Sirius, Katzenkönig und Co. - Ernst Reuß - E-Book

Sirius, Katzenkönig und Co. E-Book

Ernst Reuß

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Beschreibung

Ein angeblicher Außerirdischer überredet eine Frau zum Selbstmord. Ein Mann ist bereit, zum Schutz der Menschheit ein Menschenopfer darzubringen ... Von tragischen, skurrilen und bizarren Strafrechtsfällen aus dem Bereich Mord und Totschlag handelt das Buch von Ernst Reuß. Jeder Fall hat seine besondere juristische Eigentümlichkeit. In kurzweiligen verständlichen Texten kommentiert der Autor Urteilsbegründungen aus Originalquellen. Er spürt der Frage nach: Warum wurde so und nicht anders geurteilt? Überaus spannend sind diese Fälle, die Strafrechtsgeschichte schrieben. Interessant für den Jurastudenten wie für den juristischen Laien, doch nichts für schwache Nerven.

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Ernst Reuß

Sirius, Katzenkönig und Co.

Fünf Fälle aus der Strafrechtsgeschichte

 

 

 

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Der Sirius-Fall

Impressum tolino

Einleitung

Es muss wohl Mitte der 90er Jahre gewesen sein, als ich das erste Mal vom Sirius-Fall hörte, während einer Strafrechtsvorlesung in meinen Anfangssemestern an der Universität. Ein Mann hatte seine Bekannte überredet sich umzubringen, damit sie mit ihm, ohne ihren dafür hinderlichen Körper, zum Planeten Sirius reisen kann, um dort eine gemeinsame glückliche Zukunft haben zu können.

Mich elektrisierte dieser Fall sofort. Wie konnte so etwas Absurdes geschehen? Als angehenden Juristen interessierte mich natürlich noch mehr, ob man jemanden wegen solch einer Tat juristisch belangen könnte. Ein Selbstmord ist nun mal nicht strafbar.

Häufig wurde ich gefragt, wie ich so etwas „Trockenes“ wie Jura studieren könnte. Ich konterte gern, indem ich einen solch grotesken Fall schilderte. Meist erntete ich von meinen Zuhörern ein verwundertes Kopfschütteln und die Bemerkung, warum sie noch nie davon gehört hätten.

Schon damals hatte ich die vage Idee, eines Tages diese Geschichten aufzuarbeiten. Es gibt vermutlich ein breites Publikum, das sich für derartig merkwürdige und juristisch brisante Fälle interessiert. Nun endlich erscheint eine Auswahl davon in Buchform.

Berlin, April 2017 Ernst Reuß

Der Sirius-Fall

Lag ein versuchter Mord vor?

Vor dieser äußerst kniffligen Frage stand im Juli 1983 der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Im Juristendeutsch lautet das Problem, über das das Gericht zu urteilen hatte:

„Abgrenzung von strafbarer Tötungstäterschaft und strafloser Selbsttötungsteilnahme in Fällen, in denen der Suizident durch Täuschung zur Vornahme der Tötungshandlung bewogen wird.“

Was war geschehen?

Das Landgericht Baden-Baden hatte am 3. November 1982 in einem fünftägigen Prozess den zu diesem Zeitpunkt 35-jährigen Angeklagten Fred G. – Mitinhaber eines Galvanobetriebes in Bayern – wegen versuchten Mordes, wegen Betruges, wegen vorsätzlicher Körperverletzung, wegen unbefugten Führens akademischer Grade und wegen eines Vergehens gegen das Heilpraktikergesetz zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Dagegen hatte Fred G. – beziehungsweise dessen Anwalt – Revision eingelegt.

G. soll „einen Suizidenten“ dazu überredet haben sich selbst umzubringen. Abgesehen davon, dass es sich bei „dem Suizidenten“ um eine Frau namens Heidrun T. handelte, mit der Fred G. seit mehreren Jahren eng befreundet gewesen war und ein Selbstmord möglicherweise moralisch verwerflich, beziehungsweise aus religiösen Gründen nicht erlaubt sein mag, ist eine solche Tat nach unserem Strafgesetzbuch definitiv nicht strafbar. Für sein eigenes Leben ist jeder immer noch selbst verantwortlich.

Es war also die Frage zu klären, ob man wegen massiver Beeinflussung eines Selbstmordkandidaten als Mörder verurteilt werden kann. Genau das versuchte das Gericht zu klären.

Weil der Selbstmordversuch der damals 29-Jährigen am 1. Januar 1980 erfreulicherweise nicht klappte, blieb es allerdings lediglich bei einer Anklage wegen versuchten Mordes.

Kann man also jemanden wegen des Selbstmordversuches eines anderen verurteilen?

Doch eher nicht, oder?

