Schwarzbuch ÖBB - Hans Weiss - E-Book

Schwarzbuch ÖBB E-Book

Hans Weiss

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Beschreibung

Nach dem „Schwarzbuch Landwirtschaft“ nimmt Hans Weiss einen weiteren wichtigen Bereich der Wirtschaft und Politik in Österreich unter die Lupe: die Österreichischen Bundesbahnen. Rund vier Milliarden Euro Zuschüsse fließen jährlich in den Agrarbereich, wesentlich mehr in die Bahn. Hans Weiss hat sich genau angesehen, wohin das Geld geht und warum derzeit gegen rund zwei Dutzend hochrangige Verkehrspolitiker und ÖBB-Manager von der Staatsanwaltschaft ermittelt wird. Korruptionsvorwürfe, falsche Investitionen, Misswirtschaft, unfähige Manager - das sind die Schlagzeilen, die das Bild des staatlichen Infrastrukturunternehmens prägen. Hans Weiss hat konkrete Zahlen und Fakten recherchiert und mit zahlreichen Insidern gesprochen.

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Deuticke E-Book

Hans Weiss

Schwarzbuch ÖBB

Unser Geld am Abstellgleis

Deuticke

ISBN 978-3-552-06234-4

Alle Rechte vorbehalten

© Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien 2013

Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien

Umschlaggestaltung und Motiv: David Hauptmann, Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/ZsolnayDeuticke

Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1.  ÖBB-Kritik von innen

2.  Auf einer Lok Richtung Süden

3.  Tunnelwahn

4.  Bahnhofsprotz

5.  Eisenbahner-Himmel

6.  Vorwärts in die Vergangenheit

7.  Güter hin, Güter her

8.  Freunderlwirtschaft, schöne Abschiede, gute Geschäfte und enge Verbindungen

9.  Lokführer-Tagebuch

Vorwort

Kritische Stimmen aus den ÖBB

Spinnweben und Staub und in der Brausetasse Schimmel und Kalkablagerungen – so beschreibt ein ÖBB-Lokführer am 15. Dezember 2012 den Zustand des Zimmers, in dem er am Bahnhof Amstetten/NÖ übernachten sollte. Und stellt in einem internen Bericht die Frage, wann sich daran etwas ändert.

Am 6. Mai 2013 berichtet ein Lokführer des Regionalexpress-Zuges Wien–Eisenstadt, dass vor der Abfahrt laut elektronischem Informationssystem die für die Sicherheit des Zuges notwendige Magnetschienen-Bremse elektrisch abgeschaltet war. Dem Reparaturbuch der Lok konnte er entnehmen, dass dieser Fehler bereits am Tag zuvor gemeldet worden war! – Laut geltender ÖBB-Betriebsvorschrift hätte dieser Zug also gar nicht fahren dürfen!

Am 10. Mai 2013 beobachtet der Lokführer des Regionalzuges Kötschach-Mauthen–Villach, wie das Reinigungspersonal der WC-Anlagen mit Fäkalien-verdreckten Handschuhen seine Lok besteigt. Er schreibt einen ÖBB-internen Bericht und weist darauf hin, dass er dieselbe Beobachtung schon wiederholt machen musste.

Am 21. Mai 2013 beschwert sich der Lokführer des Railjets Graz–Wien schriftlich darüber, dass seine Lok seit fast drei Monaten immer noch den gleichen technischen Fehler aufweist. Und er fragt, wie so etwas möglich ist.

Am 27. Mai 2013 beschwert sich der Lokführer des Regionalexpress-Zuges, der von České Velenice/Tschechien über Gmünd/ NÖ nach Wien fährt, dass die Steuerleitung zwischen Triebfahrzeug und Steuerwagen immer wieder unterbrochen wurde – geschätzte vierzigmal. Und dass es deshalb zu starken Zerrungen im Zug und zu Verspätungen kam. Laut Reparatur-Auftragsbuch gab es dieses Problem bereits seit März 2013!

Am 2. Juni 2013 um 13:15 Uhr berichtet ein Lokführer des Regionalzuges, der von Aigen-Schlägl/OÖ nach Linz fährt, dass bei Kilometer 46,6 eine Person am Gleis lag – offenbar mit Suizidabsicht. Trotz Schnellbremsung konnte er den Zug nicht mehr rechtzeitig stoppen und prallte auf die Person auf. Weil es auf dem Führerstand seiner Lok keinen Funkempfang gab, verständigte er per Handy seinen Vorgesetzten. Eineinhalb Stunden später fuhr er weiter und wurde am Bahnhof Haslach abgelöst.

Misswirtschaft mit System

Diese sechs zufällig ausgewählten Berichte sind keine Einzelfälle. Sie stehen in einer ÖBB-internen Datenbank, die nur den etwa 4000 Lokführern und Lokführerinnen sowie deren Vorgesetzten zugänglich ist.

