Herzfrequenz Vol. 4 - Elisa Schwarz - E-Book

Herzfrequenz Vol. 4 E-Book

Elisa Schwarz

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Beschreibung

Stefans Leben scheint perfekt zu sein. Er ist Inhaber einer erfolgreichen Steuerkanzlei und in Victoria hat er die passende Frau für sich gefunden. Seine stabile Welt gerät jedoch aus den Fugen, als plötzlich Wünsche in die Beziehung getragen werden. Bevor Stefan das Dilemma regeln kann, macht ihm seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung. Zum Glück steht Kay bereit, um ihm zu helfen. Als Physiotherapeut weiß er genau, wie er den Steuerberater wieder auf Kurs bringen kann. Doch Stefan berührt ihn tiefer, als gut für sie beide ist. Während Kay mit aller Macht versucht, sein Herz vor dem Unvermeidbaren zu schützen, sieht Stefan sich genötigt, seine Beziehungsprobleme von einer ganz anderen Seite zu beleuchten.

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Seitenzahl: 581

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Lena M. Brand & Elisa Schwarz

Herzfrequenz Vol. 4

Impressum

© deadsoft verlag, Mettingen 2023

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte: © Drazen Zigic – shuttestock.com

© PeopleImages – istock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-595-4

ISBN 978-3-96089-596-1 (ebook)

Inhalt:

Stefans Leben scheint perfekt zu sein. Er ist Inhaber einer erfolgreichen Steuerkanzlei und in Victoria hat er die passende Frau für sich gefunden. Seine stabile Welt gerät jedoch aus den Fugen, als plötzlich Wünsche in die Beziehung getragen werden. Bevor Stefan das Dilemma regeln kann, macht ihm seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung.

Kapitel 1

Stefan

„Das hatten wir schon lange nicht mehr“, stellt Nico fest, schnappt sich die Nutella und beschmiert seine Brötchenhälfte mit einer dicken Schicht. Geistesabwesend sehe ich ihm zu und bin erstaunt, wie viel er ständig von der Schokocreme verdrücken kann, ohne auch nur ein Gramm zuzulegen. Unauffällig streiche ich über meinen Bauch, der nicht mehr ganz so flach ist, wie noch vor ein paar Jahren. Mit Wehmut denke ich an meine Jugend zurück, als ich über so etwas nicht nachdenken musste. Mit Vicky an meiner Seite hat sich die Sache verschlimmert. Zu oft gehen wir aus oder verwöhnen uns gegenseitig mit gutem Essen. Der gestrige Abend kommt mir in den Sinn und ich spüre erneut Anspannung in mir aufsteigen, als ich an unser Treffen denke. Wer weiß, wie es nun mit uns weitergeht?

„Was hatten wir schon lange nicht mehr? Nutella?“, frage ich zerstreut, reiße meinen Blick von dem Brötchen los und schaue Nico in die Augen. Unruhig trippeln meine Finger über die Tischplatte, während ich versuche, den Gedanken an mein letztes Gespräch mit Vicky beiseitezuschieben.

Nico beißt herzhaft ab, kaut einen Moment, ehe er eine ausschweifende Geste macht. „Nee, Nutella hab ich die ganze Zeit. Ich meinte das hier. Wir.“

Das Klingeln meines Handys unterbricht ihn. Ich ignoriere es. „Willst du nicht rangehen?“ Nico greift mit seinen Nutellafingern nach dem Smartphone und wedelt damit vor meinem Gesicht herum.

Normalerweise würde ich ihn für eine solche Aktion tadeln, aber mir ist nicht danach, als ich einen Blick auf den Anrufer erhasche: Vicky – wenn man vom Teufel spricht beziehungsweise an ihn denkt. Sofort bereue ich den Gedanken, denn ihre Bitte ist nicht unmenschlich und eigentlich nachvollziehbar. „Im Moment nicht, danke“, antworte ich Nico und stehe abrupt vom Frühstückstisch auf.

„Was’n los mit dir?“ Nico kommt mir erstaunt nach, während ich mich im Flur straßentauglich anziehe. Das Gefühl, dass mir die Luft zum Atmen genommen wird, ist plötzlich übermächtig. Vickys Worte vom Vorabend hallen konstant in mir nach und rauben mir meinen Seelenfrieden.

Kaum aus der Tür, gehe ich so rasch vom Haus weg, dass Nico keine Möglichkeit hat, mich aufzuhalten. Ich komme mir albern vor. So unbeherrscht kenne ich mich nicht, aber das Empfinden der eigenen Unzulänglichkeit verstärkt meine miese Laune und beschleunigt meinen Schritt. Erst als ich im Park ankomme, werde ich langsamer und atme tief durch. Der Druck in meiner Brust bleibt dennoch. Die Gedanken an Vickys hoffnungsvollen Blick, ihre entscheidende Frage und am Ende ihre Tränen, die sie mit aller Macht versuchte, zurückzuhalten, während ich nach Worten gerungen habe, machen mich mürbe.

Nach einer Weile lasse ich mich auf eine Parkbank unter einer alten Linde fallen und schließe die Augen, bis eine Kinderstimme an mein Ohr dringt. „Papa, guck mal.“ Unter halb geschlossenen Lidern sehe ich einen kleinen Jungen, der aufgeregt auf etwas im Gras vor sich zeigt. „Ein Regenwurm.“ Andächtig bücken sich Vater und Sohn und beobachten den Fund. Sie flüstern und kichern dabei. Der Vater streicht seinem Jungen liebevoll über den Kopf. Dann richtet er sich langsam wieder auf, nickt mir freundlich zu und greift nach der Hand des Jungen. „Komm Nico, lass uns weitergehen.“

Was für ein Zufall! Höflich erwidere ich den Gruß, schaue ihnen hinterher, wie sie ihre Entdeckungsreise fortsetzen, und krame in meinem Gedächtnis nach einem vergleichbaren Erlebnis mit meinem Nico. Mir kommt keines in den Sinn, was meine Stimmung nicht unbedingt hebt. Ich bedauere zutiefst, so viel bei dem Jungen versäumt zu haben. Unweigerlich denke ich wieder an Vicky, an ihren Wunsch. Sollte ich es wagen?

Ein Sonnenstrahl durchbricht die Wolken und fällt auf meinen linken Handrücken. Ich streiche darüber. Die Wärme, die der Strahl mit sich bringt, dringt tief in mich und fängt mich ein. Ich nehme einen bewussten Atemzug, dann einen weiteren. Spüre, wie sich meine Gedanken genau wie mein Puls beruhigen und meine Wahrnehmung sich vollends auf meine Umgebung verlagert. Das rege Gezwitscher der Vögel und die Knospen an den Zweigen zeigen, dass der Frühling sich in all seiner Pracht entfaltet. Nach dem Regen heute Nacht duftet es sogar nach Gras und Erde. Die Routine der wiederkehrenden Jahreszeiten bringt mir die Gewissheit, dass das Leben immer neue Chancen bereithält – gerade im Frühling. Die Freude des Jungen über die Entdeckung eines Regenwurms kommt mir in den Sinn. Manchmal sind es die kleinen Dinge, auf die man sich konzentrieren sollte.

Aus einem Impuls heraus stehe ich auf und laufe los. Die Debatte mit Vicky gestern Abend, die verlorenen Jahre mit Nico – Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Doch manches lässt sich wiedergutmachen, wenn man den Blick nach vorn richtet. Mit jedem Schritt nach Hause löst sich die Last ein bisschen mehr und fällt von meinen Schultern ab.

„Wo warst du?“, erkundigt sich Nico, als ich die Haustür wenig später ins Schloss fallen lasse. Er steht in der Tür zur Küche und sieht mich verärgert an.

Der Rollentausch erheitert mich. „Ich war im Park.“

„Ist das neuerdings so üblich, dass man während des Frühstücks einfach wortlos verschwindet und durch die Gegend spaziert?“ Nico dreht sich auf dem Absatz um. „Deinen Kaffee hab ich weggeschüttet.“

„Danke fürs Aufräumen“, sage ich, streife meine Schuhe und die Jacke ab und folge ihm in die Küche. Er sieht mich nicht an. Ich beobachte ihn, wie er den Tisch abwischt und den Lappen auswäscht. „Nico, es tut mir leid. Es war nur –“

„Weißt du, ich hätte diesen Sonntagmorgen auch anders verbringen können“, unterbricht er mich und dreht sich zu mir um. „Mit Kilian im Bett zum Beispiel! Aber wir beide haben uns seit Wochen kaum gesehen. Du bist ständig nur am Arbeiten! Ich dachte …“ Seine Stimme wird leiser. „Ich dachte, du würdest mich vielleicht auch vermissen und dir würde was daran liegen, mal wieder Zeit mit mir zu verbringen.“

Zerknirscht sehe ich ihn einen Moment an, wie er verloren den Kopf sinken lässt. Dann bin ich mit raschen Schritten bei ihm und ziehe ihn an mich. Zuerst versteift er sich, bevor er die Umarmung zögerlich erwidert. Ich genieße diesen seltenen Moment. „Natürlich vermisse ich dich Nervensäge. Das Haus ist leer, seit du bei Kilian bist. Sei mir nicht böse, dass ich eben kurz Zeit für mich gesucht habe.“ Ich löse mich wieder von ihm und trete zurück. „Du hast recht. Ich bin so …“ Hilflos ziehe ich die Schultern hoch.

