Skull-Ranch 132 - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Skull-Ranch 132 E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Willy Kendall ist ein Hüne mit Bärenkräften. Das könnte ihm in dem rauen Diggernest Golden City eine Menge Respekt verschaffen. Aber Willy ist etwas seltsam. Er ahnt gar nicht, wie stark er ist. Und oft wird der Riese mit dem Kindergemüt gehänselt.
Einer, der Willy aus der Stadt vertreiben will, ist Ben Henderson. Eines Tages kommt es zwischen ihm und Willy zu einer heftigen Auseinandersetzung. Am nächsten Morgen findet der Marshal Hendersons Leiche. Willy sieht nur noch einen Ausweg...

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

In die Enge getrieben

Vorschau

Impressum

In die Engegetrieben

von Wolfgang Hohlbein

Willy Kendall ist ein Hüne mit Bärenkräften. Das könnte ihm in dem rauen Diggernest Golden City eine Menge Respekt verschaffen. Aber Willy ist etwas seltsam. Er ahnt gar nicht, wie stark er ist. Und oft wird der Riese mit dem Kindergemüt ge‍hän‍selt.

Einer, der Willy aus der Stadt vertreiben will, ist Ben Henderson. Eines Tages kommt es zwischen ihm und Willy zu einer heftigen Auseinandersetzung. Am nächsten Morgen findet der Marshal Hendersons Leiche. Willy sieht nur noch einen Ausweg...

Der Tag versprach heiß zu werden. Obwohl noch nicht einmal eine halbe Stunde seit Sonnenaufgang vergangen war, flimmerte die Luft über dem Bluegrass Valley bereits vor Hitze. Der Wind war – wenn er überhaupt einmal wehte – trocken und warm, und mehr als einmal brachte er Wolken eines feinen, durchdringenden Sandes mit, der in Kleider und Stiefel sickerte, sich in den Haaren festsetzte und zwischen den Zähnen knirschte.

Jimmy Twodance zügelte sein Pferd, lockerte den Knoten seines Halstuches und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er schwitzte, und der Gedanke an den kommenden Tag, der sich allem Anschein nach nahtlos in die seit nunmehr fast zwei Wochen dauernde Hitzeperiode einreihen würde, ließ seine Laune nicht gerade steigen. Nicht, dass das Valley zu sehr unter der Hitze litt. Es hatte ausdauernd und oft geregnet. Der Boden war zwar mit einer feinen, pulverigen Staubschicht bedeckt, die bei jedem Schritt seines Pferdes aufwirbelte, aber die Erde darunter war ausreichend mit Feuchtigkeit gesättigt. Weder die Menschen noch die Pflanzen und Tiere des Tales waren ernsthaft in Gefahr, auch nicht, wenn die Dürreperiode noch ein paar Wochen anhalten würde, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht unter der unbarmherzigen Sonnenglut leiden durften.

Jimmy seufzte, setzte seinen Hut wieder auf und presste dem Pferd leicht die Schenkel in die Seiten. Das Tier trabte gehorsam los. Vielleicht rührte seine üble Laune auch nur von dem Gedanken an das zu erwartende Gespräch mit George Rockwell, dem Town-Marshal von Golden City her. Ein Teil der Skull-Männer war am vergangenen Abend in die nahegelegene Digger-Stadt geritten, um sich im Saloon ein paar angenehme Stunden zu machen. Unter ihnen auch Brazos. Jimmy war nicht dabei gewesen und hatte nur vom Hörensagen erfahren, was überhaupt passiert war. Ganz egal wie, es war – wieder einmal – zu einer handfesten Prügelei zwischen den Skull-Leuten und einigen Goldgräbern gekommen. Und Brazos wie üblich mittendrin... Jimmy lächelte, als er an John Morgans Kommentar zu der Geschichte dachte. Normalerweise nahm der Boss der Skull-Ranch Vorfälle wie diese gelassen und mit einer gehörigen Portion Humor – zumindest, wenn Brazos nicht dabei war –, aber an diesem Morgen schien er ernstlich böse geworden zu sein. Vielleicht, sinnierte Jimmy, hatte er damit nicht einmal so völlig unrecht. In letzter Zeit wurde es zu einer regelrechten Angewohnheit – wo immer in der Umgebung der Skull die Fäuste flogen, schien der hünenhafte Schmied dabei zu sein. Die vergangene Nacht war nicht die erste, die er im Gewahrsam des Marshalls verbracht hatte. Und dieser Monatslohn würde auch nicht der erste sein, den er für zerschlagene Möbel und zerbrochene Spiegel und Flaschen abgeben durfte. Aber es war das erste Mal, dass Morgan ihn nicht persönlich aus dem Jail holte oder wenigstens Chet Quade schickte. Und er hatte Jimmy eindringlich aufgetragen, den Schmied ruhig ein wenig braten zu lassen.

