Sharpes Trophäe - Bernard Cornwell - E-Book

Sharpes Trophäe E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

In diesem Kampf geht es um mehr als ein Symbol!

Spanien, Juli 1809. Zwar sind die französischen Truppen wegen des Eingreifens Englands bereits auf dem Rückzug, doch noch immer treiben sie auf der Iberischen Halbinsel ihr Unwesen. Auch ins spanische Talavera ziehen sie mit ihrer Standarte: einem prächtig vergoldeten Adler, Symbol ihrer militärischen Triumphe. Sie hüten ihn wie einen Schatz, denn sein Verlust wäre ein herber Schlag für ihre Kampfmoral. Nur einer unter den Feinden Frankreichs würde es wagen, diese Trophäe zu stehlen: Richard Sharpe. Und den reizt nichts mehr als eine scheinbar unlösbare Aufgabe, zumal er seinen Vorgesetzten beweisen muss, zu was er fähig ist ...

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

EPILOG

HISTORISCHE ANMERKUNG

Über den Autor

Bernard Cornwell wurde 1944 in London geboren. Er arbeitete lange für die BBC, unter anderem in Nordirland, wo er seine Frau kennenlernte. Heute lebt er die meiste Zeit in den USA. Er ist Autor zahlreicher international erfolgreicher historischer Romane und Thriller. Die Sharpe-Serie, die er in den 80er-Jahren zu schreiben begann, hat Kultstatus erreicht und wurde von der BBC mit Sean Bean in der Hauptrolle verfilmt.

Weitere Informationen finden Sie auf www.bernardcornwell.net

Bernard Cornwell

SHARPESTROPHÄE

Aus dem Englischen vonBernd Müller

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1981 by Bernard Cornwell

Titel der englischen Originalausgabe: »Sharpe’s Eagle«

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2011/2023 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten

Textredaktion: Rainer Delfs

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von © Collaboration JS | arcangel; tokar / shutterstock.com

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-1078-5

luebbe.de

lesejury.de

Für Judy

PROLOG

Im Jahre 1809 war die britische Armee ebenso wie heute in Regimenter aufgeteilt, nur wurden die meisten mit Ziffern, nicht mit Namen bezeichnet. So hieß beispielsweise das Bedfordshire Regiment korrekt das 14th Regiment, die Connaught Rangers waren das 88th Regiment und so weiter. Den Soldaten waren die Namen lieber, aber sie mussten bis 1881 auf ihre offizielle Einführung warten. Ich habe dem (fiktiven) South Essex Regiment mit Absicht keine Zahl zugeteilt.

Das Regiment stellte eine verwaltungstechnische Einheit dar. Die grundlegende Kampfeinheit war das Bataillon. Die meisten Regimenter bestanden aus mindestens zwei Bataillonen, aber einige, darunter das imaginäre South Essex, waren kleine Regimenter mit nur einem Bataillon. Daher werden in diesem Buch beide Begriffe abwechselnd gebraucht. Auf dem Papier hatte ein Bataillon eine Sollstärke von etwa tausend Mann, doch oft genug sorgten Krankheiten, Verletzungen sowie der allgemeine Mangel an Rekruten dafür, dass Bataillone nur mit fünf- bis sechshundert Mann ins Feld ziehen konnten.

Jedes Bataillon war in zehn Kompanien aufgeteilt. Zwei davon, die Leichte Kompanie und die Grenadierkompanie, stellten die Elite des Bataillons dar, und gerade die Leichten Kompanien erwiesen sich als ungemein nützlich, sodass man nach Art der 95th Rifles ganze Regimenter aus Leichtbewaffneten aufstellte oder bereits existierende entsprechend erweiterte.

Ein Bataillon stand in der Regel unter dem Kommando eines Lieutenant Colonels, unterstützt von zwei Majors, zehn Captains, und unter ihnen die Lieutenants und Ensigns. Keiner dieser Offiziere hatte in der Regel eine formelle Ausbildung hinter sich. Diese blieb den Offizieren der Pionier- und Artillerieeinheiten vorbehalten. Ungefähr jeder zwanzigste Offizier war früher einfacher Soldat gewesen und dann befördert worden. Im Normalfall erfolgte die Beförderung eher nach Dienstjahren als nach Leistung, aber ein wohlhabender Mann konnte sie sich auch erkaufen, sofern er in seinem alten Rang eine bestimmte Mindestzeit abgedient hatte. Diese Möglichkeit barg zwar einige Härten und Ungerechtigkeiten in sich, aber man sollte immer im Auge behalten, dass ohne dieses Bezahlungssystem Großbritanniens erfolgreichster Soldat, Sir Arthur Wellesley, der spätere Herzog von Wellington, niemals früh genug jenen hohen Rang erreicht hätte, der ihm die Chance gab, das brillanteste Heer aufzustellen, das Großbritannien je besessen hat, jenes Heer, in dem Richard Sharpe zwischen 1808 und 1814 in Portugal, Spanien und Frankreich die Franzosen bekämpfte.

KAPITEL 1

Die Kanonen waren zu hören, lange bevor sie in Sicht kamen. Kinder klammerten sich an die Rockschöße ihrer Mütter und wunderten sich, was das für ein schreckliches Ding sei, das solche Geräusche hervorbrachte. Der Hufschlag der großen Pferde begleitete das Gerassel von Zugriemen und Ketten und das hohle Rumpeln der wirbelnden Räder. Das alles wurde übertönt von dem Krachen, mit dem Tonnen von Messing, Eisen und Holz über das geborstene Straßenpflaster der Stadt gezogen wurden. Und dann sah man sie: Kanonen, Lafetten, Pferde und Vorreiter, und die Kanoniere, deren Gesichter ähnlich abweisend wirkten wie die dicken, geschwärzten Fässer, die von den Kämpfen im Norden zeugten, wo die Artillerie ihre massiven Waffen durch angeschwollene Flüsse und über regendurchtränkte Hänge gezogen hatte, um Tod und Verderben über den Feind zu bringen. Nun würden sie es noch einmal versuchen. Mütter hielten ihre Kleinsten umschlungen, zeigten auf die Kanonen und prahlten damit, wie diese Briten Napoleon so weit bringen würden, sich zu wünschen, er wäre auf Korsika geblieben und hätte Schweine großgezogen, das Einzige, wozu er fähig sei.

Und erst die Kavallerie! Die portugiesischen Zivilisten applaudierten den vorbeitrottenden Reihen prächtiger Uniformen, den gebogenen, glänzenden Säbeln, die man aus der Scheide gezogen hatte, um sie in den Straßen von Abrantes zur Schau zu stellen. Da war der feine Staub, den die Hufe der Pferde aufwirbelten, ein geringer Preis, den es für den Anblick der herrlichen Regimenter zu zahlen galt, die nach Meinung der Stadtbevölkerung die Franzosen geradewegs über die Pyrenäen und zurück in die Gossen von Paris treiben würden.

Von Norden und Süden, von den Häfen an der Westküste her strömten die Soldaten zusammen und marschierten gen Osten auf der Straße, die der spanischen Grenze und dem Feind entgegenführte. Portugal würde befreit, Spaniens Stolz neu entfacht, Frankreich erniedrigt werden, und dann konnten diese britischen Soldaten in ihre eigenen Weinschenken zurückkehren und Abrantes und Lissabon, Coimbra und Oporto in Frieden zurücklassen.

Die Soldaten selbst waren weniger zuversichtlich. Sicher, sie hatten Soults Heer im Norden geschlagen, doch während sie in die eigenen, länger werdenden Schatten marschierten, fragten sie sich, was sie wohl hinter Castelo Branco erwartete, der nächsten und letzten Stadt vor der Grenze. Bald würden sie erneut den blauberockten Veteranen von Jena und Austerlitz gegenüberstehen, den Helden der Schlachtfelder Europas, den französischen Regimentern, die schon die besten Heere der Welt zerschlagen hatten.

Das Stadtvolk war beeindruckt, zumindest von der Kavallerie und Artillerie, doch für das erfahrene Auge waren die Truppen, die sich um Abrantes zusammenzogen, jämmerlich klein und die französischen Heere im Osten bedrohlich groß. Das britische Kontingent, das den Kindern von Abrantes so gewaltig vorkam, konnte den französischen Marschällen keine Angst einflößen.

Lieutenant Richard Sharpe, der in seinem Quartier am Stadtrand auf Befehle wartete, sah zu, wie die Kavallerie die Säbel wegsteckte, nachdem man die letzten Zuschauer hinter sich gelassen hatte, und wandte sich wieder der Aufgabe zu, den schmutzigen Verband von seinem Oberschenkel zu wickeln.

Als die letzten klebrigen Reste abgeschält waren, fielen einige Maden zu Boden, und Sergeant Harper ging in die Knie, um sie aufzuheben, ehe er die Wunde besah.

»Verheilt, Sir. Wunderschön.«

Sharpe knurrte. Die Säbelwunde hatte sich in neun Zoll verzogenen Narbengewebes verwandelt, das sich sauber und rosig von der dunkleren Haut abhob. Er riss die letzte fette Made ab und überreichte sie Harper zur sicheren Aufbewahrung.

