Professor Zamorra 1337 - Michael Mühlehner - E-Book

Professor Zamorra 1337 E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Plötzlich fühlte Zamorra eine Berührung an der Wange. Weich, sanft, als würde ein einzelnes Haar über die Haut streifen. Ein keuchender Laut drang über die Lippen des Parapsychologen. Kälte drang durch jede Pore, durch jede Hautritze. Er taumelte zurück, machte eine instinktive Abwehrbewegung mit der Hand. Der Kontakt blieb, etwas wollte in seinen Körper und in sein Bewusstsein eindringen! Der Angriff eines unsichtbaren Geistwesens!

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Das Grauen von Tin Yarsen

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Das Grauen von Tin Yarsen

(Teil 2)

von Michael Mühlehner

Gnadenlos strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, brannte Hitze in den Sand und in das Gestein. Die winzigen Steinkiesel bohrten sich in Zamorras Haut. Noch vor Stunden erstrahlte der Himmel in einem unheimlichen Purpur, und am Horizont glaubte Zamorra die goldenen Dächer Tin Yarsens zu sehen. Ein Trugbild seiner überreizten Sinne. Die ungewöhnliche Himmelsfarbe verblasste mit jedem Schritt, den er tiefer in die Sahara hineinmachte ...

   

»Nur damit du weißt, dass ich keine leeren Versprechungen mache, Hexe!«, vernahm Damona King wie durch einen dichten Schleier Laban Sebeks Stimme. Mörderische Entschlossenheit flammte in den hellen Augen des Freelancers.

Mit einer tausend Mal geübten Bewegung ließ er das Zangentool des Leatherman aufklappen, setzte es Damona an den kleinen Finger und zwackte ihr die Kuppe ab

In Höllentiefen, Palast des Fürsten der Finsternis

Belial, der amtierende Fürst der Finsternis verfolgte aus blutroten Dämonenaugen das rastlose Verhalten seiner Gemahlin.

Er musste an sich halten, um nicht mit einem Knurrlaut aufzuspringen und sich auf Stygia zu stürzen, ein Sklave seiner entfesselten Hormone, ein Opfer übersteigerten Paarungsdranges. Schuld daran trug die Animalische Periode, die in den höher gestellten Dämonen einen hemmungslosen Sexdrang auslöste. Schlimmer als bei jedem Schwarzen Sabbath oder dämonischen Orgie. Pure Wollust, enthemmte Leidenschaft, wilde Lüsternheit. Begierden, die die Fleischeslust in den Mitgliedern der Schwarzen Familie zum Explodieren brachten.

Außer bei Belial und Stygia. Sie waren die Anführer der Dämonen, trotzdem kostete es jeden von ihnen gewaltige Überwindung, nicht auf den Paarungstrieb zu reagieren. Aus den geblähten Nüstern des löwenartigen Dämonenschädels schossen Flammenzungen. Der muskulöse, drei Meter große Leib des Fürsten der Finsternis verkrampfte sich vor unterdrückter Begierde.

Stygia bot auch einen geradezu verlockenden Anblick. Nur ein Riemengeflecht bedeckte den nackten, karmesinroten Leib. Sie hatte die sinnbetörende Figur eines Sukkubus, mit schwarzer Haarmähne, breiten Hüften, üppigen Brüsten und straffer Haut. Ihre Libido sprühte förmlich.

Unbewusst in aufreizender Pose, stand sie vor dem Spiegel der Tausend Augen, der ihr einen Blick in jeden Bereich der Hölle bot, über den sie herrschte.

Doch zeigte der Spiegel der Tausend Augen ihr nicht, was sie gerne sehen wollte.

Sie stieß einen zischenden Fluch aus, giftiger Geifer sprühte von den vollen, sinnlichen Lippen.

»Was hat sich LUZIFER nur dabei gedacht, dieses idiotische Edikt einzuführen!«

Sie stampfte mit dem Fuß so stark auf, dass der schwarze Kristallboden Risse bekam.

Schmunzelnd runzelte Belial ob ihres Zornesausbruchs die flache Raubtierstirn. Ihre Gereiztheit machte sie nur noch erotischer.

»LUZIFER steht über allem!« rief Belial in Erinnerung. »Es steht uns nicht zu, seine Handlungen zu hinterfragen!«

Stygia fuhr mit einem Fauchen herum. Blitze loderten in den schwarzen Schlangenaugen. Belial stand keine drei Schritte von ihr entfernt. Sein ganzer Körper bebte vor unterdrückter Zurückhaltung. Ihre feinen Sinne nahmen den Geruch von Testosteron und Moschus auf.

