Sommerglück und Liebeszauber - Marte Cormann - E-Book
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Sommerglück und Liebeszauber E-Book

Marte Cormann

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Beschreibung

Verliebt, verlobt – gelangweilt? Das freche Romance-Highlight »Sommerglück und Liebeszauber« von Marte Cormann jetzt als eBook bei dotbooks. Die leicht chaotische Sofia und der vernünftige Norman sind seit vielen Jahren ein Paar. Heiraten war für die beiden nie ein Thema, bis Norman durchrechnet, wie sinnvoll das aus steuerrechtlicher Sicht eigentlich ist. Doch so viel Nüchternheit ist endgültig zu viel für Sofia! Ausgerechnet jetzt taucht Sofias Traummann und Ex-Flamme wieder auf: der kernige Bergsteiger Urs. Und statt Steuerformularen hat der nur eines im Sinn: Sofia auf Händen durchs Leben zu tragen … Aber ist er wirklich der Richtige für sie? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Sommerglück und Liebeszauber« von Marte Cormann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 361

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Über dieses Buch:

Die leicht chaotische Sofia und der vernünftige Norman sind seit vielen Jahren ein Paar. Heiraten war für die beiden nie ein Thema, bis Norman durchrechnet, wie sinnvoll das aus steuerrechtlicher Sicht eigentlich ist. Doch so viel Nüchternheit ist endgültig zu viel für Sofia! Ausgerechnet jetzt taucht Sofias Traummann und Ex-Flamme wieder auf: der kernige Bergsteiger Urs. Und statt Steuerformularen hat der nur eines im Sinn: Sofia auf Händen durchs Leben zu tragen … Aber ist er wirklich der Richtige für sie?

Über die Autorin:

Marte Cormann, geboren 1956 in Düsseldorf, begann neben ihrer Karriere als Verwaltungswirtin schon 1993 mit dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern. Ihr erster Roman, »Ein Buchclub zum Verlieben«, wurde erfolgreich für das ZDF verfilmt.

Marte Cormann veröffentlichte bei dotbooks bereits die folgenden Romane: »Cappuccinoküsse«, »Glückswolkenträume«, »Sommerglück und Liebeszauber«, »Sommerregenzauber«, »Ein Buchclub zum Verlieben« und »Liebeszauber à la Carte«.

Daneben veröffentlichte sie einen Sammelband mit schwarzhumorigen Kurz-Krimis: »Bis der Tod euch scheidet«.

Unter dem Pseudonym Liza Kent veröffentlichte sie auch den Roman »Die Liebe der Zeitenwanderin«.

Die Website der Autorin: www.martecormann.de

***

eBook-Neuausgabe April 2020

Dieses Buch erschien bereits 2002 unter dem Titel »Lieber gut geschminkt als vom Leben gezeichnet« bei Heyne

Copyright © der Originalausgabe 2002 by Marte Cormann

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Flaffy / baibaz

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96148-879-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Sommerglück und Liebeszauber« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

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blog.dotbooks.de/

Marte Cormann

Sommerglück und Liebeszauber

Roman

dotbooks.

Britta

Zwei Straßen von meiner Wohnung entfernt ist gestern eine Frau auf offener Straße erschossen worden. Von ihrem Ex. Sie war achtundzwanzig – wie ich. Ihre langen Haare trug sie hoch gesteckt und rotbraun getönt – wie ich. Und unter ihrem grasgrün gemusterten Kleid zeichneten sich auf den Hüften ein paar Pfunde zu viel ab – wie bei mir. Ich sitze am Küchentisch, schlürfe meinen Milchkaffee und überlege wie Ike reagieren wird, wenn ich ihm sage, dass ich ihn verlasse.

Im Augenblick gurgelte er nebenan im Bad. Mit dem Mundwasser für frischen Pfefferminzatem, das ich ihm zum Geburtstag geschenkt habe. Klinisch rein und antiseptisch. Wie unsere Beziehung. Dabei hatte ich anfangs wirklich geglaubt, Ike wäre der Richtige für mich. Die meisten Leute, die uns kennen, behaupten auch jetzt noch, wir passen zusammen. Aber ich frage Sie: Der einzig Richtige – gibt’s den überhaupt?

Ich verstehe es nicht. Eigentlich müsste ich glücklich sein. Ich habe einen Traumjob, der mir wirklich Spaß macht: Chef-Werbetexterin bei Astra & Co. Von der Buttermilch bis zur Toilettenschüssel weiß ich für alles einen guten Spruch. Der Anfang war hart, doch ich habe mir einen Namen gemacht: Britta Friederike Platen.

Aber privat? Ist mein Leben eine einzige Katastrophe. Das permanente Chaos. Ein ständiger Kampf gegen kalte Füße – den ich nur verlieren kann. Denn weder die handgestrickten Schafwollsocken aus Shetland, Mitbringsel eines besonders treuen Kunden, noch meine mehr oder weniger langlebigen Männerbeziehungen wärmen wirklich. Kein Wunder, denn ich bin unglücklich verliebt.

Ja, sie haben richtig gelesen. Ich bin unglücklich verliebt. Seit mehr als zehn Jahren. Der Mann, der zu mir passt wie die Faust aufs Auge oder der Deckel auf den Topf ist Familienvater. Und glücklich liiert. Mit meiner Cousine Sofia.

Kapitel 1

»Mate!«

Sofia drückte die Stopptaste, als der Mattenrichter den Kampf unterbrach. Die beiden Kontrahenten, keiner älter als acht und beide um die dreißig Kilogramm schwer, lösten sich voneinander und nutzten die Unterbrechung, um ihre Gürtel neu zu binden.

»Hajime!«

Sofia drückte die grüne Taste der Stoppuhr und der Zeiger lief weiter. Noch neun Sekunden bis zum Ende des Kampfes. Acht – sieben – sechs –fünf – vier – drei – zwei – eins.

»Zeit!«, brüllte sie gegen den Lärm in der Halle an.

»Mate!«, schrie der Mattenrichter zurück. Der Kampf war beendet. Per Armzeig erklärte er Kevin zum Sieger des Judoturniers, woraufhin Tom in Tränen ausbrach. In zwei Monaten feierte er seinen achten Geburtstag, doch er hatte noch nicht gelernt zu verlieren. Sofia breitete die Arme aus, um ihn zu trösten.

