Schwester Elisabeth - Johannes Hesse - E-Book

Schwester Elisabeth E-Book

Johannes Hesse

0,0

Beschreibung

Die Erlebnisse und Abenteuer der Gemeindeschwester Elisabeth Diener während ihrer Dienstzeit in Eckardtshausen / Thüringen. Schwester Elisabeth Diener wurde im Jahre 1910 geboren. Sie starb im Jahre 1979 im Sophienstift in Weimar und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem städtischen Friedhof von Weimar. Sie wirkte insgesamt 27 Jahre in den Gemeinden Eckardtshausen, Etterwinden und Wackenhof.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 112

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Johannes Hesse - Baron von Hessen-Nassau

Schwester Elisabeth

Das Tagebuch

Johannes Hesse - Baron von Hessen-Nassau

Tagebuch

der Gemeindeschwester

Elisabeth Diener

Die Erlebnisse und Abenteuer der Gemeindeschwester Elisabeth Diener während ihrer Dienstzeit in Eckardtshausen / Thüringen.

Meinen lieben Gemeinden gewidmet und all denen, die mir nahe stehen.

Gar vieles ist da zu berichten

von Menschen, die zur Schwester flüchten,

von all den Großen und den Kleinen,

von allen denen, die da weinen.

Früh schellt die Glocke und zur Nacht,

stet´s muss die Schwester sein auf Wacht.

An sich darf sie schon gar nicht denken,

muss ihre Kraft den Nächsten schenken.

Verbände, Betten, Spritzen machen;

trotz Trübsal tönt oft frohes Lachen

Tritt unser Heiland segnend ein,

strahlt in die Herzen heller Schein

Die Schwester soll in Haus und Straßen

barmherzig sein ohn´ alle Maßen,

Sie hat doch schwarze Kleider an

Da sieht man jedes Fleckchen dran

Gesunde woll´n verstanden sein

Wie viel strömt auf die Schwester ein

Geduldig muss sie es versteh´n,

in Freud und Leiden mitzugeh´n.

So tut sie ihre Pflicht und weiß

sich selbst doch nur als schwaches Reis.

Sie, die im Dienst des Höchsten steht

fühlt dass er immer mit ihr geht.

Ihre Elisabeth Diener

Schwester Elisabeth Diener wurde im Jahre 1910 geboren. Sie starb im Jahre 1979 im Sophienstift in Weimar und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem städtischen Friedhof von Weimar.

Sie wirkte insgesamt 27 Jahre in den Gemeinden Eckardtshausen, Etterwinden und Wackenhof.

Inhaltsverzeichnis

Impressum Seite 7

Tagebuch der Schwester Elisabeth Seite 8

Bild vom Abschiedsgottesdienst Seite 59

Allgemeine Information - Sophienhaus Weimar Seite 61

Allgemeine Information - Eckardtshausen Seite 62

Allgemeine Information - Wackenhof Seite 64

Allgemeine Information - Wilhelmsthal Seite 66

Allgemeine Information - Etterwinden Seite 68

Raum für Notizen Seite 70

Impressum

Herausgeber: Johannes Hesse - Baron von Hessen-Nassau

Bilder: Familie Bruno und Inge Linß,

Anita Wagner, Volkmar Schad, Archiv Hesse

Text: Elisabeth Diener

Layout und Entwurf: Johannes Hesse - Baron von Hessen-Nassau

Copyright©2014 - Alle Rechte vorbehalten

Wenn ich von meiner Gemeindearbeit erzählen will, muss ich weit zurückgreifen; es ist mir noch alles in lebendiger Erinnerung, als sei ich eben erst in mein Dörfchen Eckardtshausen eingezogen. Ihr, meine lieben Eckardtshäuser, und Ihr Lieben in Etterwinden, dazu gehört ja auch der Wackenhof und Wilhelmsthal. Hätten wir denn damals gedacht, dass wir 27 Jahre zusammen leben sollten, fest aneinander gekettet in Freud und Leid, bei Frost und Hitze, immer unzertrennlich, immer sprungbereit ?

Nachdem ich vier Wochen da war, habe ich erst meine Sachen ausgepackt, ich wollte nicht in diesem, und nun seid nicht böse, wenn ich wieder einmal „Drecknest“ sage, bleiben, und wie habe ich doch „mein Drecknest“ liebgewonnen.