Nun, er würde Morgan beim Wort nehmen und sich nach dem anstrengenden Ritt erst einmal ein Bier gönnen, ehe er – vielleicht gegen Mittag – zu Rockwell hinüberging und die Sache in Ordnung brachte. Eine kleine Lektion konnte Brazos nur guttun.

Er ließ sich ein wenig vornübersinken, stützte sich mit den Händen auf dem Sattelknauf auf und schloss die Augen. Es war nicht nötig, dass er sich auf den Weg konzentrierte; sein Pferd kannte ihn so gut wie er, wenn nicht besser.

Aber es gab an diesem Morgen nicht nur den einsamen Cowboy auf dem Weg nach Golden City. Die Hitze hatte auch andere Bewohner des Tales ins Freie getrieben: kleine, große, gefährliche und ungefährliche – und tödliche. Der Tod lauerte in Form einer braunen, dunkel gestreiften Schlange auf dem schmalen Trampelpfad. Das Tier hatte am Morgen Beute gemacht und döste jetzt in der erwachenden Tageshitze vor sich hin, wohl wissend, dass sich kein Lebewesen, das nicht gerade Selbstmord begehen wollte, in seine Nähe wagen würde.

Jimmys Pferd scheute, als das durchdringende Rasseln der Klapperschlange die Stille zerriss. Es warf den Kopf zurück, wieherte schrill und stieg in blinder Panik auf die Hinterläufe. Die Bewegung kam zu plötzlich, als dass Twodance noch zu einer anderen Reaktion fähig gewesen wäre als der, den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen und zu hoffen, dass ihm der Sturz nicht sämtliche Knochen im Leibe brechen würde. Er wurde im hohen Bogen aus dem Sattel geschleudert, prallte mit dem Kopf gegen einen flachen Stein und blieb einen Moment lang benommen liegen. Als sich das Flimmern vor seinen Augen legte, sah er gerade noch, wie sein Pferd in blinder Panik davonstob.

Er schüttelte den Kopf und richtete sich schwerfällig auf die Ellbogen auf. »Was zum Teufel...«

Der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken, als er das Geräusch hörte. Es war ein Laut, den jeder Westmann kannte und fürchtete, ein Geräusch, das man nur einmal im Leben zu hören brauchte, um es nie wieder zu vergessen. Das zornige Klappern einer Klapperschlange!

Jimmy sah vorsichtig an sich herunter und erstarrte vollends. Ein langer, dunkel gemusterter Körper kroch mit schlängelnden Bewegungen durch das hüfthohe Gras auf ihn zu, verharrte einen Herzschlag lang vor seinen Stiefeln und schob sich dann behutsam hinauf.

Jimmy spürte, wie sein Herz einen Schlag übersprang und dann schneller und erregter weiter zu hämmern begann. Die Schlange schob sich über seine ausgestreckten Beine, hob den Kopf, züngelte erregt hin und her und blieb dann liegen. Die Klapper an ihrem steil erhobenen Schwanz rasselte wütend. Das Geräusch trieb ihm einen eisigen Schauer über den Rücken.

Er versuchte, so still wie möglich zu liegen, und schickte hintereinander ein Dutzend Stoßgebete zum Himmel, dass das Monstrum endlich weiterkriechen würde. Aber das schien nicht viel zu nutzen. Im Gegenteil. Die Schlange zog sich zusammen; ihr Schwanz ringelte sich um seinen rechten Stiefel und kommentierte die Bewegung mit einem weiteren, drohenden Rasseln. Es sah ganz so aus, als wolle es sich das Untier auf diesem Platz für die nächsten Stunden gemütlich machen.