Sie kämpfte gegen den Drang an, sich der Leidenschaft hinzugeben. Anderes war wichtiger.

Zum Beispiel zu verhindern, dass Herzog Andraxgor sie begattete, so wie es LUZIFER einst verfügte. Sollte ein Fürst der Intermundien während der Phase der Animalischen Periode sechshundertsechsundsechzig Reiche erobern und der Fürstin der Finsternis ein angemessenes Geschenk überreichen, so hatte er die Erlaubnis, sich mit der Höllenherrscherin zu paaren.

Andraxgor, dieser Barbarenfürst aus den Zwischenwelten, hatte es wirklich vollbracht, und die besagte Anzahl an Herrschaftsgebieten erobert. Und schlimmer noch, das Geschenk, das er Stygia darreichte, konnte sie gar nicht ausschlagen.

Das Herz eines Engels!

Ein unfassbares, einzigartiges Präsent! Eine Machtfülle, die dazu ausreichte, bis vor die Himmelspforte zu ziehen! Stygia konnte auf einen Schlag einen gewaltigen Teil des Multiversums erobern, was vor ihr noch kein Höllenfürst vollbracht hatte.

Trotzdem – sie wollte nicht die Gebärmaschine eines tumben Dämonenherzogs aus den Zwischenwelten sein. Sie hatte einen Gemahl, und sie war die Herrin der Hölle, was im Rang noch über dem des Fürsten der Finsternis stand. Sie würde sich nicht dazu herablassen, das Balg eines Barbaren auszutragen, noch sich mit ihm zu paaren!

Bisher war das Geschenk nicht überreicht, und Andraxgor konnte sein Recht noch nicht einfordern.

Das Herz des Engels befand sich auf der Erde und musste noch besorgt werden. Sollte der Herzog sein Geschenk nicht bis zum Ende der Animalischen Periode überreicht haben, würde Stygia ihn für seine Anmaßung furchtbar bestrafen.

Sie schwankte in ihren Überlegungen, hin und her gerissen von der Aussicht, die das Herz eines Engels ermöglichte.

Zugleich wusste sie, dass ihr die Hände gebunden waren. Momentan fühlte sich Stygia hilflos, sie konnte nichts unternehmen, nicht die Situation beeinflussen.

Belial schon!

»Gibt es Neuigkeiten ...«

»Andraxgor hat sich in seine Gemächer zurückgezogen«, sagte Belial grollend. »Alles andere wird seinen Lauf nehmen.«

Stygia wollte schon aufbrausen, da begriff sie die versteckten Hinweise ihres Gemahls. Belial vermied es, offen zu reden. Selbst in ihren Privaträumen konnte es sein, dass Spione lauerten. Das alles vernommen wurde, was sie besprachen. Ihre Gegenspieler mussten im Ungewissen bleiben.

Wenn es gelang, zu verhindern, dass Andraxgor Zugriff auf das Geschenk erhielt, war alles gewonnen. Dazu musste man sehr subtil vorgehen, kein Verdacht durfte auf den Fürsten der Finsternis fallen. Belial hatte bereits reagiert und getan, was er konnte. Ob es ausreichte, würde die Zukunft zeigen. Auf Stygia konnte er sich momentan nicht verlassen. Ihr wankelmütiges Verhalten bot wenig Anlass, ihr zu vertrauen. Sie war zu stark involviert.

Sahara, jenseits des nördlichen Breitengrades

Dreimal stürzte Professor Zamorra innerhalb von zwanzig Metern zu Boden. Es lag nicht alleine an der körperlichen Erschöpfung, an der beginnenden Dehydration und den Strapazen, die ein Fußmarsch durch die Wüste mit sich brachte.

Noch dazu mit der unzureichendsten Ausrüstung, die man sich vorstellen konnte.

Der Aufzug des Professors bot ein merkwürdiges Bild. Haushosen, Lederstiefel, die eine Nummer zu groß schienen, ein zerfetztes T-Shirt mit blutigen Flecken. Die Kufiya bestand aus den Überresten eines Hausmantels. Eine fast leere Kalebasse hing an der linken Hüfte, über die rechte Schulter ragte der Griff eines Takouba, eines Tuareg-Schwertes, festgemacht mit Lederriemen.

Kein Proviant, kein Zelt, kein Transportmittel.

Der letzte Sturz war äußeren Einflüssen zuzuschreiben. Als hätte man Zamorra einen Fuß gestellt oder Knüppel zwischen die Beine geworfen!

