Satans Geile Träume - Kurt Koch - E-Book

Satans Geile Träume E-Book

Kurt Koch

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Beschreibung

Drogenhandel, Drogenbarone, brutale Geschäftspraktiken. In Europa wird tonnenweise Kokain angelandet und großflächig vermarktet. Ein absolut tödliches Spiel mit wechselnden hochseetüchtigen Yachten und den mit allen Wassern gewaschenen "honorigen" Alten Herren. Die DEA der Amis greift mit Undercovers und wechselndem Erfolg in das absolut tödliche Spiel ein.

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Seitenzahl: 365

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Akteure im Direktorium der Stiftung zur Bekämpfung der Drogensucht:

Eduardo Ribadeneira Cheftechniker in Valencia aus der Technischen Überwachungszentrale.

José-Maria Gilberto Gallardo de Acevedo y Tortosa, der Vorsitzende des Direktoriums.

Pedro-Ricardo Cesar Fonseca Hidalgo, ein mehr cholerischer Direktorentyp.

Henrique Ignacio Jerónimo Sepúlveda, der Direktor für interkontinentale Beziehungen.

Ambrosio Hermenegildo de BizcainoThompson ein Kollege von Henrique Ignacio.

Sá Benedicto Xavete Evaristo Direktions-Kollege und Freund.

Roberto Sebastiano Pizarro Ribadeneira ein Direktionskollege - sensibel.

Tavira Fernandez - Leiter der spanischen Drogenbekämpfungsbehörde

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kurze Zusammenfassung aus dem Band 1

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kurze Zusammenfassung aus dem Band 1

Bereits seit mehr als 2 Jahrzehnten hatte die „honorige und verbrecherische“ Stiftung zur Bekämpfung der Drogensucht erfolgreich den Markt für Drogen in Europa bedient. Alle nationalen und internationalen Behörden für die Bekämpfung des Drogenhandels hatten sich vergebens bemüht hinter die verbrecherischen Umtriebe der „seriösen“ Stiftungsdirektoren in einer verbunkerten Zentrale in der spanischen Stadt Valencia zu kommen.

Die Bemühungen verliefen so gut wie immer in Wohlgefallen. Immer wieder liefen sie gegen eine unsichtbare Schutzwand, die von mehreren europäischen Staaten und seine höchsten Vertreter errichtet worden war.

Auch die Transportwege der immerhin gewaltigen jährlichen Menge an Kokain, die in Europa eintraf und hier verteilt wurde, blieben im Dunkeln. Bis ein untreuer Maulwurf aus den eigenen Reihen die Yacht mit einer 3-Tonnenladung Kokain in seine Gewalt brachte. Es begann über den Atlantik und den Südamerikanischen Teilkontinent eine mit viel Geld geschmierte Jagd nach der Yacht. Daran beteiligten sich auch die amerikanischen Drogenfahndungsbehörden. Diese wollten die Not der Stiftung zur Bekämpfung der Drogensucht nutzen, um der Drogenmafia einen vielleicht tödlichen Schlag zu versetzen. Erschwerend kam dazu, dass die monatlichen Transporte mit einer Yacht immer wieder auf einer anderen Yacht betrieben wurde. Nach jedem erfolgreichen Transport verschwanden die Schiffe samt Führung spurlos. Die Behörden konnten den entscheidenden Zusammenhang vom Verschwinden der Yacht und einem Skipper mit Begleitung nicht herstellen. Immer wieder verschwanden Touristenpaare absolut spurlos. Wie konnte das passieren?

Jede Reise mit dem Kokain erfolgte auf einem neuen Schiff, frisch registriert in einem korruptem Kleinstaat in der Karibik. Weiter und tiefer konnten die Ermittler nicht in das düstere Gewölk der alltäglichen Bestechungen eindringen. Die Liste verschwundener Crewmitglieder zur Führung der Yacht verloren sich im Irgendwo und Irgendwie.

Bis dann eines Tages ein äußerst brutaler und untreuer Mitarbeiter der Stiftung zur Bekämpfung der Drogensucht auf die Idee kam, sich die Yacht mit der Ladung von 3 Tonnen Kokain „unter seinen Nagel zu reißen“. Der momentane Nachteil für den Kaperer war, dass er dieses Superfahrzeug auf dem Wasser nicht allein um den Kontinent fahren konnte. Er brauchte einen Mitfahrer. Ob das gut gehen würde?

Die Drogenbehörden in USA hatten einen guten Riecher und auch der Zufall brachte seine Hände ins Spiel. Sie hatten einen Maulwurf präpariert, um ihn in die geheimnisvolle Organisation einzuschleusen. Der Entführer der Yacht und dieser fanden zusammen. Sie gelobten sich die Yacht gemeinsam zu fahren und alle Gewinne unter sich aufzuteilen.

Wie das so bei viel-viel Geld und Gangstern ist, konnte das nicht sehr ernst gemeint sein. Der neue Begleiter würde nach Abschluss der Reise schlicht ein Seemannsgrab finden, der Entführer wollte alles haben.

Die Reise entpuppte sich als äußerst kompliziert. Ob sie überhaupt gelingen konnte? Schließlich warteten auf der Reiseroute und in allen Tankstopps bereits Polizisten und andere Geldgierige - auch und besonders korrupte - um den ausgelobten Finderlohn für sich einzusacken.

Lassen Sie sich überraschen. Die nächsten Seiten haben es „in sich“.

30

14. Oktober

Henry hatte bereits um acht Uhr die Espera verlassen und war auf dem Weg in den Ort. Gestern hatte er gehofft, dass Freddy wieder auftauchen würde und hatte bis lange nach Mitternacht gewartet. Schließlich hatte er doch eingesehen, dass es mit der Rückkehr seines Kumpans so schnell nichts werden würde.

Er machte sich Gedanken, wie sich das wohl auf seine Aufgabe, seine Pläne und Vorhaben auswirken würde. Das Vorkommnis konnte wohl alle Planungen der Auftraggeber über den Haufen werfen. Der bisherige gewaltige Einsatz von Manpower und Zeit wäre damit umsonst gewesen.

Dann, das wusste er, jetzt die Yacht alleine zu lassen war sehr riskant. Er sah aber keine andere Möglichkeit etwas über den Verbleib Freddys zu erfahren. Es gab keine Person oder eine Autorität, die er hätte bitten können, ihm zur Seite zu stehen. Mit einem sehr zwiespältigen Gefühl machte er sich auf in den Ort. Er musste Gewissheit erlangen, wie es denn nun weitergehen konnte. Er trug schwer unter der Verantwortung und würde sich zu gegebener Zeit rechtfertigen müssen.

