Regency Brides - Eine skandalöse Hochzeit - Catherine Coulter - E-Book
SONDERANGEBOT

Regency Brides - Eine skandalöse Hochzeit E-Book

Catherine Coulter

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

So manch eine Rose blüht im Verborgenen: Der historische Liebesroman »Regency Brides – Eine skandalöse Hochzeit« von Catherine Coulter jetzt als eBook bei venusbooks. Die schüchterne Alexandra kann ihr Glück kaum fassen, als sie erfährt, dass sie die Frau des gutaussehenden Douglas Sherbrooke werden soll – jenes Mannes, den sie schon seit langer Zeit heimlich liebt! Doch was erst wie ein Traum wirkt, wird bald zur bitteren Enttäuschung – denn der stolze Earl wollte nie Alexandra heiraten, sondern ihre schöne Schwester Melissandre, die ihn zurückwies! Statt Liebe und Zuneigung scheint der stolze Earl nur Verachtung für Alexandra übrig zu haben. Gedemütigt und verletzt versucht sie, aus ihrer kalten Ehe auszubrechen – doch ist sie Douglas wirklich so gleichgültig, wie er behauptet? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Regency-Roman »Eine skandalöse Hochzeit« von New-York-Times-Bestsellerautorin Catherine Coulter ist der romantische Auftakt der Regency-Brides-Serie und wird alle Fans der Erfolgsserie »Bridgerton« und Julia Quinn begeistern. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 587

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Die schüchterne Alexandra kann ihr Glück kaum fassen, als sie erfährt, dass sie die Frau des gutaussehenden Douglas Sherbrooke werden soll – jenes Mannes, den sie schon seit langer Zeit heimlich liebt! Doch was erst wie ein Traum wirkt, wird bald zur bitteren Enttäuschung – denn der stolze Earl wollte nie Alexandra heiraten, sondern ihre schöne Schwester Melissandre, die ihn zurückwies! Statt Liebe und Zuneigung scheint der stolze Earl nur Verachtung für Alexandra übrig zu haben. Gedemütigt und verletzt versucht sie, aus ihrer kalten Ehe auszubrechen – doch ist sie Douglas wirklich so gleichgültig, wie er behauptet?

Über die Autorin:

Catherine Coulter wurde 1942 in Texas geboren. Schon früh begeisterte sie sich für die Regency-Bestseller von Georgette Heyer, die sie schließlich dazu inspirierten, selbst historische Liebesromane zu schreiben. Inzwischen ist Catherine Coulter erfolgreiche Autorin zahlreicher historischer und zeitgenössischer Liebesromane, sowie vieler Thriller, mit denen sie immer wieder auf der New-York-Times-Bestsellerliste stand.

Die Website der Autorin: catherinecoulter.com/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/CatherineCoulterBooks/

Die Autorin auf Instagram: instagram.com/catherinecoulterauthor/

Bei venusbooks veröffentlichte die Autorin die historischen Liebesromane:

»Regency Brides – Eine skandalöse Hochzeit, Band 1«

»Regency Brides – Eine unerwartete Liebe, Band 2«

»Regency Brides – Eine Lady auf Abwegen, Band 3«

»Regency Brides – Eine geheimnisvolle Lady, Band 4«

»Regency Games – Wie verzaubert man einen Earl? Band 1«

»Regency Games -Wie küsst man einen Viscount? Band 2«

»Regency Beaus – Wie verführt man einen Baron?«

***

eBook-Neuausgabe Juli 2023

Ein eBook des venusbooks-Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1992 unter dem Originaltitel »The Sherbrooke Bride« bei Jove Books, a division of Penguin Putnam Inc., New York.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1994 unter dem Titel »Die Sherbrooke-Braut« im Wilhelm Heyne Verlag

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 by Catherine Coulter

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1994 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Trident Media Group, LLC

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Karolina Michałowska unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ys)

ISBN 978-3-96898-245-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

***

Wenn Ihnen dieses eBook gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Regency Brides 1« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.venusbooks.de

www.facebook.com/venusbooks

www.instagram.com/venusbooks

Catherine Coulter

Regency-Brides – Eine skandalöse Hochzeit

Roman

Aus dem Amerikanischen von Angela Meermann

venusbooks

KAPITEL 1

»Ich habe sie gestern Nacht gesehen – die jungfräuliche Braut!«

»Ach was, tatsächlich? Stimmt das, Sinjun? Du schwörst, du hast den Geist gesehen?«

Dann kamen zwei bibbernde ›Huchs‹ und zwei kieksende Schreie, in die sich Angst und Erregung vermengten.

»Aber ja, es muß die jungfräuliche Braut gewesen sein.«

»Und hat sie dir gesagt, sie ist Jungfrau? Hat sie dir überhaupt etwas gesagt? Hast du nicht Todesängste gelitten? War sie ganz in Weiß? Hat sie gestöhnt? Sah sie mehr tot als lebendig aus?«

Die Stimmen verhallten, doch er hörte es immer noch quietschen und kichern, während sie sich langsam von der Tür des Schloßherrenzimmers entfernten. Douglas Sheerbrooke, Earl of Northcliffe, schloß energisch die Tür und schritt an seinen Schreibtisch. Verdammte Geisterfrau! Waren denn die Sherbrookes für alle Zeiten dazu verurteilt, diese Schwindelgeschichten von der bejammernswerten jungen Dame zu hören? Er warf einen Blick auf den ordentlichen Stapel Papier, seufzte, setzte sich hin und starrte geradeaus ins Nichts.

Die Miene des Grafen verfinsterte sich. Sie verfinsterte sich öfter in letzter Zeit, denn man ließ ihm keine Ruhe, keinen einzigen Tag, kein einziges Stündchen. Tagaus, tagein lag man ihm sanft, aber beharrlich und in nur unerheblichen Abweichungen mit dem ewig gleichen Thema im Ohr. Er sollte heiraten, dringend, und einen Erben für die Grafschaft zeugen.

Allmählich wurde er älter, mit jeder Minute schwand wieder ein Stück seiner Zeugungskraft, und diese Zeugungskraft wurde, laut ihrer Meinung, vergeudet, denn seinem Samen entsprangen zukünftige Sherbrookes, und dieser sein kostbarer Samen sollte rechtmäßig gebraucht und nicht willkürlich verstreut werden. So stand es schon in der Bibel geschrieben.

An Michaelis würde er dreißig werden, pflegten sie zu sagen – all die Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen und die alten Diener, die ihn seit dem Tag kannten, als er mit Geplärr aus dem Schoß seiner Mutter auf die Welt gekommen war; all seine hämisch lachenden, lästigen Freunde, die, waren sie einmal bei jenem Thema, mit Begeisterung ihren unverschämten Vers dazu beitrugen. Er würde sie streng ansehen, mit der gleichen mißbilligenden Miene wie jetzt, und ihnen erwidern, daß er nicht an diesem Michaelis dreißig wurde, sondern neunundzwanzig. Daher war er an diesem Tag, in dieser Minute, achtundzwanzig, und Gottverdammich, jetzt war es erst Mai und nicht September. Gerade hatte er sich daran gewöhnt, zu sagen, daß er achtundzwanzig und nicht mehr siebenundzwanzig war. Das war doch wohl kein Alter!

Der Graf blickte auf die Uhr aus vergoldeter Bronze auf dem Kaminsims. Wo steckte bloß Ryder? Zum Teufel mit seinem Bruder.

Er wußte doch genau, ihr Treffen fand jeden ersten Dienstag im Quartal hier im Schloßherrenzimmer der Northcliffe Hall pünktlich um fünfzehn Uhr statt. Die Tatsache, daß der Graf diese vierteljährlichen Treffen erst vor etwa neun Monaten ins Leben gerufen hatte – nach dem Verkauf seines Offizierspatents und kurz nachdem der Friede von Amiens unterzeichnet worden war –, entschuldigte keineswegs Ryders Zuspätkommen an ihrem dritten Treffen. Nein, seinem Bruder mußte ein Rüffel erteilt werden, auch wenn Douglas’ Butler, Leslie Danvers, ein junger Mann von tüchtigem Wesen und einem aufreizend guten Gedächtnis, den Earl erst vor einer Stunde an das Treffen mit seinem Bruder erinnert hatte.

Der plötzliche Anblick Ryders, der in das Schloßherrenzimmer hereinplatzte, windzerzaust, den Geruch von Leder, Pferd und Meer verströmend, ungestüm, viel weiße Zähne zeigend und gerade eben mal pünktlich – es waren erst fünf Minuten nach –, ließ den Grafen seinen Zorn vergessen. Schließlich näherte sich auch Ryder einem gefährlichen Alter. Er war beinahe sechsundzwanzig.

Die beiden sollten zusammenhalten.

»Mein Gott, ein wirklich herrlicher Tag, Douglas! Ich bin mit Dorothy die Steilküste entlanggeritten, es gibt nichts Schöneres, nichts!« Ryder nahm Platz, schlug die in Wildleder gehüllten Beine übereinander und warf seinem Bruder noch eines seiner weißblitzenden Lächeln zu.

Douglas wippte nachdenklich mit einem Bein. »Und du hast es geschafft, auf dem Pferd oben zu bleiben?«

Ryders Grinsen wurde noch breiter. Bei näherem Hinsehen lag etwas Unstetes in seinen Augen. Er hatte den Gesichtsausdruck eines übersättigten Mannes, ein Ausdruck, den der Graf schon ziemlich gut kannte. Er stieß einen Stoßseufzer aus.