Es ist ein kollektives Lokführer-Tagebuch, in dem alle wichtigen Probleme und Vorfälle im Bahnbetrieb eingetragen werden: technische Störungen, nicht durchgeführte Fahrzeugreparaturen, Probleme mit unfähigen Managern, Konflikte mit Reisenden, Unfälle, Suizide, fehlerhafte Funksysteme, mangelhafte Reinigungsdienste, Missstände beim Übernachten in firmeneigenen Räumlichkeiten, unwillige Zug-Disponenten und vieles andere mehr.

Jeden Monat melden die Lokführer 1000 bis 1500 derartige Probleme. Eine Analyse von etwa 7000 Meldungen des vergangenen halben Jahres ergibt folgende Zustände bei den ÖBB:

1.

Mitarbeiter werden schlecht und unwürdig behandelt.

2.

Im Bahnbetrieb der ÖBB gibt es gravierende Qualitäts- und Sicherheitsprobleme: Notwendige Reparaturen an Fahrzeugen werden oft schlampig oder mit wochenlangen Verzögerungen durchgeführt.

3.

Jeden Monat können Hunderte von Zügen wegen technischer Mängel oder fehlender Überprüfungen nicht wie vorgesehen in Betrieb gehen oder den Zielbahnhof nicht erreichen.

Ich fahre Bahn

Wenn es um die ÖBB geht, scheiden sich die Geister. Es gibt Menschen, die mit der Bahn nichts zu tun haben wollen und nur darüber schimpfen; es gibt Menschen, die auf die Dienste der Bahn angewiesen sind – weil sie als Schüler oder Lehrlinge noch keinen Führerschein besitzen oder bereits zu alt fürs Autofahren sind; es gibt Menschen, die aus finanziellen Gründen oder aus Bequemlichkeit oder, um die Umwelt zu schützen, mit der Bahn fahren; und es gibt Menschen, die leidenschaftlich gern mit der Bahn fahren.

Ich benütze die Bahn, seit ich zehn bin. Für mich waren die ÖBB jahrzehntelang eine Institution, die sich nicht veränderte. Die Autos wurden schneller, die Zeit drehte sich schneller, aber die Bahn blieb »gemütlich« – zumindest in Österreich. Und während sie dahinzuckelte, wurden immer mehr Bahnstrecken eingestellt oder an das jeweilige Bundesland verkauft, und immer mehr Personen fuhren mit dem Auto oder benützten das Flugzeug.

Als ich zum ersten Mal in Deutschland mit einem ICE-Zug fuhr, staunte ich über die Schnelligkeit, Eleganz und Modernität. Dass es so etwas gibt! Es dauerte aber noch viele Jahre, bis sich die ÖBB dazu bequemten, den Staub aus ihren veralteten Zügen zu blasen.

Gehupft wie gesprungen

Wenn ich von Wien nach Vorarlberg fahre, nehme ich meist den Railjet bis Dornbirn und steige in einen Bus um. Bis Ende 2012 dauerte die Bahnfahrt etwa sieben Stunden. In Dornbirn musste ich dann fast ein Stunde warten, bis mich der nächste Bus in meinen Heimatort brachte – weil die Abfahrtszeit des Busses so festgesetzt war, dass er mir jedes Mal vor der Nase davonfuhr.

Ende vergangenen Jahres kam jedoch »Bewegung rein«, wie es in einer ÖBB-Werbung heißt. Die von mir benützte Bahnstrecke in den Westen wurde schneller. Mein erstes Halleluja blieb mir im Hals stecken, als ich hörte, dass es nur eine mickrige halbe Stunde ist. So viele Milliarden waren investiert worden und so wenig war dabei herausgekommen?

Die nächste Überraschung lauerte am Bahnhof Dornbirn. Denn nun musste ich nicht nur eine Stunde auf den Bus warten, sondern eineinhalb. Die ÖBB-Beschleunigung hatte mir also gar nichts gebracht. Wie gewonnen, so zerronnen! Hätte man schon vor Jahren den Fahrplan des Busses der Ankunft des Zuges angepasst, hätte das wahrscheinlich gar nichts gekostet und ich wäre schneller zu Hause gewesen. Und das ganz ohne Milliardeninvestitionen der ÖBB.

Solche Beispiele gibt es viele.

Österreichische Verkehrspolitik

Was sind die Folgen dieser Verkehrspolitik? Für mich persönlich bedeutet es: Entweder buche ich einen Flug nach Altenrhein in der Schweiz und fahre mit einem Leihwagen weiter. Oder ich benütze den ÖBB-Autoreisezug und fahre in Feldkirch mit meinem eigenen PKW weiter. Oder ich nehme den Nachtzug und steige in Dornbirn in ein reserviertes Auto der Firma Carsharing. Oder, in seltenen Fällen, fahre ich die ganze Strecke mit dem PKW.