Zunächst ging es darum, entweder er musste Gunter oder Felipe finden. Nun, Felipes hatte er zwei. Dem einen, der mit der sogenannten Reparaturwerft, mochte er nicht über den Weg trauen. Von Gunter gar nicht zu reden.

Er landete schließlich bei dem Tankstellenbesitzer, dem Freddy als Vorauszahlung für die Diesellieferung, und auf dessen Wunsch, ein paar tausend Dollar gezahlt hatte. Er wollte ihn schlicht und einfach fragen, ob er ihm noch etwas schulde und dann das Thema, mehr nebenbei, auf Polizei und Knast bringen. Er würde sagen, dass er damit rechne, dass Freddy, wahrscheinlich wegen irgendeines Immigrantenvergehens, eines Fehlers gegen die Einreisebestimmungen, eine Strafe zahlen müsse. Unterdessen würde er aber immer noch festgehalten. Wo das sein könne.

Der Verdacht, dass Freddy in einem Knast gelandet war, drängte sich auf. Schließlich würden sie ihn nicht in irgendeinem Büro auf einem Stuhl die Nacht verbringen und den neuen Tag abwarten lassen.

Dieser Felipe erklärte nun Henry das System. Den Beschreibungen Felipes zufolge schien das Ganze in eine mittlere Katastrophe zu münden. Er würde sich ins Zeug legen müssen. Trotzdem, so schätzte er, würde es eine Angelegenheit mit offenem Ende werden.

Henry machte sich auf den beschriebenen Weg. Was so gewisse Schwierigkeiten bedeutete, denn von einer auch nur halbwegs ordentlichen Straßenbeschilderung konnte keine Rede sein. Er irrte etwas hin und her und wunderte sich am Ende, dass er doch das fand wonach er suchte.

Am Gitter fragte er dann den Wachhabenden, wann er Freddy sprechen könne. Der beschied, dass das nur in der Mittagszeit, beim Mittagessen möglich sei.

Henry stellte sich dann vor, dass alle Gefangenen an einem langen Tisch säßen, ihr Essen schlürften und er säße dabei und könnte sich mit Freddy unterhalten.

Er fand dann wieder zur Yacht zurück. Er fand sie unversehrt. Er würde sich dann morgen rechtzeitig aufmachen, um zu der besagten Mittagszeit am Eingang zum Knast zu sein. Er fragte sich, ob er von der Gefängnisleitung dann ebenfalls etwas zu essen bekommen würde - das würde ihm passen.

So war er pünktlich um zwölf wieder in dem Durchgang. Er registrierte sofort, dass so gut wie alle bereits anstehenden Besucher, Kinder waren auch dabei, mit Tüchern abgedeckte Körbe trugen. Aus diesen stiegen die verschiedensten Gerüche nach Essen in seine Nase. Er sah, wie diese Menschen dann einzeln eintreten durften. Und als er an der Reihe war, wunderte sich der Wachhabende, dass Henry kein Gepäck dabei hatte. Er galt daher als potentiell verdächtig und wurde viel eingehender gefilzt. Bis hierhin fand Henry das Procedere in Ordnung.

Freddy hatte ihn gesehen und kam ihm auf halbem Weg entgegen. Das fiel überhaupt nicht auf. Niemand störte sich daran. Aber Freddy brauchte etwas zu essen, er erklärte Henry in aller Kürze das System, der daraufhin Auslass begehrte. Der Wachhabende verstand und machte keine Probleme.

Nach ca. 20 Minuten war Henry mit zwei Pizzas, vier belegten Broten und einer großen Flasche Limonade zurück. Der Wachhabende öffnete die Plastikflasche, um sich zu versichern, dass sie kein alkoholisches Getränk enthielt.

Beim Essen im Schatten unter der Palme, erzählte Freddy zunächst von seinem Verdacht in Richtung Gunter. Er beauftragte Henry nach einem Rechtsanwalt zu suchen, der ihn da herausholen konnte. Beide kamen zu dem bedauerlichen, aber zutreffenden Schluss, dass an einem Samstagnachmittag kein Rechtsverdreher aufzutreiben war.

„Morgen kommst du um die Mittagszeit, bringst mir Essen und Trinken und machst dich wieder sofort auf zur Yacht. Mann, was da alles passieren könnte, wenn das Fahrzeug stundenlang unbewacht in einem Scheißhafen, an einem Scheiß-platz wie diesem liegen musste.

Freddy bat noch ein halbes Dutzend Sandwiches zu holen. Er wollte ja für den Abend und den nächsten Morgen auch etwas kauen. Am Abend sollte dann Henry die Yacht nicht verlassen, sie nicht unbeaufsichtigt lassen. Morgen würden sie dann wegen eines Rechtsanwaltes miteinander sprechen.

Als Henry dann mit den Fressalien zurückkam, waren schon wieder alle angetreten, es war gerade Apell. Jetzt durfte keiner mehr an die Gittertür kommen und auch er musste draußen bleiben. Der Wachhabende versprach aber die Sandwiches weiterzugeben. Viel Vertrauen in das Angebot des Uniformierten hatte Henry nicht, aber nach kurzem Überlegen, händigte er dann doch die in Zeitungspapier eingewickelten, belegten Brote aus.

Henry eilte zur Yacht zurück. Er fand alles noch so vor, wie er es verlassen hatte. Er fühlte sich erleichtert. Von dem, was sich trotzdem unterdessen ereignet hatte, konnte er keine Ahnung haben.

Hinter den Kulissen, im nicht gerade üppig mit modernen Kommunikationsgeräten ausgestatteten polizeilichen Apparat, begannen die sprichwörtlichen Drähte heiß zu laufen. In diesem Fall der einzige Draht zwischen dem Kaff und der Diensstelle der Provinzhauptstadt. Zumindest einer der Kollegen hatte es spitzgekriegt, welcher Schatz auf seinem Einflussgebiet der Hebung harrte.

Am Vormittag dieses Samstags hatte der örtliche Polizeichef seinen Freund von der Zentrale in Belém an der Strippe. „Cé“, beschwor er ihn ein ums andere Mal, doch einen Haftbefehl für die äußerst verdächtige Person Freddy Batistuta, zu besorgen.

„Mensch, alter Freund, beschied ihn dieser, versteh doch. Das läuft so nicht. Da ist unser Allmächtiger, unser Chef nicht da und ohne den geht das nicht. Der reißt mir den Kopf herunter, wenn ich etwas eigenmächtig mache. Dann ist, darüber hinaus, kein Staatsanwalt da und auch kein Richter. Versteh das doch - du hast diese Sorgen nicht - ich weiß - aber sei froh - du hast keine größere Befugnis - so kannst du also auch nicht viel Mist bauen. Aber hier sieht die Sache ganz anders aus. Du bist am Arsch der Welt, ich bin mitten in der Zivilisation. Da läuft das alles mehr geordnet. Das Gesetz gilt hier, das solltest du auch einmal bedenken.

