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BLUTDIAMANTEN FINANZIEREN AFRIKAKRIEGE Ein kriminell strukturiertes Kartell in den USA hat sich auf Waffen- und Diamantenschmuggel spezialisiert. Machtkämpfe werden mit Mafia-Methoden ausgetragen. Eine Diamantenlieferung geht "verloren". Es kommt zu dramatischen Szenen, in denen auch ein skrupelloser und korrupter Sherriff eine bedeutende Rolle spielt.
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Seitenzahl: 707
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Der Inhalt - ein Geständnis
Ich gestehe und versichere jeder verehrten Leserin und jedem geehrten Leser, dass mich mein Textaufbau als auch meine Ausdrucksweise als echten Pfälzer ausweisen.
Der Autor Kurt Koch
Prolog Abschnitt 1
Tag 0
Tag 0 plus 1 Abschnitt 5
Tag 0 plus 2 Abschnitt 7
Tag 0 plus 3 Abschnitt 10/1
Tag 0 plus 3 Abschnitt 10/2
Tag 0 plus 4 Abschnitt 13
Tag 0 plus 5 Abschnitt 14
Tag 0 plus 6 Abschnitt 16
Tag 0 plus 7 Abschnitt 20
Tag 0 plus 8 Abschnitt 24
Tag 0 plus 9 Abschnitt 29
Tag 0 plus 10 Abschnitt 30
Tag 0 plus 11 Abschnitt 32
Tag 0 plus 12 Abschnitt 33
Tag 0 plus 13 Abschnitt 34
Tag 0 plus 14 Abschnitt 35
Tag 0 plus 15 Abschnitt 36
Tag 0 plus 22 Abschnitt 37
Tag 0 plus 38 Abschnitt 38
Tag 0 plus 47 Abschnitt 39
Tag 0 plus gut 100 Tage, Abschnitt 44
Tag 0 plus 1972 Tage, Abschnitt 51
Der ex-Marine
Francis Burr
Managerin
Vanessa Osborne
Der Sheriff
Willy O´Connor
Rechtsanwalt
Dr. Rodrigo Menendez
Bezirksstaatsanwalt
Henderson
Oberstaatsanwalt
Christoffer Soerensen
Professor
David Hubble
Seine Sekretärin
Mündlein
Richter
Julius Hobbart
Syndikatsmitglieder
Eduard Mersenberger
Daniel Sobrowsky
Dawson
De Barrantioso
Serge-Roberto Berlusconi
Frederico Immendorfer
Rodrigo de Esmeraldas
Salesmanager
James Watkins
Ornitologe, Schatzsucher
Peter Helder
FBI-Agent
Robert Ennerly jr.
Die Killer des Syndikats
Baba, Luigi, Andy, Salem,
Rezeptionista
Carlos
„James, unser hochgeschätzter, ausgekochter aber auch einfühlsamer Spezialist fürs Grobe ist mit einer Erfolgsgeschichte aus Afrika zurückgekommen.“
Das Protokoll hielt fest, dass auf diese Ankündigung bei den Besuchern befreiendes Lachen folgte. Von wegen „einfühlsam“!
Der Sprecher auf der Bühne versuchte erst gar nicht seine Gefühle zu unterdrücken. Seine in ähnlichen Situationen betont spöttische Grimasse war sowieso den meisten Anwesenden hinreichend bekannt. Nach einer genau kalkulierten Pause fuhr er mit einer etwas gedämpften Stimme augenzwinkernd fort.
„Er hat die Afrikaner weichgeklopft. Die sind verrückt nach Spielzeug. Und wir werden ihnen eine Menge Spielzeug liefern“, - er machte wieder eine Pause, zeigte sich belustigt, grinste vielsagend und schaute den einen und anderen der Mitglieder kurz an, - platzte dann plötzlich heraus: „Gegen Diamanten.“ Diese beiden Worte hauchte er mehr theatralisch als sie im Angeberton hinauszuposaunen. Er besaß die allseits geschätzte Gabe die Aussicht auf Reichtum, Geldvermehrung, Gewinne und Machtzuwachs regelrecht zu zelebrieren.
Dann war Stille im Raum. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Sein ausgewähltes Publikum liebte solche Momente. Mit wohligen Gefühlen warteten sie gespannt auf weitere Einzelheiten aus dem Deal mit diesen Schwarzen.
Dann fuhr der Vortragende fort. Die folgenden Worte fegten jetzt einmal mehr über die Kartellmitglieder wie eine Maschinengewehrsalve. „Diamanten“, rief er, „Soll ja eine ziemlich harte Währung sein!“
Diese theatralische Darbietung ihres auserwählten Spitzenmannes provozierte dann eine allgemeine Heiterkeit, so wie es auch im penibel geführten Protokoll vermerkt wurde. Dann kreuzten sich Zurufe und Gesprächsfetzen zwischen den einzelnen Mitgliedern. Langsam hob der Vorsitzende auf der Bühne wie abwehrend beide Hände - hatte er noch eine dieser letzthin so sehnlichst erwarteten Neuigkeiten vorzubringen?
„Also, meine Dame, meine Herren, es dürfte für jeden ausreichend dabei sein.“ Jetzt erhoben sich alle, klatschten, nickten sich zu, Hände suchten Hände, man beglückwünschte sich. Auch die eine oder andere freudestrahlende Umarmung fand statt.
Die angesprochene Dame und die Herren saßen im 17. Stock eines rundum in einem schwach grünen Ton verglasten Hochhauses. Ausgeklügelter Lichtschutz, in Kombination mit den neuesten Leuchtmitteln, ergaben ein angenehmes Wohlfühlambiente. Um Lauschangriffe von außen zu erschweren, waren alle großformarigen Flachglasplatten schräg nach innen geneigt angeordnet.
Es war eine geheime und konspirative Gemeinschaft mit gleichgeschalteten Interessen und die alle nur ein Ziel kannten: Möglichst viel Waffen rund um die Welt zu verkaufen und damit Geld zu machen. Richtig viel Geld. Wo der „Markt“ in rückständigen Ländern, wie sie sich ausdrückten, militärtechnisch schwach war, wurde aktiv dafür gesorgt, dass die gewünschte Nachfrage zustande kam und entsprechend angekurbelt wurde. Dafür hatten sie ihre Spezialisten, die bei führenden Militärköpfen, und besonders bis in bestimmte höchste Entscheidungsebenen von Regierungskreisen, tätig werden konnten. Und es gab immer hinreichend genug solcher „bestimmter Regierungskreise“.
In der Vergangenheit hatte man es bewiesen. So war es eine der leichteren Übungen gewesen, beide Seiten eines bewaffneten Konfliktes mit Waffen zu beliefern, oftmals mit den gleichen.
Der immer wieder erfolgreiche Weg dorthin führte über Erpressung, Verrat, Täuschung, Betrug, Bestechung jeder Art, Manipulationen, Korruption, Entführungen, Mord und Totschlag, Folter und Verstümmelungen undsoweiter. Alles, was der Teufel in seiner Setzkiste bereithielt, wurde für den Ernstfall angeboten und in Szene gesetzt. Politik konnte dann zu einem Transmissionsriemen für das nächste gute Waffengeschäft degradiert werden. Militärs wurden korrumpiert. Die Säulen der Demokratie wurden ad absurdum geführt. Gewinnmaximierung stand in höchstem Ansehen.
Waffen wurden immer und überall gebraucht. Wer in diesem Geschäft Skrupel zeigte, hatte in dem exklusiven Zirkel, der in diesem Hochhaus tagte, nichts zu suchen, besser gesagt: Er/sie hatte keine Chance hineinzukommen.
Seriosität, Ehrlichkeit oder Mitgefühl waren Fremdwörter. Jedes Mitglied musste, um respektiert zu werden, nachweisbar ordentlich Dreck am Stecken haben. Er/sie musste jederzeit erpressbar sein und dafür die schwarzen Seiten seiner Existenz offenlegen. Nur auf dieser Basis vertrauten sie einander. Jeder hatte seine Leichen im Keller zu haben und jeder hatte auch sein eigenes Exekutionskommando, seine Killer, die bei Bedarf einsprangen und aktiv wurden.
Ordentliche Gerichte scheute man wie der Teufel das Weihwasser. Das System benötigte auch keine ordentlichen Gerichte. Urteile wurden im kleinen, internen Kreis gefällt und vollstreckt. Bei den dabei entstehenden „unerklärlichen Todesfällen“ bissen sich dann regelmäßig staatliche Ermittler scharenweise die Zähne aus.
Alle hier Anwesenden hatten in irgendeiner Form an herausragender Stelle mit der Herstellung und Verbreitung von Waffen sowie kriegswichtigen Systemen zu tun. Alle hatten sich ohne notarielle Begleitung und Beglaubigungen zusammengetan, um außerhalb der Sichtweite der nationalen und internationalen Abkommen und Reglements, in aller Ruhe ihren finsteren Geschäften nachzugehen. Als Händler in Sachen Leid, Tod und Zerstörung, wollten sie nicht belästigt werden. Es durften niemals Spuren ihrer Aktivitäten nachvollziehbar sein. Und, was ihnen äußerst wichtig war, sie durften sich nicht gegenseitig behindern.
Trotz der oft horrenden Summen die in ihrem Zirkel gedealt und umgesetzt wurden, gab es keine Schriftführer. Und es gab niemand der etwas mit Bezug auf ihre Geschäfte zu Protokoll nahm, Verträge aufsetzte, geschweige denn unterzeichnete.
