Sardinien - Ein Traum wird wahr - Carlotta Renzo - E-Book

Sardinien - Ein Traum wird wahr E-Book

Carlotta Renzo

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Beschreibung

Für Carlotta Renzo hatten Freiheit und Unabhängigkeit schon immer einen großen Stellenwert im Leben. Ihre Leidenschaft für fremde Sprachen und ausgedehnte Reisen, ihr Ehrgeiz, ihr Mut und genügend Zähigkeit waren die Voraussetzung, um ihre privaten und beruflichen Ziele zu erreichen. Dabei eröffneten sich immer wieder neue Chancen und Perspektiven, sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland oder in Asien und Russland. Besonders die Länder am Mittelmeer faszinierten sie, und viele Urlaube führten daher nach Griechenland, Italien, Südfrankreich und zuletzt auch Sardinien. Vom ersten Aufenthalt an hatte es ihr diese Insel und ihre raue, aber einzigartige Landschaft angetan, und der Gedanke, irgendwann hier zu leben, ließ sie nicht mehr los. Ein glücklicher Zufall machte dies schneller möglich als erwartet: sie konnte sich zusammen mit ihrem Mann einen lang gehegten Traum erfüllen und ein ganz neues Leben beginnen - in einem milden, mediterranen Klima und nahe am Meer schien der Traum vollkommen. Es folgten aufregende Jahre voller Überraschungen und interessanter Begegnungen - Freundschaften entstanden, aber auch Enttäuschungen blieben nicht aus. Trotz vieler Hindernisse und unvorhersehbarer Probleme war Aufgeben niemals eine Option! Carlotta Renzo lebt inzwischen seit Jahren abwechselnd in Süddeutschland und auf Sardinien. Erfahrungen und Erlebnisse bei der Verwirklichung ihres Traums inspirierten sie zu diesem Buch, und so entstand ihr Erstlingswerk, dem weitere Erzählungen vom Leben auf dieser paradiesischen Insel folgen sollten.

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Carlotta Renzo . Sardinien - Ein Traum wird wahr

SARDINIEN - Ein Traum wird wahr

Carlotta Renzo

SARDINIEN -

Ein Traum wird wahr

© 2021 Carlotta Renzo

(erste Auflage 2014)

Umschlaggestaltung, Lektorat, Korrektorat: Carlotta Renzo

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Taschenbuch: 978-3-347-25558-6

ISBN Hardcover: 978-3-347-25559-3

ISBN e-Book: 978-3-347-25560-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Was immer Du tun kannst oder erträumst zukönnen, beginne es.

Johann Wolfgang von Goethe

Das Buch beruht auf wahren Begebenheiten und manche der genannten Personen haben reale Vorbilder, auch wenn sie namentlich nicht mit diesen identisch sind und teilweise auch in anderen Orten leben. Ähnlichkeiten sind daher rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Erzählt wird vielmehr eine interessante Geschichte über mögliche Probleme und Schwierigkeiten bei einem Neubeginn in einem anderen Land, selbst wenn es in Europa ist. Viele positive Erfahrungen aber auch einige negative Erlebnisse werden dabei angesprochen.

Gleichzeitig vermittelt das Buch auch Wissenswertes über Sardinien, die Menschen und die Landschaften, über Küche, Kultur und Traditionen sowie seine Geschichte.

Einführung

In den ersten 6 Monaten nach meiner Geburt brüllte ich mir die Lungen aus dem Leib bis ich blau angelaufen war und keine Luft mehr bekam - man gab mir kein Jahr auf dieser Welt… Aber entgegen aller Voraussagen der Ärzte hielt ich erstaunlicherweise durch und wurde ein ziemlich wildes Kind, robust und energiegeladen, voller Freiheitsdrang und verrückten Ideen. Meine Welt war immer viel zu klein…

In den Zeiten meiner Kindheit gab es in der Nähe unserer Wohnung noch viele verschüttete Keller und Ruinen aus dem Krieg, und kein Abenteuerspielplatz konnte interessanter sein. Es waren unsere ersten Entdeckungsreisen, und selbst wenn man uns immer wieder ermahnte, nicht dort zu spielen oder gar in die teils vorhandenen Kelleröffnungen zu kriechen, konnten wir Kinder es nicht lassen…

Als meine Eltern nach einigen Jahren endlich in ein eigenes, kleines Haus am Stadtrand ziehen konnten, bedeutete dies für mich einen weiteren Schritt in Richtung Freiheit. In den angrenzenden Feldern und Wiesen konnte ich mich mit anderen Kindern austoben, auf die alten Weiden am Fluss klettern oder auch allein an der Uferböschung sitzen, den trägen Lauf des Wassers oder die Wolken beobachten und meinen Träumen nachhängen.

Das Leben war voller schöner Momente, und ich fühlte mich glücklich und unendlich frei. Wann immer ich konnte, war ich in der Natur unterwegs; zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad - oft kilometerweit, ohne einem Menschen zu begegnen. An der stillgelegten Eisenbahnstrecke gab es ein paar felsige Hügel und einen kleinen Tümpel, wo ich oft mit meiner Freundin die Feuersalamander beobachtete und stundenlang im Gras sitzend über Gott und die Welt reden konnte. Manches Mal gingen wir auch mit der Pfadfindergruppe auf ‚große Fahrt’ und ins Zeltlager, saßen abends in großer Runde am Lagerfeuer, spielten Gitarre, sangen Lieder und diskutierten über alles, was uns zu dieser Zeit bewegte.

Wir schmiedeten Pläne, was wir später unternehmen würden, denn zuhause war uns längst alles zu klein geworden, und der Gedanke an die große, weite Welt, an fremde, interessante Länder ließ uns nicht mehr los. Ich war fest davon überzeugt, auch einen Beruf zu finden, der mir Gelegenheit geben würde, die Welt zu ‚erobern’! Mit dieser Aussicht beendete ich meine Schulzeit sehr erfolgreich, und schon in den Ferien war ich voller Elan dabei, mich auf die Sprachenschule vorzubereiten und damit den Grundstein für mein großes Ziel zu legen.

Von einem Tag auf den anderen zerplatzten meine Zukunftsträume wie eine Seifenblase, als zuerst meine Großmutter und dann kurz darauf mein Vater verstarben. Alle meine Hoffnungen und Planungen waren plötzlich über den Haufen geworfen worden, und ich musste mit der drastisch veränderten Situation zurechtkommen. In erster Konsequenz hieß dies, schnell Geld zu verdienen. Aufgrund meines guten Schulabschlusses eroberte ich einen der begehrten Ausbildungsplätze in einer Bank. Eigentlich hätte ich zufrieden sein sollen, aber meine Begeisterung wurde von Woche zu Woche geringer. Diese Arbeit war weit entfernt von meinen Vorstellungen, und engstirnige, ewig ‚gestrige’ Vorgesetzte ließen mich manchmal verzweifeln, obwohl mir Lernen doch immer Freude gemacht hatte.

Ich musste also unbedingt Lösungen finden, um aus diesem ‚Käfig’ zu entkommen! Die einzige Möglichkeit dazu schien, meine vorhandene Basis an Fremdsprachenkenntnissen nebenbei mit Kursen weiter auszubauen. Mit etwas Glück konnte ich dann versuchen, eine andere Arbeit zu finden, die mir mehr Spaß machen würde. Und ich schaffte es tatsächlich!

In einer Maschinenbaufirma bekam ich überraschend und schneller als gedacht, die Möglichkeit, mich zu beweisen. Schon nach einigen Wochen sollte ich die Geschäftsleitung auf eine Messe nach Paris begleiten. Zwar hatte ich einerseits mächtig Bammel davor, da ich befürchtete, mich vielleicht zu blamieren (bis dahin hatte ich nur Übersetzungen gemacht und kaum Erfahrung im Sprechen oder gar Dolmetschen), andererseits erkannte ich die Chance, die darin lag.

Es war genau das, was ich mir immer gewünscht hatte – beruflich in andere Länder reisen zu können. Mit viel Optimismus und auch ein wenig Glück konnte ich diese Hürde erfolgreich überwinden! Es lief erstaunlicherweise zur Zufriedenheit aller sehr gut, und ich konnte damit rechnen, auf weiteren Auslandsmessen eingesetzt zu werden. Der Job machte mir sehr viel Spaß, und ich hatte schnell Gelegenheit, mehr Verantwortung in der Firma zu übernehmen.

