Ohne Filter - Jorn Straten - E-Book

Ohne Filter E-Book

Jorn Straten

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Beschreibung

In Ohne Filter entfaltet sich ein poetisches Universum aus Sehnsucht, Resignation und dem unermüdlichen Streben nach dem Unerreichbaren. Mit einer rohen, ungeschönten Sprache führt der Band durch Erinnerungen, die flimmern wie altes Filmmaterial, und zeichnet Orte nach, die Nostalgie und Entfremdung gleichermaßen hervorrufen. Die Gedichte sind Momentaufnahmen: von Pariser Nächten voller Rausch und Leidenschaft, von dichten Wäldern, in denen Chopin widerhallt, und von Sommertagen in der Provence, duftend nach Rosmarin und Lavendel. Sie erzählen von wilden Träumen, die an den Schatten der Vergangenheit zerschellen, und von Begegnungen, die sich wie ein Tanz auf Messers Schneide anfühlen. Ohne Filter ist rau, visuell und kompromisslos – ein Werk, das die Schönheit und das Scheitern des Lebens ohne Beschönigung einfängt. Es bleibt kein Raum für falschen Glanz; stattdessen öffnen sich Welten voller Intensität, Humor und schonungsloser Ehrlichkeit. Ein Band, der berührt, aufrüttelt und im Gedächtnis bleibt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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JORN STRATEN

OHNEFILTER

 

GEDICHTE

 

Jorn Straten, geboren 1972 in Goslar, ist ein deutscher Schriftsteller. Er lebte mehrere Jahre in München und arbeitete dort für eine Fluggesellschaft, einen privaten Fernsehsender und ein Verlagshaus. Neben diversen Gedichtbänden wie Feurio (2021) hat er mehrere Romane publiziert. Auf Saudade (2021) folgten Envie (2022), Im Osten der Insel (2023) und Anaïs, Freitag, Ich (2024).Alle in diesem Gedichtband vorkommenden Personen, Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen sind rein zufällig. Es werden unter anderem Themen wie Drogenmissbrauch behandelt. Es ist wichtig zu wissen, dass Unterstützung verfügbar ist, und es keine Schande ist, um Hilfe zu bitten. Die bundesweite Sucht- und Drogen-Hotline: 01806 313031 (kostenpflichtig, 0,20 € pro Anruf aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunknetz), ist 24 Stunden da, online unter www.sucht-und-drogen-hotline.de. Die deutsche Telefonseelsorge bietet 24h kostenlose und anonyme Beratung rund um die Uhr und kann an geeignete Beratungsstellen weiter verweisen: 0800 111 111 oder per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de.

 

»Wenn das hier klappt dann sind wir frei, und wenn wir sterben sind wir Stars.«GAST, Kennedy Space Center

Im Innenhof

Morgens um vier

im Innenhof

unter dem schwachen Licht

einer Laterne.

 

Zwischen meinen Fingern

glimmt die Gauloises.

Ich blase ihren Rauch

in den schwarzen Himmel.

 

Diese merkwürdige Welt,

jetzt steht sie still –

kein Laut ist zu hören.

Ob sie schläft?

 

Meine Kippe trifft

den dunklen Asphalt.

Bald kommt erstes Licht.

Es wird Zeit.

 

Ein letzter Tanz

auf glutverziertem

Boden.

Blutrotes Meer

Die Zangen der Krebse

glänzten in der Sonne,

zeigten stolz empor,

gen Himmel.

 

Wie Säbel alter Piraten.

 

Sie trieben auf Kokosnüssen

in die Bucht, bereit,

die Insel zu erobern,

für ihre Sache zu sterben.

 

Einer trug eine Augenklappe.

 

Und der sprang ins Wasser,

erreichte den Strand

und schrie:

 

»Yo Ho, Yo ho! Zahltag,

ihr Schweine!«

Auf dem Balkon

Es ist drei Uhr nachts,

du hältst ein Glas Wein

in deiner Hand, lächelst.

Ich drücke die Zigarette

im Pizzakarton aus.