„Angespannt? Überarbeitet? Genervt?“ Er schüttelt den Kopf und presst die Lippen zusammen. „Du bist noch nie abgehauen, wenn ich da war. Das ist echt neu. Hast du etwa Stress mit Vicky?“

Ertappt starre ich ihn an. „Ich will nicht drüber reden.“ Wäre ja noch schöner, wenn ich meine Beziehungsangelegenheiten mit meinem Sohn diskutieren würde.

„Natürlich nicht“, erwidert er trocken. „Musst du nicht und es interessiert mich auch nicht. Aber man merkt dir eben an, dass was nicht stimmt. Normalerweise achtest du doch penibel darauf, nichts von dir nach außen dringen zu lassen. Kleiner Tipp also von mir: Krieg dich in den Griff, bevor dich andere drauf ansprechen. Tu mal was für dich ganz allein, vielleicht hilft es.“

„Du hast recht. Ich bin heute etwas neben der Spur“, gebe ich zu. „Für mich allein? Wie soll ich das verstehen? Denkst du da an was Bestimmtes?“

„Na sowas hier zum Beispiel.“ Er deutet auf den Kühlschrank, wo mittels Magneten ein paar Gutscheine angepinnt sind. „Ich habe dir die Dinger vor fast eineinhalb Jahren geschenkt, eingelöst hast du sie nicht.“

„Du meinst die Massagestunden?“ Die Idee klingt nach Himmel und Hölle zugleich. Der Gedanke, dass mich jemand berührt und massiert, ist mir eher unangenehm, während ich gleichzeitig weiß, dass es meinem Körper guttun würde. „Weißt du, momentan habe ich einfach keine –“ Wenn ich jetzt die Firma als Grund vorschiebe, dann klinge ich wie eine hängengebliebene Schallplatte und Nico wird nur die Augen verdrehen.

„Probier es wenigstens aus.“ Er lehnt sich an die Anrichte. „Es fühlt sich echt krass geil an. Kay ist total gut.“

„Okay, vielleicht mache ich das.“ Unwillkürlich rolle ich meine Schultern. Ich kann die Knoten förmlich spüren, die sich in meinem oberen Rücken angesammelt haben. Bei dem Gedanken, dass da jemand rangeht, verziehe ich das Gesicht. Autsch!

Nico greift nach seinem Handy. „Ich trag mir das im Kalender ein und werde dich erinnern, dass du einen Termin ausmachst. Sonst verschiebst du es wieder auf unbestimmte Zeit. Ich kenn dich doch.“

„Mach das“, erwidere ich schmunzelnd. „Nachdem ich das Frühstück vergeigt habe … Möchtest du vielleicht jetzt noch was mit mir unternehmen?“

„Musst du denn nicht arbeiten?“, stichelt er.

Ich bin froh, dass ich mir vorhin verkniffen habe, die Firma zu erwähnen und versuche, die Berge von Arbeit auszublenden, die sich automatisch vor meinem inneren Auge auftürmen. „Ich muss immer arbeiten.“

„Wäre geil, wenn wir was zusammen machen“, beeilt er sich, zu sagen, weil er wohl befürchtet, dass ich mein Angebot zurückziehen könnte. „An was hattest du denn gedacht?“

„Schlag was vor.“

„Wie wärs mit einer Partie Schach?“

„Schach?“

„Nachdem du für Mario Kart nicht zu haben bist“, meint er spöttisch und läuft an mir vorbei. „Kay hat es mir beigebracht. Der steht auf so ’nen Kram. Soweit ich mich erinnere, hast du im Wohnzimmer ein urzeitliches Brett im Schrank.“

Ich folge ihm und sehe zu, wie er die Schranktüren aufreißt und herumkramt, bis er fündig wird. „Siehst du?“ Triumphierend hält er die Schachtel hoch. Ich ergebe mich meinem Schicksal, nehme im Sessel Platz und beobachte Nico dabei, wie er das Spiel vorbereitet.

Er dreht die weißen Figuren zu mir. „Du darfst anfangen.“

„Ich glaube, meine letzte Partie ist über 25 Jahre her“, gestehe ich, greife nach einem Bauern und spiele den ersten Zug.

„Mit wem hast du damals gespielt?“ Konzentriert setzt Nico seinen Gegenzug.

„Mit Josef.“ Die Erinnerung hebt meine Stimmung nicht unbedingt. Denn sie ist mit verpassten Chancen verknüpft. Was wäre wohl damals geschehen, wenn die Zeiten anders gewesen wären?

„Josef? Dein erster Freund, von dem du mir mal erzählt hast?“, hakt Nico nach.

„Ja genau.“ Normalerweise erlaube ich es mir nicht, in der Vergangenheit zu schwelgen. Aber heute scheint mein Tag zu sein. Erst vorhin im Park sind meine Gedanken gewandert und jetzt passiert mir dies schon wieder. Bin ich in der Midlife-Crisis? Rasch setze ich den nächsten Zug.

„Hast du noch Kontakt zu ihm?“ Nico spielt einen weiteren Bauern, lehnt sich auf der Couch zurück und zieht die Beine hoch.

„Nein. Natürlich nicht!“, erkläre ich einigermaßen entsetzt und streiche mit meinen Handflächen die Hose glatt. „Es war eine heimliche Liebe während der Schulzeit. Nichts Besonderes.“

„Nichts Besonderes? So ein Bullshit!“ Nico schüttelt den Kopf und pustet sich eine Strähne aus der Stirn. „Angelika hätte ja wohl kaum die Kiste mit den Bildern finden können, wenn es nix Besonderes war. Josef war dir wichtig genug, dass du die Erinnerungen aufbewahrt hast.“

Er hat sich tatsächlich jede Einzelheit meiner Erzählung von damals gemerkt. „Du hast ein gutes Gedächtnis“, stelle ich verlegen fest.

„Darf ich dich was fragen?“ Nico sucht meinen Blick.

„Seit wann drückst du dich so förmlich aus? Dann muss es ja was Ernstes sein.“

„Na ja … ist schon … ernst, finde ich. Was ich fragen wollte: Fehlt es dir manchmal?“

„Was sollte mir fehlen?“

„Männer? Sex? Ich meine … vermisst du Sex mit Männern?“ Er macht eine kurze Pause und grinst mich an. „Du weißt schon, es gibt so unfassbar geile Dinge, die nur ein Schwanz richtig erledigen kann. Juckt’s dich da nicht manchmal? Also im A –“

„Nico Temme!“ Entrüstet lache ich auf. „Das hast du deinen Vater jetzt nicht ernsthaft gefragt?“

„Man kann’s ja mal probieren“, meint er ohne Reue mit unschuldigem Augenaufschlag.

„Du würdest so etwas von mir wissen wollen?“

„Nicht wirklich! Das wäre irgendwie … komisch und eklig. Aber es ist immer wieder schön, dich aus der Reserve zu locken.“

„Dir ist schon klar, dass du sowieso keine Antwort von mir bekommen würdest?“, erkläre ich kopfschüttelnd. „Willst du weiterspielen?“ Ich deute auf das Schachbrett vor uns und rücke mit dem Pferd nach vorn.

Er schmunzelt. „Du lenkst vom Thema ab. Mach dich doch mal locker.“

„Wenn ich nicht wüsste, dass du auch noch etwas anderes im Kopf hast, würde ich mir ernsthafte Sorgen um dich machen.“ Ich gebe mir einen Ruck. Wenn Nico lieber reden als Schach spielen will … „Vicky hat mir gestern auch eine unangenehme Frage gestellt.“

„Sie hat dich gefragt, ob du Sex mit Männern vermisst?“ Er sieht mich überrascht an.

„Natürlich nicht. Sie besitzt weder deinen vorlauten Mund noch deine Vulgarität. Sie wollte wissen, ob ich zufrieden mit unserer Beziehung bin und ob ich mir mehr vorstellen könnte.“

„Aha. Und da musstest du an Sex mit Männern denken?“, bohrt er schonungslos weiter.

„Nico! Ich glaube, ich muss meine Aussage revidieren. Gerade scheinst du wirklich nur eine Sache im Kopf zu haben.“ Ich kann nicht umhin, zu spüren, dass er trotz Neckerei einen wunden Punkt in mir getroffen hat. Vicky hat gestern Abend vom Zusammenziehen, von einem gemeinsamen Leben gesprochen. Und alles, woran ich bei ihren Worten denken konnte, war, dass ich mir vor vielen Jahren geschworen hatte, mich niemals mehr in meinem Leben zu binden. Nicht so allumfassend. Nicht an einen einzigen Menschen. Allein die Vorstellung schnürt meinen Brustkorb erneut zusammen. Ich kann ihr nicht geben, was sie will.

Nicos Handy klingelt. Dankbar für die Ablenkung stehe ich auf und gehe in die Küche. Hinter meinen Schläfen pocht es. Ich ziehe mir einen Kaffee, lehne mich an die Anrichte und genieße das heiße Gebräu. Dabei blicke ich mich in der Küche um, in der bereits Vickys Handschrift zu erkennen ist. Warum ist es so schwierig für mich, mir vorzustellen, dass sie hier leben könnte? Jeden Morgen an meiner Seite aufwachen würde? Es wäre nicht mehr so still, wenn Nico wieder tagelang bei Kilian ist. Ich wäre nicht mehr so einsam.