Zudem ist der Typ Ausländer. Das gibt sowieso Scherereien. Das soll doch unser Chef ausbaden. Kannst du dir vorstellen, wenn ich oder Gerardo, du kennst ihn auch, der mit den Löffelohren, wenn wir die Sache eigenmächtig vorantreiben? Nein kannst du nicht. Also bitte mein Freund, es bleibt uns nichts anderes zu tun, als bis Montagmorgen zu warten. Ich verspreche dir, mich als erstes darum zu kümmern. Ich gehe persönlich zum Chef. Weise ihn auf die ... Aber warte mal, da habe ich ja Freischicht. Ich verspreche dir jedenfalls trotzdem eigens wegen diesem Fall zu kommen. Versprochen, alter Freund.“

Der <alte Freund> der jetzt seinen Dienst in Joanes versah, war dorthin versetzt worden, eben weil er eine ähnliche Sache verbockt hatte. Eigenmächtig hatte er an seinem Chef vorbei eine Sache entschieden. Eine Lappalie, aber der Chef war sauer, nein, mehr als sauer und hatte ihn innerhalb einer Woche in dieses gottverlassene Nest versetzt - strafversetzt. Auf dem Papier stand davon nichts. Nein, er hatte es lau so formuliert, dass es eben nach einer fälligen Versetzung aussah. Der junge Mann sollte Erfahrungen in schwierigem Umfeld sammeln, wozu sich natürlich dieser gottverlassene Scheißfleck auf der anderen Seite des Amazonas bestens eignete. Ja, so hatte er sich auch ausgedrückt, mit einem schäbigen Grinsen um seinen Mund.

Und nun hatte eben dieser die einmalige Gelegenheit sich zu rehabilitieren und vielleicht noch eine satte Prämie einzuheimsen. Verdammter Mist, alles hatte sich einmal wieder gegen ihn verschworen.

Am 12., dem <dia de las razas>, dem Tag der Rassen, hatten sie auf der Polizeiwache von Felipe, einem guten Kumpel und Spielbruder beim Damenspiel, einen Tip bekommen.

Er war gekommen und ein bisschen geheimnisvoll getan. Es war so seine Art, aber was immer hinter dem rätselhaften Auftauchen der Yacht hier in Joanes stecken mochte, eine saubere Angelegenheit war es nicht, konnte oder durfte es nicht sein. Es gab keinen technischen Grund, weshalb der Schaden, in jeder Hinsicht, nicht besser in Belém hätte repariert werden können. Dort gab es die entsprechenden Einrichtungen und auch Fachpersonal.

Dabei hatte er dem Eigner ehrlich versichert, dass seine Reparaturwerft nicht für solche Arbeiten geeignet war. Dass er auch nicht über geschultes Personal verfüge, um den Schaden fachmännisch zu beheben. Und dann hatten sie den ortsbekannten, versoffenen Gunter aktiviert. Abgesehen davon, dass er für eine sichere und schadensfreie Verholung dieses Riesendings an Land nicht ausgerüstet war. Für jeden Fischerkahn aus Holz reichten die technischen Einrichtungen allemal aus. Aber an einem solchen Koloss aus Plastikmaterial, er spuckte förmlich den Begriff “Plastik“material aus, würde er sicher Schaden anrichten, für den er verantwortlich wäre. Nein, das ging einfach nicht. Er hatte es auch dem Typen klargemacht, dass er für die Behebung des Schadens keinerlei Verantwortung und Haftung übernehmen könne. Das war klar und ehrlich - hatte Felipe betont.

Aber der Eigner ließ sich nicht belehren und bestand darauf hier vor Ort das Loch zu flicken.

Nach dieser <Unterhaltung> hatten sie dann auf der Dienststelle gemeinsam beschlossen, einen Kollegen auf den deutschen Ingenieur anzusetzen. In Zivil sollte er, wenn nötig ein paar Zuckerrohrschnäpse spendieren, sich das Vertrauen erschleichen und ihn aushorchen. Was ja auch, bis zu einer gewissen Grenze gelang. Allerdings, in Anbetracht der Versoffenheit des Deutschen, recht ausgiebig gelang.

Und dann der Freitagvormittag.

Er, Paolo Caixeiro, als Chef einer Außenstelle der Zentrale in Belém, hier in Joanes, hatte an diesem Freitagvormittag staunend die Aussagen des Kollegen vernommen. Die alle auf dem freimütigen und sogar angeberischen Geplapper Gunters basierten.

Ohne Zögern hatte er sich dann kundig gemacht, sich nach allen Regeln der Kunst informiert und es hatte einen Treffer gegeben. Bereits beim ersten <Google-Gang>. Der Name Espera, auch das hatte er selbst herausgefunden, passte zu einer international gesuchten bzw. als gestohlen ausgeschriebenen Yacht mit dem Namen Esperanza. Die Kerle mussten den Namen einfach gekürzt haben, daher auch die Hinweise auf Gewindebohrungen, die jetzt schlecht verspachtelt waren. Gunter hatte das richtig erkannt und großspurig damit angegeben. Dieser Spezialist für Schiffbau und im Saufen.

Paolo erfuhr bei seinen Recherchen, dass eine hohe Belohnung für Hinweise geboten wurde, die die Wiederbeschaffung des Bootes oder Schiffes ermöglichten. Die Beschreibung mit Fotografie passte genau auf das, was da unten, nahe dem lokalen Fischerhafen lag.

Er sprang von seinem Stuhl auf als wäre er von einer Tarantel gestochen worden. Die es ja auch bekanntermaßen in der näheren Umgebung von Joanes gab. Aber es war keine Tarantel. Die Erkenntnis aller Zusammenhänge hatte in ihm schlagartig das Jagdfieber geweckt - anders ausgedrückt: die Begierde schlechthin. Er war auf etwas ganz Großes gestoßen. Diese Geschichte roch nach vielen Dollars - vielen!

Er handelte umgehend und die Sache war viel zu wichtig, als dass er sie einem Untergebenen überlassen wollte. Doch er wurde zunächst von seinen Kollegen - <Kollegen>, er grinste schief - ausgebremst.