Überhaupt, geschrieben durfte nur das werden, was zweifelsfrei niemals gegen das Syndikat verwendet werden konnte, wo, wie und wann auch immer. Darüber wachten scharenweise Gesetzesverbieger, zutiefst unmoralische Rechtsverdreher. Aber sie mussten gut sein, die besten sein und sie wurden glänzend honriert. Sie stellten Regeln auf und hatten auch die personellen und materiellen Ausstattungen diese rücksichtslos durchzusetzen.
Für Zusammenkünfte, wie die heutige, galten stets eiserne Regeln. Diktiergeräte, Handys, Ringe oder allgemein Schmuck, natürlich Kameras, Hosengürtel mit Schnallen, Uhren und Schreibgerät - es könnten ja Mikrofone mit Sender sein - mussten von allen Mitgliedern vor den Versammlungen in einem programmierbaren Safe hinterlegt werden. In diesem Geschäft sollte man sich besser nicht vertrauen. Nicht einmal Piercings oder Anstecknadeln waren erlaubt, alles im gegenseitigen Einvernehmen. Die einzige Dame des Clubs fühlte sich nach dieser Prozedur stets geradezu wie nackt.
Jeder wurde dann noch durch modernstes Gerät geschleust, das in der Lage war, auch noch einen Minizahnstocher oder das Fitzelchen einer Verpackungsfolie für Kaugummi zu entdecken.
Die heutige, laufende Versammlung:
Die gegenseitigen Beglückwünschungen, mitsamt den dazugehörigen verlogenen oder wenigstens scheinheiligen Sprüchen ebbten ab. Der Geräuschpegel war jetzt stark reduziert. Es gab keine Gestikulation mehr. Gruppen hatten sich gebildet, in denen man mit mehr gedämpften Stimmen schon die zu erwartenden Gewinne zu besprechen schien.
Der Koordinator und Sprecher, der so bezeichnete Vorsitzende, der von den meisten der Anwesenden spontane Glückwünsche entgegengenommen hatte, ging wieder auf die kleine Bühne zu seinem Stehpult. Er wartete bis ihm seine Freunde, in der Erwartung detaillierterer Geschäftszahlen, wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmeten.
Dann begann er, ohne nähere Erläuterungen oder Ankündigungen, mit der Aufzählung aus dem in seiner Begrüßung kurz beschriebenen Spielzeug-Bestellkatalog:
„80 Stinger, 1 450 Panzerfäuste, 5 200 Kurzstreckenraketen Typ Stalinorgeln, 75 schwere Maschinengewehre und dazu 900 000 Schuss Munition, 300 leichte Maschinengewehre und dazu 1 250 000 Schuss Munition“ - zwischen jedem Handelsposten legte er eine genau berechnete kurze Pause ein - „10000 Handgranaten, 5500 Schnellfeuersturmgewehre und dazu 2 800 000 Schuss Munition, 3500 Maschinenpistolen und dazu 2 200 000 Schuss Munition, 20 000 Antipersonenminen, 20 Tonnen Sprengstoff vom Feinsten dazu 1000 Zünder, 450 Granatwerfer 36 mm und 300 item 75 mm, dazu jeweils 10 000 Granaten, 60 Flammenwerfer, eine Latte Fernzünder, 250 Geländemotorräder und 240 Toyota Pickups, 400 Nachtsichtgeräte, eine ganze Menge Computer und Fernmeldeeinrichtungen, Schuhe wollen sie und Offiziersuniformen, inklusive Abzeichen. Bei Giftgasgranaten mussten wir diesmal abwinken, die Gründe kennen Sie ja alle, und sie wollen 12 000 Splitterschutzwesten. Das war es mal im Großen und Ganzen.“ Er schaute wieder über die Köpfe seiner versammelten Freunde, genoss den Augenblick. Alle schienen hochbeeindruckt, niemand unterbrach diesmal die Stille. Sie wussten, oder wollten wissen, dass der Vortragende noch nicht am Ende war. Dann fuhr er auch fort.
„Und das wieder gegen glänzenden und hochverdichteten Kohlenstoff?“
Wieder machte er eine längere Pause. Er hatte Talent und wusste, wie er die Spannung seiner Zuhörer noch verstärken konnte. Im richtigen Moment, nicht zu früh und nicht zu spät, schoss er, um beim Thema zu bleiben, sozusagen die nächste Salve ab:
„Wie üblich und auf dem gleichen Weg. Übergabe in einer sicher verschlossenen Ledertasche mit Kevlarverstärkung und Einlage aus HSS.“
Die jetzt eintretende Pause nutzte ein Teilnehmer und setzte zu einer Bemerkung an. Oder sollte es eine Frage werden?
„Die Vereinbarung ...“
Der Vortragende schnitt ihm sofort die Weiterentwicklung seiner Anmerkung ab:
„... steht natürlich ohne ein geschriebenes Wort, und was noch wichtiger ist, es darf keinerlei hochverschlüsselte Datenübermittlung geben. Unsere Sicherheitsspezialisten nehmen sich, wie üblich, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit dieser Problematik an.“ Er legte jetzt den Kopf etwas schief und verengte seine Augen, bis sie nur noch als Schlitze wahrzunehmen waren. Ganz langsam, und jedes Wort betonend, stellte er die Frage: „Ich - darf - doch - davon - ausgehen!“ Nein, es war keine Frage. Es hörte sich nicht einmal als eine Feststellung an. Es klang, so wie es auch gemeint war, wie eine Drohung.
Niemand rührte sich oder gab auch nur einen Laut von sich. Jeder wusste um die Tragweite und die Konsequenzen, wenn irgendetwas nicht im Rahmen ihrer Vereinbarungen ablief. Einen oder auch mehrere Schuldige würde es immer, bei jedem Verstoß, geben - geben müssen. Ihr ungeschriebener Kodex war da klar: Es konnte jeden betreffen oder auch treffen.
Der Gesichtsausdruck des Sprechers war wieder geschäftsmäßig und er fuhr fort:
„Ich wiederhole mich hier gerne. Höchste Sicherheitsstandards sind einzuhalten. James Watkins, unser durchsetzungsfähiger Salesmanager, hat alles, diesmal aber auch alles, mündlich vereinbart. (glaubten ihm auch wirklich alle? Jedenfalls meldete niemand Bedenken an.) Diamanten als Vorauskasse, nun, wie bisher gehandhabt. Hier, in den Staaten, fliegt eine harmlose zweimotorige Beechcraft die Tasche oder den Koffer zum Stützpunkt X2. Die Gegend ist stets bestens geeignet jeder Luftüberwachung zu entgehen. Mehr Details werde ich, wie üblich, an dieser Stelle nicht nennen.“
Dann kam aus der Reihe der Anwesenden doch noch ein Einwand. Oder sollte es vielleicht eine etwas verunglückte Frage sein?
„Aber dafür ist die Flugstrecke auch sehr gefährlich.“
„Wir haben die besten Leute verpflichtet.“
Und noch eine Bemerkung:
„In den Bergen dort können sie gar nicht gut genug sein.“
Der Vortragende ging nicht mehr auf die letzte Bemerkung ein.
„Planmäßig müssten wir in zwei Wochen so weit sein. Das war´s.“
Er ließ keinen Zweifel an seiner Absicht erkennen, dass er damit seine Ausführungen und Auskünfte als beendet ansah.
Zwei Freunde begannen zu klatschen. Sie blieben für diesmal die Einzigen.
Francis Burr hatte seine militärische Dienstzeit beendet. Er war auf seine Urkunde stolz, auf der gut sicht- und lesbar stand, dass er „In Ehren aus dem aktiven Dienst des Marinecorps ausgeschieden“ war. Er war diszipliniert und ohne jeden Tadel geblieben. Er war jetzt ein in der amerikanischen Nation hochgeachteter Veteran. Und er glaubte daran, dass er damit für seine Leistung den Respekt seiner Mitbürger ehrlich verdient hatte.
Als Elitekämpfer bei seinen Marines konnte er eine Menge hoher Auszeichnungen vorweisen. Sein Körper sah immer noch imposant aus, muskulös und seine Reaktionszeit war seit 15 Jahren praktisch unverändert. Eigentlich ein Jammer einen solchen militärisch erfahrenen Fachmann und Patrioten ziehen zu lassen. In den Ruhestand zu versetzen. Außer Dienst zu stellen. Das hörte sich an wie das Beenden, das HerunterfahrenAusschalten=. Ohne die Möglichkeit eines Neustarts. Er würde sich sein neues Leben einrichten, in dem aber eine alternative Funktion nicht vorgesehen war.
Er war zufrieden mit seiner Abfindung. Er würde sich ein Häuschen kaufen, im Irgendwo in Wyoming. Dort war er einige Jahre zur Schule gegangen. Aber seine besten Erinnerungen hatte er in diesem herrlichen, wundervoll von schier endlosen Wäldern und vielen kleinen Seen überzogenen Bergland. Deshalb beschloss er, zunächst einmal einige Monate hier zu leben. Sich zivil einzurichten. Zu prüfen, ob seine Kindheitserinnerungen in der Gegenwart noch Bestand hatten, Motivationen liefern würden, sich glücklich zu fühlen. Und so hatte er sich fürs Erste in einer passablen Pension eingemietet.
Heute Abend würde er zum ersten Mal seiner Wahlheimat den Puls fühlen, Leute kennenlernen, das heißt er würde eine Bar aufsuchen. Auf ein paar Bierchen. Auf einen Whisky. Wer weiß?
Dass es hier auch hinterwäldlerisch zugehen könnte, daran verschwendete er keinen Gedanken. Oder andersherum, er hatte die ganze, nirgendwo perfekte Welt gesehen. Er war sich sicher, er würde auch mit den Leuten hier auskommen.
