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*** auch als E-Book erhältlich ISBN 9783758344176 *** Sonja, die lebenslustige Wirtin eines Wiener Vorstadtcafés, hält nebenher die Augen offen und sagt nicht nein, wenn sich ein Kerl ein bisserl spendabel zeigt. Ihr Leben kommt allerdings gehörig durcheinander, als sie sich auf der Hochzeit ihrer Freundinnen Gudrun und Beate ausgerechnet in Robert verliebt, den Fiaker, der die Hochzeitgesellschaft zum Restaurant im grünen Prater kutschiert. Sehr bald lernt sie nicht nur Robert genauer kennen, sondern auch seine anfangs sehr zurückhaltende Schwester Andrea. Mit ihr gemeinsam führt er den Fuhrbetrieb, den die beiden sehr jung von ihren Eltern übernehmen mussten. Schon am ersten Morgen erfährt Robert Sonjas Nebenberuf, findet das sehr zu ihrem Erstaunen aber eher erregend als abstoßend. Als Robert und Andrea Sonja bald danach in ihren Schicksalskreis aufnehmen, lernt sie auch mehr und mehr von dem sehr speziellen Verhältnis kennen, das die beiden Geschwister zueinander haben, bis sich Andrea in Ludwig verliebt, den sie ausgerechnet beim Konduktfahren auf dem Friedhof kennenlernt. Begleiten Sie die vier durch ein turbulentes Jahr auf der emotionalen Achterbahn, das durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirren der Corona-Krise im Frühjahr 2020 nicht einfacher wird. Werden sie am Ende einen Weg miteinander und mit ihrer Liebe finden? Dieses Buch schließt inhaltlich und chronologisch an "Alles Ohne? Das schlamperte Leben der Gudrun G." an und ist der zweite Band der Reihe.
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Seitenzahl: 189
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Marion Marksmeisje
Schlamperte Verhältnisse
Die Hure, der Fiaker, seine Schwester und ihre Liebhaber
Sonja, die lebenslustige Wirtin eines Wiener Vorstadtcafés, hält nebenher die Augen offen und sagt nicht nein, wenn sich ein Kerl ein bisserl spendabel zeigt. Ihr Leben kommt allerdings gehörig durcheinander, als sie sich auf der Hochzeit ihrer Freundinnen Gudrun und Beate ausgerechnet in Robert verliebt, den Fiaker, der die Hochzeitgesellschaft zum Restaurant im grünen Prater kutschiert.
Sehr bald lernt sie nicht nur Robert genauer kennen, sondern auch seine anfangs sehr zurückhaltende Schwester Andrea. Mit ihr gemeinsam führt er den Fuhrbetrieb, den die beiden sehr jung von ihren Eltern übernehmen mussten. Schon am ersten Morgen erfährt Robert Sonjas Nebenberuf, findet das sehr zu ihrem Erstaunen aber eher erregend als abstoßend.
Als Robert und Andrea Sonja bald danach in ihren Schicksalskreis aufnehmen, lernt sie auch mehr und mehr von dem sehr speziellen Verhältnis kennen, das die beiden Geschwister zueinander haben, bis sich Andrea in Ludwig verliebt, den sie ausgerechnet beim Konduktfahren auf dem Friedhof kennenlernt.
Begleiten Sie die vier durch ein turbulentes Jahr auf der emotionalen Achterbahn, das durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirren der Corona-Krise im Frühjahr 2020 nicht einfacher wird. Werden sie am Ende einen Weg miteinander und mit ihrer Liebe finden?
Dieses Buch schließt inhaltlich und chronologisch an „Alles Ohne? Das schlamperte Leben der Gudrun G." an und ist der zweite Band der Reihe.