Bis zum Freitagnachmittag hatte er noch Hoffnung, dass die Zentrale umdenken und ihm freie Hand geben würde. Als nach 15 Uhr immer noch kein grünes Licht gegeben worden war, handelte er, wieder einmal, auf eigene Faust. Er war sich seiner Sache so sicher. Da sollte, da konnte nichts schiefgehen. So fuhr er mit seiner Mannschaft hinaus zur Werft und holte sich den Skipper.

Der andere, das hatte Gunter bereits ausgesagt, war offensichtlich ein Mitläufer. Ein unbedeutender Bekannter, vielleicht ein Freund. Aber auch ihn würde Paolo gerne einbuchten. Ja, er hätte es tun müssen, aber dann hätten sie die Verantwortung für die unbesetzte Yacht gehabt. Das hätte, bei Beschädigungen oder Diebstählen, richtig Ärger bedeuten können/müssen. Diese Handlung wäre demnach aber definitiv eine Nummer zu groß für ihn gewesen, wahrhaftig, bei allem Elan.

Also ließ man Henry außen vor, sozusagen als Bewacher der Yacht. Und unter ständiger Beobachtung durch seine Mannen. Aber nur so lange, bis am Montag Verstärkung und Fachleute aus Belém eintreffen würden. Sie würden sich dann auch um die Dokumente kümmern, die über die Besitzverhältnisse Auskunft geben konnten/mussten. Sie würden sie genau unter die Lupe nehmen. Dass sie gefälscht waren, davon war Paolo Caixeiro immer mehr überzeugt.

So beschloss er diesen fiesen Kerl, den sie Freddy nannten, einzubuchten, bevor dieser die Fliege machen konnte. Länger hätte er auch nicht mehr zuwarten können. Von seinen gegenwärtigen Beobachtern vor Ort und auch von Felipe aus der Werft, hatte er Nachrichten, dass das Schiff für den Auslauf fertig gemacht wurde. Sie hätten zwar noch keine Lebensmittel an Bord gebracht, aber das sagte über den Auslauftermin wenig aus.

Dann war Freitag der 13. Sein ganz persönlicher Glückstag. Erfahren wie er war, wusste er, dass es dann verdammt schwierig werden würde, besser, unmöglich werden würde, hier einen Rechtsanwalt aufzutreiben, der sich für die Freilassung, wie auch immer, einsetzen konnte. Nach Paolos Ansicht saß also der mutmaßliche Gangster problemlos mindestens bis Montag früh sicher in Verwahrung.

So hatten sie Freddy im Calabozo, in einem finsteren Loch, das für Untersuchungshäftlinge jedweden Kalibers vorgesehen war, abgeliefert, ausgeliefert und eingeliefert.

Paolo hatte seine Hoffnung, einen Haftbefehl zu bekommen, auf den Samstag gesetzt. Jetzt sah es danach aus, dass er mit leeren Händen dastehen würde. Aber seinen Fang musste er ja nicht unbedingt herauslassen. Beschwichtigte er sich selbst. Er würde das in seinem Bericht mit absehbar drohender Fluchtgefahr begründen. Er versuchte jetzt, nicht gerade verzweifelt, eher hoffnungsvoll, sich selbst zu überzeugen, dass er richtig gehandelt hatte.

Er rief nochmals Cé, seinen Freund aus besseren Tagen in Belém an. Er bot sich an, selbst rüberzukommen. Cé riet ihm aber ab. Das würde auch nichts ändern. Er habe noch nicht einmal eine Ahnung, wo der Chef stecke. Und, lieber Freund, vesteh´ mich nicht falsch, aber wenn du zum Staatsanwalt kommst, dann ...“

„Ich verstehe“, sage Paolo resigniert. Dann eben am Montagmorgen. Sein Freund Cé würde sich darum kümmern. Das hatte er versprochen.

Es galt in Brasilien nicht immer und überall der Buchstabe des Gesetzes. Ein Freund an der richtigen Stelle konnte oft viel mehr bewirken. So sollte es auch in diesem Fall werden?

Im Knast, nach dem Appell, wurden wieder alle eingesperrt. Freddy war es nicht entgangen, dass die Weiberzelle jetzt belegt war. Er konnte nicht feststellen mit wieviel Frauen. Nur ihre bekannt typisch überlauten Stimmen, vermischt mit schrillen oder auch ordinärem Gelächter, klangen jetzt über den Innenhof.

Sie hatten sich kaum in ihrem Bunker sortiert, da hörte Freddy draußen Stimmen und auch Proteste. Dann fluchen und Drohungen. Gleich darauf rasselte der Schlüssel, die Blechtür wurde aufgerissen und ein Hüne von Mannsbild wurde hereingeschoben. Kaum war die Tür hinter ihm geschlossen, fing er wieder an zu schimpfen. Es ging um die Scheißidioten, was die sich herausnahmen, ihn, den vollkommen Unschuldigen einfach auf offener Straße aufzugreifen und hierher zu bringen.

Vom Boden hoch kamen einige Bemerkungen, dass sie doch alle unschuldig seien und trotzdem keinen Aufstand machten.

„Reg dich nicht auf. Such dir einen Platz.“

„Pass aber auf, wo du hintrittst. Das Hotel ist gut belegt.“

Freddy konnte mittlerweile die unterschiedlichsten Stimmen Personen zuordnen. Es waren immer wieder dieselben, die sich mit ihren derben Späßen hervortaten.

Sie kamen heute nicht zu ihrer kleinen Siesta, obwohl sie sich alle, auch jetzt noch, nach dem Neuzugang, ausstrecken konnten. Für wieviel wohl dieser Raum effektiv Platz bieten würde? Musste? Diese unausgesprochene Frage sollte Freddy alsbald beantwortet bekommen.

Draußen war wieder etwas los. Da protestierte einer lautstark, dass er telefonieren wolle. Jemand lachte ein raues, kehliges Lachen.

Die gleiche Stimme, jetzt weinerlich, „meine Familie weiß nicht wo ich bin. Ich wollte gleich nach meiner Ankunft anrufen.“

„Nun bist du ja angekommen“, sagte jemand, „nur mit dem Telefonieren musst du warten müssen. Wir haben einen Apparat beantragt, aber installiert haben sie ihn noch nicht. Vielleicht nächste Woche, oder bald im nächsten Jahr.

Dann, gleich darauf, hörte Freddy Gekreische von Frauen.

„Neuzugänge für das Freudenfest heute Abend“, sagte einer aus der Dämmerung mit leiser Stimme.

Eine Tür wurde offenbar mit Wucht zugeschlagen. Dann eine schrille Frauenstimme: „Ich muss doch Geld verdienen. Was sollen denn meine Kinder essen? Von euch Scheißkerlen habe ich doch keinen Cruzeiro zu erwarten. Schon das dritte Mal in diesem Monat.“

„Halts Maul, du alte Schlampe, sonst stopf ich es dir. Du weißt ja mit was.“

Das war eine Männerstimme, könnte vom Capitan kommen, dachte Freddy.