Vielleicht wäre ich sogar dort hängen geblieben, wenn nicht meine ‚große Liebe’ zum Studium in eine andere Stadt gegangen wäre! So entschied ich mich ebenfalls zum Umzug und machte dadurch ein paar neue berufliche Erfahrungen. Nach dem Ende des Studiums überlegten wir gemeinsam, wie unsere Zukunft aussehen sollte, wie und wo wir leben wollten. Eine wichtige Frage dabei war für mich, ob wir wirklich jetzt schon eine Familie gründen und Kinder wollten, was ich mir aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt absolut noch nicht vorstellen konnte: Meine gerade erst gewonnene Freiheit so schnell wieder aufzugeben, kam für mich nicht infrage, denn ich war definitiv noch nicht dort angelangt, wo ich mich in meinen Träumen gesehen hatte.

Ich liebte ich die Freiheit, die Unabhängigkeit und vor allem die Möglichkeit, mit weitem Herzen und offenem Geist zu reisen, die Welt kennenzulernen, dabei verschiedene Kulturen, Menschen und ihre Mentalität, andere Sprachen und Sichtweisen zu verstehen, fremde Küchen und fremde Gerüche zu erkunden und vieles mehr. Meine Schulfreundin war nach Paris gegangen, und wir besuchten sie mehrmals dort, machten aber auch einige Entdeckungsreisen in andere Länder Europas. Meinem Partner hatten es die alten Griechen schon in der Schule derart angetan, dass er unbedingt endlich dorthin reisen und das antike Griechenland sehen wollte. Zuerst war ich davon wenig begeistert, aber letztendlich ließ ich mich doch davon anstecken, und ich habe es nicht bereut…

Als wir die meisten unserer Reiseziele abhaken konnten, lieferte mir der Zufall die Gelegenheit, einen äußerst interessanten Job zu bekommen, wo ich nicht nur selbständig arbeiten, sondern auch meine Sprachkenntnisse einbringen konnte. Zudem hielt er ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten für mich bereit, die ich allerdings damals noch gar nicht erkennen konnte!

Es war ein kompletter Neuanfang, die Firma wurde erst gegründet, und im ersten halben Jahr arbeiteten wir nur zu zweit. Diese Monate brachten täglich neue Herausforderungen mit sich, aber auch extreme Arbeitszeiten, um aus der Startposition heraus das kleine Unternehmen zum Leben und Überleben zu bringen. Es war anstrengend, machte aber auch enorm viel Spaß. Recht schnell zeichneten sich erste Erfolge ab – es lief erstaunlich gut. Aber was das Wichtigste für mich dabei war: ich konnte mich hier frei entfalten, ich wurde nicht ‚gebremst’ und hatte nie das Gefühl, eingeengt zu werden. Faszinierend fand ich auch, mich immer wieder in neue Bereiche einarbeiten zu können, ohne den Job zu wechseln, und ich freute mich über die Anerkennung, die ich bei der Bewältigung meiner Aufgaben bekam. Es waren interessante, aber auch arbeitsreiche Jahre mit viel Verantwortung, und auf meinen Reisen in andere Länder konnte ich wertvolle Erfahrungen sammeln. Auch von der Mentalität der Menschen in diesen Ländern konnte ich viel kennenlernen, auf der persönlichen wie auf der beruflichen Ebene, und dabei auch viele Freunde weltweit gewinnen.

Meine Reisen führten mich in die Metropolen Europas, in die USA, in den Nahen und Mittleren Osten und nach Südafrika, nach Russland und Zentralasien, nach China und in viele Städte Südostasiens. Endlich hatte ich mein Ziel erreicht, das ich mir schon in der Schulzeit gesteckt hatte – wenn auch auf Umwegen…

Zwar hatte mein Partner immer großes Verständnis für meinen Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit, aber irgendwann stand das Thema Familie und Kinder wieder auf der Tagesordnung. Er selbst war mit zwei Brüdern aufgewachsen, ich dagegen war ein Einzelkind und viel auf mich selbst gestellt gewesen. Für mich war immer klar, dass ich Beruf und Familie später irgendwie unter einen Hut bringen wollte. Mein Partner hätte dagegen gerne eine große Familie gehabt.

Das Ergebnis vieler Diskussionen war letztendlich doch die Entscheidung zugunsten Kind und Beruf, aber nicht sofort. Ich brauchte unbedingt noch etwas Zeit, um Klarheit zu gewinnen, vor allem nachdem ich die Leitung einer neu aufzubauenden Abteilung übernommen hatte. Zudem nahm uns danach das Abenteuer ‚Hauskauf’ mit vielen unvorhersehbaren Hürden mehr als ein halbes Jahr in Beschlag. Aber letztendlich haben wir doch alles gemeinsam gut gemeistert!

Schon in dieser Zeit hatte ich ein sehr ‚bewegtes’ und ausgefülltes Leben, aber bestimmte Gedanken tauchten mit den Jahren trotzdem immer wieder und immer öfter auf: Es muss noch ein anderes Leben geben! Oder eine andere Freiheit als die, die ich bisher dafür gehalten habe. Vielleicht hingen diese Gedanken auch damit zusammen, dass meine Mutter, die in den letzten Jahren an schwerer Demenz gelitten hatte und daher in einem Pflegeheim in unserer Nähe untergebracht war, nun verstorben war. Ich musste erkennen, dass wir selbst jetzt ‚die älteste Generation’ waren… Das machte mich doch sehr nachdenklich. Immer wieder kamen und gingen Gedanken, die ich lange verdrängt hatte.

Erneut beschleunigte ein Ereignis oder vielleicht ein glücklicher Zufall das, was ich in Gedanken und unbewusst in meinen Träumen eigentlich schon eine ganze Weile wollte: das Leben nochmals neu zu entdecken und bewusster, vielleicht auch nur einfach ‚anders’ zu gestalten. Zurück zur Natur, die in den vielen Arbeitsjahren zu kurz gekommen war in meinem Leben? Dieser Zufall konnte vielleicht noch einmal alles verändern – er konnte einen Aufbruch in ein neues, anderes Leben bedeuten, wenn ich nur wollte! Und er gab letztendlich auch den Ausschlag, dieses Buch zu schreiben, denn ich wollte meine Gedanken und Vorstellungen in diesem Zusammenhang nicht nur innerlich ‚aufarbeiten’, sondern auch zu Papier bringen – den Aufbruch in ein neues Leben, in eine neue, andere oder größere Freiheit…

Unsere Begeisterung für die südländische Lebensart, für die Länder im Mittelmeerraum, insbesondere für Italien, für die Kultur, die Sprache, die Mentalität, die italienische Küche und die Lebensart und nicht zuletzt die südliche Sonne und das Klima haben mich und meine Familie für die Zeit unseres Urlaubs seit vielen Jahren immer wieder in dieses Land geführt. Auch mein Mann ist erfreulicherweise ein begeisterter ‚Südländer’ (viele halten ihn sogar dafür – wahrscheinlich stammen seine Vorfahren irgendwo aus dem Süden…).

Wir hatten neben Italien einige Jahre auch Südfrankreich öfter bereist: wir waren im Languedoc und in der Provence, wir sind die Küste entlang bis zur spanischen Grenze unterwegs gewesen und haben uns sowohl an der mediterranen Küche und den guten Weinen als auch an der Leuchtkraft der Farben im Süden ‚berauscht’.

Aber immer wieder hat es uns nach einigen ‚Ausreißern’ erneut nach Italien gezogen, sodass wir die meisten Regionen mittlerweile ganz gut kannten, sei es nun die Toskana, Umbrien, das Latium, die Basilicata oder Kalabrien – sogar Sizilien haben wir ‚erforscht’. Wir haben die Etruskergräber bei Grosseto besichtigt, das ausgegrabene Pompeji bestaunt, den Vesuv bestiegen, viele Ruinen aus längst vergangenen Kulturen besucht, die Geschichtsbücher zu Rate gezogen, und auch die Kunst an vielen berühmten Orten ist dabei nicht zu kurz gekommen – wir haben uns also mit Italien auf vielfältige und gründliche Weise befasst.

Nur die vielen italienischen Inseln wie auch die berühmteste und bekannteste darunter, Capri, oder die Liparischen Inseln, Elba oder auch Giglio sowie Sardinien hatten wir noch außen vor gelassen! Aber das sollte sich ändern…

Und irgendwann kam fast zwangsläufig der Gedanke, in diesem Land, dessen Küche und Klima wir liebten, dessen Sprache wir kannten und die Lebensart seiner Bewohner wir bewunderten, ein ständiges Domizil zu haben, entweder auf dem Festland oder auf einer der Inseln, die wir noch entdecken wollten. Durch Familie und Beruf wurde dieser Gedanke zwar auf später verschoben, doch ließ er sich nie ganz aus dem Kopf verbannen. Besonders in den letzten Jahren wurde nach jedem Urlaub der Wunsch stärker, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.