Inhalt
Über dieses Buch
Prolog
Ernte und Saat
Freitag, 16.8. (Robert)
Samstag, 17.8. (Sonja)
Mittwoch, 21.8. (Beate)
Freitag, 23.8. (Sonja)
Samstag, 24.8. (Gudrun)
Montag, 26.8. (Sonja)
Mittwoch, 28.8. (Beate)
Mittwoch, 28.8. (Gudrun)
Alltag und Magie
Montag, 2.9. (Gudrun)
Dienstag, 3.9. (Beate)
Sonntag, 15.9. (Robert)
Sonntag, 15.9. (Sonja)
Dienstag, 17.9. (Gudrun)
Donnerstag, 19.9. (Janina)
Donnerstag, 19.9. (Gudrun)
Sonntag, 29.9. (Robert und Sonja)
Dienstag, 1.10. (Sonja)
Blätter treiben
Donnerstag, 31.10. (Robert)
Dienstag, 5.11. (Gudrun)
Mittwoch, 13.11. (Robert)
Montag, 18.11. (Beate)
Dienstag, 19.11. (Beate)
Mittwoch, 27.11. (Gudrun und Robert)
Sonntag, 8.12. (Andrea)
Mittwoch, 11.12. (Sonja)
Sonntag, 22.12. (Sonja)
Raunächte und Fastnacht
Dienstag, 24.12. (Beate)
Mittwoch, 15.1. (Gudrun)
Samstag, 1.2. (Robert)
Mittwoch, 5.2. (Gudrun)
Montag, 2.3. (Sonja)
Montag, 16.3. (Sonja)
Mittwoch, 18.3. (Gudrun)
Frühlings Erwachen
Donnerstag, 19.3. (Andrea)
Donnerstag, 19.3. (Ludwig)
Freitag, 20.3. (Sonja)
Dienstag, 31.3. (Ludwig)
Mittwoch, 1.4. (Andrea)
Donnerstag, 2.4. (Beate)
Mittwoch, 15.4. (Robert)
Mittwoch, 15.4. (Sonja)
Donnerstag, 16.4. (Ludwig)
Zeit der Reife
Freitag, 24.4. (Janina)
Freitag, 1.5. (Andrea)
Montag, 4.5. (Gudrun)
Donnerstag, 7.5. (Andrea)
Samstag, 16.5. (Sonja)
Montag, 1.6. (Sonja)
Freitag, 5.6. (Ludwig)
Mittwoch, 10.6. (Ludwig)
Montag, 15.6. (Sonja)
Samstag, 20.6. (Gudrun)
Sonntag, 5.7. (Ludwig)
Epilog
Impressum
Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, die zweite Schachtel mit Gudruns Tagebuchzetteln aufzuarbeiten. Es hat sich aber rasch herausgestellt: So viel hat sich bei Gudrun gar nicht getan, dass das eine eigene Geschichte hergeben würde.
Dafür aber bei ihren Freundinnen, allen voran bei Sonja, der Wirtin in Gudruns Lieblingscafé ganz in der Nähe ihrer Wohnung. Die hat sich auf Gudruns Hochzeit Hals über Kopf in den feschen Kutscher verliebt, der eigentlich nur die Hochzeitsgesellschaft fahren sollte. Gudrun wollte das dann auch nicht, dass ich das Jahr nur aus ihrer lückenhaften Wahrnehmung heraus erzähle, weil es ja gar nicht ihre eigene Geschichte ist.
Ich habe mir daher die Mühe gemacht, mit all den Menschen, die Gudrun durch das turbulente Jahr nach ihrer Hochzeit begleitet haben, Gespräche zu führen, die Ereignisse rund um den geheimnisvollen Fuhrbetrieb zu verstehen, den der Kutscher Robert gemeinsam mit seiner Schwester Andrea führt. Und ich habe die handelnden Personen darum gebeten, ihre Teile der Geschichte jeweils aus ihrer eigenen subjektiven Perspektive zu erzählen. Ich danke ihnen allen für die große Offenheit und das Vertrauen, das sie mir damit entgegengebracht haben.
Das vorliegende Buch ist dabei herausgekommen. Und da das aufmerksame Zeitgenossen ohnehin schon längst herausgefunden haben: Gudruns Geschichte spielt in Wien, und wir sprechen hier von Herbst 2019 bis Sommer 2020, eine Zeit, in der die Stadt auch zeitweilig von den reichlich skurrilen politischen Maßnahmen um den ersten Ausbruch von Corona heimgesucht wurde.
Jetzt aber viel Vergnügen beim Lesen!
Marion
Eine Hochzeit also wieder einmal. Buddhistischer Tempel – Runde durch den grünen Prater und den Wurstelprater – zum Restaurant am Ende der langen geraden Allee. Schwer zu sagen, was das für Leute sind, aber nur eine kleine Gesellschaft, fünf Personen. Ja, ein viersitziger Wagen reicht. Routine: Vormittag den Wagen putzen, links und rechts auf die Laternen ein paar Blumen, noch ein paar Bissen essen, dann anspannen, die Hinfahrt wird im Freitagsverkehr wohl eine Stunde dauern.