„Stefan?“ Nico steckt seinen Kopf durch die Küchentür und unterbricht meine düsteren Gedanken. „Spielen wir ein andermal weiter? Kilian hat spontan beschlossen, bei dem Wetter seinen Whirlpool auf der Dachterrasse einzuweihen.“

„Jetzt? Im April? Ist das nicht zu kalt?“, gebe ich zu bedenken und werfe einen Blick aus dem Fenster. Es ist zwar sonnig, aber es herrschen immer noch niedrige Temperaturen.

„Kilian wird schon dafür sorgen, dass mir warm genug ist.“ Nico lacht und in dem Moment beneide ich ihn um seinen sorglosen Umgang mit seiner Sexualität. „Außerdem ist das Ding beheizt. Ich wollte fragen, ob du mitkommen willst.“

Nun lache ich auf. „Das ist nicht dein Ernst.“

„Doch! Es würde dir guttun. Verspannung und so“, erinnert er mich. „Die anderen kommen auch. David, Henry, Kay. Vielleicht sogar Philipp und Liam. Kilians Whirlpool ist groß genug für uns alle.“

„Na dann viel Spaß. Aber ich glaube, ich habe gar keine Badeshorts“, sage ich ausweichend. Ich will Nico nicht verletzen, aber mit ihm und seinen Freunden einen Nachmittag im Whirlpool zu verbringen, klingt nicht verlockend.

„Brauchste nicht. Ohne geht auch.“ Ich werfe Nico einen skeptischen Blick zu. „Und nachdem Kay ebenfalls da sein wird, kannst du gleich einen Massagetermin bei ihm klarmachen.“

„Nico …“ Ich trinke meinen letzten Schluck Kaffee. „Ich passe nicht in diese Welt.“

„Mhm, ja, mag sein, dass du recht hast. Aber du kennst die Jungs doch alle.“

„Es ist deine Clique. Ich bin zu alt für solche Abenteuer.“ Auf der Dachterrasse ausgelassen mit einem Haufen Männern feiern! Da verwende ich meine kostbare Zeit lieber zum Arbeiten. Außerdem könnte ich Mandanten verlieren, wenn sich so etwas herumspricht. Mein tadelloser Ruf ist mir zu wichtig. Nico würde eine solche Erklärung allerdings nicht verstehen. „Ich bleibe lieber hier.“

Zerknirscht nimmt Nico meine Entscheidung hin. „Soll ich auch hierbleiben?“

„Und dich um einen netten Nachmittag bringen? Blödsinn!“ Ich lächle Nico aufmunternd an. „Ich habe jede Menge Arbeit. Außerdem muss ich mich sowieso bei Vicky melden.“ Ein klärendes Gespräch bin ich ihr schuldig. Vielleicht beruhigen sich dann auch meine Gedanken wieder.

„Gut“, stimmt Nico zögerlich zu. „Aber wir holen das Schachspiel nach, okay? Und wenn ich Kay nachher sehe, werde ich ihn direkt um einen Massagetermin bitten. Abends sollte es ja mal passen bei dir.“

„Mach das.“ Aus der Nummer komme ich wohl nicht mehr raus. Wenn Nico sich was in den Kopf gesetzt hat, ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, ihn davon abzubringen.

Kapitel 2

Kay

Die letzten Meter bis zum Eingang des Fitnessstudios renne ich, als das leichte Nieseln sich in einen Platzregen verwandelt. Genervt streiche ich mir die tropfenden Strähnen aus dem Gesicht und ziehe die klatschnass gewordene Jacke aus. Erst dann trete ich in das Studio ein, das um diese Uhrzeit rappelvoll mit Sportsüchtigen ist. Nicht so ganz meine Welt. Ich bin eher für Entspannung und natürliche Bewegung. Wandern, Yoga …

Wolfi erblickt mich, kurz bevor ich die Tür zu meinem Physiostudio erreiche. Gerade ist er mit einem Kunden an der Hantelbank beschäftigt. Er winkt mir zu, deutet fragend auf seine Armbanduhr und ich sehe auf die meine. Ein paar Minuten habe ich noch, um sie mit Small Talk zu füllen. Ich gehe zu den beiden und Wolfi hat gefühlt drei Fragezeichen im Gesicht. „Was machst du denn um die Uhrzeit hier? Warst du nicht schon im Feierabend?“

Ich schnalze theatralisch mit der Zunge. „Ich war nur rasch einkaufen, das schaffe ich später nicht mehr. Nicos Vater kommt gleich für eine Massage. Nico hat mich letztens gefragt, wann sein Vater die Gutscheine für die Massagen einlösen kann. Eigentlich sind sie bereits abgelaufen.“

„Aber Nico kannst du nichts abschlagen, was?“ Diesen blöden Satz untermalt er mit einem Schlag auf meine Schulter. „Der Kleine schafft es doch immer, einen um den Finger zu wickeln.“

Ich muss lachen. „Auf den Punkt gebracht. Außerdem ist eine halbe Stunde Massage kein Weltuntergang. Es tut mir also nicht weh, ihm entgegenzukommen.“

„Na ja, Nico hat herzlich wenig davon. Hoffentlich weiß sein Vater es wenigstens zu schätzen, dass du deine Freizeit opferst.“

„Ich werde berichten, ob er sich entspannen konnte. Er ist genauso ein Workaholic wie David. Das liegt wohl am Steuerbüro. Scheint mächtig viel Spaß zu machen, mit den Zahlen anderer zu jonglieren.“ Desinteressiert zucke ich mit den Schultern. „So, ich muss jetzt mal alles vorbereiten. Schickst du ihn durch, wenn er kommt? Du wirst ihn sicher erkennen. Er wird vermutlich sehr verloren im Studio herumstehen.“

„Ich kenne ihn. Stefan Temme, richtig? Ich habe ihn mal gesehen, als ich Kilian und Nico bei Nico zuhause eingesammelt habe. Ich werde ihm also die Richtung weisen.“ Wolfi gibt mir einen nächsten, nicht sehr zarten Klaps, der mich etwas schwanken lässt, und ich bin damit entlassen.

Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, reibe ich mir über die Schulter. Mann, verdammt, ich sollte ihm bei Gelegenheit mal sagen, dass er mir ein wenig zu kräftig für solche Späße ist. Ich wusste es immer, Muskelmasse bringt einen um.

Rasch greife ich mir eines der frisch gewaschenen und ordentlich zusammengelegten Handtücher, rubble mir das Haar damit trocken und schmeiße es anschließend in den bereitstehenden Wäschekorb. Der ist schon wieder voll und erinnert mich daran, dass ich die benutzten Handtücher eigentlich schon am Nachmittag mit nach Hause nehmen wollte, um sie auszukochen. Ich binde mir das vollkommen durcheinandergeratene Haar am Hinterkopf zusammen, was auch nicht ordentlicher aussieht, aber es fällt mir wenigstens nicht mehr ins Gesicht.

Mit routinierten Handgriffen bereite ich die Massageliege vor, entscheide mich für eines der Öle, das ich selbst hergestellt habe und stopfe, weil ich noch Zeit habe, die benutzten Handtücher dann doch in den Wäschesack und stelle ihn neben der Tür ab. Prüfend sehe ich mich um, finde allerdings keine Beschäftigung mehr bis zu Stefans Eintreffen. Alles steht an seinem Platz, sieht ordentlich und sauber aus. Die apfelgrüne Farbe der Wand strahlt wie am ersten Tag und die Reinigungsfirma des Fitnessstudios, die meine zwei Räume ebenfalls putzt, erledigt gute Arbeit.

Keine fünf Minuten später klopft es. Ich öffne die Tür zu meinem Reich, Stefans Aufmerksamkeit jedoch gilt nicht mir, sondern dem Treiben an den Kraftgeräten. Kaum merklich schüttelt er den Kopf, bevor er sich ein steifes Lächeln aufzwängt.

„Ist nicht jedermanns Sache“, kommentiere ich ins Blaue hinein. „Komm doch rein, dann können wir das schweißtreibende Geschehen ausschließen.“

Er nickt, übertritt die Türschwelle und sieht sich um. „Um ehrlich zu sein –“

„Bist du ausschließlich hier, weil Nico seine Finger im Spiel hat. Ich weiß.“

Ein leises Lachen erklingt und löst den verbissenen Zug um seinen Mund. Er hängt seine Jacke auf einem Bügel an den Ständer. „Du kennst Nico gut, nicht wahr?“

„Ja, schon. Er macht mir zumindest nichts mehr vor. Ich bin gern mit ihm zusammen.“

„Meist ist er ja mit Kilian unterwegs.“

„Mhm, hab davon gehört“, entgegne ich und zwinkere ihm zu. „Zufällig ist Kilian ebenfalls ein Freund von mir.“

„Ich wollte nicht –“

„Alles gut.“ Ich deute auf die mit einem Vorhang abgetrennte Ecke des Raums. „Dort kannst du dich ausziehen und dich anschließend bäuchlings auf die Liege legen.“

Ein Muskel zuckt unter seinem Auge, kurz presst er die Kiefer zusammen. „Alles etwa?“

Mir entkommt ein leises Lachen. „Kommt ganz drauf an, ob du eine Ganzkörpermassage möchtest, die kostet allerdings mehr und dauert auch etwas länger als die vereinbarte halbe Stunde.“ Stefan reißt die Augen auf, mit einem Schmunzeln rede ich weiter. „Die Unterwäsche kannst du anlassen. Die Gutscheine waren auf eine einfache Teilkörpermassage ausgelegt. Lockerung der Tiefenmuskulatur des Halses und der Schultern-, Nacken- und Rückenpartie. Wenn du darüber hinaus Interesse hast, gebe ich dir gern meinen Flyer mit. Darauf findest du die verschiedenen Einheiten, die ich anbiete, sowie andere Anwendungen.“

„Andere Anwendungen?“, fragt er entgeistert und mir wird von einer Sekunde auf die andere heiß. War das zweideutig oder denke ich zu abstrakt? Glaubt er wirklich, dass ich hier Erotikmassagen durchführe?