»So, meine Schöne, wohlgenährt bist du.« Sergeant Harper verschloss die Büchse und blickte zu Sharpe auf. »Sie hatten Glück, Sir.«

Allerdings, dachte Sharpe. Der französische Husar hätte ihm beinahe den Garaus gemacht. Der kraftvoll von oben nach unten geführte Säbelhieb hatte sein Ziel fast schon erreicht, als Harpers Gewehrkugel den Franzosen aus dem Sattel hob, dessen Grimasse, eingerahmt von den unheimlichen Rattenschwänzen, plötzlich in Agonie erstarrte. Sharpe war verzweifelt ausgewichen, und der auf seine Kehle gerichtete Säbel hatte sich in seinen Oberschenkel gebohrt. Eine weitere Narbe zum Andenken an sechzehn in der britischen Armee verbrachte Jahre. Eine tiefe Wunde war das nicht gewesen, aber Sharpe hatte zu viele Männer an kleineren Schnittverletzungen sterben gesehen, mit Blutvergiftung und verfärbtem, stinkendem Fleisch. Die Ärzte hatten sich jeweils nicht anders zu helfen gewusst, als den Verletzten in einem der Leichenhäuser, die sie Hospitäler nannten, bis zu seinem Tode schwitzen und verkommen zu lassen. Ein paar Maden brachten mehr zuwege als jeder Feldarzt, indem sie das kranke Gewebe wegfraßen, sodass sich das gesunde Fleisch auf natürliche Weise wieder schließen konnte. Der Lieutenant stand auf und belastete prüfend das Bein. »Danke, Sergeant. So gut wie neu.«

»War mir ein Vergnügen, Sir.«

Sharpe streifte die Kavalleriemontur über, die er statt der vorgeschriebenen grünen Hosen der 95th Rifles trug. Er war stolz auf die grüne Uniform mit den schwarzen Lederflicken, die er im vergangenen Winter dem Leichnam eines Chasseurs aus Napoleons Leibregiment abgenommen hatte. Die Außenseite eines jeden Hosenbeins war mit mehr als zwanzig Silberknöpfen verziert gewesen, mit denen Sharpe in den Tavernen Essen und Trinken für seine Scharfschützen bezahlt hatte, die durch die galizischen Schneefelder nach Süden geflohen waren. Er hatte Glück gehabt, den Chasseur zu erwischen. Es gab in beiden Heeren nicht viele Männer, die so groß wie Sharpe waren, doch diese Montur passte wie angegossen, und die weichen, soliden schwarzen Lederstiefel des Franzosen hätten eigens für den englischen Lieutenant angefertigt sein können.

Patrick Harper hatte es da schwerer. Der Sergeant überragte Sharpe um volle vier Zoll, und der riesenhafte Ire wartete immer noch sehnsüchtig darauf, eine ordentliche Hose zu finden, einen Ersatz für seine ausgeblichenen, geflickten und zerlumpten Beinkleider, mit denen man kaum noch die Krähen von einem Rübenfeld verjagen konnte.

Die gesamte Kompanie sieht so aus, dachte Sharpe, ihre Uniformen sind fadenscheinig, ihre Stiefel werden praktisch nur noch von Fellstreifen zusammengehalten. Und solange ihr Heimatbataillon zu Hause in England weilte, würde Sharpes kleine Schar keinen Feldzeugmeister finden, der bereit war, seine Buchführung dadurch zu komplizieren, dass er ihnen neue Hosen oder Schuhe zuwies.

Sergeant Harper reichte dem Lieutenant seine Uniformjacke. »Möchten Sie ein ungarisches Bad, Sir?«

Sharpe schüttelte den Kopf. »Es geht schon.« In der Jacke hausten zwar einige Läuse, aber noch nicht genug, als dass es gerechtfertigt gewesen wäre, die Uniform dem Rauch eines Grasfeuers auszusetzen, sodass sie für die nächsten Tage wie ein Kohlenbrenner gestunken hätte. Die Jacke war so abgetragen wie alle anderen auch in dieser Kompanie, aber nichts, nicht einmal der bestgekleidete Leichnam Portugals oder Spaniens, hätte Sharpe dazu bringen können, sie wegzuwerfen. Sie war grün wie die dunkelgrüne Jacke der 95th Rifles, und sie war das Kennzeichen eines Eliteregiments.

Die britische Infanterie trug Rot, aber die Besten in der britischen Infanterie trugen Grün, und selbst nach drei Jahren bei den 95th Rifles hatte Sharpe noch Freude an der Auszeichnung, welche die grüne Uniform bedeutete. Sonst besaß er nichts, nur seine Uniform und das, was er auf dem Rücken mit sich tragen konnte. Richard Sharpe kannte keine andere Heimat als das Regiment, keine Familie außer seiner Kompanie und keinen Besitz bis auf das, was in seinen Tornister und seine Taschen passte. Er kannte keine andere Art zu leben, und er erwartete, so zu sterben.

Um die Taille band er sich die rote Offiziersschärpe und darüber den schwarzen Lederriemen mit der silbernen, schlangenförmigen Gürtelschnalle. Nach einem Jahr auf der Iberischen Halbinsel deuteten nur noch die Schärpe und sein schwerer Degen auf seinen Offiziersrang hin, und selbst seine Waffe entsprach, genau wie die Montur, nicht den Vorschriften. Offiziere der Rifles hatten wie alle Offiziere der Leichten Infanterie einen gebogenen Säbel mitzuführen, aber Sharpe missfiel diese Waffe. Stattdessen trug er den langen geraden Degen der Schweren Kavallerie, ein Ungetüm von einer Waffe, schlecht ausbalanciert und grob, doch Sharpe behagte das Gefühl, eine primitive Waffe zu halten, mit der er die schlanken Klingen französischer Offiziere niederschlagen und Muskete und Bajonett beiseitehauen konnte.

Der Degen war nicht seine einzige Waffe. Zehn Jahre lang war Richard Sharpe in den Reihen der Rotröcke marschiert, zunächst als einfacher Soldat, dann als Sergeant, und hatte eine Muskete mit glattem Lauf über die Tiefebenen Indiens getragen. Er hatte mit der schweren Steinschlossflinte in der Formation gestanden, war von Entsetzen erfüllt mit einem Bajonett in die Bresche gesprungen, und auch jetzt noch führte er in jeder Schlacht eine Langwaffe mit sich. Das Baker-Gewehr zeichnete ihn aus, hob ihn von den anderen Offizieren ab, und die sechzehnjährigen Ensigns, die man frisch in ihre nagelneuen Uniformen gesteckt hatte, waren auf der Hut vor dem hoch gewachsenen schwarzhaarigen Lieutenant mit dem umgehängten Gewehr und der Narbe, die seinem Gesicht, außer beim Lächeln, den Ausdruck grimmiger Belustigung verlieh. Manch einer fragte sich, ob die Geschichten stimmten, Geschichten vom indischen Kontinent aus Seringapatam und Assaye, doch ein Blick aus den scheinbar spöttischen Augen oder der Anblick der abgenutzten Griffe seiner Waffen ließen die Zweifel verstummen. Wenige unter den frischgebackenen Offizieren machten sich die Mühe, darüber nachzudenken, wofür dieses Gewehr in Wahrheit stand, für den heftigsten Kampf nämlich, den Sharpe je ausgefochten hatte, für seinen Aufstieg aus den Mannschaften in die Offiziersmesse.

Vom Fenster aus blickte Sergeant Harper auf den in nachmittägliches Licht getauchten Platz.

»Da kommt Happy, Sir.«

»Captain Hogan.«

Harper ignorierte die Rüge. Er und Sharpe waren zu lange zusammen gewesen, hatten gemeinsam zu viele Gefahren durchgestanden, und der Sergeant wusste genau, welche Freiheiten er sich bei seinem wortkargen Offizier herausnehmen durfte. »Er sieht fröhlicher denn je aus, Sir. Muss wieder mal einen Auftrag für uns haben.«

»Ich bete zu Gott, dass sie uns in die Heimat schicken.«

Harper, der mit seinen riesigen Händen behutsam das Schloss seines Gewehrs auseinandernahm, tat so, als habe er die Bemerkung nicht gehört. Er wusste, was sie zu bedeuten hatte, doch dieses Thema war gefährlich. Sharpe befehligte die Überreste einer Kompanie von Scharfschützen, die im vergangenen Winter während des Rückzugs nach La Coruña von der Nachhut des Heeres von Sir John Moore abgeschnitten worden war. Ein schrecklicher Feldzug war das gewesen, unter Wetterbedingungen, die eher den Erzählungen der Reisenden von Russland entsprachen als dem nördlichen Spanien. Männer waren im Schlaf gestorben, ihr Haar am Boden festgefroren, während andere auf dem Marsch vor Erschöpfung gestürzt waren und sich vom Tode hatten überrumpeln lassen.

Die Disziplin des Heeres hatte nachgelassen und die betrunkenen Nachzügler waren leichte Beute für die französische Kavallerie gewesen, die ihre übermüdeten Reittiere in den Rücken des britischen Heeres trieb. Die Säufer wurden durch einige wenige Regimenter wie die 95th Rifles vor dem Untergang bewahrt, die ihre Disziplin aufrechterhielten und weiterkämpften.