Ihre Blechtür wurde wieder aufgeschlossen und ein kleiner Mann wurde hereingeschubst. Freddy schaute näher hin. Er sah einen Jungen. Gegenüber machten sie einen Platz frei, rückten noch näher zusammen.

Einer sagte halblaut: „Wenn du dich an dem Kind vergreifst, schneid ich dir den Schwanz ab.“

„Fein“, sagte eine andere Stimme, „mit was denn?“

„Ich kann ihn dir auch abbeißen. Und ich tue es, verlass dich drauf.“

Eine Frage: „Wie alt bist du?“

Eine nicht ganz schüchterne Kinderstimme antwortete, dass er neun sei, aber möglichweise auch bald zehn werde. So genau wisse er das nicht.

„Weshalb haben sie dich hergeholt?“

„Der Scheißtyp von dem Handyladen war es.“

„Wieso? Hast du geklaut?“

„Ach was. Ich habe Hunger und hab gebettelt. Er wollte mich wegjagen. Dann hat er die Polizei gerufen. Jetzt bin ich hier.“

Freddy nahm sich vor, wenn die Zelle wieder offen war und alle draußen, die Größe des Raums abzumessen, wenigstens zu schätzen. Im Augenblick, so glaubte er, würde er auf fünf mal sechs Meter tippen. Maximal. Die Zelle war aber in Wirklichkeit etwas kleiner, wie er es später feststellen sollte.

Nun war es aber, in Anbetracht seines Interesses, keineswegs so, dass er sich jetzt plötzlich über die Menschenrechtssituation Gedanken gemacht hätte.

Ein älterer Mann und seine Frau wurden hereingeschoben. Sie waren extrem schlecht gekleidet.

Auf Nachfragen erfuhren sie von dem schüchternen Mann, dass sie von einem Geschäftsmann, vor dessen Tür sie saßen, um auszuruhen, an die Polizei ausgeliefert wurden. Sie hätten angeblich zwei Hemden geklaut.

„Und“, kam die Frage.

„Wir waren doch gar nicht in dem Geschäft. Ich weiß schon lange nicht mehr, wie ein neues Hemd aussieht.“

„Wo kommt ihr denn her?“

„Aus dem Pará. Wir hatten ein Auskommen. Die Bande eines Viehzüchters ermordeten unser letztes Kind und brannten unsere Hütte ab. Mit Hunden haben sie uns fortgejagt. Wenn das Elend doch nur bald ein Ende haben würde. Das ist das Einzige wofür ich die heilige Muttergottes noch bitte“, stöhnte und jammerte der Mann.

„Und das ist deine Frau?“

„Sie war die Mutter unserer Kinder.“

Dann wurde ein total Betrunkener hereingeschoben. Er fiel über zwei am Boden.

Die andere Frau schrie kurz auf.

Ihr Mann schob den Gefallenen mit dem Fuß in Richtung Mitte des Raumes.

Draußen kam offensichtlich Nachschub in Form einer Nutte. Die wollte sich lauthals kaputtlachen und schrie immer wieder: „Du auch hier. Ich glaub es nicht. Du!“

Eine Männerstimme schrie dazwischen, dass er Ruhe erwarte, sonst ... den Rest ließ er unausgesprochen.

„Was willst denn du mit mir machen? Du hast doch nichts mehr drauf.“ Es war die gleiche schrille Frauenstimme.

„Dir kann ich es noch zeigen. Wart´s nur mal ab.“ War das nicht der Capitan?

„Ich habe dich letzthin beim Pinkeln sagen hören - komm doch raus du Feigling, brauchst doch nur zu pinkeln.“

Frauen lachten lauthals und schrill durcheinander.

Dann waren plötzlich alle still. Was mochte vorgefallen sein?

Zwei ganz verstörte, nicht mehr ganz junge Männer wurden hereingeschoben. Freddy ordnete sie sofort als Schwule ein.

Eine Stimme rief vom Boden her: „Hört mal ihr da draußen. Dies ist ein Scheißknast und keine Ölsardinenbüchse. Wo sollen wir denn am Ende noch sitzen?“

Der Mann mit dieser Stimme hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie saßen dicht an dicht an der Wand entlang. In den drei verbliebenen Ecken kamen sie mit ihren Beinen nicht mehr zurecht. An dem Kackloch war der Platz auf das absolute Minimum geschrumpft. Ohne die lächerlich schwache Beleuchtung, die von außen kam, würde es weiter nicht verwundern, wenn ein Bedürftiger das Loch nicht finden konnte.

Die beiden Turteltäubchen setzten sich im Schneidersitz schüchtern in die Mitte.

„Na, und weshalb hat man euch hergebracht?“ Es war immer wieder dieselbe Stimme, der gleiche Fragesteller. Ob der wohl ein Reporter war, fragte sich Freddy?

„Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.“

„Wie geht das?“

Sein Freund sprach nach einer kleinen Weile: „Wir saßen auf einer Bank gegenüber der Kathedrale und hielten uns bei der Hand. Das sei unsittlich, sagte man uns als Begründung. Wir sollten uns unser Benehmen übers Wochenende durch den Kopf gehen lassen. Deswegen sind wir hier.“

„Was es nicht alles gibt“, sagte die Reporterstimme.

„Nun tut mal euren Gefühlen keinen Zwang an“, krähte einer aus der Ecke, schräg gegenüber von Freddy. Es war der Hüne, den es mittlerweile dorthin verschlagen hatte.

„Bei uns seid ihr sicher“, sagte ein anderer.

„Vergesst aber vorher nicht die Pille zu nehmen!“

Immer wieder derselbe, dachte Freddy. Der hat offensichtlich ein Problem. Oder vielleicht, als Einziger hier drinnen, eben gar keins.

Dann war wieder Zeit sich ins Freie zu begeben, die Tür wurde aufgeschlossen. Eigentlich war die Zeit recht schnell vorbeigegangen. Freddy hatte sich das schlimmer vorgestellt.

Am Mittag hatte Freddy die zwei Pizzas verdrückt. Der Junge saß in der Nähe auf dem Boden und hatte ihn unverwandt mit großen Augen angeschaut. Seine Sandwiches hatte sich Freddy dann in das Hemd gestopft. Zur Essenzeit heute Abend würde er sich ein Spielchen erlauben. Abwechslung muss sein, sagte er sich.

