Schmerzhaft - Solveig - Larissa Schwarz - E-Book

Schmerzhaft - Solveig E-Book

Larissa Schwarz

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Beschreibung

Solveig hat alles, was sie sich wünscht. Ein Mann zählt gerade nicht dazu. Dann trifft sie in Matthias auf die Erfüllung ihrer geheimen Sehnsüchte und verstrickt sich in eine anonyme Affäre mit ihm. Wie lange hält sie das Doppelleben zwischen herzrasendem Abenteuer und ihrer wahren Identität aus? Indessen gerät ihr Bruder Markus auf Abwege, die alle erschüttern. Können Elisabeth und Moritz sich als Fels in der Brandung behaupten? Band 3 der Eschberg-Reihe reizt mit schmerzhaft-schönen Momenten, schottischen Akzenten und französischen Péripéties.

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Schmerzhaft – Solveig

Band 3 der Eschberg-Reihe

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

Texte: © Larissa SchwarzUmschlaggestaltung: © Larissa Schwarz

Verlag:Edition Eschberg – Larissa Schwarz Heisterbusch 1

46539 [email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Dienstag, 07.01.

»Da ist er!«, flüsterte Carolin und tippte Solveig an die Schulter. Marina und Stefanie drehten sich ebenfalls zu ihm um.

»Herrje, der muss sich ja vorkommen wie auf einer Pferdeauktion. Benehmt euch!«, zischte Solveig die drei an und schüttelte grinsend mit dem Kopf. Das war er also, Matthias. Der Mann, der ihnen allesamt beim letzten Stammtischabend den Kopf verdreht hatte. Sie sog am Strohhalm ihres Ipanemas und drehte sich an den Tisch zurück. Nachvollziehbar, dachte sie, und blickte in die Runde.

»Und ihr habt euch schön die Zähne ausgebissen!?«, stellte sie schmunzelnd fest.

»O ja ... Als Peter uns mit ihm bekannt gemacht hat, ging ein Gekicher und Getuschel wie im Mädcheninternat los«, wisperte Carolin.

»Kann ich mir vorstellen. Und die Jungs waren alle kumpelhaft wie immer?«

»Mhm ...«, bestätigte Stefanie. »Peter und Matthias kennen sich vom Fitnessstudio. Sonst hätte er wohl nicht den Weg hierher gesucht oder gefunden. Komisch nur, der machte letztens keinerlei Anstalten, ein Gespräch aufzunehmen.«

»Wenn ihr Hühner mir in versammelter Form unterkommen würdet, würde ich das auch nicht tun. Zumindest nicht, wenn ich euch noch nicht kennte. Außerdem sind wir kein Eheanbahnungsinstitut, sondern ein Stammtisch. Wir können froh sein, wenn die Welle derer abebbt, die mal gucken wollen, wie die ›echte Szene‹ aussieht ...«, hielt Solveig fest und stocherte im Crushed Ice ihres Cocktails.

»Eigentlich hast du recht. Aber die Bücher haben zumindest positive Öffentlichkeit geschaffen und uns aus der Perversen-Ecke rausgeholt«, entgegnete Marina.

»Hm. Das ist aber auch alles«, seufzte Stefanie und winkte den Kellner heran.

Solveig lehnte sich zurück und betrachtete Matthias wie beiläufig. Seine Zurückhaltung passte nicht zu seiner sonstigen Erscheinung, groß, breitschultrig, sportlich. Er trug Jeans, T-Shirt und Kapuzenjacke, aber irgendetwas an seinem Auftreten verriet ihr, dass er bewusst unspektakulär bleiben wollte. Grinsend blickte sie in die Runde, Marina und Carolin hatten offenbar ihr Glück versucht. »Steffi, du hast ihn auch angesprochen?«

Steffi zuckte mit den Schultern. »Mhm ... Höfliche Abfuhr.«

Matthias unterhielt sich angeregt mit Peter und Sebastian, stellte dann sein leeres Glas ab und verschwand Richtung WC.

»Mädels, wie blind seid ihr eigentlich?«

»Wieso?«, fragten die drei im Chor.

»Das ist kein Dominant. Ihr habt euch den Falschen ausgeguckt«, konstatierte Solveig und neigte überlegend den Kopf.

»Quatsch! Guck ihn dir doch an, selbst Peter und Andreas wirken gegen ihn wie kleine Mäuschen«, lachte Carolin.

Solveig lächelte in die Runde. »Die Statur allein macht noch keinen Dominant, Herzilein. Wobei ich zugeben muss, dass ich an der Statur wenig auszusetzen habe!«

»Jetzt spinnst du aber. Der ist höchstens noch nicht aufgetaut hier, aber sicherlich kein Submissive.«

»Wenn du meinst ... Du kennst dich aus?«, spottete Solveig.

»In gewisser Hinsicht …«, stellte Marina zynisch fest.

»Du kennst meine Vorlieben, Herzchen.« Solveig grinste diabolisch, überließ Marina ihrem Gedankenspiel und stand auf.

»Peter, sei so lieb und zahl für Matthias und mich mit«, zwinkerte sie ihm zu, händigte ihm einen Geldschein aus.

»Ähm, ja, kann ich machen, aber ...«

»Danke!« Freundschaftlich küsste sie ihn auf die Wange und ließ ihn mit fragendem Gesicht zurück. Solveig zog ihren Mantel an, schulterte ihre Tasch, lief an der Bar entlang. Vor der Herrentoilette hielt sie und wartete einen Moment. Matthias kam durch die Tür, blieb abrupt stehen und sah sie an, dann nach links, nach rechts und wieder in ihre Augen.

Sie lächelte und lockte ihn mit dem Finger näher zu sich, damit er den Weg freigab und sie aus dem Blickfeld der neugierigen Stammtischteilnehmer verschwanden. Amüsiert legte er die Stirn in Falten und ein leises Zucken im Mundwinkel deutete ein Grinsen an, als er ihr auf zwei Schritte folgte.

»So richtig wohl fühlst du dich nicht, oder?«

»Hm ... Geht so«, antwortete er und wackelte leicht mit dem Kopf. »Ich bin erst zum zweiten Mal hier und kenne noch nicht alle.«

»Hab ich schon gehört. Um dich vor den lüsternen Hühnern zu retten, wirst du dich jetzt bei mir einhaken und wir gehen ins Extrablatt.«

»Wir gehen?« Er schmunzelte, aber zögerte einen Moment.

Sie nickte langsam. »Mhm. Dein Moskito ist schon bezahlt. Komm!« Sie bot ihm den Arm und schloss für einen kurzen Moment die Augen, als er sich tatsächlich einhakte und im Hinausgehen seine Jacke von der Garderobe nahm.

»Danke ...«, murmelte er. »Unbekannte.«

»Für die Rettung oder den Cocktail?«

»Beides. Und für das Angebot. Sofern es noch gilt!?« Matthias legte seinen Schal um und sah Solveig an. Ihre rotbraunen Locken wurden vom Wind durcheinandergewirbelt und sie knöpfte ihren Dufflecoat bis zum Hals zu. »Ja, natürlich«, lachte sie und deutete die Einkaufsstraße hinunter. »Du weißt, wo das Extrablatt ist?«

»Mhm. Ich bin häufiger in Essen, du kannst mich also hier aussetzen und ich werde wieder zurückfinden.«

»Hatte ich eigentlich nicht vor, aber gut zu wissen«, sagte sie und kicherte, als sie losliefen.

An diesem frühen Dienstagabend Anfang Januar war es kalt, ein Hauch von Nieselregen lag in der Luft und der Himmel hing voller düsterer Wolken. Solveig hatte Handschuhe angezogen, Matthias ebenfalls. Eiligen Schrittes liefen sie immer noch Arm in Arm über den Kennedyplatz und steuerten auf das Café zu. Die wenigen hundert Meter dorthin hatten sie kein weiteres Wort gesprochen und Solveig ließ ihre Gedanken schweifen.

Matthias kam die Situation mehr als surreal vor. Er hatte sich im Dezember von Peter überzeugen lassen, mit zum Stammtisch zu kommen. »Es ist angenehmer als in den Internetforen, BDSM ist als Thema nicht allgegenwärtig und die Leute dort sind wirklich nett«, hatte er ihn beruhigt. Dass Matthias überhaupt mit ihm ins Gespräch gekommen war, lag eigentlich nur an dem Tattoo, das Peter trug, ein keltisches Triskel, das in BDSM-Kreisen eine Art Erkennungszeichen darstellte, aber auch gern einfach so getragen wurde. In der Umkleide hatte Peter seinen Blick bemerkt und ihn angegrinst: »Ein Wissender ...«

Kurz darauf saßen sie in der Sportsbar bei einem Bier zusammen und unterhielten sich über »die Szene«. Peter hatte sich als straight Dominant zu erkennen gegeben, Matthias bezog lieber keine Stellung, dafür kannte er ihn noch zu wenig. Außerdem waren beide definitiv nicht an Männern interessiert, wozu sollte er ihm dann direkt sein Herz ausschütten?

Seiner Einladung war er dann auch erst nur zögerlich gefolgt, hatte an dem Abend im Mezzo Mezzo fast nur zugehört, sondiert und eher mit den anderen Männern über Fußball und Laufschuhe gefachsimpelt, als den Annäherungsversuchen der Damenwelt stattzugeben. Er war nicht dort, um sein Singledasein zu beenden, vielmehr wollte er sich selbst wieder mit der Neigung vertraut machen, die er so lange unterdrückt hatte. Es würde einige Zeit dauern, das war ihm klar. Unsympathisch waren ihm seine neuen Bekannten nicht, aber er war zu vorsichtig, um gleich aufs Ganze zu gehen. Eigentlich. Jetzt schritt er durch die Tür, die die Unbekannte ihm aufhielt, folgte ihr an einen Tisch in der ersten Etage, am Fenster in der Ecke, und half ihr aus dem Mantel.

