nacken. Ich will so schnell wie möglich mit ihm hier weg.

„Steffen. Rede mit mir, bitte. Ich würde so gerne mal deine Stimme hören, wenn sie nicht ‚Ja, Herr‘ oder ‚Nein, Herr‘ wispert. Sprich mit mir.“

Stille. Bis er den Kopf wegdreht. Kurzerhand schiebe ich meine Hand unter seine Wange, drehe sein Gesicht erneut in meine Richtung. Seine Augen sind von Angst durchzogen. Aber es schwelt auch ein Schimmer Hoffnung darin, denn sie blitzen kurz auf. Seine Unterlippe wird von der oberen Zahnreihe malträtiert und ich will gar nicht wissen, wie viel Schmerz gerade seinen Körper regiert, vor allem seine Gedanken foltert.

„Was ist passiert?“

Überraschend bewegt er sich. Packt meine Hand und schmiegt sein Gesicht hinein. Seine Augen werden feucht, lassen dieses wunderbare Nussbraun schwimmen. Gleich darauf rollt die erste Träne, dieser folgen weitere. Mit jeder, die frei laufen darf, empfinde ich mehr für den Mann, der so mir nichts, dir nichts, in mein Leben geplatzt ist. Mehr, als ich mir die letzten Wochen eingestehen wollte. Das grenzt schon an blinde Verliebtheit. Es ist zum Verrücktwerden: Er braucht jemanden, der ihm, verdammt noch mal, helfen kann. Ich kann das nicht. Ich bin dominant und zu allem Überfluss habe ich diese Gefühle für ihn, die vollkommen fehl am Platz sind. Ich würde niemals für ihn als Partner infrage kommen. Steffen braucht jemanden, der nichts mit der Szene zu tun hat und objektiv bleiben kann.

„Bringen Sie mich hier raus?“

Seine Stimme klingt warm, ein wenig dunkel. Und vermutlich hat sie einen ganz wunderbaren Klang, wenn keine Panik darin mitschwingt. Sie erscheint mir passend zu den Augen und den Haaren im gleichen Ton. Die ausgesprochene Bitte hallt in mir wider und ich betrachte ihn einfach weiter. Verdaue seine Worte und denke fieberhaft nach. „Hat Felix etwas bemerkt?“

Ein Kopfschütteln folgt, danach ein Zucken mit den Schultern.

Oleg mischt sich ein: „Bill? Es ist mitten in der Nacht, was auch immer passiert ist, du wirst es nicht auf die Schnelle lösen. Wollen wir die Polizei einschalten?“

Erschüttert sehe ich zu Paulsen, gleich darauf zu Steffen zurück: „Möchtest du, dass wir Anzeige erstatten? Sollen wir die Polizei rufen?“

Panisches Kopfschütteln folgt. Ich seufze, rede zu Paulsen weiter: „Ich glaube, damit würden wir ihn hoffnungslos überfordern. Und mich gerade ehrlich gesagt auch. Also, keine Polizei. Nicht jetzt. Erst einmal muss er hier weg.“

Steht mir das überhaupt zu, das Schicksal eines mir fremden Mannes in die Hand zu nehmen?

Er vertraut mir.

„Wir gehen. Ich hole den Wagen vors Haus und du wartest bitte an der Tür mit ihm.“ Leiser füge ich hinzu: „Pass auf ihn auf, Oleg. Wenn Naurod ihn jetzt in die Finger bekommt, wird das nicht gut enden.“

 

Mitten in der Nacht schließe ich die Haustür hinter uns, aktiviere den Alarm und atme erleichtert auf. Auch diese Hürde wäre geschafft. Steffen läuft barfüßig und extrem vorsichtig durch den Flur, blickt sich verstört nach links und rechts um und wendet sich nach zwei weiteren Schritten zu mir. Schwerfällig zieht er den Pullover, der zwei Nummern zu groß scheint, über den Kopf und lässt ihn fallen. Merklich zittriger löst er den Knopf und den Reißverschluss der Hose, bis diese mit einem kaum wahrnehmbaren Ziehen über seine Schenkel nach unten gleitet. Ohne Aufforderung sinkt er vor mir auf die Knie und legt die Arme auf den Rücken. Ich halte die Luft an. Nicht doch, was wird das?