Schon unsere erste Entdeckungsreise nach Sardinien hatte intensive Spuren hinterlassen: wir waren so begeistert, dass wir in den letzten Jahren jeden Sommerurlaub, manchmal sogar zusätzliche Tage im Frühjahr oder im Herbst, auf Sardinien verbracht hatten. Wir spürten immer stärker, dass es uns diese Insel wirklich angetan hatte: ihre spröde Schönheit, die größtenteils fast unberührte Natur, besonders im Landesinneren, faszinierende Landschaften, Gesteinsformationen und Schluchten, die gewaltigen Ruinen der Nuragher aus tausende Jahre alter Vergangenheit und natürlich auch das klare türkisfarbene Wasser des Meeres, das es übrigens nicht nur an der bekannten Costa Smeralda gibt.

Klar, dass wir uns auch diese berühmte Region des Jet Sets einmal ansehen mussten. Die Landschaft mit ihren Granitsteinen, das Meer und viele schöne Buchten, aber auch malerische Orte an der Smaragdküste haben schon einiges zu bieten. Aber der Trubel und die typischen Aktivitäten einer exklusiven Urlaubsregion konnten uns nicht in dem Maße begeistern wie es die Naturschönheiten anderer, weniger bekannter Regionen, vor allem auch die Ruhe (bis hin zur Einsamkeit…) getan haben.

Ganz genau ließ es sich nicht beschreiben, warum gerade ich mich zu dieser Insel derart hingezogen fühlte – es war ein reines ‚Bauchgefühl’ und nicht wirklich rational zu erklären. Jeder Abschied von der Insel erschien mir schwerer, jede Abreise nach dem Urlaub machte mich auf eigenartige Weise wehmütig. Also überzeugte ich meinen Mann, die Insel wirklich gründlich zu ‚untersuchen’, um das schönste und für uns am besten geeignete Fleckchen Erde zu finden, auf dem wir später einmal leben wollen würden.

Dabei gab es durchaus viele Wünsche und Vorstellungen für diesen Traumplatz zu berücksichtigen: Lage mit Meerblick, am besten von einer Anhöhe aus, in landschaftlich reizvoller Umgebung, kurze Wege zu schönen Stränden, außerhalb eines Ortes, aber doch nahe genug an einem ganzjährig bewohnten, gewachsenen Ort mit allen Einkaufsmöglichkeiten und ärztlicher Versorgung, auf keinen Fall in einem typischen Touristenzentrum. Das Grundstück sollte ziemlich groß sein, das Haus eher klein und gemütlich, und das Ganze musste dazu auch noch erschwinglich für uns sein… also eigentlich etwas, das nicht so einfach zu finden sein würde.

Die passende Region hatten wir nach ausgiebigen Rundreisen durch den Norden, Westen, Süden und Osten der Insel schon ins Auge gefasst – es sollte der Südosten sein, wo die Sonne mit entsprechenden Temperaturen fast 10 Monate ein Leben im Freien ermöglicht und kilometerlange Strände zum Baden einladen, wo die Landschaft gleichzeitig hügelig und idyllisch ist und viele Möglichkeiten zum Wandern bietet. Es ging also um die Küstenregion zwischen Arbatax / Tortoli und Villasimius, die auch die Costa Rei einschließt.

Zuerst hatten wir mit der Region um Dorgali geliebäugelt, aber die Gegend um Barisardo gefiel uns auch ausnehmend gut, die Berge waren nicht weit, und für Ausflüge in die nähere Umgebung boten sich viele Möglichkeiten. Aber auch Richtung Süden zur Costa Rei gab es viele schöne Ecken, allerdings war dies schon wieder ein Gebiet, das im Sommer viele Touristen anzieht.

Eine gewisse Vorauswahl hatten wir damit bereits getroffen, aber der schwierigste Teil sollte noch folgen. Wo gab es diesen Traumplatz, der all den Wunschvorstellungen am nächsten kam? War so etwas überhaupt zu finden? Und war es dann noch erschwinglich für uns? Sollten wir uns an einen Makler wenden oder selbst über Freunde und Bekannte auf die Suche gehen? Konnten wir bei unseren Ausflügen auf Sardinien auf eigene Faust Leute ansprechen? Wie wollten wir das Ganze überhaupt angehen, wenn wir vorerst nur einige Wochen im Jahr auf der Insel verbringen könnten? Was waren die rechtlichen Hürden für ein solches Vorhaben?

Fragen über Fragen, die wir begannen, systematisch ‚abzuarbeiten‘, um uns dann als ersten Schritt einem Verein für Hausbesitzer im südlichen Ausland als Mitglied anzuschließen. Hier wurde u. a. eine Beratung bei allen rechtlichen Fragen, Hilfe und Unterstützung bei Kaufverträgen etc. angeboten. Es konnten auch Erfahrungen mit anderen ausgetauscht werden, die ein derartiges Abenteuer schon hinter sich hatten. Wir hofften, dabei auch herauszufinden, was es mit der bekannt-berüchtigten Art und Weise, wie Verkäufe/ Käufe im Ausland, besonders auch in Italien, abgewickelt werden, auf sich hat…

Bei unserem nächsten Aufenthalt auf Sardinien im folgenden Jahr wollten wir uns nun speziell in dem Küstenstreifen, der nach entsprechender Erkundung für uns infrage kam, konkret auf die Suche begeben – zuerst einmal bei den Maklern in dieser Gegend. Es ging einfach darum, die Lage zu sondieren und erste Erfahrungen zu sammeln.

Wenn ich auch durch meine Arbeit auf der Mailänder Messe in den 80er Jahren über ganz brauchbare Italienischkenntnisse verfügte, hatte ich doch feststellen müssen, dass sie zwar nützlich, aber noch nicht ausreichend für ein solches Unterfangen waren. Also musste ich diese Kenntnisse ausbauen und mir vor allem den einschlägigen Wortschatz aneignen. Verhandlungen mit Maklern, Verkäufern oder Behörden verlangen doch andere Kenntnisse der Sprache als solche für einen Urlaub. Zwar bin ich gut imstande, Hände und Mimik ‚mitarbeiten’ zu lassen, aber es war sicher sinnvoll, noch einiges dazuzulernen. Übrigens unterscheidet sich die sardische Sprache sehr von der italienischen, aber die meisten Sarden, vor allem die jüngeren, sprechen heute fließend Italienisch.

Oktober 2002

In diesem Monat setzte der schon erwähnte glückliche Zufall alles schneller in Bewegung als uns eigentlich lieb war! Wir trafen einen flüchtigen Bekannten wieder, den wir Jahre nicht gesehen hatten, obwohl er nur einige Kilometer von unserem Ort entfernt ein kleines Geschäft hatte und auch dort in der Nähe wohnte.

Bei unserem Gespräch stellte sich heraus, dass er gar kein Spanier war (wie wir aufgrund seines Namens immer geglaubt hatten), sondern aus Sardinien stammte. Daraufhin verlagerte sich der Inhalt des Gesprächs natürlich auf Sardinien, auf unsere Begeisterung für diese Insel, auf die Regionen, die wir schon besucht hatten, und dass wir uns vielleicht später einmal dort überwiegend oder ganz aufhalten wollen. Er erzählte, dass er in einem kleinen verschlafenen Nest in eben der Region aufgewachsen war, die wir für uns ausgewählt hatten. Und dann fiel der folgenschwere Satz, der unser Leben fortan veränderte: ‚Wenn ihr da etwas sucht, habe ich vielleicht etwas für euch…’

Wir trauten unseren Ohren nicht, denn es war fast unglaublich: Er hatte vor einigen Jahren in der Nähe seines Heimatortes ein großes Grundstück erworben: in hügeliger Landschaft, mit Blick auf das Meer! Inzwischen wurde der Rohbau für ein kleines Haus im typisch sardischen Stil errichtet. Und genau dieses Grundstück mit dem noch unfertigen Gebäude wollte er verkaufen – die endgültige Entscheidung wollte er in diesen Tagen treffen!

Welcher Zufall – welche Macht hatte uns gerade jetzt zueinander geführt? Allerdings schien er seinen Entschluss noch zu überdenken - vor allem hatte er bisher offenbar weder mit seiner Familie noch mit Freunden konkret darüber gesprochen. Für uns hieß das trotzdem, dass wir vielleicht zur richtigen Zeit mit der richtigen Person in Kontakt gekommen waren. Denn nach mehr als 30 Jahren in Deutschland wollte er sein Geschäft aufgeben und sich zur Ruhe setzen. Seine durch und durch deutsche Frau dagegen hatte keine Lust, ihren Lebensabend in einem verträumten Nest auf Sardinien zu verbringen; schon gar nicht mit dem ganzen Familienclan ihres Mannes, der sie wohl zwangsläufig und wie sie vielleicht richtig vermutete, dort voll vereinnahmen würde. Sie sprach auch die Sprache kaum und wollte lieber nach Spanien oder Portugal gehen, um dort in einer ‚Interessanteren’ Gegend (wo vor allem mehr los ist…) ein Haus zu kaufen.