Es kam die Jahreswende 1809, und immer noch dauerte die albtraumhafte Schlacht an, eine Schlacht, die mit feuchtem Schießpulver von frierenden Männern ausgefochten wurde, die im Schneegestöber nach den vermummten französischen Dragonern Ausschau hielten. Dann, eines Tages, als der Schneesturm im Wind anschwoll wie ein böswilliges Ungeheuer, hatten die Reiter die Kompanie von den Ihren abgeschnitten. Der Captain wurde getötet, dann der andere Lieutenant, die Gewehre weigerten sich zu schießen, die Säbel des Feindes sausten auf und ab, der feuchte Schnee dämpfte jeden Laut bis auf das angestrengte Grunzen der Dragoner und das entsetzliche Hacken der Klingen, die in der eisigen Luft dampfende Wunden schlugen.

Lieutenant Sharpe und einige wenige Überlebende kämpften sich frei und erklommen hohe Felsen, wo die Reiter sie nicht verfolgen konnten, doch als sich der Sturm legte und der letzte Schwerverwundete gestorben war, bestand keine Hoffnung mehr auf Wiedervereinigung mit dem Heer. Das zweite Bataillon der 95th Rifles war heimgesegelt, während sich Sharpe und seine dreißig Mann, verloren und vergessen, nach Süden wandten, fort von den Franzosen, um sich der kleinen britischen Garnison in Lissabon anzuschließen.

Seither hatte Sharpe ein Dutzend Mal verlangt, nach Hause geschickt zu werden, doch Scharfschützen waren allzu selten, allzu wertvoll, und der neue Befehlshaber des Heeres, Sir Arthur Wellesley, war nicht einmal bereit, auf einunddreißig von ihnen zu verzichten. So kam es, dass sie geblieben waren und für jedes Bataillon gekämpft hatten, dessen Leichte Kompanie Verstärkung nötig hatte. Auf demselben Weg, den sie gekommen waren, marschierten sie auch wieder gen Norden und standen Wellesley bei, als dieser Sir John Moore rächte, indem er Marschall Soult und seine Veteranen Hals über Kopf aus Nordportugal vertrieb.

Harper wusste, dass sein Lieutenant in störrischem Zorn mit seiner misslichen Lage haderte. Richard Sharpe war arm, bitterarm, und er würde nie genügend Mittel aufbringen, um seine nächste Beförderung zu erkaufen. Captain zu werden, selbst in einem gewöhnlichen Frontbataillon, würde Sharpe fünfzehnhundert Pfund kosten, und er hätte genauso gut hoffen können, König von Frankreich zu werden, wie darauf, diese Summe zu beschaffen. Er hatte nur eine Hoffnung auf Beförderung, und zwar nach Dienstjahren im eigenen Regiment – Hoffnung, in die Fußstapfen von Männern zu treten, die starben oder selbst befördert wurden und deren Position niemand aufgekauft hatte. Solange Sharpe sich jedoch in Portugal aufhielt und das Regiment daheim in England war, wurde er wieder und immer wieder vergessen und übergangen, und diese Ungerechtigkeit verstärkte seinen Unmut. Er musste mit ansehen, wie Männer, die jünger waren als er, sich ihren Captain-, ihren Majorsrang erkauften, während er, der bessere Soldat, sich nicht aus der Masse erheben konnte, weil er arm war und weil er kämpfte, anstatt daheim in England die Sicherheit zu genießen.

Die Tür der Hütte sprang auf und Captain Hogan betrat den Raum. Er sah in seiner blauen Jacke und den weißen Hosen wie ein Marineoffizier aus, und er behauptete, schon so oft für einen Franzosen gehalten worden zu sein, dass die eigene Seite häufiger auf ihn geschossen habe als der Feind. Er war Pionier, einer der wenigen in Portugal, und er grinste, als er seinen Zweispitz abnahm und mit einem Nicken auf Sharpes Oberschenkel wies. »Der Kämpfer wiederhergestellt? Was macht das Bein?«

»Einwandfrei, Sir.«

»Sergeant Harpers Maden, wie? Ja, wir Iren sind schlaue Teufel. Gott weiß, wo ihr Engländer ohne uns wärt.« Hogan holte seine Schnupftabaksdose hervor und nahm eine deftige Prise.

Während Sharpe auf den unvermeidlichen Nieser wartete, musterte er freundlich den kleinen älteren Captain. Einen Monat lang hatten seine Scharfschützen Hogan als Eskorte gedient, während dieser die Straßen über die hoch gelegenen Pässe nach Spanien kartografisch erfasste. Es war kein Geheimnis, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis Wellesley das Heer nach Spanien führen würde, am Rio Tejo entlang, der wie ein Speer auf die Hauptstadt Madrid zielte, und Hogan hatte neben dem Skizzieren unzähliger Karten gleich auch die Durchlässe und Brücken verstärkt, welche Tonnen von Messing und Holz würden aushalten müssen, wenn die Feldartillerie dem Feind entgegenzog. Gute Arbeit in angenehmer Gesellschaft war das gewesen, bis der Regen eingesetzt hatte und die Gewehre nicht schießen wollten und der französische Husar mit dem wilden Blick sich mit seinem wahnwitzigen Ein-Mann-Angriff auf die Schützen beinahe einen Namen gemacht hätte. Irgendwie war es Sergeant Harper gelungen, die Feuchtigkeit von seiner Pulverpfanne fernzuhalten, und Sharpe erzitterte immer noch, wenn er daran dachte, was passiert wäre, wenn das Gewehr nicht geschossen hätte.

Der Sergeant sammelte die Teile seines Gewehrschlosses auf, als wolle er sich entfernen, doch Hogan hob die Hand. »Bleib da, Patrick. Ich hab was Besonderes für euch, etwas, das selbst einem Helden aus Donegal Vergnügen bereiten könnte.« Er zog eine dunkle Flasche aus seiner Provianttasche und wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Sharpe. »Du hast doch nichts dagegen?«

Der Lieutenant schüttelte den Kopf. Harper war ein guter Mann, gut in allem, was er anpackte, und in den drei Jahren ihrer Bekanntschaft waren Sharpe und Harper Freunde geworden, oder wenigstens so freundschaftlich verbunden, wie es ein Offizier und ein Sergeant sein konnten. Sharpe konnte sich nicht vorstellen, ohne den riesigen Iren neben sich zu kämpfen, der Ire fürchtete sich davor, ohne Sharpe zu kämpfen, und gemeinsam waren sie das Furcht einflößendste Paar, das Hogan je auf dem Schlachtfeld zu sehen bekommen hatte. Der Captain stellte die Flasche auf den Tisch und zog den Korken. »Branntwein. Französischer Branntwein aus Marschall Soults eigenem Keller und in Oporto erbeutet. Mit den Empfehlungen des Generals.«

»Wellesley?«, fragte Sharpe.

»Derselbe. Er hat sich nach dir erkundigt, Sharpe, und ich sagte, du seist in Behandlung, sonst wärst du bei mir.«

Sharpe sagte nichts. Hogan unterbrach das vorsichtige Ausschenken der kostbaren Flüssigkeit. »Sei nicht unfair, Sharpe! Er hat dich gern. Meinst du etwa, er hätte Assaye vergessen?«

Assaye. Sharpe jedenfalls hatte nichts vergessen. Der Totenacker vor dem indischen Dorf, wo man ihn noch auf dem Schlachtfeld befördert hatte.

Hogan schob ihm über den Tisch hinweg eine Blechtasse mit Branntwein zu. »Du weißt doch, er kann dich nicht zum Captain der 95th Rifles machen. Dazu ist er nicht berechtigt.«

»Ich weiß.« Der Lieutenant lächelte und hob die Tasse an die Lippen. Aber Wellesley war berechtigt, ihn heimzuschicken, wo seine Beförderung möglich war. Er verdrängte diese Hoffnung in dem Bewusstsein, dass das bohrende Gefühl der Kränkung, die sein Rang ihm bereitete, schon bald wiederkehren würde. Er beneidete Hogan, der als Pionier ausschließlich über seine Dienstjahre Beförderung erlangen konnte. Das hieß zwar, dass Hogan mit über fünfzig Jahren immer noch Captain war, aber zumindest waren Neid und Ungerechtigkeit ausgeschlossen, weil sich auf dieser Karriereleiter niemand den Aufstieg erkaufen konnte. Sharpe beugte sich vor. »Und? Irgendwelche Neuigkeiten? Sind wir weiterhin Ihnen zugeteilt?«

»Jawohl. Und wir haben einen Auftrag.« Hogans Augen funkelten. »Noch dazu einen grandiosen Auftrag.«

Patrick Harper grinste. »Mit anderen Worten, eine mächtige Knallerei.«

Hogan nickte. »Richtig, Sergeant. Eine große Brücke, die es in Trümmer zu legen gilt.« Er holte eine Karte aus seiner Tasche und entfaltete sie auf dem Tisch, und sein schwieliger Finger zeichnete den Lauf des Tejo nach, von der Meeresmündung bei Lissabon bis in die Nähe von Abrantes, wo sie sich derzeit aufhielten, und weiter nach Spanien, um dort innezuhalten, wo der Fluss einen großen Bogen nach Süden machte. »Valdelacasa«, sagte Hogan. »Es gibt dort eine alte Brücke, eine römische. Die missfällt dem General.«

Der Grund war Sharpe klar. Das Heer konnte am Nordufer des Tejo Richtung Madrid marschieren, und der Fluss würde seine rechte Flanke decken. Es gab wenige Brücken, wo die Franzosen ihn überqueren und ihre Nachschubwege hätten stören können, und diese Brücken befanden sich in Städten wie Alcantara, wo die Spanier Garnisonen unterhielten, um die Übergänge zu schützen. Valdelacasa war nicht einmal eingezeichnet. Wenn dort keine Stadt war, würde es keine Garnison geben, und ein französischer Trupp konnte hinüber und im Rücken der Briten Verwirrung stiften.

