Prince Charming - und andere Katastrophen - Daniela Felbermayr - E-Book
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Prince Charming - und andere Katastrophen E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Als die Anwältin Hailey Stayton zurück in ihre Heimastadt Point Pleasant fliegt, um Brautjungfer für ihre Cousine Lizzy zu sein, wird sie nicht nur mit ihrer leicht schrägen Familie und den etwas verschrobenen Einwohnern der Stadt konfrontiert, sondern auch mit ihrer Vergangenheit. Niemand geringerer wird ihr als Tischherr zur Seite gestellt, als ihr Exfreund Brian, den sie seit ihrer ziemlich fiesen Trennung vor dreizehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Dass Brian immer noch so heiß ist wie damals und mittlerweile als erfolgreicher Architekt arbeitet, ändert ebenso wenig daran, dass zwischen den beiden die Fetzen fliegen, wie die Tatsache, dass Brian gerade geschieden wird. Lange kann Hailey Brian allerdings nicht widerstehen und bei einem gemeinsamen Trip in ihre Vergangenheit kommen die beiden sich schließlich wieder näher. Aber die Welt hat sich in der Zwischenzeit weitergedreht und macht es den beiden nicht gerade leicht, von Vorne anzufangen. Doch niemand hat jemals behauptet, dass es einfach wäre, sich seinen Märchenprinzen zu angeln, oder?

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Inhaltsverzeichnis

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EPILOG

PRINZ CHARMING …

… UND ANDERE KATASTROPHEN

Copyright 2017 by Daniela Felbermayr

Covergestaltung: www.rausch-gold.com, Catrin Sommer

Unter Verwendung von Shutterstock 580839928

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

1

„Das da drüben ist sie!“

Nanette Witcham deutete auf die junge Frau, die zwei Tische weiter saß und ihren Blick gebannt auf das iPad in ihrer Hand hielt. „Aber … sie sieht doch eigentlich ganz normal aus. Wenn man ehrlich ist, sogar ziemlich gut. Das Kleid muss irre teuer gewesen sein. Und erst die Schuhe. Ich könnte auf solchen Hacken bestimmt nicht laufen“, bemerkte Lane Coldwell, Nanettes beste Freundin und nach ihr die größte Tratschtante, die Point Pleasant zu bieten hatte.

„Normal? Wie normal kann jemand sein, der die sechsunddreißig längst überschritten hat und noch immer als Brautjungfer eine Hochzeit besucht? Kein Ring, kein Mann, kein Kind.“

Nanette sah die junge Frau abfällig an. „Ich dachte, sie wollte Karriere machen? Sie ist doch Rechtsanwältin, oder?“

„Pah, Karriere. Weiß doch jeder, dass das ein anderes Wort für ‚hat keinen abgekriegt‘ ist.“

„Meinst du?“

„Klar. Sie war als Teenie ewig und drei Tage mit Brian Jefferson zusammen, bis der sie wegen einer anderen hat fallen lassen, die ihm auf dem College über den Weg gelaufen ist.“

Lane glaubte, etwas Eifersucht in Nanettes Stimme zu hören. Brian Jefferson war der absolute Schwarm einer jeden Highschoolschülerin Ende der Neunzigerjahre gewesen. Die Frau zwei Tische weiter sah übrigens unglaublich gut aus; dass sie „keinen abbekommen“ würde, hielt Lane für ein Gerücht.

„Und wie sie sich immer wichtiggemacht hat. Hat Brian ihren ‚Prince Charming‘ genannt, weil er sich als Junge einmal ihretwegen als Märchenprinz verkleidet hatte, als sie es sich wünschte. Dumme Ziege. Jetzt sieht sie ja, was sie davon hat. Kein Ring, kein Mann, kein Kind. Und schon gar kein Prince Charming alias Brian Jefferson.“