Es war am 1. Mai 1928, als ich die Schwesternstation Eckardtshausen mit den angeschlossenen Gemeinden Etterwinden, Wilhelmsthal und Wackenhof übernommen habe. Eckardtshausen war bekannt als eine schwierige Station, weit abgelegen, und hatte daher dauernd Schwesternwechsel. Zur damaligen Zeit wollte man die dort arbeitende Schwester behalten und von einer „Neuen“ nichts wissen.

Unsere Frau Oberin Margarete Busch ließ mich zu sich kommen. In ihrer liebenswürdigen Art bat sie mich, die Station Eckardtshausen zu übernehmen und zu halten.

Unser guter, nun heimgegangener Pfarrer Gießen sagte zu mir: „Schwester Elisabeth, wenn Sie die Station nicht halten können, dann wird sie aufgelöst. Ich habe gedacht, der Himmel stürzt über mir ein und doch antwortete ich: „An mir soll‘ s nicht liegen. Nun wurden die Sachen gepackt, und auf nach Eckardtshausen. Der Herr Pfarrer hatte mich bereits telegrafisch angemeldet, ich mich noch einmal schriftlich beim Bürgermeister. Herr Pfarrer sagte, die Schwestern, die so weit vom Bahnhof abgelegen wohnen, werden meist mit dem Pferdegeschirr abgeholt. So hatte ich also noch eine schöne Landpartie in Aussicht. Und während ich jetzt schreibe, erlebe ich in Gedanken alles noch einmal, trotzdem es bereits 27 Jahre zurückliegt.

Heute kann ich darüber lachen, damals lag mir das Heulen näher. Ich kam gegen 4 Uhr nachmittags auf dem Bahnhof in Förtha, zu jener Zeit noch Epichnellen, an: Es war kein Pferdegeschirr zu sehen. Plötzlich entdeckte ich einen älteren Herrn und ein junges Mädchen, jeder mit einem Handwagen versehen. Es war der Gemeindediener Gustav Manß, und Hedwig Köhler, die Tochter meines künftigen Hauswirts. Beide kamen auf mich zu und fragten mich, ob ich die „neue Schwester“ sei. Ich bestätigte das, ausweisen brauchte ich mich nicht, und nun ging‘s hinauf nach Eckardtshausen.

Ja, hinauf mussten wir, denn Eckardtshausen liegt so ungefähr in gleicher Höhe mit der Wartburg. Die Koffer wurden in beiden Handwagen gut verstaut, und auf Schusters Rappen ging es vorwärts. Viel gesprochen haben wir nicht. Mir waren alle Felle weg geschwommen, und ich verstand auch die Eckardtshäuser Sprache noch nicht. Als wir so ungefähr eine halbe Stunde durch Pfützen und Schlamm gewandert waren, ich mit vornehmen Stadtschuhen, (ich kam zum ersten Mal auf´s Land als Schwester), fragte ich schüchtern: „Wann kommt denn Eckardtshausen ?“ Man tröstete mich: „Bald sehen Sie den Kirchturm.“

Noch eine Viertelstunde Weg, und ich sah in weiter Ferne wirklich den Kirchturm. Es wurde mir ganz leicht zu Mute, als ich die Kirche sah, denn dort holen wir uns Kraft für unseren Alltag. Nun hatten wir die Höhe erreicht. Ein wunderschönes Landschaftsbild bot sich meinen Augen. Nichts als Wälder im frischen Frühlingsgrün, saftige Wiesen, auf den Feldern sprossten die ersten Hälmlein, und die Lerchen jubilierten.

Es war, als ob sie mir zuriefen: „ Sei nicht so traurig, schau zu deinem Schöpfer auf und jubiliere mit!“ Und wirklich, mir wurde leichter ums Herz, und mein Schritt fester. Jetzt sind wir im Dörfchen angelangt. Mit kritischen Augen werde ich gemustert. Die Kleinen rennen nach Hause: „Mer hanse gesent, die neube Schwester ist da.“ Ja, die neue Schwester war da. Ich kam. mir vor wie ein Schulkind und nicht wie die neue Gemeindemutter, die ich ja nun werden sollte. Jetzt wurde ich auf die Schwesternstation in die Quergasse , genannt „die Pfütz“ geführt. Durch den dauernden Schwesternwechsel (es waren nicht immer Sophienhausschwestern hier tätig) war die Station sehr vernachlässigt. Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche fand ich mit den nötigsten, zusammen gewürfelten Möbeln ausgestattet.