»Tja«, sagte Ryder nach kurzem Schweigen, »wenn du schon auf diesen vierteljährlichen Treffen bestehst, Douglas, so muß ich etwas unternehmen, um da etwas Schwung hineinzubringen.«

»Aber warum ausgerechnet Dorothy Blalock?«

»Die Witwe Blalock ist unglaublich sanft und duftet süß, Bruder, und sie versteht es, einem Mann zu gefallen. Ah, sie versteht wirklich etwas davon. Außerdem passiert ihr nie ein Malheur. Dafür ist sie viel zu klug, meine Dorothy.«

»Sie kann gut zu Pferde sitzen«, erwiderte Douglas. »Das gebe ich zu.«

»Ja, ja, und nicht nur zu Pferd sitzt sie gut auf.«

Nur mit äußerster Willensanstrengung verkniff sich Douglas ein Grinsen. Schließlich war er der Graf; er war das Oberhaupt der weitverzweigten Sherbrooke-Familie. Möglicherweise war sogar in diesem Augenblick ein Sherbrooke-Zuwachs im Werden, trotz Dorothys Klugheit.

»Fangen wir endlich an«, erklärte Douglas, doch Ryder konnte man nichts vormachen. Er hatte das Zucken um die Mundwinkel seines Bruders bemerkt und lachte los.

»Ja, tun wir das«, stimmte er lachend zu und goß sich einen Brandy ein. Er schwenkte die Karaffe in Richtung Douglas.

»Nein, danke schön. Also«, fuhr Douglas fort und las das oberste Blatt des Papierstapels vor sich, »bis zu diesem Quartal hast du vier stramme Söhne und vier gesunde Töchter bekommen. Der arme kleine Daniel ist diesen Winter gestorben. Amys Sturz scheint keinen bleibenden Schaden hinterlassen zu haben. Ist dies der neueste Stand?«

»Ich werde ein weiteres Baby haben, es kommt im August. Die Mutter scheint gesund und munter zu sein.«

Douglas stöhnte auf. »Na denn. Ihr Name?« Ryder sagte es ihm, und Douglas schrieb ihn nieder. Er hob den Kopf. »Stimmt jetzt alles?«

Ryders Lächeln erlosch. Mit einem Zug leerte er den letzten Rest Brandy. »Nein. Benny ist letzte Woche an Fieber gestorben.«

»Davon hast du mir nichts erzählt.«

Ryder zuckte mit den Achseln. »Er war nicht einmal ein Jahr alt, aber so ein helles Köpfchen, Douglas. Ich wußte, du warst mit der Fahrt nach London und deinem Besuch im Kriegsministerium beschäftigt. Es war ein Begräbnis in ganz kleinem Rahmen. Seine Mutter wollte es so.«

»Tut mir leid«, erklärte Douglas. Dann verfinsterte sich seine Miene wieder, eine Angewohnheit, die Ryder schon aufgefallen war und die ihm kein bißchen behagte. »Wenn das Baby im August fällig ist, warum hast du mir nichts davon bei unserem letzten Vierteljahrestreffen verraten?«

Darauf antwortete Ryder schlicht: »Die Mutter hatte es mir nicht gesagt. Sie befürchtete, ich würde nicht mehr mit ihr ins Bett gehen.« Er hielt inne und blickte durchs Erkerfenster auf den östlich gelegenen Rasen. »Dummes Ding. Ich wäre nie draufgekommen, daß sie ein Kind erwartet, obwohl, eigentlich hätte ich es ja erraten müssen. Das Kind in ihrem Bauch ist schon recht groß. Gut möglich, daß sie mir Zwillinge schenkt.«

Ryder wandte sich vom Fenster ab und nippte an seinem Brandy. »Etwas habe ich noch vergessen. Da gibt es eine gewisse Nancy.«

Douglas ließ das Blatt sinken. »Nancy wer?«

»Nancy Arbuckle, die Tochter des Tuchhändlers auf der High Street in Rye. Sie erwartet ein Kind, mein Kind. Sie hat Zeter und Mordio geschrien, bis ich ihr erklärte, sie bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Die Sherbrookes würden sich immer um ihre Nachkommen kümmern. Vielleicht heiratet sie sogar einen Kapitän zur See. Dem macht es anscheinend nichts aus, daß sie ein Kind von einem anderen erwartet.«

»Tja, nicht schlecht.« Douglas machte einen neuen Zählstrich und hob die Augen. »Zurzeit unterstützt du sieben Kinder und deren Mütter. Außerdem hast du zwei weitere Frauen geschwängert, deren Kinder in diesem Herbst erwartet werden.«

»Ich denke, das stimmt. Vergiß nicht, eventuell kommen Zwillinge zur Welt oder Nancy heiratet ihren Kapitän zur See.«

»Kannst du denn deine verdammte Rute nicht in der Hose lassen?«

»Nicht besser als du, Douglas.«

»Schon gut, aber warum ziehst du dich nicht zurück, ehe du deinen Samen in eine Frau ergießt?«

Ryder schoß das Blut ins Gesicht, ein ziemlich bemerkenswerter Vorgang, und er antwortete kleinlaut: »Irgendwie setzt mein Verstand aus. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, aber ich kann mich nicht zurückziehen, wenn ich einmal dort bin, um es mal so zu formulieren.« Er sah seinen Bruder durchdringend an. »Ich bin nicht so ein kalter Fisch wie du, Douglas. Du könntest dich selbst aus einem Engel lösen. Verliert dein Verstand nie den Überblick, geht er nie in Luft auf? Verspürst du nie den Wunsch, weiterzustoßen und zu stoßen, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden?«

»Nein.«

Ryder schnaubte. »Na ja, ich bin eben nicht so diszipliniert wie du. Hast du immer noch nur zwei Kinder?«

»Nein, der Kleine ist gestorben, während ich in London war. Jetzt ist nur noch Cynthia übrig, ein liebes Kind, vier Jahre alt.«

»Tut mir leid.«

»Es war zu erwarten und nur eine Frage der Zeit. Das haben die Ärzte der Mutter wiederholt erklärt. Ich bin nicht nur nach London gefahren, um Lord Avery im Kriegsministerium einen Besuch abzustatten, sondern auch um Elizabeth zu sehen. Sie hatte mir vom Zustand des Kleinen geschrieben. Seine Lunge war nie richtig entwickelt.« Douglas zog ein sauberes Blatt Papier hervor und fügte die Zahlen des letzten Vierteljahres ein.

»Deine Lüsternheit wird immer kostspieliger«, bemerkte er nach einem Augenblick. »Verdammt kostspielig.«

»Schau nicht so böse drein, Douglas. Du bist übermäßig reich, so wie ich. Großonkel Brandon wäre höchst zufrieden, daß sein Erbe an mich auf so hervorragende Weise genutzt wird. Er war ein lüsterner alter Knabe bis in die hohen Achtzig. Das hat er mir zumindest erzählt. Er hat allerdings immer angegeben wie ein Sack voller Flöhe.«

»Du sagst doch immer, wir tragen die Verantwortung für unsere Bastarde, und ich bin da ganz deiner Meinung. Ich bin auch mit diesem Plan hier von dir einverstanden. Er garantiert, daß wir keinen übergehen. Was wärst du doch für ein General geworden! Schade, daß du dein Offizierspatent schon als Major verkaufen mußtest.«

Ryder lachte gerade, als sich die Tür des Schloßherrenzimmers öffnete. »Ah, wenn das nicht Tysen ist! Tritt ein, Bruder, unser Treffen ist fast schon vorüber. Douglas hat mir soeben erklärt, daß meine Lüsternheit bald tiefe Löcher in meine Brieftasche reißen wird. Er stellt gerade seine Buchhaltung fertig. Heraus kommt eine wirklich magere Zahl, besonders wenn man bedenkt, was noch alles machbar wäre, stünden einem mehr Felder zur Verfügung, die man beackern und besäen könnte.«

»Was für ein Treffen?« erkundigte sich Tysen, als er ins Schloßherrenzimmer eintrat. »Was für eine Zahl? Was für Felder?«

Ryder warf einen schnellen Blick zu Douglas. Der zuckte nur mit den Achseln und lehnte sich in seinen Stuhl mit gekreuzten Armen vor der Brust zurück. Er machte ein mokantes Gesicht. Hätte Ryder ihn nicht so gut gekannt, käme er ihm eher verärgert denn verhalten amüsiert vor.

Ryder wandte sich an Douglas: »Hör zu, Bruder, Tysen will Pfarrer werden. Daher ist es notwendig, daß er die männliche Schwäche kennenlernt, bei der es sich, mal ganz deutlich ausgedrückt, um elementare Begierde handelt. Paß auf, Tysen, das ist unser Vierteljahrestreffen, um die gegenwärtige Zahl der Sherbrooke-Bastarde festzulegen.«

Tysen starrte die beiden entsetzt an, dann warf er einen gequälten Blick zu Douglas. »Euer was?«

»Du hast mich schon richtig verstanden«, erwiderte Ryder. »Du bist jetzt fast einundzwanzig Jahre alt. Es ist an der Zeit, daß du unserem Treffen beiwohnst. Der Zeitpunkt ist doch gekommen, ihn einzubeziehen, nicht wahr Douglas? Schließlich wollen wir doch nicht, daß er uns einen völlig unbekannten Bastard unterjubelt, oder? Denk an unseren Ruf. Also gut, mein Junge, hast du irgendeines der Dorfmädchen geschwängert?«

Tysen stand da wie vom Schlag gerührt. »Natürlich nicht! Nie würde ich etwas so Abscheuliches tun! Ich werde ein Mann Gottes werden, ein Pfarrer, ein Hirte, der seine rechtschaffene und fromme Herde führt und ...«

Ryder verdrehte die Augen. »Bitte, hör auf! Kaum auszuhalten, daß ein Sherbrooke so etwas sagen kann und obendrein noch daran glaubt. Es könnte einem dabei regelrecht übel werden. Wirklich schade, daß du genauso bist, wie du aussiehst, Tysen, aber man verliert ja nie die Hoffnung. Besonders wenn man ein optimistisches Naturell hat.«

»Geht der Optimismus Hand in Rute mit der Lüsternheit?« fragte Douglas wie unbeteiligt in den Raum.

