Silvia-Gold 146 - Marion Alexi - E-Book

Silvia-Gold 146 E-Book

Marion Alexi

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Beschreibung

Es ist Nacht. In den meisten Häusern der noblen Villenstraße sind die Lichter längst erloschen, doch hinter einem der dunklen Fenster liegt eine junge Frau und weint. Immer stärker werden die Schuldgefühle, die Amelie Ostermeier quälen, denn sie hat vor acht Jahren etwas Entsetzliches getan. Sie hat ihr Kind an ein Fremde verkauft! Aus Angst vor der Schande!
Heute bereut sie ihr feiges Handeln zutiefst, doch sie darf mit niemandem über ihre Vergangenheit sprechen. Nicht einmal mit dem Mann, der sie glücklich machen will ...


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Inhalt

Cover

Die Nacht, von der niemand erfahren darf

Vorschau

Impressum

Die Nacht, von der niemand erfahren darf

Sie wusste, dass es falsch war, aber sie wehrte sich nicht

Von Marion Alexi

Es ist Nacht. In den meisten Häusern der noblen Villenstraße sind die Lichter längst erloschen, doch hinter einem der dunklen Fenster liegt eine junge Frau und weint. Immer stärker werden die Schuldgefühle, die Amelie Ostermeier quälen, denn sie hat vor acht Jahren etwas Entsetzliches getan. Sie hat ihr Kind an ein Fremde verkauft! Aus Angst vor der Schande!

Heute bereut sie ihr feiges Handeln zutiefst, doch sie darf mit niemandem über ihre Vergangenheit sprechen. Nicht einmal mit dem Mann, der sie glücklich machen will ...

Ein scharfer Schmerz durchfuhr Bettina Paul, als sie an ihre Hoffnungen dachte – alle waren mit einem Schlag vernichtet worden. Ein einziger Satz hatte genügt, um sie in verzweifelte Ratlosigkeit zu stürzen. Sie hatte den Kampf verloren und musste nun damit rechnen, dass diese Niederlage gleichzeitig das Ende ihrer Ehe bedeutete.

»Es tut mir außerordentlich leid, Sie enttäuschen zu müssen, Frau Paul. Ich hätte Ihnen gern Erfreulicheres mitgeteilt.« Der berühmte Gynäkologe rieb die Fingerspitzen aneinander und vermied es, sie anzusehen.

Bettina starrte den Arztkittel an, bis die weiße Fläche zu flimmern begann. Eine leichte Übelkeit befiel sie, sie krampfte die Hände um die Lehnen des Stuhls. Seltsamerweise registrierte sie, wie angenehm kühl sich die Metallstangen anfühlten. Sie nahm auch die Geräusche aus dem Nebenzimmer wahr, banale Alltagsgeräusche, die sie unter anderen Umständen überhört hätte.

»Ist Ihnen nicht gut?« Die Stimme des Mediziners klang besorgt. »Frau Michelsen bringt Ihnen gern ein Glas Wasser.«

Bettina schüttelte ablehnend den Kopf.

»Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen jetzt zumute ist«, setzte der Gynäkologe hinzu. »Aber Sie sind eine starke Frau ...«

Tatsächlich? Sie musterte ihn mit unbewegter Miene. Seltsam, sie sah ihn sprechen, sah, wie sich seine Lippen bewegten, hörte wohl auch die angenehme Männerstimme. Doch was er äußerte, begriff sie nicht.

Erschrocken stellte sie fest, dass sie nichts empfand und auch nichts fühlte. Als wäre sie betäubt worden. Sie saß zwar vor dem Schreibtisch des Arztes, der ihr gerade mitgeteilt hatte – natürlich schonend –, dass sie nie würde schwanger werden könne, doch eigentlich war sie gar nicht da. Hatte nicht auch ihr Herz aufgehört zu schlagen?

Ihre Hände fühlten sich eiskalt an und waren gefühllos.

Der Arzt erhob sich und ging zur Tür. Sie musste seinem Beispiel folgen, denn sie konnte sein Sprechzimmer nicht ewig mit Beschlag belegen. Schließlich warteten noch viele Patientinnen darauf, den Doktor zu sprechen. Also stand sie auf und ging mit merkwürdig steifen Schritten zur Tür.

»Sie haben einen Schock erlitten, Frau Paul. Meinen Sie nicht, dass es besser wäre, sich etwas hinzulegen?«

Bettinas Herz begann plötzlich wild in panischem Schreck zu klopfen. Allein der Geruch in der frauenärztlichen Praxis brachte sie um. Schon würgte sie, als müsse sie sich übergeben.

