Regency Brides - Eine geheimnisvolle Lady - Catherine Coulter - E-Book
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Regency Brides - Eine geheimnisvolle Lady E-Book

Catherine Coulter

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Beschreibung

Ein romantisches Abenteuer beginnt: »Regency Brides – Eine geheimnisvolle Lady« von Catherine Coulter jetzt als eBook bei dotbooks. Als Tochter eines Earls sollte Helen Mayberry eigentlich das Musterbeispiel für Sitte und Anstand sein – aber stattdessen stößt die junge Lady mit ihrer rebellischen Art die feine Gesellschaft vor den Kopf. So erregt sie gegen ihren Willen auch die Aufmerksamkeit des notorischen Schürzenjägers Spenser Heatherington. Helen hat sicher kein Interesse daran, eine weitere Trophäe des berüchtigten Lords zu werden – doch als sie in Besitz eines geheimnisvollen Schriftstücks kommt, ist er der Einzige, der ihr helfen kann, es zu entschlüsseln. Während sich die beiden auf eine rätselhafte Schatzsuche begeben, fällt es Helen nach und nach immer schwerer, die Gefühle zu verleugnen, die der auf einmal überraschend einfühlsame Spenser in ihr auslöst … Aber kann sie es riskieren, ihrem Herzen nachzugeben? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die Regency-Romance » Eine geheimnisvolle Lady« von New-York-Times-Bestsellerautorin Catherine Coulter ist der vierte Band der Regency-Brides-Serie, deren Einzelbände unabhängig voneinander gelesen werden können und die alle Fans von Julia Quinn und Julianne Donaldson begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 450

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Über dieses Buch:

Als Tochter eines Earls sollte Helen Mayberry eigentlich das Musterbeispiel für Sitte und Anstand sein – aber stattdessen stößt die junge Lady mit ihrer rebellischen Art die feine Gesellschaft vor den Kopf. So erregt sie gegen ihren Willen auch die Aufmerksamkeit des notorischen Schürzenjägers Spenser Heatherington. Helen hat sicher kein Interesse daran, eine weitere Trophäe des berüchtigten Lords zu werden – doch als sie in Besitz eines geheimnisvollen Schriftstücks kommt, ist er der Einzige, der ihr helfen kann, es zu entschlüsseln. Während sich die beiden auf eine rätselhafte Schatzsuche begeben, fällt es Helen nach und nach immer schwerer, die Gefühle zu verleugnen, die der auf einmal überraschend einfühlsame Spenser in ihr auslöst … Aber kann sie es riskieren, ihrem Herzen nachzugeben?

Über die Autorin:

Catherine Coulter wurde 1942 in Texas geboren. Schon früh begeisterte sie sich für die Regency-Bestseller von Georgette Heyer, die sie schließlich dazu inspirierten, selbst historische Liebesromane zu schreiben. Inzwischen ist Catherine Coulter erfolgreiche Autorin zahlreicher historischer und zeitgenössischer Liebesromane, sowie vieler Thriller, mit denen sie immer wieder auf der New-York-Times-Bestsellerliste stand.

Die Website der Autorin: catherinecoulter.com/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/CatherineCoulterBooks/

Die Autorin auf Instagram: instagram.com/catherinecoulterauthor/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die historischen Liebesromane:

»Regency Brides – Eine skandalöse Hochzeit, Band 1«

»Regency Brides – Eine unerwartete Liebe, Band 2«

»Regency Brides – Eine Lady auf Abwegen, Band 3«

»Regency Brides – Eine geheimnisvolle Lady, Band 4«

»Regency Games – Wie verzaubert man einen Earl? Band 1«

»Regency Games -Wie küsst man einen Viscount? Band 2«

»Regency Beaus – Wie verführt man einen Baron?«

***

eBook-Neuausgabe August 2023

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2000 unter dem Originaltitel »The Courtship« bei Jove Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2002 unter dem Titel »Wirrnis des Herzens« bei Heyne, München.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2000 by Catherine Coulter

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2002 by Wilhelm Heyne  Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Trident Media Group, LLC

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Karolina Michałowska unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-799-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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blog.dotbooks.de/

Catherine Coulter

Regency Brides – Eine geheimnisvolle Lady

Roman

Aus dem Amerikanischen von Anke Frings

dotbooks.

Für meine liebe Freundin Martha Walker

Kapitel 1

London 1811

14. Mai

Kurz vor Mitternacht

Abrupt blieb Lord Beecham stehen und wandte sich derart hastig um, dass er beinah eine große Topfpflanze in Mitleidenschaft gezogen hätte.

Er konnte kaum fassen, was er da eben gehört hatte. Suchend blickte er in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hatte.

Durch die Blätter der Topfpflanze starrte er angestrengt in die Bibliothek der Sanderlings, die lang, schmal und regalbehangen gleich hinter dem Ballsaal lag. Während die Bibliothek mit den dunklen Buchreihen und den Spinnweben nur von einigen flackernden Kerzen erhellt wurde, war der Ballsaal von unzähligen Lichtern erfüllt und mit Pflanzen geschmückt. Mindestens zweihundert Gäste pflegten tanzend und Champagner nippend ihre gesellschaftlichen Kontakte.

Erneut hörte er die Frau sprechen. Er trat noch einen Schritt näher an den schwach beleuchteten Raum heran. Die Stimme war wohlklingend und irgendwie auch verführerisch. Sie lachte. »Wirklich, Alexandra«, sagte sie, »wenn Sie nur daran denken und es langsam vor sich hin sprechen: Züch-ti-gung! Beschwört das nicht auch in Ihnen die herrlichsten Bilder von Macht und Unterwerfung herauf? Stellen Sie es sich vor. Sie sind von der Gnade einer anderen Person abhängig, die absolute Kontrolle über Sie hat. Sie können nichts dagegen ausrichten. Sie wissen, es wird etwas geschehen, Ihr Herz pocht und Sie haben Angst. Es ist eine köstliche Angst. Tief in Ihrem Inneren wissen Sie, dass Sie ersehnen, was kommen wird. Sie warten darauf. Alles, was Sie tun können, ist sich vorzustellen, was mit Ihnen passieren wird, und Ihre Haut spannt sich in Erwartung.«

Es wurde still.

Lord Beechams äußerst lebendige Vorstellungskraft erzeugte ein Bild, wie er über einer wunderschönen Frau kniete. Er lächelte sie an und band ihre Hände und die gespreizten Beine an die Pfosten eines Bettes. In nur wenigen Augenblicken würde er sie entkleiden. Ein Kleidungsstück nach dem anderen, langsam, sehr langsam, und ...

»Oh, mein Gott, Helen. Ich muss mir Luft zufächeln, mir ist ganz heiß. Sie zaubern mit Ihren Worten die eindrucksvollsten Bilder hervor. Was Sie beschreiben – es ist zugleich schrecklich und wundervoll. Ich bekomme fast Lust, es auszuprobieren. Allerdings klingt es, als ob dafür ein gehöriges Maß an Planung nötig wäre.«

»Ja, das stimmt. Perfekte Planung gehört dazu. Und Sie selbst sind Teil des Rituals – wenn Sie diejenige sind, die die Macht hat, sogar der wichtigste. Sie müssen sich von allen alten Gewohnheiten frei machen und immer wieder Neues erfinden. Bedenken Sie dabei stets, wie viel Kraft die angstvolle Erwartung von etwas nicht zu Berechnendem hat. Die Behandlung sollte abwechslungsreich sein und immer intensiver werden. Meist ist es äußerst wirksam, wenn Unbeteiligte als Zeugen dabei sind. Das macht den Unterworfenen noch ängstlicher, spannt seine Nerven zusätzlich an und lässt ihn noch empfänglicher werden. Es ist ein erstaunlicher Vorgang. Sie müssen es ausprobieren, auf beiden Seiten.«

Erneut wurde es still.

Es ausprobieren! Er wollte in den Raum stürzen, in diesem Augenblick, wollte alles ausprobieren, was er sich auch nur im Entferntesten vorzustellen vermochte. Seine Finger nestelten schon an seiner Krawatte, bereit, den Knoten zu lösen, um damit die Handgelenke dieser Frau über ihrem Kopf zusammenzubinden. Sie würde hilflos sein und ihn mit großen, Angst erfüllten Augen anblicken. Mit leicht geöffneten Lippen würde sie zitternd daliegen. Er hörte einen tiefen Seufzer.