Im Randgebiet des weit auseinandergezogenen Ortes, dort wo eine schmale Straße aus einem dicht bewaldeten Tal heraus auf die Hauptstraße traf, hatte er die <Bar of friendship> ausgemacht. Der Name passte zu seinem Vorhaben. Hörte sich doch gut an. Das hörte sich einladend an. Er würde Freunde haben wie im Corps. Dort nannten sie sich Kameraden. Jetzt würde er Freunde haben.
Er konnte sich nicht vorstellen und verschwendete keine Idee daran, auf etwas anderes als Freunde zu stoßen, sie als Freunde zu gewinnen. Und im Tal würden die anderen ihn bald als ein willkommener und stets gern gesehener Mitbürger ansehen. Er würde bei gemeinnützigen Aufgaben seine Mitarbeit einbringen - nein, in keinem Augenblick beschäftigte ihn ein Gedanke, dass es auch anders kommen könnte.
Er hatte es im Jemen geschafft, in Afghanistan, Pakistan, Japan, in Deutschland, im Irak, in verschiedenen Ländern auf dem schwarzen Kontinent, er hatte immer Freunde. Dass sie praktisch auch immer seine Kameraden waren und nur selten aus der einheimischen Bevölkerung kamen, daran verschwendete er keine Gedanken. Er verdrängte auch diesen Gedanken nicht, nein, er hatte nur noch nicht darüber nachgedacht.
Es war kurz vor acht Uhr. Die Sonne stand nicht mehr weit vor dem Untergehen als der ausgemusterte Marine, ein tadellos gedienter Elitesoldat, das gewählte Lokal betrat. Nur eine Minderheit, der zu dieser Tageszeit zahlreich Anwesenden, nahm keine Notiz von ihm. Aber fast alle, besonders die nicht an Tischen saßen, bemerkten und musterten ihn wie auf Kommando. So als hätten sie ihn erwartet und sich abgesprochen. Er war solche Blicke gewöhnt. Daraus waren ihm noch niemals Nachteile erwachsen. Weshalb sollte es hier anders sein?
Auffallend und vielleicht doch etwas ungewöhnlich war seine Erscheinung, die in den Augen so mancher Hiesiger provokativ wirken musste. Jedenfalls konnte sich, zumindest von den Stehgästen und was sein Erscheinungsbild anbetraf, keiner mit Francis vergleichen oder messen. Und so wie sie gekleidet waren konnte man erkennen, dass sie auf ein gepflegtes Äußere keinen großen Wert legten - ganz im Gegenteil. Das fiel Francis als erstes auf. Und genau dieser Unterschied fiel auch den Stehgästen an und um die Theke auf. Nur eben aus der anderen Perspektive. Das sah schon für die Einheimischen beinahe nach Provokation aus.
Aus Francis Burrs kurzen Ärmeln seines sichtbar gut gebügelten T-Shirts, quollen auffallend pralle Bizeps. Wahrscheinlich konnte keiner der Tresengäste nicht einmal Oberschenkel dieser Güte aufweisen. Sein sichtbar gut durchtrainierter trapezförmiger Oberkörper konnte manche Frau ins Schwärmen bringen.
Eine Gruppe von fünf Männern stand, nicht weit vom Eingang, vor der Theke. Sie schienen direkt von ihrer Arbeit zu einem Treffen mit einigen Drinks hierhergekommen zu sein. Wahrscheinlich reine Routine. So wie jeden Tag oder die meisten Tage der Woche. Im Gegensatz zu deren ungepflegter, ja mehr abgerissener Kleidung, war Francis geradezu modisch schick angezogen. Regelrecht herausfordernd piekfein herausgeputzt. Er hatte sich beim Kauf seiner ersten zivilen Ausrüstung in einem spezialisierten Bekleidungsgeschäft von einer Fachkraft beraten lassen. Seine ganze Erscheinung bildete einen bemerkenswerten Kontrast zu den ungepflegten, offenkundig trinkfreudigen und Kette qualmenden Kumpeln.
Seine Begrüßungsformel, zurückhaltend und mehr halbherzig in Richtung der Gruppe ausgesandt, bewirkte in dieser keinerlei Reaktion.
Leise, erste Zweifel überkamen Francis, ob es unter den derartigen äußeren Umständen zu einer Männerfreundschaft oder wenigstens einer gewissen Art von Kumpanei bzw. Kameradschaft kommen würde. Die Kerle rauchten allesamt. Francis hatte es aus Überzeugung noch niemals getan. Er versuchte dann doch aufrichtig erste aufkommende Zweifel an seinen guten Vorsätzen zu unterdrücken. Ganz offensichtlich war er dabei, in eine gänzlich andere Welt einzutreten. Eine von der er weder in seiner Ausbildung noch in der soldatischen Wirklichkeit Erfahrungen sammeln konnte. Obwohl diese ersten Eindrücke bei Francis nicht gerade Begeisterung auslösten, wollte er trotzdem niemanden so auf die Schnelle negativ beurteilen - noch nicht, befahl er sich.
Die Stehgäste hielten locker je eine Flasche Budweiser am Flaschenhals, so als gäbe es nichts Normaleres auf dieser Welt. Die sahen keinesfalls so aus, wie er es von Treffen mit seinen Kameraden gewohnt war. Das waren keine Kerle aus der Welt da draußen, das waren mehr Hinterwäldler, die kaum je einmal ein Stück der wahren Vielfalt des Erdballs gesehen hatten. Vielleicht interessierten sie sich nicht einmal für die internationalen Ereignisse, die sie ja, wie jeder andere Bürger der USA, tagtäglich von Fox oder CNN präsentiert bekamen.
Das war nun doch die erste Enttäuschung. Hatte er sich schlicht, ohne nachzudenken zu viele Illusionen gemacht? Aber, er musste sich ja wieder an die Heimat gewöhnen. An das Leben in der zivilen Gesellschaft, die er mit seinen Fähigkeiten, im Auftrag das Bundesstaates, bisher weltweit mit geschützt hatte. Jederzeit bereit auch sein Leben dafür zu riskieren. Er musste von vorne anfangen und er dachte bereit zu sein, respektiertes Mitglied dieses frontfernen Stückchens Erde, seiner Heimat, zu werden, wieder zu werden. Und diese Menschen waren nun mal Teil davon. Ein lebendiger Teil davon. Mit ihnen, diesen Typen, musste er - nein, er wollte mit ihnen klarkommen. Er stand sich zu, dass er nur ein bisschen Zeit brauchen würde. Entweder er würde dann den einen oder anderen zu einem Drink einladen oder, was im Moment unwahrscheinlich war, sie würden ihn einladen. Das sprichwörtliche Eis würde brechen. Es selbst zu brechen, das verursachte im Augenblick noch einen Knoten in seinem Hals. Doch, er beschloss zuversichtlich zu sein, und sich in Geduld zu üben.
Bilder mit Stationen vergangener Zeiten zogen schon wieder uneingeladen durch seine Erinnerungen. Afghanistan, Sierra Leone, Kongo, Südafrika, Deutschland, Kosovo, Beirut, Irak, Japan. Er hätte weiter zählen können. Er dachte an seine Kameraden, an jene, die noch im Dienst waren und an andere, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr dabei waren, einige einfach auf einem Heldenfriedhof ruhten. Es waren alle durchweg gute Kameraden, man konnte sich aufeinander verlassen. Man trank gemeinsam, man hatte oft die gleichen Bräute, man raufte manchmal, man ging aber immer zusammen durch dick und dünn. Kameradschaftlich.
Der Wirt schob ihm das bestellte Bier hin.
Er bemerkte, dass man in einer kleinen Gruppe über ihn redete. Hin und wieder erscholl ein lautes, mehr ordinäres Lachen, sie machten über ihn ihre Witze und sie versuchten ihr Verhalten nicht einmal zu kaschieren. Nun, das konnte immer noch zu einem echten Land-Männer-Leben dazugehören. Francis versuchte einmal mehr vermeintliche oder besteingegrabene Vorurteile abzubauen. Im Augenblick und hier erschien ihm das schwer.
Einer aus der Gruppe kam die zwei Schritte zu ihm, stellte sich hinter ihn und zupfte ihn an seinem Oberhemd. Die anderen vier lachten allesamt wie verabredet, wie im Chor. Ordinär und laut.
„Feiner Zwirn mit dem der Herr aufwartet.“
Francis war sich zunächst unsicher, wie er reagieren sollte.
„Mit Dir rede ich, Du, bin ich Dir nicht gut genug für eine Antwort?“
Das Lachen aus der Gruppe sollte offenbar für den Auserwählten Helden und jetzt Francis´ Hintermann aufmunternd wirken. Ihn zu weiteren mutigen Taten anspornen. Und tatsächlich wirkte es. Der Kerl hob das Hemd Francis´ und er benahm sich so, als bemerke er gerade jetzt, dass sich darunter ja tatsächlich ein Kerl befand. Und das nächste war dann nicht mehr so freundlich:
„Der riecht aber nicht nach Unsereinem.“
Francis nahm einen Schluck aus der Flasche.
„Hey, mit Dir rede ich!“
Francis beschloss ein regelrechtes Friedensangebot zu machen.
„Für eine Unterhaltung unter Freunden bin ich jederzeit gern bereit. Wo drückt denn der Schuh?“
„Der Kerl kann reden. Ich dachte der wäre staubdumm, ähh, taubstumm.“
Seine Kumpels in der Gruppe lachten so laut und ordinär, wie sie es nur fertigbrachten.
„Mich drückt kein Schuh, aber bei dir scheint etwas zu klemmen.“
Francis drehte sich auf seinem Hocker zu dem Fremden um und meinte in freundlichem Tonfall, dass er doch gerne sein Bier trinken möchte. „Wenn Sie etwas bedrückt, dann lasst uns einfach reden wie vernünftige Leute.“
„Er meint, dass wir keine vernünftigen Leute wären,“ er hatte dies in Richtung seiner Kumpels mehr gekräht denn gesagt.