 

Die letzten Autos

fahren durch die Straßen

bringen den Fahrer hin,

wo er sein muss

oder sein möchte.

 

Irgendwo wirft jemand

eine Flasche an die Wand.

Sie zerplatzt wie ein Traum

und dann schläft die Stadt,

um unseren Balkon.

 

Die Nacht bleibt Zeuge,

der Wein unsere Muse.

Wir wissen, dass wir

schweigen können, Stille

stört uns nicht mehr.

 

Seit Stunden reden wir

über Träume, über die Zeit,

über das, was bleibt,

über Vergänglichkeit

und Wirklichkeit.

 

Wir trinken auf das Leben,

auf das, was sein wird,

im Schein der Sterne,

während sich die Welt

um uns verliert.

 

Und du sitzt da,

von deiner Decke umhüllt,

aus der nur dein Kopf

und eine Hand schauen,

die ein Glas hält.

 

Stunden rasen wie Minuten,

bald wird es hell,

dann beginnt ein neuer Tag,

der unsere Träume stiehlt.

 

Was bleibt, sind Spuren

der Erinnerung

und der Glanz

dieser Nacht.

Straße der Ràn

Ich sah brennende,

sinkende Schiffe.

Umschlungen von

inselgroßen Oktopoden.

 

Seeleute mit Goldmünzen

gefangen im Netz

auf dem Weg in die

Tiefen des Meeres.

 

Ich sah kämpfende

Leviathane,

riesige Seeschlangen,

die sechs Köpfe der Skylla.

 

Ich hörte ihre Melodie.

 

Von Zerstörung und Schönheit,

Chaos und Befreiung.

Fallende Sterne

Sie sterben,

ohne zu leben.

Tanzen in meinem Kopf.

 

Sie schreien

auf mich ein:

Du bist ein Held!

 

Wer braucht sie schon?

Ich hebe mein Schwert,

im Glanz der Sonne.

 

So ist das Leben –

ein endloser Kampf

gegen Schatten.

 

Ich klage euch an,

brülle in die Nacht.

 

Teile den Mond,

lasse Sterne

vom Himmel stürzen.

Schlachtplatte

Diese Gaststätte am Wald,

in der man eigentlich nie

seine Ruhe fand.

Im alten Speisesaal

hingen Köpfe toter Tiere

an der Wand.

 

Die hatten nichts mehr zu tun,

schauten einem lediglich

beim Essen zu.

Am schlimmsten war

ein mächtiger Hirsch.

 

Dieser verdammte Hirsch.

 

Der mit seinen Augen

auf unsere Tische

stierte.

Diese großen Augen,

als Innereien

auf den Tellern lagen.

 

Und dann noch

diese verdammte Musik,

über die Heimat,

Ruhm und ihren Wald.

Seine großen Augen,

als ich meine Gabel

in den Bregen stach.

 

Dieser Fleischsaft,

der über meine Hände

und die weiße Decke

spritzte.

 

Dieser Hirsch.

 

Er bewegte seinen Kopf,

röhrte laut an seiner

gemusterten Tapete.

 

Sein wütender Blick

zu den anderen Tierköpfen

an der Wand.

 

Sie schrien.

Sie schrien.

Sie schrien.

 

Und unsere Mäuler

gingen auf

und zu.

 

Weidmannsheil.

Weidmannsdank.

Illusion der Ankunft

Es war Sonntag,

ich fuhr wieder über das Land –

wollte ans Meer, wusste,

dass es nicht ging, es war

tausende Kilometer entfernt.

Es war mir egal. Stets sagte ich mir:

»Heute fahr’ ich ans Meer!«

Als ob das so wichtig wäre.

 

Es war nie das Meer selbst,

das mich zog, sondern die Scheiß-Illusion,

dass ich es erreichen könnte.

Selbst wenn es de facto unmöglich war.

Dort angekommen bin ich nie.

Jedes Mal brauchte ich Unmengen Zeit,

zu merken, dass ich in Träumen lebte.

Aber was bleibt manchmal übrig?