Bei einem dieser Gespräche mit uns kam auch heraus, dass er sich oft fragte, wo er nun wirklich hingehöre: auf Sardinien geboren und aufgewachsen, als junger Mann zuerst nach England und dann nach Deutschland gekommen, wo er dann geheiratet, ein Geschäft aufgebaut und über 30 Jahre verbracht hatte – eigentlich hatte er sich nun vorgenommen, zu seinen Wurzeln zurückzukehren. ‚Was soll ich in Spanien oder in Portugal? Ich weiß es wirklich nicht‘ – das waren seine Worte. Und dabei wirkte er fast ein wenig traurig. Aber letztendlich sei es wohl trotz aller Bedenken der richtige Entschluss, das Haus, das er für sich und seine Frau habe fertig stellen wollen, doch zu verkaufen.

Wir verabredeten uns für die darauffolgende Woche, um über weitere Einzelheiten zu sprechen, den Bauplan zu begutachten und die Fotos anzuschauen, die er bei seinem letzten Besuch auf Sardinien von Haus und Grundstück gemacht hatte. Außerdem wollten wir noch ein paar paar weitere, wesentliche Informationen bekommen.

Nach dem letzten Besuch waren wir noch sicherer, dass wir uns mit dem Objekt näher befassen wollten. Wir diskutierten das Thema zuhause natürlich stundenlang, und an manchen Abenden drehte sich das Gespräch kaum noch um etwas anderes. Vor allem beschäftigte uns der Gedanke daran, dass der Traum nun vielleicht schneller Wirklichkeit werden könnte, als wir das geplant hatten. Und dabei gab es nicht nur persönliche und berufliche, sondern auch finanzielle Aspekte zu berücksichtigen…

Die Feiertage Anfang November waren nicht mehr weit, und wir beschlossen spontan, diese Tage mit ein paar zusätzlichen Urlaubstagen so zu verlängern, damit es für eine Kurzreise nach Sardinien reichte. 5 Tage würden uns genügen – für die Fahrt mit dem Auto nach Livorno zur Fähre, die Überfahrt auf die Insel mit der Nachtfähre, die Anreise vom Hafen in Olbia in den Südosten der Insel, 2 Tage Aufenthalt, um uns gründlich umzusehen und danach wieder auf gleichem Wege zurückzukehren. Wir waren so beflügelt von der Neugier, was uns wohl erwarten würde und der unausgesprochenen Frage, ob es wirklich, das Fleckchen Erde war, das wir uns gewünscht und vorgestellt hatten, sodass uns die mit der Fahrt verbundenen Strapazen nebensächlich erschienen.

November 2002

Wir waren aufgeregt wie Kinder, die sich auf Weihnachten freuen und konnten es kaum erwarten, dass auf der Fähre nach der Ankunft in Olbia endlich die Ausfahrt geöffnet wurde. Die Strecke nach Tortoli bewältigten wir wesentlich schneller als sonst, da wir ja keinen Wohnwagen ziehen mussten und außerdem bei einer unserer vorangegangenen Reisen eine andere Route ausfindig gemacht hatten: Es gibt eine Schnellstraße, die von Nuoro fast bis Tortoli führt, die allerdings noch nirgends beschildert war. Die übrigen Kilometer auf der SS 125 nach Süden, zum Teil an der Küste entlang, zogen sich dann unglaublich in die Länge; aber das kam uns sicher in unserer Ungeduld nur so vor…

Der Beschreibung nach, die uns mitgegeben worden war, musste es gleich so weit sein: Zuerst durch Villaputzu fahren, über die lange Brücke (eigentlich sind es zwei Brücken, die über den Flumendosa führen) in Richtung Muravera und dann noch einige Kilometer weiter in Richtung Castiadas. In einer langgestreckten Kurve, in der man rechts in eine kleine, kaum sichtbare Einfahrt zwischen Büschen und stacheligen Kakteen einbiegen muss, sollte uns dann auf einem unbefestigten, kurvigen Weg durch Olivenhaine und Weingärten immer weiter nach oben in die Hügel führen.

Auf dieser ‚weißen’ Straße zogen wir eine mächtige Staubwolke hinter uns her, obwohl wir langsam fuhren; der Geländewagen war optimal für diesen steinigen und von Schlaglöchern übersäten Weg, auf dem ein Ausweichen nur an einigen Stellen möglich war, falls uns tatsächlich ein Auto entgegen kommen sollte. Der Weg ging dann zwar noch ein ganzes Stück weiter nach oben, aber wir konnten jetzt schon das Nachbarhaus und gleich daneben ‚unser‘ Haus sehen.

Als wir ausgestiegen waren, überwältigte uns nicht nur die Aussicht in Richtung Meer. Auch das Grundstück erschien uns riesig; es war noch nicht eingezäunt und der größte Teil davon bestand aus völligem Brachland mit einem ausgeprägten Wildwuchs an stachligen Sträuchern, niedrigen Büschen und einigen wilden Olivenbäumen sowie unzähligen großen und kleinen Steinen und sogar Felsbrocken. Das meiste Gestein hatte eine rostbraune Oberfläche, die teilweise in Dunkelbraun und Schwarz übergeht, was meinem Mann gleich zu Spekulationen Anlass gab. Mineralien sind schließlich eines seiner Interessengebiete.

Das Haus war wirklich noch ein Rohbau, der nur an 2 Seiten verputzt worden war. Wir öffneten eines der unverschlossenen Fenster, die auf der Terrassenseite bis zum Boden reichen, und stellten fest, dass auch innen noch größtenteils der Putz fehlte und der Boden nur aus einer nackten und staubigen Betonplatte bestand. Es gab noch keine Treppe ins Obergeschoss, lediglich eine Bauleiter aus Eisen lehnte zur Benutzung für die Handwerker an der Wand. In den Bädern herrschte gähnende Leere – es gab keine Anschlüsse, keine Sanitärobjekte – nur die dafür vorgesehenen Aussparungen in den Wänden.

Bei genauer Betrachtung des Grundstücks war uns durchaus klar, wie viel Arbeit damit verbunden sein würde, es zu bepflanzen und zu bebauen, dabei die unzähligen Steine zu entfernen, eine Bewässerung anzulegen, und, und, und … Aber in diesem Augenblick ging uns nur ein einziger Gedanke durch den Kopf – wir sahen ‚unseren’ Traum, der vielleicht wahr werden könnte! Sicher war es bis dahin noch ein weiter und vielleicht beschwerlicher Weg. Trotzdem - es grenzte fast an ein Wunder, dass unser Wunsch und unsere Vorstellungen so konkrete Züge annahmen und vielleicht tatsächlich realisiert werden konnten!

Mit diesem Buch wollte ich nicht nur viele meiner Erfahrungen festhalten sondern auch all denen, die einen ähnlichen Traum haben, aber nicht sicher sind, ob sie ihn verwirklichen wollen oder können, Mut machen. Allein der Wille dazu ist ausschlaggebend, alles Weitere ergibt sich fast von selbst. Man mobilisiert Kräfte und Fähigkeiten, die man gar nicht bei sich vermutet hätte! Dazu fällt mir immer wieder der Spruch von Goethe ein, den ich mir seinerzeit an die Küchenwand geklebt habe: ‚Alles was Du erträumst zu tun oder glaubst zu können – beginne es’! Oder einen anderen Spruch, der mir um diese Zeit ebenfalls in die Finger kam: ‚Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum.’

Wir machten mit Feuereifer zahlreiche Fotos von Grundstück und Haus aus allen möglichen Blickwickeln, selbstverständlich auch von innen; wir nahmen Maß in allen Räumen, um einen eigenen Plan anzufertigen und auch, um etwas Konkretes von unserem Traum mit nach Hause zu nehmen – nach Hause in den grauen, nassen November, dem wir nun am liebsten sofort und für immer entflohen wären.

Danach fuhren wir wieder in den Ort zurück, um bei einem ausgiebigen, sardischen Mittagsmahl über unseren Traum nachzudenken, das Für und Wider zu diskutieren und vor allem auch zu versuchen, einige negative Punkte zu finden – aber es gelang uns einfach nicht. Alles sah so positiv aus und gefiel uns so außerordentlich gut – es war einfach kein Raum für negative Aspekte. Obwohl es die durchaus gab: Es handelte sich um ein ausschließlich landwirtschaftlich zu nutzendes Grundstück und die Mindestgröße von einem Hektar gemäß der zu dieser Zeit gültigen gesetzlichen Vorschriften erlaubten überhaupt eine Bebauung. Das Haus musste also vorwiegend der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Geländes dienen und nur ‚nebenbei‘ zu Wohnzwecken, und es durfte eine bestimmte Größe nicht übersteigen – in Relation zu 1 ha waren dies 100 qm überbaute Fläche.