Einen wunderbaren Moment lang vergrub sie ihr Gesicht in das lockige Haar ihres Sohnes, spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging und genoss den ganz spezifischen Tom-Duft, den er verströmte. Liebe ging nicht nur durch den Magen. Die Nase war mindestens ebenso beteiligt. Sie konnte Tom im wahrsten Sinne des Wortes gut riechen – und ihre Tochter Lena, die gerade freudestrahlend auf sie zu gestürmt kam, auch.

»He! Ich habe gewonnen! Alle drei Kämpfe!«

»Super! Herzlichen Glückwunsch!« Sofia öffnete erneut die Arme, überlegte es sich in letzter Sekunde jedoch anders. Mit ihren zehn Jahren war Lena in einem Alter, in dem öffentliches Kuscheln mit der Mutter als absolut uncool galt. Sie platzte beinahe vor Stolz über ihren Sieg und Sofia bemerkte, wie sich das Gesicht ihres Sohnes im Gegenzug verfinsterte. Der ewig gleiche Wettkampf unter Geschwistern war diesmal zu Gunsten der Älteren ausgegangen. Dankbar über die Ablenkung wandte Sofia den Kopf zur Tür, als diese knarrend geöffnet wurde – und musste niesen.

Norman, seit zehn Jahren der Mann an ihrer Seite und Vater ihrer Kinder, erschien: zum japanischen Turnierkampf seiner Kinder. Wie immer viel zu spät.

Da er keine Turnschuhe dabei hatte, hielt Norman sich dicht an der Wand, als er nun auf sie zukam. Wie verdammt gut er wieder einmal aussah. Das hellgraue Seidenhemd harmonierte perfekt zu seinen eisblauen Augen. Die dunkelbraunen Haare trug er etwas länger als es derzeit modern war, doch der Schnitt unterstrich seine feinen Gesichtszüge. Mit seinen ein Meter zweiundachtzig und der schlanken, sportlichen Figur würde er das perfekte Model für Judoanzüge abgeben. Doch Sport war für ihn wie ein Gruß aus einer anderen Welt. Norman liebte guten Wein, alte Möbel und …

… vermutlich seine Familie, dachte Sofia sarkastisch, während sie beobachtete, wie er ein unbestimmtes Lächeln in das Menschengewirr in die Halle schickte. Das hätte er sich sparen können. Hier im Verein kannte ihn sowieso kaum jemand. Dafür entwickelte er viel zu wenig Interesse für das Hobby seiner Sprösslinge.

Als er sich nun lächelnd zu ihr runterbeugte, um sie zu küssen, blickte sie ihm mit ernstem Gesicht entgegen. Sie konnte sich selbst nicht leiden, wenn sie so guckte. So ernst, so grimmig, so unzufrieden. Unwillig zog sie den Kopf weg, als er seinen Finger auf die steile Falte auf ihrer Stirn legte.

»Warum kommst du so spät?«, platzte sie heraus.

»Ich schwöre dir, ich wäre pünktlich gewesen. Aber gerade als ich den Laden schließen wollte, kam ein Kunde, der sich für die Biedermeier-Kommode interessierte.«

»Und? Hat er sie gekauft?«

»Er will es sich überlegen.«

»Das sagen sie alle.«

Der Wettkampf auf der Matte war beendet. Jetzt mussten die Punkte der Kämpfe addiert und die Gewinner ermittelt werden. Erleichtert strich Sofia sich mit der Hand über die Stirn. In ihrem Kopf meldete sich ein dumpfer Schmerz: Akuter Schlafmangel. Zwei Cora-Romane hintereinander hielt selbst die stärkste Frau nicht aus. Außerdem schlug das Wetter um. Der Lärm der Kinder in der stickigen Halle nervte sie – und Norman nervte sie auch.

Sogar immer öfter.

»Musst du heute Abend wieder arbeiten?«, fragte sie und der ganze Missmut, der sich in den letzten Wochen bei ihr angestaut hatte, schwang in dieser harmlosen Frage mit. An seiner Stelle würde sie sich selbst eine patzige Antwort geben, aber o nein, o Wunder!

Norman setze sich neben sie, nahm ihre Hand und streichelte ihr zärtlich mit dem Finger über die Haut.

»War ein bisschen viel in letzter Zeit, ich weiß. Aber es dauert eben, bis ein Laden Profit abwirft.« Beinahe schüchtern lächelte er sie an. Auf diese umwerfende Weise, die ihr schon bei ihrer ersten Begegnung gefallen hatte.

Damals war sie gerade neunzehn gewesen, hatte mit der Ausbildung zur Physiotherapeutin erst vor kurzem begonnen und wartete auf den Regionalexpress, der sie von Neuss nach Meerbusch bringen sollte. Ihre aschblonden schulterlangen Kräusellocken trug sie offen, bei jedem Windstoß fielen sie ihr wie ein Vorhang ins Gesicht. Was ein echtes Problem darstellte, wenn man wie sie gerade eins dieser wundervoll süßen Schokoladen- Weberli verzehrte. Ständig blieb etwas von der süßen Creme in ihren Haaren hängen. Norman musste sie damals eine Weile heimlich beobachtet haben, jedenfalls zuckte sie heftig zusammen, als ihr plötzlich von hinten jemand fest in die Haare griff. Zuerst glaubte sie an einen Überfall. Es war sieben Uhr abends, bereits schon dunkel geworden und Überfälle auf junge Frauen stellten schließlich auch keine Seltenheit dar. Doch bevor sie noch um Hilfe schreien konnte, versank sie in einem Paar eisblauer Augen, das ihr vergnügt zuzwinkerte. Seinen Augen.

»Ist doch schade um die leckere Creme«, neckte er sie. Im Handumdrehen band er ihr die Haare im Nacken mit einem Gummiband zusammen, das er in seiner Hosentasche fand.

Und die einzige Bemerkung, die ihr auf seinen Übergriff einfiel, war: »Magst du auch Schokoladenkuchen?«

»Ich hasse ihn«, hatte er wahrheitsgemäß geantwortet. »Aber für dich wäre ich bereit, mich an ihn zu gewöhnen.«

Tja, von diesem Moment an waren sie ein Paar.

Sofia strich ihre Locken aus dem Gesicht und seufzte unwillkürlich, als sie daran dachte. Himmel, eine halbe Ewigkeit war seitdem vergangen.

Die Siegerehrung war vorbei, die Veranstaltung beendet. Eher lustlos begannen die Kinder, die Matten abzubauen. Mit klammheimlicher Freude und etwas mehr Schwung als nötig, stieß Sofia ihrem Norman den Ellenbogen zwischen die Rippen.