Auf all meinen Fluchten

fuhr ich durch tote Dörfer,

vorbei an Wäldern, Tankstellen,

endlosen Feldern

und verlassenen Höfen.

Ich mochte das Knistern im Radio,

dieses ständige Rauschen

das mich beruhigte und

mit dem ich mich betrog.

 

Die Straßen waren leer,

mein Kopf,

das ganze Land war leer –

nur mein Aschenbecher lief über.

 

Die Welt schuldete mir etwas.

Ein kleines Stück Hoffnung

mehr verlangte ich nicht.

 

Stunden später bog ich irgendwo ab.

Rechts, links, spielte das eine Rolle?

Nicht jede Frage

hat eine Antwort.

Vielleicht wollte ich sehen,

was um mich herum

noch alles so war.

 

Vielleicht wollte ich wissen,

ob andere Menschen

das Meer suchten.

 

Hatten sie auch diese Momente,

waren sie verloren wie ich?

 

Meine Rückfahrt

glich nie einer anderen.

Natürlich fragte ich mich,

warum ich auf der Hinfahrt

stets denselben Weg wählte.

 

Warum brach ich dort

nicht die Regel?

Schließlich war klar,

dass mich keine dieser Straßen

je ans Meer bringen würden.

 

Vielleicht habe ich das Meer

nie erreicht,

weil ich es im Herzen

nie wollte.

 

Es war einfacher,

sich leiten zu lassen,

weiterzumachen,

weiter zu fahren,

zu versuchen

den ganzen Scheiß

hinter sich zu lassen.

 

Das Meer war nichts

als ein billiger Traum.

Ein weiteres Versprechen,

das Sie nie hielt.

Wieder hier

Weg, nur weg,

von all diesen Worten.

Durch die Straßen rennen,

ohne Ziel, ohne Rast.

 

Kein Extra-Leben.

Was hast du erwartet?

Nichts ist mehr so,

wie es mal war.

 

Ich renne so schnell

wie ich kann.

Meine Schritte hallen

auf dem Asphalt.

 

Ein monotones Geräusch,

es lässt meinen Kopf

verstummen.

 

Ich renne weiter, einsam

durch die Nacht.

Verglühen

Manche Tage sind wie

die leeren Seiten

eines Buches.

 

Sinnlos.

 

Einfach leer.

Es fehlt jede Lust

sie zu füllen.

 

Unter einer Sonne,

die brennt, aber

keine Wärme hat.

 

Wir verglühen

mit der Zeit.

Richtig gutes Zeug

Auf einer Parkbank im Grünen,

morgens gegen vier,

blickte ich auf die Stadt unten im Tal.

Plötzlich zerriss ein Knall die Nacht,

ein Blitz so grell, so laut,

dass ich zunächst nichts sah.

 

Als meine Augen

sich an die Dunkelheit gewöhnten,

stand eine Gestalt auf der Wiese.

Ein dürrer Kerl,

mit Armen lang bis zu den Knien,

Augen groß wie Untertassen.

Er war nackt, dürr,

mit aschgrauer Haut.

Es war ein Alien.

Mit hängenden Armen

kam er auf mich zu.

Ich öffnete entspannt ein Bier.

 

Er hielt inne,

riss den Mund auf – ein Quietschen ertönte,

als hätte ein rostiger Türrahmen

von Existenzkrisen gesprochen.

 

Der Alien kam weiter auf mich zu.

Bestimmt war er Lichtjahre unterwegs,

bevor er hier landete,

in dieser Welt

voll Krieg und Neid.

 

Dann stand er vor mir und sah mich an.

Er war hässlich,

aber ich war es wohl auch für ihn.

Allein in einer fremden Welt,

wir hatten was gemein.

»Bierchen?«, fragte ich,

reichte ihm eine Dose.

Seine riesigen Hände

umklammerten das Bier gierig,

seine Augen blitzten wild.

»Hansa Pils«, sagte ich lachend.

Wortlos setzte er sich zu mir,

kippte die Dose in seinen Schlund

und schluckte sie ganz.

---ENDE DER LESEPROBE---