Zwei Katzen waren auch da, einen Küchenschrank hatte ich nicht, und so wurden mir meine kleinen Vorräte aufgefressen, bis ich es satt hatte und die Tiere weiter verschenkte. Hedwig, die mich von der Bahn abgeholt hatte, war immer dienstbereit. Sie hat mir dann auf der Station anderthalb Jahre treu geholfen.

Gustav Manß, unser guter, alter Pfarrkutscher, verabschiedete sich nun von mir und wünschte mir alles Gute. Wie treu hat er zu mir und meiner Station gehalten! Es ist mir ein Herzensbedürfnis, ihm und seiner lieben Frau Elise an dieser Stelle zu danken für alle Treue und Liebe. Wie eigen und sauber wurde in den siebenundzwanzig Jahren das Holz gehackt, vom Buchenholz bis zu den kleinen Splittern, das durfte kein anderer machen, und kaum einer konnte es so fein wie Gustav Manß. Ottilie und der Christian schafften es dann fort, und später meine lieben, treuen Glock‘s. Ich muss euch schon alle erwähnen und danke auch allen noch einmal recht herzlich.

Jetzt bin ich aber ganz abgeschweift und muss doch von den nächsten ersten Stunden berichten. Es war noch hell, ich überlegte, machst du erst Besuche oder machst du erst die Station sauber ? Ich habe mich fürs erste entschieden, und mein erster Weg führte mich zum Bürgermeister. Bis dahin musste ich mich natürlich durchfragen und wurde von Groß und Klein gemustert. Als mich die Leutchen sahen, meinten sie: „Nee, is das e klei Dingelcben, hat die e klei Mittchen.“ Ich musste immer erst fragen, was das bedeutet. Also, das heißt: dünn und eine schmale Mitte. Damals wog ich 54 Kilo, und ich wünschte, ich hätte mei klei Mittchen behalten und wäre nicht so rundlich geworden wie heute. (Aber das gehört ja eigentlich nicht hierher.)

Mit etwas Herzklopfen machte ich meinen Besuch beim Bürgermeister, er sah gar nicht so fürchterlich aus. Wir beide haben manche Freude und manches Leid geteilt. Es war der damalige Schneidermeister Konrad Radloff, der mir, und später sein Sohn und heute der Enkel, sämtliche Mäntel prima wie angegossen gearbeitet hat. Mit den Enkelsöhnen Kurt und Oswald wurden wir eine dicke Freundschaft Die Mutter des Bürgermeisters, die gute alte Madlen, kam herein, sie holte zwei Eier aus der Schürzentasche und sagte zu mir: „Schwaster, namse die zwei Eier“ Es ist Sitte, dass jede neue Schwaster zwei Eier von mir kriegt. Hoffentlich bleiben se nun bei uns.“ Wir hatten uns in den Jahren recht liebgewonnen.

Wenn sie am Sonntag Nachmittag mit der guten, alten Frau Gesell zu mir kam, musste ich Bohnenkaffee kochen und ihnen ein paar Lieder auf meinem Harmonium spielen. Dann zogen die lieben Altchen fröhlich heim. Warum ich nur immer abschweife ? Doch all die kleinen Erlebnisse fallen mir augenblicklich wieder ein.

Den nächsten Besuch machte ich im Lehrerhaus. Der kleine Hilmar mit seinem blonden Lockenköpfchen und dem blauen Kittelchen musterte mich sehr genau. Dann erst gab er mir freundlich lächelnd seine kleine Patschhand. Es wurde ein schönes Verhältnis mit beiden Lehrersfamilien Gramß und Scharf.

Den kleinen Hilmar habe ich oft am Abend Huckepack ins Bett hinaufgetragen, und dann musste ich mich an sein Bett setzen und singen. Später kam sein kleiner Vetter, der Alwin, dazu. Nun wollte jeder Bub ein Liedchen gesungen haben. Keiner durfte bevorzugt werden. Oft nahm ich mein Abendbrot mit, und wir haben dann in Gemeinschaft gegessen, und wenn die gute Helene etwas Besonderes hatte, musste ich davon kosten. Am besten schmeckte doch die Zitronencreme. Die Geburtstagsfeste waren am allerschönsten; dazu gehörte auch die Lehrerfamilie Hill aus Etterwinden. Dann tollte ich mit den Jungen im Garten herum, spielte mit ihnen Indianer, und schämte mich nicht, mit meinen zweiunddreißig Jahren so herumzutollen.