Harper beugte sich vor und betrachtete die Karte.

»Wieso ist sie nicht eingezeichnet, Sir?«

Hogan stieß einen verächtlichen Laut aus. »Ich bin schon überrascht, dass Madrid auf dieser Karte eingezeichnet ist, ganz zu schweigen von Valdelacasa.«

Er hatte recht. Die von Thomas Lopez erstellte Karte, die einzige, die dem Heer in Spanien zur Verfügung stand, war ein Wunderwerk spanischer Einbildungskraft. Hogan klopfte mit dem Finger auf die Karte. »Die Brücke wird kaum benutzt und ist in üblem Zustand. Es heißt, man könne kaum einen Karren hinüberschieben, geschweige denn eine Kanone, aber sie könnte instand gesetzt werden, und dann hätten wir bestimmt augenblicklich die alten Hosen auf dem Pelz.« Sharpe lächelte. Alte Hosen war der seltsame Spitzname, den die Scharfschützen den Franzosen verliehen hatten, und Hogan hatte sich den Begriff mit Freuden zu eigen gemacht. Der Pionier senkte verschwörerisch die Stimme. »Ein merkwürdiger Ort, hab ich mir sagen lassen, nichts als ein verfallenes Nonnenkloster und die Brücke. Sie nennen sie El Puente de los Malditos.« Er nickte, als habe er damit alles gesagt.

Sharpe wartete einige Sekunden ab, dann seufzte er. »Also gut. Was heißt das?«

Hogan lächelte triumphierend. »Ich bin überrascht, dass du das fragst! Es heißt Brücke der Verdammten. Wie es scheint, wurden vor Jahren sämtliche Nonnen aus dem Kloster gezerrt und von den Mauren niedergemetzelt. Dort spukt es, Sharpe. Die Geister der Toten gehen dort um!«

Wieder beugte Sharpe sich vor, um die Karte genauer zu studieren. Nach seiner Schätzung musste sich die Brücke sechzig Meilen hinter der Grenze befinden, und noch einmal diese Strecke waren sie von Spanien entfernt. »Wann geht es los?«

»Nun, bleibt noch ein Problem.« Hogan faltete die Karte sorgfältig zusammen. »Wir können morgen zur Grenze aufbrechen, aber wir können sie nicht überqueren, bis die offizielle Einladung durch die Spanier vorliegt.« Er lehnte sich mit seiner Branntweintasse zurück. »Und wir müssen auf unsere Eskorte warten.«

»Eskorte!«, rief Sharpe aufgebracht. »Wir sind Ihre Eskorte!«

Hogan schüttelte den Kopf. »O nein. Hier geht’s um Politik. Die Spanier werden uns nur dann ihre Brücke sprengen lassen, wenn uns ein spanisches Regiment dabei begleitet. Es ist offenbar eine Frage ihres Stolzes.«

»Stolz!« Sharpes Wut war nicht zu übersehen. »Wenn Sie ein ganzes Regiment von Spaniern haben, wozu, verdammt noch mal, brauchen Sie dann uns?«

Hogan lächelte besänftigend. »Oh, ich brauche euch wohl. Dahinter steckt mehr, müsst ihr wissen.«

Er wurde von Harper unterbrochen. Der Sergeant stand am Fenster, ohne auf das Gespräch zu achten, und starrte auf den kleinen Platz hinaus.

»Das ist aber nett. O Sir, davon lass ich mir gern jeden Tag die Flinte putzen.«

Sharpe spähte durch das kleine Fenster. Draußen saß auf einer schwarzen Stute ein schwarz gekleidetes Mädchen. Schwarze Reithosen, schwarze Jacke und ein breitkrempiger Hut, der das Gesicht überschattete, ohne die offensichtliche Schönheit seiner Züge zu verbergen. Sharpe erkannte einen breiten Mund, dunkle Augen, geringeltes Haar von der Farbe feinen Schießpulvers, und dann merkte die junge Frau, dass sie beobachtet wurde. Sie schenkte ihnen ein angedeutetes Lächeln und wandte sich ab, gab dem Bediensteten, der das Halfter eines Maultiers festhielt, einen knappen Befehl und starrte die Straße entlang, die vom Platz aus ins Zentrum von Abrantes führte.

Hogan gab einen leisen, zufriedenen Laut von sich. »In der Tat eine Besonderheit. So was sieht man nicht alle Tage. Ich frage mich, wer sie sein mag.«

»Eine Offiziersfrau?«, schlug Sharpe vor.

Harper schüttelte den Kopf. »Kein Ring, Sir. Aber sie wartet auf jemanden. Der glückliche Bastard.«

Und ein reicher Bastard, dachte Sharpe. Das Heer scharte wie üblich ein Gefolge aus Frauen und Kindern um sich, die den Regimentern in den Kampf folgten. Jedes Bataillon durfte sechzig Soldatenfrauen mitnehmen, wenn es im Ausland in den Kampf zog, aber niemand konnte verhindern, dass andere Frauen sich den »offiziellen« Gemahlinnen anschlossen, ortsansässige Mädchen, Dirnen, Näherinnen und Wäscherinnen, die allesamt beim Heer ihr Auskommen fanden.

Diese Frau erweckte einen anderen Eindruck. Die Aura von Geld und Privilegien umgab sie, als sei sie aus reichem Elternhaus in Lissabon davongelaufen. Sharpe vermutete, dass sie die Geliebte eines reichen Offiziers war, gleichsam ein Teil seiner Ausrüstung wie seine Vollblutpferde, sein silbernes Geschirr für Mahlzeiten im Feldlager und seine Hunde, die gehorsam dem Schwanz seines Reittiers zu folgen pflegten. Es gab viele Mädchen wie sie, das wusste Sharpe, Mädchen, die viel Geld kosteten, und er spürte, wie der alte Neid in ihm hochstieg.

»Mein Gott!« Harper, der immer noch aus dem Fenster starrte, hatte sich wieder zu Wort gemeldet.

»Was ist?« Erneut beugte sich Sharpe vor und wollte wie vor ihm sein Sergeant kaum seinen Augen trauen. Ein Bataillon britischer Infanterie marschierte nach und nach auf den Platz, jedoch ein Bataillon, wie Sharpe es seit über zwölf Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Ein Jahr in Portugal hatte das Heer in den Albtraum eines jeden Drill-Sergeants verwandelt, die Uniformen der Soldaten waren verblichen und mit dem allgegenwärtigen braunen Tuch der portugiesischen Bauern geflickt, ihre Haare waren gewachsen und die Knöpfe und Abzeichen hatten seit Langem ihren Glanz verloren. Sir Arthur Wellesley machte es nichts aus. Ihm kam es nur darauf an, dass ein Soldat über sechzig Schuss Munition verfügte und über einen klaren Kopf, und wenn seine Hosen braun statt weiß waren, hatte das keinen Einfluss auf den Ausgang eines Kampfes.

Dieses Bataillon jedoch kam frisch aus England. Die Jacken der Soldaten leuchteten scharlachrot, ihre Kreuzgurte waren weiß geschniegelt, ihre Stiefel spiegelblank und schwarz. Allesamt trugen sie bis oben hin zugeknöpfte Gamaschen, und, was noch mehr überraschte, sie trugen die berüchtigten Stehkragen, vier Zoll steif gegerbten schwarzen Leders, das einem die Kehle zuschnürte, unter dem Vorwand, das Kinn hoch und gerade zu halten. Sharpe konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal einen Stehkragen gesehen hatte. Waren sie erst einmal im Felde, »verloren« die Männer sie, und mit ihnen verschwanden die eiternden Wunden, die das starre Leder unterhalb des Kieferknochens ins weiche Fleisch schnitt.

»Die sind auf dem Weg nach Windsor Castle falsch abgebogen«, spottete Harper.

Sharpe schüttelte den Kopf. »Unglaublich sind sie!« Wer auch immer dieses Bataillon befehligte, musste den Männern das Leben zur Hölle gemacht haben, um zu erreichen, dass sie trotz der Anreise aus England auf überfüllten, schmutzigen Schiffen und trotz des langen Marsches in der sommerlichen Hitze von Lissabon hierher so makellos aussahen. Ihre Waffen glänzten, ihre Ausrüstung war nagelneu und entsprach den Vorschriften, während ihre Gesichter von den beengenden Stehkrägen und der ungewohnten Hitze geschwollen und gerötet waren.

An der Spitze einer jeden Kompanie ritten die Offiziere, allesamt, wie Sharpe bemerkte, auf edlen Tieren. Die Regimentsfarben waren in poliertes Leder gefasst und wurden von Sergeants bewacht, deren Hellebardenklingen auf Hochglanz poliert waren. Die Männer marschierten in perfektem Gleichschritt, sahen sich weder nach rechts noch nach links um und machten, wie Harper bemerkt hatte, ganz den Eindruck, als seien sie unterwegs zum königlichen Wachdienst in Windsor.

»Wer sind diese Leute?« Sharpe versuchte, sich an alle Regimenter zu erinnern, die gelbe Aufschläge an ihren Uniformen hatten, aber das hier sah wie keines der Regimenter aus, die er kannte.

»Das South Essex Regiment«, sagte Hogan.