»Das ist alles schön und gut, Helen, aber was ich benötige, sind bestimmte Maßnahmen, die ich durchexerzieren kann. Am besten eine ganze Liste, in der verschiedene beschrieben sind, von ganz milden Maßnahmen bis zu härteren.«

Plötzlich wurde Lord Beecham klar, dass er diese Stimme kannte. Gütiger Gott, es war die Stimme von Alexandra Sherbrooke. Er konnte es nicht fassen. Ihm fiel Douglas Sherbrooke ein. Ein großer, schroffer Mann, von dem man glaubte, dass er seine Frau seit nunmehr acht Jahren glücklich mache. Und diese Frau fragte soeben nach Züchtigungsmaßnahmen? Vielleicht um sie an ihrem Gatten auszuprobieren? Was für ein wunderbar delikater Gedanke.

Wer aber war diese Helen, mit der sie sprach?

»Was mich noch interessieren würde«, fuhr Alexandra kurz darauf fort, »ist, woher Sie überhaupt so viel über Züchtigungen wissen?«

»Ich habe jedes Buch, jeden Artikel gelesen, alles, was je darüber verfasst wurde. Und ich habe jedes Gemälde, jeden Stich und jede Skizze studiert, die Züchtigungen darstellen – aus aller Welt und allen Epochen – bei den Chinesen zum Beispiel. Das ist der Inbegriff von Einfallsreichtum. Ich hätte nie gedacht, dass sich Menschen so verbiegen können.«

Erneut wurde es einen Augenblick lang still. Dann sagte Alexandra mit gesenkter Stimme, als ob sie sich ihrer Gesprächspartnerin vertraulich näherte: »Helen, wahrscheinlich belächeln Sie meine Naivität. Ich glaube Ihnen ja, dass Sie alles über dieses Thema wissen, aber versuchen Sie doch bitte, meinen geringen Kenntnisstand zu berücksichtigen. Sie haben mir erzählt, wie Sie Ihr Personal züchtigen, Sie haben mir von diesem Ritual erzählt, und wie man es bis zum Höhepunkt treibt, wie man auch noch den letzten köstlichen Tropfen Angst und Aufregung hervorkitzeln kann.

Doch lassen Sie uns jetzt über das rauschende Ende des Rituals sprechen. Ich will genauere Einzelheiten. Ich denke an das physische Vergnügen, Helen. Was genau tun Sie, um den Mann an die Grenze des Wahnsinns zu treiben? Wenn Sie jedes Buch, das je über das Thema geschrieben wurde, gelesen haben, dann müssen Sie mir doch weiterhelfen können.«

Hätte sich in diesem Moment eine Frau nackt vor Lord Beecham ausgezogen und begonnen ihn zu küssen, es hätte ihn nicht gekümmert. Das war unglaublich. Alexandra Sherbrooke wollte herausfinden, wie sie Douglas, ihren Mann, an den Rand des Wahnsinns treiben könnte? Das war verrückt. Douglas an den Rand des Wahnsinns zu treiben dürfte diese Frau allemal nur zehn Sekunden kosten. Im Grunde genommen wäre jeder Mann, der auch nur eben noch atmen konnte, ein geeigneter Kandidat. Er selbst zum Beispiel.

Plötzlich wurde es Lord Beecham zu viel. Schwitzend und die Finger am Krawattenknoten stand er hinter einer Topfpflanze versteckt und belauschte zwei Damen bei einem Gespräch über Züchtigung. Er konnte nicht länger an sich halten. Es brach aus ihm heraus. Er lachte. Solche Ausbrüche vermied er in der Regel, immerhin war er ein Mann von Welt, dem ein müdes Nicken oder ein geringschätziges Lächeln eher zu Gesicht stand. Und so klang dann auch das, was aus seiner Kehle hervorbrach, eine Spur zu heiser, beinah wie eingerostet. Aber es war ein Lachen, und für einen Moment erschien es ihm, als könne er nie wieder aufhören.

Ihm wurde klar, dass die beiden Frauen ihn hören mussten. Er versuchte, das Lachen so angestrengt zu unterdrücken, dass er einen Schluckauf bekam. Mit vor den Mund gepressten Händen zog er sich hinter eine andere große Pflanze zurück – keinen Augenblick zu spät.

»Ich bin mir sicher, etwas gehört zu haben, Helen. Da war ein Männerlachen.«

»Herrje, Liebste, Sie glauben doch nicht etwa, dass es Douglas war?«

»Nein, Douglas würde geradewegs hereinkommen und uns ins Gesicht lachen. Dann würde er mich mit einem Lächeln in den Augen anschauen und mir sagen, dass ich mir diese Züchtigungsfantasien aus dem Kopf schlagen soll und dass er der Herr ist. Ich bin es leid, dass er über alles bestimmt. Acht Jahre sind eine lange Zeit, Helen. Ein einziges Mal möchte ich es sein, die die Macht hat.«

»Nun, das dürfte eigentlich nicht zu schwierig sein. Lenken Sie ihn ab, wenn er die Gazette liest. Knabbern Sie an seinem Ohr, küssen Sie seinen Nacken, beißen Sie ihn. Warum bloß haben Sie das nicht schon längst getan?«

Totenstille.

»O je, Sie sind ja feuerrot, Alexandra.«

»Ich habe ihn gebissen, Helen, glauben Sie mir. Aber das war in einer anderen Umgebung. Da lag keine Gazette herum.«

»Eine Umgebung, die Douglas bestimmt hat?«

»Ja, wissen Sie, Douglas muss mich nur ansehen, mich nur eben berühren und ich verliere auch noch das letzte Fünkchen Verstand. Ich sinke vor seinen Füßen zu Boden. Es ist immer das Gleiche. Helfen Sie mir, Helen. Mein Gott, wenn er das vorhin gehört hat, dann weiß er auch noch, welche Macht er über mich hat.«

»Glauben Sie mir, meine Liebe, das weiß er bereits. Aber Sie haben natürlich ganz Recht. Wäre es Douglas gewesen, er stünde jetzt vor uns und würde sich totlachen. Dann allerdings würde er Sie vielleicht bitten, gleich heute Nacht mit der Züchtigung zu beginnen, meinen Sie nicht?«

Alexandra seufzte gequält.

»Du meine Güte. Sie haben also wirklich nicht übertrieben, Alexandra? Douglas hat Ihnen noch nie die Kontrolle überlassen? Acht Jahre Ungleichgewicht in ehelichen Dingen? Nach allem, was ich gelesen habe, Alexandra, ist das nicht gut. Die Italiener zum Beispiel glauben daran, dass es im Liebesleben vollkommen gleichberechtigt zugehen muss. Sie müssen etwas unternehmen.«

»Das ist gar nicht so einfach, Douglas ... Ich würde diese Schriften der Italiener sehr gern lesen.«

»Ich werde Ihnen eine Abhandlung zukommen lassen. Sie dürfen sich Douglas wirklich nicht immer unterwerfen. Reißen Sie sich zusammen, Alexandra.«

Alexandra starrte ins Leere. »Er hat noch nie über Züchtigung gesprochen. Douglas hat so etwas noch nie mit mir gemacht.«

Milde lächelnd tätschelte Helen Alexandras Wange. »Glauben Sie mir, er wendet sicherlich einige Standardmaßnahmen an, ohne dass es Ihnen bisher überhaupt bewusst geworden wäre. Sie haben einfach genossen, ohne es zu hinterfragen.«

»Ist das Ihr Ernst? Ich würde zu gern wissen, welche das sind. Vielleicht sollte ich ihn einfach danach fragen.«

»Vielleicht aber auch nicht, zumindest noch nicht.«

»Was immer er auch tut«, murmelte Alexandra gedankenverloren, «manchmal setzt mein Verstand völlig aus.« Dann straffte sie die Schultern. »Das ist auch so ein Problem, das ich lösen muss.« Sie nahm noch mehr Haltung an. Ihre Brust hob sich. »Wenn ich jemals Macht über Douglas haben will, dann muss ich erst einmal lernen, mich selbst zu kontrollieren.

Ich muss mir ein Ziel setzen, das ich verfolgen kann. Ja, ich werde ihn beherrschen. Der Rand des Wahnsinns! Helen, Sie müssen mir ganz genau erklären, wie ich ihn dorthin führen kann.«

Helen betrachtete in Gedanken versunken ihre Fingernägel. Sie wusste, dass sie besser daran täte, ihren Mund zu halten. Es würde Alexandra bloß in Rage versetzen. Aber die Bilder in ihrem Kopf waren einfach zu lebendig. Von einem sehnsüchtigen Seufzen begleitet, sagte sie: »Ach, ich habe mich bereits in Douglas verliebt, da war ich gerade fünfzehn. Da sah ich ihn zum ersten Mal. Ich wusste sofort, dieser Mann wird Großes erreichen. Und ich wollte die Frau an seiner Seite werden. Nun, es hat nicht sollen sein.« Traurig blickte sie zu Boden.