Gnadenlos strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, brannte Hitze in den Sand und in das Gestein. Die winzigen Steinkiesel bohrten sich in die Haut.

Noch vor Stunden erstrahlte der Himmel in einem unheimlichen Purpur, und am Horizont glaubte er die goldenen Dächer Tin Yarsens zu sehen. Ein Trugbild seiner überreizten Sinne, die ungewöhnliche Himmelsfarbe verblasste mit jedem Schritt, den er tiefer in die Sahara hineinmachte.

Ringsum gab es nur ödes, vastes Land. Bröcklige Felsformationen ragten aus Sandhängen und bildeten canyonartige Landstriche. Trocken und wasserlos. Eine lebensfeindliche Wildnis.

Inmitten dieser Umgebung lag der Professor auf den Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, die Augen geschlossen, die Arme halb ausgebreitet.

Sein Herz pumpte mit harten Schlägen, während er versuchte, neue Kräfte zu fassen.

Er lauschte der feinen Windbrise, die über die erhitzte Haut strich und leise Stimmen in sich barg.

Anfangs hatte er noch gedacht, er würde sich die Stimmen einbilden, Ausdruck seiner Erschöpfung, doch Zamorras scharfer Verstand ließ sich nicht täuschen.

Ein leises, fast unhörbares Murmeln und Flüstern, ein Zischen und Raunen. Die Sprache konnte Zamorra nicht zuordnen, doch er verstand sie.

Gespenstisch klang sie, und Gespenster waren es, die den französischen Parapsychologen umschwirrten. Oder waren es doch nur Staubschleier? Vom Wind aufgewirbelter Sand, der manchmal kuriose Formen annahm?

Nein, Zamorra täuschte sich nicht. Mit seinen feinen Parasinnen fühlte er die Gegenwart von etwas Übernatürlichem.

»Er sieht recht zäh aus. Das Fleisch wird bestimmt wie Leder schmecken!«

»Was beschwerst du dich, Kamil? Wie lange haben wir schon kein Menschenfleisch mehr verschlungen?«

»Der reicht für uns drei«, raunte eine weitere Stimme und strich wie ein Hauch über Zamorras brennende Haut. »Aber irgendwie hat er eine seltsame Aura. Spürt ihr das nicht?«

Je mehr sich Zamorra konzentrierte, desto besser konnte er die Stimmen wahrnehmen. Das Thema, über das sie sprachen, wollte ihm keinesfalls gefallen.

Er glaubte so etwas wie ein Schnüffeln zu vernehmen.

»Stimmt – er riecht seltsam für einen Menschen. Und seht euch mal diesen komischen Anhänger an!«

Ein Hauch von Bewegung in der hitzeschweren Luft.

Merlins Stern, Zamorras zauberkräftiges Amulett, war ihm aus dem Halsausschnitt des T-Shirts gerutscht und lag halb im Sand.

Ein paar der geheimnisvollen Hieroglyphen, die das schmale Band der zwölf Tierkreiszeichen umgab, glühten in einem blauen Licht. Sie zeigten die Sternkonstellation des Hundesterns. Eine Wegweisung und Positionsangabe, die den Professor zur Goldenen Stadt Tin Yarsen führen sollte, in deren Katakomben ein gefangener Engel darb.

Selbst für einen erfahrenen Dämonenjäger und Okkultisten wie Professor Zamorra war das harter Tobak. Doch Realität. Und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich ihr zu stellen, zumal er keine andere Wahl hatte.

Das Amulett hatte den Hilferuf des Engels eingefangen und entsprechend darauf reagiert. Durch eine Hellsicht erfuhr Zamorra von der Goldenen Stadt. Zugleich speicherte die handtellergroße, silberfarbene Zauberscheibe eine henochische Kadenz ab, eine unhörbare Tonfolge aus der Sprache der Engel, die große Ähnlichkeit mit der Melodie der Sphärenmechanik aufwies. So genau wusste es Zamorra auch nicht. Jedenfalls sorgte die Kadenz dafür, dass sich das Amulett hermetisch versiegelte und Zamorra keinen Zugriff mehr darauf hatte. Die Kraft eines transformierten Gestirns wurde durch die Kadenz gebunden.

So simpel sich das anhören mochte, waren es doch komplizierte, magische Vorgänge von unglaublicher Komplexität.