Diese reagierten mir gekünsteltem Räuspern, mit <oho>, mit <hey du da>, mit <was sagt man dazu>.
„Ich bin also unvernünftig, was? Unvernünftig? Meinst Du das?“
„Mann, ich wollte doch nur zum Ausdruck bringen, dass ich keinesfalls einen Streit haben oder gar beginnen möchte. Wenn wir eine Unterhaltung in Gang bringen wollen, dann doch nicht auf diese Tour.“
„Hat der Mensch noch Töne, der will mir Vorschriften machen, was ich sagen kann, wann ich etwas sagen will und darf.“
Der Wirt kam näher. „Jungs, fangt mir keinen Streit an. Es ist mir scheißegal, wer nun darauf aus ist.“
„Der Kerl hat mich beleidigt. Soll ich mir das einfach so gefallen lassen? Wenn Du dich da mal nicht einmischst, wird sich der feine Pinkel mit den Angebermuskeln einfach verpissen und wir haben wieder alle unsere Ruhe.“
„Ich sagte, dass ich keinen Streit will.“
„Dann kümmere Dich doch einfach um Dein Bier und Deinen Whisky und lass uns unsere Unterhaltung fortführen.“
Es war dummes Gerede zwischen dem Kerl und dem Wirt und Francis hoffte noch immer, dass sich der Mann im undefinierten Alter beruhigen würde. Vielleicht ein lautes hysterisches Lachen von sich geben und sich wieder zu seiner Gruppe davonmachen würde.
Francis wandte sich wieder seinem Bier zu.
Die vier Kumpels wieherten anhaltend ihr Lachen.
Francis sagte nichts, schien überhaupt nicht zu reagieren, schaute auf seine Bierflasche. Hier würde er nicht alt werden. Und er spürte, wie sein Adrenalinspiegel sanft aber auch kontinuierlich anstieg. Er ermahnte sich zur Zurückhaltung.
Der Wirt kannte bestimmt seinen Dauergast, alias Pappenheimer, vielleicht sogar als streitsüchtig. Sicher war er aber auch ein guter Schluckspecht, an dem er seinen Umsatz hatte. Und wenn es da laut werden würde, dann hätte der andere als Neukunde schlechte Karten ungeschoren aus der Sache herauszukommen. So das sich vertiefende Gefühl von Francis.
„Wegen Dir werde ich noch ins schlechte Licht gerückt, vielleicht als Rüpel. Meinst Du, dass ich mir das gefallen lassen sollte? Ich rede mit Dir Du aufgeblasener Fatzke.“ Der letzte Satz hörte sich mehr wie das Bellen eines bissigen Hundes an.
Das Lokal war in zwei Abschnitte unterteilt. Der vordere Teil mehr für die Feierabend-Schluckspechte. Im hinteren, nur durch eine niedrige blumenbesteckte Wand abgetrennt, befanden sich die zahlenden Gäste im Restaurantbereich. Dort hoben und drehten einige Anwesende bereits die Köpfe. Das geräuschvolle Benehmen der größeren Gruppe von Feierabendgästen nahe der Theke hatte Aufmerksamkeit erregt. Unter den Gästen machte auch ein Rechtsanwalt seinen Tischnachbarn auf die mögliche eskalierende Entwicklung aufmerksam. Beide verfolgten nun das Geschehen. Und sie erlebten die sich intensivierenden Provokationen.
Der gut gekleidete Gast schien keine Reaktion auf die sichtbare Aggressivität eines Cutlers zu zeigen. Es tat sich nichts.
In der Tat hoffte der penetrant angepöbelte Gast noch immer, dass es dem Kerl langweilig werden müsste. Er würde vielleicht doch noch abziehen, ohne es zum Äußersten kommen zu lassen. Der musste doch einsehen, dass er bei einem Gewaltausbruch gegen ihn keinerlei Chancen hatte. Sicher rechnete er mit dem Eingreifen seiner Kumpels und zusammen dachten die wohl, sie könnten sich hernach brüsten, dass sie einen Riesen kaputt gemacht hätten.
In der Gruppe drückten sie ihre Zigaretten aus. Sie stellten die Bierflaschen auf den Tresen. Es schien alles nach Plan oder sogar nach eingeführtem Ritual abzulaufen. Die Mannschaft wollte die im Tagesverlauf angespannten Nerven zurückfahren und ihren Spaß haben. Dachte oder glaubte ihn haben zu können. Das Spiel konnte jetzt, nach dem vielleicht eingeübten Vorgeplänkel, beginnen.
Im Restaurant flüsterte der Anwalt seinem Tischnachbarn zu, dass es wohl in Kürze zu einem Gewaltausbruch kommen würde.
Der Wirt war nicht mehr zu sehen.
Es wird Zeit mich zu verdrücken, dachte Francis.
„Wirt, zahlen!“
Der Wirt war plötzlich wieder auf seinem Posten und hatte entweder wirklich nichts gehört oder er wollte nichts hören. Er schaute sich verdächtig lange ein Whiskyglas gegen das Licht an.
„Du kommst mir hier nicht raus ohne eine Entschuldigung. Ich stehe herum und Du bleibst einfach auf deinem verdammten Arsch sitzen. Ich denke, da ist eine Entschuldigung angebracht, nicht wahr Freunde?“
Die Antwort kam postwendend, nicht unisono, aber mehrtönig. „Du bist im Recht, Rich, der Kerl soll sich entschuldigen.“
Das, was sich da in immer schnellerem Tempo in Form einer Eskalation entwickelte, war das Letzte, was sich Francis vorgestellt hatte. Er war immer noch bereit das Lokal zu verlassen. Vielleicht sogar als Feigling. Aber, würde nicht dann der Wirt auch noch Theater machen? Auch wenn er ihm Geld für das Bier hinlegen würde, müsste er damit rechnen, dass der zunächst einmal laut wehklagen würde wegen der/einer nicht bezahlten Rechnung. So sah es effektiv momentan aus. Francis hatte das schon öfters in einer dunklen Ecke dieser Welt erlebt. War jetzt aber doch ein wenig verwirrt, das auch in seinem ureigenen Amerika zu erleben. Wenigstens ebenso in irgendeiner Ecke seines von Gott eigens geliebten und behüteten Landes. Und das er, daran glaubte er, an vorderster Front, oft unter Gefahr für sein Leben, vertreten oder verteidigt hatte. Auch diese Burschen. Das konnte schon etwas verwirrend sein.
Francis bekam einen Faustschlag unter die Rippen. Instinktiv und so wie er es gelernt und immer einmal wieder geübt hatte, flog sein rechter Arm mit einer festen Faust nach hinten. Sie traf den Kerl offensichtlich an günstigster Stelle, aus der Sicht von Francis, nicht jedoch aus der Sicht dieses be- und getroffenen Idioten. Wie dem auch sei, er war ja gegen ihn nur eine halbe Portion. Vielleicht im gleichen Alter, aber eben nur eine halbe Portion.
Diese halbe Portion reichte aber um einen Tisch zusammenbrechen zu lassen. Auf diesen war er nach dem Schlag mehr geflogen und heftig gelandet.
Der Wirt schrie, als hätte er den Schlag abbekommen. Die vier Kerle bewegten sich, wie auf ein Kommando, in Francis´ Richtung. Er schwang sich vom Hocker und empfing zwei, die er mit den Köpfen gegeneinanderschlug. Sie sackten auf den Boden. Einem vierten fing er die geballte Faust ab, drehte schnell seinen Arm und der Kerl fiel lang hin. Der fünfte drehte auf dem Absatz um und lief in Richtung einer Ecke davon.
Der Wirt hatte schon den Telefonhörer am Ohr.
Weibliche Gäste an ein paar Restauranttischen schrien grell. Bei diesen Hochtönen erwarten manche Menschen das Zerplatzen von Gläsern. Nichts dergleichen geschah. Jetzt hatten alle Gäste des Restaurants ihre Köpfe auf das nun doch sehr geräuschvolle Geschehen gerichtet. Der Anwalt war aufgesprungen, setzte sich aber rasch wieder, als ein Gast hinter ihm seine freie Sicht einforderte.
Francis legte nun einen Fünfdollarschein auf die Theke und wollte einfach weggehen, doch der Wirt hatte den Hörer bereits wieder abgelegt und rief: „Hey, mal langsam du Kraftprotz, ich will mein Geld sehen. Du kannst nicht einfach so verschwinden.“
„Ich habe Dir fünf Dollar hingelegt, das sollte für ein Bier reichen. Und zudem habe ich zweimal nach Dir gerufen, ich könnte schon längst weg sein, wenn Du mich vorher abkassiert hättest.“
„Ich gebe Dir dein Wechselgeld. Ich will von Dir keinen Cent geschenkt bekommen. Von so einem Rüpel jedenfalls nicht. Also warte gefälligst, bis wir das Geschäftliche geregelt haben.“
Francis hätte wissen sollen, dass der Wirt ihn nur hinhalten wollte. Er hatte die Polizei angerufen. Francis sollte noch als der Teufel in Person von den Polizisten gesichtet und festgenommen werden. Es war erkennbar, dass der Wirt jedenfalls dafür sorgen wollte. Zumindest dieses Spiel schien offensichtlich nach einem bereits mehrfach geübten Ritual abzulaufen. Wie ein eingeübtes und abgekartetes Spiel. Aber mit anderen Komparsen.