Mit gesenkten Lidern schielte sie zu Alexandra hinüber, deren Augen sich zu Schlitzen verengten. Ihre Stimme klang messerscharf. »Helen, ich sage Ihnen das jetzt zum letzten Mal. Sie werden diese Zeit der Schwärmerei für meinen Mann vergessen. Sie waren damals einfach nur ein dummes Ding, das eins und eins noch nicht zusammenzählen konnte.«

»Ja«, Helen senkte den Kopf und bemühte sich, möglichst reumütig zu klingen. »Ich werde es versuchen.« Sie hoffte, dass Alexandra den Spott in ihren Worten nicht vernahm.

Lord Beecham allerdings bemerkte ihn sehr wohl. Er stand da, ein Mann vorzüglichsten Rufes, geduckt hinter einer Grünpflanze, und hing an den Lippen dieser Frauen. Bisher hatte er nur Alexandra Sherbrooke sehen können. Sie blickte ein wenig ängstlich umher und hielt die nervös nestelnden Finger vor ihrer üppigen Brust. Es war wirklich zu schade, dass Douglas scheinbar darauf zu bestehen schien, dass sie dieses wunderbar weiße Fleisch zu jeder Zeit züchtig bedeckt hielt. Gab denn Gott den Frauen nicht ihre Brüste, damit sie sie zur Schau stellen konnten? Wie oft schon hatte man Douglas bei Festlichkeiten dabei beobachtet, wie er Alexandra in eine Ecke gedrängt und ihr das Mieder zurechtgezogen hatte.

Was für eine Verschwendung.

Lord Beecham liebte Brüste: große Brüste, wie die von Alexandra, die eine Männerhand nicht umschließen konnten, und kleine Brüste, süß und reif, geheimnisvoll umrahmt von Seidenstoffen und Spitzenborte.

Er fasste sich. Wer war bloß diese andere Frau, diese selbst ernannte Meisterin der Züchtigung? Er wusste nur, dass ihr Name Helen war.

Es war eigentlich nicht Lord Beechams Art, heimlich herumzuschleichen, aber er musste herausfinden, wer sie war. Versteckt hinter der Pflanze, wartete er, bis die zwei Frauen die Bibliothek verließen.

Als er Helen schließlich sah, hätte er beinah sein Champagnerglas fallen lassen. Es war die Frau, die er mit Douglas hatte im Park reiten sehen. Bereits damals hätte er gern einen näheren Blick auf sie geworfen. Das konnte er nun nachholen. Helen war beinah so groß wie er selbst. Das war aber auch die einzige Ähnlichkeit zwischen ihnen. Seine Vorstellungskraft erklomm den Olymp, um möglichst gebührende Vergleiche anzustellen. Ihr Körper glich dem einer klassischen Göttin, hatte wundervolle Rundungen und eine Haut so weiß wie Alabaster. Ihr Haar – wahrscheinlich hatten nicht einmal Göttinnen solches Haar – war dick und leuchtete in reinstem Blond. Sie trug es hochgesteckt, was sie noch größer erscheinen ließ. Lange, üppige Locken umspielten ihre makellosen Schultern. Ihre Augen waren blauer als die von Aphrodite, und ihr Lächeln war so ungeheuer verführerisch wie das der Schönen Helena.

Lord Beechams Sinne spielten ihm einen Streich. Sein literarisch inspiriertes Vorstellungsvermögen war mit ihm durchgegangen. Helen war keine Göttin. Sie mochte zwar zu den Frauen gehören, die mit Schönheit gesegnet waren, aber sie blieb eine Frau, nicht mehr und nicht weniger. Er hatte sogar schon schönere Frauen gesehen. Und er hatte auch schon mit schöneren Frauen geschlafen. Sie war keine Göttin, sie war einfach nur ein hoch gewachsenes Mädchen, dessen wundervolles Haar empfängliche Gemüter in Schwärmerei verfallen ließ. Und sie sprach wie selbstverständlich über Züchtigung.

Göttin hin oder her, sie war der Traum eines jeden Mannes.

Helen und Alexandra schlenderten den Korridor entlang in Richtung Ballsaal.

Helen war nicht eins dieser jungen Mädchen, die, gerade aus der Schule entlassen, ihren Beutezug unter den glücklosen Junggesellen Londons antraten. Nein, ihre Schulzeit musste bereits einige Jahre zurückliegen. Sie war sicherlich verheiratet und wusste sich in der Gesellschaft zu bewegen. Ein exzellenter Umstand.

Verheiratete Frauen hatte Lord Beecham immer schon bevorzugt. Wer tat das nicht? Bei ihnen fühlte er sich sicher. Sie wollten das Gleiche wie er: ein bisschen Aufregung, ein bisschen Wärme, einen neuen Partner für neue Lebenswürze und neue Leidenschaft. Hatte man genug, konnte man wieder gehen. Wegen der Gatten der Damen musste er sich keine Sorgen machen. Die meisten waren mit ihm befreundet, und auch sie trafen sich mit den Frauen ihrer Bekannten. Einige Frauen und Männer allerdings blieben nicht diskret, wodurch das gesellschaftliche Leben schon mal die eine oder andere Erschütterung erfuhr. Lord Beecham, für seinen Teil, sprach nie über seine Eroberungen. Das musste er auch nicht. Denn auch ohne sein Zutun war er, wie jeder andere, eine willkommene Spielfigur für die Gerüchtemacher.

Die beiden Frauen entschwanden seinem Blickfeld. Er stürzte den restlichen Champagner hinunter und rieb seine Hände aneinander.

Helen war ein sehr großes Mädchen. Er spreizte die Finger und dachte an ihre Brüste. Waren seine Hände groß genug? Ja, dachte er, sie müssten gerade richtig sein. Hätte er in diesem Moment eine Konversation führen müssen, er wäre in ein heilloses Stottern verfallen.

Wieso bloß sprachen sie von Züchtigung? Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er stellte sich Helen auf dem Rücken liegend vor, ihre weißen Arme über dem Kopf, die Handgelenke mit zwei Fesseln an die Bettpfosten gebunden.

Eine Frau, die sich in der Kunst der Züchtigung auskannte? Die alles darüber gelesen hatte? Hatte sie all das Gelernte auch praktisch angewendet? Oder hatte man es mit ihr getan? Allein die Gedanken daran jagten ihm einen Schauer über den Rücken.

Als er den Ballsaal erreicht hatte, war sie verschwunden.

Lord Beecham nahm es gelassen. Er würde Alexandra Sherbrooke einfach einen Besuch abstatten. Als weltgewandter Mensch dürfte es für ihn ein Leichtes sein, im Gespräch, ganz nebenbei, Helens Adresse herauszubekommen.

Er hoffte nur, Alexandra würde kooperieren. Es musste mindestens sechs Jahre her sein, dass er zum letzten Mal versucht hatte, sie zu verführen. Sie hatte ihn damals ausgelacht, was ihn ziemlich getroffen hatte. Immerhin war er ein berüchtigter Liebhaber – zumindest war das die Essenz der Gerüchte über ihn.

Mittlerweile allerdings mochte er Alexandra Sherbrooke, trotz ihrer dummen Eigenart, niemand anderen als ihren Mann an sich heranzulassen. Auch Douglas mochte er gut leiden. Vor allem, nachdem dieser herausgefunden hatte, dass er sich über Annäherungsversuche anderer Männer seiner Frau gegenüber nicht aufregen musste. Sie seien ja ohnehin zum Scheitern verurteilt, pflegte er zu sagen. Gott sei Dank gab es in London nicht allzu viele Paare wie die Sherbrookes.

Was aber wusste nun jene junge Frau über Züchtigung? Wie zuvor Alexandra wollte er Genaueres wissen. Er konnte kaum erwarten, es herauszufinden.

Lord Beecham wollte diese Frau in seinem Bett sehen, und zwar so rasch wie möglich. Es wäre doch gelacht, könnte er ihr nicht noch etwas Neues in Sachen Züchtigung beibringen. Er würde dafür sorgen, dass sie ihn nicht so schnell vergaß, wenn sie dann wieder getrennter Wege gingen. Wann immer sie in Zukunft von diesen Dingen spräche, sie würde verstohlen lächeln und an ihn denken. Seine Hände aneinander reibend fragte er sich, ob ihre Locken wohl lang genug wären, ihre Brüste zu umspielen.