Solveig lehnte sich mit der Karte in der Hand zurück und überflog die Auswahl, entschied sich für einen weiteren Ipanema. Nach der Bestellung beugte sie sich vor und stützte den Kopf in die Hände, die Ellbogen auf dem Tisch.

»Ich beiße nicht«, sagte sie grinsend.

»Nicht in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich ...«, lachte er selbstbewusst und sah sie an.

»Bin ich so schnell zu durchschauen?«, fragte sie gespielt skeptisch.»Hm ... Na ja, im Mezzo Mezzo gerade war schon auffällig, dass du anders reagiert hast als die Damen vom letzten Mal. Und auch wenn es nur Kleinigkeiten sind – der Arm zum Einhaken, die Tür, die du mir aufgehalten hast – ist ziemlich klar, dass du keine Submissive bist.«

»Ertappt.« Sie schmunzelte und nahm dem Kellner das Glas ab. Matthias rührte den Milchschaum in seinen Kaffee, biss krachend auf den Keks und lehnte sich mit der Tasse in der Hand zurück. War ihm die Situation gerade noch seltsam erschienen, wähnte er sich inzwischen in einem sehr kuriosen Traum. Nur nicht aufwachen, dachte er, und trank einen Schluck.

»Warum hast du dich so unwohl gefühlt?«, fragte sie frei heraus und hob die Augenbraue.

»Hm. Ich bin nicht der Typ, der sofort mit jedem warm wird. Außerdem ist es schwierig in so einer Gruppe, als Mann ...«

»Na ja, die Hühner scheinen dir letztes Mal ja zu Füßen gelegen zu haben.«

»Ja, das war skurril. Eine nach der anderen, wie auf Brautschau.«»Dummerweise sind alle drei zurzeit Single und als Submissive angelt man sich einen Dom schließlich nicht mal eben so.«

»Die denken wirklich ...«

»Dass du ein Dominant bist. Ja. Jetzt wahrscheinlich nicht mehr, aber bis vorhin ... Definitiv.«

»Tja, gut, dass du das geklärt hast.«

»Super, oder?«, lachte sie und sah auf ihr Handy, das leise in der Tasche vor sich hin brummte. »Sorry, ich muss mal kurz.« Solveig nahm es auf, las eineNachricht, tippte eine Antwort und steckte es wieder ein. »Tut mir leid, manchmal ruft die Pflicht ...«

»Schon in Ordnung«, antwortete er und neigte den Kopf. Irgendetwas an ihr zog ihn magisch an. Waren es die funkelnden grünen Augen? Die leichten Sommersprossen, die selbst jetzt im Winter vorhanden waren? Auch. Vielmehr aber ihre Gelassenheit und Ruhe. Er fühlte sich wohl in ihrer Nähe, obwohl er ihr vor nur einer Viertelstunde zum ersten Mal begegnet war.

»Wie viele Männer sind dir auf diese Weise schon ins Netz gegangen?«, fragte er mit einem ironischen Unterton.

»Ooooh, die Frage ist gemein ...«, brummte sie und zog eine Schnute. »Das ist keine Masche ... Ich bin zwar schon seit einer Weile unregelmäßig beim Stammtisch, aber ich verstehe das nicht als Partnerbörse«, hielt sie dann in ernsterem Ton fest. »Wie du dir denken kannst, ist bei der Rollenverteilung für mich auch wenig Potential, mir unter den Leuten dort jemanden zu suchen. Und na ja, ganz generell gesprochen bin ich ohnehin weder der Typ für One-Night-Stands noch für Beziehungen.«

»Ähm, was dann?«, lachte Matthias. »Also, was gibt es dazwischen?«»Hm. Schwierig. Ja.« Solveig wirkte selbst irritiert. Aber es nutzte nichts, lieber jetzt raus mit der Sprache als eine ewige Anbandelei. »Also, ich suche erstmal sowieso nicht. Ich bin ein Freund von Dingen, die sich ergeben. Für One-Night-Stands habe ich wenig übrig, weil gerade das Kennenlernen ja das Interessante ist. Besonders im Speziellen.«

»Ich verstehe, was du meinst. Aber bei allem anderen baust du doch immer eine gewisse Form von Beziehung auf, oder irre ich?«

»Na ja, in gewisser Weise schon. Ich meinte eigentlich auch, dass ich keine Beziehung suche, die auf das klassische ›verliebt, verlobt, verheiratet‹ hinausläuft. Ich bin zwar Single, aber daran möchte ich im Generellen nichts ändern. Was aber wiederum nicht ausschließt, dass ich mich auf eine bestimmte Form von Beziehung, um bei dem Wort zu bleiben, nicht doch einlassen würde.«

»Also willst du eine Affäre«, lockte er sie.

»Das ist so ein hässliches Wort ...«, schmollte sie ironisch. »Aber das ist es, worauf es hinausliefe.«

»Wenn?«»Wenn ... Hm. Wie immer in solchen Fällen: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und es sich ergibt.«

»Wenn man jetzt wüsste, wie die Rahmenbedingungen aussehen ...«, lachte Matthias und stellte seine Tasse auf den Tisch. Es amüsierte ihn, dass das Gespräch so schnell auf den Punkt kam, andererseits bereitete es ihm ein wenig Unbehagen. Er fand sein Gegenüber sympathisch, interessant und irgendwie aufregend. Aber ihre Erscheinung, ihr Wesen, passte so rein gar nicht zu dem, was sie sagte, forderte.

Solveig bremste sich gedanklich. Das Gespräch ließ sich zwar locker an und verlief harmonisch, aber Matthias sollte auf keinen Fall den falschen Eindruck von ihr bekommen. Dafür war er zu interessant, charmant und zurückhaltend. Genau das gab den Ausschlag, dass sie es anders anzugehen gedachte. »Hm. Versteh mich bitte nicht falsch, wenn ich das jetzt sage, aber ... Ich finde, dass wir für ein erstes, ungeplantes Date thematisch schon ziemlich weit fortgeschritten sind. Ich will den Abend eigentlich auch nicht abwürgen ...«

»Ich verstehe schon, was du meinst. Etwas unkonventionell. Ja. Was schlägst du alternativ vor?«

»Ein Date. Ganz unbefangen und unvoreingenommen. Ich lass mir gern einfallen, wo und wie, du sagst mir nur, wann.«

»Klingt verlockend.«

»Aber?«»Kein aber. Um dir Bescheid zu sagen, brauche ich nur deine Handynummer. Oder Mailadresse«, sagte Matthias.

»Gute Idee ...« Sie nickte und zwinkerte ihm zu. Beim Austausch der Nummern wippte Matthias sein Handy in der Hand auf und ab. »Speichere ich dich unter ›faszinierende rothaarige Unbekannte‹ oder ›zauberhafte potentielle Dom‹?«

»O je, ich hab dir immer noch nicht meinen Namen genannt?«, lachte sie laut.

Er schüttelte lachend den Kopf. »Nein. Hast du nicht. Also?«

»Solveig«, ließ sie ihn wissen und strich leicht über seine Finger, als er den Namen eintippte. Matthias ließ die Hand liegen und steckte das Handy wieder ein, sah ihr mit festem Blick in die Augen und sagte: »Sehr interessanter Name für eine ebenso interessante Frau.«

»Danke ...«, lächelte sie, hielt seinen Blick weiter fest und kraulte beiläufig über seine Hand. Dann fuhr sie nachdenklich fort: »Können wir so unkompliziert bleiben?«

»Generell gern, ich mag kompliziert nicht. Was meinst du aber genau?«

»Nimm es mir nicht übel ... Ich meine ... Ich nenne dir gern meinen Nachnamen dazu und im Rahmen von Safe, Sane and Consensual sollten wir auch gewisse andere Dinge offenlegen.«

Matthias nickte, Solveig fuhr fort: »Aber ich würde das ganze Drumherum gern ausklammern. Mir ist egal, was du bist, was du machst, was du treibst. Ich will nur wissen, wie du bist, wer – im Sinne von: was deine Persönlichkeit ausmacht.«»Klingt erstmal komisch.«

»Ich weiß. Ist es auch«, erwiderte sie ein wenig zerknirscht. »Dafür aber das zweite Date. Keine Fragen über Job, Partnerschaften oder politische Einstellung oder Ähnliches.«

Matthias überlegte. Das machte die Sache eigentlich einfach. Aber auch geheimnisvoll. Es reizte ihn.

»Okay. Dann gilt aber im Endeffekt auch: Keine Erklärungen, warum man an welchem Tag nicht kann, keine Vorstellung im Freundeskreis und einander nicht googeln?«

Sie nickte kurz und bündig. »Jap.«

»Gut. Hast du morgen Abend Zeit?«, fragte er, mit einer urplötzlichen Sicherheit in der Stimme, die ihm fast fremd war.

»Lässt sich einrichten. Ich schreib dir wann, was, wo?«, fragte sie zurück und lächelte ihn an.