Als ich um zwei dort hinkomme, warten alle schon. Fünf Frauen, wo ist der Bräutigam? Ich schaue genauer: Aha, alles klar, eine der Frauen ist in Hosen und Sakko gekleidet und hat Bowler und Spazierstock. Haben die noch nicht begonnen, oder sind die schon wieder fertig? Die eine im lindgrünen Kleid fällt mir sofort auf, ich schau ein bisserl zu lang zu der rüber, aber ihre Augen sprechen eine deutliche Sprache. Na, mal schauen. Erst kommt mal die andere auf mich zu, sie trägt rot: „Robert?“, fragt sie. „Ja zu Diensten“, sage ich mal drauf. „Wir sind hier schon fertig, es kann gleich losgehen.“ Ich ziehe also die Bremse vom Wagen an, klettere runter und stelle mich an den Wagenschlag.
Das Brautpaar selbstverständlich zuerst und nach hinten. Die hübsche Grüne trödelt ein bisschen herum und schielt schon recht auffällig in meine Richtung, als ich den anderen beiden Damen auf die vordere Sitzbank hinaufhelfe. Ich taxiere sie genauer, sie ist schon eine sehr hübsche Grüne. „Magst du dich da dazuzwängen, oder kommst zu mir auf den Kutschbock?“ Sie schaut mich ein bisserl herausfordernd an. „Beißt du eh nicht?“, fragt sie dann. „Nicht gleich“, sag ich drauf. „Ich bin der Robert.“ Ich mache den Wagenschlag zu, klettere rasch auf den Bock und reiche ihr die Hand. Sie ist vielleicht Mitte dreißig, sehr schlank und wirkt sportlich, sie würde das kaum ernsthaft brauchen. Sie macht aber einen süßen Augenaufschlag, klettert dann an meiner Hand leichtfüßig rauf und setzt sich. „Danke, der Herr. Ich bin die Sonja“, sagt sie dann.
Ich schau erst mal, dass wir hier wegkommen, für meine zwei Pferde ist das hier unbekanntes Terrain, ich muss mich konzentrieren, bis wir nach zehn Minuten in einer Allee angelangt sind, die sie wieder kennen. Ich lass sie gehen und entspanne mich ein wenig. „Ah, ab da kennen’s den Weg?“, sagt die Hübsche neben mir. Ich dreh mich ein bisserl zu ihr. „Kennst du dich aus mit Pferden?“ „Nein, aber mit feschen Burschen. Du hast grad an die beiden da vorn übergeben.“ Ich pfeife durch die Zähne, anbrennen lässt die wohl nix, die Süße. Vielleicht wird der Tag ja noch netter, als ich mir das vorgestellt habe? „Und du, wer bist du zum Brautpaar?“, frag ich. „Ich hab ein Café in der Nähe, wo die beiden wohnen, sie kommen öfter zu mir, und sie haben mich gebeten, ihre Trauzeugin zu sein.“ „Und die anderen beiden?“ „Die Mama der einen Braut und die Beste der anderen.“ „Eine fesche Wirtin haben’s jedenfalls, die beiden, das tät mir auch gefallen“, sag ich mal so ins Blaue. Schaun wir mal, wenn sie einen Freund hat, erfahre ich es jetzt gleich. „Kommst halt einmal vorbei“, sagt sie drauf und macht wieder einen koketten Augenaufschlag unter ihrem grünen Hut. Ihre Augen blitzen. Hmm, besonders ernst kann’s mit ihrem Freund jedenfalls nicht sein.