Er sah sie vor sich. Lächelnd lag sie unter ihm. Nur ihre Hände waren fleißig, äußerst fleißig. Er schluckte. Er musste an sie herankommen, und zwar so bald wie möglich.

Morgen Nacht würde ihm passen.

Kapitel 2

Das Stadthaus der Sherbrookes

London 1811

15. Mai

Keine zwölf Stunden

nach dem Ball der Sanderlings

Alexandra Sherbrooke, Gräfin Northcliffe, strich über ihren smaragdgrünen Seidenrock und erhob sich. Mankin, der alte Butler, wurde von Jahr zu Jahr gebeugter. Das, so wusste sie, lag allerdings nicht an seinem Alter oder daran, dass er zu hart arbeitete. Nein, Mankin wollte einfach nur sein perfekt geformtes und auf Hochglanz poliertes Haupt zur Schau stellen. Alexandra Sherbrooke hatte, als sie zufällig an der offen stehenden Tür eines Bedienstetenzimmers vorbeigelaufen war, beobachtet, wie Mankin seinen Kopf mit Spezialwachs bearbeitete.

»Lord Beecham, Frau Gräfin«, sagte Mankin von der Tür des Salons her. Er verbeugte sich so tief, dass seine glänzende Pracht genau in ihrer Augenhöhe lag. Sie war geblendet.

»Willkommen, Spenser«, mit geöffneten Armen ging sie ihm entgegen. Sie mochte Spenser Heatherington, sehr zu Douglas’ Leidwesen. »Bitte sagen Sie doch, dass Sie gekommen sind, um mir liebenswerte Unsinnigkeiten ins Ohr zu flüstern. Wissen Sie, ich habe das wirklich vermisst. Sie haben einfach damit aufgehört.«

Er schenkte ihr ein Lächeln. Eine galante Art, ihr die Zähne zu zeigen. »Sie haben mich ausgelacht, Alexandra. Wie kann ein Mann Liebesworte flüstern, wenn ihm die Frau dabei amüsiert ins Gesicht lacht? Das ist ein ernst zu nehmender Angriff auf die Männlichkeit.«

»Ich vergaß. Nun ja, das war wirklich nicht nett. Wir müssen noch einmal von vorn anfangen. Douglas ist immer ganz rot geworden, wenn ich ihm erzählt habe, was Sie mir zugesäuselt haben. Er wurde dann so aufmerksam. Und er wollte mir beweisen, dass er mir noch lieblichere Ungeheuerlichkeiten zuflüstern konnte. Es bringt ihn heute noch in Rage, dass ich Sie bei ihrem Vornamen nenne.«

»Um Sie dazu zu überreden, mussten fünf Jahre ins Land gehen.«

»Sie wissen ganz genau, dass Douglas es nicht leiden kann. Sie tun das nur, um ihn aufzubringen. Er behauptet, dass ich es bin, die flirtet, und dass ich Sie damit auf Gedanken bringe, die eigentlich gar nicht gedacht werden dürften.«

Er lachte. Er konnte nicht anders. Das war der zweite Lachanfall in weniger als vierundzwanzig Stunden. Lord Beecham räusperte sich.

»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten, Spenser?«

»Ja, gerne. Weshalb ich aber in Wahrheit gekommen bin: Ich möchte mich mit Ihnen über Züchtigung unterhalten.«

Alexandras Gesicht lief in nur wenigen Sekunden rot an. Sie fächelte sich Luft zu.

»Was ist los? Ihnen wird schon warm, wenn Sie bloß das Wort hören?«

»Quälen Sie mich nicht. Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen?«

Lord Beechams Grinsen war so unverschämt, dass die Gräfin ihm liebend gern ins Gesicht geschlagen hätte. Er lehnte sich an den Kaminsims und verschränkte die Arme. »Sie waren in der Bibliothek der Sanderlings und sprachen mit einer hoch gewachsenen jungen Frau über Züchtigung. Diese Frau erläuterte die verschiedenen philosophischen Aspekte, Sie aber, Alexandra, wollten konkrete Einzelheiten erfahren, um es direkt an Douglas ausprobieren zu können.«

»Mein Gott. Und ich dachte, wir wären unter uns. Nein, warten Sie, ich hörte jemanden lachen. Das waren Sie, Spenser?«

»Gut, dass es nicht Douglas war, der Sie gehört hat.«

»Da bin ich mir nicht so sicher. Setzen Sie sich, Spenser. Sie haben mich dermaßen bloßgestellt. Um auf Douglas zurückzukommen, er hätte sich totgelacht. Nun, aber Sie wünschen doch nicht wirklich noch weitere Informationen über dieses delikate Thema? Wenn sich jemand mit solchen Dingen auskennt, dann sind das ja wohl Sie. Ein Mann Ihrer Erfahrung!«

Lord Beecham betrachtete seine langen Finger. Er achtete peinlichst auf die Pflege seiner Nägel. Niemals dürfte es dazu kommen, dass er während eines Liebesspiels wegen einer solchen Nachlässigkeit das zarte Fleisch einer Frau verletzte. Abermals drohte seine nicht zu zügelnde Vorstellungskraft ihn fortzutragen. Er räusperte sich und verkündete: »Ebenso wie es verschiedenste Regierungsformen gibt, existieren auch die unterschiedlichsten Formen von Züchtigung. Ich bin stets gewillt, Neues zu lernen, gleichgültig aus welchem Bereich.«

Nun räusperte sich die Gräfin und rief: »Mankin, ich weiß, dass Sie hinter der Tür stehen. Sie belauschen uns, und Ihr Unterkiefer müsste sich mittlerweile auf halber Strecke zum Boden befinden. Heben Sie ihn doch bitte wieder an, und bringen Sie uns Tee sowie ein paar von diesen vorzüglichen Schäferpasteten.«

Vom Korridor her war ein undefinierbares kurzes Brummen zu hören.

Lord Beecham zog eine Augenbraue hoch. »Sagten Sie da gerade Schäferpasteten?«

»Ja. Unsere Köchin, Mrs. Clapper, kommt aus dem Norden des Landes. Das Rezept stammt von der Familie ihrer Mutter, allesamt arme Schafzüchter. Es ist eine Pastete mit Äpfeln, Rosinen, Zimt, Johannisbeeren und Orangen. Man reichte sie traditionell zum alljährlichen Schlachtfest. Sie schmeckt wirklich wundervoll, glauben Sie mir.«

»Ich finde, es klingt eher eigenartig. Bei all den Zutaten – ist da möglicherweise nicht auch etwas vom Schaf dabei?«

»Wenn dem so ist, dann schmeckt man es zumindest nicht.«

»Für den Moment möchte ich vielleicht dennoch lieber darauf verzichten.«

»Mein lieber Spenser, gerade eben sprachen Sie noch davon, wie viele Arten von Züchtigung es gibt. Nun, es gibt ebenso viele Arten von Pasteten. Sicher sind Sie doch auch jederzeit dazu bereit, Ihr kulinarisches Wissen zu erweitern. Also, seien Sie kein Feigling.«

»Die ultimative Waffe. Ein Appell an meine Männlichkeit. Lassen Sie die Pastete herbringen.«

Einige Minuten später, Lord Beecham biss gerade genüsslich in die zweite Schäferpastete, betrat jene hoch gewachsene Frau den Salon, ohne dass Mankin, der Butler, sie vorgewarnt hätte.

»Ich hab’s, Alexandra. Spätestens morgen Abend wird er mir die Füße küssen. Es wird ein Leichtes sein, mich mit ihm zu verabreden und ...«

Helen starrte Lord Beecham derart entgeistert an, dass dieser lachen musste und sich gleich darauf an einem Bissen seiner Pastete verschluckte. Sofort war Helen bei ihm und schlug ihm so kräftig auf den Rücken, dass er befürchtete, seine Rippen sprängen ihm aus der Brust. Es gelang ihm, den Bissen herunterzuschlucken. Nach Luft ringend und mit Tränen in den Augen setzte er sich hin und starrte zu ihr hoch.

»Geht es wieder, Lord Beecham?«

»Lass ihn erst einmal zu Atem kommen, Helen. Hat sie Ihnen die Rippen gebrochen, Spenser?«

Zwei Minuten vergingen, bis er wieder genügend Luft zum Sprechen fand. Er schaute das Mädchen an. »Sie kennen mich?«

»Natürlich, ich nehme an, die meisten Leute kennen Sie, vor allem die Damen.« Sie errötete. Er nutze die entstehende Pause, um sich abermals zu räuspern und seine Kehle mit einem Schluck Tee zu besänftigen. Er setzte die Tasse ab. »Der Grund, warum mich so viele Leute kennen, ist, dass ich hier in London lebe, seit ich achtzehn bin.« Lord Beecham stand auf und ging auf sie zu. Sie blickte ihm direkt in die Augen.