Anstiftung zu einem Selbstmord ist nicht strafbar, denn wer zu einer straflosen Tat anstiftet, kann deswegen nicht verurteilt werden.

Klingt einfach. Aber dieser Fall war speziell.

Ein vollkommen wirres Knäuel nicht nachvollziehbarer Phantastereien und menschlicher Abgründe wurde erneut einem Gericht vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hatte die schwierige Aufgabe darüber zu entscheiden, ob wirklich ein versuchter Mord vorlag, wie das Landgericht Baden-Baden zuvor geurteilt hatte. Folgendes war geschehen:

Anfang der 70er Jahre lernte der Angeklagte in einer Diskothek in der Nähe von Aalen die vier Jahre jüngere Heidrun T. kennen. Diese war laut Schilderung von Zeugen damals noch eine unselbstständige junge Frau von Anfang 20, die ziemlich komplexbeladen gewesen sein soll. Der anscheinend umwerfende Charmeur Fred G. hatte sich als Heilpraktiker, Privatdozent und Doktor der Psychologie vorgestellt. Heidrun war stark beeindruckt von seinen Hochstapeleien und verliebte sich heftig, obwohl sie gewiss war, dass ihre Liebe von diesem aus ihrer Sicht großen, weisen – aber mit anderen Frauen liierten – unerreichbaren Mann nicht erwidert werden konnte. So entwickelte sich eine äußerst intensive, aber doch nur platonische Freundschaft.

Man diskutierte sich hauptsächlich die Köpfe heiß.

Die Gespräche gingen meist um Psychologie und Philosophie. Fred – der angeblich promovierte Psychologe – wusste einfach auf alles eine Antwort. Die ausgebildete Chefsekretärin Heidrun T., die inzwischen zur Tageszeitung „Welt“ nach Bonn gegangen war, befand sich in einer Selbstfindungsphase und war gerade dabei den Sinn des Lebens zu ergründen. Fred G. stand ihr zur Seite. Da sie nicht in derselben Ortschaft wohnten, wurden diese Diskussionen oft in mehrere Stunden dauernden Telefongesprächen geführt.

Laut Auffassung des Landesgerichtes Baden-Baden wurde Fred G. für die Heidrun T. im Laufe der Zeit zum Lehrer und Berater in allen Lebensfragen. Sie vertraute und glaubte ihm blindlings. Er war immer für sie da.

Zumindest telefonisch!

1978 verließ sie schließlich Bonn und zog in eine Fred gehörende Eigentumswohnung in die Nähe von Baden-Baden.

Die Nähe zwischen ihr und ihrem Freund in allen Lebenslagen nahm noch mehr zu. Ihre Abhängigkeiten und ihre persönlichen Probleme allerdings auch. Fred wusste natürlich Rat, auch wenn der sich letztendlich als teuer herausstellen sollte.

Damit sie ihre Probleme überwinden könne, meinte G., benötige sie einer geistigen und philosophischen Weiterentwicklung. Einer vollkommenen Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Dazu bedürfe es natürlich größter geistiger Anstrengung zu denen selbst er – der große Lehrmeister Fred G. - nicht in der Lage sei. Er könne allerdings Hilfe anbieten, denn er kenne einen Mönch namens „Uliko vom Volke der Dogen“.

Der wäre ein noch größerer Lehrmeister als er selbst. Er würde für sie meditieren, was allerdings nicht ganz billig wäre, denn das Kloster, in dem dieser leben würde, brauche Geld. Sehr viel Geld selbstredend! Das verstand Heidrun.

Im guten Glauben überreichte sie dem wahrscheinlich innerlich glucksenden Fred G. einen Scheck. Sie hatte zuvor einen Bankkredit aufgenommen.

Dass es sich bei „Uliko“ schlicht um ein Fantasieprodukt des Angeklagten handelte, braucht hier nicht näher dargelegt werden. Dass Heidrun T. keine Zweifel an Fred hatte, braucht wohl auch nicht erläutert zu werden. Und, dass Fred G. das ganze Geld mit dem ihm eigenen Selbstverständnis seinem eigenen Konto gut schreiben ließ, sicherlich erst recht nicht!

Laut dem etwas trockenen Deutsch des Bundesgerichtshofs spielte sich die Geschichte wie folgt ab:

„Als der Angeklagte erkannte, daß ihm die Zeugin vollen Glauben schenkte, beschloß er, sich unter Ausnutzung dieses Vertrauens auf ihre Kosten zu bereichern. Er legte der Zeugin dar, sie könne die Fähigkeit, nach ihrem Tode auf einem anderen Himmelskörper weiterzuleben, dadurch erlangen, daß sich der ihm bekannte Mönch Uliko für einige Zeit in totale Meditation versetze. Dadurch werde es ihrem Körper möglich, während des Schlafes mehrere Ebenen zu durchlaufen und dabei eine geistige Entwicklung durchzumachen. Dafür müßten allerdings an das Kloster, in dem der Mönch lebe, 30000 DM gezahlt werden. Die Zeugin glaubte dem Angeklagten. Da sie nicht genügend Geld besaß, beschaffte sie sich die geforderte Summe durch einen Bankkredit.“

Deswegen wurde Fred G. dann auch später vom Landgericht Baden-Baden zu Recht wegen Betrugs verurteilt.