„Hot Stones“, erkläre ich lahm. „Oder eine Ayurvedaanwendung.“ Kurzerhand hole ich einen Flyer und drücke ihn Stefan in die Hand. „Lektüre für zu Hause. Darf ich dann bitten?“ Konsterniert sieht er mich an und ich lese ihm den Unwillen allein an seinem Gesichtsausdruck ab. „Stefan, komm schon. Es wird dir guttun und es wird nichts geben, was dir unangenehm werden könnte. Versprochen. Mein Ziel ist, dass du dich im Anschluss freier in deiner Beweglichkeit fühlst und deine Blockaden vom vielen Sitzen im Büro aufgelöst sind. Für die zweite Massage sollten wir daher direkt in der nächsten Woche einen Termin vereinbaren.“

„Es waren drei Gutscheine.“

„Ich erinnere mich. Jetzt sollten wir aber erst mal einen einlösen.“ Und hoffen, dass ich es schaffe, ihn überhaupt etwas lockerer zu bekommen. Stefan kommt mir steif wie ein Brett vor – nicht nur in seinen Bewegungen, auch oder vielmehr in seiner gesamten Art.

Mit Anzughose am Leib tritt er vor den Vorhang und ich verkneife mir einen näheren Blick über seinen Körper, der auf den ersten, flüchtigen ziemlich ansehnlich wirkt. Ich verkneife mir ebenfalls, etwas zu seinem Aufzug zu sagen. Was hat er nicht verstanden, als ich sagte, die Unterwäsche könnte er anlassen? Zählt er die Anzughose dazu?

Die Muskelpartien im unteren Lendenwirbelbereich hätten mir sicher ebenso für Lockerung gedankt wie die des Oberkörpers. So aber sind sie schlicht nicht erreichbar für mich. „Super, lass uns anfangen“, sage ich dennoch und klopfe auf die Liege. „Hast du irgendwelche Allergien gegen Moschus, Lavendel oder Zeder? Oder generell irgendwelche Intoleranzen?“

„Wieso fragst du?“, will Stefan wissen, während er das Gesicht in die vorgesehene Mulde steckt und dadurch etwas dumpf klingt.

„Ich verwende gern selbstgemachte Massageöle. Wenn deine Haut empfindlich auf irgendwelche Substanzen oder Duftstoffe reagiert, bleibe ich bei neutralem, sensitivem Hautöl.“

„Mir ist nicht bekannt, dass ich auf irgendwas allergisch reagiere.“

„Schön, du wirst den Duft, den ich gewählt habe, mögen. Können wir?“

„Ja, ich bin bereit.“ Bei dem Blick über seine angespannte Rückenmuskulatur muss ich erneut schmunzeln. Der ganze Mann ist bis zu den Zehenspitzen steif. Offenbar hat er ernsthaften Respekt davor, durchgeknetet zu werden. Ob seine Freundin ihn massiert? Das ist so eine wunderbare, sinnliche Möglichkeit, Zeit zu zweit zu verbringen. Wo liegt sein Problem? Ich werde es herausfinden. Wenn nicht heute, dann nächste Woche. Immerhin habe ich jeweils eine halbe Stunde Zeit, um mit ihm zu reden, wenn er denn möchte. Viele meiner Kunden möchten sich allerdings lieber entspannen und ich richte mich ausnahmslos nach ihren Bedürfnissen. Ich nehme mir vor, ganz genau auf Stefans Zeichen zu achten.

„Achtung“, murmle ich, nachdem ich meine Hände gut eingeölt und mich vor seinem Kopf platziert habe. „Die erste Berührung ist immer etwas gewöhnungsbedürftig. Ich beginne an deinem Hals.“

Natürlich zuckt er trotz Ansage etwas zusammen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, er sieht es zum Glück nicht. Schon nach den ersten tastenden Strichen entlang seiner Halsmuskulatur wird mir klar, dass es weder mit einer noch mit zwei oder drei Sitzungen getan sein wird. Ein Wunder, dass er sich überhaupt noch bewegen kann. Meinem Beruf und etlichen Fortbildungen geschuldet, weiß ich leider sehr gut, was der Mensch seinem Körper antut und wie viele Zeichen er gern übersieht, bevor es wirklich akut wird. Konzentriert arbeite ich mich daher seine Muskelgruppen entlang und finde mich vielen Baustellen gegenüber. Ich lockere einen Knotenherd nach dem anderen und gebe mir Mühe, dabei so sanft wie möglich vorzugehen. Dennoch merke ich deutlich, wenn Stefan vor Schmerzen die Luft anhält und sich noch mehr verspannt. „Stefan, deine Muskeln sind sehr fest, diese Massage ist längst überfällig. Hast du denn nie Probleme gehabt?“

„Meist geht es wieder, wenn ich mich strecke und nach einem langen Bürotag im Park etwas laufen gehe.“

„Jogging?“

„Nein, spazieren meine ich.“

„Das reicht leider nicht bei einem Bürojob, wo du acht Stunden am Tag sitzt. Gymnastik wäre gut.“

„Dafür fehlt mir die Zeit, ich verbringe mehr als acht Stunden täglich am Schreibtisch. Die Arbeit macht sich nicht von allein.“

„Okay … dein Körper würde sich dennoch freuen.“

„Vielleicht.“ Im nächsten Moment zischt er. „Das tat weh.“

„Es tut mir leid, sanfter geht es nicht. Du hast noch ein paar Knoten vor dir.“

„Ich habe eher das Gefühl, mich gleich gar nicht mehr bewegen zu können.“

„Das würde mich nicht wundern. Du bist so verhärtet, dass dich die nächsten Tage ein gemeiner Muskelkater plagen wird und vermutlich jede Bewegung zur Qual wird. Umso wichtiger ist es, dass du nächste Woche wiederkommst, sonst verpufft die Wirkung dieser Sitzung direkt wieder.“

Darauf antwortet er nicht mehr und mir liegt es fern, weiter in seinen Gewohnheiten zu stochern, die offenbar seit Jahren festgefahren sind. Schweigend und sorgfältig arbeite ich mich daher über seine Schultern und den Rücken hinab. Am Hosenbund bedaure ich kurz die eng an seinem unteren Rücken anliegende Barriere, die normalerweise von einem Handtuch oder eben der Unterwäsche gebildet wird. Gerade so schaffe ich es, mit den Fingerspitzen die halb verdeckten Knubbel zu lockern.

Frust packt mich. Wo auch immer der herkommt. „Es wäre einfacher für mich, wenn du beim nächsten Mal deine Hose ausziehst.“

Erst schweigt er, dann räuspert er sich. „Ich habe angenommen, du machst einen Scherz. Also, mit der Unterwäsche …“

„Wow, Stefan, ernsthaft?“ Mein Frust verklingt genauso schnell, wie er aufgekommen war. Ich bin einfach nur perplex. „Ich neige in meinem Job eher selten zu Scherzen. Ich meine, eine Hose mit Gürtel behindert mich bei der korrekten Ausübung meiner Arbeit. Es ist nun mal so, dass bei einem eng anliegenden Hosenbund Schluss ist, dahingegen ist ein Gummibund dehnbar.“

„Dann weiß ich fürs nächste Mal Bescheid“, nuschelt er und bewegt sich, will sich umdrehen und zischt erneut. Gleich darauf fällt er kraftlos in seine Ausgangsposition zurück. „Mir tut jetzt schon alles weh. Sind wir denn fertig?“

„Moment noch.“ Ich streiche die letzten Minuten seine Rückenmuskulatur aus. „Jetzt sind wir fertig. Wenn du magst, bleib noch ein bisschen liegen, gönn deinen Muskeln etwas Ruhe.“

Ein Brummen erreicht mich. Ich kann es weder als Zustimmung noch als Ablehnung deuten, greife aber, als er sich nicht rührt, nach einem weiteren Handtuch und lege es über ihn. „Wärme hilft. Im Liegen kühlt der Körper schnell aus. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst, ich habe heute keinen Anschlusstermin mehr.“

Erstmals sieht Stefan auf und ich beiße mir auf die Unterlippe. Diese Überdehnung des Halses könnte er gleich bereuen. „Du hast längst Feierabend, oder?“

Sachte fasse ich an seinen Nacken. „Nicht“, sage ich leise und übe etwas Druck aus. „Bleib noch ein bisschen so liegen. Ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht gewollt hätte, okay? Es ist ein Gefallen für Nico.“ Gänsehaut breitet sich in unmittelbarer Nähe meiner Finger aus und die seinen, die direkt in meinem Blickfeld liegen, verkrampfen sich in dem Frottee. Interessante Reaktion. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen trete ich einen Anstandsschritt zurück und lausche Stefans Schnaufen, als er erneut sein Gesicht in der Vertiefung verschwinden lässt und eine annehmbare Position sucht.

„Nächste Woche wird es eng, mein Terminkalender ist voll.“

„Ich bin sicher, wir finden eine halbe Stunde“, halte ich dagegen und sehe zu, wie er nach dem Handtuch über seinem Rücken greift und es ein Stück von sich schiebt.