Doch nun wieder zurück zum ersten Abend ., Ich machte noch einen Besuch bei meinem Nachbar Christel Lieding in der Pfütz, er war damals zweiter Bürgermeister. Sehr lieb hat er mich nicht empfangen. Ich erwähnte schon, dass sie keine neue Schwester haben wollten. Er erklärte mir kurz und bündig: „Dass Sie‘ s wissen, Sie sind keine Schwester für‘s Pfarrhaus, sondern für die Gemeinde.“

Ich antwortete ihm freundlich, dass ich überall dahin gehe, wohin ich gerufen werde, und dass ich mir nichts verbieten lasse. In der Gemeinde soll er gesagt haben: „Die Neue hat aber Haare auf den Zähnen.“ Der gute Christel, wir sind treue Freunde geworden, und ich konnte alles mit ihm besprechen. Ich betreute dann seinen kleinen Nachkömmling, das Elschen, und trug Leid mit ihm um seinen prächtigen Ewald. Und dann durfte ich ihn bis zum Throne Gottes begleiten, es waren schwere Wochen und Nächte. In einer Gewitternacht haben wir beide zusammen zum letzten Male gebetet.

Wie oft sagte er zu mir: „Schwaster, beten Sie.“ Ich vergesse nicht einen ersten Pfingsttag: ich komme aus der Kirche, habe meine Noten mitgebracht, öffne leise das Klavier (seit Ewald‘s Tode durfte niemand mehr spielen) und spielte „0 heil‘ger Geist, kehr bei uns ein.“ Mit Tränen in den Augen singt mein Patient mit. Wir drücken uns wortlos die Hand. Solche Stunden sind Segensstunden im Leben einer Gemeindeschwester, sie spürt die Verbindung mit dem Vater im Himmel. Ich bin schon mitten im Erleben und doch erst ein paar Stunden in Eckardtshausen.

Jetzt geht´s auf Station; sie ist armselig und bedarf erst einmal einer gründlichen Reinigung. Wasser, Seife, Bürste müssen herhalten. Zuerst wird mit Hedwig die Matratze herausgeschafft, dann die langen Spinnweben mit ihren Besitzern hinausbefördert. Nachts um 12 Uhr bin ich fertig und lege mich reichlich müde zu Bett. Um 4 Uhr wache ich auf durch ein Blöken und Kettenrasseln. Ich wusste nicht, wo ich war, bis mir endlich zum Bewusstsein kam: daneben ist ja der Stall mit den Kühen. Beruhigt schlief ich noch etwas ein, wurde dann aber vollends wach, da ich nach Eisenach wollte.

Ich hatte mir vorgenommen, gleich am ersten Tag meinen Besuch in Eisenach auf dem Kreisamt bei der Kreisfürsorgerin und beim Landrat zu machen. Nun rüstete ich mich, ich hatte eine Stunde zur Bahn und eine Viertelstunde Bahnfahrt, und stellte mich meiner vorgesetzten Behörde vor. Hier wurden mir gute Ratschläge gegeben. Da Etterwinden ebenso groß ist, fast noch größer, als Eckardtshausen, sollte mir die Gemeinde ein Zimmer zur Verfügung stellen. Dann würde Etterwinden auch besser versorgt.

Als ich etliche Wochen in Eckardtshausen war, da sagte ich zum Bürgermeister: „Wenn Sie mich behalten wollen, dann bitte ich darum, dass meine Station frisch

gestrichen und tapeziert wird. Der Gemeinderat besichtigte die Wohnung und meinte, in diesen verräucherten Zimmern wolle er selbst nicht wohnen.

Bald sah die Wohnung freundlich und einladend aus. Ich ließ noch einige Möbelstücke anfertigen, vor allem einen Küchenschrank, der noch heute das Schmuckstück meiner kleinen Küche ist. Wie schwer war doch der Anfang ! Es wurde eine Gemeinderatssitzung in Etterwinden abgehalten, ich armes Geschöpf war auch dabei. Ganz offen wurde mir gesagt: „ wir wollen eine Schwaster, die Radfahren kann, sich zu jeder Zeit aufs Rad schwingt und hier sein kann.“ Ich konnte ja leider noch nicht Radfahren. Das zu lernen, war nun meine erste Aufgabe. Ein Rad war auf der Station, aber was für eins, viel zu hoch für mich.