Claires Diner befand sich in einer Kleinstadt namens Point Pleasant, die ihrem Namen alle Ehre machte. In dem 5000-Einwohner-Örtchen gab es so gut wie keine Kriminalität, und die Polizei wurde höchstens gerufen, wenn zwei Nachbarn sich darüber in den Haaren waren, wessen Rasen nun grüner war. Es war ein verschlafenes Nest in Ohio, eine ganze Autostunde von der nächsten größeren Stadt entfernt, in dem die Zeit ein kleines bisschen stehen geblieben zu sein schien. In jedem Fall war es nicht so schnelllebig wie beispielsweise New York, Miami oder Los Angeles. Man ging die Dinge gemächlicher an, nahm sich Zeit und wusste nicht nur, wie die Leute hießen, die neben einem wohnten, sondern für gewöhnlich auch, welche Vorlieben sie in Sachen Nachtisch hatten, ihre Kleider- und Schuhgröße … und worum sich der letzte Ehekrach gedreht hatte. Die Einwohner von Point Pleasant blieben gerne unter sich, und für gewöhnlich kannte man seinen Ehepartner bereits seit Kindertagen, war von ihm in der Grundschule getriezt und in der Highschool zum ersten Mal geküsst worden. Das Hafenstädtchen Point Pleasant mit seinen geschwungenen, grünen Hügeln, der malerischen Altstadt und der Einmündung in den Eriesee, der für die Stadt vor vielen Jahren als Umschlagplatz für Waren aller Art gegolten hatte, hätte die perfekte Kulisse für einen Film abgegeben. Nur lag es eben so weit ab vom Schuss, dass niemand, schon gar kein Filmteam, sich hierher verirrte, und seitdem der Schiffshandel mit der Zeit weniger und weniger geworden war, war Point Plesant fast noch etwas mehr in Vergessenheit geraten. Somit war grundsätzlich jedes noch so kleine Ereignis, das in den Alltag der Einwohner von Point Pleasant etwas Abwechslung brachte, etwas Besonderes. Dass eine ehemalige Einwohnerin Point Pleasants, die in New York Karriere gemacht hatte und dort als Anwältin für eine große Kanzlei arbeitete, jetzt im Zuge der Hochzeit ihrer Cousine wieder in ihrem Heimatort aufgeschlagen war, kam daher einer kleinen Sensation gleich – und für manche ein guter Grund, mal wieder so richtig abzulästern.

Hailey Stayton hatte es vor mittlerweile dreizehn Jahren tatsächlich getan. Sie hatte ihre Heimat Point Pleasant hinter sich gelassen und war nach New York gegangen, um dort ihr Glück als Anwältin zu versuchen. Zu Anfang hatten böse Zungen – die es durchaus auch in einer Kleinstadt wie Point Pleasant gab – behauptet, sie würde nach zwei Monaten, vom Schicksal gebeutelt und völlig abgebrannt, wieder bei ihren Eltern auf der Matte stehen und darum betteln, in deren Bäckerei arbeiten zu dürfen. Als Hailey es schließlich doch geschafft hatte, einen Job bei Stratman, Wilder, Tillings & Partner zu ergattern, einer Kanzlei, die zu den besten New Yorks gehörte und landesweit Niederlassungen besaß, wurden die Skeptiker stumm. Etwas angenehmere Einwohner Point Pleasants waren der Meinung, Hailey hatte es sich auch verdient, Karriere zu machen. Erst recht nach allem, was sie wegen Brian Jefferson hatte durchmachen müssen.

Hailey und Brian waren – wie so viele andere Point-Pleasant-Pärchen auch – seit der Highschool ein Paar gewesen. Die Jeffersons wohnten in der Green Street in dem Haus neben den Staytons, ihnen gehörte der Elektroladen an der Mainstreet und Hailey und Brian waren Sandkastenfreunde gewesen. Sie hatten in der Grundschule nebeneinandergesessen und sich mit zwölf, ganz heimlich, still und leise unten am See geküsst. Es hatte den Anschein, als wären die beiden füreinander bestimmt, bis Brian sein Studium an der Ohio State aufgenommen hatte und bereits im ersten Semester nach nur zwei Monaten ein Mädchen namens Karen kennenlernte.

Damals hatte er Haileys Herz gebrochen, als er an einem Wochenende nach Hause gekommen war und ihr nicht nur gesagt hatte, dass es zwischen ihnen beiden vorbei war, sondern ihr Karen auch noch vorgestellt hatte, die ihn an diesem Wochenende begleitete. Er hatte so getan, als wäre die jahrelange Beziehung zwischen ihnen beiden rein gar nichts gewesen. Als wäre sie nur die kleine Nachbarin, um die er sich hin und wieder brüderlich kümmerte. Hailey, die Brian eigentlich an die Ohio State folgen wollte, um an derselben Uni zu studieren wie er, entschied sich für die University of Chicago und studierte – statt wie ursprünglich geplant Kunst – Rechtswissenschaften. Dass es die Trennung von Brian war, die sie schließlich dazu bewog, sich auf Scheidungsrecht zu spezialisieren, hätte sie niemals zugegeben.