»Willst du nicht auch beim Mattenabbau helfen?« Mit vorgeschobenem Kinn zeigte sie auf die anderen Väter, die offensichtlich danach lechzten, ihre Muskelkraft zu demonstrieren. Die meisten trugen mindestens zwei Judomatten auf einmal aus der Halle. Möglichst noch mit beiden Händen gestemmt hoch über dem Kopf. So wie es die jungen Trainer taten, keiner älter als zwanzig. Der Kampf der männlichen Platzhirsche gegen den jugendlichen Nachwuchs.

Sofia fühlte einen unangenehmen Stich, als ausgerechnet ihr Mann sich diesem Ritual verweigerte. Ohne die geringste Verlegenheit schleppte er jede Matte einzeln in ihr Quartier. Nicht, dass sie sich für ihn schämte – andere waren eben kräftiger als Norman, der Schöngeist.

Aber musste ein Mann wie ein Muskelpaket durch den Alltag wandeln, um interessant zu sein? Damals, vor zehn Jahren hatte sie die Frage klar mit Nein beantwortet. Norman wusste das Leben schon mit vierundzwanzig zu genießen – als Lehramtsanwärter für Kunst und Politik, mit berechtigter Aussicht auf einen gut dotierten Job im öffentlichen Dienst. Das Wort Sicherheit stand ihm auf der Stirn geschrieben. Der ideale Mann für eine junge Frau, die sich selbst noch nicht gefunden hatte.

»Frau Platen?« Sofia schreckte aus ihren Gedanken, als der Chefcoach der Judoka sie von der Seite ansprach.

»Hallo!«

»Wir haben wieder einige neue Mitglieder gewinnen können …«

»Wie schön für den Verein.«

»Ja, einige Eltern haben mich darauf angesprochen, ob ich nicht wüsste, wo man die Anzüge kostengünstig besorgen kann …«

»Und da haben Sie an mich gedacht?« Sofia spürte den altbekannten Druck, der sich immer in ihrem Magen einstellte, wenn sie sich dem Thema Mutter näherte.

»Ihre Mutter arbeitet doch noch bei dieser Sportartikelfirma?« Sofia merkte, wie unangenehm es dem Mann war, ihr diese Frage zu stellen. Das konnte sie ihm nachfühlen. Sie ging auch nicht gerne hausieren.

»Sie meinen Altasporta? Ja, sie arbeitet noch da. Mit dem Verkauf hat sie allerdings nichts zu tun.«

In den Augen des Mannes blitzte es wissend auf. »Ich habe letztens einen Bericht über sie gelesen. Eine tolle Frau, Ihre Mutter.

Erstaunlich, welche Karriere sie gemacht hat. Wenn man bedenkt, dass sie ihre Tochter ganz alleine großgezogen hat … «

Die Augen der Tochter verengten sich zu schmalen Schlitzen. Ahnungslos hatte der Ärmste ihre Achillesferse getroffen. Sie hasste es, die Vorzüge ihrer, ach so erfolgreichen und wunderbaren Mutter unter die Nase gerieben zu bekommen.

»Also gut, ich kümmere mich drum. Aber dazu brauche ich die genaue Stückzahl und die Größen.«

Wortlos nahm Sofia den vorbereiteten Zettel entgegen, den er ihr zuschob, um dann wieselgleich zu verschwinden. Mit einer Ablehnung hatte er offensichtlich nicht gerechnet.

Seufzend rollte sie Toms Judogürtel auf und stopfte ihn in ihre Tasche. Sie war eben als Königin der Ja-Sager bekannt. Immer hilfsbereit, immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

»Ich verstehe das nicht. Egal, was ich tue, meine Mutter holt mich immer wieder ein«, machte sie wenig später ihrem Herzen im Wagen Luft. Aufseufzend ließ sie den Kopf in das weiche Polster ihrer kinderfreundlichen Familienkutsche sinken, während hinter ihr auf dem Rücksitz Tom und Lena darum stritten, wer von beiden die schwereren Gegner im Kampf gehabt hatte.

Norman fädelte den Wagen umsichtig in den fließenden Verkehr ein. »Und ich werde dein Verhältnis zu Hildegard wohl nie begreifen.«

Aber Norman hatte gut reden. Er war nicht mit einer Mutter gestraft, die alles, was sie in die Hand nahm, mit links und Bravour erledigte. Die die ganz große Karriere als Managerin einer Sportartikelfirma machte und noch dazu gleichzeitig ihre Tochter allein großgezogen hatte. Die mit ihren vierundfünfzig Jahren aussah wie höchstens sechsundvierzig und deren schlanke Beine nicht einmal einen Hauch von Cellulitis, Besenreisern oder Krampfadern zeigten. Ihre Mutter war so perfekt, dass es wehtat – ihr, Sofia. Denn sie war weit davon entfernt, perfekt zu sein.

Wie hieß es doch so treffend? Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist die Erfüllung der eigenen Träume. In Gedanken setzte Sofia drei Ausrufezeichen hinter diesen Satz. Nun, ihre Träume hatten sich erfüllt: zwei Kinder, ein Haus und ein Mann, auf den sie sich verlassen konnte. Sie hatte immer alles anders machen wollen als ihre Mutter. Warum, verdammt, war sie dann nicht glücklich? Noch nicht einmal zufrieden?

»Wusstest du, dass die Kinder unseres Steuerberaters auch im Verein sein?«, erkundigte sich Norman.

»Ich habe ihn beim Mattenabbau getroffen. Er bat mich, morgen mal bei ihm vorbeizusehen. Die letzte Bilanz gefällt ihm nicht.«

»Schreibst du immer noch rote Zahlen?«

»Wir schreiben rote Zahlen. Wir sind Teilhaber, vergiss das nicht.« Sofia stieß schnaubend die Luft durch die Nase. »Du meinst, meine Mutter ist die Teilhaberin. Es ist ihr Geld, das im Geschäft steckt.«

»Damit wir uns eine Zukunft aufbauen können. Sie ist Geschäftsfrau. Sie weiß, dass man zunächst in ein Geschäft investieren muss, bevor es Gewinn abwirft.«

»Trotzdem. Ich hasse es, ihr zu Dank verpflichtet zu sein. Sobald wir auch nur eine Mark übrig haben, zahlen wir es zurück. Wir schaffen es auch allein.«

»Siehst du das nicht ein wenig eng?«

»Ich habe gleich gesagt, du übernimmst dich mit dem Geschäft. Du bist kein Kaufmann, sondern …«

»Ein Lehrer, der einen sicheren Job aufgegeben hat, um sich einen Traum zu erfüllen. Anstatt sich brav jeden Tag zur Schule zu quälen, wo Horden ungezogener Kinder und Jugendlicher nur darauf warten, den Lehrer in Stücke zu reißen.«

»Ich habe diesen Job jedenfalls geliebt. Jeden Monat ein festes Gehalt. Mittags warst du zu Hause. Damals waren wir wenigstens noch eine Familie …«

»Und was sind wir jetzt?«

»Wir sind gar nichts. Ich bin eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern und du stößt dazu, wenn die Kinder schon im Bett sind und ich zu müde für alles bin.«

Um ein Haar hätte Norman eine rote Ampel überfahren. Er trat so scharf auf die Bremse, dass sie in ihren Sitzen nach vorne flogen.