Alle diese Möglichkeiten habe ich mehrfach ausprobiert. Die simpelste, umweltfreundlichste und billigste Lösung – öffentlicher Verkehr – scheint in Österreich einfach nicht zu funktionieren. Glaubt man dem neuen »Gesamtverkehrsplan für Österreich« aus dem Jahr 2012, soll in Zukunft jedoch alles besser werden.

Der öffentliche Verkehr, so heißt es, soll besser vernetzt werden. Ich höre solche Botschaften schon seit Jahren. Wer’s glaubt, wird selig. Die Schweizer bringen so etwas zustande, aber die Österreicher?

ÖBB-Insider

Für dieses Buch habe ich mit zahlreichen Fachleuten und mehr als einem Dutzend Personen geredet, die bei der Bahn waren oder sind. Einer von ihnen hat es mir ermöglicht, mehrmals auf dem Führerstand einer Lok mitzufahren, etwa von Wien Richtung Norden und Süden. Siehe dazu »Auf einer Lok Richtung Süden« und »Vorwärts in die Vergangenheit«. Während dieser Fahrten hat mir dieser Insider anschaulich gezeigt, was bei den ÖBB schiefläuft.

ÖBB-Geheimnisse

Warum werden viele Strecken gleichzeitig beschleunigt und verlangsamt? Warum ist der Gleisabstand neuer Bahnstrecken zwanzig Zentimeter breiter als in anderen Ländern? Warum werden sündteure Tunnel gebaut, deren Nutzen von unabhängigen Fachleuten bezweifelt wird? Warum sahnen beim Gütertransport private Firmen ab und zahlen die ÖBB drauf? Was ist der Eisenbahner-Himmel? Warum sind die Verkehrsprognosen bei neuen Bahnprojekten meist zu hoch und Kostenschätzungen meist zu niedrig? Warum verteilen ÖBB-Fahrdienstleiter auf Bahnsteigen händisch »Befehle« an Lokführer?

Antworten auf diese Fragen finden Leser im Buch.

Freunderlwirtschaft

Ein eigenes Kapitel ist der Freunderlwirtschaft und ähnlichen österreichischen Spezialitäten gewidmet. Ich habe versucht, alle derzeit laufenden Ermittlungsverfahren gegen ehemalige und noch tätige ÖBB-Manager, aber auch gegen hochrangige Politiker wie den ehemaligen Verkehrsminister Werner Faymann – »sieben Millionen für den Werner« – zusammenzufassen. Sie betreffen insgesamt etwa 25 Personen.

Daraus ergibt sich ein schauriges österreichisches Sittenbild: Hinter fast jedem Vorhang, den man aufzieht, blüht die Korruption. Was sich in den ÖBB abgespielt hat – vorsichtigerweise bleiben wir in der Vergangenheit –, ist durchaus vergleichbar mit der berüchtigten Telekom.

Immerhin gibt es von Seiten des Bahnchefs Christian Kern den erkennbaren Willen, korrupte Vorgänge in Zukunft zu unterbinden. Darüber hinaus scheint mit ihm auch betriebswirtschaftliches Denken bei den ÖBB eingezogen zu sein.

Fünf, sechs oder sieben Milliarden

Wie viel Geld gibt der Bund – also wir Steuerzahler – für die ÖBB aus? Die Antwort darauf ist so kompliziert, dass sich darüber 2009 sogar die Mitglieder der Regierung in die Haare gerieten. Der damalige Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sprach von sieben Milliarden Euro und sein Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) von 6,8 Milliarden. Die Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) dementierte wütend und rechnete vor, dass es lediglich 3,5 Milliarden sind. Jedenfalls zahlt im Schnitt jeder Österreicher jährlich 600 bis 830 Euro für die Bahn, egal, ob er sie benutzt oder nicht.

Wie viele Milliarden nun also? Niemand scheint bereit, darauf eine wirklich klare Antwort zu geben.

Eine Frage, drei Antworten

Drei verschiedene Institutionen, die mit der Finanzierung der Bahn zu tun haben – das Finanzministerium, das Verkehrsministerium und die ÖBB –, kommen bei der Frage nach den Kosten zu drei unterschiedlichen Ergebnissen. Dabei hat man es mit einem Wirrwarr an Zahlen zu tun, die nach unterschiedlichen Gesichtspunkten aufgeschlüsselt oder, besser gesagt, verschlüsselt sind. Für normale Staatsbürger sind die präsentierten Zahlen zum Großteil nicht nachvollziehbar. Ist das Absicht?