Jetzt saß sie, in eine E-Mail eines Klienten vertieft, der ihr sein Herz darüber ausschüttete, dass seine Frau Arlene die einzige Richtige auf der Welt für ihn sei und er sich ein Leben ohne sie gar nicht erst vorstellen wolle, in Claires Diner und wartete auf ihre Familie, mit der ein Essen geplant war, um sich über sämtliche Neuigkeiten auszutauschen, die mittlerweile aufgelaufen waren – allen voran die Hochzeit ihrer Cousine Lizzy. In all den Jahren war sie für ihre Klienten nicht nur ein Rechtsbeistand, sondern oft auch ein Psychiater gewesen. Sie hörte sich ihre Ängste, ihre Zweifel und ihre Geschichten an, versuchte, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, und freute sich, wenn sie dazu beitrug, dass Klienten hin und wieder voller Zuversicht in die Zukunft blicken konnten.

„Da ist sie ja.“

Hailey sah auf, als eine Menschentraube, bestehend aus ihrer Mutter, ihrer Großmutter, ihren Tanten und Cousinen, das Diner betrat. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. Sosehr sie ihr Leben in der Großstadt auch liebte, ihre Heimat mochte sie ebenso sehr – auch wenn sie sich wahrscheinlich auf ein paar ziemlich unangenehme Fragen, ihr Singledasein betreffend, einstellen musste. Sie klappte die Hülle ihres Tablets zu und legte es vor sich auf den Tisch, stand auf und fiel ihrer Großmutter in die Arme. Sofia Stayton drückte ihre Enkelin an sich und sah sie dann an.

„Du bist wunderschön wie immer, Hailey. Und viel zu dünn. Du musst mehr essen. Gut, dass du da bist, wir werden gleich nach der Hochzeit deine Lieblingsmuffins backen.“

Sofia Stayton war trotz ihrer dreiundachtzig Jahre immer noch rüstig und oft in der Backstube von „Staytons Little Stars“ anzutreffen. Die meisten Rezepte der Muffins, Macarons, Cupcakes, Kuchen und Torten stammten von Sofia, die sie wiederum von ihrer Großmutter übernommen hatte. In ganz Ohio gab es keine traumhafteren süßen Sünden als bei den Staytons. Haileys Vater scherzte immer, sie würden mit schuld sein, dass die Hälfte der Amerikaner übergewichtig war. „Ich esse genug, Grandma“, sagte Hailey lachend, „aber die Idee mit den Muffins klingt super.“ „Kind, du siehst so elegant aus.“

Hailey fiel ihrer Mutter in die Arme, die sie von oben bis unten bewundernd ansah.

„Wir freuen uns alle sehr, dass du wieder da bist und dass du dieses Mal etwas länger bleibst als nur ein, zwei Tage.“

Dieses Mal würde Hailey eine ganze Woche bleiben. Sie hatte haufenweise Urlaubstage angesammelt, und die Personalabteilung hatte ihr nahgelegt, zumindest einen Teil davon aufzubrauchen.

„Und es ist schade, dass du ab morgen die letzte unverheiratete Stayton aus ganz Point Pleasant bist. Ich hätte mich wirklich sehr gefreut, wenn du mich mit einem neuen Mann an deiner Seite überrascht hättest.“

Hailey verzog das Gesicht. Ihre Mutter hatte großes Interesse daran, sie unter die Haube zu bekommen. Dass ihre um drei Jahre jüngere Cousine Lizzy nun vor ihr heiratete und Hailey tatsächlich die letzte unverheiratete Stayton in ganz Point Pleasant war, war für Jane Stayton ein Drama unsagbaren Ausmaßes.

„Du hast mir auch gefehlt, Mum“, sagte Hailey und versuchte, sich ihre gute Laune nicht nehmen zu lassen. Die Begrüßung durch ihre Familie dauerte fast zehn Minuten, und sie fragte sich zwischendurch, ob sie jemals so oft hintereinander umarmt und geküsst worden war und ob sich vielleicht einige Nicht-Staytons unter die Menge gemischt hatten. Schließlich aber hatte die Meute es doch geschafft, sich zu begrüßen, und saß an einer eigens dafür zusammengestellten Tischreihe im Claires.