Zudem waren manche der geplanten Räume in der Baugenehmigung für eine andere Nutzung ausgewiesen, z. B. ein Raum, der eigentlich das Gästeschlafzimmer werden sollte, war als Geräteraum und die große Küche als Lagerraum eingezeichnet, das große Zimmer im Obergeschoss mit separatem Bad war ebenfalls nicht für Wohnzwecke gedacht…

Das vorgesehene Schwimmbad war im Bauplan als ‚Wasser-Rückhaltebecken‘ eingezeichnet (ein großartiges Wort in diesem Zusammenhang…), das in trockenen Zeiten als Reservoir für die Bewässerung der landwirtschaftlichen Fläche dienen sollte. Viele dieser Ungereimtheiten seien nach einschlägiger Aussage des Verkäufers im Laufe kurzer Zeit lösbar, d. h. veränderbar. Es bedürfe dazu nur einiger Anträge – diese Dinge würden in Italien schon immer so gehandhabt. Wir waren fest entschlossen, alle diese Hürden zu überwinden, und ein unglaublicher Optimismus hatte sich bereits breit gemacht. Vielleicht wollten wir aber in diesem Augenblick auch alles unbedingt durch die berühmte rosarote Brille sehen…

Das Essen in dem kleinen Restaurant an der Hauptstraße war ausgezeichnet (eine Frau aus dem Ort hatte es uns als einfach aber gut empfohlen). Zuerst gab es verschiedene Vorspeisen aus dem Meer und danach pasta mit arselle und bottarga (eine Venusmuschelart auf Sardinien sowie Fischrogen von der Meeräsche, der geräuchert/ getrocknet und dann gemahlen auf die Nudeln gestreut wird – eine Spezialität, die wir bisher nur auf Sardinien gefunden hatten).

Wir tranken dazu einen einfachen weißen Landwein aus der Karaffe, der uns gut schmeckte. Nach einem espresso fragten wir die Bedienung, ob sie uns eine private Unterkunft für die beiden Nächte, die wir im Ort verbringen wollten, empfehlen könne; also möglichst eine kleine Pension, ein B & B. Sie war sehr hilfsbereit und schrieb uns gleich eine Adresse mit Telefonnummer auf. Wir sollten aber unbedingt vorher anrufen, um uns zu vergewissern, ob die Familie überhaupt Anfang November noch ihre Zimmer vermietet.

Recherchen im Internet hatten ergeben, dass viele Hotels um diese Jahreszeit bereits geschlossen sind, aber wir zogen es sowieso vor, privat zu wohnen. Dabei erfährt man meist eine ganze Menge über den Ort, die Menschen und bekommt alle möglichen Informationen, die auch für unser Vorhaben durchaus nützlich sein konnten. Sicherheitshalber hatten wir sogar unsere Schlafsäcke und Trainingsanzüge mitgenommen, um notfalls auch in einem ‚Mobile Home’ auf dem ganzjährig geöffneten Campingplatz nicht allzu weit vom Ort nächtigen zu können.

Der Anruf erwies sich als positiv; wir konnten ein Zimmer für die beiden Nächte haben, sollten uns aber noch etwas Zeit lassen und erst am frühen Abend vorbeikommen. Also nutzten wir die noch verbleibende Zeit, um nochmals zu ‚unserem‘ Haus zu fahren, die Umgebung bei Nachmittagssonne zu betrachten, die Sicht auf das Meer zu genießen, die Grenzen des Grundstückes herauszufinden (was uns nicht gelang) und auf unserer inzwischen angefertigten ersten Zeichnung die Ungereimtheiten aus der vorherigen Vermessung der Räume am Vormittag zu korrigieren.

Für Anfang November war dies ein unglaublich schöner und warmer Tag – zwischen 20° und 22° C, alles war grün, in den Gärten glänzten die Blätter der Olivenbäume silbern in der Sonne, die Bougainville blühte noch immer verschwenderisch, auch Oleander und Bleiwurz hatten noch genügend Blüten, die Orangen und Zitronen waren fast schon reif zum Ernten – wir waren einfach hingerissen!

Danach fuhren wir noch ans Meer, um den nächstgelegenen Strand zu erkunden, und wir fanden gleich drei Möglichkeiten in der Nähe. Natürlich war es um diese Zeit überall menschenleer. Wir entschieden uns, den Weg durch die Mimosenbüsche ans Meer zu nehmen. Ein sanfter Wind streifte Haut und Haare; die Luft roch leicht salzig. Wir rannten mit hochgekrempelten Hosenbeinen in der flachen Brandung auf und ab – wir waren total glücklich und fühlten uns wie im siebten Himmel!

Langsam verschwand die Sonne hinter den grünen Hügeln, ein paar Wolken im Westen färbten sich immer mehr, bis sie erst gelb-orange und dann feurig rot erschienen: ein herrlicher Sonnenuntergang! Zurückgekehrt zum Grundstück konnten wir feststellen, wie alles zu verschiedenen Tageszeiten bei unterschiedlichem Licht wirkte (zumindest Anfang November). Hochzufrieden mit dem, was wir schon erlebt und gesehen hatten, kehrten wir wieder in den Ort zurück, um unser Nachtquartier ausfindig zu machen. Es gab auch einen Parkplatz ganz in der Nähe in einer kleinen Seitenstraße, und wir schleppten unsere Habseligkeiten hinauf in den zweiten Stock des Hauses.

Hier erwartete uns eine Überraschung, denn wir bekamen ein komplettes Appartement von etwa 70 qm mit Küche, Esszimmer, Wohnlandschaft mit offenem Kamin und einem Schlafzimmer, das sich über die gesamte Hausbreite erstreckte und zusätzlich im Südosten und Nordwesten über einen riesigen Balkon verfügte. Und das Ganze kostete inklusive reichhaltigem Frühstück nur 25 Euro pro Tag, nachdem wir außerhalb der Saison dort waren. Beim Frühstück hatten wir ‚Familienanschluss’ und konnten dabei vieles in Erfahrung bringen, was uns interessierte, ohne unsere eigenen Pläne offenzulegen (nachdem alles noch ganz unverbindlich und ohne jegliche schriftliche Grundlage war). In einem kleinen Ort kennt erfahrungsgemäß jeder jeden und solche Informationen machen schnell ‚die Runde’.

Die Leute waren unheimlich nett und hilfsbereit und führten uns sogar zu einer im Gebirgsstil (!) erbauten Villa im Ort, die zum Verkauf stünde. Das Grundstück war aber sehr klein, hatte keinen Meerblick und nur einen auf großen Umwegen erreichbaren Zugang zum Strand. Den uns genannten Verkaufspreis fanden wir trotz Hausgröße und dem sehr schön eingewachsenen, blühenden Garten ziemlich hoch. Die Leute versorgten uns auch mit weiteren Informationen über käufliche Grundstücke, davon eines hoch über dem Ort (die Aussicht war sicher gut) mit einer riesigen Antenne auf dem Grundstück und einem im positiven Sinne nicht nachvollziehbaren qm-Preis.

Für weitere Objekte empfahlen sie uns, die örtlichen Makler aufzusuchen. Da diese über die Feiertage natürlich geschlossen hatten, betrachteten wir nur die zahlreichen Angebote in deren Schaukasten und staunten über die teilweise doch ziemlich happigen Preise für relativ kleine Grundstücke und Ferienhäuser. Trotzdem hatte alles einen gewissen Informationswert für uns.

Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück sofort wieder zu unserem Haus, um das Gelände auch in der frühen Morgensonne zu erleben, die Aussicht aufs Meer zu genießen, das an diesem Tag ganz ruhig und glatt in der Sonne wirkte – kein tiefes Blau, weil noch ein leichter Dunstschleier darüber lag. Jeden Tag gefielen uns das Grundstück und die Aussicht noch besser und wir erwarteten gespannt die Ankunft des Eigentümers, der an diesem Nachmittag eintreffen und viele noch offene Fragen beantworten sollte.

Zum Mittagessen suchten wir uns ein Restaurant in Richtung Costa Rei und waren überrascht, wie gut es an einem Novembertag besucht war, vor allem von Einheimischen. Touristen gab es kaum um diese Zeit hier. Auch in diesem Restaurant konnten wir hervorragend essen, und zum Nachtisch servierte man uns als kleines Extra des Hauses neben einem Limoncello noch ein Körbchen mit frisch geernteten Orangen. Obwohl sie klein und äußerlich mehr grün als reif aussahen, schmeckten sie köstlich und süß. Das Restaurant Maistu Andria wurde auf jeden Fall gleich in unsere Liste aufgenommen!

Der Anruf auf dem Mobiltelefon bestätigte dann die Ankunft des Eigentümers, und wir verabredeten uns gleich auf dem Grundstück. Amüsiert hörte er zu, als wir ihm erzählten, dass wir es sofort nach unserem Eintreffen am ersten Tag ohne Weiteres gefunden hatten (es gab schließlich keine Straßennamen oder gar Hausnummern, die einem das Auffinden erleichterten – man konnte sich nur an die Beschreibung halten und das, was wir aufgrund der wenigen Fotos in Erinnerung hatten…).