Francis war trotzdem entschlossen, auch ohne sein Wechselgeld zu gehen. Doch der Kerl hinter ihm hatte sich aus den Trümmern des Tisches befreit und ging auf ihn zu. Den Faustschlag erwiderte Francis derart, dass der widerwärtige Kerl sich etliche Knochen an seiner Hand beschädigte, als seine Faust auf die von Francis traf. Sie war blitzschnell auf seine Faust zugekommen und fing so den Schlag ab. Die kinetische Energie schien aber nur in seinen Knochen gewirkt zu haben. Er heulte laut los, verzog sein Gesicht zu unterschiedlichen Fratzen und streckte die Hand nach oben. Er schien zu tanzen, hüpfend, von einem auf das andere Bein.
Der Kerl, dem Francis den Arm verdreht hatte, jammerte und lief gebückt zum rückwärtigen Teil der Bar.
Die beiden, die mit ihren Köpfen zusammengerasselt waren, lagen weiterhin reglos, wie schlafend auf dem Boden.
Dann hörte Francis die Polizeisirenen. Flüchten wollte er jetzt auf keinen Fall. Er hatte sich ja nur verteidigt. Ihm konnte nichts passieren.
Da sollte er sich aber gründlich getäuscht haben. Die unerfreulichen Entwicklungen setzten sich fort und nahmen ihren neuen Lauf.
Das Sirenengejaule erstarb vor dem Bareingang.
Zwei Uniformierte kamen herein - stürmten herein. Es war der Sheriff mit einem Gehilfen.
Der Wirt schrie: „Das ist der Kerl, das ist er.“
„Hände auf den Tresen, Beine auseinander“, bellte der sich breitbeinig vor Francis auffällig angriffslustig aufbauende Sheriff. „Und ein bisschen plötzlich“, schrie er dann noch.
„Wieso, ich bin doch angegriffen worden, gleich von fünf Typen.“
„Das kannst Du uns auf der Wache erzählen. Und im Übrigen sind das keine Typen, sondern Bürger dieser Stadt. Das nur als Hilfestellung für einen Fremden, der sich hier nicht auskennt und der sich offensichtlich mit einer wilden Schlägerei mit vorsätzlicher Körperverletzung bei uns einführen will. Mit mir nicht Freundchen. Ruf den Krankenwagen.“ Letzteres hatte zu seinem Gehilfen gerufen.
Dann wieder an Francis gerichtet: „Und nun ein bisschen dalli, ich bleibe doch wegen Dir nicht die halbe Nacht hier.“ Seine Lautstärke hatte er nochmals nach oben geschraubt. Die Stimme überschlug sich zum Teil. Besonders die Anrede Dir zog er in einer schrillen Tonlage ausdrucksvoll in die Länge. Der Sheriff geiferte jetzt, scheinbar vor Wut. Seine Lippen begannen zu beben und zu zittern. Grauweißer Speichel rann aus seinem linken Mundwinkel nach unten. Sein blinder Einsatzeifer, mehr eine blinde Einsatzwut, hatte sich sozusagen in weniger als einer Minute ausgebildet.
Der Wirt hatte zwei frische Bier auf den Tresen gestellt.
Während seines Anrufes schielte der Gehilfe bereits sehnsüchtig danach.
„Jetzt fragen Sie doch erst einmal nach dem Hergang der sogenannten Schlägerei. Jeder hier im Lokal kann es bezeugen, dass ich nur einen Angriff abwehrte. Ich habe mich verteidigt, dazu hat doch wohl jeder Bürger dieses Staates ein Recht.“
„Hast Du ausgelabert?“ schrie der Sheriff. „Und Deinen militärischen Jargon kannst Du Dir sparen. Wir sind hier inmitten einer friedlichen Stadt in den Vereinigten Staaten und nicht in einem Kaffernland - jedenfalls war sie friedlich, bis Du hergekommen bist.“
Dann war er tatsächlich in der Lage seine Stimmlage noch weiter zu steigern: „Und jetzt die Hände auf die Theke, die Beine gespreizt, sonst kriegst Du sofort eine Klage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.“
Francis war immer noch der Meinung, dass er diese unappetitliche Situation mit den Mitteln der Vernunft zu klären in der Lage sei. Schließlich hatte er ja das Recht auf seiner Seite, das Recht auf Selbstverteidigung. In den Vereinigten Staaten ein überall gültiges und herausragendes Recht. Daher auch die überaus freizügigen Regeln und Gesetze mit dem im Grundgesetz verbrieften Recht zum Tragen einer Waffe. „Ich bin frisch aus dem Militärdienst ausgeschieden mit ....“
„Es interessiert mich einen Scheiß, woher Du kommst. Es scheint mir jedenfalls als wärest Du aus irgendeinem verdammten Dreckloch gekrochen. Mich interessiert hier das, was Du angerichtet hast. Die beiden auf dem Boden sind ja wohl nicht etwa aus Angst vor deinem großkotzigen Anblick umgefallen.“ Mehr an die Gäste im hinteren Teil des Lokals gerichtet rief er laut: “Kommt in unsere friedliche Stadt und beginnt anständige Bürger zusammenzuschlagen. Was geht nur im Kopf eines solchen Scheißkerls vor?“
Der Hilfssheriff hatte das Funktelefon wieder abgeschaltet. Er hatte aber noch keine Gelegenheit nach einem der gespendeten Biere zu greifen.
Der Sheriff plapperte dann, wie so nebenbei, dass er es dem Typen hier schon zeigen werde, wer das Gesetz in dieser Stadt und im Distrikt vertrete. Er wagte auch schon einen Blick in die Zukunft und bemerkte, hörbar für alle Gäste, „der Kerl wird Jahre hinter Gitter verbringen, fünffache, schwere Körperverletzung, versuchter oder vielleicht gar vollendeter Totschlag, Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Zechprellerei.“
Er sog jetzt tief und ebenso hörbar Luft in seine Lungen, bevor er seine Weissagungen vorläufig für beendet ansah. Jetzt stand nur noch die Verhaftung an, und daraus beabsichtigte er ganz offensichtlich ein, sein höchst persönliches Spektakel machen. Mehr an die Gäste gewandt rief er dann wieder: „Der wird sich noch nach dem Paradies Irak zurücksehnen.“
Der Hilfssheriff zog seinen Revolver, der Sheriff hatte die Handschellen in seiner linken Hand, ging auf Francis zu und griff nach dessen linker Hand.
Francis zog sie zurück und rief, jetzt schon seine recht verzweifelte Lage erkennend, wieder dazu auf, doch erst einmal Zeugen zu befragen. Wiederholte, dass er keinesfalls mit dem unheilvollen Streit begonnen habe. Dass er angegriffen wurde. Dass er sich doch nur zur Wehr gesetzt habe. Und wiederholte, dass es dafür doch ausreichend Gäste als Zeugen gäbe.
Im Restaurantteil war die Tisch- und Speiseordnung verlorengegangen. Es bildeten sich Gruppen. Vereinzelt wurde lebhaft gestikuliert.
Der Kerl vor den Tischtrümmern wimmerte. Zeigte seine deformierte Hand.
Nun zog auch der Sheriff seinen Revolver. Er wollte etwas sagen, vielleicht weiter schwadronieren über das, was er dem Beschuldigten noch anzuhängen gedenke, als Francis mit einer blitzschnellen Bewegung die beiden Revolver in seiner Hand hatte.
Der Hilfssheriff hatte dann noch den Mut und griff zu seinem Knüppel, als Francis abwinkte und in schlichter Sachlichkeit sagte: „Ich würde das sein lassen.“
„Dich kriege ich zehn Jahre hinter Gitter, das schwöre ich Dir. Das kannst Du mit Kanaken in der Kalahariwüste machen oder mit Kamelfickern im Jemen. Hier sind wir in unserem zivilisierten Heimatland. Verdammter Idiot. Auf Typen wie Dich habe ich schon immer gewartet. Verlass Dich drauf, ich werde Dich täglich im Knast besuchen. Dann wird mich besonders interessieren, was aus Deinem großkotzig aufgeblähten Muskelgebilde letztendlich übrigbleibt.“ Der trübe Speichelfluss aus des Sheriffs linkem Mundwinkel hatte sich verstärkt, er sah jetzt wie eine grauweiße Schmiere aus.
Francis hatte ihn in Ruhe ausreden lassen, beobachtete unterdessen aber genau die möglichen Bewegungen des Hilfssheriffs. Doch dem schien alle Lust auf Aggression vergangen zu sein. Angstvoll schielte er auf seinen Revolver in Francis´ Hand.
Francis versuchte, dass seine Stimme deeskalierend wirke: „Sheriff, Sie hören mir jetzt zu. Ich werde niemandem ein Haar krümmen. Auch Ihnen nicht. Ich will nur, dass Sie die Zeugen befragen, um festzustellen, wer hier die Probleme begonnen hat. Dann sparen Sie sich viel Zeit und eigene Probleme.“
Vom hinteren Teil der Kneipe kam ein Ruf: „Er hat angefangen, er hat provoziert.“
Dann andere gut verständliche Rufe: „Stimmt, er war es.“
Der Wirt krähte: „Ich habe es dir doch gleich gesagt. Kommt da einfach rein und schlägt meine Gäste zusammen - und einen Tisch.“
„Er hat angefangen“, kam es mit gleicher Stimme nocheinmal aus dem Umfeld des Sheriffs.
„Unerhört“, ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Die kam wieder auf dem Restaurant.
Der Sheriff grinste.
Fast schon in einem vernünftigen Tonfall sagte er, „komm, Meisteraffe, mach die Sache nicht noch schlimmer für Dich. Ist doch schon schlimm genug.“ Wäre das Meisteraffe nicht dabei gewesen, man hätte den Eindruck gewinnen können, dass da ein nachsichtiger und geduldiger Lehrer auf seinen Lieblingsschüler einredete.