„Wir haben übrigens eine schlechte Nachricht für dich, Hailey“, sagte ihre Mutter und machte dabei ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter.

„Welche? Wollen du und Dad euch scheiden lassen und ihr beide wollt mich als eure Anwältin?“, scherzte Hailey und trank einen Schluck dieser großartigen Limonade, die es nur im Claires gab und die in ihr immer das Gefühl eines lauen Abends in einem Garten voller Sommerblumen auslöste.

„Du hast keinen Tischherrn.“

Hailey sah ihre Mutter an. Dass sie keinen Tischherren hatte, war ihr bewusst. Schließlich war sie seit vier Jahren Single, und die Beziehung zu Devon, mit dem sie zuvor zwei Jahre locker liiert gewesen war, war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei gewesen. Seither hatte sie sich von einer leidenschaftlichen Kurzzeitromanze zur nächsten gehangelt und die Hoffnung, jemals ihrem Mr. Right zu begegnen, längst aufgegeben. Sie wusste zwar, dass man in Point Pleasant darauf Wert legte, auf Hochzeiten „paarweise“ zu erscheinen, doch nachdem sie nun mal keinen Partner hatte, der sie zu Lizzys Hochzeit begleitete, hatte sie eben keinen.

„Ähm … Mum, diese Information ist für keinen hier im Raum jetzt unbedingt neu“, sagte Hailey, „und außerdem meintest du doch, Cousin Roy würde neben mir sitzen.“

Hailey verstand sich mit ihrem Cousin blendend. Nachdem der sich vor einigen Monaten von seiner Frau getrennt hatte und eine ebenso große Schwäche für die Lachshäppchen hatte, die Lizzy bei der Hochzeit servieren wollte, waren die beiden das ideale Tischnachbar-Pärchen.

Jane seufzte.

„Roy und Sadie sind wieder zusammen. Warum auch immer. Wir haben auch erst gestern davon erfahren, aber so wie es aussieht, müssen wir uns etwas für dich einfallen lassen.“ Hailey kam sich vor wie ein hoffnungsloser Fall.

„Sich etwas für mich einfallen lassen?“

„Ich dachte an Warren Baxter. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Für fünfzig Dollar würde er es machen. Und wir müssten die Kosten für den Leihsmoking übernehmen, den er sich besorgen würde. Für den Aufwand, den er vor und nach der Hochzeit hat, möchte er ein großes Cupcake-Paket, aber das ist ja kein Problem.“ Hailey riss die Augen auf. Ihre Mutter hatte tatsächlich in Erwägung gezogen, den achtundvierzigjährigen unverheirateten Sohn ihrer Freundin Helen zu bezahlen, damit er Hailey zur Hochzeit ihrer Cousine begleitete.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen, Mum? Ich würde mit Warren Baxter nicht auf diese Hochzeit gehen, wenn er der letzte Mann auf der Welt wäre. Er wiegt fast vierhundert Pfund, lebt noch im Haus seiner Mutter, hängt den ganzen Tag vorm Computer und hat die Wände seines Kinderzimmers mit Postern von Star Trek und den Baywatch-Babes tapeziert.“

„Nachdem du es selbst nicht schaffst, dir einen Mann zu suchen, kannst du es dir nicht erlauben, wählerisch zu sein. Und keine Sorge, dein Vater und ich übernehmen die fünfzig Dollar für Warren und den Leihsmoking. Die Cupcakes laufen ohnehin nebenbei mit.“ „Es geht hier nicht um fünfzig Dollar, ein paar Cupcakes und einen Leihsmoking, es geht darum, dass ich keinesfalls mit Ekel-Roy in die Öffentlichkeit gehe“, rief Hailey aufgebracht.

„Hast du etwa eine bessere Idee? Kannst du vielleicht einen Tischherren aus dem Ärmel schütteln?“, fragte Jane, ebenso aufgebracht.

„Ich habe das Problem längst gelöst“, meldete Sofia sich zu Wort. Die kleine alte Dame hatte ein breites Grinsen auf den Lippen. Alle Blicke waren auf sie gerichtet.

„Mum? Du hast das Problem gelöst? Wie das denn?“ Jane sah ihre Mutter neugierig an und auch Hailey warf ihrer Großmutter einen Blick zu.