Alle Beteiligten versuchen, die Verantwortung für bestimmte ÖBB-Ausgaben von sich zu schieben. Das hat wohl damit zu tun, dass man sich keine Lorbeeren holt, wenn man sagt: Das sind meine Schulden! Und so kommt es, dass sie gerne als herrenloses Gut behandelt werden.

Verkehrsministerium

Das Verkehrsministerium dementierte mir gegenüber die Zahl von sieben Milliarden Euro und verwies darauf, dass alle meine Fragen in den Geschäftsberichten der ÖBB, dem blog.oebb.at sowie auf den folgenden drei Homepages beantwortet werden:

1.

Dem Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes. Hier habe ich allerdings keine Zahlen gefunden, sondern nur Gesetzestexte.

2.

Der Homepage der SchIG – das ist die staatliche Abwicklungsstelle des Verkehrsministeriums für Förderungen im Schienenbereich. Hier habe ich ebenfalls keine Daten zu den Gesamtkosten der ÖBB gefunden.

3.

Der Homepage des Verkehrsministeriums. Hier habe ich zwar keine Angaben zu den Gesamtkosten der ÖBB gefunden, aber ein »Faktenblatt Finanzierung der Schieneninfrastruktur« inklusive zwei Tabellen. Da geht es um Bundeszuschüsse für die Infrastruktur und den Betrieb.

    Die Darstellung der Zahlen für das Jahr 2013 ist so verwirrend, dass nicht genau nachvollziehbar ist, wie viel Geld der Bund insgesamt dafür ausgibt. Überschneiden sich die in den Tabellen genannten Budgetposten? Laut Tabelle 2 zahlt der Bund im Jahr 2013 insgesamt 2,725 Milliarden Euro an das Unternehmen »ÖBB Infrastruktur« für »Infrastruktur, Instandsetzung und Wartung«. Tabelle 1 besagt, dass das Unternehmen »ÖBB Infrastruktur« im Jahr 2013 für »hochrangige Schieneninfrastruktur« 1,792 Milliarden Euro ausgibt. Warum deckt sich keine dieser Zahlen mit jenen, die im offiziellen ÖBB-Rahmenplan der Jahre 2013 bis 2018 angegeben sind? Hat die Verwirrung auch damit zu tun, dass im Jahr 2003 damit begonnen wurde, das Unternehmen ÖBB in drei eigenständige Unternehmensbereiche aufzuspalten: ÖBB-Personenverkehr AG, Rail Cargo Austria AG (= Gütersparte) und ÖBB-Infrastruktur AG? Über diesen drei offiziell unabhängig voneinander wirtschaftenden Teilgesellschaften gibt es die ÖBB-Holding AG.

Am Ende meiner Zahlensucherei stehe ich jedenfalls verdutzt da und fühle mich wie der berühmte Ochs vorm Berg. Der Generalsekretär des Verkehrsministeriums, Diplomingenieur Herbert Kasser, erläutert mir später, dass eine Tabelle bedeutet, »das zahlt der Bund«, und die andere, »das investieren die ÖBB«. Das bringt mich einer Antwort auf die Frage, wie viel Geld der Bund für die ÖBB ausgibt, allerdings auch nicht näher. Ergänzend meint Generalsekretär Kasser, dass man bei den Kosten für die ÖBB auch berücksichtigen müsste, wie viel Steuerleistungen durch ÖBB-Investitionen erbracht werden. Dazu wäre jedoch eine eigene Studie notwendig.

Finanzministerium

Auch aus dem Finanzministerium gibt es viele Zahlen, aus denen man nicht wirklich schlau wird. Der »Arbeitsbehelf Bundesfinanzgesetz 2013« nennt für das Jahr 2012 eine Zahlung von 4,532 Milliarden Euro an die ÖBB. Ob da auch die Kosten für die ÖBB-Pensionisten in der Höhe von rund zwei Milliarden enthalten sind, ist aber nicht klar.

Andere Aufschlüsselungen des Finanzministeriums, bei denen es um Pensionsleistungen, »Schuldenaufnahme ÖBB-Infrastruktur« und Haftungsübernahmen für die ÖBB-Schulden geht, weisen wieder ganz andere Zahlen aus. Auch hier komme ich also auf keinen grünen Zweig. Eine Anfrage an die Pressestelle des Finanzministeriums hilft mir ebenfalls nicht weiter.

ÖBB

Laut Geschäftsbericht erhielten die ÖBB im Jahr 2012 vom Bund 1,09 Milliarden Euro für den Betrieb und 684,2 Millionen Euro als Entgelt für gemeinwirtschaftliche Leistungen. Darüber hinaus auch noch 454,4 Millionen Euro als Beitrag für Infrastruktur-Investitionen und 257,3 Millionen Euro von den Bundesländern und Gemeinden für »Verkehrsdienst-Bestellungen«.