Jimmys Gedanken überschlugen sich. Die winzigste Bewegung genügte, und die tödlichen Giftzähne würden sich unbarmherzig in seine Haut bohren. Das Tier war durch den plötzlichen Lärm aufgeschreckt und wütend. Seine kleinen, starren Augen schienen ihn mit einer boshaften Intelligenz zu mustern, als überlege das Reptil ernsthaft, ob dieser Brocken als zweites Frühstück zu groß war oder nicht.

In seinen Oberarmen machte sich langsam ein dumpfer, pulsierender Schmerz bemerkbar. Er würde es in dieser unbequemen Lage nicht mehr allzu lange aushalten. Zehn Minuten, eine Viertelstunde vielleicht, ehe seine überanstrengten Muskeln unter dem Gewicht seines Oberkörpers nachgaben, und dann... Er bewegte den Kopf um ein paar Millimeter und schielte sehnsüchtig zu seinem Revolver. Die Waffe war durch den Sturz halb aus dem Holster geglitten, und die Fingerspitzen seiner rechten Hand befanden sich nur Zentimeter von ihrem Griff entfernt. Wenn er schnell genug zog und abdrückte... Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Er wusste, wie schnell Schlangen waren. Er hatte in den letzten Jahren gelernt, mit der Waffe umzugehen, aber so schnell, wie er in diesem Fall sein musste, wäre niemand. Außerdem würde er sich höchstens in den Fuß schießen. Seine Arme waren bereits taub, und in seinen Fingerspitzen machte sich ein unangenehmes Kribbeln bemerkbar. Er würde die Waffe nicht einmal richtig halten können.

Aber irgendetwas musste geschehen! Er konnte nicht stundenlang reglos in der Sonnenglut liegen und darauf hoffen, dass der Klapperschlange das Spielchen zu langweilig wurde. Die Hitze war bereits jetzt unerträglich.

Er versuchte, seine überanstrengten Muskeln ein wenig zu entlasten und das Gewicht seines Oberkörpers zu verlagern. Die Schlange quittierte die Bewegung mit einem wütenden Zischen. Ihre gespaltene Zunge tastete über seine Beine, und für einen Moment glaubte Jimmy, an den Enden ihrer gebogenen Fangzähne zwei winzige Tröpfchen schimmern zu sehen.

Aber das war natürlich Einbildung.

Ein riesiger, verzerrter Schatten legte sich von hinten über ihn. Jimmy sog scharf die Luft ein und erstarrte zu vollkommener Bewegungslosigkeit. Hilfe! Ganz egal wie, der Mann musste erkannt haben, in welcher Lage er sich befand. Irgendwie würde er es schaffen, das Ungeheuer von seinen Beinen herunterzulocken.

Jedenfalls hoffte er das...

Leise, behutsame Schritte klangen hinter ihm auf, dann erschien ein paar grob gearbeiteter Stiefel in seinem Gesichtsfeld. Ein weiterer Schritt. Der Mann bewegte sich auf die Schlange zu, erstarrte und beugte sich dann langsam vornüber.

Jimmy biss sich auf die Lippen und unterdrückte im letzten Moment einen Aufschrei, als er den massiven Knüppel in den Händen des anderen sah. Der Schlag würde ihm die Beine brechen. Aber vielleicht war das immer noch besser, als einen Schlangenbiss zu riskieren.

Er schloss in Erwartung des Schmerzes die Augen, als er sah, wie der Mann den Prügel hoch über den Kopf hob und sich die mächtigen Muskeln unter seinem Hemd spannten. Aber der erwartete Hieb blieb aus. Der Knüppel sauste in einer ungeheuer schnellen Bewegung herab, zischte knapp über seine Beine hinweg und traf den dreieckigen Schlangenkopf seitlich mit vernichtender Wucht. Die Schlange wurde hochgerissen und zur Seite geschleudert. Das Klappern des berüchtigten Schwanzes ging in einem schmerzhaften Zischen unter.

Jimmy war auf den Beinen, ehe der Schlangenkörper den Boden berührte. Seine Hand zuckte zum Colt, riss die Waffe hervor und zog den Stecher dreimal hintereinander durch. Der Explosionsknall dröhnte überlaut in seinen Ohren, und die Kugeln bohrten sich wenige Zentimeter rechts und links der Schlange in den Boden.