»Sehr gern ...«, entgegnete Matthias und stand auf. »Auch wenn ich es bedauerlich finde, dass wir gleich gehen werden.«

Solveig erhob sich ebenfalls und legte ihren Schal um. »Sieh es als Vorgeschmack auf das an, was kommen könnte ...«, flüsterte sie geheimnisvoll und schmunzelte. Matthias atmete tief ein und hörte für einen Moment nur auf seinen Herzschlag, den er deutlich spüren konnte. Was auch immer sie in der Kürze der Zeit mit ihm angestellt hatte: Er war ihr verfallen. Vorsichtig nahm er ihre Hand in seine und küsste sie darauf: »Könnte?«

»Mhm ...«, murmelte sie lächelnd. »Ganz davon abhängig, was du an Grenzen ziehst ...«

Als Matthias sich ins Auto setzte, wartete er einen Moment, bis er den Motor anließ. Vor dem Café hatten sie sich verabschiedet, umarmt und er hatte sie auf die Wange geküsst. Beim letzten Mal war er ohne eine wirkliche Erwartungshaltung zum Stammtisch gefahren, höchstens mit dem Ziel, sich seiner Wünsche bewusst zu werden, nicht aber, um jemanden kennenzulernen. Zumindest nicht, um direkt seine Träume, die ihn seit geraumer Zeit beschäftigten, in die Tat umzusetzen. Es widersprach eigentlich allem, was er sonst tat, seinen Prinzipien und moralischen Vorstellungen. Aber sie zog ihn magisch an, er konnte sich dem nicht widersetzen. Solveig wirkte auf ihn trotz aller Rasanz so besonnen und überlegt. Routiniert? Nein, das war das falsche Wort. Er hatte nicht den Eindruck, als würde sie reihenweise Männer zu ihren Spielzeugen umfunktionieren. Erfahren? Schon eher, aber es schreckte ihn nicht ab. Und dass sie es unkompliziert halten wollten, kam ihm eigentlich nur gelegen.

»Hi Svenja ... Ich bin unterwegs, in etwa einer halben Stunde zurück. Ist Emil noch mal wach geworden?«

»Nein, er schläft, seitdem wir geschrieben haben. Lass dir Zeit.«»Bin schon auf der Autobahn. Sag mal, kannst du morgen eventuell noch eine Nachtschicht bei ihm einschieben?«

»Hm, ich schau mal in den Kalender, Moment.« Solveig hörte, wie Svenja in ihrer Tasche kramte und in ihrem Filofax blätterte. »Morgen Abend bin ich woanders gebucht. Ich kann aber mit Cedric tauschen, der Patient ist neu bei uns und hat noch keine feste Betreuung. Schreibst du dem Chef kurz die Mail mit der Anforderung?«

»Hm, schreib du ihm die und setz mich in Kopie, ich vergesse das sonst nachher noch. Bist du so lieb?«

»Ja, kein Problem. Bis gleich dann.«

Solveig überlegte. Sollte sie ein schlechtes Gewissen haben, Emil an zwei Abenden hintereinander in Betreuung zu geben? Er schlief ohnehin um diese Zeit, Svenja war wie eine Tante für ihn und er ließ sich gern von ihr ins Bett bringen. Außerdem hatte er seine Mutter jeden Tag für sich, wenn er mittags aus der Kindertagesstätte kam. Ihr Bruder und viele ihrer Freunde forderten sie ständig auf, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Dennoch plagte sie in solchen Stunden immer ein schlechtes Gewissen, obwohl sie Emil gut versorgt wusste. Andererseits zeigte er ihr sehr deutlich, wenn er etwas nicht wollte oder es ihm schlecht ging. Und das war definitiv nicht der Fall. Sie würde sich also entspannen und den Abend morgen genießen. Zumindest war das der Plan. Wobei sie wenig Angst hatte, dass Matthias absagen oder seine Einstellung ändern würde. Eigentlich wüsste sie nur zu gern viel mehr über ihn. Das würde aber wiederum zu Gegenfragen führen und genau die wollte Solveig nicht beantworten müssen. Es war besser so.

Mittwoch, 08.01.

🌞 Hey, kannst du eventuell schon um 17.30 Uhr in Essen sein?

💉 Ja, kein Thema. Wo genau?

🌞 Am besten, wir treffen uns erst bei mir und gehen dann zusammen los. Brunnenstr. 17.

💉 Fein. Was kann/soll/darf ich mitbringen?

🌞 Hm. Es gibt etwas zu naschen, zu trinken. Hemmungen bitte zu Hause lassen. Ggf. Wechselkleidung. Dresscode: Come as you are.

💉 Schlimm, wenn ich jetzt Panik bekomme?

🌞 Alles ganz harmlos. Wenn wir da sind, wirst du den Zusammenhang erkennen und schmunzeln.

💉 Also keine öffentliche BDSM-Vorführung wie in Public Disgrace?

🌞 Um Himmels willen, nein ... Zwar auch eine sehr spannende Sache, aber nur als Zuschauer und auf keinen Fall für das erste Date ... *kopfschüttel* Was denkst du von mir?

💉 Da fehlte noch der grinsende Smiley, war ironisch gemeint. Aber dennoch gut zu wissen.

🌞 Na dann ... Freu mich auf später ☺

💉 Ich mich auch ...

*

»Hey, ich steh jetzt vor Brunnenstraße 17 und weiß nicht, wo ich klingeln soll, Solveig steht nicht auf dem Türschild!« Matthias kicherte .

»Ups, bei Bruckmann bitte. Also, jetzt brauchst du nicht zu klingeln, ich weiß ja, dass du da bist. Komm noch kurz hoch ...« Der Türsummer brummte und Matthias trat in den Hausflur, am Telefon rief ihm Solveig noch zu: »5. Stock! Ganz oben!«

Spontan entschied er sich für den Fahrstuhl und war wenige Augenblicke später bei ihr. Solveig stand in den Türrahmen gelehnt, sie trug eine enge, dunkelblaue Jeans, ein weißes Tank Top und ein bezauberndes Lächeln und winkte ihn herein. »Hi!«

»Hi ...«, antwortete Matthias und setzte zu einer Entschuldigung an. »Ich bin etwas früh, sorry.«

»Kein Problem, ich bin auch quasi fertig, nur noch Schuhe und was für drüber ...«, entgegnete sie und verschwand im Schlafzimmer. Matthias sah sich um, die Wohnung hatte einen großen Flur, hohe Decken und war geräumig geschnitten, klassischer Altbau. Dafür aber war sie offenbar kernsaniert, der Stuck an den Decken war optisch neu und auch die Türen und Fenster waren nicht aus dem Entstehungsjahr. Es wirkte sehr sortiert, aufgeräumt und beinahe – steril. Kaum persönliche Gegenstände, keine Pflanzen. Beschlich ihn Unbehagen oder nur Neugier?

»Wunder dich bitte nicht über den Zustand hier, ich bin vor einer Weile umgezogen und hab die Wohnung bisher nicht vermietet, mein Herz hängt irgendwie noch daran ...« Solveig kam aus dem Schlafzimmer, hatte ein Cardigan übergezogen und sich in einen dicken Schal geschlungen.»Hm ... Kannst du Gedanken lesen?«, fragte er lachend.

»Ein bisschen. Viel besser aber kann ich Blicke deuten und weiß, wie man sich fühlt, wenn man hier reinkommt«, antwortete sie wissend.

»Schon okay. Für die Anonymität, in der wir uns begegnen wollen, vielleicht gar nicht so falsch!?«

»Jap ...« Sie grinste und zog ihre Jacke an. »Sollen wir los?«»Gern. Meine Tasche lasse ich hier?«

»Hm. Nimm lieber mit. Es ist nicht wirklich weit. Kennst du das Unperfekthaus?«

»Mhm, sagt mir was. Ich war mal zu einer Vernissage dort und zum Frühstück um 16 Uhr.«

»Jaaa, dann bist du ja im Bilde ...«, antwortete sie mit einem Lächeln und verschloss die Tür. Im Fahrstuhl blickte Matthias auf seine Hand, die in ihrer lag, es fühlte sich so selbstverständlich an – als müsste es so sein. Dabei wusste er immer noch nicht mehr von ihr als am Abend zuvor. Sie hatten noch kurz geschrieben und sich eine gute Nacht gewünscht, tagsüber nur den kurzen Chat gehabt und dann war er auch schon losgefahren. Jetzt liefen sie die Brunnenstraße Richtung Bahnhof hinunter, Solveig grinste ihn an und schien eine diebische Freude daran zu haben, dass er keinen blassen Schimmer hatte, was an diesem Abend passieren würde.

Als sie über den Willy-Brandt-Platz gingen, hielt sie für einen Moment an und zog ihn an seinem Schal zu sich heran. »Neugierig?«, wisperte sie, als er seine Stirn gegen ihre lehnte und sie sich tief in die Augen sahen.

»Mhm ...«, murmelte er und schloss die Augen.

Leicht wie eine Feder ließ sie ihre Lippen seine berühren, kurz. Noch einmal, kürzer. »Dann komm!«, forderte sie ihn auf, nahm seine Hand und den Schritt Richtung Unperfekthaus wieder auf.

Matthias seufzte, der flüchtige Kuss war verheißungsvoll gewesen. Oder redete er sich das nur ein? Nein, er war sich sicher; er wollte mehr davon und am liebsten sofort. Aber er würde abwarten, ob und wie es sich ergab, für den Moment hatten sie ein Ziel.

Sie steuerten auf den Limbecker Platz zu, als Solveig ihr beharrliches Schweigen brach. »Also, nur damit du gleich nicht den Schock deines Lebens bekommst ...«, fing sie an.

»Also doch Public Disgrace?«, lachte er.