Während er dann ein Sandwich aß, brach er kleinere Stücke davon ab und warf sie in Richtung des Jungen, dem niemand etwas zu essen gebracht hatte. Meist fing er die Bröckchen geschickt auf und schluckte sie schnell. <Wie ein gutdressierter Hund>, dachte Freddy und lachte. Er hatte Spaß an dem Spiel.

Der andere Junge, mit seinen neun oder bald zehn Jahren, kam jetzt auch in Wurfweite und begriff bald.

Jetzt wurde es lustig für Freddy. Als sich die beiden Jungs, wegen den weggeworfenen Bissen beinahe prügelten, lachte Freddy aus vollem Herzen. Das war ganz nach seinem Spieltrieb. Er opferte gern noch ein Sandwich, es würde ihm zwar Morgen beim Frühstück fehlen, aber dafür hatte er jetzt seine Unterhaltung.

Heute Abend durften sie länger draußen bleiben. Auch Freddy vertrat sich die Füße. Der Rücken schmerzte ihn etwas. Aber sonst war er noch gut beisammen.

Der Capitan hielt vor der offenen Tür der Weiber eine Art Vortrag. Freddy hörte, wie er aus vergangenen Zeiten schwadronierte. Er hatte sich wie ein Gockel vor den Weiber aufgepflanzt und wollte imponieren. Sicher auch vor den anderen Gefangenen. So sah er es mit Genugtuung, dass sich fast alle in seiner Nähe zusammenrotteten. Auf der Treppe standen zwei der jungen Wachen.

Es waren jetzt fünf Fahrer - chóferes - vor ihrer Bleibe versammelt.

Der fette Boss: „Ich war am Internationalen Flughafen von Belém stationiert. Ich war der Chef der Flughafenpolizei.“ Er machte eine längere Pause, schaute von einem zum anderen. „14 Mann standen unter meinem Kommando. Das hier mache ich nur als Aushilfe.“

Eines der Weiber kicherte.

Der Capitan schaute sehr grimmig in ihre Richtung.

Es folgten Beschreibungen von Verhaftungen, von Beschlagnahmen der Schmugglerwaren, die - hahaha - nicht immer Schmuggelwaren waren. Und einmal habe er einen verhaftet, der war eine ganz große Nummer, ein Bösewicht. wie ihn kaum die Gesetzesparagraphen beschreiben konnten, Er nannte einen Namen, und damals habe es noch die Todesstrafe gegeben. „Das müsst ihr euch mal vorstellen, der wurde zum Tode verurteilt, zum Tode“, bekräftigte er nochmals.

Der Capitan machte dann eine Künstlerpause. Schaute wieder lustvoll in die Runde. Ließ seine Worte wirken. Zwei der Weiber schienen die Geschichte schon öfters gehört zu haben und gähnten geräuschvoll, offenbar absichtlich. Das war irgendwie das Signal, weiterzumachen. Er wollte ja nicht langweilen, sondern die Spannung erhöhen und das Fürchten lehren.

„Ja, ja, die Todesstrafe. Ich bin dafür. Es ist ein Mist, dass sie jetzt abgeschafft ist. Heute kann jeder Verbrechen begehen, er kommt in den Knast, wird jahrelang vom Staat alimentiert und wenn er rauskommt, macht er dort weiter, wo er vorher unterbrochen wurde. Mit der Todesstrafe kommt so etwas nicht vor. Weg - ganz weg sind sie dann.“

Eine scheinbar ganz freche Hure unterbrach ihn. „Du redest immer nur von Männern. Frauen sind also besser!?“

„Besser“? bellte er in die Abendluft. „Das bildest du dir nur ein. Das kann nur dir einfallen. Du hast halt keine Ahnung. Weiber vor einem Erschießungskommando!? Aber denen müsste man ebenfalls in die Brust schießen.“

„Ach, und da hast du Skrupel. Natürlich du, wenn es um deine Lieblingsspielzeuge geht.“ Eine der Weiber stieß einen spitzen Schrei aus.

So als hätte es den Zwischenruf und den Schrei nicht gegeben, redete der Capitan weiter. Dabei ging er erst einen Schritt nach vorne, um dann wieder zwei Tippelschritte zurückzugehen.

Er warf jetzt theatralisch die Arme in die Luft, schaute in den Nachthimmel, so als wolle er für die Versammelten Gottes Segen erflehen, schüttelte sich dann, wie angeekelt und deklamierte: „Huuuh, da stehst du denn da. Sechs Gewehrläufe sind auf dich gerichtet. Du guckst in sechs schwarze Löcher. Du weißt, dass daraus die Kugel kommen wird, die deinem Leben ein Ende setzt. Du hast nur noch Sekunden, höchstens noch Minuten vor dir, dann wirst du blutend zusammenbrechen. Keine Freunde mehr, die dir beispringen können. Aus, aus ist es dann. Wie soll das ein Mensch aushalten. Stellt euch das vor“, er hatte die Arme wieder gesenkt und schaute in die Runde. „Stellt euch das vor“, deklamierte er nochmals theatralisch, so als stünde er auf einer Bühne und müsste den Zuschauern das Gruseln beibringen. Wieder schüttelte er sich und gab noch einmal seinen einstudierten, unartikulierten Schrei von sich, - „Huuuh -huuuh!“

Wieder schaute er in die Runde, wie um sich zu vergewissern, ob auch wirklich alle erschauerten.

„Du stehst also da, schaust in die Gewehrläufe. Du weißt noch nicht, aus welcher die Kugel kommt, die dich mitten ins Herz treffen wird. Ins Herz“, rief er nochmals laut. Er schüttelte sich wie angeekelt und sein Bauch waberte. Der Revolver auf der rechten Seite in seinem Gürtel wogte und bewegte sich im gleichen Rhythmus.

Pause.

„Und, wenn du es weißt, wenn du die Kugel kommen siehst, dann ist es schon zu spät.“

„Ich dachte, man bekommt die Augen verbunden. Damit man die Kugel nicht kommen sieht und ihr so nicht ausweichen kann.“

Es war der zweifelhafte Spaßvogel, der Typ aus dem Calabozo.

Der Capitan drehte sich um und schaute missbilligend in seine Richtung. Freddy konnte ihm zum ersten Mal in die Augen sehen. Der Kerl schien stark zu schielen.

Der Capitán schien wie in Trance. Er stellte sich wieder in seine theatralische Position. „Nein, das muss schrecklich sein.“ Seine Stimme hatte er jetzt umgeschaltet. Er machte auf weinerlich, wie um sich selbst zu bejammern.