„Ich habe Brian Jefferson gefragt, ob er Hailey begleitet. Ich habe ihn als Jungen immer gedeckt, wenn er sich vor seinem Vater in unserem Garten versteckt hat, wenn der ihn zu irgendeiner Arbeit im Haus verdonnern wollte. Daran habe ich ihn heute Morgen erinnert, als er bei mir im Laden war, und ich habe ihm klargemacht, dass er mir noch etwas schuldet. Er hat nur ganz kurz gezögert und dann zugestimmt, dich zu begleiten, Hailey. Und im Vergleich zu Warren macht er es kostenlos. Wir müssen ihm nichts bezahlen, und so wie es aussieht, besitzt er sogar einen eigenen Smoking.“

Hailey fiel aus allen Wolken. Brian sollte sie auf die Hochzeit begleiten? Brian war wieder in Point Pleasant? Der sollte doch mit seiner Karen in Ohio leben, verzweifelt versuchen, Kinder in die Welt zu setzen, und überglücklich mit seiner Collegeliebe sein. So lautete zumindest Haileys Letztstand in Sachen Brian Jefferson.

„Was macht Brian Jefferson in Point Pleasant?“, platzte sie heraus. Ihr Herz hatte zu klopfen begonnen und ein seltsames Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Der Typ hatte ihr übel mitgespielt und sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Er war der Letzte, bei dem sie Bauchkribbeln bekommen wollte.

„Diese furchtbare Frau, mit der er verheiratet ist, hat ihn betrogen. Er hat die Scheidung eingereicht und ist erst mal zurück zu seinen Eltern gekommen. Was man so hört, hat diese Karen es mit allen getrieben, die ihr über den Weg gelaufen sind. Dem Postboten, dem Milchmann, dem Typen, der den Fernseher reparierte. Sogar ein Obdachloser und ein Mann, der Zeitschriftenabos verkauft, stehen auf ihrer Liste. Und ein fünfundachtzigjähriger Nachbar.“

Tante Roberta war scheinbar absolut im Bilde, was die schmutzige Trennung von Brian betraf.

„Ich habe gehört, sie hat Sexvideos gedreht und im Internet zum Verkauf angeboten“, rief Tante Marylin.

„Wer will das denn sehen? Und wer bezahlt dafür? Ist sie nicht fett geworden?“, fragte Lizzy.

„Als sie im letzten Jahr hier waren, sah sie nicht schlecht aus. Aber Brians Mutter hat mir im Vertrauen gesagt, sie habe sich operieren lassen. Mehrfach. Anscheinend muss Brian dauernd Geld für irgendwelche Schönheitsoperationen locker machen, und nichts an ihr sei echt. Nicht der Busen, nicht die Lippen. Nicht der Hintern.“ „Brian macht also mit einer Plastikpuppe rum.“ Jane lachte. „Hätte er sich mal lieber unsere Hailey warmgehalten.“

„Na, recht viel rumgemacht hat er in letzter Zeit wohl nicht, wenn seine Holde so regen Männerbesuch hatte.“ Lizzy gackerte.

„Mir egal, ob er mit einer Plastikpuppe rummacht oder nicht, ich gehe keinesfalls mit ihm auf die Hochzeit. Und Warren Baxter ist erst recht keine Alternative“, rief Hailey.

„Warum möchtest du nicht mit Brian zur Hochzeit?“

Ihre Mutter sah sie fragend an.

„Weil ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will.“

„Wegen dieser Sache von damals? Hailey, das ist Jahre her“, versuchte Jane, zu beschwichtigen.

„Und wenn es eine ganze Eiszeit her wäre, ich würde nicht mit Brian Jefferson auf diese Hochzeit gehen, wenn er der letzte Mann der Welt wäre. Ich hasse ihn. Er ist der größte Vollidiot, der auf Gottes Erdboden herumläuft. Ich weiß bis heute nicht, was in mich gefahren ist, dass ich mich damals auf ihn eingelassen habe. Vermutlich war ich geistig umnachtet oder sonst was. Außerdem war er der schlechteste Küsser, den man sich vorstellen kann. Seine Zunge in meinem Mund hat sich irgendwie immer wie eine sich windende, schleimige, außer Kontrolle geratene Nacktschnecke angefühlt.“

„Iiiiiiihhhh.“ Lizzy verdrehte angeekelt die Augen und lachte.

„Schönen guten Abend allerseits.“

Die Meute verstummte, als Brian an ihren Tisch kam.