Wir schäkern also so unverbindlich weiter, bis wir bei dem Restaurant sind. Offenbar haben die Mädels hinten bemerkt, dass ich ein wenig abgelenkt bin, und schaffen es, ohne mich auszusteigen. „Na dann“, sage ich zur Hübschen, „danke für die nette Gesellschaft.“ Sie schaut mich wieder ein bisserl kokett an. „Magst mich dann später abholen kommen? Die Brautleute werden mich nicht sonderlich vermissen.“ „Aber nicht mit der Kutsche“, sag ich drauf. „Ich brauch jetzt ein bisserl, jetzt sind erst die beiden da vorn dran.“ Sie nickt. „Na du weißt, wo du mich findest“, sagt sie, gibt mir noch ein Busserl auf die Wange und springt dann leichtfüßig vom Wagen. Die in Rot kommt noch zu mir und drückt mir ein Kuvert mit dem Fuhrgeld in die Hand. „Danke sehr, die Dame“, sage ich geschäftsmäßig. „Auf Wiedersehen.“ Sie lächelt ein wenig hintergründig. Gut es ist den Vieren hinten sicher nicht entgangen, dass Sonja mich angebraten hat, Aber es scheint sie eher zu amüsieren.
Ich fahre also los, bis zu unserem Hof am Stadtrand dauert es etwa vierzig Minuten. In der Einfahrt treffe ich bereits Andrea, meine Schwester, die den Betrieb gemeinsam mit mir führt. Sie schaut kurz zu mir herauf, stutzt. „Was ist mit dir los?“, fragt sie und grinst mich an. „Kastanienbraun, Mitte dreißig, hatte sie jetzt eine Stunde hier auf dem Kutschbock. Ausbaufähig“, sage ich und grinse zurück. Andrea ist die ältere von uns beiden, sie ist Single und zeigt kaum Interesse an anderen Menschen, sie lebt für unseren Betrieb und unsere Tiere. Aber sie respektiert und unterstützt, dass ich halt mal anders drauf bin. Sie klettert zu mir hinauf. „Ab mit dir, ich mach das hier schon“, sagt sie und schubst mich mit einem liebevollen Blick hinunter. „Bruno und Bella haben sich das nicht verdient, dass du den Kopf beim Ausspannen ganz woanders hast.“ „Danke, Chefin“, sag ich noch zu ihr, sie streckt mir die Zunge raus, während sie den Wagen schon in Bewegung setzt und Richtung Remise zum Ausspannen fährt.
Ich schaue ihr noch kurz nach. Was die Tiere anbelangt, ist sie die klare Nummer eins hier im Betrieb. Beim Kundenkontakt halt … Ich lächle in mich hinein, während ich in meinen Wohnbereich gehe, mein Gewand auf den Boden werfe und mich erst mal unter die Dusche stelle. Der Körper braucht noch ein wenig Zuwendung, aber eine halbe Stunde später bin ich fertig. Ich habe mich für elegante Freizeitkleidung entschieden, schließlich heirate ich nicht, und die Gesellschaft wirkte eher entspannt. „Schleppst du sie her?“, fragt Andrea, als sie mir auf meinem Weg zur Garage entgegenkommt. „Ich tue mein Möglichstes“, gebe ich wohlgelaunt zurück. Sie verdreht die Augen. „Dein Bettzeug stinkt noch nach dem grässlichen Parfum der letzten. Aber du hast ja mich, ich kümmere mich schon darum. Toi toi toi“, sagt sie noch. Ich beschließe, das Cabrio zu nehmen, einen Cadillac Fleetwood aus den späten Sechzigern in eierschalengelber Lackierung.
Die Sonne scheint durch ein Fenster in das geräumige Schlafzimmer. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, es muss jedenfalls schon nach zwei Uhr morgen gewesen sein, als wir beide nach der letzten Runde und einem kleinen Schlummertrunk endlich eingeschlafen sind. Ich bin meiner Freundin Gudrun immer noch dankbar für den Tipp mit den kleinen Pillen, die einen von der andauernden Plagerei mit den Gummis befreien, so kann frau sich herrlich entspannt auf das Wesentliche konzentrieren. Um den Rest kümmert sich meine Hormonspirale.