»Müssen wir das vor den Kindern diskutieren?«

»Mir steht es bis hier!« Sofias Handbewegung war eindeutig.

»Fahren wir noch zu McDonalds?«, erklang es zweistimmig vom Rücksitz.

»Nein!!« Die erste Übereinstimmung zwischen Sofia und Norman seit langem.

»Mama? Lasst ihr, Papa und du, euch scheiden?« Abends beim Guten-Nacht-Kuss schlang Lena ihrer Mutter die Arme um den Hals. Aus ihrer Sicht hatte sie eine berechtigte Frage gestellt.

Mindestens die Hälfte der Eltern ihrer Freunde war geschieden. Und wie sie mittlerweile wusste, konnte die Scheidung der Eltern auch Vorteile haben.

Sofia strich ihrer Ältesten zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Dummchen, dein Vater und ich sind nicht verheiratet. Wir können uns gar nicht scheiden lassen.« »Willst du damit sagen, dass Papa nicht jeden Sonntag mit uns in den Zoo oder in den Zirkus geht, wenn wir nicht mehr Zusammenleben?«

Verblüfft nahm Sofia auf der Bettkante Platz. »Kannst du mir das genauer erklären?«

»Jessica sagt, ihr Vater hat jetzt viel mehr Zeit für sie, seitdem ihre Eltern getrennt leben. Sie sieht ihn jedes Wochenende und in den Ferien. Und immer unternimmt er was mit ihr. Letzten Sonntag waren sie zusammen im Zoo und haben ein echtes Faultier gesehen. Ich möchte auch in den Zoo.«

Sofia beugte sich zu ihrer Tochter hinunter und gab ihr einen festen Kuss auf die Stirn.

»Bestehst du darauf, dass Papa und ich uns vorher trennen oder gehst du auch mit, wenn wir zusammen bleiben?«, scherzte sie grimmig.

»Ach, Mama.« Lenas Stoßseufzer kam von Herzen.

Sofia drückte sie fest an sich. Danke für diese wunderbare Tochter, dachte sie im Stillen. Vorsichtig stakste sie zwischen Legos, Plastiktieren und Gameboy-Spielen zum Bett ihres Sohnes hinüber, der mit dem Kopf fast vollständig unter der Bettdecke verschwunden war.

»Schläfst du schon?«, flüsterte sie.

Keine Antwort. Nur ruhiges, gleichmäßiges Atmen.

Eine Welle warmer Muttergefühle schwappte über Sofia hinweg. Was immer ihr noch in diesem Leben widerfahren würde – niemals würde sie glücklicher sein als in einem solchen Augenblick. Nach einem langen, anstrengenden Tag am Bett ihrer schlafenden Kinder zu stehen. Wenn diese Möchtegern-Teufel des Tages zu wahren Engeln mutierten. Keine Machtspiele, keine Reibereien um Nichtigkeiten mehr. Einfach nur stille Freude und Glück.

»Der schläft nicht, der tut nur so«, brachte Lena Sofia auf den Boden der Tatsachen zurück.

»Psst. Nicht so laut, du weckst ihn ja auf.« Misstrauisch betrachtete sie ihren Sohn. Kein auffälliger Wimpernschlag, keine zuckenden Mundwinkel.

»Mach du jetzt auch das Licht aus, Lena. Und träum was Schönes.«

»Ich hab dich lieb, Mama.«

»Ich dich auch, mein Schatz. Schlaf schön.« Fünf Luftschmatzer von Lena, fünf zurück.

»Jetzt ist aber Schluss. Gute Nacht«, beendete Sofia das allabendliche Ritual mit gespielter Strenge. Die Tür war noch nicht ganz zu, als ihr Sohn auch schon laut herausprustete. Reingelegt.

Tür wieder auf. »Ich habe doch gleich bemerkt, dass du nicht schläfst«, behauptete sie wider besseres Wissen. Die Kinder kringelten sich vor Lachen. »Na warte.«

Sofia stürzte sich auf Tom und begann, ihn mit spitzen Fingern durchzukitzeln, bis er laut um Hilfe schrie.

»Gibst du auf?«

»Niemals!«, antwortete seine große Schwester für ihn und stürzte sich todesmutig mit in den Kampf.

»Das sollte ich mir mal erlauben: So spät abends die Kinder noch aufzuregen.« Norman, die Hände in den Hosentaschen der bequemen Baumwollhosen, griente breit.

Sofias Stimmung kühlte automatisch ab, als sie ihn sah. Sie war noch immer sauer auf ihn. Und sie hasste es, zur Tagesordnung überzugehen, als ob nichts geschehen wäre.

»Euer Vater hat Recht. Er sagt euch noch gute Nacht. Dann wird geschlafen.« Ein letzter Kuss für beide Kinder. Dann rauschte sie mit kühlem Blick an Norman vorbei. Sollte er doch merken, dass sie sauer auf ihn war.

Noch war sie nicht bereit, die Friedensfahne zu schwenken. Auf den Knien wollte sie ihn sehen. Um Vergebung sollte er flehen. Ihr ewige Liebe schwören. Sie auf Händen tragen und sie auf Rosen betten. Wann hatte er ihr zum letzten Mal gesagt, dass er sie liebe? Es musste Lichtjahre her sein. Als sie beschlossen, zusammenzubleiben, vermutlich. Als Lena geboren wurde, ganz bestimmt. Und als Tom auf die Welt kam, auch. Aber verdammt: Das lag volle acht Jahre zurück. Und seitdem? Sie konnte sich nicht erinnern.

Demonstrativ klapperte sie mit dem Bügelbrett, als er an ihr vorbei aus dem Kinderzimmer kam.