„Hier drinnen ist es warm.“

„Du bist der erste, der sich beschwert.“ Ich nehme es ihm wieder ab, falte es ordentlich und hefte einen Zettel mit seinem Namen dran und schiebe es in ein freies Regalfach. Kein Grund zum Waschen, es kann wiederverwendet werden. Genauso wie das Handtuch, auf dem er liegt. Gequält richtet Stefan sich auf und wie das eben so ist, wenn man auf dem Bauch lag, muss man erst mal die Gliedmaßen sortieren. Stefan schafft es nur langsam und kniet für einen Moment mit verzerrtem Gesicht auf der Liege und dummerweise mache ich das, was ich mir vorher verwehrt habe. Ich lasse den Blick über seinen Oberkörper schweifen und muss mir eingestehen, dass er alles andere als körperfaul aussieht. Die kleine Speckrolle, die sich durch seine Position über dem Hosenbund platziert hat, tut seinem Aussehen keinen Abbruch. Der Ansatz eines Bauches ebenfalls nicht. Im Gegenteil. Er sieht echt gut aus. Ansprechend, reif, attraktiv obendrein. Sein Haar hat trotz seiner Ü-vierzig noch ein wunderbares braunblond, das Haar, das hingegen seine Brust ziert, ist etwas heller und kommt der Haarfarbe von Nico nahe. Ich beobachte, wie er sich an den Rand der Liege quält, mir damit den Rücken zudreht und die Beine baumeln lässt. Mäßig breite Schultern, kräftig genug, um sich in einer Umarmung geborgen fühlen zu können. Der Rücken ist frei jeglicher Makel, wird jedoch von Leberflecken geziert. Wunderschön. Stefan kann sich sehen lassen und mir wird gerade verdammt heiß. Zu gern würde ich nicht nur meine Hände sprechen lassen, sondern ihnen mit den Lippen folgen. Seinen Geruch entdecken, indem ich mit der Nase über seine Haut fahre. Shit, verbotene Gedanken. Und ein leises Stimmchen erinnert mich daran, dass ich sie schon mal in Bezug auf Stefan hatte – ewig ist das her. Das war an dem Tag, als ich ihn kennenlernte.

„Ich komme gleich wieder“, sage ich hastig und wende mich ab, bevor er mir meine Verlegenheit und Unprofessionalität anmerkt. Mein zweiter Raum, der als Büro und Lagerraum fungiert, ist der rettende Ort. Als die Tür hinter mir mit einem leisen Klicken ins Schloss fällt, balle ich die Hände zu Fäusten, um dieses merkwürdige Gefühl zu kanalisieren. Stefan ist tabu. Er ist seit vielen Monaten mit einer Frau zusammen. Zudem ist er der Vater einer meiner besten Freunde. Wie kann das sein, dass ich auf ihn reagiere? Wo kommen diese überbordenden Teenagerhormone her? „Reiß dich gefälligst zusammen“, murre ich vor mich hin, atme ein paar Mal tief durch und lockere meine Hände. Das ganze Intermezzo hat keine drei Minuten gedauert, trotzdem ist Stefan bereits angezogen, als ich in den Behandlungsraum zurückkehre. Gut so!

„Hast du deine Leberflecken schon mal auf Veränderungen untersuchen lassen?“, frage ich ihn unverfänglich und flüchte hinter den kleinen Tresen, wo mein Terminbuch liegt. „Also, wann hast du nächste Woche Luft?“

„Was ist denn damit?“

Verwirrt sehe ich auf und erinnere mich an meine erste Frage. „Gerade in deinem Alter solltest du sie regelmäßig auf Veränderungen überprüfen lassen. Viele Menschen haben es früher oder später mit Hautveränderungen zu tun und darunter ist durchaus auch nicht ganz so gutartiges Tumorgewebe zu finden. Es gibt Hautscreenings, die Aufschluss und Sicherheit geben.“

„In meinem Alter, hm? Danke!“

„Sorry, so war das nicht gemeint.“ Hitze schießt mir in die Wangen, es kostet mich Kraft, den Kopf nicht verlegen zu senken und Stefan weiterhin anzusehen. Er wird die Röte bemerken und ich habe das wohl verdient.

„Du meinst diese High-Tech-Kameras, oder?“, lenkt er ein. „Wo man nackt und breitbeinig und mit den Händen hinter dem Kopf verschränkt von allen Seiten fotografiert wird. Sogar in der Intimzone und das im hohen Pixelbereich.“

„Du warst also schon mal da? Das ist gut. Mach das regelmäßig.“

„Nein, das hast du falsch verstanden, ich habe nur davon gehört. Ich denke nicht, dass ich das brauche.“

Die Hitze in mir verwandelt sich in ein Glühen. Wieso lasse ich es nicht einfach sein, Ratschläge zu geben? Kritik steht mir nicht zu, die meisten Kunden reagieren wie Stefan darauf: Sie wollen sie nicht hören. „Okay“, rudere ich zurück. „Du kannst ja nochmal darüber nachdenken. Nimm es als Tipp deines Physiotherapeuten an und beurteile selbst. Also, welcher Tag passt dir?“

Verstimmt streicht Stefan sich durchs Haar. Haben sich eben noch Lachfältchen um seine Augen und um die Mundwinkel gezeigt, so ist davon nichts geblieben. „Ich muss darüber nachdenken und melde mich.“

„Nachdenken? Hast du deinen Kalender nicht im Smartphone?“

„Natürlich.“ Er klopft an seine Jackentasche. „Ich weiß aber noch nicht, ob ich einen weiteren Termin wahrnehmen möchte.“ Wie um sich diese Frage sofort zu beantworten, rollt er mit den Schultern und dem Kopf und dehnt den Rücken. „Um ehrlich zu sein, war es nur halb so angenehm, wie ich gehofft hatte. Ich werde morgen wohl eine Ibu brauchen.“

Ich schlucke, weiche nun doch seinem Blick aus. Mit einem Rückzug seitens Stefan habe ich nicht gerechnet. War ich zu übergriffig? „Vielleicht“, antworte ich und blättere wahllos im Terminbuch. „Ich bin davon ausgegangen, dass es dir danach deutlich besser geht, bevor der Muskelkater einsetzt. Dem ist offenbar nicht so. Gib deinem Körper ein paar Tage Zeit sich zu erholen.“ Schade, dass er sich direkt wieder so anspannt. Das müsste nicht sein. Normalerweise zeigt auch schon eine Sitzung Wirkung, ich kenne doch das Ergebnis meiner Arbeit. Aber dafür müsste er kooperieren und das tut er nicht. Wirklich schade. Eigentlich erfreue ich mich sehr gern daran, wenn sich meine Kunden nach einer Behandlung dehnen und strecken und mir sagen, dass sie sich wie neugeboren fühlen. Ich brauche diese Anerkennung zwar nicht, sie ist dennoch schön und fördert das Miteinander. Ein winziges Danke, dass ich meinen Feierabend für ihn geopfert habe, weil er täglich so lange im Büro ist, wäre natürlich auch wie Öl runtergegangen. Nun denn. Ich schlage das Terminbuch zu. „Mir liegt es fern, dich überreden zu wollen. Wenn du es dir überlegt hast und wiederkommen möchtest, kannst du anrufen oder eine Mail an die Adresse schicken, die im Flyer steht. Nenn mir dann gern direkt ein paar mögliche Termine. Ich prüfe die und melde mich zurück.“

Nach einem kurzen Zögern gehe ich um den Tresen und durchquere den Raum, lege die Hand auf die Türklinke. „Schönen Abend dir noch.“ Leg dich auf die Couch und gönn dir noch ein wenig Ruhe, verkneife ich mir.

„Kay?“ Stefan bleibt eine Armlänge vor mir stehen. „Bitte entschuldige, ich wollte dich nicht verstimmen oder dir den Abend verderben. Das habe ich getan, oder?“

„Kein Thema. Grüß Nico von mir.“ Damit drücke ich die Klinke runter und öffne die Tür. Wenn Stefan noch etwas sagen wollte, ist es dafür nun zu spät. Sämtliche Geräusche der elektrischen und manuellen Trainingsgeräte hallen uns entgegen und aus einem der Nebenräume klingt die laute Stimme einer Fitnesstrainerin. In Anbetracht der späten Uhrzeit tippe ich auf eine Gymnastik- oder Cardiostunde.

Stefan presst die Lippen aufeinander und sieht mich sonderbar intensiv an. Dann geht er, ohne nach links und rechts zu blicken, zum Ausgang des Gebäudes. Ich schaue ihm nach, bis sich die Schiebetür des Foyers automatisch hinter ihm schließt.

„Guck nicht so grimmig“, brummt Wolfi plötzlich neben mir und ich zucke erschrocken zusammen. „Ich mach jetzt Feierabend. Lust auf ein Bier?“

„Nicht so. Ich möchte lieber nach Hause.“

„Hat er dir die Stimmung verhagelt?“ Mit dem Kopf deutet er in die Richtung, in die Stefan verschwunden ist.