»Neiiiiin, herrje ...«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Man könnte fast meinen, du legst es darauf an ...«

»Hm. Nein. Gucken vielleicht, mitmachen sowieso nicht.«

»Gut, dass wir uns da einig sind ...«, hielt sie fest und blieb kurz stehen. »Also, heute Abend wird es zwar auch kleiderlos zugehen, aber ohne Publikum, nur zwei Künstler.« Matthias sah sie mit einem Blick an, der eine etwas differenziertere Aussage forderte.

»Gleich, drinnen. Hier ist es definitiv zu kalt«, ließ sie ihn wissen, schritt an dem roten Riesensessel vorbei, der vor dem Eingang stand, und betrat das Künstlerhaus. Ohne zu zögern zahlte Solveig den Eintritt für sie beide und zwinkerte Matthias zu. Sie ließen die Bar links liegen und warfen nur einen flüchtigen Blick auf die Arbeit des Ruhrstadtmalers Ariyadasa Kandege, die Matthias mit »Faszinierend!« kommentierte.

In der dritten Etage wurden sie im Atelier von Anja und Simon empfangen. Matthias schaute sich um, während Anja ihnen die Jacken abnahm und Simon ihnen etwas zu trinken organisierte. Fotostudio, ging es ihm durch den Kopf. Aber es war mehr. Er sah an die Wände und betrachtete die Bilder. Schwarz-Weiß-Fotografien mit farbigen Akzenten, farbenprächtige Tiere, Naturszenen, Hausfassaden. Aber irgendetwas war anders.

»Na, klingelt’s?«, fragte Anja, die den Blick ihrer Besucher schon tausendfach erlebt hatte.

»Das sind alles Menschen?«

»Mhm.« Sie nickte und deutete auf die vorbereiteten Plätze in der anderen Ecke des Raumes. »Simon und ich haben uns auf Bodypainting spezialisiert«, erklärte sie und drückte ihm ein Tablet in die Hand. »Das ist von euch? Das Video habe ich schon mal gesehen ...«, murmelte er und sah es trotzdem fasziniert zu Ende. Ein Chamäleon sitzt auf einem Ast, fängt ganz langsam an, sich zu bewegen, untermalt von Klaviermusik. Dann beginnt das Tier sich unnatürlich zu verrenken, löst sich auf und zum Vorschein kommen zwei Menschenkörper, die durch die Sprühfarbe zur Echse geworden waren. »Ich staune jedes Mal über den Effekt ...!«

»Hm, warte mal ab, bis sie mit uns fertig sind!«, lachte Solveig und nahm einen Schluck Cola. Dann flüsterte sie in sein Ohr: »Wenn du noch magst.«

»Ja, unbedingt ...«, antwortete Matthias.

»Dann macht euch mal frei!«, rief Simon, der inzwischen die Kompressoren für die Airbrush-Farbe gestartet hatte. »Die Wäsche für euch liegt bei Anja bereit.«

Anja winkte bereits mit einem sehr spärlichen Bikini für Solveig und einem ebenso verschwindend geringen Nichts für Matthias.

»Da malen wir gleich drüber und ihr fühlt euch nicht ganz so nackt ...«, erklärte sie grinsend. »Wir fangen mit dem Körper an, dann habt ihr noch ein bisschen Zeit, etwas zu essen und zu trinken, bedient euch ...«

Anja begleitete die beiden nach dem Umziehen auf die Plätze und deutete auf eine Auswahl an Fingerfood, Obst und Süßkram.

»Verratet ihr uns, was ihr mit uns vorhabt?«, fragte Solveig schmunzelnd.

»Natürlich nicht«, lachte Simon. »Ätsch, Künstler ...«

»Hm, aber ich sehe ja, was ihr Solveig malt und sie, was ich bekomme ...«, hielt Matthias fest.

»Spielverderber!«, brummelte Anja ironisch und begann, Solveig mit einem ocker-bräunlichen Grundton zu besprühen. Simon ließ Matthias dieselbe Farbe angedeihen.

»Hund, Katze, Pferd, Maus ...«, riet sie munter drauf los und erntete dafür ein Kopfschütteln ihrer Malerin.

»Wie soll ich das drei Stunden mit dir aushalten?«, fragte Anja grinsend und setzte ihr Werk fort.

»Drei Stunden?«, fragte Matthias und legte die Stirn in Falten.

»Na ja, zwei für die Farbe und je nachdem wie ihr drauf seid, knapp eine für das Shooting und Duschen ...« Anja sah mit Simon auf das Tablet, auf dem offenbar Skizzen hinterlegt waren und beriet sich mit ihm.

»Keine Zeit?«, fragte Solveig Matthias leise.

»Doch, ich hatte nur absolut keine Ahnung, wie lange sowas dauert. Hast du das schon mal gemacht?«, fragte er und drehte sich auf dem Hocker mehr in ihre Richtung.

»Nö«, sagte sie grinsend, »ich kenne Anja über eine Freundin. Sie hat mir auf einer Party davon erzählt und Bilder gezeigt. Bis heute Morgen wusste ich auch noch nicht, dass wir das hier machen werden ...«

»Sehr spontan also.«

»Mhm.«

Matthias sah sie aufmerksam an. Es schien sie keineswegs zu stören, nahezu nackt vor ihm zu sitzen, sie knabberte genüsslich an ein paar Erdbeeren und hielt ihm eine davon hin, fuhr damit über seine Lippen und zwinkerte ihm zu. Er grinste und biss davon ab, das zweite Stück nahm er ganz und küsste dabei ihren Finger.

»So, jetzt wird wieder gearbeitet«, rief Simon und machte sich mit dem Pinsel ans Werk. Um die Spannung ein wenig zu erhöhen, drehten sie die beiden mit dem Rücken zueinander. Solveig und Matthias hatten so zwar auch weniger Gelegenheit, miteinander zu reden, aber die beiden Bodypainter verlangten ihnen ohnehin einiges an Konzentration ab. Schneller als vermutet waren sie fertig und präsentierten sich gegenseitig ihre Kunstwerke. Zunächst konnten Solveig und Matthias nur Flecken und Punkte erkennen, als Simon sie allerdings für einen Testshoot vor die Leinwand gestellt hatte, ahnten sie etwas. »Schickes Leopardenfell, Tarzan.«

»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben, Jane.«

»Ja, ihr seid ein Leopard ...«, bestätigte Anja.

»Ein Leopard?«, fragte Solveig.

»Jap, einer. Und jetzt wird es kuschlig ...«, entgegnete Simon und begann, die beiden auf einem herbeigezogenen Barocksofa zu positionieren. Matthias lag mit dem Rücken darauf und Anja dirigierte Solveig in seine Arme. Die beiden begannen zu kichern und Solveig wisperte in sein Ohr: »Ehrenwort, davon wusste ich nichts. Das war nicht geplant.«

»Ich kann mir Schlimmeres vorstellen ...«, flüsterte Matthias und grinste sie an.

»Ich seh nur sprechende Punkte. Mach mal die Augen zu ...«, lachte sie. »Hihi ... Die perfekte Illusion.«

»Konzentration bitte, Solveig, lass deine Füße bitte so liegen, wie Simon sie verrenkt hat ...«

»Das tut weh«, quiekte sie ironisch.

»Stehst du etwa nicht auf Schmerzen?«, wisperte Matthias.

»Nicht so ...«, flüsterte sie zurück.

»Jetzt bitte nicht mehr bewegen und nicht mehr reden, wir haben es fast!«, kommandierte Anja.

Simon arrangierte noch ein wenig die Gliedmaßen und besserte vereinzelt ein paar Punkte nach, während Anja einige Lichttests vornahm. Knappe zehn Minuten später blitzte es mehrmals, Simon zupfte noch einmal hier und einmal dort, machte weitere Aufnahmen und beriet sich kurz mit Anja.

»Matthias, kriegst du es hin, etwas ins Hohlkreuz zu gehen? Ich weiß, Solveig ist schwer wie Blei, aber wir brauchen ein bisschen mehr Körperspannung.«»Du bist frech!«, rief Solveig Anja lachend zu und Matthias grinste.

»So?«, fragte er und stützte sich mehr auf die Schulterblätter, spannte den Bauch an.

»Sehr gut, schön so halten. Solveig bitte die Füße wie auf Zehenspitzen strecken ... Perfekt.« Es blitzte wieder mehrmals und endlich rief Anja: »Entspannt euch, wir haben es!«

Erlöst legte Matthias sich langsam wieder zurück in die Ausgangsposition, Solveig entspannte ihre Füße und sah ihm in die Augen.

»Schade ...«, murmelte sie und strich ihm mit den Fingerspitzen durch das Gesicht.

»Mhm ...«, brummte Matthias bestätigend und schnappte danach.

»Aber da ich ja schwer wie Blei bin, werde ich wohl mal lieber von dir runtergehen«, spottete sie. Matthias hielt sie jedoch an den dünnen Bändchen des Bikinis fest und legte seinen Arm um sie. Es blitzte wieder kurz. Simon schmunzelte. »Lasst euch Zeit«, bot er freundlich an und spielte weiter an der Kamera herum.

Solveig schmiegte ihr Gesicht an seines, küsste ihn vorsichtig auf die Wange und flüsterte in sein Ohr: »Miau?«

Matthias schnurrte leise und lehnte seine Stirn gegen ihre. »Eher rrrrrrrr.«

Simon schoss noch ein paar Bilder vom sich teilenden Leoparden und reichte den beiden dann Getränke an. »Ich zieh die Sachen eben auf den iMac, dann können wir zumindest schon mal gucken. Geht in Ruhe duschen und wir sehen uns gleich.«

»Du zuerst oder soll ich?«, fragte Matthias und deutete auf das Badezimmer.