»Stimmt was nicht?«, fragte er arglos. Er gehörte zu der Sorte Mann, die sich nicht vorstellen konnte, dass ihm jemand länger als ein paar Minuten etwas nachtragen konnte. Als jüngster Bruder von vier Schwestern war er von klein auf daran gewöhnt, dass die Mädels, wie er sie nannte, ihm aus der Patsche halfen, wenn es mal nötig war. Aber meistens hatte er zuvor schon alle Widersacher mit seinem Charme um den Finger gewickelt. So wie er es mit ihr auch immer machte.

»Alles in Ordnung«, fauchte Sofia als Antwort. Diesmal würde sie ihn schmoren lassen.

»Wie du willst. Dann bereite ich jetzt die Unterlagen für den Steuerberater vor.« Das Fragezeichen am Ende seines Satzes wäre Sofia unter anderen Umständen aufgefallen. Angenervt wie sie war, hörte sie jedoch nur heraus, dass sie den Abend wieder einmal allein verbringen musste.

»Tu, was du willst«, entgegnete sie spitz. Sie wuchtete das Bügelbrett vor das Fernsehgerät und wartete, bis sich seine Schritte entfernt hatten. In ihr brodelte es. Wieso konnte dieser Mann sie nicht einfach in die Arme nehmen und küssen? Keine zwei Minuten würde sie ihm widerstehen können. Aber das hatte er ja noch nie begriffen: Manchmal wollte eine Frau eben auch erobert werden – unter seinen Küssen dahinschmelzen. Ohne vorher über die frauenpolitischen Folgen ihres Verhaltens nachdenken zu müssen.

Ach ja.

Der Seufzer kam Sofia von Herzen, als sie ihren Erste-Hilfe-Video- Vorrat inspizierte. Schlaflos in Seattle, der ultimative Film für Tage wie dieser. Frustriert schob sie die Kassette in den Rekorder.

Während der Vorspann lief, sortierte sie Normans Hemden aus dem Berg sauberer Wäsche aus. Hemdkragen und -manschetten waren völlig ungeeignet, um sich haltlos über ihnen auszuheulen. T-Shirts und Schlafanzüge erforderten weniger Aufmerksamkeit.

Sie war bis zu der Stelle in dem Film angelangt, an der Meg Ryan gerührt Tom Hanks und seinen Filmsohn vor ihrem Haus in Seattle beobachtet, sich aber nicht traut, die beiden anzusprechen. Da klingelte das Telefon. Sie ließ es klingeln. Es war halb zehn Uhr abends und wer immer es wagte, sie zu stören, würde sich mit dem Anrufbeantworter begnügen müssen.

»Sofia, bis du zu Hause? Wenn ja, geh bitte ans Telefon. Ich bin’s, Britta.«

Ausgerechnet Britta, die Nervensäge. Wenn Sofia jetzt nicht den Hörer abnahm, würde es um zehn klingeln, um elf, um zwölf, womöglich die ganze Nacht. Es gab kein Entrinnen. Britta war ihre Cousine und ihr quasi fürs Leben mitgegeben.

Resigniert schaltete Sofia den Fernsehton leiser.

»Hallo, Britta. Was gibt es denn so dringendes? Ich wollte gerade ins Bett.«

»So früh schon? Es ist doch noch keine zehn.«

»Hast du vergessen, dass ich um sechs Uhr aufstehen muss? Schließlich habe ich zwei Kinder zu versorgen.«

»Ich würde gerne mit dir tauschen.«

»Das sagst du jetzt.«

Am anderen Ende des Telefons schwieg Britta Platen beredt. Doch nur für Sekunden.

»Du musst mir einen Gefallen tun.«

Sofia seufzte schwer. Sehnsüchtig blinzelte sie hinüber zum Fernsehgerät, wo Meg Ryan und Tom Hanks sich stumm, aber unaufhaltsam näher kamen.

»Was ist es denn diesmal?«

»Wenn ich mich bis morgen Abend nicht bei dir gemeldet habe, dann ruf mich bitte an.«

»Sei nicht albern. Du wirst es doch mal vierundzwanzig Stunden ohne mich aushalten«, entgegnete Sofia streng.

»Ich werde mich von Ike trennen und ich habe Angst, dass er mich erschießt.«

Sofia verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke.

»Britta, du spinnst! Ike ist Pfarrer. Dem steht das Anti-War- Zeichen auf der Stirn geschrieben. Außerdem – der riskiert doch keinen Ärger mit seinem Gott, nur weil du dich von ihm trennst.«

»Glaubst du wirklich?«

»Wirklich.«

Sofia hörte, wie bei Britta die Türglocke läutete.

»Das wird er sein«, murmelte Britta dumpf.

»Glaub mir, Ike wird Gott danken, dass er so glimpflich davon gekommen ist.«

»Du bist gemein, Sofia.«

»Ich weiß.«

»Grüß Norman von mir.«

»Mach’ ich, Britta.«

Bei ihrer Cousine läutete es zum zweiten Mal. Sie legte auf. Buchstäblich geplättet sank Sofia zwischen ihre Bügelwäsche. Wenn Britta für jeden Mann, dem sie schon den Laufpass gegeben hatte, ein Aktienpaket erworben hätte, wäre sie jetzt eine reiche Frau. Dabei waren ihre potenziellen Beziehungskandidaten allesamt ehrbare Herren gewesen. En Physiklehrer, ein Zoologe und sogar ein Pfarrer hatten neben Britta zum Anstandsbesuch auf Sofias Couch gesessen.

Manchmal fragte sich Sofia, ob Britta ihr die Männer nur vorstellte, um sie anschließend umso leichter wieder los zu werden. Aber das war ein ganz und gar anderes Thema, über das sie im Augenblick lieber nicht nachdenken wollte. Sofia knautschte eins ihrer alten verschlissenen Baumwollnachthemden zwischen den Händen. Sie musste daran denken, dass Britta bestimmt keine Baumwollhemden trug, wenn sie ihre Lover ins Bett lockte. Ebenso wenig, wie Meg Ryan, die nach wie vor auf den Spuren von Tom Hanks wandelte. Sofia konnte sich lebhaft vorstellen, wie das endete.

Mit Liebe, Leidenschaft und Sex! Weg mit der Bügelwäsche!

»Norman?« Keine Antwort.

»Norman, mein Lieber?«

Sofia zog den Stecker des Bügeleisens aus der Steckdose. Wann hatten Norman und sie das letzte Mal miteinander geschlafen? Es war einfach schon zu lange her! Energisch klopfte sie an die Tür seines Arbeitszimmers.