»Ich hatte also doch Recht«, sagte Alexandra. »Douglas wollte mir weismachen, dass Sie und Helen gleich groß wären. Sie sind aber mindestens fünf Zentimeter größer als Helen.«

Ohne seinen Blick von Helens strahlend blauen Augen zu wenden, sagte er: »Ich kenne auch kaum jemanden, der größer ist als ich.«

»Douglas ist größer«, wandte Alexandra ein. »Mindestens drei Zentimeter. Ich sehe das genau.«

»Nun ja«, sagte Helen. »Ich gehöre wohl auch zu den größten Damen Englands.«

»Sie sind ein sehr großes Mädchen«, murmelte Lord Beecham. Er hätte sie gern genüsslich von oben bis unten betrachtet, überlegte dann aber, dass Alexandra Sherbrookes Salon dafür ein doch eher ungeeigneter Ort war, und prostete ihr stattdessen mit seiner Teetasse zu.

Sie lachte, ein wohlklingendes Lachen, das seinen Magen erwärmte wie ein edler Weinbrand. Wieder stellte er sich vor, wie sie in seinem Bett lag, er über ihr. Es wäre früher Abend. Und bis dahin waren es noch sechs oder sieben Stunden. Das ließe sich einrichten.

»Nun, ein Mädchen bin ich wohl nicht mehr«, sagte Helen mit einem charmanten Lächeln, das ihre Grübchen und die blitzend weißen Zähne zur Schau stellte. »Ich bin achtundzwanzig, in sieben Monaten neunundzwanzig. Mein Vater sagt mir immer wieder, dass ich nicht mehr die Jüngste bin. Vor drei Monaten noch haben wir uns wieder einmal so gestritten – wir könnten heute beide kaum noch sagen, worüber genau – außer, dass er auf mich losging und mich eine alte Jungfer nannte. Immer wenn ich ihn provoziere, klagt er zum Himmel, was für ein unnormales Mädchen er hat. Dabei bin ich gar nicht unnormal. Ich bin bloß ...«

Sie stockte. »Ein großes Mädchen«, ergänzte Lord Beecham.

»Auch das.« Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln und reichte ihm die Hand. »Ich bin Helen Mayberry, Tochter des exzentrischen Baron von Prith, dem größten Nobelmann von ganz England.«

Lord Beecham streckte sich zu vollster Größe, um die fünf Zentimeter Größenunterschied zu betonen. Er nahm ihre Hand und zog diese in einer sanften Drehung an sich heran, um sie zu küssen. Er fühlte ein leichtes Zittern. Hervorragend. Wenn er sich weiterhin galant gäbe, dürfte sie mit etwas Glück schon am frühen Abend entkleidet in seinem Bett liegen.

»Ich bin Spenser Nicholas St. John Heatherington«, sagte er. »Nennen Sie mich Spenser, Heatherington oder Beecham, wie es Ihnen am besten gefällt. Ich bin nach Edmund Spenser benannt. Meine Mutter bewunderte Queen Elisabeth. Und deshalb beschloss sie, mich nach dem Mann zu benennen, den die Königin am meisten verehrte. Mein Vater hat mir einmal erzählt, dass wir möglicherweise sogar entfernt mit ihm verwandt sind. Wer weiß?«

»Für mich hört sich das eher nach einem Märchen an«, sagte Helen.

Er grinste sie an. «Da stimme ich Ihnen zu, aber immerhin ist es eine nette Geschichte. Und Sie wollen mir weismachen, dass Sie noch keinen Mann gefunden haben, der es wert wäre, Ihre zweifelsohne wundervollen Füße zu küssen, Miss Mayberry?«

»Zumindest keinen, mit dem ich mir eine Zukunft vorstellen konnte. Sie wissen ja, es gibt in diesem Land so unendlich viele kurz gewachsene Langweiler. Ich habe wirklich nichts gegen kleine Männer, aber Langweiler mag ich gar nicht. Mögen Sie etwa langweilige Damen?«

»Damen sind nie langweilig, Miss Mayberry. Nicht, solange man mit ihnen umzugehen weiß.«

»Ich weiß nicht, ob ich dem zustimmen kann.«

»Wenn Sie sich entschieden haben, werden Sie es mir hoffentlich mitteilen. – Sie wollten sich doch mit mir treffen, Miss Mayberry?«

Das war ein Schuss ins Dunkle. Denn als sie – die Möglichkeit einer Verabredung erwähnend – ins Zimmer gestürmt war und ihn so entgeistert angesehen hatte, da hatte er zu hoffen gewagt, dass er es sei, den sie treffen wollte.

Anstatt verärgert zu reagieren und die Unterstellung zurückzuweisen, nickte Miss Mayberry. »Ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, das herauszufinden, aber es ist wahr. Es ist mir eine Freude, Sie zu treffen. Und das Beste daran ist, dass ich nun gar kein scheinbar zufälliges Treffen mehr arrangieren muss – obwohl mein Plan wirklich exzellent war.«

Er schaute sie fasziniert an. Bis zum frühen Abend waren es noch etwa sechseinhalb Stunden. Das müsste ausreichen. »Was hatten Sie mit mir vor?«

»Ich wollte Sie im Park umreiten.«

»Sie wollten mich unter die Hufe Ihres Pferdes bringen?«

»Nein, ich wollte Sie natürlich nicht verletzen.« Sie hielt einen Augenblick lang inne. Sie strahlte eine spröde Lasterhaftigkeit aus. Lord Beecham hätte sich beinah ein zweites Mal verschluckt, als sie hinzufügte: »Jedenfalls nicht bei dieser Gelegenheit.«

Hatte sie das wirklich gesagt? Hier, in aller Öffentlichkeit, vor ihm und Alexandra? Und wieder stiegen Bilder in ihm auf, wie sie beide nackt auf seinem Bett lagen. Die Nachmittagssonne beschien das Laken. Würde sie darauf bestehen, ihn zu züchtigen? Er hoffte es inständig.

»Ich stellte mir vor, das Gleichgewicht zu verlieren und Ihnen direkt in die Arme zu fallen.«

»Abhängig von Ihrem Schwung hätten Sie mir unter Umständen die Knochen gebrochen.«

»O je, darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Ich hätte Sie womöglich wie einen Pfahl in den Boden getrieben oder Ihnen die Rippen gebrochen. Aber dann hätte ich mich neben Sie auf den Boden gehockt und Ihre Hand gehalten, bis Sie wieder zu Bewusstsein gekommen wären. Das wäre doch schön gewesen. Sie hätten mich angelächelt und ganz langsam die zitternde Hand gehoben, um meine Wange zu berühren. Hört sich das nicht schön an?«

»Aber nur für Sie. Ich hätte das nicht so angenehm empfunden. Wissen Sie, Männer mögen es nicht, schwach zu sein.«

Alexandra räusperte sich. »Ich unterbreche ungern, aber ich muss Ihnen sagen, Spenser, dass Douglas fuchsteufelswild wird, sobald Helen Sie auch nur erwähnt. Er fängt an zu brüllen und knirscht mit den Zähnen. Er hat Helen befohlen, einen großen Bogen um Sie zu machen.«

Helen lachte. »Er hat Angst um meine Unschuld, Lord Beecham.«

Nachmittags war es warm genug. Auf ein Feuer im Schlafzimmer würden sie verzichten können, auch ohne Kleidung. Gedanklich liebkoste er sie mit Mund und Händen. Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. »Nun, dann werde ich, um Douglas’ Zähne zu schonen, Miss Mayberry einfach vor seiner Heimkehr wieder zurückbringen.«

»Wohin wollen Sie mich den ausführen, Lord Beecham?«

»Zu Gunther’s, Eis essen.«

Nie zuvor in seinem Leben hatte er eine Frau so glühen sehen.