Apropos: Wo ist er? Er, das ist Robert, der fesche Kutscher, den ich mir gestern vom Bock der Hochzeitskutsche gepflückt habe. Aber schön der Reihe nach: Mit der Kutsche haben sich Gudrun und Beate, meine beiden besten Freundinnen, nach ihrer Trauung vor dem Buddhistischen Tempel am Flussufer in das Restaurant im Prater bringen lassen, wo die Hochzeitstafel gedeckt gewesen ist. Die beiden werden mir verzeihen, dass ich mich dann gleich von der Hochzeitsgesellschaft habe abholen lassen. Gelegenheiten sind da, um wahrgenommen zu werden, und Robert war mehr als nur „eine Gelegenheit“. Er verwirrt mich ein wenig: Er wirkt einerseits immer ein bisschen scheu und zurückhaltend, aber andererseits ist er sehr seiner selbst sicher. Er hat mich eine Weile mit seinem geilen Cabrio spazieren gefahren, dann zu einem Heurigen mit ausgezeichneter Gastronomie zum Abendessen ausgeführt, und schließlich hierher gebracht. Hier, wo er offenbar verankert ist. Er lebt hier mit seinen Pferden, seinen Wagen, ein paar Hunden und Katzen, alles wirkt sehr liebevoll gepflegt und sehr authentisch. Er geht mit mir noch eine Runde durch den Stall, zeigt mir seine wunderschönen sechs Pferde, stellt mir noch die Hunde vor, bevor er mich in seinen Wohn- und Schlafbereich bringt. Ich habe nicht anders können, ich habe dann alles, was ich darüber weiß, in unser erstes Mal hineingelegt, ich wollte ihm einfach für den schönen Nachmittag und Abend zurückgeben, was ich halt so geben kann. Dank meines zweiten Berufes kenne ich mich dabei ja einigermaßen aus.
Ich räkle mich also noch nackt und wohlig in seinem Bett, als die Türe aufgeht und er wieder hereinkommt. Er war offenbar gerade duschen, er trägt einen Bademantel, nachlässig zugebunden. Er grinst mich an: „Guten Morgen, Süße.“ Ich bin ein wenig übermütig, strample mir die Decke ganz vom Körper und räkle mich ein wenig provozierender, genieße es gerade, ganz Frau sein zu können. Er sieht mich eine Weile an. „Na da schau her“, sagt er dann. Seine Blicke kribbeln auf meinem Körper, meine verräterischen Nippel versteifen sich. Muss mir das peinlich sein? „Wie viel Mut hast, du, Süße?“, fragt er plötzlich. Ich muss ihn sehr verwirrt angesehen haben, er lächelt und klettert neben mich auf das Bett. „Deine Handgelenke bitte“, sagt er. Da er neben meinem Kopf kniet, hebe ich ohne viel Nachdenken meine Arme und drehe sie nach hinten. Ich erschrecke ein wenig, als sich weiche Ledermanschetten um sie legen. „Sag jetzt Stop, wenn du das nicht möchtest.“ Seine Stimme ist jetzt sehr bestimmt. Ich krieg momentan ein bisserl Angst, aber es die Art von Angst, die mir gleichzeitig einen Schub an Geilheit in den Körper treibt. Er kniet neben mir, schaut mir offen in die Augen. Ich lasse noch einmal kurz zu, dass mir mein Verstand sagt, was ich hier gesehen habe. Nein, der wird keinem Lebewesen Schaden zufügen. Also mir auch nicht.
Ich lächle ihn also aufmunternd an. „Mach weiter“, sage ich mit ein wenig belegter Stimme. Er zeiht also die Schnallen der beiden Manschetten zu, sie scheinen irgendwie am Betthaupt befestigt, ich kann mich zwar ein bisschen bewegen, aber nicht mehr als das. Als Nächstes nimmt er ein Seidentuch und verbindet mir die Augen. Woher weiß er, dass … Ich schlucke. Okay, ich habe mich entschieden, also kann ich es auch genießen. Ich gestatte meinem Körper, meinen Verstand abzuschalten.
Er tut mir nicht weh. Er nimmt mich. Er nimmt mich so, dass ich nicht anders kann, als meine ungezügelte Geilheit anzunehmen, mich schwitzend unter ihm zu winden, meine Orgasmen herauszuschreien, bis er merkt, dass ich nicht mehr kann, und mich langsam wieder herunterlässt, meine Handgelenke befreit, meine Augenbinde abnimmt. Das Erste, was ich sehe, sind seine schönen graublauen Augen. Und das, was ich drin sehe. Ich kann und will nicht abwehren, dass er mir einen langen zärtlichen Kuss auf den Mund gibt. Nein, das ist nicht ficken, das ist etwas anderes, was zu benennen ich mich momentan nicht getraue.