Dort saß er. Mit den Kopfhörern auf den zerzausten Haaren, aus denen die Musik von Clannad quoll. Über den Bildschirm seines PC’s flimmerten die Buchungszahlen der letzten Monate. Er bemerkte Sofia erst, als sie ihm von hinten die Arme um den Hals schlang.

»Norman, mein Lieber« versuchte sie sich bei ihm einzuschmeicheln. Der Groll des Tages sollte nicht länger zwischen ihnen stehen.

»Mmh?«, brummte er abwartend, doch bereits mit einem Lächeln um die Augenwinkel herum. Wie gut, dass er nicht nachtragend war. »Was willst du? Auf schön Wetter machen?«

»Das hast ja wohl eher du nötig. Wenn du nicht im Geschäft bist, hängst du über deinen Büchern. Liebst du mich denn gar nicht mehr?« Sofia küsste ihn zärtlich auf das freie Stück Haut zwischen Hemd und Haar. Ihr heißer Atem strich ihm sanft über den Nacken. Jeder andere Mann hätte sich jetzt umgedreht, ihr Gesicht in seine starken Hände genommen und sie auf der Stelle vernascht.

Norman speicherte mit rechts seine Dateien, drehte sich halb zu ihr um und zog sie mit links zu sich auf den Schoß. Er löste die Rechte endlich von der blöden Maus, fasste ihr unter das Kinn und zog ihren Mund näher zu sich heran. Seine Lippen brannten, als er sie berührte und sein Atem roch noch ein wenig nach dem Schinken, den er zu Abend gegessen hatte. Würzig. Hingebungsvoll leckte Sofia ihm den Geschmack von der Zunge.

»Ganz schön scharf, heute«, gurgelte Norman unter ihr. Schnellmerker! Sofia rutschte vorsichtig höher auf seinen Schoß. Regte sich schon was? Das zaghafte Pochen unter ihrem Schenkel stimmte sie hoffnungsfroh. Ohne sich von seinem Mund zu lösen, stand sie auf und versuchte, ihn mit sich hochzuziehen.

»Komm!«

Seine Hände fuhren ihr unter den Pullover. Wenn sie heute Morgen doch bloß nicht den Body angezogen hätte: viel zu viel Stoff zwischen ihm und ihr.

»Komm«, bat sie drängender. Das Wasserbett im Schlafzimmer wartete.

Norman steckte seine Zunge in ihr Ohr. Wohlig legte sie den Kopf zur Seite. Sie waren auf dem richtigen Weg. Sie spürte es genau.

»Im Kühlschrank steht noch eine Flasche Sekt. Und dann lass schon mal Wasser in die Wanne laufen …«, raunte er ihr ins Ohr. Sofias Herz machte einen Freudensprung. »So, wie früher?«

Statt einer Antwort knabberte Norman an ihrem Ohrläppchen. »Nur noch zwei Zahlen, dann komm’ ich nach. Ich liebe dich.«

»Ich dich auch, beeil dich.«

Schmetterlinge im Bauch. Erwartungsvolles Pulsieren. Wohl bekannte Gefühle. Es war alles noch da. Sofia schwebte zurück ins Wohnzimmer, wo Meg Ryan und Tom Hanks immer noch um ihre Liebe rangen. Sie schaltete sie einfach aus. Was war schon ein Film gegen die alles überstrahlende Wirklichkeit.

Zehn Minuten später entspannte Sofia sich im warmen Wasser. Kerzen brannten. Sekt perlte in den Gläsern. Sie nahm einen kräftigen Schluck und freute sich auf Norman, der in wenigen Augenblicken bei ihr sein würde. Wohlig schloss sie ihre Augen. Als sie anderthalb Stunden später erwachte, schlugen ihr die Zähne vor Kälte klappernd aufeinander. Das Badewasser war eiskalt. Und von Norman fehlte jede Spur.

Verdammt, ich lass’ mich scheiden, gelobte Sofia ihrem Spiegelbild.

Kapitel 2

Sofia musste niesen und Norman reichte ihr zerstreut ein Papiertaschentuch.

»Der verdammte Computer hat sich beim Runterfahren festgehakt. Schwerer Ausnahmefehler meldet das System.« Normans Stimme klang besorgt, als er im blütenweißen Hemd mit dezenter blauer Krawatte im Paisley-Muster am Frühstückstisch Platz nahm.

Dein System hat auch einen Ausnahmefehler und zwar einen ganz entscheidenen, dachte Sofia grollend. Typisch Norman! Ließ sie in der Badewanne zur Eissäule erstarren und brachte nicht einmal ein schnödes es tut mir Leid über die Lippen. Wenn die Kinder nicht wären … Noch in der Nacht hätte sie die Koffer gepackt!

So aber biss sie die Zähne zusammen, bis ihre Kieferknochen schmerzten. Und sagte kein einziges Wort.

Obwohl der unausgesprochene Zorn über ihn in ihr gärte und brodelte. Gestern Morgen noch hatte sie sich nach einem endlos langen, zärtlichen Frühstück mit ihm – wenn möglich im Bett – gesehnt. Heute Morgen sehnte sie sich nur noch seinen umgehenden Abgang herbei.

Doch er nahm erst noch ein Brötchen, bestrich es – viel zärtlicher, als er sie seit langem behandelte – mit Butter, träufelte Erdbeermarmelade darauf und – biss mit Appetit hinein.

Sollte ihm doch der Bissen im Halse stecken bleiben.

»Nutella auf dem Schulbrot?« In Lenas Stimme schwang freudige Überraschung mit. Sonst gab es immer nur ernährungswissenschaftlich einwandfreien Belag, energie- und leistungsfördernd. Doch bevor sie ihre Freude noch genießen konnte, war sie die Stulle schon wieder los. Sofia tauschte sie gegen Schwarzbrot mit Salatblätter und Käse aus. Im stummen Protest suchte Lena Hilfe bei ihrem Vater. Doch Norman zuckte bloß mit den Achseln.

Reize nie den Tiger vor dem Frühstück, hatte er irgendwo gelesen. Sofia überlegte ernsthaft, ob sie ihm das Frühstücksmesser in den Rücken stoßen sollte.

»Ich rufe gleich nachher vom Geschäft aus den Computernotdienst an. Allein komme ich nicht weiter. Für das Gespräch mit dem Steuerberater brauche ich die Bilanz. Wann passt es dir am besten?«

»Was?« Misstrauisch blickte Sofia von der Schwarzbrotscheibe auf, die sie für Tom bestrich.