»Was für eine Frage ...«, antwortete sie kopfschüttelnd und nahm seine Hand. »Woher soll ich wissen, ob ich die ganze Farbe runter habe? Du kommst schön mit!«

Matthias schloss für einen Moment die Augen und atmete tief, dann folgte er ihr. Vor dem Spiegel spülte Solveig routiniert ihre Kontaktlinse ab. »Mir war plötzlich schwarz vor Augen ...« Sie grinste und ein dunkles Rinnsal löste sich davon. Dann drehte sie sich um und stupste mit ihrem Zeigefinger gegen seine Nase. »Dass es so kuschlig wird, war wirklich nicht geplant«, hielt sie noch einmal fest, ließ ihren Finger an seinem Kinn entlanggleiten, über den Hals, seine Brust zum Bauchnabel und machte erst am seidenen Faden seiner besprühten Wäsche Halt.

»Hm ... War es dir unangenehm?«, fragte er und hakte seinen Finger bei ihr ein, zog ihre Hand hoch und küsste sie sanft.

»Nein ... Dir?«, flüsterte sie. Matthias schüttelte mit dem Kopf. »Alles andere als das.«

»Na dann ... Lass uns duschen gehen ...« Mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen ließ sie das Wasser an. »Auch wenn es beinahe zu schade ist.«

»Wohl wahr, aber wenn ich morgen so arbeiten gehen würde, würde das Fragen aufwerfen«, lachte Matthias und hielt inne. Sie zwinkerte ihm zu und lotste ihn mit einem Fingerzeig zu sich. Die kleine Dusche bot eigentlich kaum Platz für zwei.

»Musst du also schon wieder mit mir kuscheln ...«, stellte sie fest und begann, Matthias’ Oberkörper mit Duschgel einzuschäumen.

»Was für ein Ärger. Erst komme ich unter deinem Gewicht fast zu Tode und jetzt schrubbst du mir die Haut von den Knochen ... Das nennst du kuscheln?« Warum er plötzlich so provokant war, wusste er selbst nicht. Das warme Wasser und die sanften Berührungen ihrer Hände luden ihn dazu ein, sie zu necken.

Solveig blickte ihn an, liebevoll, aber dennoch ernst. »Lass uns das gleich ausloten, hm?«

»Gleich im Sinne von?«

»Wenn wir hier fertig sind ...«, antwortete sie und tauchte ab, um auch die untere Hälfte seines Körpers von der Farbe zu befreien. Matthias hielt still und schloss die Augen, biss sich auf die Zunge und versuchte, sein leises Stöhnen zu unterdrücken, als sie ihm wie beiläufig das letzte Stück Stoff raubte und dann an ihn gepresst wieder auftauchte.

Eng an seinen Körper geschmiegt fragte sie leise: »Wäschst du mich?«, und führte seine Hände auf ihrem Rücken zusammen, um ihn die Bänder des Bikinis lösen zu lassen. Sie drehte sich um und räkelte ihre Schultern, Matthias rieb sie zärtlich mit dem Duschgel ein, strich über ihren Rücken, den Po, die Beine. Es war kaum noch Farbe an ihrem Körper, dennoch ließ er seine Hände ausgiebig darüber wandern und zog sie ein Stück näher an sich heran, um auch ihre inzwischen bikinifreie Vorderseite einzuschäumen. Sie nahm seine Hände in ihre und dirigierte ihn über ihren Körper, verschränkte dann allerdings seine Arme vor ihrem Bauch und stellte das Wasser ab.

»Sauber ...«, stellte sie grinsend fest und drehte sich in seinem Griff zu ihm um, angelte nach einem Handtuch und begann, ihn abzutrocknen. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich an die Wand und ließ sie gewähren. Solveig nahm jeden noch so kleinen Wassertropfen von seiner Haut auf, küsste ihn auf die Wange, als sie fertig war und übergab ihm das Handtuch. Matthias schlang sich das Badelaken um die Hüften, nahm ein weiteres aus dem Regal und sah sie fragend an. Solveig lächelte, schüttelte leicht mit dem Kopf und nahm es ihm aus der Hand. »Nicht hier.«

Wieder angezogen setzten sie sich zu Simon an den Bildschirm und betrachteten gespannt die ersten Ergebnisse. »Ich werde die Bilder noch zuschneiden und eventuell die Farbwerte ein bisschen anpassen, ihr bekommt später aber alles auf DVD«, erklärte er.

»Wow, das sieht fantastisch aus«, sagte Matthias und sah Solveig an. »Ein Leopard, eindeutig ...«

»Jap, war auch gar nicht so einfach, den auf das Sofa zu bekommen, sehr störrisches Tier!«, lachte Simon.

»Aber nur die obere Hälfte, oder?« Matthias grinste und Simon nickte amüsiert.

»Rrrrr«, machte Solveig und stupste Matthias den Finger in die Rippen. »Sollen wir so langsam aufbrechen?«

»Mhm. Auch wenn ich mich von dem Anblick gerade nur schwer losreißen kann«, seufzte er.

»In ein paar Tagen hast du einen Abzug davon, den kannst du dir auf den Schreibtisch stellen und bewundern!«, beruhigte Simon ihn und schaltete den Bildschirm aus. Als sie ihre Jacken anzogen, deutete Solveig auf ein Bild gegenüber der Garderobe. »Das finde ich auch ziemlich spannend.«

Matthias sah es sich genauer an. »Ist das Wachs?«

»Mhm«, antwortete Solveig und stellte sich neben ihn. Auf dem Foto war der nackte Körper einer Frau zu sehen, die sich auf dem Boden räkelte und von Kopf bis Fuß mit farbigem Kerzenwachs beträufelt war, das in Rinnsalen an ihr hinunter lief. »Es hat eine besondere Ästhetik, irgendwie.«

»Für mich sieht das eher nach ganz besonderem Autsch aus. Wachs?«

»Ja, Wachs«, lachte Solveig und sah ihm tief in die Augen. »Weichei?«

»Nein, das ganz und gar nicht. Aber Wachs?«

»Klingt nach schlechten Erfahrungen!?«

»Und ob ...«, murmelte er. Simon hatte sich angenähert und sah die beiden an. »War mal ein Experiment, ist den meisten Kunden aber zu heikel. Deswegen nur noch Sprühfarbe.«

»Schade ...« Solveig grinste und strich Matthias zärtlich durch das Gesicht. »Viel Spaß beim Aufräumen!«, verabschiedete sie sich von den beiden Bodypaintern und ließ Anja noch unter vier Augen wissen: »Kein Wort zu du-weißt-schon-wem, okay?«

»Ehrenwort!«, schwor Anja und verabschiedete dann auch Matthias.

Als die beiden im Erdgeschoss angekommen waren, blieben sie an der Bar kurz stehen. »Hier oder bei mir?«, fragte Solveig ihn.

»Du meinst die Rahmenbedingungen?«

»Mhm.«»Bei dir«, entschied er und hielt ihr die Tür auf.

Draußen schlug ihnen die klirrende Kälte dieses Januarabends entgegen, es war kurz nach neun und der Vollmond stand hoch am Himmel. Wie schon auf dem Hinweg liefen sie händchenhaltend zurück zur Wohnung. Auf Höhe des Burgplatzes hielt Matthias an. »Was ich mich die ganze Zeit schon frage«, begann er, »ist das eigentlich ein Dom oder ein Münster?«

»Offiziell ist es ein Dom, da Essen seit den Fünfzigern Bischofssitz ist, aber landläufig heißt es Essener Münster. Wieso?«

»Mir fielen gerade so viele Wortspiele mit Dom und Dom ein ...« Er grinste naseweis und stupste seinen Finger auf ihre rotgefrorene Nase.

»Sehr witzig, Herr –«, Solveig stutzte. Matthias hatte seinen Nachnamen noch nicht genannt. Es schien ihm im selben Moment aufgefallen zu sein und er fragte: »Wie hast du mich denn gespeichert? ›Matthias, den ich vor den Hühnern rettete‹ oder doch ›Matthias, egal wie er weiter heißt‹?«

»Ha-ha. Ich habe dich nur unter deinem Vornamen gespeichert. Erstens bist du der einzige Matthias, den ich kenne, und zweitens war für die Frage nach deinem Nachnamen ja auch noch nicht so viel Zeit. Oder irre ich?«»Altenbach. Bevor wir in der Unterhaltung darüber wieder nicht dazu kommen«, lachte er und erinnerte sich an den Abend zuvor, als Solveig ihm quasi erst beim Abschied verraten hatte, wie sie hieß.

»Kann ich mir ganz gut merken ...«, murmelte sie. Irgendwie kam ihr der Name bekannt vor, aber Nachfragen waren tabu und da sie keine negative Assoziation dazu hatte, beließ sie es dabei.

Bis sie wieder in der Brunnenstraße waren, unterhielten sie sich hauptsächlich über die Erlebnisse des Abends. »Wie bist du denn für heute darauf gekommen?«, fragte Matthias sie neugierig. »Für ein erstes Date ja mehr als außergewöhnlich.«

»Hm, das nehme ich mal als Kompliment.« Dass er seinen Spaß gehabt hatte, hatte Matthias ihr auf dem Weg schon verraten. »Ich habe gestern noch mal zufällig das Chamäleon-Video gesehen, daher musste ich an Anja denken. Sie hat auf der Party von dem Konzept erzählt. Simon und sie haben zusammen Kunst studiert und arbeiten eigentlich beide im Dommuseum, aber nebenbei toben sie sich in dem Atelier aus und haben sich in ihrer Szene schon einen ziemlich großen Namen gemacht.«

»Und da kommt man so einfach an einen Termin von jetzt auf gleich?«, stutzte er.