Ryder prustete los, Tysen blickte nur verdutzt. Natürlich, seine Brüder waren Männer mit Lebenserfahrung, sie wußten über Dinge Bescheid, an die er kaum einen Gedanken verschwendete, aber was hatte dieser Witz zu bedeuten? Ein Treffen, um ihre Bastarde zu zählen? Schweiß trat ihm auf die Stirn. Langsam bewegte er sich auf die Tür zu.

»Wenigstens lächeln könntest du, Tysen«, bemerkte Douglas. »Auch ein Pfarrer darf Humor haben, weißt du.«

»O nein«, erwiderte Tysen. »Es ist nur – natürlich kann ich lächeln, es ist nur ...«

»Du führst keinen deiner Sätze zu Ende, Tysen«, stellte Ryder abschätzig fest. »Du wiederholst dich.«

»Nun, ein Mann Gottes darf seine grenzenlose Menschenliebe mit einer speziellen Art von Liebe verbinden. Versteht ihr, ich kann durchaus eine junge Dame lieben, und, na ja, das tu ich auch!«

»O Jesus«, entfuhr es Ryder und wandte sich mit gespielter Abscheu ab. »Magst du jetzt einen Schluck Brandy, Douglas?«

»Da dreht es einem ja den Magen um«, empörte sich Douglas, »wahrscheinlich könnte ich den Brandy nicht mal behalten vor lauter Schreck. Nein danke, Ryder.« Dann erbarmte er sich Tysen, dessen magere Wangen erschreckend rot angelaufen waren. »Wer ist die Kleine, Tysen? Sicherlich handelt es sich bei dir als zukünftigem Pfarrer nicht um eine Schauspielerin oder ein Ladenmädchen?«

»Nein«, antwortete Tysen mit gefestigter Stimme und schon sehr in Richtung unpriesterlicher Schwärmerei. »Ihr Name ist Melinda Beatrice, und sie ist die Tochter von Sir Thomas Hardesty.«

Ryder stieß einen Fluch aus. »Ich kenne die Zimperliese. Albern, Douglas, und zickig, mein Gott! Sie tut so, als sei sie besser als alle anderen. Zudem hat sie keine nennenswerten Brüste. Ihre Augen sind wässrig, sie hat spitze Ellbogen, und sie verfügt über zwei Vornamen, die die Eltern auch tatsächlich alle beide benützen. Das ist schlicht zu viel. Zwei Vornamen!«

»Sie wird eine wunderbare Ehefrau für einen Pfarrer!« Tysen hätte seine Göttin noch weiter verteidigt, aber er hielt abrupt inne, denn Douglas erhob sich vom Stuhl und durchbohrte ihn mit seinem Blick. Ryders Beleidigungen waren durch Douglas’ Miene, einem Ausdruck, der bedenklich dem ihres nun verstorbenen Vaters erinnerte, auf der Stelle vergessen. Tysen wich immer weiter zurück, langsam, sehr langsam, bis er gegen die geschlossene Tür gedrückt stand. Douglas sprach mit samtweicher Stimme. »Willst du mir damit sagen, daß du im Alter von zwanzig Jahren dir darin gefällst, dich in ein Mädchen zu verlieben, die dir in Abkunft und Vermögen ebenbürtig ist? Ist etwa die Rede von den Hardesty von Blaston Manor?«

»Ja«, antwortete Tysen. »Außerdem bin ich fast einundzwanzig.«

»Kindskopf«, bemerkte Ryder ungerührt und schnippte ein Staubkörnchen von seinem Ärmel. »In ein paar Monaten ist er darüber hinweg, Douglas. Weißt du noch, wie du dir die Tochter des Herzogs eingebildet hast? Wann war das noch gleich – ach ja, vor etwa drei Jahren glaubtest du Hals über Kopf verliebt zu sein. Du hattest Heimaturlaub wegen deiner Schulterverletzung. Also, wie war doch gleich ihr Name? Melissande – ja, das war er.«

Douglas machte eine schneidende Handbewegung durch die Luft, um Ryder zum Schweigen zu bringen. »Du hast doch nicht etwa mit Sir Thomas gesprochen, oder?«

»Woher denn?«, gab Tysen zurück. »Du bist das Familienoberhaupt, Douglas.«

»Vergiß das ja nicht. Ich kann mir das nämlich nicht leisten. Versprich mir, keinen Heiratsantrag zu machen, wenn dich die Kleine anlächelt und dir einen flüchtigen Blick auf ihre Fesseln erlaubt. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Mädchen, wenn sie auf die Welt kommen, schon alle raffinierten Tricks kennen, um das einfältige männliche Wesen zu verführen. Also sei auf der Hut, verstanden?«

Tysen nickte und fügte eilig hinzu: »Aber nicht Melinda Beatrice, Douglas. Sie ist liebenswürdig und aufrichtig. Sie hat eine so liebe Art. Sie ist die Güte in Person. Dies alles wird sie zu einer wunderbaren Hirtin meiner Herde machen, eine unschätzbare Gehilfin. Niemals würde sie ...« Er bemerkte, wie seine beiden Brüder kurz davor waren, in ungläubiges Gelächter auszubrechen. Er biß die Zähne zusammen, seine Stirn umwölkte sich, seine Haltung wurde steif. »Deshalb bin ich nicht gekommen, Douglas. Tante Mildred und Onkel Albert sind hier und wollen mit dir sprechen.«

»Ha! Mir eine Predigt halten, käme eher hin. Ich nehme an, du hast die Hausangestellten angewiesen, das Gepäck auf die Zimmer zu bringen und dich angeboten, mich zu finden, um ihren Argusaugen zu entkommen?«

»Na ja, stimmt schon.« Tysen verstummte, als Douglas laut aufseufzte, dann fuhr er in entschuldigendem Ton fort: »Ja, du hast recht, was ihren Besuch betrifft. Ich habe sie über die Marquess of Dacres’ älteste Tochter reden hören, Juliette, ein hochkarätiger Diamant, wie Tante Mildred sich ausgedrückt hat, und genau die Richtige für dich.«

Douglas machte ein süffisantes Gesicht und blieb stumm wie ein Stein.

»Gott schenke dir ein langes Leben, Douglas«, sagte Ryder inbrünstig. »Ich achte dich und bin dir bis zu meinen Zehenspitzen dankbar dafür, daß du der älteste Sohn und somit der vierte Earl of Northcliffe, der sechste Viscount Hammersmith, der neunte Baron Sanderleigh, und daher das Angriffsziel ihrer gesamten Kanonenkugeln bist.«

»Auch ich achte dich, Douglas«, erklärte Tysen. »Du stellst einen prächtigen Grafen, Vicomte und Baron dar. Ich bin sicher, daß Onkel Albert und Tante Mildred der gleichen Meinung sind. Die ganze Familie stimmt darin überein, wenn du nur heiraten würdest und ...«

»O Gott, nicht jetzt auch noch du, Tysen! Wie immer, dazu besteht keinerlei Hoffnung«, fügte er hinzu, während er sich von seinem Stuhl erhob. «Tysen, deine Dankbarkeit wird mir zweifellos helfen, alles durchzustehen. Bete für mich, mein kleiner Bruder. Unser Treffen in diesem Quartal ist vertagt, Ryder. Ich denke, ich werde mit deinem Kammerdiener Tinker ein Wort reden, und zusehen, ob er dir nicht deine umtriebige Rute an den Reithosen festnähen könnte.«

»Der armte Tinker, er wäre entsetzt, mit einer solchen Aufgabe betraut zu werden.«

»Nun, ich kann schlecht eines der Dienstmädchen damit beauftragen. Das würde sicherlich den Zweck unseres Paktes verfehlen.«

»Armer Douglas«, bemerkte Ryder, nachdem sein Bruder den Raum verlassen hatte.

»Was hat denn Douglas mit eurem Pakt gemeint?« erkundigte sich Tysen.

»Ach, wir haben beide das Versprechen abgegeben, daß kein bei uns angestelltes weibliches Wesen berührt werden darf. Wenn deine Verliebtheit endgültig verflogen ist und du deine fünf Sinne wieder beisammen hast, werden wir uns auch deine Zusicherung holen.«

Tysen beschloß, sich mit seinem Bruder in keine Diskussion einzulassen. Er stand über solchen Dingen. Er würde Pfarrer werden, seine Gedanken und Taten würden stets keusch sein. Außerdem, soweit seine Erinnerung reichte, war er in Auseinandersetzungen bei keinem seiner zwei Brüder je als Sieger hervorgegangen, und so sagte er nur: »Das Mädchen, mit dem sie ihm in den Ohren liegen, soll wirklich wunderschön sein.«

»Sie sind alle wunderschön mit einem Kopfkissen überm Gesicht«, erklärte Ryder und verließ das Schloßherrenzimmer.