So weit, so klar.

Aber versuchter Mord?

Es musste also noch mehr vorgefallen sein.

So war es auch. Mit ihrer geistigen Weiterentwicklung war Heidrun nicht ganz zufrieden, und das trotz der pünktlich übergebenen 30.000 DM. Der Erfolg der Meditation des Mönches „Uliko vom Volke der Dogen“ stellte und stellte sich nicht ein. Heidrun fühlte sich kein bisschen verändert. Die skurrile Geschichte ging also weiter. Das Gericht stellte später fest:

„Sooft sich die Zeugin in den folgenden Monaten nach den Bemühungen des Uliko erkundigte, vertröstete sie der Angeklagte. Später erklärte er ihr, der Mönch habe sich bei seinen Versuchen in große Gefahr begeben, gleichwohl aber keinen Erfolg erzielt, weil ihr Bewußtsein eine starke Sperre gegen die geistige Weiterentwicklung aufbaue. Der Grund dafür liege im Körper der Zeugin; die Blockade könne nur durch die Vernichtung des alten und die Beschaffung eines neuen Körpers beseitigt werden.“

Aha! Heidrun T. war also selbst schuld! Ihr Körper war ihr im Weg. Ein Missgeschick, dem „leicht“ abgeholfen werden konnte!

Ganz schön dreist von unserem Angeklagten!

Und ziemlich durchsichtig, doch die arglose Frau schöpfte keinen Verdacht. Sie war Fred G. vollkommen verfallen.

Eines Tages hatte Fred ihr in einem ihrer unzähligen esoterisch angehauchten Gespräche überraschenderweise erzählt, dass er ja, um ehrlich zu sein, eigentlich gar kein Mensch sei, sondern von einem fremden Stern stamme. Er sei Sirianer, also ein Bewohner des weit, weit entfernten Sternes Sirius.

Vom Sirius?

Ja!

Und Heidrun T., der offensichtlich keine von Freds Storys zu albern war, glaubte ihm unvorstellbarerweise tatsächlich auch diese Geschichte.

Fred G. erzählte ihr in den folgenden Tagen einiges von „seinem“ Planeten. Unter anderem berichtete er davon, dass die Sirianer eine Rasse seien, die philosophisch auf einer weit höheren Stufe stehen als die Menschen und er deswegen zur Erde gesandt worden sei, weil er den Auftrag habe es einigen besonders brillanten Menschen zu ermöglichen auf dem Sirius weiterzuleben. Selbstverständlich gehörte auch die leichtgläubige aber geschmeichelte Heidrun T. zu dieser Elite. Freilich gab ein klitzekleines Problemchen. Ein Weiterleben auf dem Sirius sei erst nach dem völligen Zerfall des eigenen Körpers möglich.

Ihr Körper war also erneut im Weg, denn nur mit ihrer Seele könne sie auf einem fremden Planeten und natürlich auch auf dem Sirius weiterleben.

Nun hatte Fred G. offensichtlich „Blut geleckt“. Voller Freude, dass ihm die junge Frau auch diese völlig aberwitzige Münchhausengeschichte glaubte, fasste er einen perfiden Plan. Laut Bundesgerichtshof lautete der wie folgt:

„Der Angeklagte spiegelte ihr vor, in einem roten Raum am Genfer See stehe für sie ein neuer Körper bereit, in dem sie sich als Künstlerin wiederfinden werde, wenn sie sich von ihrem alten Körper trenne.“

Heidrun T. sollte sich also „von ihrem Körper trennen“. Für Außenstehende schwer verständlich, erklärte er ihr auch noch, dass sie eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten abschließen solle.

Unglaublich, aber auch das schluckte das vertrauensselige Mädchen, denn es würde sich ja nicht wirklich umbringen, sondern sofort in einem neuen Körper aufwachen.

Dem Körper einer Künstlerin!

Auch in diesem neuen Leben bräuchte sie ja Geld, und Kunst ist bekanntlich brotlos.

In welchen schillernden Farben Fred unserer leichtgläubigen Heidrun diesen neuen Körper vorher schilderte, geht aus dem Urteil leider nicht hervor.

- Ende der Buchvorschau -

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