»Wie bitte?«

»Das South Essex. Neu, brandneu. Soeben erst aufgestellt von Lieutenant Colonel Sir Henry Simmerson, einem Cousin des Generals Sir Banestre Tarleton.«

Sharpe stieß einen leisen Pfiff aus. Tarleton hatte im amerikanischen Krieg gekämpft und saß nun als Wellesleys erbittertster militärischer Gegenspieler im Parlament. Sharpe hatte das Gerücht gehört, Tarleton selbst habe es auf den Oberbefehl des Heeres in Portugal abgesehen und sei sehr aufgebracht gewesen, als man dem jüngeren Mann den Vorzug gab. Tarleton war ein einflussreicher Mann, ein gefährlicher Gegner für Wellesley, und Sharpe verstand genug von Politik, um sich darüber im Klaren zu sein, dass die Gegenwart von Tarletons Cousin im Heer von Wellesley nicht begrüßt werden würde.

»Ist er das?« Er zeigte auf einen stattlichen Mann, der inmitten des Bataillons auf einem grauen Pferd ritt.

Hogan nickte. »Das ist Sir Henry Simmerson, den Gott uns erhalten möge oder auch nicht.«

Lieutenant Colonel Sir Henry Simmerson hatte ein rotes Gesicht, das von purpurnen Adern durchzogen und mit Hängebacken ausgestattet war. Seine Augen wirkten auf die Entfernung, aus der Sharpe ihn sah, klein und gerötet, und zu beiden Seiten des misstrauischen, lauernden Gesichts entsprangen auffällige Ohren, die aussahen wie die aus einem Kanonenrohr hervortretenden Drehzapfen. Er sieht aus wie ein berittenes Schwein, dachte Sharpe. »Ich habe von dem Mann noch nie gehört.«

»Das ist nicht weiter überraschend. Er hat nichts geleistet.« Hogan gab seine Verachtung zu erkennen. »Ererbtes Geld, Parlamentssitz für Paglesham, Friedensrichter und, Gott sei uns gnädig, Colonel der Miliz.« Plötzlich schien Hogan selbst aufzufallen, dass er etwas mehr Nächstenliebe und Gerechtigkeitssinn zeigen könnte. »Er meint es gut. Er wird nicht ruhen, bis diese Burschen dort das allerschönste Bataillon des Heeres sind, aber ich denke, dem Mann steht ein fürchterlicher Schock bevor, wenn er den Unterschied zwischen uns und der Miliz feststellt.«

Wie andere Berufsoffiziere hatte auch Hogan wenig für die Miliz übrig, Großbritanniens zweite Truppe. Sie wurde ausschließlich in der Heimat eingesetzt, musste niemals wirklich kämpfen, hungern oder in einem Wolkenbruch unter offenem Himmel schlafen, und dennoch präsentierte sie sich mit maßlosem Pomp und Eigendünkel. Hogan lachte. »Darf mich nicht beklagen. Wir haben Glück, dass es Sir Henry gibt.«

»Glück?« Sharpe musterte den alternden Pionier.

»O ja, Sir Henry ist erst gestern in Abrantes eingetroffen, doch schon erklärt er uns, dass er ein großer Experte der Kriegsführung ist. Der Mann hat noch keinen Franzosen zu Gesicht bekommen, aber er hat den General darüber belehrt, wie man sie schlagen muss!« Hogan lachte wieder und schüttelte den Kopf. »Vielleicht lernt er’s noch. Eine Schlacht, dann könnte die Wäschestärke raus sein.«

Sharpe beobachtete die Kompanien, die wie Gliederpuppen im Gleichschritt über den Platz marschierten. Die Messingabzeichen auf ihren Tschakos reflektierten die Sonne, aber die Gesichter unter diesem Glanz waren ausdruckslos. Sharpe liebte das Heer, es war seine Heimat, jene Zuflucht, die der Waisenknabe vor nunmehr sechzehn Jahren gebraucht hatte, aber vor allem liebte er es, weil es ihm auf seine unbeholfene Weise immer wieder Gelegenheit verschaffte, zu beweisen, dass er ein Mann von Wert war. Er konnte sich noch so gegen die Reichen und Privilegierten ereifern und musste doch zugeben, dass das Heer ihn aus der Gosse aufgelesen und ihm eine Offiziersschärpe um den Leib geschlungen hatte, und Sharpe konnte sich keinen anderen Beruf denken, der einem Bastard niederer Herkunft, der noch dazu auf der Flucht vor dem Gesetz war, die Chance zu Aufstieg und verantwortlicher Tätigkeit geboten hätte. Aber Sharpe hatte außerdem Glück gehabt. In den sechzehn Jahren hatte er kaum einmal zu kämpfen aufgehört, und es war ihm zugute gekommen, dass die Schlachten in Flandern, Indien und Portugal nach Männern seines Schlages verlangt hatten, die auf Gefahr reagierten wie ein Glücksspieler auf einen Pack Karten. Sharpe hatte den Verdacht, dass er das Heer in Friedenszeiten hassen würde, mit seinen Sonntagsparaden und sinnlosen Drills, seinen unbedeutenden Eifersüchteleien und endlosem Wichs, und im Regiment von South Essex sah er das Friedensheer, das er nicht mochte. »Ich nehme an, er ist ein Auspeitscher?«

Hogan verzog das Gesicht. »Auspeitschungen, Strafmärsche, zusätzliche Drills. Was man sich nur denken kann, Sir Henry wendet es an. Er will, sagt er, nur das Allerbeste. Und das sind sie. Was hältst du von ihnen?«

Sharpe lachte grimmig. »Gott halte mich vom South Essex fern. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt, oder?«

Hogan lächelte. »Ich fürchte doch.«

Sharpe sah ihn an, ein beklommenes Gefühl in der Magengegend. Hogan zuckte mit den Schultern. »Ich sagte dir doch, dahinter steckt mehr. Wenn ein spanisches Regiment nach Valdelacasa marschiert, dann soll nach Sir Arthurs Ansicht aus diplomatischen Erwägungen auch ein britisches dabei sein. Die Flagge zeigen, etwas in der Art.« Er warf einen Blick auf die geschniegelten Reihen und wandte sich erneut an Sharpe. »Sir Henry Simmerson und seine prächtigen Mannen kommen mit uns.«

Der Lieutenant stöhnte. »Heißt das, wir müssen von ihm Befehle entgegennehmen?«

Hogan spitzte die Lippen. »Nicht unbedingt. Genau genommen werdet ihr eure Befehle von mir erhalten.« Er hatte sich mit Absicht gedrechselt ausgedrückt, wie ein Advokat, und Sharpe beobachtete ihn misstrauisch. Es konnte nur einen Grund geben, warum Wellesley ihn, Sharpe, und seine Scharfschützen Captain Hogan unterstellt hatte und nicht Simmerson, und dieser Grund war, dass er Sir Henry nicht über den Weg traute. Sharpe fragte sich nach wie vor, warum er gebraucht wurde, schließlich hatte Hogan den Schutz gleich zweier Bataillone zu

erwarten, von mindestens fünfzehnhundert Mann. »Rechnet der General mit einem Kampf?«

Hogan zuckte wieder mit den Schultern. »Er weiß es nicht. Die Spanier behaupten, die Franzosen hätten ein ganzes Regiment am Südufer postiert, samt berittener Artillerie, das seit dem Frühjahr die Guerilleros flussauf und flussab gejagt habe. Wer weiß? Er denkt, sie könnten uns daran zu hindern versuchen, die Brücke zu sprengen.«

»Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie uns brauchen.«

Hogan lächelte. »Vielleicht brauche ich euch nicht. Aber es wird noch einen Monat lang zu keinerlei Aktionen kommen. Die Franzosen werden uns weit nach Spanien eindringen lassen, ehe sie kämpfen, daher bietet Valdelacasa zumindest die Chance zu einer kleinen Prügelei. Und ich will jemanden dabeihaben, dem ich vertrauen kann. Vielleicht will ich euch nur dabeihaben, um euch zu begünstigen?«

Sharpe lächelte ebenfalls. Eine schöne Begünstigung, die Amme für einen Colonel der Miliz spielen zu müssen, der meinte, alles zu wissen. Aber Sharpe verbarg seine Gefühle. »Für Sie, Sir, wird es uns ein Vergnügen sein.«

Hogan erwiderte das Lächeln. »Wer weiß? Vielleicht wird es das wirklich. Sie kommt übrigens auch mit.«

Sharpe folgte Hogans Blick zum Fenster hinaus, und er sah das schwarz gekleidete Mädchen einem Offizier des South Essex zuwinken. Es war ein blonder Mann in makelloser Uniform, der auf einem Pferd saß, das vermutlich noch mehr gekostet hatte als der Rang seines Reiters. Das Mädchen spornte seine Stute an und schloss sich, gefolgt von dem Bediensteten und seinem Maultier, der Nachhut des Bataillons an, das die Straße nach Castelo Branco entlangmarschierte. Der Platz leerte sich wieder, in der brütenden Hitze legte sich der Staub, und Sharpe lehnte sich zurück und begann zu lachen.

»Was ist daran so komisch?«, erkundigte sich Hogan.