»Das wäre wundervoll. Seit ich in London bin, ist das meine Lieblingsbeschäftigung. Woher wissen Sie das?«

Lord Beecham schaute zu Alexandra hinüber, die etwas verstört dastand. »Bestätigen Sie Miss Mayberry doch bitte, dass ich ein Mann mit großer Erfahrung bin und dass ich eine Frau nur kurz anblicken muss, um ihre verborgensten Wünsche zu erraten.«

»Das mag sein«, murmelte Alexandra und biss in eine Schäferpastete. »Dass Sie aber so verborgene Wünsche wie Helens unendliche Sehnsucht nach Gunthers Eiscreme erkennen können, wusste ich nicht.«

»Dann sind Sie jetzt klüger.« Immer noch hielt er Miss Mayberry die Hand hin. »Können wir?«

Noch während Helen sich bei ihm einhakte, zwinkerte sie Alexandra zu. »Erzählen Sie Douglas, dass ich erfolgreich war.«

»Was sollte das alles?«, fragte Lord Beecham, während Mankin sie mit einer tiefen Verbeugung vor der Eingangstür verabschiedete. Das Sonnenlicht fiel durch die geöffnete Tür direkt auf seinen gebeugten Kopf, was leider weder Lord Beecham noch Miss Mayberry auffiel.

»Womit waren Sie erfolgreich? Mit mir bekannt zu werden? Dafür hätten Sie mich sicherlich nicht im Park umreiten müssen.«

»Sind Sie nicht mit Gray St. Cyre verwandt, dem Baron von Clyffe?«

»Ja, warum fragen Sie?«

»Er hat vor nicht allzu langer Zeit geheiratet.«

»Ja, ich weiß. Und was ist mit ihm?«

»Nachdem Jack, Grays Braut, Arthur Kilburn entfliehen konnte, waren die beiden zufällig in der Nähe meines Gasthauses. Gray war unglücklich vom Pferd gestürzt und hatte sich am Kopf verletzt.«

»Sie haben ein Gasthaus?«

»Ja. Es heißt König Edwards Wunderlampe und befindet sich in Court Hammering, einer Kleinstadt – eine Stunde nördlich von hier.«

»Arthur hatte Grays Braut entführt? Davon habe ich gar nichts gewusst. Und ihr Name ist tatsächlich Jack?«

»So ist es. Wie dem auch sei, nachdem sich alles geklärt hatte, kamen mein Vater und ich zur Hochzeitsfeier der beiden hierher nach London. Es war wirklich ein ganz zauberhaftes Fest, sehr privat, in kleinem Kreise. Dort habe ich dann Douglas wiedergesehen.«

»In den Sie mit fünfzehn verliebt waren«, ergänzte Lord Beecham fasziniert. Für einen Moment vergaß er sogar, dass er bereits um zwei Uhr nachmittags mit ihr im Bett liegen wollte.

»Sie waren das also, der Alexandra und mich in der Bibliothek der Sanderlings belauscht hat.«

»O ja, Züchtigung ist ein Thema, das mir wirklich sehr am Herzen liegt.«

»Das überrascht mich nicht im Geringsten.«

Er strahlte sie an und fragte sich, ob es wohl übereilt sei, sie schon jetzt zu küssen – vielleicht könnte er zumindest ihren Hals berühren?

»Douglas war wirklich ein reizender junger Mann. Aber das ist lange her. Ich habe Alexandra versichert, dass ich über meine Gefühle ihm gegenüber hinweg bin.«

»Das ist gut. Es dürfte Ihrem zukünftigen Liebhaber auch nicht allzu gut gefallen, wenn Sie Douglas noch immer nachtrauern. War er Ihre erste Liebe?«

Kapitel 3

Kokett lächelte sie ihn an. Verlegenheit schien für diese Frau wirklich ein Fremdwort zu sein. Lord Beechams Faszination steigerte sich noch.

»Sie nehmen aber auch kein Blatt vor den Mund, Lord Beecham.«

»Natürlich nicht. Ich habe den Eindruck, dass ich es bei Ihnen mit einer Frau zu tun habe, die die Dinge ebenfalls beim Namen nennt.« Er half ihr in den Wagen und befahl dem Fahrer: »Babcock, fahren Sie uns zu Gunther’s. Diese Dame hier braucht dringend ein Eis.«

»Wie Sie wünschen, Lord«, erwiderte Babcock und beäugte Helen ehrfurchtsvoll, die ihn um gute dreißig Zentimeter überragte. Er straffte die Schultern und sprang mit einer schwungvollen Drehung auf den Kutschbock.

»Beeilen Sie sich, Babcock«, rief Helen ihm aus dem Fenster zu. »Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.«

Schon wieder musste Lord Beecham lachen. Er hustete.

Helen setzte sich ihm gegenüber und strich ihre Röcke glatt. »Fehlt Ihnen etwas?«

»Nein, mir geht es gut. Sie haben also nicht mit Douglas geschlafen?«

»Ehrlich gesagt befürchte ich, er war gar nicht interessiert.« Sie lächelte traurig. »Für ihn war ich nur ein kleines Mädchen. Für mich aber war er ein Gott. Ich hätte ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, die Schläfen mit Rosenwasser abgetupft. Ich hätte ihn mit Weintrauben gefüttert. Ich hätte ...«

»Das reicht!« Lord Beecham verzog das Gesicht und streifte sich ein Paar weiche Wildlederhandschuhe über.

Schamlos erwiderte Helen seine Grimasse.

»Sie wollten mir doch erzählen, warum Douglas so verärgert wäre, wenn er wüsste, dass Sie mich gefunden haben«, begann Lord Beecham. »Sie sind noch nicht zum Punkt gekommen. Und was sollte die Geschichte von Gray und seiner Frau?«

»Douglas, Alexandra und ich haben die beiden letzte Woche besucht. Alexandra ließ bei dieser Gelegenheit Ihren Namen fallen. Sie sagte, Sie wären ein Mann mit Erfahrung und Talent und außerdem wunderbar verrucht. Sie hoffte, mich damit endlich von Douglas abbringen zu können. Douglas erwiderte daraufhin, dass das nicht der Wahrheit entspräche. Er sagte, Sie würden zwar immer so tun, als vereinten sich die Qualitäten der besten Liebhaber Englands in Ihrer Person, wären seiner Meinung nach aber in Wirklichkeit nur ein gewöhnlicher Langweiler.

Als er sah, dass mich das nur noch neugieriger machte, sagte er in seinem Gutsherrenton, dass ich mich gefälligst von Ihnen fern halten solle. Sie würden bloß meinen Ruf beschmutzen und mich dann in der Gosse liegen lassen.

Ich erwiderte, dass er doch selbst behauptet hatte, Sie in Lasterhaftigkeit zu übertreffen, Alexandra bisher aber auch nicht in der Gosse gelandet war. Darauf entgegnete er, dass Alexandra einfach zu Mitleid erregend wäre. Er habe schlichtweg keine andere Wahl, als ihr treu zu bleiben und sie glücklich zu machen. Und das tut er auch.«

»Was tut er?«

»Er macht sie glücklich. Nun, Alexandra mag Sie. Sie hat mir erzählt, dass Sie sie verführen wollten.«

Er schlug seinen Stock auf den Boden der Kutsche. »Verdammte Weibsbilder. Ihr kennt scheinbar nichts Schöneres, als euch über die Fehltritte gutgläubiger Männer auszutauschen und das immer und immer wieder. Es ist mittlerweile acht Jahre her. Alexandra war gerade erst mit Douglas verheiratet. Er war ein Esel und sie, so dachte ich zumindest, reif genug, um gepflückt zu werden. Aber stattdessen klammerte sie sich an ihren Baum. Sie war unvorstellbar grün hinter den Ohren, allzu naiv und – zu meinem Leidwesen – äußerst begehrenswert.«

Er grinste über seine eigenen Worte und zuckte mit den Schultern. »Zunächst war unser Verhältnis ziemlich angespannt, mit den Jahren haben wir es aber geschafft, uns trotz allem wieder normal und freundlich unterhalten zu können. Ich mag Alexandra auch.«

»Sie wollen also sagen, dass es Ihnen schwer fiel, eine Frau zu mögen, die sie nicht verführen konnten?«

Verärgert blickte er Helen an und verschränkte die Arme, wissend, dass die Geste einschüchternd wirkte. »Um genau zu sein, ich kann mittlerweile mehr als eine halbe Stunde in ihrer Gegenwart verbringen, ohne ihre Brüste anzustarren.« Das dürfte genügen, dachte er zufrieden. Er würde diesem schamlosen Küken doch nicht erlauben, provozierender zu sein, als er es selbst war. Er musste die Oberhand behalten. Außerdem drängte die Zeit. In einer Stunde schon würde es zwei Uhr sein. Bis dahin konnte er es unmöglich schaffen, Helen Mayberry ins Bett zu bekommen. In Gedanken ließ er die langsam untergehende Sonne durch das Schlafzimmerfenster dringen. Das sanfte Licht der Dämmerung umspielte ihren Körper. – Er räusperte sich.