„Ich weiß nicht. Ein bisschen vielleicht. Er hat so getan, als hätte ich ihm wer weiß was angetan.“

Wolfi lacht belustigt auf. „Was hast du mit ihm gemacht, du Knochenbrecher?“

„Den Stock im Arsch konnte ich offenbar nicht weichkneten.“

„Oh. Harte Worte, böser Junge.“ Mit verschränkten Armen stellt er sich vor mich. „Seit wann interessiert es dich, wie deine Kunden so drauf sind? Was ich so beobachte, ist da alles dabei. Von hochnäsig bis superwitzig. Von durchgestylt bis kann-man-kaum-hingucken.“

„Er ist halt Nicos Vater. Ich habe keine Lust auf Gerede innerhalb der Clique.“

„Warum sollte das passieren?“

„Ich weiß nicht, ist nur ein Gefühl. Ich glaube, er hat gemerkt, dass ich ihn einmal zu lange angesehen habe. Das war ihm unangenehm und ich kann es ihm kaum verdenken. Wer lässt sich schon gern so offensichtlich abchecken.“

„Ach was, meinst du? Ist er denn überhaupt dein Typ?“

Lahm ziehe ich die Schultern hoch. „Als ich ihn kennengelernt habe, war er sehr nett und vor allem nicht so steif und wir hatten Nico als gemeinsames Thema. Eigentlich war das total entspannt und angenehm. Ja, ich habe mich sogar ein bisschen zu ihm hingezogen gefühlt. Danach haben wir uns lange nicht gesehen. Damals war er allerdings auch noch Single.“

„Mittlerweile nicht mehr?“

„Nein, er ist mit einer Frau zusammen. Victoria heißt sie. Laut Nico sind sie glücklich miteinander.“

Wolfi verzieht die Lippen. „Nico hat sie nie erwähnt, komisch. Also ist sein Vater heterosexuell und vergeben. Warum führen wir dann dieses Gespräch?“

„Keine Ahnung! Vielleicht, weil mir gerade danach war, mit jemandem zu reden? So oft kommt es nicht vor, dass mir jemand gefällt. Aber egal, der kommt eh nicht wieder“, erwidere ich leicht verärgert. „So, ich fahre jetzt nach Hause, der Tag war lang und ich habe Hunger.“

Kapitel 3

Stefan

„Vicky? Ich glaube, es ist keine gute Idee, wenn du heute vorbeikommst“, erkläre ich über die Freisprechanlage, während ich gleichzeitig versuche, den Wagen durch den Düsseldorfer Feierabendverkehr zu lenken. Wie immer ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade komme ich nur im Schritttempo voran.

„Ähm, ich bin schon bei dir“, erwidert Vicky. „Wir hatten doch vereinbart, dass ich heute bei dir koche. Nachdem du eindeutig die besser ausgestattete Küche hast.“

Siedend heiß fällt es mir wieder ein. Wie konnte ich das vergessen? „Entschuldige, das ist mir völlig entfallen.“

„Du arbeitest einfach zu viel“, tadelt sie mich mit einem Schmunzeln.

Wie oft ich diesen Satz in letzter Zeit gehört habe. Von Nico, David, Vicky. Gestern Abend hat sogar Kay angedeutet, dass ich zu viel im Büro sitze und mich zu wenig bewege. Daran wird sich auch nichts ändern. Ist das nicht der Grund, warum ich bei ihm zur Lockerung meiner Muskulatur war? Vorsichtig bewege ich meine Schultern. Der Nachhall seiner Behandlung hat mich den ganzen Tag beschäftigt. Es tut richtig weh. Genau deswegen hätte ich mir heute Abend einen ruhigen Ausklang nur für mich allein gewünscht. Aber nicht nur körperlich bin ich seit der Massage angeschlagen, auch in meinem Kopf herrscht ein Durcheinander, das ich noch nicht zu ordnen weiß. So vieles hat mich verwirrt und in Verlegenheit gebracht. Allen voran meine eigenen Gedanken, als er davon sprach, dass ich mich ausziehen sollte. Selten war mir etwas so peinlich! Und prompt schlug er später erneut in genau diese Kerbe, als er meinte, dass der Hosenbund stört.

„Bist du noch da?“ Vicky holt mich wieder in die Realität zurück. Hinter mir hupt jemand langanhaltend.

„Ja, bin ich. Es dauert noch eine Weile, bis ich zuhause bin. Hier ist alles dicht.“

„Das macht nichts. Der Braten braucht sowieso noch seine Zeit im Römertopf“, meint Vicky leichthin. „Stress dich nicht, Darling.“

Es ist mir unangenehm, wenn sie mich so nennt. Jedoch ertrage ich den Kosenamen, weil es sie verletzen würde, wenn ich Einwände dagegen erheben würde.

„Bis gleich.“ Ich beende das Gespräch und konzentriere mich wieder auf den Verkehr.

Der köstliche Duft, der mir entgegenschlägt, als ich durch die angrenzende Garage das Haus betrete, lässt mich realisieren, wie hungrig ich bin. Wie so oft habe ich die Mittagszeit durchgearbeitet.

Vicky strahlt mich an, als ich in die Küche komme. „Es ist gerade fertig geworden“, sagt sie und holt das Essen aus dem Ofen.

„Es riecht großartig.“ Bevor ich sie begrüße, gehe ich zur Spüle und wasche meine Hände. Ich trockne mich an einem Geschirrtuch ab und gebe ihr einen Kuss.

„Sollte es auch. Ich bin extra früher aus dem Büro raus und hab mir Zeit fürs Kochen genommen.“

„Okay? Haben wir etwas zu feiern?“ Fieberhaft überlege ich, welchen Anlass ich vergessen haben könnte.

Sie schüttelt den Kopf. „Nein, einfach so. Weil ich dich liebe.“ Sie sagt es ganz locker, zieht dabei den Stuhl zurück und nimmt Platz, während ich für einen Moment erstarre. Es ist nicht so, dass sie es nicht schon bei anderen Gelegenheiten erwähnt hat, aber trotzdem löst der Satz eher Unbehagen als positive Gefühle in mir aus. Liebe ist mit Anforderungen verbunden. Mit Erwartungen. Ich weiß, dass Vicky immer noch auf meine Antwort wartet. Sie möchte wirklich gern mit mir zusammenziehen und ich kann ihren Wunsch nachvollziehen. Und dennoch: Bei unserem letzten Gespräch darüber habe ich sie vertröstet, dass ich noch Zeit brauche.

Ich übergehe ihre Liebeserklärung ohne Erwiderung. „Lass uns anfangen, ja?“

„Gern, ich freue mich seit Stunden auf dich.“

Sie klingt fröhlich, während sie unsere Teller füllt und ich den Salat auf zwei kleine Schälchen verteile. Ich überlege fieberhaft, wie ich reagieren könnte, ohne sie vor den Kopf zu stoßen. In dem Moment knurrt mein Magen, wie passend.

Vicky lacht amüsiert auf und vergessen ist das Thema Beziehung. „Du hast sicherlich wieder nichts zu Mittag gehabt.“

„Wie üblich. Du kennst mich zu gut … Wie war denn dein Tag?“

„Sehr gut. Ich konnte heute Vormittag die Prüfung bei einem unserer größten Kunden erfolgreich abschließen. Wie lief es bei dir?“

„Ich war in der Zweigstelle in Köln und habe mich dort mit dem Team getroffen. Es läuft gut, trotz der vielen Arbeit bei zu wenig Mitarbeitern. Also nichts Neues.“ Ich zucke mit den Schultern und verziehe das Gesicht, als sich mein Muskelkater bemerkbar macht.

„Ist was mit dir?“

„Ich war gestern bei der Massage.“

„Oh, wirklich?“ Sie greift nach ihrem Weinglas und trinkt einen Schluck, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Wie kommt es? Finde ich gut, dass du mal was für dich tust.“

„Ich habe ja noch die Gutscheine und Nico wird mir böse, wenn ich sie nicht endlich einlöse“, erläutere ich ihr.

Sie lacht. „Vermutlich hat er sogar den Termin für dich vereinbart.“

„Natürlich.“ Ich muss ebenfalls schmunzeln. „Du kennst ihn ja. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat …“

„Und? Wie war es?“

„Vor allem schmerzhaft.“

„Dann war es wohl genau richtig.“

„Glaubst du? Ich bin vom Gegenteil überzeugt.“

Erstaunt blickt sie mich an. „Aber nein. Man muss an solchen Dingen dranbleiben, erst dann spürt man Erfolg. Ich hoffe also, du gehst wieder hin.“ Sie klingt wie Kay. „Ich schwöre ja auf Fußreflexzonenmassagen. Sie sind unglaublich stressabbauend. Vielleicht probierst du das mal, wenn dir die Rückenmassage nicht gutgetan hat?“

„Ja, vielleicht.“ Der Gedanke, dass mir jemand an den Füßen rumfummelt, behagt mir allerdings noch weniger.

Nach dem Essen stelle ich wieder Ordnung in der Küche her. Dieses Ritual hat sich bei uns eingebürgert. Wenn der eine kocht, räumt der andere auf. Ein fairer Deal. Vicky wollte sich frisch machen gehen und ich kann meinen Gedanken nachsinnen, während ich das Geschirr in die Maschine räume und den Römertopf in der Spüle einweiche. Bei jeder kleinen Bewegung spüre ich meinen Rücken. Ich fühle mich mit einem Mal schrecklich alt. Wann bin ich so unsportlich und unbeweglich geworden? Vielleicht sollte ich mit Vicky noch eine Runde im Park drehen, bevor wir es uns auf der Couch bequem machen. Mein voller Magen würde es mir ebenfalls danken.