Der Lieutenant deutete mit dem Branntweinbecher auf Harpers zerlumpte Jacke und seine aufgeschlitzte Hose. »Sir Henry wird über seine neuen Verbündeten nicht gerade erbaut sein.«

Das Gesicht des Sergeants wollte sich nicht aufheitern. »Gott schütze Irland.«

Hogan hob seine Tasse. »Darauf sag ich amen.«

KAPITEL 2

Die Trommelschläge klangen fern und gedämpft und wurden immer von den anderen Geräuschen der Stadt übertönt, waren jedoch so eindringlich und unheilvoll, dass Sharpe froh war, als sie verstummten.

Endlich hatten er und die Rifles Castelo Branco erreicht, vierundzwanzig Stunden nach dem South Essex Regiment und nach anstrengender Reise, die vor allem darin bestanden hatte, Hogans Maultiere eine Straße entlangzutreiben, deren tiefe, gezackte Furchen anzeigten, wo zuvor die Feldartillerie vorbeigekommen war. Mit Pulverfässern, in Öltuch gewickelten Zündpaketen, Spitzhacken, Stemmeisen und Schaufeln beladen, folgten die Maultiere nun geduldig den Schützen und Hogans Sprengtrupp, die sich durch die überfüllten Straßen zum Marktplatz vorarbeiteten. Als sie ins grelle Sonnenlicht hinaustraten, fand Sharpe seinen Verdacht bezüglich der Trommelschläge bestätigt.

Hier war jemand ausgepeitscht worden. Alles war schon vorbei, das Opfer fort, und während er die Halbkreisformation des South Essex beobachtete, erinnerte sich Sharpe an seine eigene Auspeitschung vor vielen Jahren, an die Verbissenheit, mit der er alle Schmerzensschreie unterdrückt hatte, um den Offizieren nicht zu zeigen, welche Qualen die Schläge ihm bereiteten. Sharpe würde die Narben seiner Auspeitschung mit ins Grab nehmen, aber er bezweifelte, ob Simmerson sich darüber im Klaren war, wie schrecklich die Strafe war, die er soeben seinem Bataillon zugemessen hatte.

Hogan zügelte im Schatten des Bischofspalastes sein Pferd. »Dies scheint nicht der geeignete Moment zu sein, mit dem guten Colonel zu sprechen.«

Soldaten waren damit beschäftigt, vier hölzerne Dreiecke abzubauen, die an der gegenüberliegenden Ummauerung des Platzes aufgestellt waren. Vier Männer waren geprügelt worden. Lieber Gott, dachte Sharpe, vier Männer!

Hogan riss sein Pferd herum, sodass er dem Bataillon den Rücken zukehrte. »Ich muss das Pulver wegschließen, Richard. Sonst wird mir noch jedes verdammte Pulverkorn gestohlen. Wir treffen uns hier wieder.«

Sharpe nickte. »Ich brauche ohnehin Wasser. Zehn Minuten?«

Sharpes Männer ließen sich am Fuß der Mauer zu Boden fallen und warfen Tornister und Gewehre von sich. Die Konfrontation mit einer Disziplin, wie sie das Scharfschützenregiment praktisch ganz abgelegt hatte, war ihrer Laune nicht bekommen. Sir Henry dagegen lenkte sein Pferd behutsam zur Mitte des Platzes, und seine Stimme war für Sharpe und seine Männer deutlich zu hören.

»Ich habe vier Mann auspeitschen lassen, weil vier Mann desertiert sind.« Sharpe blickte überrascht auf. Deserteure, jetzt schon? Er musterte das Bataillon, die ausdruckslosen Gesichter, und fragte sich, wie viele andere wohl in Versuchung waren, aus Simmersons Reihen zu fliehen. Der Colonel war halb im Sattel aufgestanden. »Einige unter euch wissen, wie diese Männer ihr Verbrechen geplant haben. Einige unter euch haben ihnen geholfen. Aber ihr habt es vorgezogen zu schweigen, daher habe ich vier Mann auspeitschen lassen, um euch an eure Pflicht zu erinnern.« Seine Stimme klang merkwürdig schrill. Ohne die Aura der Macht, die diesen Mann umgab, hätte sie nur komisch gewirkt. Er hatte beherrscht gesprochen, beinahe im Plauderton, doch auf einmal wandte sich Sir Henry nach links und ließ den Arm schweifen, wie um auf jeden Mann unter seinem Kommando zu zeigen. »Ihr sollt die Besten sein!« Seine Stimme schwoll so plötzlich an, dass die Tauben erschrocken von den Brüstungen des Klosters aufflogen.

Sharpe wartete auf eine Fortführung der Ansprache, doch es kam nichts mehr. Der Colonel machte kehrt, ritt von dannen und ließ seinen Schlachtruf wie eine Drohung in der Luft hängen.

Sharpe begegnete Harpers Blick, und der Sergeant zuckte mit den Schultern. Es gab nichts zu sagen, die Gesichter des South Essex verrieten Simmersons Versagen. Sie wussten einfach nicht, wie sie die Besten werden sollten. Als die Soldaten vom Platz marschierten, stand in ihren Gesichtern nichts als Trotz und Unmut geschrieben.

Sharpe glaubte an Disziplin. Zum Feind überzugehen verdiente den Tod, andere Vergehen verdienten die Auspeitschung, und wenn ein Mann wegen dreisten Plünderns gehängt wurde, war das seine eigene Schuld, denn die Regeln waren simpel. Und für Sharpe war das der Schlüssel: die Regeln simpel zu halten. Er verlangte von seinen Männern dreierlei. Dass sie kämpften, wie er es tat, mit erbarmungsloser Tüchtigkeit. Dass sie nur den Feind bestahlen und die Toten, es sei denn, sie drohten zu verhungern. Und dass sie sich niemals ohne seine Genehmigung betranken. Das war ein simpler Kodex – einsichtig für Männer, die vor allem deswegen ins Heer eingetreten waren, weil sie anderswo versagt hatten-, und er funktionierte. Er wurde durch Strafen untermauert, und Sharpe wusste, dass seine Männer, obwohl sie ihn gern hatten und ihm willig folgten, seinen Zorn fürchteten, der heftig auflodern konnte, wenn sie sein Vertrauen missbrauchten. Sharpe war eben durch und durch ein Soldat.

Er ging über den Platz auf eine Seitenstraße zu, hielt nach einem Brunnen Ausschau und bemerkte einen Lieutenant der Leichten Kompanie des South Essex, der sein Pferd zur selben dunkel umschatteten Lücke zwischen den Gebäuden lenkte.

Es war der Mann, dem zuvor das schwarz gekleidete Mädchen zugewinkt hatte, und Sharpe empfand einen Anflug von Gereiztheit, während er als Erster die Gasse betrat. Die Uniform des Lieutenants war elegant geschneidert, der gebogene Säbel der Leichten Infanterie kostspielig und der Rappe, den er ritt, vermutlich allein schon den Rang eines Lieutenants wert. Sharpe verübelte dem Mann seinen Reichtum, seine Privilegien, die mühelose Überlegenheit eines in den Kreisen des Landadels geborenen Mannes, aber gleichzeitig machte sich Sharpe auch Selbstvorwürfe wegen seines Neidgefühls.

Er drängte sich an den Rand der Gasse, um den Reiter vorbeizulassen, blickte auf, nickte freundlich und sah ein schmales, gut geschnittenes, von blondem Haar eingerahmtes Gesicht. Er hoffte, der Lieutenant würde ihn ignorieren. Sharpe verstand sich nicht auf höfliches Geplauder und hatte nicht den Wunsch, sich in einer engen Gasse auf gestelzte Konversation einzulassen, wo er doch zweifellos im Laufe des Tages den Offizieren des Bataillons vorgestellt werden würde.

Sharpe wurde enttäuscht. Der Lieutenant zügelte sein Pferd und blickte auf den Schützen hinab. »Bringt man euch bei den Rifles nicht bei, dass man zu grüßen hat?« Die Stimme des Lieutenants war glatt und üppig wie seine Uniform.

Sharpe gab keine Antwort. Da ihm das Rangabzeichen in den Kämpfen des Winters abgerissen worden war, hielt ihn der blonde Lieutenant wohl für einen einfachen Soldaten. Das war nicht weiter verwunderlich. Die Gasse war tief verschattet, und Sharpes Aussehen trug dazu bei, das Versehen des Lieutenants zu entschuldigen.

Sharpe blickte auf in das schmale blauäugige Gesicht und wollte zu einer Erklärung ansetzen, als der Lieutenant auch schon mit der Peitsche schnippte, sodass sie Sharpe ins Gesicht schlug.

»Verflucht, Mann, antworte gefälligst!«

Sharpe fühlte, wie die Wut in ihm hochstieg, doch er verhielt sich still und wartete seine Zeit ab. Der Lieutenant zog die Peitsche zurück.

»Welches Bataillon? Welche Kompanie?«

»Zweites Bataillon, Vierte Kompanie.« Sharpe sprach mit gewollter Anmaßung und erinnerte sich der Tage, als er sich gegen Offiziere wie diesen noch nicht hatte schützen können.

Der Lieutenant lächelte maliziös.

»Du wirst ›Sir‹ zu mir sagen, verstehst du? Ich werde dir das schon beibringen. Wer ist dein Offizier?«

»Lieutenant Sharpe.«

»Ah!« Der Lieutenant hielt weiterhin die Peitsche erhoben. »Lieutenant Sharpe, von dem man uns allen schon erzählt hat. Ist vom einfachen Soldaten aufgestiegen, nicht wahr?«

Sharpe nickte, und der Lieutenant zog die Peitsche ein Stück zurück.