Er sprang zurück, zielte genauer und ließ die Waffe dann mit einem erleichterten Seufzer sinken. Es war nicht mehr nötig, zu schießen. Der Schlag hatte den Kopf der Giftschlange zertrümmert. Ihr Schwanz zuckte noch immer, aber das war nur mehr ein reiner Nervenreflex.

Er atmete erleichtert auf, steckte den Fünfundvierziger zurück und wandte sich um, um seinem Lebensretter zu danken.

Der Mann war erschrocken zurückgesprungen, als die Schüsse gefallen waren. In seinem Gesicht zuckte es, und sein Blick hing angstvoll an der Waffe in Jimmys Gürtel.

Jimmy betrachtete sein Gegenüber genauer und revidierte sein Urteil. Sein Lebensretter mochte den Körper eines Mannes haben – hinter seiner breitschultrigen Gestalt hätte sich so mancher verstecken können – aber er hatte das Gesicht eines Kindes. Ein breitflächiges, nicht eben gutaussehendes Gesicht: flache, fliehende Stirn, eine breite Nase, die sich über einem wulstigen Mund wölbte und schmale, leicht schrägstehende Augen, die eher zu einem Chinesen als zu einem Amerikaner gepasst hätten. Aber er konnte nichts für sein Aussehen. Und schließlich hatte er ihm das Leben gerettet.

Jimmy lächelte, streckte die Hand aus und trat einen Schritt vor. Der Junge zuckte zusammen und wich ängstlich zurück. In seinen Augen spiegelte sich eindeutig Furcht.

»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Jimmy. Er spürte, dass seine Worte falsch gewählt waren. Aber es war nicht leicht, etwas Passendes zu finden. »Du... du hast mir das Leben gerettet«, sagte er stockend. »Danke.«

Der Junge nickte. Die Spannung wich aus seinem Gesicht, aber sein Blick wanderte immer wieder nervös zu Jimmys Waffe.

»Hast du Angst davor?«, fragte Jimmy leise. »Hier... ich lege ihn weg.« Vorsichtig und mit langsamen Bewegungen zog er den Revolver aus dem Holster und legte ihn vor sich ins Gras. Dann trat er erneut auf den Jungen zu und lächelte. »Siehst du. Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben. Ich bin dir dankbar, dass du die Schlange erledigt hast.«

Seine Worte schienen den Bann endgültig zu brechen. Der Ausdruck der Angst verschwand wie fortgewischt aus dem Gesicht des anderen. Schließlich lächelte er sogar.

»Sie sollten sich nicht hier ins Gras legen«, sagte er. »Das ist gefährlich. Es gibt eine Menge Kroppzeug hier.« Er sprach schnell und hastig und verschluckte manchmal ganze Silben. Seine Stimme hatte einen hohen, unangenehmen Klang, und zusammen mit seiner undeutlichen Aussprache hatte Jimmy alle Mühe, die Worte überhaupt zu verstehen.

»Mein Daddy sagt immer, dass es gefährlich ist, hier draußen rumzulaufen.«

»Dein Daddy?«

»Dad. Mummy nennt ihn Floyd, aber ich sage immer Daddy.«

Jimmy lächelte. »Weiß dein Daddy, dass du hier draußen bist?«, fragte er.

Ein hastiges Kopfschütteln. »Nein. Aber mir passiert nichts. Ich passe auf, und ich habe ja meinen Knüppel. Sie... Sie sagen ihm doch nicht, dass ich hier war, oder?«

Jimmy schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Das geht nur dich und mich etwas an. Wie heißt du überhaupt?«

»Willy«, antwortete der Junge hastig. »Willy Kendall. Sie sagen ihm wirklich nichts? Ich meine... mir passiert nichts, aber er wird bestimmt böse, wenn er erfährt, dass ich so weit vor der Stadt war.« Er hob seinen Prügel und schüttelte ihn. »Mir passiert wirklich nichts, Mister.«

Jimmy grinste. Er glaubte Willy aufs Wort. Schließlich hatte er vor wenigen Augenblicken erlebt, wie meisterhaft er mit seiner Waffe umzugehen verstand.