Francis überlegte einige Momente und schien das Gehörte verarbeiten zu müssen. Er kam dann überraschend schnell zu dem Schluss, dass dieser Sheriff ihn wirklich für längere Zeit hinter Gitter bringen wollte. Und, hatte er dafür seinem Vaterland treu gedient, all diese Orden wirklich und ehrlich erarbeitet und verdient?
Doch der Sheriff ließ ihm keine Zeit: „Junge, komm gib mir meine Waffe wieder.“ Dann schärfer: „Ich mach Dich alle, darauf hast du mein Wort.“
Mehr brauchte Francis jetzt wirklich nicht mehr an Informationen und Drohungen.
Er steckte ruhig einen Revolver in seine Hosentasche und schlug mit der Faust zu. Der Sheriff ging zu Boden. Wieder schrien Gäste auf.
„Du bleibst hier“, befahl Francis dem Hilfssheriff, der im Begriff war zu türmen, „Du kriegst ebenfalls eine ab.“
Der Hilfssheriff schloss feige die Augen. Dann lag er nach einem gleichen Schlag neben seinem Chef.
Jemand, wieder aus dem hinteren Teil des Raumes, schrie: „Polizei, Hilfe, Polizei!“
Francis bückte sich und nahm dem Hilfssheriff die Fahrzeugschlüssel ab. Dann fesselte er mit den Handschellen des Sheriffs beide bewusstlosen Polizisten aneinander. Er suchte noch nach dem Schlüssel und steckte ihn ebenfalls ein.
Dann wandte er sich an den Wirt, der seine beiden Arme in einer Position hielt, um sie bei der leisesten Andeutung ohne weiteren Verzug gen Himmel strecken zu können: „Gießen Sie auf meine Rechnung den beiden ein Mineralwasser in die Visagen. Aber ein gutes. Ich habe ja noch ein Guthaben bei Ihnen. Sie sollen nicht sagen können, dass ich sie mit der kontaminierten Drecksbrühe aus der Leitung Eurer so geliebten Stadt begießen ließ.“ Und tatsächlich, schon bei den ersten Worten Francis` schnellten des Wirtes Arme in eine Position über seinem Kopf. Niemand hatte gefordert: „Hands up!“
Es herrschte zwar keine Ordnung mehr, aber keiner der Gäste im hinteren Bereich hatte sich in den letzten Minuten aus dem Restaurantbereich bewegt. Alle hatten, teilweise wie gelähmt, den schier unglaublichen Ereignissen zugeschaut. Francis verließ das Lokal, setzte sich an das Steuer des Polizeiautos und fuhr vom Parkplatz nach links auf die Hauptstraße. Da sah er in der Dämmerung, hinter der langgezogenen Kurve, an den Baumkronen blaues Licht flackern. Der oder die Krankenwagen näherten sich. Nun, dann würde die Versorgung der Lädierten sichergestellt sein. Er würde jetzt gezielt nach einem Ausweg aus der völlig idiotischen Situation suchen müssen.
Kurz entschlossen bog er links ab in den schmalen Weg, der kurvenreich neben einem Bach in das Tal hineinführte. Dichter Wald säumte das Sträßchen und verhinderte, dass die letzten Lichtstrahlen des Tages den Weg noch einigermaßen ausleuchten konnten.
Er führte leicht bergan und war nach einigen wenigen Meilen zu Ende. Francis erreichte eine Stelle, an der sich das bislang recht enge Tal weitete. Die Bäume des Waldes waren jetzt links von ihm hundert bis zweihundert Meter vom Weg entfernt und er konnte auf dieser Lichtung das letzte Tageslicht noch einmal erleben. Rechts führten einige Waldwege ab. Kleine Wegweiser markierten irgendetwas, vom Dämmerlicht verschluckt.
Er sah rechts weiter vorne eine Wasseroberfläche matt glänzen. War es Mondlicht oder die letzten Erinnerungen des Lichts an einen ereignisreichen und auch so verhängnisvollen Tag.
Vor ihm tauchte dann eine niedrige Mauer auf, dahinter eine parkähnliche Anlage und weiter entfernt ein größeres Gebäude. Vor einem großen, für die niedrige Mauer überdimensionierten, schmiedeeisernen, mehr dekorativen Gitter hielt er an. Die Straße führte auch nicht mehr weiter.
Vor dem großen Haus, am Aufgang einer breiten Treppe, leuchteten schwach zwei elektrische Lampen.
Was nun? Klar, sie würden ihn verfolgen. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würden sie hier sein. Hier an dieser gleichen Stelle.
Wo ein herrschaftliches Anwesen an einen See grenzte, da musste auch ein Bootshaus sein. In einem solchen müssten viele Gegenstände zu finden sein, die er sicher die nächsten Tage gut gebrauchen konnte, wollte er überleben und nicht von diesen inkompetenten und absolut kriminellen Uniformierten eingefangen werden.
So hatte er sich unter keinen denkbaren Umständen seine Rückkehr ins private Leben vorgestellt. Als Held ja, aber als gesuchter Verbrecher dazustehen, das war schlichtweg außerhalb seines Vorstellungsvermögens. Auch jetzt noch. Aber sich mit philosophischen Fragen zu beschäftigen, mit vielen wenn und aber, dazu war jetzt wirklich nicht die Zeit. Tatsache war, er würde gehetzt werden. Er würde ein Verfolgter sein. Der Film über Richard Gimbel fiel ihm ein. Er musste jetzt darauf achten zu seinen Verfolgern Abstand zu gewinnen, ihn zu wahren und so gut es ging auszubauen. Zu Verfolgern die zwar ungesetzlich handelten und kriminell waren. Aber, und das war nun einmal die lausige Gegenwart, sie hatten Uniformen an und er nicht. Nicht mehr, ergänzte er für sich. Später würde er über Lösungen nachdenken.
Noch zögerte er die Mauer zu überspringen. Sehr wahrscheinlich, dass sich da freilaufende Dobermänner an ihn heranmachen würden. Er tastete nach einem Revolver.
Dann aber gewann die Einsicht die Oberhand, dass bei einer solch niedrigen Einfriedung kein Wachhund in seinem Gehege bleiben würde. Zudem gab es ja noch die offene Seeseite.
Auf dem Gelände erkannte er rechts von dem Anwesen, wahrscheinlich zwischen dem See und dem Haupthaus, eine Gebäudegruppe. Sie war von außerhalb der Mauer in dem verlöschenden Rest aus Tageslicht und teilweise unter großen Bäumen verborgen, kaum noch zu sehen.
Bingo. Da musste auch das Bootshaus integriert sein. Er würde sich nach Möglichkeit das oder zumindest ein Boot ausleihen. Damit den sicher nicht allzu breiten See entlangfahren und sich dann in die Berge schlagen. Bei dieser Topografie musste es beidseitig Berge geben, in denen er, zumindest für eine Zeit, verschwinden konnte.
Er war kurz vor dem Bretterverschlag des Bootshauses, als dort, wo er hergekommen war, Lichter über die Baumreihen huschten. Zunächst dachte er an Suchscheinwerfer. Bruchteile von Sekunden später erkannte Francis aber, dass dies die Beleuchtung des Verfolgerfahrzeuges oder der Fahrzeuge sein mussten.
Es konnte nicht anders sein. Reifen kratzten und quietschten. Niemand verstand es besser Gummi auf Asphalt zu vernichten oder zu verbrennen, als provinzielle Polizisten.
Dann hupten sie auch noch mehrere Male hintereinander, schließlich dann langandauernd. Eine in diesem bewaldeten Tal eine absolut unangebrachte Kakofonie.
Francis fand eine breite Tür, sie war nicht verschlossen und er trat in den Schuppen.
In diesem Augenblick, für Francis keinen Moment zu früh, gingen draußen tatsächlich Suchscheinwerfer an. Er hörte die krächzende, von unendlich vielen Zigaretten entstellte Stimme eines älteren Mannes, der nach dem Grund der Ruhestörung fragte. Mindestens zwei Hunde bellten.
Stimmen riefen, verlangten nun mehrstimmig, dass die Hunde zurückgepfiffen werden sollten.
Der Mann mit der krächzenden Stimme dachte offenbar nicht daran. Er begehrte Auskunft, was der Aufwand sollte. Dann wurden die Stimmen undeutlich, für Francis unverständlich, denn er hatte die Tür des Schuppens hinter sich geschlossen.
Durch einen Bewegungsmelder aktivierte Lichter leuchteten auf.
Er sah sich um. Er stand auf einem Steg und hatte vor sich ein etwa zwölf Fuß langes Boot mit einem, in seiner Leistung sicher recht bescheidenen Außenbordmotor.
Er sah auch noch, dass links von ihm die Hütte eine Verlängerung besaß, die offensichtlich als Werkstatt und Aufbewahrungsort für allerlei Geräte diente. Der Besitzer musste ein fanatischer Bastler gewesen sein oder war es vielleicht noch. Jedenfalls konnte es Francis nicht unterlassen zu murmeln: „Herz, was begehrst du mehr?“
Das Hundegebell kam näher, er griff nach einem Revolver aber die Hunde entfernten sich dann wieder. Offenbar war man sich zwischen dem Krächzenden und den Verfolgern, wer immer sie außer den Polizisten zudem sein mochten, noch nicht über das weitere Vorgehen einig.