„Stefan?“ Ich habe sie gar nicht zurückkommen hören und spüre ihre Lippen zart am Nacken. Genau an der Stelle, auf die Kay gestern seine Hand gelegt hatte. Ich erinnere mich an die Gänsehaut, die diese Berührung bei mir verursacht hat. Die Irritation, die sie ausgelöst hat.

„Ja?“ Ich wende mich langsam zu ihr um und betrachte sie. Vicky hat sich nicht nur frisch gemacht. „Ist das neu?“, frage ich leise und nehme das schwarze Negligé in Augenschein, in dem ihre Figur wunderbar zur Geltung kommt. Ihre Brustwarzen heben sich unter dem Spitzenstoff deutlich ab. Verspielt fällt der Stoff über ihren flachen Bauch, über ihre weichen Rundungen und lässt erahnen, dass sie kein Höschen trägt. Wie von selbst reagiert mein Körper darauf. „Du siehst umwerfend aus.“

„Lust auf Nachtisch?“ Sie verschränkt ihre Hände in meinem Nacken und zieht mich zu sich. Meine Muskeln protestieren, doch ich übergehe das. Der Massageschmerz wird mich definitiv nicht davon abhalten, mit Vicky zu schlafen.

„Nachtisch klingt verlockend“, sage ich daher und verschließe ihre Lippen mit meinen.

~~~

Ich sitze mit David im La Terazza. Gerade haben wir einen Kunden verabschiedet und genießen ein Bier zum Tagesausklang.

„Ich habe gehört, du warst bei Kay im Studio.“

„Der Flurfunk funktioniert ja ganz wunderbar“, stelle ich fest.

„Nico“, meint David mit einem Lächeln. „Wie war es?“

„Gut. Soweit.“ Vorsichtig lasse ich meine Schultern rollen. Heute fühlt es sich noch schmerzhafter an als gestern.

David beobachtet mich. „Ich mache mir Sorgen um dich“, sagt er plötzlich.

„Wieso denn das?“

„Ich kenne dich nur als Arbeitstier, aber …“ Er streicht mit seinem Zeigefinger über die glatte Oberkante seines Glases, scheint zu überlegen. „Du bist in den letzten Wochen richtiggehend verbissen geworden.Ich habe das Gefühl, je tiefer die Beziehung zu Vicky wird, umso mehr vergräbst du dich in Arbeit. Zumindest kommt es mir so vor.“

„Das stimmt doch gar nicht“, protestiere ich. „In den letzten Wochen waren die ganzen Jahresabschlüsse zu erledigen. Du weißt selbst, dass in dieser Zeit unser Kalender bis zum Rand gefüllt ist. Es sollte ja in den nächsten Monaten wieder etwas ruhiger werden. Außerdem war Vicky erst gestern bei mir und am Abend davor war ich bei der Massage.“

„Aber auch nur, weil du dazu genötigt wurdest“, hält David ungerührt entgegen. „Soweit ich weiß, hat Nico die Massage in die Wege geleitet. Und ich bin mir sicher, Vicky hat die Initiative für euer Treffen ergriffen. Wie lange ist es her, dass du etwas für dich getan hast? Etwas, was du wolltest und für das du freiwillig die Arbeit dafür niedergelegt hast, nicht etwas, was du tun musstest oder jemand anderes für dich organisiert hat?“

Nachdenklich nehme ich einen weiteren großen Schluck meines Bieres. Ich lasse mich nicht gern kritisieren und spüre die Abwehr in mir aufsteigen. Gleichzeitig weiß ich, dass David es nur gut meint. „Ich weiß es nicht“, gebe ich zu.

„Wir alle mögen dich sehr, Stefan.“ Er legt seine Hand auf meine und drückt zu.

Irritiert löse ich die Verbindung. „David, was soll das?“

„Ernsthaft?“ Er zieht die Augenbrauen hoch. „Meinst du wirklich, es interessiert hier irgendjemanden, wenn ich dich berühre?“

Ich blicke mich um. Natürlich hat er recht und es schaut niemand in unsere Richtung. Dennoch! „Du weißt, dass ich körperliche Annäherungen nicht mag.“

„Ach wirklich?“, fragt er spöttisch. „Ich glaube, ich kenne deinen Körper besser, als du selbst es tust.“ Er tippt sich an die Schläfe. „Dein Kopf ist es, der das alles nicht zulässt. Dein Körper genießt Berührungen sehr wohl.“

„Mag sein.“ Ich presse die Lippen zusammen, denn ich will nicht mehr darüber reden. Daran denken, wie gut David mich tatsächlich kennt, will ich erst recht nicht.

„Wie läuft es denn mit Vicky?“ David übergeht geflissentlich meine angeschlagene Stimmung.

„Ganz okay.“ Ich denke an gestern Abend und fasse mir an den Kragen. Unwillkürlich wird mir warm. Es war fantastisch.

„Und wie weit seid ihr mit eurer Überlegung, zusammenzuziehen?“

„Auch hier scheint der Flurfunk ja wunderbar zu funktionieren“, stelle ich fest. „Bitte hör auf, in meinem Privatleben zu stochern. Ich denke nicht, dass dich das etwas angeht.“

Mit einem Satz leert David den Rest seines Bieres und stellt das Glas auf den Tisch. „Weißt du was? Manchmal ist dir echt nicht zu helfen. Du weißt ja, wo du mich findest, wenn du reden möchtest. Ich mach mich mal vom Acker. Henry wartet sicher schon auf mich.“

Ich schaue ihm zu, wie er in seine Jacke schlüpft und das Lokal verlässt. Zerknirscht lasse ich das Gespräch Revue passieren. Ich habe es vergeigt, aber wie kann ich mit David über meine Gefühle reden, wenn ich sie selbst kaum einzuordnen weiß? Die Entscheidung, mit Vicky zusammenzuziehen, hängt wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Ich möchte es richtig machen. Eine überlegte Entscheidung treffen. Alle scheinen es zu erwarten. Selbst Nico würde es begrüßen, so gut wie er sich mit Vicky versteht.

Davids Frage, wann ich zuletzt etwas nur für mich getan habe, hallt in mir nach. „Ich glaube noch nie“, flüstere ich in mein Bierglas und diese Erkenntnis bestürzt mich. Ich habe mir immer sehr strenge Regeln und Ziele gesetzt und habe letztendlich das gemacht, von dem ich glaubte, dass es meine Karriere vorantreibt. Was bedeutet es überhaupt, etwas für mich selbst zu machen? „Ich kenne deinen Körper besser, als du selbst es tust.“ Auch dieser Satz tönt wie ein wiederkehrendes Echo in meinem Kopf.

Mein Smartphone erklingt und ich greife dankbar danach, um mich abzulenken. Es ist eine Nachricht von Henry. Ich organisiere spontan eine Überraschungsparty zu Davids Geburtstag am Samstag. Wäre schön, wenn du mit Begleitung dabei wärst. Er nennt Ort und Uhrzeit. Ich hoffe, Vicky hat Zeit.

Langsam lasse ich mein Handy in die Jackentasche sinken und fasse einen Entschluss: Wenn Nico, David und sogar Vicky meinen, dass ich so unentspannt bin und unbedingt wollen, dass ich mir etwas gönne, dann lasse ich weiterhin die Massagen über mich ergehen. Mir ist bewusst, dass sie mir langfristig guttun werden. So schlecht war das Erlebnis im Nachhinein gar nicht. Eine Wiederholung klingt doch nach einer guten Idee.

Ich zahle, lasse mir die Quittung aushändigen und verlasse das La Terazza, fahre in Richtung Fitnessstudio.Nachdem ich sowieso schon unterwegs bin, kann ich den Abstecher dorthin machen, um mich bei Kay zu entschuldigen und direkt den nächsten Termin zu vereinbaren. Ich war nicht freundlich zu ihm. Dabei mochte ich seine direkte Art irgendwie, mit der er ohne Umschweife Dinge auf den Punkt gebracht hat. Als Physiotherapeut scheint er genau zu wissen, wie ich meinen Körper wieder auf Vordermann bringen könnte. Ich muss innerlich grinsen bei dem Gedanken an die Gymnastikübungen, die er mir nach der Arbeit vorgeschlagen hat. Wie stellt er sich das denn vor? Soll ich mir eine Yogamatte besorgen und vor dem Fernseher bei einem Youtube-Video herumhampeln?

Der Parkplatz ist voll und ich muss eine Weile suchen, bis ich eine Parklücke finde. Beinahe verliere ich die Lust, meinen Entschluss umzusetzen. Das Bedürfnis, endlich die Stimmen meiner besorgten Freunde und Familie zum Verstummen zu bringen, ist jedoch größer. Wie vor zwei Tagen ist auch heute die Hölle los, als ich das Fitnessstudio betrete. Ich schlängle mich – kopfschüttelnd über so viel sportlichen Enthusiasmus – an den Geräten vorbei.

Kurz bevor ich an Kays Tür klopfe, tritt mir ein muskulöser Mann in den Weg. Einer der Trainer? „Möchtest du wieder zu Kay?“

Für einen Augenblick bin ich sprachlos, dass er mich ohne Erlaubnis duzt, ich sage jedoch nichts dazu. Vielleicht ist das ja so üblich in diesem Ambiente.

„Ja, möchte ich. Ist er da?“

„Ist er. Aber er hat gerade noch einen Kunden. Wenn er frei ist, steht die Tür in der Regel offen. Bis dahin wartest du am besten hier.“ Er deutet auf zwei gemütliche, schmale Sessel an der Wand. „Du hast doch einen Termin vereinbart, oder?“