»Ich verrate bestimmt nichts«, sagte er. »Und das Mister vergiss mal schön schnell. Ich heiße Jim. Jimmy, für meine Freunde.«

Willy lächelte – ein kindliches, einfältiges Lächeln, das ein seltsames Gefühl in Jimmy auslöste. Es war entnervend, mit diesem Jungen zu reden. Seine Augen sagten ihm, dass er es mit einem erwachsenen Mann zu tun hatte. Aber das, was er hörte und erlebte, sagte ihm deutlich, dass sein Gegenüber den Geist eines Kindes hatte. Er hatte von solchen Fällen gehört, aber noch niemals wirklich so etwas gesehen – Menschen, die körperlich ganz normal erschienen, deren Gehirn aber irgendwann in ihrer frühen Kindheit einmal aufgehört hatte, sich weiterzuentwickeln. Es war ein seltsames Gefühl. Eine Art Unbehagen, das ihm peinlich und deshalb doppelt unangenehm war.

Er trat zurück, drehte sich um und hielt nach seinem Pferd Ausschau. Das Tier war ein paar hundert Meter weit davongelaufen und stand jetzt friedlich grasend da.

»Wenn du einen Moment wartest«, sagte er, an Willy gewandt, »fange ich rasch mein Pferd ein. Hast du Lust, nach Golden City zurückzureiten?«

Auf Willys Gesicht erschien ein erregter Ausdruck. »Klar«, sagte er aufgeregt. »Ich... ich bin schon mal geritten, weißt du? Da, wo wir früher gewohnt haben, hat mich ein Nachbar manchmal auf seinem Pferd reiten lassen. Aber das war immer an der Leine.«

»Heute kannst du frei reiten«, sagte Jimmy. »Du setzt dich einfach hinter mich in den Sattel, und wir reiten zu dir nach Hause. Okay?«

»Okay!«

Jimmy drehte sich um, hob seine Waffe auf und ging dann, um sein Pferd zu holen.

Die letzten Schüler waren vor wenigen Minuten gegangen. Der kleine Klassenraum war verwaist, und das einzige, was noch darauf hinwies, dass hier noch vor Augenblicken eine Gruppe lebhafter, übermütiger Kinder gewesen war, waren die schräggestellten Stühle und die Kreidespuren an der Tafel.

Prescylla Clark schloss die Augen, faltete die Hände auf der rissigen Tischplatte und versuchte, sich zu entspannen. In letzter Zeit fiel es ihr zunehmend schwerer, mit den wilden und quicklebendigen Kindern fertig zu werden. Dabei waren Kinder ihr Lebensinhalt – nicht nur weil sie Lehrerin war, sondern überhaupt. Sie konnte sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Im Grunde war sie schon viel zu alt, um noch zu unterrichten, und sie hatte die Stelle als Lehrerin auch nur nach langem Überlegen angenommen. Aber schließlich hatte sie doch zugesagt. Golden City brauchte eine Schule. Dass dem Ort noch viel zu einer richtigen Stadt fehlte, änderte nichts daran, dass auch die Kinder hier etwas lernen sollten – wenn es auch manchmal ein Kreuz war, dies diesen Kindern glaubhaft zu machen.

Prescylla seufzte, fuhr sich mit einer unbewussten Geste über das weiße, dicht anliegende Haar und stand auf.

Es klopfte.

Prescylla Clark sah verwundert auf. Es kam eigentlich nie vor, dass einer der Schüler nach Beendigung des Unterrichtes freiwillig noch einmal zurückkam. Im Gegenteil. Nach der letzten Stunde bereitete sich in dem kleinen Haus, das gleichzeitig als Schul- und Wohnhaus für sie selbst diente, eine grabesähnliche Stille aus.

Sie strich sich glättend über das Kleid, trat hinter dem Schreibtisch hervor und rief: »Herein?«

Die Tür wurde unnötig heftig aufgestoßen, und ein bulliger, in schmuddelige Hosen und eine grobe Baumwolljacke gekleideter Mann betrat das Klassenzimmer.

»Miss Clark?«

»Die bin ich. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Henderson. Ben Henderson.«

Prescylla runzelte die Stirn. »Henderson?«

»Meine beiden Töchter sind in Ihrer Klasse«, sagte Henderson ungehalten. »Sue und Mary.«