»Na ja, so ganz einfach nicht. Eigentlich vergeben sie Termine drei bis vier Monate im Voraus, aber lass es mich so formulieren: Anja war mir noch einen Gefallen schuldig und hat das heute spontan arrangiert.«

»Gut, ich frag nicht weiter.« Er schmunzelte und hielt vor ihrer Haustür an.

»Da wären wir ...«, flüsterte sie und sah ihn eindringlich an. »Noch aufnahmefähig?«

»Definitiv!« Matthias nickte und folgte ihr in den Flur, den Aufzug, die Wohnung.

»Wozu habe ich meine Tasche eigentlich mitgenommen?«, wunderte er sich.

»Gute Frage. Ich wusste nicht ganz genau, wie viel wir ausziehen müssten, Anja konnte das heute früh noch nicht sagen. Sie hatte nur nach deiner ungefähren Größe und Statur gefragt und meinte, dass Simon ein Konzept erstellen würde. Und eben, dass wir für alle Fälle Wechselkleidung mitnehmen sollten. Meine Sachen hatte ich in der Handtasche ...«

»Hm ...«, murmelte er und stellte den Weekender in den Flur.

»Was möchtest du trinken? Kaffee, Softdrinks, Wasser, Saft?«»Kaffee wäre fein.«

»Fein«, bestätigte sie, ging in die Küche und schaltete die Maschine ein. Matthias war ihr gefolgt, da ihn allein nichts im Wohnzimmer gehalten hatte. Er lehnte im Türrahmen und sah sie an.

»Nur Milch, wenn ich mich gerade richtig erinnere!?«

»Ja.« Er nickte und nahm die Tasse und den Tetra-Pak entgegen.

»Ich weiß, dass die Kaffeemaschine auch Milchkaffee kann, aber irgendwie hatte ich das gerade vergessen«, entschuldigte sie sich.

»Kein Problem. Ich bin ganz andere Sachen gewöhnt. Ich sag nur: Kaffeeweißer.«

»Iiiiiih.«»Jap. Du trinkst schwarz?«

»Mhm, aber noch nicht so lange. Milch bekomme ich irgendwie nicht mehr runter seit einer Weile. Aber da ich ja eine Ahnung hatte, dass ich eventuell heute Nacht einen Gast habe, war ich noch schnell einkaufen.«»Heute Nacht?«

»Wie du möchtest.« Sie zwinkerte ihm zu und deutete auf die Couch. Matthias setzte sich und Solveig stellte ihren Kaffee auf den Tisch, nahm aber noch nicht Platz. Erst dimmte sie noch das Deckenlicht, entzündete die zehn großen Kerzen auf dem Lüster in der Ecke und setzte sich dann in die andere Ecke der Couch zu ihm. Matthias sah auf den Kerzenständer und schmunzelte.

»Panik?«, fragte sie ihn spöttisch.

»Nein, das nicht. Aber es war eine sehr schmerzhafte Erfahrung, an die ich mich nur ungern erinnere.«

»Haushaltskerzen?«»Ja, was sonst?«

Sie kicherte. »Schlechte Wahl. Es gibt für sowas Spezialwachs, das bei niedrigeren Temperaturen schmilzt und richtig aufgetragen zwar einen Reiz setzt, aber keine Verbrennungen hervorruft.«

»Ah ja ...«

»Haben auch Physiotherapeuten im Programm, also nichts rein BDSM-mäßiges«, belehrte sie ihn fröhlich. »Das hat Anja übrigens auch für das Bild im Atelier benutzt.«

»Interessant«, antwortete Matthias über den Rand seines Kaffeebechers hinweg, lehnte sich zurück an das Polster und zog die Beine ebenso an wie Solveig. Wie im Spiegel blickten sie sich an.

»Also: keine persönlichen Details. Ich füge dir keine Wunden oder Male zu. Wenn nein, dann nein. Aktuelle Tests auf übertragbare Krankheiten mailen wir uns zu, Adressen gern unkenntlich gemacht«, begann Solveig, als läse sie ihm beiläufig aus der Zeitung vor.

»Mhm«, nickte Matthias. »Würgen finde ich übrigens alles andere als aufregend. Petplay ist ein No-Go und meine Hände sind absolut tabu. Keine Schläge darauf, kein Kneifen, nicht heiß, nicht kalt, tabu eben.«»Okay. Verstanden«, bestätigte Solveig. »Spielzeug?«, fragte sie vorsichtig und krabbelte mit ihrem großen Zeh sein Bein hoch. Ihr Herz klopfte plötzlich wie wild, als ihr klar wurde, dass Matthias sich auf ihr Spiel einlassen würde.

»Alles, wozu du Lust hast. Wenn wir Stromreize aber erstmal aufschieben könnten, würde mich das beruhigen.«

»Eh nicht ganz mein Terrain ...«, murmelte sie und Matthias schmunzelte.

»Ähm, Fäkalien und Fäkalsprache –«

»Scheiden aus«, sagte er und schüttelte den Kopf. Blickte sie an. Beide prusteten los.

»Beruhigend«, kicherte Solveig, wurde dann aber schnell wieder ernst. »Zum Thema Hände noch eine Nachfrage ...«

»Ja?« Matthias zögerte. Tabu war tabu. Was wollte sie andeuten?

»Betrifft das auch die Handgelenke? Im Sinne von keine Handschellen, Fesseln etc.?«

»Wäre ja witzlos!«, antwortete er lachend. »Nein, es geht nur um die Handflächen und Finger. Was aber nicht indiziert, dass ich unbedingt gesteigerten Wert darauf lege, irgendwie Striemen oder Kratzer von irgendwas an den Gelenken zu haben.«

»War nicht meine Absicht. Wird auch nicht geschehen«, versicherte sie ihn fröhlich. »Ich brauche den Notarzt hier nicht ...«

»Fein, wir verstehen uns ...«, hielt Matthias gutgelaunt fest und trank einen weiteren Schluck.

»Ergibt sich der Rest oder hast du spontan noch Ausschlüsse?«

»Nein, ich denke, du wirst es merken. Ansonsten mache ich mich bemerkbar.« Matthias spielte mit ihrem Fuß, der sich inzwischen zu seinem Knie vorgeschoben hatte. Leise und vorsichtig fragte er dann: »Darf ich dich anfassen?«

»Wie meinst du das?«

»Generell ... Im Spiel ...«

»Ja, natürlich. Solange du die Gelegenheit dazu hast!«, lachte sie und schüttelte ihre Locken. »Warum auch nicht?«

»Ich meine nur ... Bei männlichen Doms ist das so ein Ding und es soll auch Frauen geben, die das nicht mögen.«

»Wir sind nicht Christian Grey und Anastasia Steele ...«, stellte sie fest, lachte und verschluckte sich so sehr an ihrem Kaffee, dass sie husten musste. Mit Tränen in den Augen lachte sie weiter und Matthias kratzte sich verwundert am Kinn.

»Was amüsiert dich so?«

»Mit dem Stammtisch haben wir uns erlaubt, eine Lesung zu inszenieren, herrje ... Was haben wir gelacht. Und ich erinnere mich gerade ...«, erklärte sie kichernd.

»Kann ich verstehen. Wobei so amüsant fand ich das Buch nicht; also, ich habe ohnehin nur den ersten Teil angefangen. Nicht ganz mein Fall. Immerhin hat die Autorin ein paar essentielle Dinge angesprochen, Safer Sex, Tabus, etc.«

»Hm. Das schon«, fing sich Solveig wieder. »Aber andererseits gehört für mich zu Safe, Sane and Consensual ein striktes Alkoholverbot auf beiden Seiten. Besonders am Anfang.«

»Wohl wahr. Aber dein Kopfkino drehte sich gerade um etwas anderes, gib es zu!«

»Mhm. Bist du bis zu der Szene im Buch gekommen, als er sie mit dem ›Spielzimmer‹ bekannt macht?«

»Ja. Was war so lustig daran?«

»Wir haben mit verteilten Rollen gelesen, Peter den Christian und Carolin die Anastasia. Den Rest habe ich vorgetragen. Man muss sich vorstellen: Wir sitzen in munterer Runde am Stammtisch, Peter liest mit grabesschwerer Stimme vor, wie Christian Ana die Spielzeuge erklärt. Dann dieser Satz: ›Das ist ein Flogger.‹ Ich sollte eigentlich was ganz anderes lesen, guckte Steffi an und sagte nur: ›Ich habe eine Wassermelone getragen!‹ Wir haben gebrüllt vor Lachen und eigentlich wusste nachher niemand, was daran so lustig war.«

Matthias grinste und biss sich auf die Unterlippe. »Doch, mir erschließt es sich. Dirty Dancing. Zweifellos auch einer der seltsamsten Dialoge der Filmgeschichte.«»O ja ...« Solveig nickte. »Aber um noch mal auf deine Frage zurückzukommen; erlaubt ist, was gefällt. Wenn du es abwertend formulieren willst: Ich bin quasi ein Wunschzettel-Dom.«

»Ich finde nichts Negatives daran«, entgegnete er mit ruhiger Stimme. Für einen Moment hielt er inne. Mit ihr darüber zu sprechen war, als würde er das Pizzataxi anrufen; Hunger haben, auswählen, bestellen und hoffentlich die richtige Lieferung erhalten.