Wie eine Marionette schritt sie den langen Gang entlang. Die junge Sprechstundenhilfe warf ihr einen bestürzten Blick zu.

»Begleiten Sie Frau Paul zur Tür, Immi«, rief der Arzt.

Wie sie es schaffte, der jungen Frau zuzulächeln, war Bettina selbst nicht klar. Immi jedoch wirkte tatsächlich beruhigt und öffnete ihr eilfertig – und ein bisschen mitleidig – die Tür.

Erst als Bettina das Haus verließ und in den Sonnenschein blinzelte, fühlte sie, wie ihr Empfindungsvermögen zurückkehrte. Ihre Hände waren wieder durchblutet und fühlten sich warm an.

Was soll ich denn jetzt tun?, dachte sie verzweifelt. Ich kann doch nach diesem niederschmetternden Arzttermin nicht einfach nach Hause gehen und so tun, als wäre nichts geschehen. Mein Leben ist gerade in Stücke gebrochen. Henning wird mich heute noch verlassen, weil ich außerstande bin, ihm seinen größten Wunsch zu erfüllen.

Bettina fuhr sich durch das braune, blond gesträhnte Haar und dachte: Ich kann mich ebenso gut vor das nächste Auto werfen und darauf hoffen, dass es mit mir vorbei ist.

Aber dann hatte sie vollauf mit den aufsteigenden Tränen zu kämpfen, denn ein etwa vierjähriges Zwillingspärchen rannte mit wehenden Locken auf sie zu, um im letzten Moment einen Haken zu schlagen und hell lachend davonzustieben.

Auf einmal war die Welt voller Kinderwagen und glücklicher Mütter, niedlicher Kleinkinder und stolzer Väter. Bettina fühlte sich grausam ausgegrenzt und vom Schicksal mies behandelt. Was hatte sie denn getan, begehrte sie mit heftig pochendem Herzen auf, um derart hart gestraft zu werden?

Seit Jahren wünschte sie sich sehnlichst ein Baby und hatte eine Menge dafür getan, um endlich schwanger zu werden. Und nun diese Pleite, oh, es war zum Verzweifeln!

Eine Adoption kam für Henning nicht infrage. Er wollte ein eigenes Kind haben und lehnte es strikt ab, darüber auch nur zu diskutieren.

Bettina mühte sich tapfer, Ordnung in ihre wirren Gedanken zu bringen. Dabei fiel ihr Blick zufällig auf eine schmale junge Frau, die auf sie zukam und sie scheinbar nicht bemerkte.

Die blasse junge Mutter war einzig auf ihren Kinderwagen konzentriert. Den stellte sie vor das Schaufenster des Blumengeschäfts, aus deren Eingangstür süße Düfte drangen. Sie arretierte die Bremse und warf einen letzten liebevollen Blick auf ihr Baby. Es schlief friedlich und glich, wie alle schlafenden Babys, einem artigen Engel. Anschließend verschwand sie im Blumenladen.

Bettina behielt den unbeaufsichtigten Kinderwagen im Auge. Wie angewurzelt stand sie da, vollkommen regungslos. Ein fürchterlicher Gedanke durchzuckte sie, während ihr Herz heftig pochte. Sollte sie es wagen? Sie sah schon die fetten Schlagzeilen in den Tageszeitungen vor sich:

Baby entführt! Am helllichten Tag Kind gestohlen. Unter den Augen der Mutter, die einen Schock erlitt.

Jetzt!, dachte Bettina. Schnell muss es gehen, dann könnte es klappen. Du schnappst dir das Baby und rennst damit zum Parkhaus. Dort steht dein Auto, eigentlich dürfte nichts schiefgehen.

Und was, wenn es schreit? Manche Babys schreien wie am Spieß. Oder die Mutter verfolgt mich womöglich und entfesselt ein Mordstheater, bis die Polizei kommt und mich verhaftet ...

»Grüß Gott! War meine Kleine brav?« Die blasse junge Frau war schon wieder da. Sie nickte Bettina flüchtig zu und beugte sich dann lächelnd über den Kinderwagen. Das Baby schlummerte fest, es hatte die kurze Abwesenheit der Mutter nicht mitbekommen.