„Brian, Junge, schön, dass du es einrichten konntest.“ Sofia stand auf und tat so, als habe man sich die letzten fünf Minuten über das Bruttosozialprodukt des Nordkaukasus unterhalten, nicht über die umtriebige Exfrau des Brian Jefferson und seine praktisch nicht vorhandenen Qualitäten als Küsser.

„Ich habe Brian gebeten, uns Gesellschaft zu leisten“, sagte Sofia, „und ihn zum Essen eingeladen, wenn er sich schon einen Nachmittag über für unsere Hailey Zeit nimmt.“ Hailey rollte mit den Augen. Es wirkte fast so, als müsste er eine Wurzelbehandlung über sich ergehen lassen, würde er sie zu der Hochzeit begleiten. Und außerdem hatte sie ohnehin keine große Lust darauf, ihn an der Backe zu haben. Ja, er war einst ihre große Liebe gewesen, und was seine Qualitäten als Küsser betrafen, hatte sie vorhin gelogen, aber seither waren siebzehn Jahre vergangen und jeder von ihnen beiden hatte sein Päckchen zu tragen. Sie sah ihn an. Er sah immer noch verdammt gut aus. Früher hatten die anderen immer gescherzt, er wäre der Zwillingsbruder von John Stamos, und auch jetzt hatte er eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Schauspieler. Wie er war auch Brian mit den Jahren von einem heiß aussehenden jungen Typen zu einem unglaublich attraktiven Mann geworden.

„O Brian, es ist so nett von dir, dass du unsere Hailey begleitest. Nachdem ihr Cousin Roy abgesagt hat und sie sich vehement weigert, mit Warren Baxter hinzugehen, hatte ich keine Ahnung, wer sich sonst noch opfern würde; die Kandidatenauswahl ist ja begrenzt …“, begann Jane.

Hailey platzte der Kragen.

„Mum, kannst du bitte aufhören, mich hier wie einen aussätzigen Ladenhüter anzupreisen?“, rief sie. „Ich kann sehr wohl alleine auf Lizzys Hochzeit gehen, und ich denke, niemand wird sterben, wenn ich keinen Begleiter habe. Brian, du bist also von deiner furchtbaren Pflicht entbunden und musst nicht mit mir zur Hochzeit meiner Cousine gehen.“

„Warum willst du meine Hochzeit sabotieren?“, rief Lizzy plötzlich, und Hailey stellte fest, dass ihre Cousine aus unerfindlichen Gründen weinte. Hatte sie vor einigen Augenblicken noch darüber gelacht, dass Hailey Brians Kussqualitäten mit einer sich windenden Nacktschnecke verglich, so liefen jetzt dicke Tränen über Lizzys Wangen. Tante Roberta reichte ihr eine Serviette, um sie zu trocknen.

„Warum sabotiere ich deine Hochzeit, wenn ich alleine komme?“, fragte Hailey verständnislos. „Ihr sabotiert mein Singledasein, indem ihr wildfremde Männer dazu verpflichtet, mich zu begleiten.“

„Wildfremd? Glaub mir, Hailey, ich kenne dich besser als so mancher hier am Tisch“, meldete Brian sich zu Wort und sah sie mit festem Blick an.

„Niemanden hier interessiert, was du zu sagen hast“, konterte Hailey.

„Hailey. Lizzy möchte nun einmal, dass jede Dame einen Tischherrn hat, und nachdem du keinen auftreiben konntest, wird Brian dich begleiten“, sagte Tante Roberta. Hailey warf ihr einen bösen Blick zu. Jeder in Point Pleasant wusste, dass Onkel Luke Roberta seit Jahr und Tag mit seiner Sekretärin betrog, und trotzdem pochte sie nach außen hin auf ein Happy-Family-Dasein.

„Was kann meine Tochter dafür, dass du es partout nicht schaffst, einen Mann zu finden, der es länger als nur ein paar Wochen mit dir aushält? Sei froh, dass deine Familie dir behilflich ist.“

„Hast du denn schon jemanden aufgetrieben, der dich begleitet?“, fragte Hailey streitsüchtig. Ihr war endgültig der Kragen geplatzt. „Ich nehme an, Onkel Luke kommt in Begleitung seiner Sekretärin, oder etwa nicht?“ „Hailey“, rief ihre Mutter.

„Brian, du begleitest Hailey morgen zur Hochzeit“, sagte sie dann an Brian gewandt.