»Was trägst du eigentlich gern?«, fragte er dann. »Du machst auf mich nicht den Eindruck der klassischen Lack-und-Leder-Domina.«

Solveig schmunzelte. »Nein ... Definitiv nicht meins. Allerdings würde ich die Frage gern an dich zurückgeben; was würdest du gern an mir sehen?«

»Das ist gemein ...«, schmollte er gespielt. »Ich glaube, du weißt sehr genau, was dir steht und zur Stimmung passt. Nur ... Hm. Rosa und weiß sind bei Unterwäsche nicht so meine Favoriten. Cosplay ebenfalls nicht.«»Fein, keine Kostüme«, lachte sie. »Ich mache als Krankenschwester auch keine gute Figur ...«

Matthias stutzte, sah in seinen Becher, trank ihn leer und blickte Solveig nachdenklich an.

»Du weißt noch nicht ganz, was du davon halten sollst und was genau du von mir willst beziehungsweise erwartest, oder?«, fragte sie leise, aber bestimmt.

»Um ehrlich zu sein, nein. Also, ja. Das trifft es. Wobei ich alles andere als unsicher bin, dass ich was von dir will«, antwortete er.

»Hmmm ...«, murmelte sie und stand auf. »Ich bin in ein paar Minuten wieder da. Mach es dir bequem.«

»Ich müsste mal wohin ...«, deutete er mit krausgezogener Nase an.

»Da!«, rief sie grinsend und zeigte auf dem Flur Richtung Bad. Matthias machte sich direkt auf und schob sich augenzwinkernd an ihr vorbei. Solveig ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Links und rechts vom Bett standen zwei mannshohe Kerzenleuchter mit je acht Flammen, die sie entzündete, anschließend zupfte sie das Bettzeug in Position und nahm eine kleine schwarze, samtbezogene Kiste aus dem Kleiderschrank. Daraus wählte sie ein Kerzenglas mit silbernem Deckel, öffnete ihn und roch daran. Granatapfel und schwarzer Pfeffer, eigentlich genau das Richtige für eine entspannende Massage, dachte sie, als sie die Badezimmertür ins Schloss fallen hörte. Sie stellte die Kerze auf den Nachttisch und lehnte die Tür an, schlenderte ins Wohnzimmer und sah Matthias aus dem Fenster blicken. Unter ihnen lag der Stadtpark, rechts davon die beleuchtete Skyline.

»Wie mutig bist du?«, fragte sie ihn leise.

Er drehte sich um und sah sie fragend an. »Mutig? Mutig genug, mit einer eigentlich wildfremden Frau erst zum Bodypainting-Fotoshoot und anschließend in ihre Wohnung zu gehen.«

Solveig lachte und ging auf ihn zu. Das Herzklopfen war wieder da und sie konnte nicht widerstehen, ihn zu sich heranzuziehen und ihre Arme um seine Taille zu schlingen. Matthias strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. »Also, was genau meinst du?«

»Dass ich dich gern massieren würde ...«, wisperte sie. »Nicht mehr und nicht weniger.«

»Dabei spielt nicht zufällig das Massagemittel eine bedeutende Rolle?«, fragte er vorsichtig und küsste sie auf die Stirn.

»Hm.« Sie zwinkerte ihm zu und begann, seinen Nacken zu kraulen. Seine Anspannung war spürbar, in seinem Blick konnte sie aber auch das Verlangen sehen, das ihn umtrieb.

»Komm mit ...«, forderte sie ihn auf und führte ihn an der Hand ins Schlafzimmer, positionierte ihn auf dem Bett und entzündete die Kerze auf dem Nachttisch. Matthias starrte gedankenversunken in die Flamme und zuckte unter ihrer Berührung zusammen, als sie sich hinter ihn kniete und ihre Arme um ihn schlang. »Reich sie mir mal an«, bat sie ihn und umfasste Matthias’ Hand, als er ihr die Kerze hinhielt. Ihre linke Hand mit seiner verwoben führte sie ihre Arme vor seine Brust und begann, seine Hand, in der er die Kerze hielt, über ihren nackten Arm zu dirigieren. Kleine Wachstropfen fielen auf ihre Haut und sie ließ seine rechte Hand los, begann, seinen Hals zu küssen und zärtlich seinen Nacken zu kraulen. Matthias raunte leise, ließ noch ein wenig Wachs auf ihren Arm tropfen und näherte sich dann seinem eigenen.

»Führst du mich?«, fragte er und Solveig umschloss seine rechte Hand erneut. Eine kleine Menge Wachs lief auf seine Haut. Er zischte leise, erregt. Sein Arm ruhte immer noch auf ihrem, der Schmerz war kurz und hatte einen Reflex ausgelöst, aber es war sofort vorbei und alles andere als unangenehm gewesen. Solveig stellte die Kerze beiseite und verrieb sanft das Wachs mit ihrem Finger, erst auf seinem Arm, dann auf ihrem. An sein Ohr geschmiegt wisperte sie: »Aufhören oder weitermachen?«

Matthias räkelte die Schultern und lehnte sich an sie an, löste seine Hand aus ihrer und fuhr damit über ihren eingecremten Unterarm.

»Weitermachen, bitte ...«, raunte er und schloss die Augen. Solveig zog sein Shirt aus und ließ ihn in die Kissen sinken. Zwar hatte sie ihn beim gemeinsamen Duschen im Atelier schon völlig nackt gesehen, aber jetzt in der Zweisamkeit reizte sein entblößter Oberkörper sie umso mehr. Sie fuhr mit ihren Händen darüber, küsste ihn ausgiebig und hörte aufmerksam auf Matthias’ Atmung. Sein Puls beschleunigte sich ein wenig und jeden Muskel, den sie berührte oder küsste, spannte er unwillkürlich an. Als sie ihre Finger fest über seine Haut zog und damit einen leichten Schmerz provozierte, stöhnte er leise und reckte sich ihr entgegen.

Aus der kleinen schwarzen Kiste zog sie einen langen, weißen Seidenschal und ließ ihn über seinen Körper wandern. Das fließende Material war überall und nirgends zugleich, Matthias gab sich der Sinnestäuschung hin und schloss die Augen. Einen Moment später spürte er, wie sich samtene Fesseln eng um seine Handgelenke legten und Solveig ihn an der Schulter berührte.

»Dreh dich um«, forderte sie ihn auf und verband ihm mit dem Seidenschal die Augen. Matthias legte sich auf den Bauch und streckte die Arme über den Kopf, fühlte ihre Hände fest darübergleiten und dann für eine Weile nichts mehr. Es irritierte ihn, sie weder zu hören, noch zu sehen, noch zu spüren, obwohl er wusste, dass sie noch da war. Ein sanfter Zug an den Handgelenken verriet ihm, dass sie die Fesseln am Bett befestigte, er atmete tief und presste sein Becken gegen die Bettdecke. Mit leichtem Druck grub sie ihre Fingerkuppen in seine Schulterblätter und biss ihm sachte in den Nacken, knabberte etwas fester die Schulter hinunter und war plötzlich wieder verschwunden. Sein Stöhnen wurde lauter und sehnsüchtiger, er verlor immer mehr die Zweifel, die ihn beschäftigt hatten, und ließ los.

Solveig schob ihre Hände über seinem Po nach vorn, öffnete die Jeans und zog sie quälend langsam aus, Zentimeter für Zentimeter, wiederholte das Spiel mit seiner Boxershorts und fuhr tänzelnd mit ihren Fingern über seine Beine wieder nach oben.

Als sie sich auf seinen Rücken setzte, spürte er, dass sie fast nackt war. Allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Schlag und er stöhnte auf, hob sein Becken an, um sie näher bei sich zu spüren und erntete dafür einen festen Kniff in den Po. Der wiederum versetzte ihn noch mehr in Erregung und ließ es ihn gleich noch einmal versuchen, was einen weiteren, festeren Kniff auf der anderen Seite zur Folge hatte. Solveig beugte sich ganz nah über ihn, ihre Brüste berührten sanft seinen Rücken und sie flüsterte in sein Ohr: »Weitermachen oder aufhören?«.

»Alles, nur nicht aufhören ...«, antwortete er erregt und drehte den Kopf zu ihr, um einen Kuss zu erlangen, aber sie hatte sich bereits wieder aufgerichtet und verharrte scheinbar in dieser Position. Mit ihren Oberschenkeln presste sie fest gegen sein Becken, mal mehr, mal weniger, begann, ihre Finger wieder über seinen Rücken gleiten zu lassen, und griff ganz beiläufig die Kerze vom Nachttisch.

Der erste Tropfen fiel zwischen die Schulterblätter und Matthias’ Zischen versank im Kopfkissen, der zweite traf ihn unterhalb des linken Rippenbogens, der dritte kurz über dem Steiß. Matthias atmete immer schneller und sein Puls raste. Punkt für Punkt bedeckte sie in regelmäßigen Abständen seinen Rücken, mit jedem Auftreffen des Wachses machte sich seine Lust mehr und mehr bemerkbar. Um ihm ein wenig Entspannung zu gönnen, begann sie, die Wachstropfen sanft zu verreiben. Der Duft von Granatapfel und schwarzem Pfeffer erfüllte bald den Raum und Matthias kam unter der Rückenmassage allmählich zur Ruhe. Muskel für Muskel, Wirbel für Wirbel arbeitete sie sich vor und endete auf seinem Po, als die Creme vollständig eingezogen war.

»Lass die Augen noch einen Moment geschlossen ...«, flüsterte sie und löste den Seidenschal.