Bei unserem Zusammentreffen am Nachmittag stellte uns der Eigentümer auch seinen Schwager Francesco vor, der mit seiner Familie in einem Ort etwa 15 km entfernt wohnt. Dem italienischen Dialekt nach war Francesco gar kein Sarde sondern vom Kontinent; ein Neapolitaner, wie er stolz sagte, und seine Frau – bedingt durch die berufliche Laufbahn beim Militär an einem Nato-Stützpunkt im Westen der Insel – hier kennen gelernt hatte. Mittlerweile ist er in Pension und konnte sich daher immer wieder etwas um den Baufortschritt am Haus kümmern. Auch viele Behördengänge für die nötigen Genehmigungen wurden von ihm erledigt.

Gemeinsam besichtigten wir das Haus und stellten zum einen oder anderen Punkt, der uns aufgefallen war, entsprechende Fragen. Dass der Baubeginn des Hauses nun schon Monate zurücklag, muss man auch aus den Gegebenheiten vor Ort verstehen. Viele Sarden fangen nach Erhalt der Baugenehmigung zwar an zu bauen, machen aber immer nur weiter, wenn sie wieder Geld zur Verfügung haben.

Außerdem wird ein Haus meist nicht, wie dies in Deutschland überwiegend der Fall ist, über eine Bank finanziert. Aber auch die Zuverlässigkeit (oder vielleicht eher die Unzuverlässigkeit) der Bauunternehmen oder anderer Handwerker tut ein Übriges, warum der Bau nicht allzu schnell fortschreitet. Weitere Verzögerungen können sich durch nicht vorhandene oder verspätet eingegangene Genehmigungen ergeben. Zwar sollte der Bau nach den gesetzlichen Bestimmungen innerhalb von 3 Jahren beendet werden, aber die Genehmigung kann unter Umständen auch verlängert werden. Das führt dazu, dass man innerhalb und außerhalb vieler Orte unzählige Rohbauten und Häuser in verschiedenen Stadien der Fertigstellung sieht, die zuerst den Eindruck vermitteln, es gäbe viele Bauruinen, die zum Verkauf stünden.

Auch die in den vergangen Jahren immer wieder geänderten Bauvorschriften – je nach Politiker und Parteiprogramm – tun das ihrige dazu. Viele der Häuser werden bereits bezogen, auch wenn sie nur leidlich bewohnbar sind. Die endgültige Fertigstellung kann Jahre dauern, oft auch 5 oder gar 10 Jahre und mehr. In vielen Fällen stimmen die tatsächlichen baulichen Gegebenheiten nicht unbedingt mit denen auf der erteilten Genehmigung überein, und es gibt auch viele Schwarzbauten. Teilweise wurden ganze Häuser gebaut, obwohl auf dem Plan vielleicht nur ein Lagerraum beantragt worden war.

Dieses Vorgehen ist leider nicht nur auf Sardinien sondern auch in vielen südlichen Regionen Italiens gang und gäbe. Oft ist die tatsächliche Nutzung eine andere als die offiziell angegebene – Lagerräume dienen dann inoffiziell doch Wohnzwecken. Dies hängt natürlich auch mit der Versteuerung der Gebäude zusammen. Die endgültige Eintragung des Hauses in das öffentliche Kataster erfolgt oft erst nach relativ langer Zeit (oder auch gar nicht…). Damit kann man auch eine Zahlung der fälligen Steuern und Abgaben weit nach hinten schieben. Wie man uns sagte, lassen manche Eigentümer die offizielle Registrierung auch erst bei einem Verkauf oder bei Vererbung durchführen.

Allerdings wurde in den letzten Jahren (zuletzt 1999) vom italienischen Staat immer wieder die gesetzliche Möglichkeit einer sog. ‚Heilung‘ (condono) eingeräumt, bei der man nachträglich gegen Zahlung einer nicht allzu großen Strafe – abhängig vom Grad der Abweichung bzw. des Missbrauchs – die nötige Genehmigung erhalten konnte. Das brachte zusätzliches Geld in den Staatssäckel, und es gab danach einige Schwarzbauten weniger.

Inzwischen wird in vielen Regionen überhaupt keine Genehmigung mehr zum Bau von Häusern direkt am Meer erteilt. Und viele, die in den vergangenen Jahren davor zurückschreckten, einen Schwarzbau auf ein schönes Grundstück in Meernähe zu setzen, ärgern sich jetzt, dass sie es seinerzeit nicht doch getan haben, nachdem ihre Nachbarn, die auf ‚Risiko’ gesetzt hatten, nun die Genehmigung auf dem ‚Heilungswege‘ nachträglich erreichten.

Bei dem zum Verkauf stehenden Rohbau auf dem Grundstück kam noch dazu, dass der Eigentümer aus gutem Grund immer nur dann weiterbauen ließ, wenn er für einige Wochen vor Ort war, um die Arbeiten selbst beaufsichtigen zu können. Der Fleiß, die Zuverlässigkeit (und manchmal auch die Sorgfalt) ortsansässiger Handwerker halten sich teilweise, wie fast überall im Süden, sehr in Grenzen. Es ist sicher besser, an Ort und Stelle zu kontrollieren, was zu tun ist, den Arbeitern notfalls ‚Druck zu machen’ oder sie auch einzubremsen, wenn Dinge mangels entsprechender Aufsicht nicht richtig bzw. schlampig durchgeführt wurden.

Der Verkäufer beabsichtigte, auch dieses Mal wenigstens 2 Wochen an seinem alten Heimatort zu verbringen und in dieser Zeit die Bauarbeiten weiter voranzutreiben. Nachdem wir uns mündlich mittlerweile mehr oder weniger handelseinig waren, konnten bereits einige unserer Vorstellungen für den weiteren Ausbau dabei einfließen.

Für das Bohren des erforderlichen Brunnens war inzwischen die Genehmigung beantragt worden (es geht dort immerhin um eine Tiefe von 70 – 90 m, wobei wir mittlerweile wissen, dass in manchen Landstrichen auf Sardinien bis zu 120 m und mehr nötig sind, bis man auf Wasser stößt).

Auch der Auftrag für die Errichtung eines ersten, einfachen Zaunes war erteilt (bei der Größe des Grundstücks selbst in solcher Ausführung ein kleines Vermögen) und auch der Stromanschluss vom Nachbarn bereits bis zur Grundstücksgrenze geführt. Der geometra (Vermessungsingenieur), der für die endgültige Bestimmung der Grundstücksgrenze einschließlich zusätzlicher Zeugen für die erneute Markierung nötig ist, wusste bereits Bescheid. Die meisten der vorherigen Markierungen, die aus einfachen Eisenstangen bestanden, waren wohl einigen Leuten irgendwie nützlich erschienen und somit verschwunden.

Der Eigentümer schritt bei dieser Gelegenheit mit uns auch das ganze Grundstück in etwa ab, und wir konnten kaum fassen, dass es noch um ein knappes Drittel weiter reichte als vermutet – bis in eine Senke, durch die in regenreicheren Zeiten, meist im Frühjahr, ein Bach von den Bergen herab sein Bett sucht. Große Mengen an kleinen und großen Steinen in dem ausgetrockneten Bachbett waren dafür eindeutige Anzeichen. Nur gut, dass der sicher im zeitigen Frühjahr möglicherweise sogar zum Sturzbach anschwellende Wasserlauf weit genug vom Haus entfernt ist und zudem erheblich tiefer liegt!

Wir waren jetzt schon sehr gespannt, was das Leben dort, auch wenn es anfangs nur einige Wochen im Jahr sein würden, alles für uns an Überraschungen bereithalten würde – ein Leben auf dem Land und Natur pur!!! Allerdings ging uns bei der Betrachtung des Grundstücks wieder durch den Kopf, wie viele Stunden Arbeit allein für die Bepflanzung von einigen 100 qm rund um die Terrasse nötig sein würden – bei unserem Besuch lag dort nur eine Unmenge Schutt und darunter war ausgetrockneter, harter und steiniger Boden. Der größere Teil des Geländes, das wir demnächst unser Eigen nennen wollten, würde noch ganz andere Herausforderungen bringen, auch wenn wir nicht vorhatten, ihn als Garten anzulegen. Wir wollten nämlich – der Entsprechung eines landwirtschaftlichen Anwesens folgend – Olivenbäume pflanzen, wie es auch schon einige unserer Nachbarn getan hatten.

