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Pius wächst in einer für Steinmarder fast normalen Familie heran. Das Familienoberhaupt, wie sollte es auch anders sein, hält sich für einen großartigen und erfolgreichen Jäger. Die gute Fee des Hauses kümmert sich meist liebevoll um den Haushalt inclusive Erziehung des Nachwuchses. Einer ihrer größten Wünsche bestand darin, etwas Abwechslung im Angebot der Speisen zu bekommen. Die Kleinen wiederum verbringen die meiste Zeit ihres noch recht jungen Lebens mit Schlafen, Spielen und Nahrungsaufnahme in Gestalt von Milch, die sie von ihrer Mutter bekommen. Als sie endlich festes Essen zu sich nehmen können, merkt Pius, dass er eine besondere Vorliebe für Früchte hat. Damit sind Auseinandersetzungen innerhalb der Familie nicht mehr zu vermeiden. So muss Pius, ganz auf sich allein gestellt, einen eigenen Weg finden.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Pius lebt zusammen mit seiner Mutter Pisa, einem für einen Marder sehr groß geratenem und selbstbewussten Weibchen, seinem Vater Piuse, einem sehr selbstverliebten und etwas überheblichen Männchen, seinem jüngeren Bruder Piso und dem erstgeborenen Bruder Diuse in einer kleinen Höhle. Seit fast vier Wochen sind er und seine Geschwister schon auf der Welt. Die ersten Wochen haben sie damit zugebracht, die bescheidene Höhle, in der sie auf die Welt gekommen sind, mit geschlossenen Augen zu erkunden. Die kleine Höhle haben sie inzwischen schon mehr als hundertmal von oben nach unten und von rechts nach links, ertastet. Pius, Piso und Diuse glauben nicht, dass es noch einen Winkel gibt, den sie noch nicht ertastet haben. Hier gibt es nichts Neues mehr zu entdecken. Es gibt keine auch noch so winzige Stelle mehr, die sie nicht schon erkundet haben. Inzwischen erkennen sie auch schon jedes einzelne Sandkorn am Geräusch, wenn es unter ihren Pfoten knirscht. Es wird den dreien von Tag zu Tag langweiliger. Sie sind jung und wollen etwas erleben. Aber was kann man schon mit geschlossenen Augen machen. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Nahrung von ihrer Mutter zu sich zu bekommen und zu schlafen. Das einzige Spiel, das ihre Mutter kennt und ihnen erklären kann, ist das eigentlich ganz spannende und unterhaltsame Spiel “Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist …”. Aber das Spiel macht nicht viel Sinn, wenn man die Augen noch nicht öffnen kann. Auch die Abänderung in “Ich fühle was, was du nicht fühlst und das ist …” lässt bei ihnen auch so gar keine richtige Stimmung aufkommen. Also bleibt den Kleinen nichts anderes übrig, als die Höhle abermals zu ertasten, zu schlafen, die Milch ihrer Mutter zu trinken und abzuwarten, dass die Stunden und damit auch die Tage vergehen. Alle drei spüren allerdings, dass sie von Tag zu Tag an Gewicht und Größe zunehmen. Sie merken es auch daran, dass es in der Höhle scheinbar immer enger wird. Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, vergehen die Stunden, wenn man jung ist, extrem langsam und genauso ergeht es auch Pius, Piso und Diuse.
Immer, wenn Piuse von einer erfolgreichen Jagd heimkommt, streckt er vor lauter stolz seine Brust heraus und erzählt voller Begeisterung immer das Gleiche: „Wisst ihr, von allen Marderarten sind wir Steinmarder ganz bestimmt die besten, die intelligentesten und die schönsten Lebewesen auf der ganzen weiten Welt. Wir sind einfach nur perfekt und ohne auch nur einen einzigen Makel.” Er macht an dieser Stelle immer eine Pause und dann platzt es vor lauter Begeisterung aus ihm heraus: „Und das Allerbeste ist, dass sich unsere Familie auch noch von unseren Artgenossen abhebt. Für uns ist eine Ehre, einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben “P” zutragen. Das ist in unserer ruhmreichen Familie schon lange so Tradition! Jedenfalls schon mindestens seit meinem Urururgroßvater. Und der hatte den nun wirklich ehrenvollen Namen Piuseos. Den hat er von seinem Vater erhalten.” Diuse hat allerdings keinen Namen mit “P” erhalten, weil sein Vater Piuse es nicht will. Er ist der Meinung, dass Diuse wahrscheinlich eh nicht lange genug leben wird, um die Familientradition fortzuführen, da er sehr kränklich und außerdem sehr, sehr schmächtig ist. Trotz eines langen Streites mit seiner Gefährtin Pisa, die der Meinung ist, dass Diuse sehr wohl einen Namen mit “P” erhalten müsse, hat er sich letztendlich doch durchgesetzt. Immer wenn Diuse etwas richtig macht oder etwas Gescheites von sich gibt, was öfter vorkommt, dann sagt Pisa immer zu ihm: „Na also, er müsste doch Piuse jr. statt Diuse heißen. Hab ich ja gleich gesagt. Aber du musst ja immer alles besser wissen.” Im Grunde weiß Piuse, dass Pisa damit Recht hat, aber er will es ihr gegenüber einfach nicht zugeben und ändern kann er es nicht mehr, ohne sich einzugestehen, dass er sich in Bezug auf Diuse geirrt hat. Und das kommt für ihn überhaupt nicht infrage. Das kratzt an seinem Stolz als Familienoberhaupt. Und trotzdem, wenn Pisa das zu ihm sagt, verlässt er jedes Mal verärgert den Bau und kommt erst Stunden später wieder zurück. Er spricht auch niemals darüber, wo er gewesen ist. Das wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben.
Die Tage vergehen langsam, aber sie vergehen. Jetzt, nach fünf langen Wochen, ist es endlich soweit. Pius und Piso öffnen zum ersten Mal ihre Augen und was sehen sie? Sie sehen nichts, absolut nichts. Es ist eine sternenlose Nacht, und vom Eingang her leuchtet kein Licht in ihren Bau hinein und deshalb ist es drinnen genauso stockdunkel wie draußen. Bis sie etwas sehen können, müssen sie sich also noch etwas gedulden. Erst am nächsten Morgen scheint ein Sonnenstrahl in den Eingang der Höhle und bringt etwas Licht in das Innere ihrer Behausung. Pius und Piso sehen sich an. Zum ersten Mal sieht Pius das noch spärliche Fell seiner Brüder. Braun ist die dominierende Farbe hier im Unterschlupf. Boden, Decke, Wände und auch sie sind sind braun, wenn man mal von dem weißen Fleck auf der Brust absieht.
- Ende der Buchvorschau -
Texte © Copyright by Peter Mois Barrio Nuevo Alto 40 30400 Caravaca de la Cruz [email protected]
Bildmaterialien © Copyright by Peter Mois
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ISBN: 978-3-7394-0184-3