„Sind Sie sein persönlicher Sekretär?“ Die Gegenfrage kann ich mir nicht verkneifen. Himmel, ist der Kerl neugierig!

Der Typ lacht auf. „Nein, aber wir sind zum Feierabend-Bier verabredet. Von einem weiteren Termin hat Kay nichts gesagt.“

„Ach so.“ Sogleich bereue ich meinen spontanen Auftritt. Es wäre wohl besser gewesen, Kay anzurufen. „Ich wollte nur kurz zu ihm und nicht Ihre Feierabendpläne durchkreuzen.“

„Kein Thema, Mann! Kay hatte dich letztens schon angekündigt und du hast eben so gehetzt und gleichermaßen verloren gewirkt. Da dachte ich, ich frag mal, ob ich helfen kann. Du bist Stefan, richtig? Nicos Vater. Wolfi.“ Er hält mir seine Rechte hin. Zögernd schlage ich ein.

„Ja, der bin ich. Schön Sie kennenzulernen, Wolfi. Und Danke für die Info, wann ich vor dem Studio zu warten habe.“ Ich bringe es nicht über die Lippen, ihn zu duzen. Er lächelt nur, kommentiert es aber nicht.

Die Tür zu Kays Therapieraum öffnet sich. „Bis nächste Woche“, höre ich Kays Stimme aus dem Inneren der Räumlichkeiten, als eine junge Frau mit Krücken herauskommt. Ich trete zurück, damit sie problemlos an mir vorbeikommt.

„Kay, du hast Besuch“, tönt Wolfi lautstark hinter mir. Er stupst mich an der Schulter an, sodass ich regelrecht durch die Tür in Kays Praxis stolpere. „Nichts für ungut.“ Wolfi klopft mir entschuldigend auf den Rücken und ich könnte aufjaulen, als er einen empfindlichen Punkt trifft.

„Stefan!“ Kays überraschter Ausruf reißt mich aus dem Schmerz. „Was machst du denn hier?“ Er schaut mich irritiert an.

„Dann lass ich euch mal, Jungs.“ Wolfi schlägt die Tür hinter mir zu und sperrt sich selbst und alle Geräusche aus. Wir sind allein. Ich ziehe unwillkürlich die Schultern hoch. Sofort spüre ich die Behandlung wieder. Und das erste Mal schaue ich ihn richtig an. Klar, wir sind uns vor eineinhalb Jahren kurz begegnet, aber da war ich zu sehr in Sorge um Nico und habe Kay kaum registriert. Und vorgestern war ich viel zu konzentriert darauf, mit seinen Berührungen umzugehen, sodass ich ihn gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Wie denn auch? Ich war an eine Liege gefesselt und konnte mir die feine Maserung des Bodens einprägen, während er an mir herumgeknetet hat. Doch nun nehme ich mir einen Moment Zeit, um ihn genauer zu betrachten. Er ist deutlich jünger als ich, sein dunkles Haar umrahmt in leichten Wellen sein attraktives Gesicht. Seine Haut ist etwas dunkler als gewöhnlich, als ob er einen leicht südländischen Einschlag hat. Türkisch? Italienisch? Spanisch vielleicht? Mitunter sogar außereuropäisch. Ich würde es gern wissen, aber wage nicht, so eine persönliche Frage zu stellen. Wir kennen uns nicht. Sein Blick ist undurchdringlich. Nachdenklich hat er sein Kinn mit der Hand umschlossen und reibt seinen präzise getrimmten Bart. „Was willst du hier?“, fragt er erneut. Seine Stimme hat einen rauen Klang bekommen.

Mit einem Mal bin ich nervös, spüre, dass meine Handflächen schweißfeucht sind und reibe sie an der Hose ab. „Ich würde mich gern bei dir entschuldigen. Ich habe dich nicht besonders freundlich verlassen.“

„Okay?“ Er nickt langsam. „Deswegen kommst du extra her? Du kannst von Glück sagen, dass du mich noch angetroffen hast.“ Immer noch macht Kay keine Anstalten, mich aus seiner Musterung zu entlassen. „Du weißt schon, eine E-Mail, ein Anruf oder eine Textnachricht hätte gereicht.“

„Das ist nicht das Gleiche.“

„Das stimmt natürlich. Daher Danke, dass du gekommen bist.“

„Du warst übrigens auch nicht gerade höflich zu mir“, erkläre ich mit einem Schmunzeln.

„Und trotzdem bist du wieder hier“, stellt er fest. „Ich war ehrlich und direkt, das ist meine Art. Wenn du nicht damit zurechtkommst, musst du nicht wiederkommen.“

„Du hast gesagt, ich solle mehr für meinen Körper tun. Ich denke, du hast recht.“

Er greift nach einem Hygienespray und einer Küchenrolle und fängt an, die Massageliege zu säubern. „Wenn du das allgemein meinst, ist es mit zwei weiteren Massageterminen nicht getan. Dann solltest du über eine längerfristige Behandlung nachdenken und einige Dinge in deinem Tagesablauf grundlegend ändern. Sowie ein Fitnessprogramm anhängen, das offenbar komplett fehlt.“

Kapitel 4

Kay

Stefan kommt nur langsam näher. Interessiert sieht er mir zu, wie ich die Massageliege abziehe, reinige und das benutzte Handtuch mit dem bereitliegenden Namensschild versehe und zurück in das offene Regal schiebe. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt ich bin, weil er in meinem Studio steht. So schnell habe ich nicht mit ihm gerechnet. Eher gar nicht mehr. Flüchtig sehe ich auf meine Uhr, es ist nach neun. Als das Schweigen unangenehm wird und ich den Gesprächsfaden wieder aufnehmen möchte, klingelt ein Telefon. Ich sehe zu Stefan, der sein Smartphone aus dem Sakko zieht und mir den Rücken zuwendet.

„David?“, sagt er leise in das Gerät und ich lausche überrascht. „Nein, ich bin noch nicht zu Hause.“ Ihm ist nicht wohl dabei, dass ich ebenfalls im Raum bin, ich sehe es deutlich an seiner Haltung: an seinen hochgezogenen Schultern und dem gebeugten Rücken. Er entfernt sich und hat die Türklinke bereits in der Hand, bis ihm vermutlich einfällt, dass es im Fitnesscenter zu laut zum Telefonieren ist. „David, bitte … Nein. Ja, ich rede mit ihr.“ Sein Blick fliegt zu mir und es wäre extrem albern, jetzt so zu tun, als hätte ich nicht zugehört, daher lächle ich ihm entgegen und wende mich ab. Rasch hole ich meinen Beutel aus dem Büro, tausche die Crocs, die ich hier trage, gegen meine Sneakers, schließe den Raum ab und hänge mir die Jacke über den Arm. Ich möchte nach Hause, der Tag war irre lang. Besser gesagt genauso irre wie lang.

Stefan legt auf, entschuldigt sich mit einer kaum hörbaren Phrase und registriert erst jetzt, dass ich gehbereit bin. „Feierabend“, sage ich leise. „Ich brauche dringend eine Dusche und ein paar Minuten Ruhe.“

„Wegen des Termins … Können wir schnell noch einen vereinbaren?“

Nein, eigentlich nicht. Trotzdem lege ich die Jacke und meinen Beutel auf der Liege ab, gehe um den Tresen. „Wann hast du Zeit?“

„Morgen Abend?“

Mir entkommt ein Lachen. „Stefan! Frühestens nächste Woche. Du kannst dich kaum bewegen und außerdem ist mein Kalender voll bis obenhin.“

Zerknirscht fischt er sein Smartphone erneut aus der Jackettasche und sucht sich durch seinen Kalender. „Donnerstagabend? Also nicht heute, sondern nächsten Donnerstag.“

Ich schlage die Seite in meinem Papierplaner auf und starre für einen Moment die Buchungen an. „Es tut mir leid, an dem Tag bin ich ebenfalls ausgebucht.“

„Auch abends?“

„An diesem Tag leider ja. Wie auch heute und vorgestern, als ich dich behandelt habe. Ich bin öfter mal abends da. Andernfalls hättest du mich jetzt nicht mehr angetroffen. Es ist immerhin neun Uhr durch.“ Was ihm nur absolut nicht weiterhilft. Eigentlich will ich nach Hause. Ich bin echt müde und alles andere als gechillt. Daher setze ich ein Lächeln auf und versuche meine Ungeduld zu verbergen. „Kannst du an einem anderen Tag?“

„Ich habe tatsächlich nicht nachgedacht, als ich vorhin auf die Idee kam, hierher zu fahren. Natürlich bist du nicht jeden Abend so spät hier und ich verstehe auch, dass diese Uhrzeiten nicht zu deinen regulären Arbeitszeiten zählen. Tut mir leid.“ Er sichtet erneut seinen Kalender, seine Kiefer arbeiten sichtlich gegeneinander. „Dann geht es erst in der Woche darauf, Mittwoch.“

„Wie wäre es, wenn wir bei nächster Woche bleiben, aber auf den Mittag ausweichen? Zwischen zwölf und dreizehn Uhr habe ich grundsätzlich keine Termine eingetragen.“

Er schluckt. „Eine halbe Stunde wieder?“

„Plus Vorbereitung sowie Ruhezeit im Nachgang. Kalkulier daher lieber eine gute Dreiviertelstunde ein.“

Ablehnend schüttelt er den Kopf. „Das schaffe ich nicht.“

„Wirklich nicht? Lässt sich keiner deiner Termine verschieben?“