Das ergibt einen Gesamtbetrag von 2,48 Milliarden Euro. Dazu muss man noch den Betrag rechnen, den der Bund für ÖBB-Pensionen ausgegeben hat – rund zwei Milliarden Euro. Und vermutlich einen Anteil von siebzig Prozent jener 2,2 Milliarden Euro (laut Rahmenplan), die vom Bund als Investition in die ÖBB-Infrastruktur übernommen werden – das wären weitere 1,54 Milliarden Euro. Damit käme man auf eine Summe von 6,02 Milliarden Euro.

Zieht man auch noch die »Kostenbeiträge« öffentlicher Stellen und staatsnaher Firmen in Betracht, die auf Seite 98 des ÖBB-Geschäftsberichts 2012 aufgelistet werden, kommt man möglicherweise auf eine Summe zwischen sieben und acht Milliarden Euro.

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Ein Gespräch mit Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker

ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker war erst nach einigem Hin und Her zu einem Gespräch bereit – und gab Überraschendes von sich. Beispielsweise erklärte er, der Bau des milliardenteuren Unterinntaltunnels sei unnötig gewesen (siehe dazu »Problem Österreich – die Unterinntal-Strecke«). Ein Wunsch der Politik, nicht der ÖBB. Pöchhacker dementierte, dass die ÖBB und die Eisenbahnpolitik von Baulobbys dominiert seien. Und dass sich der Staat verschuldet, um teure Infrastrukturprojekte zu finanzieren, ist für ihn kein Problem. Der Nutzen würde sich oft erst Jahrzehnte später erweisen, sagt er.

Pöchhacker bestritt Interessengegensätze zwischen den Funktionen, die er ausübt: etwa als Aufsichtsratschef der ÖBB einerseits und Aufsichtsratschef der Firma UBM andererseits, deren Hauptaktionär die Baufirma PORR ist – die wiederum einer der größten Auftragnehmer der ÖBB ist. In seltenen Fällen, sagte er, müsse er halt den Sitzungsraum verlassen.

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Schulden

Klar ist, dass die ÖBB ein hochverschuldetes Unternehmen sind. Klar ist aber auch, dass ein großer Teil dieser Schulden nicht auf dem Mist der ÖBB gewachsen sind, sondern auf dem Mist aller Verkehrspolitiker, welche das Unternehmen dazu benutzt haben, um ihre Lieblingswünsche in Auftrag zu geben: hier ein sinnloser Tunnel, dort ein größenwahnsinniger Bahnhof, hier eine unnötige Hochleistungsstrecke, dort eine nicht kostendeckende, zu niedrige Schienenmaut, hier ein Freunderl, das man versorgen wollte, dort eine zu breite Trasse.

Weil alle diese Wünsche zwar hohe Kosten verursachten, aber nicht im Bundesbudget ausgewiesen werden mussten, konnte die Politik bis jetzt beruhigt schlafen. Denn offiziell existierten diese Schulden gar nicht; man hatte sie in die ÖBB ausgelagert. Und was »ausgelagert« war, zählte nach den Maastricht-Kriterien der EU nicht.

Seit kurzem geht das aber nicht mehr, weil die EU sagt: So kann das nicht weitergehen. Denn am Ende, wenn irgendwann Zahltag ist, bleiben diese Schulden ja doch beim Eigentümer – dem Staat – hängen.

Immerhin ist bekannt, wie hoch die Schulden sind: 18,4 Milliarden Euro, mit stark steigender Tendenz. Das Verrückte daran ist allerdings, dass das Parlament vor kurzem beschlossen hat, diese Summe für weitere fragwürdige ÖBB-Projekte rasant ansteigen zu lassen. Man genehmigte sogenannte »Vorbelastungen« in der Höhe von über dreißig Milliarden Euro, die in Wirklichkeit aber weit höher sind. Ein einziger Abgeordneter der ÖVP protestierte dagegen und erklärte, so etwas sei unverantwortlich gegenüber den zukünftigen Generationen. Woraufhin er von seinen Parteikollegen gemaßregelt wurde.

Gewinne

Ende April 2013 verkündete ÖBB-Chef Christian Kern: Das vergangene Jahr sei ein erfolgreiches gewesen. Man habe das beste Ergebnis der ÖBB-Geschichte erwirtschaftet und Gewinne geschrieben. Und zwar sowohl der Gesamtkonzern ÖBB als auch die Teilkonzerne.

Wie ist das möglich – gleichzeitig Schulden und Gewinne zu machen? Nun, die Schulden schiebt man in ein dunkles Kammerl und schließt die Tür. Da bleiben sie und wachsen weiter, aber sie stören nicht.