Zamorra bekam es am eigenen Leib zu spüren. Unvermittelt wurde er von Château Montagne in Frankreich in die Sahara teleportiert. Zur Oase Tulzet, wo er gegen einen ghulischen Dschinn kämpfte. Und wo er von dem sterbenden Populärschriftsteller Francis Newton mehr über die Stadt Tin Yarsen erfuhr und wie man sie finden konnte.

Bei der Ortsversetzung hatte Zamorra nicht einmal Gelegenheit, sich umzuziehen. Daher sein kurioses Äußeres. Im Moment gab es wichtigere Dinge.

Zum Beispiel, dass ihn ein paar Dschinns verspeisen wollten.

»Das Amulett gefällt mir nicht«, vernahm Zamorra wieder einen Geisterhauch.

»Ich würde gerne von dem Sterblichen Besitz ergreifen.«

Es war unmöglich zu unterscheiden, wer das gesagt hatte. Die Dschinn sprachen mit einer Stimme. Ihre Worte waren so körperlos wie sie selbst. Daher konnten Dschinn leicht in die Körper von Menschen fahren und sie übernehmen.

Der Meister des Übersinnlichen hatte keineswegs vor, das mit sich geschehen zu lassen.

Vorsichtig hob er den Kopf, Sand klebte in den Augenbrauen und den Wimpern. Im Geflecht seines Sieben-Tage-Barts, der nun ungepflegt wucherte.

Der Wind trieb ein paar Staubschleier zwischen die Felsen. Immerwährend wehte der Harmattan und prägte das Gesicht der Wüste mit jeden Tag neu. Wanderdünen schoben sich nach Süden, die Erosion fraß an den Felsen, schuf bizarre Steinbildnisse, nur um sie im Laufe der Zeit wieder zu verändern. Gespenster sah er keine.

Er stemmte sich auf die Beine und stand schwankend im Sand der Sahara, umgeben von endloser Einöde. In der Nähe erhoben sich einige Felsen. Zamorra erinnerte sich der Sagen, dass Dschinn ihre Wohnorte in menschenleeren Gegenden hatten, in Höhlen und Felsspalten hausten, in Schlangengruben und auf Bergkuppen, so wie in finsteren Tälern. Solche Orte bezeichnete man als maskun. Die Übersetzung reichte von Verflucht bis Bewohnt.

Möglich, dass Dschinn hier hausten.

Plötzlich fühlte Zamorra eine Berührung an der Wange. Weich, sanft, als würde ein einzelnes Haar über die Haut streifen. Im nächsten Moment dehnte sich die Berührung über seinen Kopf aus, glitt den Hals hinab, breitete sich über die Brust aus. Ein keuchender Laut drang über die Lippen des Parapsychologen.

Kälte drang durch jede Pore, durch jede Hautritze. Er taumelte zurück, machte eine instinktive Abwehrbewegung mit der Hand. Der Kontakt blieb, etwas wollte in seinen Körper und in sein Bewusstsein eindringen!

Der Angriff eines unsichtbaren Geistwesens!

Während sich sein Blick eintrübte, kämpfte er mit aller Kraft gegen den Eindringling.

Unterstützt von seinen Parasinnen formte er in Gedanken Abwehrformeln. Schuf mental Schutzzeichen und Bannsymbole.

Die Kälte drang nicht weiter in ihn ein. Trotzdem klapperte er mit den Zähnen und bebte sein ganzer Körper. Vor ihm flimmerte die Luft, und dann sah er die Geistwesen, schlanke, schwarze Schemen, umhüllt von zerfetzten Umhängen, die nur notdürftig den Anblick verfaulter Körper bedeckten.

Ihre feinstofflichen Knochenarme reckten sich Zamorra entgegen, die langen Klauenfinger bewegten sich wie selbstständige Lebewesen, wie Schlangen, die einander umwickelten und doch ein gemeinsames Ziel hatten.

»Lasst uns mit ihm spielen!«, raunten die Geisterstimmen.

Entsetzt griff Zamorra nach seinem Amulett, streifte es sich über den Kopf und schleuderte es den angreifenden Geistererscheinungen entgegen.

Im Reisenden Haus der Madame Zodiac

»Was hast du dir dabei nur gedacht?«, schalt Madame Zodiac das Haus. Die Antwort ließ sie den Kopf schütteln. »Du hast dir um sich Sorgen gemacht? Das musst du nicht. Ich bin hier sicher ...«

Das Haus sah es nicht so.