Ergeben senkt er den Blick und ich lasse meinen ganz automatisch prüfend über seinen Körper wandern. Steffen wirkt in der Dunkelheit des Flurs abgemagert und seine Oberschenkel sehen zerfurcht aus. Narben, signalisiert mein Verstand, und eigentlich sollte Steffen nicht hier knien, schon gar nicht nackt. Es ehrt und erschüttert mich zeitgleich.

„Willkommen in meinen vier Wänden. Du bist mein Gast.“ Ich hoffe, er versteht den Unterschied. „Das heißt, du kannst dich hier frei bewegen.“ Vermutlich durfte er das zuvor nicht. „Ich werde dir alles zeigen und …“ Ja, was und? Was mache ich jetzt mit ihm? „Morgen sehen wir weiter.“

Eisiges Schweigen folgt. Es zieht sich seit dem Aufbruch vom Club zwischen uns. Besser gesagt, ich rede, Steffen schweigt. Hat sich komplett in sich zurückgezogen. Meine Fragen, ob er eine Wohnung hat, sich dort ein paar Dinge holen möchte, ob er Freunde, Eltern, Verwandte hat, zu denen ich ihn bringen könnte, sind alle im Sand verlaufen, unbeantwortet geblieben. Das zeugt nicht gerade von seinem absoluten Gehorsam – und ich gehe nach wie vor davon aus, dass er bis in die Spitze des nicht mehr Ertragbaren konditioniert ist. Aber die Psyche ist ein zuverlässiger Verräter – Steffen kommt nicht mehr gegen seine gerissenen Nerven an, das denke ich.

Nur selten hat er einen verstohlenen Blick in meine Richtung geworfen, mich gemustert. Gerade huschen seine Augen völlig desorientiert durch das Erdgeschoss des großen, alten Hauses. Meinem Domizil. Hat er überhaupt mitbekommen, was ich gesagt habe?

Ich habe Zeit, werde sie ihm geben. „Steffen? Steh bitte auf, der Boden ist kalt.“ Ungelenk rappelt er sich hoch, die Arme bleiben auf ihrem Platz. Ich bin überrascht, dass er, obwohl er nicht mehr redet, dennoch folgsam scheint. Nutz es aus, Bill. „Du kannst dich locker hinstellen. Ich meine, was ich gesagt habe. Du bist mein Gast. Ein ganz normaler Mann zu Gast in meinem Haus. Zwischen uns gibt es kein Machtgefälle.“

Unentschlossen zucken seine Schultern, es dauert, bis er die Arme tatsächlich lockert und einfach hängen lässt. Erstmals fällt mir auf, wie groß er eigentlich ist, wenn er aufrecht steht. Sein Brustkorb hebt und senkt sich sichtbar unter seinem angestrengten Luftholen. Sein abgemagerter Körper zittert mit jedem Atemzug.

Ein Wispern folgt, kaum hörbar: „Gefalle ich Ihnen, Herr?“

„Ich bin nicht dein Herr“, erwidere ich so sachlich wie möglich. „Du bist lediglich mein Gast auf unbestimmte Zeit. Bitte verzeih mir, ich hätte dich nicht derart mustern dürfen. Für dich bin ich Bill und ich möchte, dass du mich duzt. Wenn du magst, zeige ich dir jetzt, wo du schlafen kannst und wo das Badezimmer ist. Für heute Nacht und für morgen früh borge ich dir Kleidung von mir. Mittags können wir für dich einkaufen gehen.“

Rasch gehe ich an ihm vorbei, höre, wie er hinter mir auf die Knie sinkt und auf allen vieren nachkommt. Ich bin erneut erstaunt, dass dies ohne weitere Aufforderung passiert. Immerhin kennt er mich nicht. Alles eine Sache des Trainings! Vermutlich musste er Naurod auf Schritt und Tritt folgen.