Und damit können wir uns dem erzielten Gewinn zuwenden. Bei den ÖBB ist es ja so, dass Staat, Bundesländer und Gemeinden sehr viel Geld zuschießen: für den Betrieb, für bestellte Verkehrsleistungen und für die Infrastruktur. Diese Zuschüsse machen insgesamt etwa die Hälfte des Umsatzes aus, den die ÖBB erzielen. Die andere Hälfte wird auf dem freien Markt erwirtschaftet.

Woher kommt nun der Gewinn? Die öffentlichen »Zuschüsse« zu den ÖBB sind von 2011 auf 2012 um 149 Millionen Euro angestiegen. Im selben Zeitraum ist auch der »Ertrag« angestiegen – um rund 94 Millionen Euro. Daraus kann man schließen, dass der Ende des Jahres 2012 ausgewiesene Gewinn von 66,5 Millionen Euro im Jahr 2012 letztlich dadurch zustande kam, dass die öffentliche Hand mehr Geld als im Vorjahr zugeschossen hat.

Am ehrlichsten wäre es, wenn der Staat den ÖBB-Bereich Infrastruktur samt allen Schulden übernehmen würde. Dann hätten der Personen- und der Güterverkehrsbereich die Chance, in Zukunft echte Gewinne zu schreiben.

Weniger Bahn

2010 wurden zahlreiche Bahnstrecken eingestellt und das Schienennetz verkleinert, von 5702 Kilometern im Jahr 2009 auf 5241 im Jahr 2010. Das Land Niederösterreich erwarb eine Reihe von Nebenstrecken – und legte viele davon kurz darauf still.

2009 ging der ÖBB-Gütertransport auf Schienen dramatisch zurück, um fast neunzehn Prozent, stieg dann wieder an, und seit Ende 2011 gibt es erneut einen Rückgang. 2011 und 2012 wurden entgegen der Regierungserklärung »Von der Straße auf die Schiene« zahlreiche Verladestellen für Gütertransporte geschlossen.

All das zeigt: Die vielen optimistischen Prognosen über eine Zunahme des Güterverkehrs auf Schienen waren Phantasiezahlen. Fatalerweise basieren jedoch fast alle teuren Tunnelprojekte, Hochleistungsstrecken und Bahnhofsneubauten der vergangenen und noch kommenden Jahre auf diesen falschen Prognosen.

ÖBB – Straße statt Schiene

Laut Geschäftsberichten transportierten die ÖBB im Jahr 2003 insgesamt 184 Millionen Passagiere per Bahn und 93 Millionen mit Bussen.

In den folgenden Jahren drehte sich dieses Verhältnis um. 2006 wurden 193 Millionen Passagiere mit der Bahn transportiert, aber bereits 247 Millionen mit Bussen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass 2003 die Postbusse von den ÖBB übernommen wurden. Sicher ist: Laut Passagierzahlen sind die ÖBB heutzutage eher ein Busunternehmen als ein Schienenunternehmen. Laut Geschäftsbericht waren 2012 insgesamt 214 Millionen Passagiere in ÖBB-Zügen unterwegs, aber 233 Millionen in ÖBB-Bussen.

Diese Tatsache war bis vor kurzem nicht einmal dem ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker bekannt. Als er in einem Gespräch Ende Juni damit konfrontiert wurde, bestritt er das und wollte es gar nicht glauben.

Tricks bei der Schienenmaut

Verbilligt das ÖBB-Unternehmen »Infrastruktur« die Schienenmaut für den Güterverkehr, erspart sich die Güterverkehrssparte der ÖBB (= RCA) viel Geld. Die Verbilligungen in den Jahren 2011 und 2012 um insgesamt 29 Prozent haben wesentlich dazu beigetragen, dass das ÖBB-Unternehmen RCA im Jahr 2012 wenigstens einen kleinen Bilanzgewinn schreiben konnte.

Andererseits wurde die Schienenmaut für den Personenverkehr zwischen Wien und Salzburg erhöht: 2012 um 9,6 Prozent, 2013 um zehn Prozent. Was dazu führte, dass die Kosten für den ÖBB-Personenverkehr, aber auch für den neuen Konkurrenten WESTbahn deutlich höher waren. Für die WESTbahn ergaben sich dadurch Mehrkosten von insgesamt mehr als zwei Millionen Euro, für den ÖBB-Personenverkehr von geschätzten dreißig Millionen Euro. Weil die ÖBB jedoch einen ganz besonderen Vertrag mit dem Bund haben, werden ihr diese Preiserhöhungen zum Großteil vom Steuerzahler ersetzt.

Konkurrenz durch die WESTbahn

Was kann man daraus schließen? Die Schienenmaut ist eine elegante Methode, um die Konkurrenz zu benachteiligen. Allerdings sollten sich die ÖBB alle zehn Finger abschlecken, dass es die WESTbahn gibt. Denn wie heißt es so schön? Konkurrenz belebt das Geschäft! Das Auftreten der WESTbahn hat jedenfalls dazu geführt, dass auf der Konkurrenzstrecke Wien–Salzburg auch die ÖBB mehr Passagiere transportieren. Die Passagiere können sich freuen, denn seither hat sich auch der Service der ÖBB spürbar verbessert.