»Nur weil ich kurz ohnmächtig wurde. Das war nicht das erste Mal – das weißt du!«

Sie hielt kurz inne, ging ins Kabinett und redete weiter mit dem Haus. »Mir wäre auch lieber gewesen, wenn unsere Gäste einen Obolus entrichtet hätten, aber unsere Mission verlangt nun einmal ein gewisses Maß an Verständnis.«

Das Schweigen des Hauses wertete Madame Zodiac als stille Zustimmung. Prüfend glitt ihr Blick über die Kristallkugel, die zwei hohen Kerzen, den kabbalistischen Zeichen an den Wandvorhängen. Die vertrauten Schwingungen, die sonst das Kabinett füllten, nahm sie nicht wahr. Eine spirituelle Taubheit hatte von der Kammer Besitz ergriffen. Madame Zodiac konzentrierte sich auf die Kristallkugel, doch es gab keine Resonanz.

Sie griff nach dem Stapel Tarotkarten, die auf der Tischplatte lagen. Mit geschlossenen Augen legte sie ein paar Karten aus. Wollte die Symbolik studieren, nur um einen Moment später scharf einzuatmen. Die Bildflächen der Tarot-Karten waren leer. Sie hatte sieben Karten ausgelegt, alle in einer Reihe. Bild- und farblose Flächen leuchteten ihr vom Tisch entgegen.

Das Flüstern des Hauses vernahm sie nur am Rande. Eine frostige Kälte schlich sich durch ihr Rückenmark. Angst schnürte ihr fast das Herz ab.

»Die Mission«, flüsterte Madame Zodiac. Alle Zeichen deuteten auf eine Katastrophe hin. Mehr noch, sie fröstelte unter dem eisigen Hauch des Todes. Kein Wunder, dass sie keinen Kontakt zu ihren magischen Hilfsmitteln herstellen konnte. Der Schatten des Todes war auf sie gefallen!

Madame Zodiac wehrte sich gegen den Gedanken. Sie wollte nicht akzeptieren, was Karten und Kristallkugel prophezeiten. Eines konnte sie noch ausprobieren.

Kaum gedacht, materialisierten vor ihr auf dem Tisch ein Schreibblock aus Papyrus sowie ein Tintenfass und ein Federkiel.

Die warnende Stimme des Hauses ignorierte sie bewusst. Sie schob die Tarot-Karten zusammen, glättete den Papyrus und ergriff den Federkiel. Das Schreibgerät wurde aus der Flügelfeder eines Phönix hergestellt, die Tinte war eine Mischung aus Safran und Gallsaft.

Die Wahrsagerin atmete ein paarmal tief ein und aus, sammelte sich und versenkte sich in Trance. Die Hand mit dem Federkiel strich über das Blatt, malte in kalligraphischer Ornamentik astrologische Zeichen und Symbole, Globen und Kreise, astronomische Figuren.

Madame Zodiac erstellte ein Horoskop, dabei leuchteten ihre Augen in einem tiefen Indigoblau, die Pupillen waren vollständig verschwunden.

Minutenlang bewegte sich ihre Hand im automatischen Schreiben, schließlich verharrte der Federkiel. Ein Beben durchlief den angespannten Leib der Zigeunerin, Madame Zodiac kehrte in die Wirklichkeit des Kabinetts zurück.

Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, sie ließ den Federkiel fallen, wankte nach hinten und verließ das Kabinett, als hätte sich dort ein giftiger Hauch kristallisiert.

Im angrenzenden Flur atmete sie tief durch. Sie vernahm die Stimme des Hauses in ihren Inneren. Hörte nur halb zu, in Gedanken ganz woanders. Die Mission drohte zu scheitern, die Zukunft präsentierte sich pechschwarz und hoffnungslos.

Ein riesiger Knochenschädel lachte ihr entgegen.

Der Tod wartete auf Madame Zodiac!

Timbuktu, Sahara, jenseits des nördlichen Wendekreises

Beinahe wäre Nicole Duval gestrauchelt, hätte Barnabas sie nicht aufgefangen. Der Übergang passierte blitzartig, eben waren sie noch im Kabinett der Madame Zodiac, und jetzt brannte eine erbarmungslose Sonne vom Himmel, drückte die Hitze wie mit Tonnengewichten und umgab sie wildes Stimmengewirr. Staub flirrte in der sonnendurchglühten Luft, rechterhand reflektierte eine riesige Mauer aus Sandstein die ungewohnte Wärme, während ein trockener Wind aus dem Zugang zum Basar blies und die vielfältigsten Gerüche mit sich brachte.

Aus allen Richtungen mündeten Gassen in den Vorplatz, der sich hinter einem Torbogen zu einem Souk öffnete.