»Mhm ...«, murmelte Matthias, noch völlig in der Stille und ihren Berührungen versunken. Ohne Vorankündigung begann sie, ihn in den Rücken zu zwicken, erst langsam, dann in kürzeren Abständen, bis plötzlich ein Kniff dauerhaft anhielt. Zunächst kalt, dann entfaltete sich heiß der Druckschmerz und Matthias stöhnte erneut auf. Als er die Augen öffnete, sah er neben seinem Kopf auf dem Kissen eine Handvoll Metallklemmen, die erste hatte Solveig gerade auf seinem Schulterblatt platziert und er wand sich darunter. Bevor er sich bewusst werden konnte, wie ihm geschah, setzte sie die zweite Klemme in Hüfthöhe an. Die dritte und vierte fanden ebenfalls schnell ihre Bestimmungsorte und Matthias zog an seinen Handfesseln. Nummer fünf klemmte mit einem Mal in der Halsbeuge. Dann wurde es still, keine Berührungen, kein neuer Schmerz. Eine Klemme lag noch vor seinem Gesicht und funkelte ihn an. Auf seinem Rücken spürte er eine Metallkette, die sich ihren Weg schlängelte und mit der Solveig die Klemmen verband. Sie zog prüfend daran und das leise Fiepen aus den Kopfkissen gab ihr zu verstehen, dass sie richtig lag. Für einen Moment ließ sie ihn in Ruhe, dann beugte sie sich über ihn und flüsterte in sein Ohr: »Dreh dich langsam und vorsichtig auf die Seite ...«

Seine Atmung ging schnell und heftig, der andauernde Schmerz auf seinem Rücken war erträglich, aber jedes Muskelzucken aktivierte ihn erneut. Behutsam drehte Matthias sich zu ihr um, die Arme über dem Kopf gekreuzt und deutlich erregt. Er schloss die Augen, da er ihrem fordernden Blick nicht mehr standhalten konnte, es zerriss ihn fast. Dann spürte er ihre weichen Lippen auf seinen, liebevoll und sanft, eine Idee später waren sie auf seinem Hals, der Brust, dem Bauch, wanderten tiefer. So sehr er sich in diesem Moment auf den Rücken fallen lassen wollte, so sehr hinderte ihn jede Bewegung schmerzhaft daran. Ein leichter Zug an der Kette ließ ihn ein weiteres Mal aufstöhnen und die letzte Klemme geriet wieder in seinen Blick. Matthias wollte sich gar nicht ausmalen, was sie damit anstellen würde und schloss wieder die Augen. Dann passierte alles auf einmal. Mit einem festen Ruck lösten sich alle Klemmen gleichzeitig von seinem Rücken, der Schmerz war vorüber und brannte nur noch süß nach, er spürte einen Kuss von ihr auf seiner Eichel, schrie in das Kissen und es kam ihm, heiß und schnell.

Völlig außer Atem krümmte er sich zusammen, schluckte und schlug die Augen auf, suchte nach Orientierung. Wie von Zauberhand hatten sich die Handfesseln gelöst.

Solveig kuschelte sich von hinten an ihn und zog die Bettdecke schützend über ihre Körper. Sie legte den Arm um ihn und begann, ihn sanft zu streicheln. Leise seufzend ließ Matthias sich in ihre Arme fallen, streckte seine Beine langsam aus und drehte sich vorsichtig auf den Rücken. Zärtlich strich sie ihm über das Gesicht, küsste ihn scheu und sah ihm tief in die Augen. Ebenso schüchtern erwiderte er ihren Kuss und schmiegte sich an ihre Schulter.

»Weitermachen ...«, flüsterte er bittend und wurde erhört. Solveig zog ihn ganz eng an sich heran und fuhr mit ihren Streicheleinheiten fort, nahm seine Hand und küsste sie zärtlich, massierte und knabberte an der Innenseite seines Handgelenks, arbeitete sich über den Unterarm vor, hoch zum Hals und ließ ihre Lippen auf seiner Wange verweilen. Matthias drehte den Kopf mehr zu ihr hin, befürchtete, sie würde ihm wieder ausweichen, aber sie wartete auf ihn, ließ sich finden und ihre Lippen begannen ein zärtliches Spiel, leidenschaftlich, liebevoll.

»Ich fürchte, ich muss noch mal ins Bad ...«, wisperte er, als sie sich nach einer kleinen Unendlichkeit voneinander gelöst hatten und ihren Gedanken nachhingen.

»Du weißt ja, wo es ist ...«, murmelte sie und küsste ihn auf die Schulter. »Handtücher liegen im Regal, Duschgel steht auf der Ablage ...«

»Cremst du mich noch mal ein?«, grinste er.

»Hm ...«, machte sie und zuckte schmunzelnd mit den Schultern. »Vielleicht!?«

Matthias beeilte sich unter der Dusche, bediente sich für Shorts und Shirt an seiner Wechselkleidung und fand Solveig zu seiner Verblüffung in der Küche vor.

Sie trug ein dunkelgrünes Spitzennegligé, das im Dämmerlicht changierte. »Ab ins Bett mit dir ...«, rief sie ihm zu, zwinkerte und nahm den Teller auf, den sie gerade angerichtet hatte. Matthias ging barfuß zurück ins Schlafzimmer, fand zu seiner weiteren Überraschung das Bett frisch bezogen vor, die Kerzen waren gelöscht, ein leichter Luftzug war durch das Zimmer geweht und zwei kleine Stehleuchten spendeten ein goldenes Licht. Er ließ sich von ihr erneut auf das Bett stupsen und zog sie vorsichtig zu sich heran, setzte sie in seinen Schoß, nahm ihr den Teller aus der Hand und stellte ihn auf den Nachttisch.

»Möchtest du, dass ich heute Nacht bleibe?«, fragte er.

»Ich werde dich sicherlich nicht bitten, zu gehen ...«, antwortete sie lächelnd.

»Geplant hatte ich das nicht, aber wenn es okay ist, fahre ich morgen früh von hier zur Arbeit!?«

»Ja ... Sehr gern ...« , antwortete sie und nahm ein paar Weintrauben vom Tisch, um ihn damit zu füttern. »Ich werde morgen nur sehr früh aufstehen, halb sechs spätestens. Je nachdem, wann du losmusst, kannst du aber gern länger schlafen und die Tür hinter dir zuziehen, wenn du gehst.«

»Die Zeit ist in Ordnung ...«, antwortete er und griff nach einem Gummibärchen, das er über ihre Schulter und den Hals wandern ließ, bis sie danach schnappte.

»Lässt du mich gleich mal kurz deinen Rücken sehen?«, fragte sie besorgt.

»Ja, natürlich. Wieso?«

»Nur zur Sicherheit. Ich weiß ja noch nicht, wie empfindlich deine Haut reagiert.«

»Bitte, untersuch mich ...«, grinste er und ließ sie vom Schoß gleiten.

»Ich dachte, du stehst nicht auf Doktorspiele ...«, lachte sie.

»Hm ...«, fiepte er und war froh, dass sie sein Gesicht gerade nicht sah. »Diagnose?«

»Also ... keine Hämatome, keine Ödeme, rosiges Hautbild, etwas ausgetrocknet vom vielen Duschen. Nur eine leichte Hyperämisierung.«

»Ah ja ...«, entgegnete Matthias und wunderte sich im Stillen. Den Jargon kannte er, aber war es Zufall oder hatten die Andeutungen einen beruflichen Hintergrund? »Therapie?«

»Eincremen und ankuscheln!«, empfahl sie und begann, eine schnell einziehende Lotion aufzutragen. Matthias fütterte ihr einen Kinderriegel, während sie seinen Rücken versorgte, und ließ sich in Revanche ebenfalls häppchenweise einen servieren.

»Du versprichst mir, mir zu sagen, wenn es dir nicht gutgeht?«, fragte sie vorsichtig, als sie seinen Bauch kraulte. Müde und aufgerieben von den Ereignissen der letzten Stunden war er erneut in ihre Arme gesunken, spürte, dass auch ihr fast die Augen zufielen, aber wollte ihr diese Antwort nicht vorenthalten. »Ja, werde ich. Würde ich. Ich schätze aber, dass es mir in deiner Nähe nicht schlecht gehen wird«, entgegnete er.

»Ich werde für dich da sein. Immer. Ich werde sehr lieb zu dir sein ... Dir deine Wünsche von den Augen ablesen oder von den Lippen oder irgendeinem anderen Körperteil ...«, flüsterte sie. »Aber es wird schmerzhaft werden, du wirst leiden ...«

»So ist es gedacht ...«, antwortete er beruhigend. »Das macht es ja aus, oder?«

»Der Schmerz ist das Spannende, ja ... Das leidenschaftliche Leiden. Die Grenze des Unaushaltbaren zu verschieben und auf diesem schmalen Grat einen Tanz zu vollführen. Deine Lust darf leiden, aber niemals deine Seele, ich will dich herausfordern, antreiben, ausreizen. Ich will dich leiden sehen, ja. Schön leiden. Aber ich will, um alles in der Welt, eines nicht: dich demütigen.«

Matthias küsste sie zärtlich. »Es klingt wie eine Philosophie, wenn du das so beschreibst. Beängstigend schön und eher liebevoll als schmerzhaft.«

»Mhm ...«, murmelte Solveig. »Trotzdem – manchmal gibt es Grenzen, von denen wir nicht wissen, dass sie da sind. Und sollte ich jemals eine überschreiten, sag es mir bitte. Ich will dir wehtun, aber ich will dich nicht verletzen.«

»Ich verstehe, was du meinst. Mach dir keine Sorgen, ich glaube, du hast das sehr gut im Gefühl und ja, ich würde dich wissen lassen, wenn ich mich nicht oder nicht mehr wohlfühle.«