»Dreißig Minuten ohne einen einzigen Blick?«, fragte Helen. »Man sollte Sie heilig sprechen.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Nun wissen Sie, warum ich Sie treffen wollte. Ich suche einen Mann, der sich unter Kontrolle halten kann, der weiß, was zu tun ist, seine Vorhaben verfolgt und zu einem zufrieden stellenden Ende führt. Ich suche einen Mann mit Charme, Verstand und sehr viel Erfahrung. Einen Mann, der die Spreu vom Weizen trennen kann.«

»Was meinen Sie damit?«

»Das war eine Metapher, Lord Beecham. Es bedeutet, dass man Wesentliches von Unwesentlichem trennen kann. Alexandra hat Sie mir empfohlen. Sie haben mir gezeigt, dass Sie es wie kein anderer der mir bekannten Männer wagen, vor einer Dame offen über Liebesangelegenheiten zu reden. Daraus schließe ich, dass Sie es verstehen, sich auf diesem Terrain sicher zu bewegen. Genauso geht es mir mit den Männern.«

»Sie meinen, dass wir uns in diesem Belang ähneln?«

»Ja, ich denke wir sind uns in dieser Eigenheit ebenbürtig.«

Lord Beecham wusste dem nichts zu erwidern. Ihm fiel auf, dass Helen nicht etwa die vorbeiziehende Landschaft, sondern vielmehr ihn betrachtete. Ihre Blicke wanderten gewissenhaft von seinen Ohren bis zur Spitze seiner Stiefel und zurück zu dem Stock, den er in der rechten Hand hielt.

»Alexandra sagte mir, dass Sie gut aussehend wären. Nicht so wie Douglas, natürlich, aber immer noch überdurchschnittlich. Sie ist der Auffassung, dass Sie nicht zu den vielen Männern gehören, die ab ihrem dreißigsten Geburtstag beginnen Fett anzusammeln. Ähm, haben Sie Ihr dreißigstes Jahr schon weit überschritten?«

»Ich bin dreiunddreißig. Zwei Jahre jünger als Douglas.«

»Douglas hat auch keine Fettpolster. Es ist wirklich erfrischend, gleich zwei Männer zu finden, die es wert sind, sie mehr als einmal anzuschauen, denen man vielleicht sogar die Hand auf den Bauch legen kann, um ihre Muskeln zu fühlen.«

Es kostete ihn ein Höchstmaß an Selbstbeherrschung, sie nicht auf den Boden zwischen die Sitze zu ziehen. Nicht mehr als eine Sekunde und ihre Brüste würden entblößt daliegen. Verdammt – nicht in der Kutsche, nicht beim ersten Mal. Sie sollte danach glücklich sein und nicht mitgenommen oder gar wund vom harten Boden der Kutsche.

Er räusperte sich. Beinah hätte er sich hinreißen lassen. Doch mit dreiunddreißig musste er über solche Dinge erhaben sein. Sie hatte gesagt, er wisse sich zu kontrollieren. Nun, das tat er. Nur machte diese Frau es ihm sehr schwer. »Sie kommen also aus einer Gegend, in der die Gutsherren mit hervorstehenden Bäuchen herumstolzieren?«

»Ja, in der Tat. Ich kann Ihnen kaum sagen, wie erhebend es für mich ist, hier in London zu sein«, sagte sie, die Hände bekräftigend auf ihr Herz drückend.

Insgeheim musste sich Lord Beecham eingestehen, dass er den Sarkasmus, mit dem sie um sich warf, verdient hatte.

Sie lehnte sich vertrauensvoll vor. »Sie, Lord Beecham, scheinen für meine Zwecke perfekt geeignet zu sein.«

Er war also für ihre Zwecke geeignet. Hatte diese Frau keinen Funken Scham? Keine Zurückhaltung? Kein Benehmen? Er war entsetzt.

Wäre sie verheiratet, ihr Gatte wäre sicher ebenso entsetzt. Was würde er sagen, wenn er wüsste, dass seine Frau versuchte, andere Männer zu verführen? Er zwang sich, ruhig zu bleiben. »Schauen Sie mich an. Ich bin nicht dick. Nur Trottel haben vorstehende Bäuche. Damen mögen das nicht.«

»Das ist wohl war.«

»Was zum Teufel bedeutet ›für ihre Zwecke‹?«

Die Kutsche hielt vor Gunther’s. Das Gebäude war niedrig, weiß getüncht und sonnenbeschienen. Nach drei Tagen Dauerregen hatte sich der Himmel endlich aufgeklart. Helen ergriff Lord Beechams ausgestreckte Hand und ließ sich aus dem Wagen helfen. «Es ist wirklich zu reizend von Ihnen, mich hierher zu führen. Ich liebe das Eis von Gunther’s.«

Sie trug ein schlichtes, elegantes Kleid aus smaragdgrüner Seide und auf dem Kopf ein kleines Häubchen, stilvoll mit drei Blättern einer Pflanze dekoriert, die Lord Beecham nicht kannte. Sie sah sehr vornehm aus, eine kultivierte Dame – solange man ihr nicht in die Augen blickte. In ihnen erkannte Lord Beecham ihre Intelligenz, ihren Humor und vor allem ihr Wissen – vielleicht auch über ihren zukünftigen Mann? Lord Beecham mochte intelligente Frauen. Ein bestimmtes Maß sollte allerdings nicht überschritten werden. Denn sonst wollten sie sich nach dem Liebesakt mit ihm auseinander setzen und den Dingen auf den Grund gehen, während er sich lieber in eine Art Leere fallen ließ. Er mochte auch humorvolle Frauen – doch nur solange sich ihr Witz nicht gegen ihn wandte.

»Dämmerung«, dachte er. Ja, das erschien ihm immer noch machbar.

Er räusperte sich und geleitete Helen ins Gunther’s.

Sofort war ein junger Mann mit weißer Schürze an ihrer Seite und führte sie zu einem kleinen runden Tisch. Lord Beecham hielt Helen den Stuhl. Er lächelte sie an. »Essen Sie nicht zu viel. Herren mögen dickbäuchige Damen ebenso wenig.«

»Ich setze kein Fett an.« Sie blickte zum Nebentisch, aber nicht etwa zu den Leuten, die dort saßen, sondern auf die Eisbecher vor ihnen. »Vanille«, sagte sie. »Ich sterbe für Vanilleeis.« Das war auch seine Lieblingssorte. Er bestellte Schokolade.

Lord Beecham sagte nichts, bis die Eisschalen vor ihnen standen. Er sagte auch nichts, bis sie die Hälfte ihrer Portion heruntergeschlungen hatte und genüsslich seufzte. Er schwieg, bis er selbst sein Eis aufgegessen hatte. Er hätte nichts dagegen, ihr nach dem Liebesspiel ein weiteres Eis zu servieren. Das würde sie immerhin ruhig stellen. Er hoffte nur, dass ihr das Eis nicht mehr Vergnügen bereiten würde als er selbst.

Während Helen sich gedankenverloren umschaute, fragte er plötzlich: »Was sind das für Zwecke, für die ich geeignet sein soll?«

»Sie sind sehr begehrt, nicht?«

»Ja.«

»Warum?«

Da war es wieder. Diese Frau wollte ihn zum Kentern bringen. Das würde er nicht zulassen. »Schauen Sie mich an.« In ihm loderte es, aber es gelang ihm, sie unbekümmert anzulächeln. »Und benutzen Sie Ihre Ohren. Sie selbst sagten, dass ich es verstehen würde zu reden.«

»Ja, das tun Sie«, erwiderte sie unkonzentriert. Sehnsüchtig starrte sie auf die große Schale Fruchteis vor einem dickbäuchigen Mann am Nebentisch.

»Vergessen Sie’s. Sie hatten genug Eis.«

»Es ist wirklich verrückt«, sagte Helen, »aber wissen Sie, das Eis von Gunther’s wirkt immer so entspannend auf mich.«

Lord Beecham hob die Hand und rief nach dem Ober.