Dazu wäre allerdings einiges Wissen nötig, um überhaupt damit zu starten und noch mehr, um nach einigen Jahren tatsächlich Erfolg, sprich eine zufriedenstellende Ernte, damit zu haben. Der beste Weg war sicher, bei einheimischen Olivenbauern Rat einzuholen, möglichst gut umzusetzen und vielleicht auch regelmäßige Hilfe dabei zu erbitten. Ob und in welcher Form das gelingen könnte, würde eine weitere Herausforderung sein.

Einen anderen Teil des Grundstücks müssten wir vorerst sicher so belassen, wie er derzeit war; wilde macchia mit großen und kleinen Büschen, olivastri (wilden Olivenbäumen) und einigen stacheligen, kleinen Bäumen mit winzigen und total holzigen Birnen – allerdings ohne den immer wieder von den weidenden Ziegen verursachten Verbiss, denn nach Errichtung des Zaunes würden sie nicht mehr ‚einfallen‘ können.

Dem regelmäßig dort vorbeiziehenden Ziegenhirten mit Hunderten von Tieren passte die ganze Sache natürlich nicht besonders. Er hatte sich nach Aussage des Eigentümers bei seinem letzten Aufenthalt auch schon massiv bei allen möglichen Stellen versichert, dass auf jeden Fall die von der Gemeindewasserleitung gespeiste Wasserstelle am unteren Ende des Grundstücks, wo auch ein Weg vorbeiführt, für ihn oder besser für seine Ziegen frei zugänglich bleibt. Der Zaun wurde also zwangsläufig an dieser Stelle etwas innerhalb der eigentlichen Grundstücksgrenze entlang geführt, obwohl nach den einschlägigen Vermessungen auch dieser Teil eindeutig zum Grundstück gehört. Aber sonst wäre nicht nur der erste Ärger gleich vorprogrammiert gewesen, sondern mit Sicherheit ein immerwährender Streitpunkt daraus geworden. Und das sollte unbedingt vermieden werden!

Nach der ausgiebigen Besichtigung von Haus und Grundstück fuhren wir gemeinsam einige Kilometer weit bis Colostrai, wo der Verkäufer vor Jahren ein weiteres Grundstück nahe am Meer erworben hatte. Aufgrund der knappen Entfernung zum Strand (und der inzwischen geänderten Gesetze) darf man es aber nicht mehr bebauen. Daher befindet sich nur eine kleine Holzhütte auf dem Grundstück, die zum Übernachten zwar mit Strom und Wasseranschluss ausgerüstet wurde, aber außer für Ferien nicht weiter nutzbar ist. Der Zugang zum Strand beträgt höchstens 100 m…

Wir machten anschließend noch einen Abstecher zum Haus des Fischers, der sich am nahe gelegenen stagno (Lagunensee) niedergelassen hatte und wo man Muscheln, Austern, Fische und allerlei Meeresgetier günstig und frisch kaufen kann – ein guter Tipp, den wir bei nächster Gelegenheit sicher aufgreifen würden.

Der Verkäufer hatte sich vorerst von uns verabschiedet, und daher blieb uns an diesem Tag auch für eigene Ausflüge noch etwas Zeit bevor es dunkel wurde. Wir wollten den nächstgelegenen Hafen aufsuchen, der aber als ‚porto turistico’ nur für Boote, kleinere Yachten und Motorschiffe tauglich war. Freunde hatten uns darum gebeten, da sie uns mit ihrem Segelboot im Sommer besuchen wollten.

Nach Verlassen der beiden fast aneinander grenzenden Ortschaften Muravera und Villaputzu waren es nur noch wenige Kilometer in Richtung Norden auf der SS 125, bis wir die Abzweigung zum Porto Corallo fanden. Der Hafen war offensichtlich teilweise neu angelegt worden und machte insgesamt keinen schlechten Eindruck; allerdings fehlte es noch an der für solche touristischen Häfen nötigen Infrastruktur. Ein unfertiger Neubau sollte hier wohl Abhilfe schaffen. Wir schossen ein paar hübsche Fotos in der untergehenden Sonne und fuhren danach zurück zu unserem Quartier in Muravera, um uns vom Staub zu befreien und für das Essen umzuziehen.

Wir waren an diesem Abend bei einem guten Freund des Verkäufers, mit dem wir uns persönlich immer besser verstanden, eingeladen. Dieser betreibt bei Quirra, etwa 20 km entfernt, ein sehr gutes und bekanntes Restaurant, das direkt an der SS 125 liegt. Wir sollten aber erst nach 21.30 h kommen, damit sein Freund mehr Zeit für uns alle hätte, uns persönlich zu bedienen, uns am Tisch Gesellschaft zu leisten und mit uns gemeinsam zu essen. Als wir gegen 21.45 h (was für uns schon sehr spät war) im Restaurant eintrafen, fiel uns auf, dass immer noch viele Tische belegt waren, obschon die meisten Gäste beim Käse oder Dessert angelangt waren oder einen Filu Ferru oder einen Mirto serviert bekamen.

Wir hatten zwar schon bei unseren bisherigen Reisen viele exzellente Gerichte auf Sardinien kennengelernt, denn auch wenn die sardische Küche oft als einfach und eher rustikal beschrieben wird, gibt es doch viele Köstlichkeiten, die uns immer wieder in Erstaunen versetzten. Im Landesinneren gibt es meist Menüs ‚della terra’, wohingegen an der Küste eher ‚del mare’ aufgetischt wird.

Was uns aber an diesem Abend geboten wurde, überstieg nicht nur unsere Vorstellungskraft von einem ausgezeichneten Essen, sondern erinnerte sowohl in seiner Länge als auch der Anzahl der verschiedenen Gänge (ausschließlich Fische und Meeresfrüchte) an opulente und exquisite französische Abendessen. Allein vom Tintenfisch gab es drei ganz unterschiedliche Arten als Vorspeisen, eine köstlicher als die andere. Völlig verblüfft hatte der Gastgeber uns aber mit frischen sardischen Austern, deren Aufzucht mittlerweile in den sogenannten stagnos (flachen Salzwasserseen, die mit dem Meer verbunden sind) ebenso betrieben wird wie in den flachen Étangs an der südfranzösischen Küste um Sète und in den Orten am Atlantik, in der Aquitaine.

Als Hauptgang servierte uns der Chef einen wunderbaren spigola (auch branzino oder lupo di mare, d. h. Seewolf genannt) mit einer derart zarten Konsistenz, dass er nur so auf der Zunge zerging. Natürlich sparten wir nicht an Lob für lo chef und die Küche, und wir zeigten unsere Begeisterung in typisch südländischer Weise nicht nur mit Worten, sondern mit Gesten und entsprechender Mimik. Dies machte auch in nicht ganz perfekter italienischer Sprache mehr Eindruck, als wenn wir vieles hätten übersetzen lassen müssen…

Nach 7 oder 8 Gängen – ich konnte gar nicht mehr mitzählen – mussten wir uns noch für einen hervorragenden Käse (zwei Sorten pecorino) und ein gelungenes Dessert ‚opfern‘ und befürchteten, man müsse uns anschließend aus dem Restaurant ins Auto tragen – und dies nicht wegen des Weins oder des ebenfalls noch folgenden Digestifs…

Die Begeisterung auf beiden Seiten steigerte sich in dem Maße wie die Anzahl der Gänge und unser Sättigungsgrad zunahmen, die Familiennamen waren mittlerweile längst vergessen und unwichtig, und wie es im Süden oft üblich ist, werden nach einem solchen gemeinsamen Essen aus Fremden sehr schnell Freunde! Der Restaurantchef fragte mehrmals nach, weil er nicht glauben wollte, dass wir wirklich tedeschi seien – solche Deutschen hätte er noch nicht kennen gelernt in seinem Restaurant, die meisten Urlauber würden nur Pizza oder Spaghetti, und dann auch noch eine Portion auf 2 Tellern serviert, bestellen… Was müssen wir Deutsche doch oft für einen schlechten Eindruck hinterlassen in anderen Ländern, vor allem dort, wo Essen ein ganz wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Thema ist!

Es war schon sehr spät oder besser sehr früh, als wir uns auf den Heimweg machten, mit vielen guten Wünschen vonseiten des Gastgebers und einer Einladung für unseren nächsten Aufenthalt. Wir versprachen, dies auf keinen Fall zu vergessen! Auch von Ettore (inzwischen waren wir ja beim Duzen und den Vornamen angelangt), dem der ganze Abend oder eher die gemeinsam an einem Tisch verbrachte Nacht ungemein gut gefallen hatte, verabschiedeten wir uns, nachdem wir ihn vor dem Haus seiner Mutter abgesetzt hatten.

Unser Eindruck war, dass wir nach dieser Nacht eindeutig eine noch bessere ‚gemeinsame Sprache‘ mit ihm gefunden hatten, was uns sicher auch beim bevorstehenden Kauf des Hauses und der damit zusammenhängenden restlichen Fertigstellung ein großes Stück weiterhelfen würde.