„Ich glaube, ich würde das nicht aushalten. Das kann wahrscheinlich nur ein Verbrecher, ein hartgesottener Verbrecher. Ich denke, dass ich vielleicht ohnmächtig werden würde, bevor mich die Kugel erreicht.“ Wieder schüttelte er sich, sein Schießeisen wackelte und hüpfte im Holster und er stieß den langgezogenen, schauerlichen Huuhh-Schrei aus.

„...Aber ich bin ja kein Verbrecher. Jeder ehrliche Mensch, müsste vor den Gewehrläufen ohnmächtig werden. Ja, das glaube ich“, sagte er nach einer kurzen Künstlerpause.

Dann schien er wieder zu sich zu kommen, wieder er selbst zu sein. „Ich wünsche keinem der hier Versammelten, dass er einmal das erdulden muss.“ Plötzlich machte er auf menschlich.

Eine Nutte plärrte: „Ich denke, die Zeiten wären vorbei.“

Der Capitan zog Rotz hoch und spuckte einen großen Brocken auf die Erde.

„Appell“, schrie er.

Während alle Männer, inklusive den Choferes zur Platzmitte, unter das Volleyballnetz gingen, streckte der Capitan seinen Arm aus und zählte die Weiber. Sein Zeigefinger peilte dabei jede Einzelne an. „Frauen vollzählig“, brüllte er unnötigerweise. Offenbar war er mit der Anzahl der Anwesenden zufrieden.

Ein junger Wärter brachte ein Stück Papier. Damit baute sich der Capitan vor der jetzt ziemlich langen Reihe von vermeintlichen, von angehenden, von Anzulernenden, von guten und nicht so guten Menschen - äh .... Verbrechern auf und begann die Namen zu verlesen. Nach irgendeinem Namen kam keine Antwort. Er rief nochmals lauter. Dann schaute er misstrauisch die Reihe entlang. „Ist der ... da, melde dich! - Melde dich verdammt nochmals.“

Diese Stimme hätte wahrscheinlich auch einen Toten aufgeweckt. Es meldete sich einer, der sagte, dass dies der kleine Junge neben ihm sein müsste oder könnte. So genau wüsste er das aber auch nicht. Er vermute nur.

Diese lange Einmischung beantwortete der Capitan mit einem - „halts Maul, du bis ja nicht gefragt. Der Bengel soll selbst antworten.“

„Bist du .... Freddy verstand immer noch nicht den Namen. Wahrscheinlich sah sich auch deswegen der Junge nicht in der Lage ihn auf sich zu beziehen.

„Der ist neu, der hat das noch nicht durchgemacht“, rief ein anderer, wissend, dass er sich dafür einen Anschiss einhandeln konnte.

„Junge“, sagte der Capitan, beinahe väterlich, „ bist du .... heißt du?“

Der Junge nickte.

„Dann sage das nächste Mal laut ja. Hast du verstanden?“ Der Junge - das Kind - nickte.

Der Capitan schüttelte verständnislos den Kopf. Sagte aber nichts mehr, sondern brüllte den nächsten Namen besonders laut in die Gegend.

„In zehn Minuten Umschluss.“ Einer der jungen Wärter rief das aus.

Jetzt bemerkte Freddy erst, dass hinter den Waschtrögen seitliche Abtrennungen mit primitiven Sitzen waren. Zwei hatten gar nichts. Dorthin richteten jetzt die Männer ihre Schritte. Es waren Kackstühle und Pisslöcher. Freddy stellte sich auch an. Danach würde er sicher die Nacht überstehen, ohne an ihren vereinseigenen Abort zu müssen.

In der <guten Stube> versuchten sie sich jetzt zu sortieren, für die Nacht einzurichten. Aber, was sie auch anstellten, sie hatten beileibe nicht alle Platz an der Wand. In diesem Augenblick wurde die Tür wieder aufgemacht, ein Betrunkener stolperte herein, der Wachhabende rief ihm hinterher, „bist also wieder bei deiner guten Gesellschaft.“ Die Tür fiel scheppernd zu.

„Das ist unsozial, ich beschwere mich bei der UNO.“ Das war wieder der Spaßvogel vom Dienst. Er befand sich schräg gegenüber von Freddys Sitzplatz.

Der Neuankömmling ließ sich der Länge nach vor die Füße der Sitzenden fallen und schien augenblicklich zufrieden mit sich selbst. Er gab damit ein sichtbares Zeichen für die anderen. Einige mussten sich, eben wie dieser, in die Mitte legen. Das hatte aber einen anderen Nachteil, denn die meisten konnten sich nun nicht mehr ausstrecken. Sie waren gezwungen im Sitzen zu schlafen, angelehnt an die Wand.

Der Verkehr zum Loch war in der Nacht dann wirklich sehr eingeschränkt. Jeder lief Gefahr seinen Sitzplatz zu verlieren oder ihn zurückerobern zu müssen.

Freddy liefen nun bevorzugt Kakerlaken über die Brust. Wie viele mochten sich bereits bei seinen Sandwiches eingenistet haben? Bei diesem Gedanken nahm er sich vor diese in der Früh an die Buben zu verteilen. Nicht die Kakerlaken, nein, die Sandwiches. Er grinste über diesen seinen Gedankengang, obwohl seine Position alles andere als zum Grinsen anregen konnte.

Draußen nahmen die Geräusche zu. Es waren nur Weiber zu hören.

Dann eine jugendlich klingende Männerstimme. „Du, ja du, sollst zu meinem Capitan hochkommen.“

„Ich will aber lieber dich. Bei dir gibt es noch Hoffnung. Immer der Alte Knacker dort oben.“ Dann steigerte sie noch die Lautstärke: „Haste auch Whisky?“ Scheinbar war sie doch nicht abgeneigt nach oben zu gehen, wenn nur bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren. Es musste die angesprochene Nutte sein, die da so leichtsinnig mit ihrer körperlichen Unversehrtheit umging. Dann setzte sie offenbar noch einen drauf. „Könnte jetzt schönes Geld verdienen, stattdessen muss ich diesem ... diesem ...“ - sie konkretisierte nicht näher und verbesserte sich - „den Arsch hinhalten.“

Von draußen kam manchmal Gekicher aber auch lautes Lachen.

Die meisten mochten schon schlafen, oder taten wenigstens so als ob. Dann das Geschrei. Es war offensichtlich der aufgebrachte Capitan. „Du armselige Nutte, blöde Kuh, was glaubst du? Verschwinde, abgetakelte Alte“, usw.

„Es muss doch mal ein Ende haben, jeden Monat soll ich für dich da sein - mein Täubchen, mein Täubchen, heißt es dann immer. Was hab ich davon? Wichs dir doch einfach einen runter. Zu mehr bist du ja doch nicht mehr fähig mit deinem dicken Ranzen. So, jetzt weißt du es, was ich von dir denke und du lässt mich in Zukunft in Ruhe meinen Geschäften nachgehen.