„Brian, du begleitest Hailey morgen nicht zur Hochzeit“, sagte Hailey an Brian gewandt. Lizzy heulte mittlerweile wie ein Schlosshund und musste von ihrer Mutter getröstet werden, die Hailey einen bitterbösen Blick zuwarf. Hailey hatte damit gerechnet, dass die Dinge aus dem Ruder laufen würden, würde sie ihre leicht chaotische Familie in Point Pleasant besuchen. Doch dass sie das schon innerhalb der ersten halben Stunde nach dem Zusammentreffen taten, war neuer Rekord.

„Beruhigt euch in Gottes Namen wieder“, sagte Sofia schließlich. Die alte Dame war aufgestanden und wirkte trotz ihrer Größe von nicht einmal 1,60 m und ihrer zierlichen Figur wie eine Patriarchin.

„Lizzy, du heiratest morgen. Du willst doch eine strahlende Braut sein, oder etwa nicht? Also hör auf zu weinen. Hailey, es wird dich nicht umbringen, mit Brian zur Hochzeit zu gehen. Also reiß dich zusammen und tu deiner Cousine diesen Gefallen.“ Sofia setzte sich wieder und die erhitzten Gemüter schienen sich tatsächlich zu beruhigen. Sofia Stayton schaffte es immer wieder, ihre Familie zu besänftigen. Liebevoll sah Hailey ihre Großmutter an.

„Entschuldige, Grandma. Lizzy, tut mir leid. Wenn es dir so viel bedeutet, dann gehe ich natürlich mit Brian auf deine Hochzeit.“ Lizzy sah sie an.

„Okay, danke“, sagte sie, versuchte ein Lächeln und wischte sich mit der bereits völlig durchnässten Serviette die letzten Tränen aus den Augenwinkeln.

„Brian, setz dich doch zu uns. Schön, dass du endlich wieder einmal in der Stadt bist“, sagte Tante Roberta, die diese Kunst, Dinge zu überspielen, ebenso großartig beherrschte wie der Rest der Staytons. Hatte sie sich zuvor noch wie eine Furie darüber aufgeregt, dass Hailey allein zur Hochzeit kommen wollte, tat sie jetzt, als wäre nie etwas passiert. Sie wies mit ihrem Blick auf den Stuhl neben sich, der sich ebenfalls neben dem von Hailey befand. Brian setzte sich und ließ sich an die Stuhllehne sinken. Hailey nahm seinen Geruch wahr. Er hatte ein unglaublich anziehendes Parfum aufgelegt, und sie stellte fest, dass es nach wie vor in ihrem Bauch kribbelte. Sie nahm einen großen Schluck Rotwein und versuchte, nicht durch die Nase einzuatmen.

„Es ist wie immer“, sagte Brian, der sich kurz zu ihr herüberbeugte und ihr einen neuen Schwall dieses grenzgenialen Duftes bescherte, der von ihm ausging.

„Was?“, fragte sie giftig und gab sich Mühe, nur ja nicht zu nett zu klingen.

„Du schlägst irgendwo auf und schon ist der Bär los, Miss New York City.“

Er lächelte sie kurz an, dann widmete er sich dem Bier, das die Kellnerin soeben vor ihm abgestellt hatte.

2

Völlig erledigt warf Hailey sich später an diesem Abend auf das Bett in ihrem alten Kinderzimmer. Den ganzen Heimweg über hatte ihre Mutter Brian, der sich ihnen angeschlossen hatte, nach seiner Ehe und seiner furchtbaren Frau ausgefragt und war dann mit alten Kamellen dahergekommen, die Hailey und er einst erlebt hatten. Hailey wusste nicht, was ihr peinlicher war – die Fragen ihrer Mutter, Karens Umtriebigkeit und ihre Untreue betreffend oder die Anekdote, wie Brians Mutter die beiden beim Herummachen im Keller der Jeffersons erwischt hatte. Dass es den beiden unangenehm war, von ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu hören, ignorierte Jane Stayton geflissentlich und plauderte munter weiter über das Traumpaar, das Hailey und Brian gewesen waren, und über die hübschen Kinder, die die beiden zweifellos bekommen hätten.