»Ist das der Grund, warum du nicht ›Sir‹ sagst? Verbreitet Mister Sharpe vielleicht merkwürdige Ansichten über Disziplin? Nun, ich werde eine Begegnung mit Lieutenant Sharpe herbeiführen müssen und dafür sorgen, dass du wegen deiner Frechheit bestraft wirst.« Er ließ die Peitsche auf Sharpes Kopf niedersausen.

Sharpe hatte keine Ausweichmöglichkeit, aber das war auch nicht nötig. Er griff mit beiden Händen unter den Steigbügel des Mannes und stieß ihn mit aller Kraft nach oben. Die Peitsche verhielt mitten in der Luft, der Mann setzte zu einem Schrei an, und im nächsten Augenblick lag er auf der anderen Seite seines Pferdes flach auf dem Rücken, genau dort, wo zuvor ein anderes Pferd Dung abgelassen hatte.

»Sie werden Ihre Uniform waschen müssen, Lieutenant.« Sharpe lächelte.

Das Pferd des Mannes war wiehernd einige Schritte vorwärtsgestürmt, und der wütende Lieutenant rappelte sich mühsam auf und legte die Hand an den Griff seines Säbels.

»Hallo da!« Hogan spähte in die Gasse. »Ich dachte schon, ich hätte dich verloren!« Der Pionier lenkte sein Pferd zu den beiden Männern und blickte vergnügt auf den Schützen hinab. »Alle Maultiere im Stall, Pulverfässer eingeschlossen.« Er wandte sich an den fremden Lieutenant. »Tag. Glaube, wir kennen uns nicht. Ich heiße Hogan.«

Der Lieutenant ließ seinen Säbel los. »Gibbons, Sir, Lieutenant Christian Gibbons.«

Hogan grinste. »Wie ich sehe, haben Sie Sharpe bereits kennengelernt. Lieutenant Richard Sharpe von den 95th Rifles.«

Gibbons starrte Sharpe ungläubig an und seine Augen weiteten sich, als ihm zum ersten Mal Sharpes Waffe auffiel. Nicht das übliche Schwertbajonett, das die Scharfschützen trugen, sondern eine lange, schwere Klinge. Er hob nervös den Blick und sah Sharpe ins Gesicht. Hogan fuhr fröhlich fort: »Natürlich haben Sie von Sharpe gehört, das hat schließlich jeder. Er ist der Kerl, der den Tippu Sultan getötet hat. Dann, lassen Sie mich sehen, dann war da noch die haarsträubende Angelegenheit in Assaye. Niemand weiß, wie viele er dort getötet hat. Weißt du selbst es, Sharpe?« Hogan kam einer möglichen Antwort zuvor und plauderte munter weiter. »Schrecklicher Bursche, unser Lieutenant Sharpe, mit seinem Degen genauso gefährlich wie mit dem Gewehr.«

Gibbons konnte kaum umhin, mitzubekommen, was Hogan ihm zu verstehen gab. Der Captain hatte das Handgemenge gesehen und warnte Gibbons bezüglich der wahrscheinlichen Konsequenzen eines formellen Duells. Der Lieutenant nahm den gebotenen Ausweg an. Er bückte sich und hob den Tschako der Leichten Kompanie auf, dann nickte er Sharpe zu.

»War mein Fehler, Sharpe.«

»War mir ein Vergnügen, Lieutenant.«

Hogan sah zu, wie Gibbons sein Pferd einfing und aus der Gasse verschwand. »Du verstehst dich nicht gerade darauf, eine Entschuldigung wohlwollend entgegenzunehmen.«

»Sie wurde auch nicht gerade wohlwollend gegeben.« Sharpe rieb sich die Wange. »Außerdem hat mich der Dreckskerl geschlagen.«

Hogan lachte ungläubig. »Was hat er?«

»Mich geschlagen, mit seiner Peitsche. Wieso, glauben Sie, hab ich ihn auf den Mist befördert?«

Hogan schüttelte den Kopf. »Nichts ist erfreulicher als ein freundschaftliches und sachliches Verhältnis zu seinen Mitoffizieren, mein lieber Sharpe. Ich sehe schon, dieser Auftrag wird ein Vergnügen. Was wollte er denn?«

»Wollte, dass ich ihn grüße. Hat mich für einen einfachen Soldaten gehalten.«

Hogan lachte wieder. »Gott weiß, was Simmerson von dir halten wird. Gehen wir und finden es heraus.«

Sie wurden in Simmersons Zimmer geleitet und fanden den Colonel des South Essex Regiments auf seinem Bett sitzend vor, unbekleidet bis auf eine Hose. Neben ihm kniete ein Arzt, der nervös aufblickte, als die beiden Offiziere den Raum betraten. Diese Bewegung löste einen ungeduldigen Klaps von Simmersons Hand aus. »Komm schon, Mann, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«

In der Hand hielt der Arzt einen Gegenstand, der aussah wie ein Metallkasten, auf dessen Deckel ein Abzug befestigt war. Er hielt ihn über Sir Henrys Arm, und Sharpe sah, dass er versuchte, eine Hautstelle zu finden, die noch nicht mit seltsam regelmäßigen Narben bedeckt war.

»Skarifikation!«, bellte Sir Henry, an Hogan gewandt. »Bluten Sie auch, Captain?«

»Nein, Sir.«

»Sollten Sie aber. Hält jedermann gesund. Alle Soldaten sollten bluten.« Er wandte sich wieder an den Arzt, der noch immer über dem vernarbten Unterarm zögerte. »Komm schon, du Idiot!«

In seiner Nervosität drückte der Arzt versehentlich auf den Auslöser, und es erklang ein scharfes Klicken. Aus der Tiefe des Kastens sah Sharpe eine Ansammlung bösartiger kleiner Klingen hervorschnellen wie stählerne Zungen. Der Arzt zuckte zurück. »Tut mir leid, Sir. Einen Augenblick.«

Der Arzt schob die Messer zurück in den Kasten, und Sharpe war plötzlich klar, dass es sich um eine Aderlassmaschine handelte. Anstelle der altmodischen Lanzette in der Armvene bevorzugte Sir Henry den modernen Skarifikator, der angeblich schneller und wirksamer war. Der Arzt legte den Kasten an den Arm des Colonels, warf noch einen nervösen Blick auf seinen Patienten und drückte dann den Auslöser.

»Ah! Schon besser!« Sir Henry schloss die Augen und lächelte. Ein Blutrinnsal lief über seinen Arm und entkam dem Handtuch, mit dem der Arzt den Ausfluss abtupfte.

»Noch einmal, Parton, noch einmal!«

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Aber, Sir Henry …«

Simmerson versetzte dem Arzt mit der freien Hand eine Ohrfeige. »Widersprich mir nicht! Verdammt, Mann, zur Ader sollst du mich lassen!« Er sah Hogan an. »Immer so viel Verdruss nach einer Auspeitschung, Captain.«

»Das ist durchaus verständlich, Sir«, sagte Hogan mit seinem ausgeprägten irischen Akzent, und Simmerson beäugte ihn misstrauisch. Der Kasten klickte erneut, die Klingen bohrten sich in den feisten Arm, und wieder rann Blut auf die Laken. Hogan begegnete Sharpes Blick, und es kam zur Andeutung eines Lächelns, das sich nur allzu leicht in Gelächter hätte verwandeln können. Sharpe sah wieder Sir Henry Simmerson an, der soeben sein Hemd überzog.

»Sie müssen Captain Hogan sein?«

»Ja, Sir.« Hogan nickte liebenswürdig.

Simmerson wandte sich an Sharpe. »Und wer, zum Teufel, sind Sie?«

»Lieutenant Sharpe, Sir. 95th Rifles.«

»Nein, das sind Sie nicht. Sie sind eine verdammte Schande, das sind Sie!«

Sharpe sagte nichts. Er starrte an dem Colonel vorbei aus dem Fenster, hinaus auf die fernen blauen Hügel, wo die Franzosen ihre Kräfte sammelten.

»Forrest!« Simmerson war aufgestanden. »Forrest!«

Die Tür ging auf, und der Major, der auf diesen Ruf gewartet haben musste, kam herein. Er schenkte Sharpe und Hogan ein furchtsames Lächeln, dann wandte er sich an Simmerson. »Colonel?«

»Dieser Offizier braucht eine neue Uniform. Geben Sie sie ihm bitte und lassen Sie das Geld von seinem Sold abziehen.«

»Nein.« Sharpe sagte es mit tonloser Stimme.

Simmerson und Forrest drehten sich um und starrten ihn an. Einen Augenblick lang sagte Sir Henry nichts. Er war es nicht gewohnt, dass ihm widersprochen wurde.