An einem dunklen spanischen Tisch aus Mahagoni lehnte Sinjun mit gekreuzten Armen und der sorglosen, unbeschwerten Miene eines Fohlen. Sie summte ein Lied und hörte sofort auf, als Ryder sie erspähte. »Na, wie lief das Treffen?«

»Halte deine Zunge im Zaum, du Range.«

»Schon gut, Ryder, ich bin zwar jung, aber nicht blöd.«

»Laß es gut sein, Sinjun.«

»Wie geht es denn all deinen Lieben?«

»Es geht allen ausgezeichnet, vielen Dank.«

»Ich bin stumm wie eine Seifenschüssel«, erklärte sie feixend, warf ihm einen Kuß zu und verschwand wie ein Lausbub pfeifend in Richtung Küche.

KAPITEL 2

Der Graf war angespannt. Er fühlte in seinem Inneren, daß sich irgendetwas zusammenbraute, etwas Unangenehmes. Er haßte diese Art von Gefühlen. Sie machten ihn hilflos und gereizt. Andererseits wußte er genau, es wäre dumm, sie zu ignorieren. Da sich die Regierung in einem Zustand der höchsten Verwirrung befand und dieser armselige Narr Addington herumflatterte wie ein kopfloses Huhn, vermutete er, daß diese Anspannung in seinem Inneren wohl aus seiner Besorgnis vor Napoleon herrührte.

Wie alle Engländer, die an der südlichen Küste Englands lebten, befürchtete er eine Invasion. Zwar schien es nicht wahrscheinlich, zumal die Engländer den Kanal fest in der Hand hatten. Aber andererseits unterschätzte nur ein Dummkopf einen Mann von Napoleons militärischem Genie und unerbittlichem Bestreben, Englands Vernichtung voranzutreiben.

Douglas stieg von Garth, seinem Reitpferd, herab und ging bis an die Steilküste. Donnernd schlug die Brandung gegen die Klippen und spie flockenartige, schaumweiße Wassertropfen hoch in die Luft. Tief sog er die salzige Luft in seine Lungen, spürte die Meeresluft beißend und naß in seinem Gesicht. Es blies ein scharfer, heftiger Wind, der seine Haare um sein Gesicht peitsche und ihm das Wasser in die Augen trieb. Es war ein bewölkter, trüber Tag. Heute konnte er Frankreich nicht sehen, aber bei klarem Himmel erblickte er von diesem günstigen Punkt aus Boulogne und die nordöstlich gelegene raue Küste bis nach Calais. Er hielt die Hand vor die Augen und starrte in diese graue Welt. Die Wolken wälzten und überholten sich, teilten sich aber nicht, sondern nahmen eher an Volumen zu, ihre Massen schienen sich fester aneinanderzudrücken. Als er hinter sich ein Pferd herangaloppieren hörte, das schließlich zum Stehen kam, drehte er sich nicht einmal um.

»Dachte ich mir doch, daß du hier bist, Douglas. Das ist dein Lieblingsplatz zum Nachdenken.«

Er wandte sich mit einem Begrüßungslächeln seiner jungen Schwester zu, die rittlings auf ihrer Stute Fanny saß. »Ich sollte lieber nicht so abschätzbar sein. Weder beim Frühstück noch beim Mittagessen habe ich dich gesehen, Sinjun. Hat Mutter dich wegen Ungehorsamkeit bestraft?«

»I wo, ich hatte die Zeit vollkommen vergessen. Ich studierte gerade mein ...« Sie brach ab, rutschte behände vom Sattel und ging mit großen Schritten auf ihren Bruder zu. Ein hochaufgeschossenes, überschlankes Mädchen, mit langen Beinen und wildem hellem Haar, das in dichten Locken ihr Gesicht umrahmte und wohl einstmals von einem nun gewiß schon lange verlorengegangenen Haarband im Nacken zusammengehalten worden war. Ihre Augen, von lebhaftem, klarem Himmelblau, blickten heiter und klug. Alle seine Geschwister hatten diese blauen Augen und das dichte helle Haar der Sherbrookes, doch Sinjuns Haare waren noch um einiges heller und schimmerten wie das Sonnenlicht. Alle, außer ihm.

Douglas hatte Augen so schwarz wie die Sünde, wie ihm sein Kindermädchen vor vielen Jahren lachend erzählt hatte. In der Tat glich er einem heidnischen Kelten. Mit der dunkelgetönten Haut und seinen pechschwarzen Haaren erinnerte er an den Ritter mit dem Pferdefuß persönlich.

Noch sehr jung hatte er ein Gespräch belauscht, in dem sein Vater seine Mutter bezichtigte, sie hätte ihm Hörner aufgesetzt, denn sein Sohn ähnelte keinem der Sherbrookes, weder laut ihrer in Schrift noch in ihren Porträts niedergelegten Geschichte. Douglas hatte es noch im Ohr, wie sich seine Mutter immer wieder für etwas entschuldigt hatte, was sie für einen persönlichen Fehler hielt, nämlich die Erzeugung dieses so aus der Reihe fallenden Sherbrooke-Erben. Ry wurde nicht müde, Douglas immer wieder zu erklären, daß gerade aufgrund seines unsherbrookehaften strengen und furchteinflößenden Aussehens ihm jeder sofort aufs Wort gehorchte.

Doch jetzt, als Douglas seine Schwester ansah, war sein Ausdruck alles andere als streng. Sie trug Reithosen wie er, ein loses weißes Hemd und eine hellbraune Lederweste. Ihre Mutter, das war ihm klar, würde wie ein Klageweib aufheulen, erblickte sie ihre Tochter in dieser Kleidung. Aber eigentlich regte sich ihre Mutter immer über irgend etwas auf.

»Was hast du denn gerade studiert?«

»Nicht wichtig. Du machst dir wieder Sorgen, nicht wahr?«

»Einer muß es ja, zumal sich unsere Regierung offensichtlich keine Gedanken über unseren Schutz machen will. Napoleon hat die bestausgebildetsten und erfahrensten Soldaten ganz Europas unter sich, und sie sind fest entschlossen, uns zu besiegen.«

»Stimmt es, daß Fox zurückkehren und Addington abgesetzt werden soll?«

»Er soll krank sein, und die Zeit ist noch nicht reif, Addington seines Amtes zu entheben. Fox ist ebenso irregeführt und liberal eingestellt wie Addington, aber wenigstens besitzt er Führungsqualität und ist nicht wankelmütig. Ich denke, du weißt ebenso wie ich darüber Bescheid.« Er kannte die geistige Frühreife seiner Schwester sehr wohl – besser, ihre Belesenheit, ihr Interesse an Fragen und Themen, die eigentlich weit über ihre Jahre hinausgingen, Dinge, bei denen die meisten Damen und Herren aus Gleichgültigkeit vollkommen verständnislos dreingeschaut hätten. Sie schien ihn besser zu verstehen als seine beiden Brüder, seine Mutter und die ganzen unzähligen Sherbrooke-Verwandten. Er hatte sie sehr ins Herz geschlossen.

»Nein, du irrst«, antwortete sie. »Aber als du letzte Woche nach London gefahren bist, um mit all diesen Herren zu reden, hast du bestimmt viel erfahren. Du hast mir noch gar nichts über die Stimmung im Kriegsministerium erzählt. Und was ich noch sagen wollte, Douglas, du hast schließlich alle Männer auf unseren Farmen und auch in einigen der Dörfer bewaffnet. Du hast immer wieder mit ihnen exerziert.« Unmittelbar nach diesen sehr erwachsen klingenden anerkennenden Worten kicherte sie wie ein junges Mädchen. »Es war urkomisch zu sehen, wie Mr. Dalton so tat, als würde er die Franzosen mit seinem knotigen Stock verjagen!«

»Am besten war er beim Rückzug und Verstecken. Lieber hätte ich seine Frau ausgebildet. Sie gäbe genau den Typ des mitleidlosen Soldaten ab, vor dem die Franzosen das Fürchten lernen könnten.«

Plötzlich sagte Sinjun, während ihre Augen einen grauen Schimmer bekamen: »Gestern Nacht habe ich die jungfräuliche Braut gesehen.«

»Ich habe gehört, wie du es deinen Freundinnen erzählt hast. Deine Zuhörerschaft schien sehr empfänglich, wenn auch so leichtgläubig, daß es direkt peinlich war. Aber, mein liebes Mädchen, das Ganze ist natürlich Humbug, und das weißt du auch. Du mußt wohl Rüben zum Abendbrot gegessen haben, die deine Träume in Geistererscheinungen verwandelt haben.«

»Ich habe sie tatsächlich in der Bibliothek gesehen.«

»Ach? Ich flehe dich an, sag deiner Mutter kein Wort davon, solltest du meine griechischen Dramen durchblättern. Ihre Reaktion darauf wäre nicht auszudenken.«

Sie lächelte zerstreut. »Ich habe sie schon alle vor zwei Jahren gelesen, Douglas.«

Er klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn. »Ich hätte es wissen müssen.«

»Ich glaube, das interessanteste hieß Lysistrata. Aber ich habe nicht verstanden, warum die Frauen davon ausgehen konnten, ihre Männer würden mit dem Kämpfen aufhören, wenn sie drohten zu ...«