Norman griff nach der Zeitung, um noch einen Blick in den Wirtschaftsteil zu werfen.

»Der Computernotdienst. Je eher er kommt, desto besser. Dann kann ich mir die Unterlagen vor dem Termin noch mal durchsehen.«

Wütend knallte Sofia den Deckel von Toms Butterbrotdose zu, die mit einem Knirschen zersprang.

»Hast du vergessen, welcher Tag heute ist?«, quetschte sie zornbebend zwischen den Zähnen hervor.

»Freitag?«

»Allerdings. Der einzige Tag in der Woche, an dem ich arbeite!«

»Ach ja, richtig …« Norman überlegte kurz. »Dann bitte ich den Menschen von der Computerfirma einfach, früher zu kommen und du bist spätestens heute Mittag in der Praxis«.

»Verdammt noch mal, Norman. Ich arbeite nur bis zwei. Und nur einmal in der Woche. Ich kann nicht zu spät kommen.« Sofia schmiss ihr Messer, mit dem sie eigentlich endlich auch ein Brot für sich selber schmieren wollte, auf den Tisch. »Und ich will es auch nicht!« Ihr Stuhl kippte krachend nach hinten auf den Boden, als sie zornig aufsprang.

»Weißt du, wie ich dein Verhalten finde? Weißt du das?« Sofia wandte sich rasch ab, als sie den Blicken ihrer Kinder begegnete. Aufgelöst stürzte sie zur Küche hinaus. Nicht vor den Kindern streiten und nicht vor ihnen weinen, hatte sie sich erst gestern Abend noch geschworen. Die Kinder machten sich schon viel zu viele Gedanken über ihre Eltern.

Doch manchmal waren eben selbst die besten Vorsätze nicht durchzuhalten.

Sofia rannte die Treppen hinauf, direkt ins Bad, das mal wieder wie ein Schlachtfeld aussah. Bevor sie selbst unter die Dusche steigen konnte, musste sie erst die Kampfspuren ihrer Familie beseitigen.

Schwer atmend stürzte sie sich mit den Händen aufs Waschbecken. Seit wann machte es ihr keinen Spaß mehr, für diese Familie zu sorgen?

Schon fünf Minuten später schämte sie sich für diesen Gedanken.

»Tschüss, Mama!«, klang es zweistimmig von unten aus dem Flur zu ihr herauf, gerade, als sie unter die Dusche gehen wollte. Tom und Lena, die besten Kinder der Welt, wurden von Norman zur Schule gefahren. Und Sofias Herz schwoll an vor lauter Mutterliebe.

»Tschüss, ihr Lieben!«, brüllte sie. Doch unten schlug bereits die Haustür ins Schloss. Hastig griff sie sich das erste Handtuch, das sie erwischen konnte. Es gehörte Norman und war vom Duschen noch feucht. Barfuss tänzelte sie die drei Schritte bis zum Fenster. Verstohlen blinzelte sie hinter der Gardine hervor.

Dort unten hüpften Tom und Lena trotz der schweren Schultaschen, die sie auf den Rücken trugen, den Steinweg bis zur Garage hinunter. Tom blickte sich noch einmal um. Als er Sofia am Fenster entdeckte, hob er die Hand und winkte ihr strahlend zu. Lena auch. Nur Norman hob keine Hand. Er schleppte schwer an dem defekten Computer. Den er nun offensichtlich selbst beim Notdienst vorbeibrachte.

Ach, Norman!, dachte Sofia schon wieder halb versöhnt.

Sofia warf ihre Tasche auf den Rücksitz ihres froschgrünen Wagens und sich selbst hinter das Lenkrad. Ein letzter prüfender Blick in den Rückspiegel. Seltsam, dass man ihr von außen nicht ansah, wie viele Gedanken gleichzeitig in ihrem Kopf herumschwirrten. War der Zahnspangentermin für Lena heute oder erst am nächsten Freitag? Normans grauer Anzug wartete darauf, aus der Reinigung abgeholt zu werden. Und auf keinen Fall durfte sie vergessen, beim Bäcker das von allen so geliebte Kartoffelbrot vorzubestellen. Morgen war Samstag und spätestens ab acht Uhr würden sich im und vor dem Laden wieder lange Schlangen bilden. Und welches Schreibheft sollte sie für Lena besorgen? Mit Rand oder ohne? Normal oder perforiert? Verdammt, sie hatte vergessen, das Fleisch aus dem Gefrierfach zu nehmen. Also gab es heute Abend mal wieder nur Pommes mit Gyros vom Griechen.

Ein tiefer Seufzer entwich ihr, als sie den Motor anwarf, den Gang einlegte und die Handbremse löste. Ihr wöchentlicher Arbeitstag war echter Luxus. Nein, falsch. Er war kein Luxus. Er war ihre persönliche Tankstelle. Sechs Stunden in der Woche, in denen sie zur Abwechslung auch einmal ein Dankeschön statt Maulereien für ihre Arbeit erntete. Sechs Stunden, in denen Menschen ihr Engagement zu schätzen wussten; sie nicht für die preiswerte Putzfrau vom Dienst hielten, sondern als Schlüsselhüterin über Gesundheit und Wohlbefinden respektierten.

Nein, sie würde ihre Arbeit in der Praxis von Eleonore Schönstein niemals aufgeben. Auch wenn Krankengymnastin nicht unbedingt ihr Traumberuf war. Damals nach dem Abitur schied ein Studium von vornherein aus. Ihr Notendurchschnitt war in Ordnung, doch noch ein paar Jahre nichts als Bücher und graue Theorie? Nein, danke.

Die Berufberatung beim Arbeitsamt war ihr auch keine große Hilfe gewesen. Kreative Arbeit mit Menschen suchte Sofia? Sie boten ihr eine Praktikantenstelle als Goldschmiedin an. Zum Glück besaß der Meister Menschenkenntnis und Verstand genug, seiner neuen Mitarbeiterin die entscheidende Frage zu stellen: Konnte sie sich vorstellen, acht Stunden täglich in einer Werkstatt, ein ganzes Leben lang zu verbringen?

Sofia hatte sich bedankt und war gegangen. Sehr zum Ärger ihrer Mutter, die allmählich die Geduld mit ihr verlor.

»Du musst doch wissen, was dir Spaß machen könnte«, hatte sie empört gerufen. »Denk doch mal nach!«

Schließlich entschied Sofia sich für eine Ausbildung zur Krankengymnastin. Wenigstens hatte sie in diesem Beruf mit Menschen zu tun. Und besser als die Ausbildung zur Bürokauffrau, die ihre Mutter ihr in der Sportartikelfirma angeboten hatte, in der sie arbeitete, war es in jedem Fall.