Sharpe fuhr fort: »Ich bin Offizier der 95th Rifles, und ich werde deren Uniform tragen, solange mir diese Ehre zuteilwird.«

Simmerson begann rot anzulaufen und seine Finger flatterten. »Verdammt, Sharpe! Sie sind eine Schande! Sie sind kein Soldat, Sie sind ein Straßenkehrer! Sie unterstehen jetzt meinem Kommando, und ich befehle Ihnen, in fünfzehn Minuten wieder hier zu sein …«

»Nein, Sir.« Diesmal hatte Hogan gesprochen. Seine Worte brachen mitten in Simmersons Redefluss ein, doch der Captain ließ dem Colonel keine Zeit, sich davon zu erholen. Er wandte all seinen irischen Charme auf, begann mit einem Lächeln, das von so viel liebenswerter Vernünftigkeit zeugte, dass es einen Stein hätte erweichen können. »Sehen Sie, Sir Henry, Sharpe untersteht meinem Befehl. Der General hat sich diesbezüglich sehr klar ausgedrückt. Wie ich es verstehe, Sir Henry, reisen wir miteinander nach Valdelacasa, aber Sharpe begleitet mich.«

»Aber …«

Hogan hob die Hand gegen Simmersons Protest. »Sie haben recht, Sir, so recht. Aber Sie verstehen sicherlich, dass sich die Bedingungen im Felde anders darstellen könnten, als es uns gefällt, und dass es durchaus anstünde, Sir, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen, dass ich Verfügungsgewalt über die Scharfschützen habe.«

Simmerson starrte Hogan an. Der Colonel hatte von Hogans Unsinn kein Wort verstanden, aber er hatte alles mit derartiger Selbstverständlichkeit vorgebracht, so sehr von Soldat zu Soldat gesprochen, dass Simmerson verzweifelt nach einer Antwort suchte, die ihn nicht als Idioten dastehen ließ. Er blickte Hogan noch einen Moment an. »Aber das wäre dann meine Entscheidung!«

»Wie recht Sie haben, Sir, wie recht!« Hogan sagte es mit Nachdruck und Wärme. »Das heißt, im Normalfall. Aber ich denke, der General hat es sich in den Kopf gesetzt, Sir, dass Sie mit den Problemen des Umgangs mit unseren spanischen Verbündeten stark belastet sein würden, und dann, Sir, gibt es da noch die Erfordernisse der Sprengtechnik, auf die sich Lieutenant Sharpe versteht.« Er beugte sich in verschwörerischer Manier vor. »Ich brauche Männer, die mir aufs Wort gehorchen, Sir. Sie verstehen das doch.«

Simmerson lächelte, dann brach er in wieherndes Gelächter aus. Hogan hatte ihn besänftigt. Er zeigte auf Sharpe. »Er kleidet sich wie ein gewöhnlicher Handlanger, wie, Forrest? Wie ein Handlanger!« Er war beglückt über seinen Scherz und wiederholte ihn leise, während er sich eine weite scharlachrot-gelbe Jacke überzog. »Ein Handlanger! Wie, Forrest?« Der Major lächelte pflichtschuldigst. Er hatte etwas von einem viel geplagten Vikar, der ständig unter den Sünden seiner verstockten Gemeinde zu leiden hat, und als Simmerson ihnen den Rücken zukehrte, warf er Sharpe einen Entschuldigung heischenden Blick zu. Simmerson legte seinen Gürtel um und wandte sich noch einmal an Sharpe. »Lange Soldat gewesen, Sharpe? Mal abgesehen von Ihrer Tätigkeit als Handlanger?«

»Ziemlich lange, Sir.«

Simmerson kicherte. »Wie alt sind Sie?«

»Zweiunddreißig, Sir.« Sharpe blickte starr geradeaus.

»Zweiunddreißig, wie? Und immer noch bloß Lieutenant? Was ist los, Sharpe? Mangelnde Tüchtigkeit?«

Sharpe sah, saß Forrest dem Colonel ein Zeichen gab, doch er ignorierte die Geste. »Ich habe als einfacher Soldat angefangen, Sir.«

Forrest ließ die Hand sinken. Der Colonel bekam den Mund nicht wieder zu. Es gab nicht viele Männer, die den Sprung vom Sergeant zum Ensign schafften, und unter denen, die es schafften, waren nicht viele, denen man mangelnde Tüchtigkeit vorwerfen konnte. Es gab nur drei Qualifikationen, die ein gewöhnlicher Soldat besitzen musste, um zum Offizier befördert zu werden. Erstens musste er lesen und schreiben können, und Sharpe hatte im Kerker von Tippu Sultan zur Begleitmusik der Schreie anderer britischer Gefangener, die dort gefoltert wurden, das Alphabet gelernt. Zweitens musste der Mann eine Tat von geradezu selbstmörderischer Tapferkeit begehen, und Sharpe wusste, dass Simmerson sich nun fragen würde, was er vollbracht hatte. Die dritte Qualifikation schließlich war außerordentliches Glück, und Sharpe war sich gelegentlich unsicher, ob das nicht ein zweischneidiges Schwert war.

Simmerson schnaubte.

»Demnach sind Sie kein Gentleman, Sharpe?«

»Nein, Sir.«

»Nun, Sie könnten zumindest versuchen, sich wie einer zu kleiden, wie? Dass Sie in einem Schweinestall aufgewachsen sind, heißt doch nicht, dass Sie sich wie ein Schwein anziehen müssen!«

»Nein, Sir.« Gegen dieses Argument war nichts einzuwenden.

Simmerson band sich den Säbel um den mächtigen Bauch. »Wer hat Sie befördert, Lieutenant?«

»Sir Arthur Wellesley, Sir.«

Sir Henry wieherte triumphierend.

»Wusst ich’s doch! Keine Maßstäbe, keinerlei Maßstäbe! Ich habe seine Soldaten gesehen, ihre äußere Erscheinung ist eine Schande! Von meinen Männern kann man das nicht behaupten, wie? Ohne Disziplin kann man nicht kämpfen!« Er sah dem Lieutenant direkt in die Augen. »Was macht einen guten Soldaten aus, Sharpe?«

»Die Fähigkeit, bei feuchter Witterung drei Schuss pro Minute zu feuern.« Sharpe hatte seiner Antwort einen Anflug von Unverschämtheit verliehen. Er war sich darüber im Klaren, dass sie Simmerson ärgern würde. Das South Essex war ein neu aufgestelltes Bataillon, und er bezweifelte, dass seine Musketiere den Standard anderer, älterer Bataillone erreichten. Als Einziges unter den europäischen Heeren übte das britische mit scharfer Munition, aber es dauerte Wochen, manchmal Monate, bis ein Soldat den komplizierten Ablauf des raschen Ladens und Abfeuerns einer Muskete gelernt hatte, bis er die Angst ignorieren und sich ganz darauf konzentrieren konnte, schneller als der Feind zu schießen.

Sir Henry hatte mit dieser Antwort nicht gerechnet, und er starrte den narbigen Scharfschützen nachdenklich an. Wenn er ehrlich war, und Sir Henry gefiel es gar nicht, ehrlich mit sich zu sein, fürchtete er sich vor dem Heer, dem er in Portugal begegnet war. Bisher war Sir Henry davon ausgegangen, dass Soldatentum eine glorreiche Angelegenheit sei, mit gehorsamen Männern in parademäßig ausgerichteten Reihen, deren scharlachrote Uniformen in der Sonne leuchteten. Aber stattdessen waren ihm lässige, ungepflegte Offiziere begegnet, die sich über seine Milizausbildung lustig machten. Sir Henry hatte davon geträumt, sein Bataillon in die Schlacht zu führen, hoch zu Ross und mit erhobenem Säbel, und sich so unsterblichen Ruhm zu erwerben.

Während er Sharpe anstarrte, der für so viele Offiziere typisch war, denen er während seines kurzen Aufenthalts in Portugal begegnet war, konnte er nicht umhin, sich zu fragen, ob es wohl auch französische Offiziere gab, die wie Sharpe aussahen. Er hatte sich Napoleons Heer als Herde unwissender Soldaten vorgestellt, angetrieben von geckenhaften Offizieren, und er erschauerte innerlich bei dem Gedanken, es könne sich herausstellen, dass sie hagere, abgehärtete Männer wie Sharpe waren, die ihn aus dem Sattel zu hauen vermochten, noch ehe er Gelegenheit bekam, sich als siegreicher Held in Öl malen zu lassen. Sir Henry fürchtete sich bereits, ohne auch nur einen einzigen Feind zu Gesicht bekommen zu haben, doch zunächst musste er scharfsinnig Rache nehmen an diesem Schützen, der ihn so verblüfft hatte.

»Drei Schuss die Minute?«

»Ja, Sir.«

»Und wie bringen Sie den Männern bei, drei Schuss pro Minute abzufeuern?«

»Geduld, Sir, Übung. Eine richtige Schlacht wirkt Wunder.«

Simmerson lachte höhnisch. »Geduld! Übung! Das sind doch keine Kinder, Sharpe. Trunkenbolde und Diebe sind sie! Der Gosse entsprungen!« Seine Stimme begann sich wieder zu heben. »Einprügeln müssen Sie es ihnen, Sharpe, einprügeln! Das ist die einzige Methode! Ihnen eine Lehre erteilen, die sie nicht vergessen. Hab ich nicht recht?«

Die Antwort war Schweigen. Simmerson wandte sich an Forrest. »Hab ich nicht recht, Major?«

»Ja, Sir.«

Forrests Entgegnung fehlte es an Überzeugungskraft. Simmerson wandte sich wieder an Sharpe. »Sharpe?«

»Das ist der letzte Ausweg, Sir.«

»Der letzte Ausweg, Sir.« Simmerson äffte Sharpe nach, doch insgeheim freute er sich. Dies war die Antwort, die er sich gewünscht hatte. »Sie sind weich, Sharpe! Könnten Sie den Männern beibringen, drei Schuss pro Minute abzufeuern?«