»Ja, ja, ich weiß, was die Frauen getan haben«, unterbrach er hastig, entsetzt und amüsiert zugleich. Er sah sie an und überlegte, ob er ihr vielleicht irgendetwas wie eine brüderliche Moralpredigt halten, oder wenigstens gegen ihre Lektüre Einspruch erheben sollte. Ehe ihm noch etwas Angemessenes einfiel, fuhr Sinjun nachdenklich fort: »Als ich gegen Mitternacht die Treppen hinaufstieg, sah ich durch den Türschlitz Licht im Zimmer der Gräfin, das gleich neben deinem liegt. So leise ich konnte, öffnete ich die Tür, und da stand sie neben dem Bett, ganz in Weiß, und wimmerte vor sich hin. Sie sah genauso aus wie man sie in allen Geschichten beschrieben hat. Wunderschön, mit langen glatten Haaren bis zur Taille und so blond, daß es beinahe weiß wirkte. Sie wandte sich um und blickte mich an, und dann verschwand sie einfach. Doch ehe sie es tat, das schwöre ich dir, hat sie mir etwas sagen wollen.«

»Das waren die Rüben«, meinte Douglas. »Vergiß nicht, du hast welche gegessen. Ich glaube ganz einfach nicht an den Geist. Kein Mensch bei gesundem Verstand könnte an eine Geistererscheinung glauben.«

»Das kommt daher, weil du sie nicht gesehen hast und keinem weiblichen Wesen ein vernünftiges Verhältnis zur Wahrheit zutraust. Da ziehst du Gemüse als Erklärung vor.«

»Rüben, Sinjun, Rüben.«

»Na gut, trotzdem habe ich sie gesehen, Douglas.«

»Wie kommt es nur, daß nur Frauen sie gesehen haben?«

Sinjun zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht, ob sie nur Frauen erscheint. Allen früheren Grafen, die über sie geschrieben haben, behaupten, es waren nur Frauen, aber wer weiß? Meiner Erfahrung nach sind Männer nicht bereit, ein Ereignis, das die Ebene des Alltäglichen überschreitet, anzuerkennen. Sie wollen wohl nicht riskieren, einen Narren aus sich zu machen.«

Douglas fragte so süffisant wie möglich: »Deiner Erfahrung nach? Du meinst also, unsere jungfräuliche Braut stand am Bett und beklagte ihre Unberührtheit, da sie wußte, ihr Bräutigam käme nimmer mehr? Und sie wäre nun dazu verdammt, niemals Ehefrau und Mutter zu werden?«

»Vielleicht.«

»Wahrscheinlich hat das junge Ding sich innerhalb eines Jahres wiederverheiratet, sechzehn Kinder auf die Welt gebracht wie jede anständige Frau im sechzehnten Jahrhundert und ist an Altersschwäche mit schlampigen grauen Haaren und keinem einzigen Zahn im Mund gestorben.«

»Du bist kein bißchen romantisch, Douglas.« Sinjun blickte nach oben, um einen Falken zu beobachten, der knapp über ihnen hinwegflog, die glatt gefiederten Flügel weit ausgebreitet, ein prachtvoller Anblick. Dann warf sie Douglas ein strahlend-freudiges Lächeln zu. Es versetzte ihm einen Schock. Sie war ein kleines Mädchen, nur fünfzehn Jahre alt, aber dieses wundersame Lächeln verhieß schon die zukünftige Frau in ihr.

»Ich habe sie aber gesehen, Douglas, und die anderen auch. Du weißt doch, es gab eine junge Frau, deren Mann nach drei Stunden Ehe ermordet wurde, und die sich, nachdem sie die Nachricht erfuhr, das Leben nahm. Sie war erst achtzehn Jahre alt. Sie hatte ihn so sehr geliebt, daß sie das Leben ohne ihn nicht ertragen konnte. Es war sehr tragisch. Audley Sherbrooke, der erste Earl of Northcliffe, hat alles genau aufgezeichnet. Sogar Vater hat einmal etwas über sie geschrieben.«

»Ich weiß, aber sei versichert, ich werde kein einziges Wort über dieses Hirngespinst niederschreiben. Alles Unsinn und dummes Zeug, von überdrehten Frauen weitergegeben. Sei versichert, bei mir wird die jungfräuliche Braut ihr ewiges Umherirren aufgeben. Zweifellos haben unsere Vorfahren diese Berichte an langen Winterabenden zum besten gegeben, als es ihnen langweilig war und sie sich und ihre Familien zu unterhalten suchten.«

Sinjun schüttelte bloß den Kopf und berührte seinen Ärmel mit spitzen Fingern. »Es hat keinen Zweck, sich mit dir vernünftig zu unterhalten. Habe ich dir eigentlich schon erzählt, meine Freundinnen – Eleanor und Lucy Wiggins – sind beide verliebt in dich. Sie flüstern und kichern und behaupten auf eine Art, daß es einem ganz schlecht wird, sie würden sofort in Ohnmacht fallen, wenn du sie auch nur anlächelst.« Nachdem sie ihm dieses Jungmädchengeheimnis anvertraut hatte, fügte sie hinzu: »Du bist ein geborener Anführer, und das hat in der Armee seine Wirkung gehabt, genauso wie es jetzt hier seine Wirkung hat. Und die jungfräuliche Braut habe ich doch gesehen.«

»Hoffentlich hast du recht. Und was dich betrifft, zu viele Rüben und gewagte griechische Dramen. Ach, und gib Eleanor und Lucy ein paar Jahre Zeit. Es wird dann Ryder sein, der ihnen Seufzer entlockt und sie zu Ohnmachtsanfällen bringen wird.«

»Du liebe Güte«, erwiderte darauf Sinjun und zog ihre Stirn in Falten. »Du mußt Ryder das Versprechen abnehmen, sie nicht zu verführen, es wäre ein zu leichtes Spiel für ihn. Sie sind nämlich furchtbar albern.« Sinjun schwieg. Offensichtlich war Douglas wieder ganz woanders.

Er dachte gerade darüber nach, wie auch er seinen Besitz hüten und schützen könnte – wie einst sein Vorfahre in ferner Vergangenheit, Baron Sanderleigh, der Northcliffe vor der Armee der Rundköpfe errettete. Es war ihm durch ausgeklügelte List gelungen, Cromwell die Unterstützung seiner Familie glaubhaft zuzusichern, genau wie später Charles II. Die ganzen folgenden Generationen hindurch hatten die Sherbrookes die Kunst des Ränkespiels immer weiter verfeinert, um sich und ihre Ländereien zu erhalten. Sie hatten Königen und Ministern Mätressen von beachtlichen geistigen Talenten und körperlichen Vorzügen zukommen lassen, sie hatten in der Diplomatie geglänzt und beim Militär gedient. Man munkelte sogar, Queen Anne hätte sich in einen Sherbrooke General verliebt. Alles in allem hatten sie ihr Vermögen vermehren und Northcliffe bewahren können.

Er schüttelte den Kopf und trat von der Klippe zurück. Kürzlich hatte es einen Sturm gegeben und der Boden unter seinen Füßen war nicht allzu fest. Er warnte Sinjun davor, setzte sich auf einen Felsbrocken und verfiel wieder ins Grübeln.

»Sie werden dich nicht in Ruhe lassen, Douglas.«

»Ich weiß«, erwiderte er und machte keinerlei Anstalten, den Unwissenden zu mimen. »Verflixt, sie haben ja recht. Ich bin ein sturer Scheiß-, äh, ich meine Idiot gewesen. Ich muß mich verheiraten und meiner Frau ein Kind machen. Eins habe ich beim Militär gelernt, das Leben ist fragiler noch als die Flügel eines Schmetterlings.«

»Ja, und dein Kind wird der zukünftige Earl of Northcliff. Ich liebe Ryder ebenso sehr wie du, aber er würde den Titel nicht annehmen. Er will sich durchs Leben lachen und lieben und es nicht damit verbringen, daß er sich mit einem Verwalter auseinandersetzt, die Haushaltsbücher überprüft oder mit Farmern abgibt, die sich darüber beklagen, daß es ihnen durchs Dach regnen würde. Er schert sich den Teufel um all den Pomp, die hohen Stellungen, die Kniefälle. Er ist kein ernsthafter Mensch.« Sie lächelte kopfschüttelnd, wobei sie mit der Stiefelspitze gegen einen Stein stieß. »Das heißt, in allen Angelegenheiten eines Grafen ist er kein ernsthafter Mensch. Bei anderen Sachen verhält es sich natürlich anders.«

»Was zum Teufel soll das nun wieder heißen?«

Darauf lächelte Sinjun nur und hob die Schultern.

In diesem Augenblick wurde es Douglas klar, daß er einen Entschluß gefaßt hatte; mehr noch, er wußte auch schon, wen er heiraten würde. Ryder selbst hatte sie während einem ihrer Treffen mitgebracht. Das junge Mädchen, das es ihm vor drei Jahren angetan hatte, die schöne, hinreißende Lady Melissande, Tochter des Duke of Beresford, die ihn hatte haben wollen und geweint hatte, als er fortging. Für das, was sie als Verrat empfunden hatte, hatte sie ihm Schimpfnamen an den Kopf geschleudert. Doch vor drei Jahren hatte er sich ausschließlich dem Militär, der Vernichtung Napoleons und der Errettung Englands gewidmet.

Heutzutage widmete er sich ausschließlich der Erhaltung Northcliffs und der Sherbrooke-Linie.