Ein Blick auf die Schweiz

Was ist der Unterschied zwischen der Schweizer Bahn und der österreichischen? Ein Insider der ÖBB, der beide Bahnsysteme gut kennt, sagt: »Die Schweizer fragen: Was brauche ich für eine Bahn – dann fragen sie das Volk und tun alles, um die Entscheidung umzusetzen. Die Österreicher bauen irgendetwas und fragen dann: Was kann ich damit machen?« Bei den ÖBB, sagt er, regiere die Bauindustrie. Man konzentriere sich auf den Ausbau und die Beschleunigung weniger Hauptstrecken, auf große, teure und fragwürdige Projekte, die für die Gesamtzahl der Bahnkunden wenig Nutzen haben.

Im Unterschied dazu geht es den Schweizern darum, das ganze Land flächendeckend mit guten öffentlichen Verbindungen zu versorgen. Eine Bahn nicht für wenige, sondern für alle. Und eine Vernetzung und Abstimmung aller öffentlichen Verkehrsmittel.

Der Schweizer Bahnfachmann Benedikt Weibel, der lange in leitenden Positionen der SBB war, erklärt: »Man sollte auf alle Investitionen verzichten, deren Nutzen nicht klar ausgewiesen ist.« Würde sich die österreichische Verkehrspolitik an diesen Grundsatz halten, müsste man sofort viele Bahnprojekte – allen voran den Brenner-Basistunnel und die Koralm-Strecke samt Tunnel – einstellen.

Meine persönlichen Wünsche an die Eisenbahn-Götter

Die Einstellung aller Tunnelprojekte, deren Nutzen von unabhängigen Fachleuten als fragwürdig eingestuft wird.

Eine radikale Verkleinerung von Tunnelprojekten.

Verkehrsminister, die in erster Linie ein Interesse an der Bahn statt am Wohlergehen der Bau- und Bankenlobby haben.

Einen Generaldirektor, der sich an der Schweizer Eisenbahn orientiert.

Einen Taktfahrplan nach Schweizer Muster.

Kürzere Fahrzeiten und höhere Pünktlichkeit.

Eine Beschleunigung der Bahn durch konsequente Beseitigung von Langsam-Fahrstellen.

Ein langfristiges, aber auch leistbares Konzept für einen nachhaltigen Schienenverkehr mit Einbindung der Bevölkerung.

Eine bessere Behandlung der Mitarbeiter.

ÖBB-Märchen

Mitte Mai 2013 schickte ich eine Reihe von Fragen an ÖBB-Generaldirektor Christian Kern, ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und Verkehrsministerin Doris Bures.

Zunächst wurden Antworten verweigert – mit der Begründung, meine Meinung über die ÖBB stehe eh schon fest. Nach einigem Hin und Her gab es dann aber doch Gespräche mit ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und dem Generalsekretär des Verkehrsministeriums, Herbert Kasser. ÖBB-Generaldirektor Christian Kern hingegen ließ meine Fragen schriftlich beantworten.

Möglicherweise hat der ÖBB-Chef seinen Laden nicht ganz im Griff. Denn wie sonst ist es erklärbar, dass einige ÖBB-Antworten schlicht und einfach nicht den Tatsachen entsprechen? Etwa die Behauptung, die ÖBB besitzen nur acht LKW und erzielen dementsprechend keinen nennenswerten Umsatz.

Laut firmeneigenen Unterlagen besitzen die ÖBB und ihre Tochterfirmen mindestens 250 LKW und erzielten damit 2012 wohl auch einen entsprechenden Umsatz (siehe »Straße statt Schiene«).

Zweites Beispiel: Offiziell erklären die ÖBB, dass es am 1. Juni 2013 bei der Bahn nur noch 57 Langsamfahrstellen gab – also Streckenteile, auf denen aus technischen Gründen langsamer als üblich gefahren werden muss.

Laut firmeneigenen Unterlagen waren es aber 240 – also mehr als viermal so viele.

Und was soll man davon halten, wenn ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker während unseres Gesprächs erklärte, er halte den Tiroler Unterinntaltunnel für »unnötig«. Das sei ein Wunsch der Politik, nicht der ÖBB gewesen. Dieses »unnötige« Loch kostete die Steuerzahler immerhin 2,4 Milliarden Euro. Aber wir haben’s ja!

Dieses Buch birgt noch weitere Überraschungen.