Francis ergriff sich als erstes einen Sack, mehr ein Bündel, dessen Inhalt ein Zelt sein musste. Eine kurze Prüfung und seine Annahme war bestätigt. Er nahm sich einen Klappspaten, eine Axt, zwei unterschiedlich starke Seile, einen abgetragenen Pullover, einen zerbeulten Aluminiumtopf und, was er besonders schätzte, eine Ausrüstung zum Jagen mit Bogen und Pfeil. Dem Paar Anglerstiefel sah er an, dass sie ihm zu klein sein mussten. Er sah ein Jagdmesser - wie bestellt, dachte er, und nahm es an sich. Dann griff er noch einen Regenschutz, einer Art Poncho, dann eine Anglerausrüstung und noch ein paar weitere Utensilien. Er schätzte das Gesamtgewicht auf ca. 28 bis 35 Kilo. Das würde ihm keine Probleme bereiten. Sozusagen wie es auch das übliche Gewicht für Marschgepäck in seiner Einheit gewesen war.
Er fand im Boot, in einer offenen Plastikablage, noch ein weiteres Jagdmesser. Von einer Ablage griff er sich eine Kombination von Gabel und Löffel. Auf der hinteren Sitzbank lag eine Taschenlampe. Er bemerkte auch, dass die Batterien bald den Geist aufgeben würden. Nun, beim Ausleuchten der Ecken und beim Packen seiner Siebensachen, würde sie ihm noch einen Dienst erweisen.
Draußen waren die Hunde verstummt. Die Stimmen schienen unaufgeregter. Alle waren sie nun sicher auf dem Gelände versammelt, besprachen das weitere Vorgehen. Ihr ausersehenes Opfer war fürs Erste verschwunden, wahrscheinlich in den Wald gelaufen und schon ein gutes Stück bergan. Wäre es anders, hätten die Dobermänner ihn ganz bestimmt gestellt.
Alles, was er ausgesucht hatte, lag im Boot. Er löste es vom Steg, brachte den Motor in Gang und beließ es zunächst bei den niedrigsten möglichen Drehzahlen. Ihm kam das leise Blubbern des Motors trotzdem verräterisch laut vor. Die Bretterwände der Konstruktion vervielfachten möglicherweise die an sich unbedeutende Lautstärke. Sie könnten aber auch die Weiterverbreitung der Schallwellen verhindern - missmutig schüttelte er diese unnützen Gedanken ab.
Dann beschleunigte er ganz langsam. Der Motor, ein neues Modell, war tatsächlich immer noch kaum zu hören. Das Boot trieb hinaus auf das nun dunkle Wasser. Etwa 15 Meter weiter draußen konnte er jetzt mithören, dass sich die Gruppe seiner Verfolger entschlossen hatte zum Bootshaus zu gehen. Er gab etwas mehr Gas und manövrierte nach Backbord, so nahe wie möglich an die überhängenden Zweige heran. Sie streiften einige Male sein Gesicht. So ist es recht, dachte er.
Er hörte noch aus der Ferne durcheinanderrufende Stimmen und beschleunigte daraufhin etwas mehr. Und nach ca. einer Minute steuerte er nach Steuerbord, weiter vom Ufer weg und ließ das Boot flott laufen.
Seine Augen hatten sich nun an die Dunkelheit gewöhnt und er konnte die Windungen des linken Ufers an der Anordnung der Bäume wahrnehmen. Über das schwache Motorengeräusch hinaus war nichts zu hören.
Als er auf das beleuchtete Ziffernblatt seiner Uhr schaute, wusste er nicht wie lange er bereits unterwegs war. Nach einer geschätzten Zeit von 20 bis 25 Minuten glaubte er dem oberen Ende des Sees nahe zu sein. Wenn dieser dann trotzdem dahinter noch weitere Windungen in die Berglandschaft hineinmachen würde, wollte er sich nicht davon beirren lassen. Francis beschloss linker Hand einen Platz zu suchen, an dem er aussteigen konnte.
Nach einigem Hin und Her gelang das auch. Der Waldboden verlief hier flach in den See hinein. Letztendlich hatte er eine fast ideale Landungsstelle gefunden.
Er entlud das Boot, nahm die dicke Decke, die auf dem Sitz ausgebreitet war, an sich, ordnete die Utensilien so gut es ging und machte ein Bündel daraus, verschnürte es derart, dass er es schultern konnte.
Dann startete er nochmals den Motor, drehte das Boot in den See in die Richtung, aus der er gekommen war. Das Standgas drückte er auf eine mittlere Position und ließ los. Rasch entschwand das Fahrzeug in der Dunkelheit, bald darauf umgab ihn vollkommene Stille.
Das gröbste Gepäck nahm er gebündelt auf den Rücken, Geräte in die linke Hand. Der Topf schaukelte um sein Hinterteil. Er marschierte in einem geschätzten rechten Winkel zum See in den Wald. Das Gelände stieg leicht an. Die Bäume und Sträucher waren jetzt praktisch nicht mehr zu erkennen. Aber weit mehr als seine Augen ihm beim Gehen behilflich waren, diente seine Erfahrung für eine Orientierung.
Die Taschenlampe ließ er fallen, nachdem sie definitiv ausgedient hatte. Es fehlte dann nicht viel und er fühlte sich wie bei einer seiner Feldübungen.
Es ging über einen Weg, der von einem Geländefahrzeug befahren werden konnte. Danach begann die Landschaft recht steil anzusteigen. Es war sein Eintritt in die Berge, in eine Umgebung, die ihm Schutz gewähren würde. Er begann sich sicher zu fühlen. Hier, in dieser Wildnis, würde für die nächste Zeit sein zu Hause sein. Allerdings weiter oben, weiter weg, eine gute Strecke abseits des Sees. Abseits von der Stelle wo seine Verfolger die Spürhunde ansetzen würden.
Francis arbeitete sich gefühlte Stunden mit beständig flotter Gangart den meist recht steilen Hang hoch. Dann kam überraschend eine flachere Stelle, die leicht nach rechts anzusteigen schien. Er folgte ihr. Sie war bald zu Ende. Es gab eine Art senkrechten Felsabsturz, der, zumindest in der Nacht, unüberwindbar schien. Es war Francis nicht möglich die Tiefe des Absturzes auch nur annähernd zu erahnen, geschweige denn zu erkennen. Es würde ihm auch nichts bringen einen Stein zu werfen, um aus der Zeit bis zu dessen Aufschlag eine senkrechte Strecke nachzurechnen.
Nur nach rechts gab es offenbar die Möglichkeit weiterzukommen. Zudem erschien es ihm logisch, dass dann irgendwann der Felsabsturz zu Ende sein müsste. Er arbeitete sich vorwärts über ein von Farnen und Gestrüpp überwuchertes Geröll. Wenigstens schien es keine dornige Angelegenheit zu sein, bei der seine einzige Hose in Fetzen gehen müsste. Es war die bisher schwierigste Etappe.
Seine Augen hatten sich jetzt recht gut an das Nachtdunkel gewöhnt. Das Gelände führte jetzt links von ihm offenbar gleichmäßig abwärts. Soweit er erkennen, mehr erahnen konnte, war es begehbar. Er nahm diesen neuen Kurs. Nach dem Überqueren eines kleinen Gewässers, ging es wieder steil bergan. Es kam ihm vor, als sei er hier erst eine Viertelstunde unterwegs gewesen, als es wieder bergab ging. Es war immer noch stockdunkel, die Wolken hingen tief, es roch nach Feuchtigkeit, vielleicht würde er bald Regen bekommen.
Francis tröstete sich mit dem Gedanken, dass es im Regen vollends unmöglich sein würde, ihn mit Hunden aufzuspüren. Mit Sicherheit würden sie sich im Morgengrauen die Stelle suchen, wo er an Land gegangen war, um dann die Hunde auf seine Spuren anzusetzen. Sicher hatten sie bis dann auch seine Pension ausfindig gemacht. Von seiner Wäsche und Kleidung würden sie dann das eine oder andere Stück mitnehmen. Sie würden dann die Hunde daran seinen Geruch aufnehmen lassen.
Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er bei seiner Marschart in dem schwierigen Gelände und vor allem bei seiner Ausdauer, einen vorteilhaften Vorsprung haben musste.
Links schien es nun wieder gefährlich steil abwärts zu gehen. Wie steil und wie tief das Gelände sich hier absenkte, konnte er immer noch nicht erkennen. Es schien einfach ein schwarzes Loch zu sein, noch einen Tick schwärzer als die Umgebung. Er arbeitete sich wieder nach rechts hoch, stieß immer wieder an eine vermeintliche geologische Abbruchkante.
Er wusste nicht, wie lange er da bereits unterwegs war. Um Frust zu vermeiden, hatte er es sich versagt auf seine Uhr zu schauen. Er wollte sich vollkommen auf seinen Instinkt und Erfahrung verlassen können. In dem kommenden Tag würde er noch früh genug die jeweilige Tageszeit abschätzen können.
Er hörte Rauschen und kam offenbar einem Wasserfall nahe. Das Gelände wurde wieder flacher und bald stand er vor einem stehenden Gewässer. Er suchte nach dem Abfluss und fand die Rinne kurz vor dem kleinen Wasserfall, den er, vom Geräusch her zu schließen, hinter sich gelassen hatte.
O. k., jetzt gab es nasse Füße, und mehr, an der tiefsten Stelle watete er bis zu den Knien im Wasser.
Jetzt würde er erst einmal weiterlaufen, das Wasser würde ebenfalls Spuren auslöschen - mochte er wenigstens glauben. Da hatte er aber weniger Erfahrung.
Nach links ging er nun eine längere Strecke leicht bergan. Dann begann sich das erste Tageslicht anzukündigen. Mit zunehmendem Licht konnte er unbedenklich seine Laufgeschwindigkeit erhöhen. Er lief in niedrigem Gehölz, nur sporadisch erkannte er einen Baum, konnte deshalb die Gegend nicht überblicken. Er würde sich einen geeigneten Baum aussuchen, hochklettern und die Landschaft, so weit es ging, erkunden, sich dabei die Topografie und den Bewuchs einprägen.