Laut sagte er: »Ihr Name ist Melissande, sie ist einundzwanzig Jahre alt und die Tochter von Edouard Chambers, dem Duke of Beresford. Ich habe sie kennengelernt, da war sie achtzehn Jahre alt – und sie wieder verlassen, denn damals hatte ich keinerlei Bedürfnis, mich zu vermählen. Wie’s der Teufel will, ich war nur aufgrund der Kugel in meiner Schulter zu Hause gewesen. Gut möglich, daß sie schon lange verheiratet und Mutter ist. Ach, Sinjun, sie war ja so schön, so lebhaft, sorglos und heiter, und im Hintergrund hat sie den altehrwürdigen Namen Chambers, der erst zu Zeiten ihres Großvaters etwas an Glanz verloren hat. Vor drei Jahren war keine erwähnenswerte Mitgift für sie vorhanden. Aber es wäre mir gleichgültig, wenn sie mit nichts als bloß einem Hemd bekleidet zu mir käme. Tja, ihr Bruder ist auch so ein Tunichtgut. Er sorgt in London durch seine Zügellosigkeit für einen schlechten Ruf. Er ist lasterhaft und ein Verschwender, der jeden Guinea, den er kriegen kann, sofort verspielt. Gut möglich, daß durch ihn die Chambers-Linie ausstirbt.«

»Ich finde es sehr nobel von dir, daß dich die Mitgift nicht kümmert, Douglas. Mutter sagt ja immer wieder, sie sei die einzige Grundlage einer Ehe. Vielleicht hat deine Melissande auf dich gewartet. Ich jedenfalls hätte es getan. Vielleicht hat sie niemand zur Frau genommen, weil kein Geld da war, obwohl sie die Tochter des Herzogs und wunderschön ist. Oder was wäre, wenn sie doch einen anderen geheiratet hat und jetzt Witwe ist? Es ist gut möglich, daß ihr Mann soviel Anstand besessen hat, zu sterben. Das würde alle deine Probleme lösen.«

Daraufhin mußte Douglas lächeln und nickte zustimmend. Es tat ihm gut, seine Gedanken und Pläne bei Sinjun laut aussprechen zu können. In der Tat, Melissande hatte ihm sehr gefallen, ihre unbekümmerte Art hatte ihn bezaubert, ihre raffinierten Kabalen fasziniert. Auch hatte er das dringende Verlangen verspürt, sie zu besitzen, er wollte sie zerzaust und Liebkosungen flüsternd erleben, die Augen voll grenzenloser Liebe zu ihm.

Sinjun meinte ruhig: »Wenn Melissande noch zu haben ist, dann brauchst du dir keine Sorgen darüber zu machen und die Zeit in London nicht auf der Suche nach einem passenden Mädchen zu verschwenden.«

»Du hast recht«, antwortete er, erhob sich und klopfte seine Reithosen ab. »Ich werde dem Duke of Beresford auf der Stelle schreiben. Sollte Melissande noch zu haben sein – Gott, das klingt gerade so, als wäre sie eine preisgekrönte Stute! –, dann könnte ich ja sofort nach Harrogate fahren und sie vom Fleck weg heiraten. Ich glaube, du wirst sie mögen, Sinjun!«

»Wenn du sie magst, mag ich sie auch, Douglas. Mutter wird es jedenfalls nicht tun, aber das macht nichts.«

Douglas konnte nur den Kopf schütteln. »Das stimmt. Weißt du, daß sie die einzige ist, die nie an mir herumnörgelt, ich sollte heiraten und einen Sherbrooke-Erben zeugen?«

»Weil sie nicht ihre Macht als Schloßherrin von Northcliffe verlieren will. Das Wittum-Haus ist zwar hübsch, aber sie hält es für unter ihrer Würde.«

»Manchmal erschreckst du mich, Kleines, das muß ich wirklich sagen.« Er strich durch ihr vom Wind wild durcheinanderfliegendes Haar und faßte sie mit einer Hand sanft unters Kinn. »Du bist von der guten Sorte.«

Sie nahm diesen Beweis seiner Zuneigung gelassen entgegen und meinte: «Weißt du, Douglas, ich habe mich gefragt, warum die jungfräuliche Braut ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt erscheint, aber nun ist es sonnenklar. Ich meine, sie ist erschienen, weil sie wußte, daß du heiraten willst. Vielleicht bedeutet ihr Erscheinen ein Omen; vielleicht will sie dich oder deine Melissande warnen, daß euch etwas zustoßen wird, wenn ihr nicht vorsichtig seid.«

»Dummes Zeug«, erwiderte der Earl of Northcliffe. »Trotzdem bist du von der guten Sorte, auch wenn du gelegentlich von überschäumender Fantasie bist.«

»›Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, Horatio, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt!‹«

»Ah, Sinjun, ich sage dir, ›Ruh, ruh, verstörter Geist‹.«

»Manchmal bist du wirklich kompliziert, Douglas.«

»Schmollst du, weil ich dich mit Shakespeare geschlagen habe?«

Ausgelassen knuffte sie seinen Arm. »Du bist zu prosaisch, Douglas, aber vielleicht legt sich das, wenn du einmal verheiratet bist.«

Douglas dachte an das heftige, leidenschaftliche Vergnügen, das er gedachte, mit Melissande zu genießen, wenn er einmal mit ihr das Bett teilen würde. »Manchmal, Kleines«, erklärte er mit einem schiefen Lächeln, »bist du erfreulich scharfsinnig.«

Der Graf wirkte zuversichtlich, als er nach Northcliffe Hall zurückkehrte. Alles würde gut werden. Schließlich besaß er, wie alle erstgeborenen Söhne seit unzähligen Generationen, das eigentümliche Glück der Sherbrookes, das ihn bis jetzt noch nie verlassen hatte. Er mußte sich also keine Sorgen machen.

Im Empfangssaal stand er neben seiner Schwester und lauschte eben dem Butler, Hollis, als sich ihre Mutter, Lady Lydia, auf sie zustürzte und auf der Stelle verlangte, daß Joan hinaufkommen, ihre höchst degoutante Kleidung wechseln und versuchen, wenigstens versuchen sollte, den Eindruck einer jungen Dame zu erwecken, trotz aller Hürden und Hindernisse, die Douglas und seine Brüder – die das dumme Ding regelrecht aufstachelten – ihr in den Weg legten.

»Erwarten wir Gäste, Mutter?« erkundigte sich Douglas und blinzelte Sinjun komplizenhaft zu.

»Jawohl, und wenn die Algernons – Almira ist ja so schrecklich pingelig, du weißt! –, wenn sie das Kind in diesen Reithosen und mit den Haaren wie eine ...« Sie stockte und Sinjun fügte schnell hinzu: «Wie eine Medusa, Mutter?«

»Eher wie eine abscheuliche Hexe aus einem deiner verstaubten Wälzer möchte ich meinen! Komm schon, Joan. Ach, Douglas, und bitte unterlasse es, deiner Schwester vor den Algernons diesen lächerlichen Namen zu geben!«

»Wußtest du, daß Algernon ›die Schnurrbärtigen‹ bedeutet? Es war der Spitzname von William de Percy, der einen Bart trug, zu einer Zeit, als jeder andere Gentleman glattrasiert war, und er ...«

»Schluß jetzt!« rief die verwitwete Countess of Northcliffe deutlich pikiert. »Genug von deinen klugen Bemerkungen, junge Dame. Ich habe dir schon wiederholt erklärt, Männer schätzen keine Klugheit bei weiblichen Wesen. Es irritiert sie und stellt ihre eigenen geistigen Fähigkeiten in den Schatten, es bringt sie an die Brandy-Flasche. Außerdem treibt es sie in Spielhöllen. Im übrigen will ich nichts mehr von diesem Sinjun-Unsinn hören. Dein Name lautet Joan Elaine Winthrop Sherbrooke.«

»Sinjun gefällt mir aber, Mutter«, erwiderte sie, obwohl sie die Finger ihrer Mutter schmerzhaft durch ihren Hemdsärmel spürte. »Ryder hat mir den Namen gegeben, als ich zehn Jahre alt war.«

»Scht«, zischte die Countess of Northcliffe, noch ahnungslos, daß sie bald ihrer Machtstellung verlustig gehen würde. »Du bist weder Saint John noch Saint Joan – Sinjun ist ein männlicher Spitzname. Du meine Güte, du trägst diesen albernen Namen, bloß weil Tysen sich in den Kopf gesetzt hatte, du seist die Heilige Johanna ...«

»Und darauf«, fuhr Douglas fort, »beschloß er sie zu martern, und so wurde aus ihr Saint Joan oder Sinjun.«

»Wie dem auch sei, ich will es nicht!«

Douglas erwiderte darauf nichts. Da er sich selbst kaum an den richtigen Namen seiner Schwester, Joan, erinnern konnte, zweifelte er nicht daran, daß seine Mutter in den kommenden Jahren noch sehr oft Sinjun würde hören müssen.