Ich öffne die Gästezimmertür, schalte das Licht ein und gehe direkt zum Fenster, um frische Luft einzulassen. „Ich gebe dir Bettwäsche zum Beziehen. Die Tür ist von innen abschließbar, nur für den Fall …“ Ich möchte es nicht aussprechen, mache es dennoch. „Nur für den Fall, dass du dich damit sicherer fühlst. Hier wird dir nichts passieren und Felix kennt diese Adresse nicht. Fürchte dich also nicht, dass er hier unverhofft auftaucht. Wenn doch, denn dumm ist er nicht, kommt er an mir nicht vorbei, verstanden?“

Eisiges Schweigen – anderes habe ich nicht erwartet. Aber ins Zimmer ist er mir gefolgt, das habe ich gehört. Langsam drehe ich mich herum und Schock fährt mir in die Glieder. „Was zum Teufel … Oh, Baby. Was hat er mit dir gemacht?“

Steffen steht regungslos auf der Türschwelle und hat den Kopf gesenkt. Die Ursache seiner stetig im Gesicht geschriebenen Schmerzen sticht mir grellrot in die Augen. Die Schenkel sind offen. Wunde, nicht abgeheilte Striemen ziehen sich über die Haut. Ich wage kaum zu atmen, scanne in Sekundenbruchteilen den Rest des Mannes ab. Sein Penis ist verletzt, die Eichel liegt frei, wirkt geschunden, der Schaft trägt feine Narben. Saures steigt in mir auf, ich halte mir die Hand vor den Mund, muss ein Würgen unterdrücken. Schnell bin ich bei ihm, breite gedankenlos die Arme aus und will ihn an mich ziehen, doch er zuckt vor mir zurück.

„Nicht!“ Nur ein Wort.

Einer Intuition folgend, drehe ich ihn herum, schlucke krampfhaft. Auch auf seinem Rücken klaffen Wunden, eitriges Sekret tritt aus ein paar Stellen heraus. Dazwischen lang verheilte, hässliche Narben.

„Warum?“ Die Frage kommt nur geflüstert aus mir heraus, es ist, als ob meine Stimmbänder in der vergangenen Minute ihren Dienst versagt hätten. „Wieso hast du das zugelassen?“

Er spannt seine Finger zu Fäusten und deutlich treten feine Muskeln an den Armen hervor. Ich will ihn berühren und traue mich doch nicht.

„Steffen? Rede mit mir. Ich möchte dir helfen.“

Er wippt vor und zurück, die Nerven liegen wohl bei uns beiden blank.

„Okay, pass auf, ich werde die Wunden versorgen, so gut, wie ich es kann. Vorher werde ich Bilder machen. Hast du das verstanden?“

Ich fasse sein Schweigen als Zustimmung auf, kehre ihm den Rücken zu und finde ihn wenige Minuten später an genau demselben Fleck unbewegt wieder. „Ich habe zwei Salben dabei, sie werden deiner Haut helfen zu heilen. Am besten setzt du dich auf den Schemel dort, es wird dauern. Ich möchte die erste Schicht einziehen lassen und eine zweite auftragen.“

Fügsam setzt er einen Fuß vor den anderen, lässt sich auf den Hocker vor dem Bett nieder und vergräbt sein Gesicht zwischen den Händen.

Es dauert, bis ich seine Verletzungen versorgt habe und die Wundcreme zur Seite legen kann. Einigermaßen beruhigt fasse ich an meine Gesäßtasche, in der das Handy und darauf die Beweisfotos sicher verwahrt sind. Tröstlich sind sie allerdings nicht. Sein Rücken sieht aus wie ein Schlachtfeld.