O mein Gott, dachte Bettina entsetzt, um ein Haar wäre ich zur Verbrecherin geworden. Nur weil ich unbedingt ein Baby brauche, um meine wacklige Ehe zu retten. Und bestimmt billigen sie einem dafür keine mildernden Umstände zu, die Herren Richter. Ganz abgesehen davon, was Henning veranstalten würde, wenn er es erführe: ein Riesentheater. Seine unerträgliche Mutter würde mit Sicherheit auf der Trennung von ihr bestehen, hatte sie nicht von Anfang an darauf gehofft, dass es dazu kommen würde?

Bettina hatte es auf einmal eilig, rannte sogar los, als würde sie verfolgt. Nur fort von hier, dachte sie schamrot, egal wohin.

♥♥♥

Zu den Adressen mit besonderem Flair zählte das »Café Ludwig« bestimmt nicht. Es hatte sich nicht mal der Tradition altbayerischer Feinbäckereien verschrieben, wie man hätte meinen können, schon wegen des in München bedeutungsschweren Namens Ludwig.

Bettina Paul sah sich mit kritischen Blicken im Café um und kam zu dem Schluss, selten eine so schäbige Konditorei gesehen zu haben. Die wunderlichen Grünpflanzen im Fenster waren peinlich mickrig und verstaubt, die Vorhänge wiesen arg verschlissene Stellen auf, und die Sessel waren durchgesessen.

Dementsprechend war die Qualität des Kaffees. Vom Gebäck ganz zu schweigen, das war so trocken, hart und ungenießbar wie ein Stück Schiffszwieback.

Sie schob den Kuchenteller von sich. Wenigstens war der Kaffee heiß. Das war aber schon das Netteste, was sich von ihm sagen ließ. Selbst ein Herzkranker könnte ihn trinken.

Die breithüftige Bedienung schlurfte mit unwirscher Miene durchs Café und brachte ein Kännchen Tee zum Fenstertisch. Die junge Frau, die dort saß, wollte gleich bezahlen. Während sie in ihrer Geldbörse nach den passenden Münzen suchte, kratzte sich die ungepflegte Bedienung hingebungsvoll im Nacken.

Schrecklich, dachte Bettina angewidert. Wieso habe ich nicht sofort gemerkt, dass ich in einer Räuberhöhle gelandet bin? Ich hätte mich gar nicht erst an diesem Tisch niederlassen dürfen. Ein Deckchen mit Kaffeeflecken bedeckte knapp die klebrige Platte.

Aber nun saß sie da und konnte wenigstens verschnaufen. Schade um die verpasste Chance, dachte sie, als sie die Löcher im abgetretenen Linoleum entdeckte. Eine tolle Lage, vermutlich jede Menge Laufkundschaft, und niemand da, der begreift, dass man aus dem Laden eine Goldgrube machen könnte. Dabei sind die Voraussetzungen ideal, es brauchte nur etwas Engagement und Geschmack sowie das nötige Kleingeld, um ...

Sie unterbrach ihren unternehmerischen Höhenflug, als sie ein unterdrücktes Schluchzen hörte. Zuerst dachte sie an die dickfellige Bedienung. Die machte vielleicht einen Kassensturz und stellte fest, dass das Geld mal wieder nicht langte. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wann das »Ludwig« seine Pforten schließen würde. Kreisten nicht schon die Geier? Nein, was sich drüben wesentlich schneller bewegte als die Bedienung, waren die dicken Fliegen über dem Kuchentresen.

Die junge, vergrämt wirkende Frau am Fenstertisch schniefte, während sie hektisch in ihrer riesigen Tasche suchte. Nach einem Taschentuch, wie Bettina vermutete. Wie alt mochte sie sein? Bettina schätzte sie auf siebzehn, sie mochte freilich auch schon älter sein, vielleicht eine Abiturientin, die eine Klausur geschmissen hatte und sich jetzt nicht nach Hause traute.

Ein genauerer Blick verriet Bettina, dass ein anderer Grund für die Tränen verantwortlich sein dürfte. Ein gerundeter Bauch, der kaum auf Fressattacken zurückzuführen war, wölbte sich unter dem eisvogelblauen T-Shirt, dehnte es zu größtmöglicher Weite.

Sie ist schwanger, stellte Bettina überrascht fest und fixierte die junge Frau mit den glatten, schulterlangen Haaren von der Farbe reifer Kastanien. Die Haare schienen das Schönste an ihr zu sein, sie waren wunderbar dicht und glänzten intensiv.

Endlich hatte sie ein Taschentuch gefunden. Sie betupfte erst die Augenwinkel, dann putzte sie sich die Nase. Aber sie konnte nicht aufhören zu weinen und schluchzte so heftig, dass ihre Schultern bebten. Es schien sie nicht zu kümmern, ob ihre Umgebung etwas mitbekam: Sie ließ ihrem Kummer freien Lauf.