Douglas machte sich in die Bibliothek, um den Brief an den Duke of Beresford zu schreiben und abzuschicken. Er würde niemanden seine Pläne anvertrauen, ehe nicht der Herzog seinem Vorhaben zustimmte. Und natürlich auch Melissande. Bei Sinjun konnte er damit rechnen, daß sie darüber schwieg. Er bemerkte, daß er seiner kleinen Schwester mehr vertraute als seinen Brüdern. Schließlich war sie auch niemals betrunken. Außerdem gefiel ihm der Name Sinjun, doch zögerte er, sich den Wünschen seiner Mutter zu widersetzen. Sie war an so viele althergebrachten Vorstellungen gebunden, die ihn entsetzten; sie konnte manchmal boshaft und gemein mit dem Hauspersonal sowie mit ihren Kindern und den Nachbarn sein. Sie war mit einem Witz gesegnet, der so fade wie die Schildkrötensuppe der Köchin war; sie war plump, hatte rosige Wangen, feste Korkenzieherlöckchen rund um ihr Gesicht und mindestens drei Fettwülste unter dem Kinn. Sie jammerte beständig über ihre Pflichten, über die Mühen und Plagen, vier Kinder aufzuziehen. Er wußte nicht genau, ob er sie liebte, denn sie konnte manchmal unglaublich auf die Nerven gehen. Er wußte, sein Vater hatte sie gemocht, das hatte er Douglas vor seinem Tod anvertraut.

Hatte Sinjun recht? Hatte seine Mutter während der ganzen Eheattacken auf ihn geschwiegen, um zu vermeiden, daß ihr die Zügel über den Haushalt von einer zukünftigen Ehefrau aus der Hand gerissen wurden? Er versuchte sich Melissande vorzustellen, wie sie sich anschickte, den Haushalt in Northcliffe zu übernehmen und die Schloßschlüssel von seiner Mutter verlangte. Doch die Vorstellung wollte sich bei ihm nicht so recht einstellen. Er zuckte die Achseln; was machte es schon?

Und was war an einem einfachen Spitznamen wie Sinjun so schrecklich?

KAPITEL 3

Claybourn Hall, Wetherby

Near Harrogate, England

»Es ist schwer zu glauben, Papa«, sagte Alexandra schließlich mit gepreßter, dünner Stimme. Sie konnte die Augen nicht von dem Blatt Papier wenden, das ihr Vater eben wieder ruhig auf den Schreibtisch legte. »Bist du sicher, daß der Earl of Northcliffe Melissande heiraten will? Douglas Sheerbrooke?«

»Ja, darüber besteht kein Zweifel«, erklärte Lord Edouard, Duke of Beresford. »Der arme Esel.« Er strich mit seinen langen Fingern glättend über den Briefbogen, dann las er ihn seiner jüngsten Tochter noch einmal laut vor. Als er geendet hatte und zu ihr hinübersah, schien sie einen Moment lang einen verstörten Eindruck zu machen. Sie war sehr blaß, was aber wohl nur an dem grellen Sonnenlicht lag, das durch die breiten Bibliotheksfenster schien. »Deine Schwester wird sicherlich begeistert sein, besonders nachdem vor vier Monaten Oglethorpe ja nicht ihren Erwartungen entsprochen hat. Das wirkt bestimmt wie Balsam auf ihre Wunde. Ich für meinen Teil würde am liebsten Northcliffe um den Hals fallen und an seiner Schulter schluchzen. Himmeldonnerwetter, sein Geldangebot würde mich vor dem Schlimmsten bewahren, ohne die hübsche Zuwendung zu erwähnen, die er mir zugesichert hat.«

Alexandra senkte den Blick auf ihren eingerissenen Daumennagel. »Melissande hat mir erzählt, sie hätte Douglas Sheerbrooke vor drei Jahren den Laufpaß gegeben. Er hätte sie flehentlich gebeten, ihn zu erhören, doch sie hätte das Gefühl gehabt, seine Zukunft wäre ungewiß, auch wenn er der Nachfolger wäre. Aber das genügte ja nicht, denn sein Vater wäre schließlich noch am Leben; außerdem hätte er darauf bestanden, beim Militär zu bleiben und zu kämpfen; also hätte er getötet werden können, dann hätte sie gar nichts, denn sein Bruder würde nach dem Tod des Vaters der Graf werden. Sie meinte, eine arme Ehefrau oder eine schöne, aber arme Tochter zu sein, mache einen großen Unterschied.«

Der Herzog brummte vor sich hin, eine dunkle Augenbraue gehoben. »Das hat sie dir alles gesagt, Alex?«

Alexandra nickte und wandte sich von ihrem Vater ab. Sie schritt auf die großen, runden Erkerfenster zu, dessen Vorhänge zu jeder Jahreszeit zurückgezogen waren, ganz gleich bei welcher Witterung, denn der Herzog weigerte sich, sie jemals vor die herrliche Aussicht zu ziehen. Seine Frau führte endlose Klagen darüber. Sie behauptete, daß sie starke Sonne den Aubusson Teppich ausbleichen würde. Schließlich war ja kein Geld da, ihn zu ersetzen, nicht wahr? Das erklärte er ihr doch immer wieder. Aber der Herzog ging nicht auf sie ein. »Nun ist Douglas Sherbrooke doch Earl of Northcliffe geworden, und er hat den Wunsch geäußert, herzukommen und sie zu heiraten.

Ja, ich werde ihm die Erlaubnis dazu erteilen, und wir werden uns in Kürze über die Zuwendung einigen. Gott sei Dank ist er ein reicher Mann. Die Sherbrookes haben ihr Geld immer klug genutzt, haben niemals das Vermögen durch Verschwendung erschöpft, sind niemals Verbindungen eingegangen, die nicht ihre Truhen bereichert und ihre Bedeutung gefördert hätten. Natürlich wird ihm die Heirat mit Melissande keinen Silberling einbringen, im Gegenteil, er wird mir für sie gut zahlen müssen, sehr gut sogar. Es muß ihm wirklich etwas an ihr liegen, denn die Chancen standen an sich ausgezeichnet, daß sie einen anderen Mann nehmen würde. Ich muß aber doch zur Verteidigung deiner Schwester sagen, ihr Ehrgeiz entspricht dem Ausmaß ihres Stolzes.«

»So wird es wohl sein. Wenn ich mich recht erinnere, war er ein sehr netter Mann. Er war gut und, na ja, eben nett.«

»Ein hitzköpfiger junger Narr, weiter nichts«, erwiderte der Herzog. »Er, der Erbe von Northcliffe, weigerte sich, sein Offizierspatent zu verkaufen. Doch das tut ja jetzt nichts mehr zur Sache. Er ist am Leben geblieben und Graf geworden, da sehen die Dinge wieder ganz anders aus. Alle Sherbrookes waren Tories bis zurück zur Sintflut könnte man sagen, und bei diesem Grafen verhält es sich wahrscheinlich nicht viel anders. Konservativ und gediegen in seiner Art, vermute ich mal, genau wie sein Vater Justin Sherbrooke. Nun, was soll’s. Ich werde wohl mit deiner Schwester sprechen müssen.« Er hielt einen Augenblick inne und betrachtete das Profil seiner Tochter. Klare, unschuldige Züge, stellte er fest, aber die Kopfhaltung und der helle Glanz ihrer grauen Augen verrieten auch noch Willensstärke. Ihre gerade schmale Nase, die hohen Backenknochen, das sanft gerundete Kinn erweckten den Eindruck von Gehorsam und Anschmiegsamkeit. Doch das traf nicht zu. Zumindest nicht seiner Erfahrung nach mit seiner Tochter. Doch seltsamerweise schien es ihr nicht bewußt zu sein, daß sie über stählerne Kraft verfügte, auch dann nicht, wenn sie sich heftig mit ihm auseinandersetzte. Ihr üppiges tizianrotes Haar war glatt aus dem Gesicht gekämmt und ließ ihre kleinen Ohren frei. Er fand beides, sie und ihre Ohren, einfach entzückend. Sie war kein so vollkommenes Geschöpf wie ihre ältere Schwester Melissande, aber sie war ganz nach seinem Geschmack, zumal sie weder Eitelkeit noch Engherzigkeit kannte und über eine gute Portion an Güte und Witz verfügte. Ja, sie war diejenige, die Verantwortung besaß, das Kind, das seinem Papa nicht widersprechen, das seine Pflicht der Familie gegenüber erfüllen würde. Wieder hatte er das untrügliche Gefühl, daß sie verstört war, und das stimmte ihn nachdenklich. Er sagte mit Bedacht: »Ich habe es dir zuerst erzählt, Alex, weil ich deine Meinung hören wollte. Auch wenn deine Mutter meint, du gleichst einer Tapete – stumm und stets im Schatten von Melissande –, weiß ich es besser. Deshalb möchte ich gerne hören, was du von dieser Partie hältst.«

Er meinte, ein leichtes Zittern durchbebe sie bei seinen Worten. Mit grimmig verzogenem Gesicht überlegte er, ob wohl ihre Mutter wieder versucht hatte, ihren Frohsinn durch ständige Vergleiche mit ihrer Schwester zu dämpfen. Er blickte sie prüfend an: »Fehlt dir irgendetwas, mein Schatz?«

»Ach nein, Papa. Es ist nur ...«

»Nur was?«

Darauf zuckte sie mit den Achseln. »Ich frage mich nur, ob Melissande ihn jetzt noch nehmen wird. Sie will noch eine weitere Saison mitmachen, weißt du, und wir wollten nächste Woche aufbrechen. Vielleicht möchte sie abwarten, ob noch andere junge Männer für sie zu haben sind. Sie liebt die Männerjagd, hat sie mir gesagt. Oglethorpe sei eine schlabbrige Kröte gewesen, und sie sei heilfroh, daß seine Mama ihn gezwungen hat, sein Versprechen zurückzuziehen, ehe er sie noch weiter anquakte.«