Es klatschte. Dann nochmals. Dann polterte es. Die Treppe, schoss es Freddy durch den Kopf. Dann klatschte es nochmals ein paarmal hintereinander. Alle warenhell wach.

„Ruhestörung“, sagte der Schielende, jetzt aber ziemlich kleinlaut. Er wollte ja auch nichts verpassen und seinen Mitleidenden die Möglichkeit lassen, das unsichtbare Theater weiterzuverfolgen. Dann sagte er noch: „Sonst rufe ich die Polizei!“

Niemand lachte, wie überhaupt seine Späße keine Heiterkeitsausbrüche auslösten. Die meisten hatten bisher noch kein einziges Wort gesagt.

Weiber redeten jetzt in ordinärem Tonfall durcheinander, dann wieder das Gebrüll des Capitan: „Ruhe, ich lasse euch sonst abspritzen.“

Freddy dachte an des Lebens raue Wirklichkeit. Er dachte richtig, als er sich vorstellte, dass der Capitan einen Wasserschlauch nehmen und in die Nuttenunterkunft spritzen würde.

31

15. Oktober - Sonntag.

Sehr früh klimperten von irgendwoher Glocken. Es war ein armseliger Versuch, Gläubige auf diesen heiligen Sonntag einzustimmen.

Es ging ein allgemeines Stöhnen durch den Calabozo. Auch Freddy wollte sich, nach der strapaziösen Nacht strecken, aber da lagen ja Andere.

Draußen tat sich was.

Dann hörte Freddy, um was es ging. „Waschtag, Waschtag, alle raus.“

An ihrer Tür rührte sich aber nichts.

„Der will, dass sich zuerst die Weiber waschen. Er sitzt dann als Spanner dabei und uns gönnt er gar nichts.“ Es war der Spaßvogel, der mit leiser Stimme Aufklärung betrieb.

Lautes Gähnen hörte Freddy von draußen.

„Eine Stimme sagte, „jetzt will er sich wieder aufgeilen.“

„Hilft doch nichts“, sagte eine andere.

„Draußen könnte ich gutes Geld mit dieser Aufführung verdienen.“

„Piss für mich mit, hab gerade keine Zeit.“

„Haste ihn vielleicht doch noch drinstecken? Schau mal nach!“

„Waschen ist ungesund.“

„Na, Jungelchen, willst auch ein bisschen zugucken?“

„Weiß noch nicht, was ihm entgeht.“

„Wäre gegen das Jugendschutzgesetz.“

Dann verstummte abrupt die hochkarätige Unterhaltung. Offenbar war der Capitan bis jetzt nicht in der Nähe gewesen und erschien nun auf der Bühne. Schade, Freddy hätte gerne noch mehr von dieser geistreichen Unterhalteng gehabt. Aber der einen oder anderen Nutte hätte er schon das freche Maul gestopft. Darin waren er und der Capitan seelenverwandt.

Das Wasser lief.

„Jetzt ziehen sie sich aus“, der Spaßvogel mimte den Reporter.

Es gab die üblichen Geräusche mit prusten und schnaufen.

„Wenn man so weit weg ist, könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich unser Capitan einen runterholen lässt.“

„Spanner, könntest für die Vorführung ruhig bezahlen.“ Es war eine Frauenstimme. Der Capitan antwortete offenbar nicht.

„Und den dreckigen Lumpen nennt der Badetuch.“

„Hat halt von Hygiene keine Ahnung.“

War denn der Capitan bereits wieder weggegangen? Der hätte doch sicher auf diese Provokation reagiert. Es gab noch ein endloses Geschnatter. Die trocknen sich jetzt die Haare in der Sonne. Der Reporter wusste offenbar Bescheid.

Sie mussten noch recht lange ausharren bis irgendwann die Tür geöffnet wurde.

Wieder, wie vorher schon für die Frauen, rief einer der Bewacher, dass heute Waschtag sei. Schnell waren die Plätze um den Trog besetzt. Die meisten zogen sich bis auf die Unterhosen aus. Im Gegensatz zu dem Spektakel mit den Frauen, schaute ihnen aber niemand zu. Nicht eine der Weiber ließ sich blicken. Das war ihnen offenbar zu langweilig.

Jeder hatte so seine Methode sich zu wässern. Manche, wie der Besoffene, der gestern zuletzt kam, verteilten mehr etwas Flüssigkeit auf dem Gesicht und zerrieben dann das Ganze zu einer Schmiere. Der schien das absichtlich zu machen.

Freddy hatte in der Früh ein kurzes Frage- und Antwortspiel mitverfolgt.

„Hast du immer noch häusliche Probleme?“

„Das kann man wohl sagen. Am Wochenende ist das ganz besonders schlimm.“

„Hast mit deiner Alten ja nicht gerade das große Los gezogen.“

„So isses. Keiner wollte sie, ich hab` sie gleich gehabt.“

„Sei doch mal ein Kerl und hau ihr eine runter, wie sich das bei renitenten Weibern gehört. Dann frisst sie dir aus der Hand, ich weiß, wovon ich rede.“

„Ja, du hast gut reden. Meine ist doch einen guten Kopf größer als ich. Das ist keine richtige Frau. Du kennst sie doch. Tu doch nicht so.“

„Gottlob nicht so gut, als dass ich mit eigenen Erfahrungen aufwarten könnte.“

„Aber sie hat dir doch auch mal eine geschmiert.“

„Damals dachte ich, dass das dazugehört, wenn man verliebt ist. Es war allerdings auch ein Gefühl als hätte ein Pferd nach mir getreten.“

„So kann man sich täuschen. Heute kann von Liebe keine Rede mehr sein. Und sie haut trotzdem zu. Nur, dass ihr dabei jedes Hilfsmittel recht ist.“

„Deshalb willst du wenigstens einmal die Woche Ruhe haben und lässt dich hierher verfrachten?“

„Du hast es kapiert.“

„Hast du schon einmal an Scheidung gedacht?“

„An alles Mögliche. Aber lebensmüde bin ich ja nicht.“

Freddy verteilte anschließend die Reste der angegammelten Sandwiches an die beiden Buben. Eine fette Schabe, die es offenbar bis zu der Nahrung geschafft hatte und nun vollgefressen, nicht mehr rasch genug weghuschen konnte, zerdrückte Freddy und schob sie zwischen die Brote. Er grinste, als der gößere der Buben herzhaft hineinbiss.

Appell.