Haileys Eltern hatten nichts an ihrem alten Zimmer verändert, seit sie seinerzeit nach New York gegangen war. An den Wänden klebten immer noch Poster von den Black Eyed Peas und U2, der riesengroße Teddy, der Hailey schon seit Kindertagen begleitete, saß wie damals in der Ecke und an dem Regal neben ihrem Schreibtisch klebten alte Schnappschüsse ihrer Freundinnen. Sie erinnerte sich, dass es damals, bevor Brian Karen kennengelernt hatte, auch eine Menge Bilder von ihnen beiden gegeben hatte. Doch nach der Trennung hatte Hailey sie alle in den Müll geworfen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie alle Erinnerungen, die sie mit Brian in Verbindung brachte, aus ihrem Gedächtnis gelöscht.

Sie lag ausgestreckt in ihrem Pradakleid auf dem Bett und sah zur Decke hoch. Es war irgendwie seltsam, dass Brian genau zu dem Zeitpunkt wieder in Point Pleasant auftauchte, zu dem auch Hailey wieder zurückkam. Vielleicht … ein Wink des Schicksals? Sie schüttelte den Kopf. Schwachsinn. Brian hatte ihr die große Liebe geschworen und war keine zwei Monate am College, da hatte er schon die nächstbeste an der Angel. Er hatte sie hintergangen, betrogen und am Ende ihrer Beziehung so getan, als wäre sie nichts weiter als die nervige kleine Nachbarin, die ihm ohnehin egal war. Niemals würde sie ihm verzeihen. Schlimm genug, dass ihre Mutter sie dazu verdonnerte, mit ihm auf Lizzys Hochzeit zu gehen.

Es fiel Hailey in dieser Nacht nicht leicht, einzuschlafen. Viel zu sehr war sie schon an den Verkehrslärm gewöhnt, der jede Nacht von den Straßen herauf in ihr Park-Avenue-Appartement drang, sodass sie sich nach Mitternacht aus ihrem Zimmer stahl und hinaus ins Freie trat. Sie genoss die kühle, nächtliche Brise, die sie einhüllte und die so frisch und klar wirkte im Vergleich zu der klimaanlagengefilterten Luft im Inneren des Hauses. Sie setzte sich in die Hollywoodschaukel auf der hinteren Veranda, legte den Kopf in den Nacken und genoss die Stille. In Manhattan war es nie so still. Mit der Zeit gewöhnte man sich an den stetigen Straßenlärm, die Autos, die Polizeisirenen und das ewig präsente Gemurmel der Menschen, doch jetzt, wo der Lärm gänzlich fehlte und die Stille nur ab und zu durch das Zirpen einer Grille unterbrochen wurde, wurde Hailey erst bewusst, wie wunderbar sich das absolute Fehlen eines Geräusches anhörte. Sie verharrte einige Augenblicke, schloss die Augen und kostete die Momente aus, als sie plötzlich ein Platschen hörte. Es klang wie jemand, der in einen Pool sprang, doch sie war sich sicher, dass alle Einwohner Point Pleasants um diese Zeit selig ihre Betten hüteten, vor allem, wo morgen die große Hochzeit bevorstand, zu der die Hälfte der Stadt eingeladen war. Doch wieder vernahm sie das Geräusch, das entstand, wenn jemand schwamm. Sie stand auf und ging langsam die Verandatreppen hinab. Niemand hier hatte einen Swimmingpool, oder? Hätte sich jemand tatsächlich einen Pool graben lassen, wäre das mindestens eine Erwähnung in der Point Pleasant Paper, der örtlichen Zeitung, wert gewesen. Wieder – plätscherndes Wasser, das von einem Schwimmer verdrängt wurde. Sie war am Zaun angekommen, der das Grundstück der Staytons vom Grundstück der Jeffersons trennte, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um darübersehen zu können. Und tatsächlich, da war ein Swimmingpool. Die Unterwasserbeleuchtung war an und das Wasser sah unglaublich einladend aus in dieser heißen Sommernacht. Sie erinnerte sich nicht, dass ihre Mutter oder ihre Großmutter ihr jemals erzählten, dass die Jeffersons einen Pool angeschafft hatten. In einem Städtchen wie Point Pleasant musste das eine mittlere Sensation sein. Gut möglich, dass Sofia oder Jane es tatsächlich einmal erwähnt hatten, allerdings hatte Hailey sich angewöhnt, Informationen, die die Jeffersons betrafen, auszublenden. Sie wollte nicht wissen, ob Brian mit seiner Frau zu Besuch war und sie die Feiertage hier verbrachten, und auch nicht, dass Brian blendend aussah und immer noch ein so toller Kerl war wie damals.

---ENDE DER LESEPROBE---