Der Herzog stieß einen Seufzer aus. »Gewiß, deine Schwester hat über ihn recht gehabt, aber das ist jetzt nicht der Punkt. Du weißt, Alex, Geld muß immer eine gewichtige Rolle bei jeder Entscheidung spielen. Unsere Familie ist jetzt schon viele Jahre nicht gerade mit Glücksgütern gesegnet. Die Ausgaben in London während der Saison, die Kosten, um das Haus in Carlyon Street auszustatten, der Preis ihrer Kleider und der ihrer Mutter, alles zusammen beläuft sich auf eine exorbitante Summe. Ich wäre bereit gewesen, diese als eine Art Investition nochmals auszugeben, zumal ich keine Alternative sah. Aber jetzt, da der Earl of Northcliffe ihr einen Antrag gemacht hat, werde ich statt Kosten eine Zuwendung bekommen.« Natürlich wußte der Herzog, daß er durch die Absage einer weiteren Saison Alexandra zugleich daran hinderte, an ihrer ersten Saison teilzunehmen. Aber die Kosten! Er fuhr sich mit der Hand durch das kastanienrote Haar. Was tun? Er fuhr fort, mehr zu sich zu reden als zu seiner Tochter: »Und da ist noch Reginald, mein fünfundzwanzigjähriger Nachfolger, der in jeder Spielhölle, die London zu bieten hat, sein Geld verschleudert, riesige Schulden bei seinem Schneider Weston und seinem Buchmacher Holis und sogar noch bei Rundle und Bridge für ›Klunker‹ macht, wie er diesen angeblich wertlosen Tand für seine Geliebten bezeichnet. Mein Gott, du hättest das Rubinarmband sehen sollen, das er einer der Opernballeteusen geschenkt hat!« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ach, Alex, seit langer Zeit schon fühlte ich mich wie die Maus in der Falle. Aber nun lastet mir das Leben nicht mehr weiter wie ein Gewicht auf den Schultern. Du weißt ja, wie ich versucht habe, Sparpläne einzuführen. Aber deiner Mutter diese Notwendigkeit zu erklären, nun, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sie macht sich überhaupt keine Vorstellungen, und antwortet mir nur bestürzt, man müsse mindestens drei Gänge zu jeder Mahlzeit haben. Melissande macht sich übrigens auch keine Vorstellungen. Natürlich begreifst du etwas von unserer gegenwärtigen Lage. Und Reginald – ein Liederjan, Alex, und offen gestanden, hege ich wenig Hoffnung, daß sich sein Charakter bessert.«

Er schwieg erneut, doch diesmal umspielte ein kleines Lächeln seinen Mund. Er war gerettet. Er sah wieder einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Unter gar keinen Umständen würde er es Melissande durchgehen lassen, daß sie ihren schönen Kopf schüttelte und ihm erklärte, sie hätte kein Interesse. Brot und Wasser hinter verschlossenen Türen, das war es, was sie verdiente, sollte sie sich ihm widersetzen.

»Was hältst du davon, Alex? Macht es dir wegen der Saison etwas aus? Du bist ja so ein vernünftiges Mädchen, und du weißt ja, es ist kein Geld da und ...«

Alex lächelte. »Ist schon gut, Papa. Melissande ist so schön, so geistsprühend und fröhlich und dabei so ungekünstelt. In London hätte mir ohnehin niemand besondere Aufmerksamkeit geschenkt, es ist mir daher egal, wenn ich nicht nach London fahre. Das ist nicht gelogen. Der Gedanke, all diesen grausamen Damen zu begegnen, versetzt mich in Angst und Schrecken – wenn sie nur leicht mit den Brauen zucken, bist du für immer gesellschaftlich unten durch – sagt Mama wenigstens. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, es geht mir gut hier. Es gibt noch andere Dinge als Partys, Empfänge, venezianisches Frühstück und zertanzte Schuhe.« Gewiß, es gab andere Dinge, aber diese Liste war jämmerlich kurz.

»Wenn Melissande den Grafen einmal geheiratet hat, wird sie ihre Pflicht dir gegenüber erfüllen. Als Countess of Northcliffe wird sie dich überall mitnehmen, damit du einen passenden jungen Mann kennenlernst. So gehört es sich, und sie wird es auch tun. Und du wirst dem nachkommen, denn das ist der übliche Weg an einen Ehemann zu kommen, der deiner würdig ist.«

»Die jungen Gentlemen fühlen sich anscheinend nicht sonderlich zu mir hingezogen, Papa.«

»Unsinn. Hier in der Gegend gibt es nur sehr wenige junge Gentlemen, die dich besuchen könnten. Die wenigen, die es tun, haben nur Augen für deine Schwester und verlieren das bißchen Verstand, über das sie verfügen. Du bist ein gutes Mädchen, und du bist klug, du hast mehr im Kopf als Schleifchen und junge Stutzer und ...«

»Ist man selbst kein hochkarätiger Diamant, Papa, muß man fremde Gärten kultivieren.«

»Soll dies etwa dein Versuch sein, Monsieur Voltaire in neue Worte zu fassen?«

Alexandra lächelte. »Das wird es wohl sein, aber es entspricht auch der Wahrheit. Kein Grund, Haarspaltereien zu betreiben.«

»Du bist auch sehr hübsch, Alex. Sicherlich willst du nicht an deinem wunderbaren Haar herummäkeln – schließlich hat es die gleiche Farbe wie meines!»

Sie mußte lächeln. Und der Herzog dachte, jetzt würde alles gut werden. Soeben hatte der Earl of Northcliffe angeboten, ihn vor dem sicheren finanziellen Ruin zu bewahren und ihn gleichzeitig von seiner ältesten Tochter zu befreien. Umstände, die das Herz und die Geldbörse eines jeden Vaters erfreut hätten.

»Ich hoffe, Melissande entschließt sich diesmal dazu, Douglas Sherbrooke zu nehmen«, sagte Alexandra. »Wie gesagt, er ist ein sehr netter Mann, und er verdient es, das zu bekommen, was er sich wünscht.« Sie fingerte an den Falten ihres hellgelben Musselinkleides, und ihre Augen blieben gesenkt, als sie leise hinzufügte: »Er verdient es, glücklich zu sein. Vielleicht empfindet Melissande etwas für ihn und macht ihn glücklich.«

Da lag der wunde Punkt, dachte der Herzog und verzog dabei das Gesicht. Er konnte sich durchaus vorstellen, wie Melissande das Leben eines Gentlemans in eine Reihe köstlicher Erlebnisse verwandelte, bis dieser es wagte, ihr zu widersprechen oder ihr etwas zu verweigern. Dann ... es schauderte ihm bei dem Gedanken. Nicht den Kopf darüber zerbrechen. Es war auch nicht sein Problem. Trotzdem würde er für den Earl of Northcliffe beten, wenn die Ehebande einmal geknüpft waren.

»Ich hole Melissande zu dir, Papa.«

Der Herzog blickte seiner Tochter nach, als sie die Bibliothek verließ. Etwas Seltsames ging hier vor. Er kannte sie gut, sie war sein Liebling, ein Kind, das seinem Herzen und seinem Verstand entsprach. Ihre plötzliche starre Haltung, das Zittern ihrer Hände kamen ihm in den Sinn. Dann schoß ihm ein verrückter Gedanke durch den Kopf, der ihn verwirrt vor die Überlegung stellte – will sie etwa selber den Earl of Northcliffe? Er wiegte den Kopf hin und her und versetzte sich drei Jahre zurück, wobei er sich an die damals fünfzehnjährige Alexandra zu erinnern versuchte, einem schrecklich schüchternen Wesen, das kastanienrote Haar in festen Zöpfen um den Kopf gelegt und noch mit Babyspeck. Nein, nein, damals war sie viel zu jung gewesen. Sollte sie irgend etwas für Douglas Sherbrooke empfunden haben, dann war es eine Jungmädchenschwärmerei gewesen, weiter nichts.

Er fragte sich, ob er auch wirklich klug handelte, doch wußte er auch, er hatte keine andere Wahl. Die Götter hatten ihm einen kostbaren Gaul geschenkt, und unter gar keinen Umständen würde er ihn in einen anderen Stall davonpreschen lassen, der ihn gewiß weniger verdiente und ihn nicht so dringend nötig hatte wie er. Wenn Alexandra Gefühle für den Grafen hegte, so tat es ihm leid. Aber er konnte und wollte seinen Plan nicht ändern. Wenn der Graf Melissande haben wollte, dann würde er sie auch bekommen. Der Herzog setzte sich und wartete auf die Ankunft seiner ältesten Tochter.

Das Gespräch zwischen dem Duke of Beresford und seiner ältesten Tochter verlief wie erwartet.

Melissande war zwei Minuten nach der Eröffnung ihres Vaters höchst empört. In ihrem flammenden Zorn war sie überaus schön, wie überhaupt bei den meisten ihrer Gemütsregungen. Ihre Wangen glühten, und die Augen, so blau wie der See bei Patley Bridge im Spätsommer, sprühten und funkelten. Ihr dichtes schwarzes Haar, dunkler als ein sternenloser Nachthimmel, schimmerte sogar noch im trüben Licht der Bibliothek, und die natürlich fallenden Locken wirbelten bei ihrem aufbrausenden Zorn wild um ihr Gesicht. Sie holte tief Luft, schüttelte die Locken ein weiteres mal und schrie beinahe: »Lächerlich! Er denkt wohl, er braucht nach drei Jahren nur einen Finger zu krümmen nach drei Jahren –, und ich würde ihn nicht abblitzen lassen, sondern auf ihn zulaufen und ihm erlauben, mit mir umzuspringen, wie er will!«