Beim Frühstück am nächsten Morgen sagten wir auch unserer Gastfamilie arriverderci – es gab einen sehr herzlichen Abschied (und das nach nur zwei Tagen…), und wir wurden eingeladen, uns unbedingt bei unserem nächsten Besuch zu melden, vorbeizuschauen und wenn es nur auf einen espresso sei! Wir versprachen, auf jeden Fall anzurufen, tauschten die Telefonnummern aus und luden unser Gepäck ins Auto. Dann überlegten wir, wie viel Zeit uns noch blieb, denn vor der endgültigen Abreise wollten wir unbedingt noch einmal zum Grundstück hinausfahren.

Es war ein wunderschöner, sonniger Morgen mit einem wolkenlosen, unglaublich blauen Himmel, die Temperatur war gegen 10.00 Uhr schon bei 24° C angelangt und sollte noch 27° C erreichen – und das an einem Novembertag! Für uns phänomenal um diese Jahrezeit… Wir setzten uns auf einen großen Stein unter dem wilden, kleinen Birnbaum und versuchten, die letzten beiden Stunden, bevor wir wieder nach Olbia in Richtung Fährhafen aufbrechen mussten, ganz intensiv zu genießen und uns unseren Träumen für eine Zukunft hier vollends hinzugeben.

Es war einfach unbeschreiblich schön – die Sonne und die Wärme, die sie im November noch ausstrahlte, der tiefblaue Himmel, der Blick aufs glitzernde Meer, die grünen Hügel hinter uns, die Stille, die nur vom Gezwitscher einiger Vögel unterbrochen wurde. Wir malten uns in allen Farben aus, wie schön das Leben hier wohl für uns einmal sein würde… im Garten zu arbeiten, das Gelände herzurichten, Bäume zu pflanzen, Fische oder Meeresfrüchte zuzubereiten und gemütlich und entspannt auf der Terrasse zu essen, Freunde einzuladen, im Winter zu malen und schreiben, Bücher zu lesen und dabei immer die Natur und die Ruhe zu genießen!

Solche Aussichten machten uns fast schwindlig vor Glück, und wir konnten uns kaum losreißen, obwohl die Uhr mahnte… Genug der wunderschönen Träume – es half alles nichts; wir mussten losfahren.

Gerade als wir das Gelände verlassen wollten, erschreckten uns ein paar waghalsige Motocross-Fahrer, die offensichtlich die kleinen, unbefestigten Straßen für ihren ‚Sport’ nutzten. Sie kamen wie die Verrückten den Hügel abwärts gerast, eine riesige Staubwolke hinter sich herziehend, und nahmen die Kurven mehr stehend als sitzend auf ihren Zweirädern – wie sie allerdings um die Kurven herum ein Hindernis erkennen wollten, schien mir schleierhaft – Gott sei Dank, waren wir noch nicht auf den Weg eingebogen; ich hätte sie ungern auf der Motorhaube landen sehen… Hoffentlich würde der Weg unterhalb des Grundstücks im Sommer dann keine Rennstrecke für solche waghalsigen ‚Sportskanonen’ sein!

Überhaupt haben die Sarden – ähnlich wie die Neapolitaner – eine ungeheuer ‚dynamische‘ Fahrweise: Nicht nur, dass die jungen Männer gerne schnell fahren; sie kommen einem in Kurven grundsätzlich auf der eigenen Fahrspur entgegen (oder mindestens in der Mitte davon). Auch die Geschwindigkeiten, mit denen sie die Kurven ‚nehmen‘, sind oft schwindelerregend! Wenn ich dann wieder einmal versuchte, diesen rasanten Fahrern in den Kurven nur annähernd so schnell zu folgen (schaffte ich meist sowieso nicht), handelte ich mir immer sofort die entsprechende Schelte von meinem Beifahrer ein…

Auf dem Weg nach Norden zur Fähre wollten wir unbedingt noch einen Zwischenstopp einlegen, um für die leiblichen Genüsse zu Hause in Deutschland ein paar lokale Spezialitäten zu besorgen: ein paar Flaschen sardischen Cannonau (ein typischer Rotwein auf Sardinien), roten und weißen Mirto (ein 30%iger, likörartiger Aperitif oder Verdauungsdrink, je nach Zeitpunkt und Gusto, sowie Pecorino und eine Packung Carta di musica (eine sardische Brotspezialität, die ihren Namen Notenblättern verdankt, weil sie fast so dünn ist).

Nachdem wir gut in der Zeit lagen, um rechtzeitig zur Fähre zu kommen, konnten wir auf der SS 125 in einem kleinen Restaurant an der Straße noch eine pasta und einen espresso auf der Terrasse genießen, einen letzten, kurzen Abstecher an den Strand machen, die Füße ins sardische Meer strecken und uns ein paar der nachmittäglichen Sonnenstrahlen auf den Rücken scheinen lassen.

Dann musste es aber schnell gehen, obwohl zu dieser Jahreszeit notfalls auch 30 Minuten vor Abfahrt genügen, um noch auf die Fähre zu kommen, vor allem, wenn man das Ticket schon in der Tasche hat. Trotzdem ist war es besser, nicht in den letzten Minuten anzukommen.

Den Sonnenuntergang betrachteten wir bereits von der Fähre aus, und es erfasste uns wieder die schon von früheren Fahrten bekannte, wehmütige Stimmung, sobald wir die enge Hafenausfahrt verließen und langsam aufs offene Meer hinausfuhren.

Auf der Rückfahrt von Livorno nach Firenze tauchten wir ins erste Schlechtwettergebiet ein und fuhren durch Regen und Nebel über die Bergstraßen nach Bologna und Modena. Das schlechte Wetter blieb uns weiterhin treu, und in der Poebene auf der Strecke nach Verona hatten wir richtig dicken Nebel und das typische Novemberwetter, wie wir es auch in Deutschland zu dieser Jahreszeit gewöhnt sind. Verständlicherweise sehnten wir uns schon auf der Rückreise wieder in die sonnigen Gefilde von Sardinien zurück und wären am liebsten gleich wieder umgekehrt.

Wie wir bei unserem Besuch im November erfahren hatten, lag der letzte richtige Regen schon 7 oder 8 Monate zurück – von ein paar kleinen, unbedeutenden Schauern abgesehen, die für die herrschende, große Trockenheit kaum etwas gebracht hatten. Man könne sich gar nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern und Regen wäre jetzt mehr als dringend erforderlich. Dieser extreme Niederschlagsmangel erklärt auch die Tatsache, dass fast jeder mit ein bisschen mehr als nur einem kleinen Garten auf jeden Fall einen eigenen Brunnen hat, denn die Wasserleitung der Gemeinde kann in sehr heißen und niederschlagsarmen Jahren ganz unerwartet immer wieder einmal ‚austrocknen‘, d. h. es gibt dann eben an einem Tag für einige Stunden kein Wasser! Gerade im Süden des Landes scheint dies in der Vergangenheit sehr oft der Fall gewesen zu sein, und die Trockenheit wird dann wirklich zum Problem.

Damit war für uns auch klar, dass wir bei Ettore unbedingt massiv darauf drängen mussten, sich rechtzeitig um den Brunnen zu kümmern, der uns von solchen Problemen ziemlich unabhängig machen sollte. Am besten wäre es, jetzt in der trockensten Zeit bohren zu lassen, um sicher zu gehen, dass er auch tief genug würde.

Mit 24.090 qkm ist Sardinien zwar die zweitgrößte Insel Italiens, hat aber in Europa die niedrigste Bevölkerungsdichte. Von den ca. 1,6 Millionen Einwohnern leben allein ca. 400.000 in der Hauptstadt Cagliari und den angrenzenden Orten. Ein Großteil der restlichen Bevölkerung verteilt sich auf die übrigen größeren Städte Oristano, Nuoro, Sassari und Olbia sowie Alghero, Santa Teresa di Gallura, Porto Cervo an der Costa Smeralda (wo auch mit Olbia einer der beiden größten Passagierhäfen und der zweitwichtigste Flughafen Sardiniens ist) sowie Arbatax, Tortoli und noch weitere kleinere Städtchen im küstennahen Bereich. Das Landesinnere ist dagegen wenig besiedelt. Seit 1948 ist Sardinien eine autonome Region innerhalb Italiens und weiter unterteilt in verschiedene Provinzen).

Auf Sardinien wird vor allem Ackerbau (Getreide, Reis, Wein, Oliven und Südfrüchte) sowie Viehzucht (überwiegend Schafe, Ziegen und Schweine, in manchen Gegenden auch Rinder) betrieben. Eine der Haupteinnahmequellen ist mittlerweile aber auch der Tourismus, allerdings ist für viele Sarden dadurch nur ‚Saisonarbeit’ verfügbar.