Doch er lässt mich weiter in der Hochschaubahn meiner Gefühle fahren. „Ich hoffe, du nimmst mir meine Direktheit jetzt nicht übel und glaubst mir, dass das keine Wertung ist: Aber, du bist oder warst einmal eine Hure“, sagt er plötzlich und unvermittelt. Ich zucke zusammen, doch er behält dabei seinen liebevollen Blick bei, gibt mir Zeit, mit meinem Erschrecken und meiner momentanen Verwirrung umzugehen. Ich halte seinen Blick weiter aus, versuche, seinem Gedankengang nachzuspüren, endlich wird mir klar, wie er darauf kommt. Außerdem habe ich gerade weder die Kraft noch Lust, ihn anzulügen. Ich bin, was ich bin, ich müsste ihm das früher oder später sowieso sagen. „Hast es gestern Abend bemerkt, weil ich zu viel gemacht und zu wenig genommen habe?“, frag ich also zurück. Er lächelt und nickt. „Und damit hab ich mir das jetzt gerade eingehandelt, weil du mir auch …“, frage ich sanft weiter. Als Antwort gibt er mir einen weiteren langen Kuss auf den Mund. Ich gebe es auf, darüber nachzudenken. Hier und jetzt ist es schön, was die Zukunft bringt, weiß ohnehin keiner. Ich bin offen und lass es auf mich zukommen.
„Frühstück?“, fragt er weiter, gibt mich frei und steht leichtfüßig vom Bett auf. „Aber erst duschen“, sage ich. „Na dann komm mit.“ Wir duschen gemeinsam ausgiebig, sind dabei übermütig wie Pubertierende, schaffen es aber schließlich, dass wir angezogen über den Hof in einen anderen Teil der weit verzweigten Gebäude gehen. Ich stutze, als wir in eine geräumige Wohnküche kommen, in der eine Frau mit streng zurückgebundenem blonden Haar sich gerade am Herd zu schaffen macht. „Meine Schwester Andrea“, stellt er sie vor. „Andrea, das ist Sonja.“ Andrea dreht sich um, sie mustert mich eine Weile. „Willkommen bei uns, Sonja.“ Sie nickt mir aber nur zu und wendet sich wieder ihrer Pfanne zu. Robert bietet mir am Küchentisch Platz an und schenkt mir eine große Tasse Kaffee ein. Andrea stellt uns dann eine Pfanne mit reichlich Eierspeise und Speck hin, dazu einen Korb mit frischem Gebäck, lässt uns dann aber allein.
„Versteh sie bitte nicht falsch. Andrea lebt für unsere Tiere und unseren Betrieb. Sie lässt kaum jemand an sich heran und hat wenig soziale Bedürfnisse“, erklärt er. Er wartet keine Antwort ab, sondern schaufelt mir mal reichlich Eierspeise mit Speck auf meinen Teller. Er nimmt sich auch selbst, tut uns beiden aber den Gefallen, beim Essen einfach nichts zu reden. Angenehmer Weise läuft hier auch kein Radio, nur gelegentlich klingen Geräusche der Tiere bis in die Küche. Robert serviert ab, schenkt uns noch einmal Kaffee nach, dann schaut er mich nachdenklich an. „Ich denke, es kann nur mit Offenheit funktionieren“, sagt er dann. „Willst du beginnen oder soll ich?“
„Du bitte“, sage ich, noch fehlt mir der Mut. Er beginnt über seine Eltern zu erzählen, die den Fuhrwerkbetrieb hier aufgebaut haben. Sein Vater, ein Italiener, hat sich dann vor einigen Jahren seinen Lebenstraum erfüllt und ist mit seiner Frau in die Toskana gezogen, wo er nur mehr Wein baut und eine kleine Pferdezucht hat. Dass die beiden Kinder den Betrieb übernehmen, daran hat er keine Sekunde gezweifelt. Er erzählt mir auch von seinem Alltag als Kutscher und hält auch nicht damit hinterm Berg, dass er bisweilen für Touristinnen auch Teil des Paketes ist. Wenn sich das anbahnt, fährt dann Andrea mit und übernimmt das Gespann, wenn es notwendig ist. „Sie ist mir in den meisten Dingen überlegen“, sagt Robert abschließend, „aber sie ist selbst unberührbar und lebt nur für das alles hier, und ich bin glaube ich für sie Teil davon. Es war sie, die mein Schlafzimmer so hübsch vorbereitet hat, während wir unterwegs waren.“
„Na da warst du dir aber schon sehr sicher“, sag ich ein wenig kokett drauf. „Da musste ich dir aber auf dem Kutschbock nur aufmerksam zuhören“, sagt er mit einem Lächeln drauf. War ich wirklich so offenherzig, frage ich mich. Ich werde ein bisserl rot. „Aber jetzt bist du dran“, sagt er, bevor ich mich zu sehr in diesem Gedanken verlieren kann.Ich entschließe mich, ihm keine Märchen zu erzählen. Aufgewachsen als Einzelkind bei einer alleinerziehenden Mutter, Hausbesorgerin in einem städtischen Wohnhaus. Vater unbekannt. Keinerlei schulischer Ehrgeiz, nach der Pflichtschule eine halbherzige Lehre in einer Schneiderei. Frühe Affären, Lehre mit Müh und Not abgeschlossen, aber keinerlei Lust, mein Leben hinter einer Nähmaschine in einer Texilfabrik zu verbringen.