1. ÖBB-Kritik von innen

Das geht nicht

Einmal ÖBB, immer ÖBB! Wer dort zu arbeiten beginnt, geht dort in Pension. Walter Kaiser* ist eine Ausnahme. Ich treffe ihn in einem Lokal am neu renovierten Wiener Westbahnhof. Er ist seit kurzem für eine private Güterverkehrsfirma tätig. So wie fast alle ÖBB-Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter, die bereit sind, über die ÖBB zu reden, ist er ein begeisterter Eisenbahner. Aber er möchte nicht namentlich genannt werden.

* Alle Namen mit * sind geändert.

Wie beim Militär

Er war bei den ÖBB in verschiedenen Positionen tätig, als Lokführer, als Techniker, als Fahrdienstleiter und im Management. Anfang der 1990er Jahre hat er bei den ÖBB begonnen und dort eine mehrjährige Ausbildung absolviert, als Lokführer und Techniker. Jede Woche musste er Frau und Kinder in Südösterreich verlassen und nach Wien reisen. Wie beim Militär sei es gewesen, sagt er, mit Ausgangssperre ab 22 Uhr und strengen Regeln. Nur am Wochenende konnte er zu seiner Familie nach Hause fahren.

Die Ausbildung selbst sei sehr gut gewesen, aber das Drumherum habe ihn sehr gestört. Vor allem »diese generelle Einstellung zur Arbeit und zum Betrieb«. Wenn man versucht habe, etwas zu verbessern, habe es immer geheißen: »Das geht nicht!« und: »Das ist halt so!«

Extrem starr

Er ist oft dagegen angerannt, aber immer stand ihm dieser Satz im Weg. Die ÖBB seien ein extrem starres System, sagt Walter Kaiser. Er scheiterte zum Beispiel daran, die Bestellung von Schreibmaterial zu vereinfachen. Wenn er einen Kugelschreiber oder Bleistifte benötigte, musste er die Unterschrift von drei oder vier verschiedenen Personen einholen. Das nervte ihn so, dass er sich solche Dinge schließlich auf eigene Kosten besorgte.

Tachinierer

Ohne Zustimmung der Betriebsräte ging nichts. Die hatten die wirkliche Macht, erzählt Kaiser. Selbst die schlimmsten Tachinierer wurden von den Betriebsräten geschützt. Es war gang und gäbe, dass ÖBB-Mitarbeiter mit vierzig oder fünfzig regelmäßig drei Wochen auf Kur gingen und anschließend noch eine Woche krankfeierten. Das war die Vorbereitung für die übliche Frühpension. In der Privatwirtschaft, sagt er, würde man solche Leute kündigen – außer jemand ist wirklich krank. Aber das waren nur die wenigsten. Alle wussten das. Das war die allgemein anerkannte Einstellung zur Arbeit.

Krank spielen

Gebhard Pocher*, der sein ganzes Arbeitsleben bei den ÖBB verbracht hat und seit kurzem pensioniert ist, kann das bestätigen. Auch er war in verantwortlichen Positionen bei den ÖBB, und auch er ist bei den Versuchen, etwas zu verbessern, gegen eine Wand gerannt. Pocher erzählt von einem Mitarbeiter, der regelmäßig alle vier Wochen krank spielte. Die Ärzte hatten ihn bereits mehrfach von links nach rechts und von oben nach unten untersucht und festgestellt: Der hat nichts.

Pocher: »Ich habe versucht, mit ihm zu reden und ihn zu einer anderen Einstellung zu bewegen, aber da war nichts zu machen. Er ist sofort nach dem Gespräch zum Betriebsrat gegangen. Zwei Minuten später hat der bei mir angerufen und sich beschwert, dass ich versucht habe, mit ihm zu reden.«

Viele Betriebsräte

Bei den ÖBB gab es eine große Zahl freigestellter Betriebsräte. Diese waren bei voller Bezahlung nur für die gewerkschaftliche Vertretung zuständig. Sie mussten im Betrieb nichts arbeiten. Laut Gesetz sollte es nur eine begrenzte Anzahl solcher Betriebsräte geben, aber bei den ÖBB herrschten halt eigene Gesetze. Im Zuständigkeitsbereich von Pocher gab es offiziell nur zwei freigestellte Betriebsräte. In Wirklichkeit waren es aber vierzehn oder fünfzehn – pro tausend Mitarbeiter. Dass so ein Betrieb wie die ÖBB in erster Linie dazu da ist, die Kunden zufriedenzustellen und erst dann die SPÖ, die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft, hat niemanden interessiert.

Pocher störte das: »Wenn ich als Verantwortlicher so etwas durchgehen lasse – das Krankfeiern, das Nichtstun, das Tachinieren –, dann mache ich mich mitschuldig. Letztlich ist es ja auch eine Kostenfrage, denn irgendwer muss das alles bezahlen. In diesem Fall der Steuerzahler.«