Sie verspeiste noch zwei weitere Becher Eiscreme. Während sie ihre dritte Portion begann, fragte sie ihn: »Wissen Sie, wer das Pärchen dort drüben ist, die Dame mit dem geradezu schreiend blauen Kleid und der unzufrieden aussehende Herr?«

Unauffällig blickte Lord Beecham in die Richtung, in die Helen gewiesen hatte. »Mr. und Mrs. Crowne. Sie sind gerade erst ein Jahr verheiratet, aber sie haben sogar in aller Öffentlichkeit nichts Besseres zu tun, als übereinander herzuziehen. Das, Miss Mayberry, ist der Grund, weshalb ein kluger Mann es tunlichst vermeidet, in dieses schwarze Loch namens Ehe zu springen. Heiraten ist das Ende, das Ende der Vernunft, der Freiheit und der Zufriedenheit.«

Er zog ein angewidertes Gesicht, um seine Worte zu unterstreichen. Helen allerdings lächelte ihn verständnisvoll an und war nicht nur erfreut, sondern regelrecht erleichtert. Sie schob sich einen weiteren Löffel Eis in den Mund und ließ es auf der Zunge zergehen. »Da stimme ich Ihnen zu, Lord Beecham, heiraten ist etwas für Schwachsinnige.«

Das allerdings verärgerte ihn maßlos. Ein Mann, schon seiner natürlichen Anlagen wegen, durfte der Ehe gegenüber negativ eingestellt sein, aber eine Frau doch nicht. Er ließ sich nichts anmerken. »Nun erzählen Sie mir aber endlich, von welchen Zwecken Sie gesprochen haben.«

»Wir schweifen immer wieder vom Thema ab, nicht wahr?«

»Ja, aber jetzt nicht mehr. Sagen Sie es mir. Verraten Sie mir, was Sie mit mir vorhaben.«

Helen war nicht dumm. Sie hatte genau erkannt, dass es ihm einzig und allein darum ging, mit ihr zu schlafen.

»Sie haben also etwas gegen die Ehe?«

»Ja, wie jeder vernünftige Mann. Die Natur hat es nur leider so eingerichtet, dass die Frau dem Mann einen Nachfolger gebären muss. Irgendwann vor seinem Tod muss der Mann also einen Sohn in die Welt gesetzt haben. Ich habe nicht vor zu sterben, bevor ich fünfzig bin. Daher werde ich mit neunundvierzig heiraten, einen Sohn zeugen und dann mit einem Lächeln auf den Lippen dahinscheiden. Wahrscheinlich wird meine schwangere Frau auch lächeln. Mein Anwesen in Devon ist äußerst reizvoll.«

»Ich habe gelernt, dass hier jeder Nobelmann ein Landhaus besitzt und dass sie alle besondere Namen haben. Wie heißt Ihres?«

»Paledowns.«

»Ungewöhnlich.« Sie beugte sich zu ihm hinüber. »Für die Frau ist es etwas komplizierter, finden Sie nicht? Eine Frau ist gesellschaftlich sehr viel eingeschränkter – es sei denn, sie wirft alle Normen über Bord.«

»Frauen regieren die Welt, Miss Mayberry. Wenn sie schlau sind, können sie die Männer mit einem einzigen Blick dazu bringen zu tun, was auch immer sie wollen.«

»Was aber, wenn eine Frau nicht hübsch genug ist, Lord Beecham?«

»Dann wird sie nicht allzu viele Männer regieren.«

»Und wenn sie auch kein Geld hat?«

»Dann wird sie ihre Dienste anbieten und den regieren, der sie dafür bezahlt.«

»Ich habe noch nie einen solch zynischen Menschen getroffen wie Sie«, sagte Helen.

»Ich bin nur realistisch. In Wahrheit sorgen Sie sich doch gar nicht um das traurige Los Ihrer glücklosen Geschlechtsgenossinnen. In Ihrer Position wäre das die reinste Heuchelei. Ihr Vater ist Baron. Sie führen mit Sicherheit einen ganzen Stab von Männern an der Nase herum. Sie sind jung, unabhängig und obendrein noch schöner, als Sie es wahrscheinlich verdient hätten. Also sprechen Sie nicht über Ungerechtigkeit.«

»Vielleicht haben Sie Recht, Lord Beecham.«

»Da bin ich mir sicher.«

»Was aber ist mit dieser armen Frau, die Sie mit neunundvierzig heiraten wollen? Sie wird nichts zu sagen haben. Sie brauchen sie nur zum Kinderkriegen, wie eine Zuchtstute. Was ist mit den Wünschen, den Hoffnungen und den Ängsten dieser Frau?«

Ihre Worte belustigten ihn. »Wie blumig Sie daherreden, Miss Mayberry. Aber bleiben wir bei den Tatsachen. Diese Dame wird mich freiwillig heiraten. Sie wird – zumindest sobald sie Witwe ist – meinen Titel bekommen, mein Geld und alles, was sie wünscht, abgesehen vielleicht von einem liebenden Gatten. Sie wird die Herrin von Paledowns sein und noch von drei weiteren Anwesen. Sobald ich unter der Erde liege, wird sie reich sein, ihr Sohn wird der junge Lord Beecham sein, und sie wird sich unbehelligt vergnügen können, wo und mit wem auch immer sie wünscht.

Um die zukünftige Gräfin Beecham müssen Sie sich also wirklich keine Sorgen machen. Ich stimme Ihnen jedoch zu, wenn Sie sagen, dass die meisten Frauen nicht reich sind und auch nicht sonderlich gut aussehen. Oft sind sie nicht einmal besonders intelligent. Diese Frauen, da haben Sie Recht, müssen wirklich noch mehr ertragen als Männer in der gleichen Situation.

Da ich aber nun einmal wenig tun kann, um diesen Missstand zu beseitigen, kümmere ich mich um meine eigenen Leute. Ich bin für ihr Wohlergehen verantwortlich, und ich nehme das sehr ernst. Prinzipiell bin ich immer bereit, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um meinen Mitmenschen, ob nun männlich oder weiblich, zu helfen.«

»Oh, ich brenne darauf, eine Kostprobe Ihrer unzähligen Heldentaten zu hören.«

»Das Eis scheint Sie eher sarkastisch als entspannt zu machen. Nun gut, vor ein paar Wochen wurde eine meiner Mägde von einem Lakai des Nachbargutes vergewaltigt. Die Herrin des Hauses, die ich sogleich aufgesucht hatte, behauptete, ohne mit der Wimper zu zucken, dass es meine Magd gewesen wäre, die ihren armen Lakai verführt habe. Sie wäre eine Hure und habe keinen Funken Moral im Körper.

Ich nahm mir also den Lakai, einen grobschlächtigen irischen Trottel, vor und schlug ihn gründlich zusammen. Ich ließ sogar die Magd zuschlagen. Sie hat ihn angespuckt. Gott sei Dank, dass er sie nicht geschwängert hat.«

Sie starrte ihn an und strich nachdenklich über einen der silbernen Löffel.

Lord Beecham verzog den Mund und sah auf ihre langen Finger. »Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzählt habe. Vergessen Sie es. Es geht niemanden etwas an. Sind Sie fertig? Ihr Eis sieht Mitleid erregend aus.«

Helen beobachtete, wie er die Rechnung bezahlte. Als sie zur Kutsche hinübergingen fragte sie: »Könnten wir zum Park fahren, Lord Beecham?«

»Warum? Sind Sie sich immer noch nicht sicher, ob ich Ihren Anforderungen entspreche?«

»Das haben Sie gut erkannt.«

Kapitel 4

»Zum Park, Babcock«, rief Lord Beecham. »Und fahren Sie langsam.«

»Wie Sie wünschen, Lord Beecham.«

Es war noch früh am Nachmittag. Die meisten Herrschaften des Viertels hatten ihren obligatorischen Spaziergang durch den Park noch gar nicht begonnen. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, aber Helen spürte noch ein wenig die feuchtkalte Luft der vergangenen Tage.

»War das ein Zittern? Ist Ihnen zu kalt?«

»Nein, ich habe nur an etwas gedacht. Wissen Sie, dass ich Sie schon die ganze letzte Woche treffen wollte, Lord Beecham?«

»Aber Sie wollen mir immer noch nicht verraten, warum?«

»Vielleicht unterhalten wir uns zunächst noch ein wenig. Wir sprachen von unserem Selbstverständnis als Mann und als Frau.«

Er zuckte mit den Schultern. »Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die Wahrheit ist doch, Miss Mayberry, dass Gott uns auf diese Bühne gesetzt hat, damit wir unsere Rolle spielen – und wir spielen sie oft allzu erbärmlich, aber immerhin versuchen wir es. Welche Rolle spielen Sie gerade, Miss Mayberry?«

»Ich bin Diana, die Göttin der Jagd.«

»Und ich bin Ihre Beute? Ich weiß nicht, ob ich wirklich gefangen werden möchte. Ich bevorzuge verheiratete Frauen. Das macht alles viel einfacher.«