Nächste Station Gastronomie, bald Nachtgastronomie. Offenherzig, aber bindungsunfähig. Schließlich mit 27 in einen Kerl verliebt, der sich als Zuhälter herausgestellt hat, auf diese Art in den Beruf gerutscht. Mit 29 von ihm getrennt, einfach auf eigene Faust im Beruf weitergemacht, daneben wieder in einem Nachtlokal. Schließlich die Idee, aus dem bisserl Gastro-Vorwissen etwas zu machen, und schließlich das Café gepachtet. Glück gehabt, Beate und Gudrun kennenzulernen, die moralisch und praktisch geholfen haben, das Café ins Fliegen zu bringen. „Ein Blattl im Wind halt“, sag ich zu ihm.
Er sieht mich eine Weile an. „Und den letzten Satz schaffst du jetzt auch noch“, sagt er ruhig zu mir. Ich beiße mir eine Weile auf den Lippen herum, frage mich, warum er überhaupt weiß, dass es noch einen letzten Satz gibt. Also gut. „Und nebenher geh ich noch immer anschaffen und red mir ein, dass das sein muss wegen der Ablöse. Aber natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit.“ Ich warte wieder eine Weile. „Du bist der erste Mensch, dem ich das anvertraue: Ich mach das nicht so ganz ungern. Natürlich ist es manchmal auch Scheiße, aber ich kann dabei auch viel geben, und es gibt da auch Begegnungen …“ Psst, macht er nur. Er streckt mir jetzt beide Hände hin, ich nehme sie, wir sehen einander lang in die Augen. „Ich hab noch keine Ahnung, wo das hinführt. Aber ich spüre, dass da zwei Seelen einander gerade berühren. Gehen wir doch einfach einmal ein Stück gemeinsam und schaun wir, was passiert. Unsere Seelen werden’s uns schon sagen.“ Ich lasse mich jetzt einfach von meinen Gefühlen leiten, lasse seine Hände aus, lege ihm meine Arme um den Hals und beginne ihn zu küssen.
Als wir uns nach einer langen Weile wieder voneinander lösen, merke ich, dass Andrea in der Tür steht. Keine Ahnung, wie lange sie schon da ist. Ihr strenges Gesicht lächelt ein wenig, ihre Augen sind warm. „Namasté, Sonja“, sagt sie und legt ihre Hände auf die charakteristische Weise zusammen. Ich tue es ihr einfach gleich: „Namasté, Andrea.“ Sie lächelt ein klein wenig. „Willkommen in seinem Herzen und damit auch in meinem. Passt gut auf das zarte Pflänzchen auf, das da gerade keimt.“ Diesmal berührt sie kurz meine Hände, bevor sie sich wieder abwendet. Ein gutes Zeichen? Mein Blick fällt auf die Wanduhr in der Küche, mich trifft fast der Schlag, es ist schon halb zwölf. „Ich muss dann“, sage ich erschrocken, „spätestens um eins muss ich das Cafe aufsperren, und der Tortenlieferant kommt schon eine halbe Stunde vorher.“ Robert ist jetzt plötzlich auch hellwach. „Wo ist das?“, fragt er, ich nenne ihm eine Adresse, von hier mit Öffentlichen vermutlich eine Weltreise.