Bettina Paul empfand keine Sekunde lang Mitleid. Mit schmalen Augen musterte sie unverkennbar spekulativ die junge Frau.

Schwanger, jung und unglücklich. Na, wenn das nicht eine ideale Kombination war! Hoffnungsfünkchen glommen in ihrem eben noch tief deprimierten Herzen und verbreiteten wohlige Wärme. Plötzlich störte sie die heruntergekommene Umgebung kein bisschen mehr. Innerlich aufgeregt, sich äußerlich jedoch perfekt beherrschend, überlegte sie blitzschnell, wie sie vorgehen sollte.

Drüben sitzt meine Chance, dachte Bettina und stand schon auf. Während sie eine fürsorgliche und freundliche Miene aufsetzte, frohlockte sie insgeheim. Dieses Häufchen Unglück im eisvogelblauen T-Shirt dürfte ihr der Himmel geschickt haben.

Jetzt galt es, klug zu sein und die richtigen Worte zu finden, um keinen Argwohn zu wecken. Zunächst musste sie freilich herausfinden, warum die Kleine heulte. Womöglich war's nur Liebeskummer, der schnell gelindert war. Aber verzog man sich mit »normalem« Liebeskummer in so eine abgewirtschaftete Spelunke?

»Verzeihen Sie, aber ...«

Die junge Frau schaute Bettina erschrocken an.

»Ich will wirklich nicht stören«, setzte Bettina hinzu und versuchte, ihrer Stimme einen honigsüßen Schmelz zu geben. Sie musste unbedingt vertrauenswürdig wirken und der Kleinen das Gefühl geben, in ihr eine Freundin gefunden zu haben. Jemand, der es gut mit ihr meinte.

»Wie? Nein, Sie stören nicht, wirklich nicht, ich ...«

»Darf ich?« Und schon setzte sich Bettina auf den freien Stuhl neben sie, ausdrücklich nicht ihr gegenüber. Weil sie dieser Platz um die Chance gebracht hätte, die Verzweifelte in den Arm zu nehmen, so sich dazu die Gelegenheit bot.

Und sie hatte fest vor, für eine solche Gelegenheit zu sorgen.

Bettina lächelte lieblich.

»Ich möchte nicht aufdringlich wirken, aber ich habe Sie eben gehört. Und da konnte ich nicht länger stillsitzen, ich musste einfach etwas unternehmen.«

Die großen blauen Augen füllten sich erneut mit Tränen. Es waren ausdrucksvolle, von langen dichten Wimpern umkränzte Augen. Allerdings waren sie jetzt rot geweint, und die Wimpern klebten vor Nässe zusammen.

»Sie sind sehr unglücklich, nicht wahr?« Bettina griff nach der verschwitzten Mädchenhand, die neben der Teetasse lag, und lächelte gütig. »Weinen Sie nur, das tut Ihnen gewiss gut. Tränen lösen Verkrampfungen der Seele.«

»Sind Sie zufällig eine Psychologin oder so?«

»Nein. Nur eine Frau mit Lebenserfahrung.« Bettina schaute sie so warmherzig wie möglich an. »Kann ich Ihnen vielleicht einen Rat geben? Ich möchte Ihnen gern helfen. Wenn man so jung ist wie Sie, sollte man glücklich sein.«

»Glücklich!«, stieß das junge Mädchen verzweifelt hervor.

»Aber ja.« Bettina nickte heftig. »Wenn man jung ist, sollte man tanzen, flirten und für Musikgruppen schwärmen. Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«

»Achtzehn«, brachte das Mädchen erstickt hervor.

»Ein vielversprechendes Alter.«

»Ich komme mir vor, als wäre ich hundert Jahre alt. Es ist alles so abscheulich. Und ich bin so verdammt allein.«

»Niemand hilft Ihnen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie sind so reizend und sehen sehr apart aus. Bestimmt reißt man sich um Sie.«

»Nein. Ich bin eigentlich immer allein.«

»Darf ich fragen, wie Sie heißen?«

»Amelie Ostermeier. Sagen Sie bitte Amelie zu mir.«

»Ein klassischer Name, der besonders gut zu Ihnen passt.« Bettina nannte ihr ihren Namen und reichte ihr ihre Hand. »Möchten Sie mir erzählen, Amelie, was Sie bedrückt?«