Jetzt zog er seine Schuhe aus, in denen immer noch Wasser stand. Die Socken musste er auswringen.
Er beschloss eine Weile zu ruhen. Als er dann wach wurde war es bereits zehn Minuten vor acht.
Er zog die immer noch feuchten Socken an und schlüpfte in die Schuhe, die immerhin, zwar nicht ganz trocken, aber doch marschtauglich waren. Er würde darauf achten müssen, dass er sich in dieser Situation keine Blasen lief.
Nach rechts meinte er eine höhere Stelle zu erkennen. Von einem Kamm aus gab es überraschend eine weite, fast strauchund baumlose Ebene zu sehen, die aus seiner Sicht schräg nach rechts oben verlief. Er folgte ihr und hatte bald eine perfekte Panoramasicht. Er prägte sich jetzt die Landschaft ein und so würde er stets, zwar mit Einschränkungen, über seinen Standort Bescheid wissen. Wieder spürte er eine Genugtuung und stille Freude über seine gute Ausbildung.
Die Sonne kam gelegentlich zwischen den Wolken hervor. Es war nun beinahe ein Spaziergang.
Doch dann wurde er buchstäblich aus seinen Gedanken gerissen. Er musste sich plötzlich entscheiden, entweder noch weiter nach oben oder weiter nach Westen zu gehen. In dieser Richtung hatte er grob drei weitere Höhenzüge erkennen können.
Weiter nach Westen bedeutete aber auch, weiter weg von dem unangenehmen Geschehen von gestern Abend. Vielleicht, so seine Überlegung, würde er sogar nach einem weiteren Tagesmarsch nicht mehr weit vom Nachbarstaat entfernt sein. Doch, würde er sich dort sicherer fühlen können?
Wenn er weiter bergan ging, würde es zwar auch schwieriger für seine Verfolger. Andererseits konnte es auch sein, dass er durch überraschend auftauchende, unübersichtliche Felsformationen gezwungen sein würde, doch wieder nach unten zu gehen, eventuell auch wieder zurück. Sein vermeintlicher Vorteil konnte sich ins Gegenteil verkehren. Doch, das musste er riskieren. So ist das nun mal in unübersichtlichem und unbekanntem Gelände. Wie oft hatte er das erlebt und wie oft musste er sich auf seine Erfahrungen und auch seinen Instinkt verlassen. Was in einer Situation, wie die gegenwärtige, auch keine Garantie darstellte.
Wieder kam er nach ca. einer Stunde offenbar an eine Schlucht. Überhängende Bäume und Hecken machten es ihm unmöglich sich einen Überblick über eine mögliche Durchquerung zu verschaffen. Er stieg also wieder bergan, immer nahe der Schlucht bleibend.
Wieder hörte er einen Wasserfall und wieder konnte er bald darauf etliche Bachläufe durch- oder überqueren, die offenbar alle zu dem Wasserfall führten.
Dann ging es noch weiter bergan.
Und schon wieder hatte er eine Senke mit einem Wasserlauf durchquert. Alle bisher gequerten Wasserläufe flossen nach links. In der Folge waren dann keine steilen, schwierig zu überwindenden Abstürze im Gelände zu bezwingen. Dann beschloss er nach links an einem flachen Abhang entlangzugehen. Immer wieder bedauerte er, dass er sich auch weiterhin noch keinen weitreichenden Überblick über die Landschaft verschaffen konnte.
Wieder blieb er stehen, um zu lauschen. Alles blieb still. Als er seinen Marsch wieder aufnahm, gab es Geräusche, die er einem flüchtigen Tier zuschrieb.
Mit einer gewissen Wehmut dachte er an die Erleichterungen die ihm ein Navigationsgerät bringen würde. Ohne diese technische Hilfe war er aber immer noch auf sein Gefühl und Erfahrungen angewiesen. Dies in einem Gebiet das vielleicht gerade einmal einem Millionstel der Gesamtfläche der USA entsprach. Aber eben auch weitgehend unerschlossen, zumindest naturbelassen schien.
Der recht gut begehbare flache Abhang hatte bald ein Ende und er lief um den Auslauf einer markanten Erhebung herum. In der Folge wechselten sich nun kleine Tälchen mit hügeligem Gelände ab. Von Zeit zu Zeit konnte er einen Blick auf die welligen Hügelbilder erhaschen. Hier gab es nur niedrige Gewächse. An zwei Quellen kam er vorbei, bei denen sich offenbar die Wildschweine besonders wohl fühlten. Es gab viel aufgewühlten, schwarzen Schlamm.
Gerade hatte er wieder einen Hügel westwärts überquert, es ging jetzt wieder etwas steiler bergab, als er einen Pfad erreichte. Er musste öfters genutzt werden.
Nach kurzem Zögern entschloss er sich dem Weg bergan zu folgen. Es war halb fünf am Nachmittag.
Der Pfad wand sich zunächst leicht ansteigend am Hang entlang, Nach einer guten Meile schlängelte er sich dann auf einer mehr ebenen und kaum ansteigenden Strecke weiter nach oben. Die Geografie wurde noch flacher. Es gab Lichtungen, auf denen Wild Nahrung finden konnte. Eigentlich entsprach diese Gegend schon recht gut seinen Vorstellungen für eine, zumindest vorübergehende Bleibe. Wenn Wild Nahrung fand, dann würde er auch keinen Hunger leiden. Bei diesem Gedanken und an saftiges, auf offenem Feuer gegrilltes Wildbret knurrte sein Magen, er spürte jetzt Lust auf Essen.
Wieder durchquerte er einen alten Baumbestand, als er auf einer kleinen Lichtung eine Hütte fand.
Zunächst versteckte er sich rasch im Gebüsch, um die Umgebung und die Hütte zu beobachten. Er musste sicher sein, dass sich da zurzeit keine Menschen aufhielten.
Kurz nach fünf Uhr beschloss er sein Versteck zu verlassen und sich die Hütte aus der Nähe anzusehen.
Es war ein Refugium für Wanderer und Bergsteiger. Eine Etappe, auf der man sich ausruhen konnte, auch Schutz vor Wetterunbilden fand.
Es gab sechs Pritschen und allerhand Notrationen. Die gemauerte Feuerstelle war ordentlich und sauber. Regale waren mit Decken bestückt, einfache Alugeschirrteile gab es und Dosen mit Lebensmittel, Zucker, Salz, Schokolade in Dosen. Alles in einem sehr rustikalen aber funktionellen Ambiente. Und es gab einige Blechbestecke.
Beim Anblick der Dosen verspürte er nun richtiges Verlangen nach einer Mahlzeit. Er hatte bisher Wasser aus den Quellen und Bächen getrunken. Den Hunger konnte er problemlos verdrängen.
Er öffnete eine Dose mit roten Bohnen, goss sie in einen Blechteller und schlürfte sie kalt. Dann nahm er drei weitere Dosen Bohnen an sich, dazu eine Dose Brot, einen Blechteller, einen Blechbecher, eine Gabel und einen Löffel sowie auch je einen Beutel mit Salz und Zucker. Kaffee konnte auch nützlich sein. Er bat insgeheim seine sportlichen und auch idealistischen Mitmenschen um Verzeihung für diesen Frevel.
Kurz vor sechs verließ er die Hütte, um ein Lager an einer günstigen Stelle zu suchen. Es sollte nicht allzu weit von der Hütte entfernt liegen. Er dachte zunächst an etwa eine Meile. Von diesem Lager aus würde er dann gelegentlich, je nach Bedarf, die Hütte aufsuchen. Wenigstens vorübergehend würde sie für ihn wie ein Selbstbedienungsladen, sein persönlicher Supermarkt sein. Natürlich nahm er sich bei diesem Gedanken ernsthaft vor, die Entnahmen zur gegebenen Zeit wieder reichlich zu ersetzen.
Sicher würden Wanderer die Vorräte von Zeit zu Zeit auffrischen. Nach gutem, altem Brauch, ließen sie bei ihrer Rückkehr noch nicht aufgebrauchte Lebensmittel in der Hütte. Er wünschte sich also Wanderer, aber sie sollten ihn nicht zu sehen bekommen - sie durften ihn nicht sehen. Er selbst musste ihnen buchstäblich aus dem Weg gehen.
Er ging die andere Seite des hier leicht geneigten Geländes hinab. Nach vielleicht einer knappen Meile fand er eine geeignete Stelle, die sich sicher wohnlich einrichten ließ.
Es war ein, über einer flachen Stelle überhängender Felsteil. Vor dieser Art Plattform ging es wieder ca. fünf Meter senkrecht in die Tiefe. Der Platz war nur von einer Seite zugänglich, ohne Bewuchs, sandig und trocken. Die andere Seite war über einen zusammenhängenden Fels bestenfalls mit professioneller Bergsteiger-Technik zu überwinden.
Auf der Plattform, unter dem Schutz des Felsens, baute er auf trockener Erde das Zelt auf.
Der Zugang zu seinem Lagerplatz sicherte er gegen unerwünschte Besucher. Der Alarm würde ihn warnen und nötigenfalls auch aus einem Schlaf wecken. Er wusste, dass er immer noch seinen antrainierten leichten Schlaf hatte.
Gegen acht Uhr, nach dem Verzehr einer weiteren Dose Bohnen, diesmal aufgewärmt, legte er sich schlafen.
Die beiden Revolver lagen in Griffnähe.
Die Bar.
Der widerliche Kotzbrocken von Riese war weg. Die beiden zusammengefesselten Polizisten am Boden waren noch bewusstlos. Die Gäste an den Tischen standen jetzt fast alle in Gruppen, redeten aufgeregt durcheinander. Viele verlangten - schnell, schnell nach der Rechnung, die meisten wären am liebsten kurzum verschwunden.