»He, Sie Idiot! Können Sie nicht aufpassen?« Sofia bremste scharf, als ihr von rechts ein beigefarbener Wagen die Vorfahrt nahm.

Typisch Hutträger am Steuer!

Glaubte auch, die Straße gehörte ihm alleine.

Verärgert schaltete Sofia einen Gang runter. Notgedrungen schlich sie dem Wagen hinterher. Knapp vierzig, zeigte der Tacho.

Eigentlich war die Strecke von der Greifswalder Straße, in der sie erst vor wenigen Wochen ein Reihenhaus bezogen hatten, bis zum Wasserturm, wo sich die Praxis befand, viel zu kurz, um mit dem Wagen zu fahren. Aber sie plante, nach der Arbeit gleich den Wocheneinkauf zu erledigen. Und um die Taschen vom Zentrum zu Fuß nach Hause zu schleppen, war der Weg wiederum zu lang.

»Du bist zu spät«, empfing sie Eleonore an der Rezeption.

»Guten Morgen, meine Liebe«, entgegnete Sofia lächelnd. Sie wusste genau, dass Eleonore es nicht ernst meinte. Sie kannten sich seit fast sechs Jahren und längst hatte sich zwischen ihnen ein locker lässiger Umgangston eingebürgert. »Es ist exakt acht Uhr fünfundfünfzig. Laut Arbeitsvertrag beginnt mein Dienst erst in fünf Minuten. Aber ich will ausnahmsweise mal großzügig sein.

Ich verzichte auf Überstundenausgleich.«

»Danke, danke!« Eleonore verbeugte sich übertrieben überschwänglich vor ihr. »Ich will dich ja nicht erschrecken, aber dein erster Patient wartet bereits auf dich in Raum eins. Kniegelenk nach Arthrose-OP. Zwanzig Therapiestunden, mindestens.«

Sofia trat an den offenen Türspalt von Raum eins heran und blinzelte vorsichtig hinein. Der Hutträger aus dem Wagen von vorhin! »Den Typ kenne ich. Mit seinem Auto ist er eine lahme Ente, aber zu Fuß hat er mich überholt.«

Die Augenbrauen ihrer Chefin schossen in die Höhe. »Simulant?«

»Werde ich gleich feststellen«, gab Sofia grinsend zurück. Sie schlüpfte aus ihrer Jacke, die sie locker über ihre Arbeitskluft geworfen hatte. Ganz in weiß. Antiseptisch und Respekt einflößend.

»Ich habe übrigens ein Attentat auf dich vor«, kündigte Eleonore mit düsterem Unterton an.

»Ach!« Sofia trat einen Schritt beiseite. Immer mehr Patienten strömten an ihr vorbei in die Praxis. Auch die drei Therapieräume waren bereits belegt. In zwei Wochen begannen die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen und alle wollten sich vorher noch auf Höchstform trimmen lassen.

»Ich weiß gar nicht, weshalb wir uns die Arbeit überhaupt machen«, bemerkte Eleonore skeptisch. »Die meisten sehen wir nach den Ferien sowieso wieder. Mit dem Schmerz weicht auch die Vorsicht!«

»Hugh, sprach der Häuptling und spuckte seinen Kautabak in den Sand«, lästerte Sofia ein wenig albern.

»Was hältst du davon, wenn ich dich bitte, nach den Sommerferien täglich zu kommen?«, hakte ihre Chefin nach.

Unter ihrem erwartungsvollen Blick begann Sofia, sich sofort unbehaglich zu fühlen. »Ich habe zwei Kinder, schon vergessen?«

»Wer hat die nicht?«, gab Eleonore zurück und dachte an ihre eigenen beiden Zwillingssöhne, die vermutlich gerade über ihrer letzten Deutsch-Klassenarbeit in diesem Jahr brüteten. Sie waren ein paar Jahre älter als Sofias Kinder – aber machten sie deshalb weniger Sorgen?

»Diesmal bin ich wirklich auf dich angewiesen. Dagmar fällt aus, Nervenzusammenbruch, ihr Mann hat sie verlassen.«

»Die Glückliche!« rutschte es Sofia zu ihrem eigenen Entsetzen heraus. Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss und wie eine heiße Welle in die Füße zurückschwappte.

»War nur ein Witz«, murmelte sie verlegen.

»So sarkastisch kenne ich dich ja gar nicht. Habe ich zufällig einen wunden Punkt getroffen?«

»Quatsch!«, gab Sofia zurück. Sie bückte sich, um den Klettverschluss ihres rechten Turnschuhs stramm zu ziehen. Ein ziemlich durchsichtiges Manöver, um dem strengen Blick ihrer Chefin auszuweichen.

»Und wer passt in der Zwischenzeit auf die Kinder auf?«

»Kann deine Mutter sie nicht nehmen?«

Sofia lachte trocken auf. »Mama? Die lacht mich doch aus, wenn ich sie frage. Schließlich ist sie die hoch bezahlte Chefin der Marketingabteilung von Altasporta. Die hält meine Arbeit hier doch für eine Art Ersatzbefriedigung für unzufriedene Hausfrauen.«

Schlagartig verfinsterte sich Eleonores Gesicht. »Wer auf dem hohen Ross sitzt, kann tief fallen. Sag mir bitte bis Ende des Monats Bescheid.« Mit ernstem Gesicht eilte sie zu ihrer eigenen Patientin in den Therapieraum zwei.

Verblüfft sah Sofia ihr hinterher. Eleonore war offensichtlich gekränkt, obwohl Sofia doch nur ihre Mutter zitiert hatte. Höchste Zeit, dass sie ihren angestauten Frust am ersten Patienten des Tages abreagierte.

»Na, wo tut es denn weh?«, donnerte sie mit einer Stimme, die dem Mann glatt den Hut vom Kopf geweht hätte – wenn er ihn noch aufgehabt hätte. Schadenfroh legte Sofia dem Mann ihre kalten Finger um sein Knie.

Zur selben Zeit ließ auch Hildegard Platen, Sofias Mutter und zudem noch Marketing-Chefin des Sport-Artikelunternehmens Altasporta, ihre Hände über Männerhaut gleiten. Genau genommen über den muskulösen Brustkorb von Raimund Lechter, den bekannten Bergsteiger und Abenteurer, den sie für die neue Marketing-Kampagne gewonnen hatte. Zärtlich durchkämmte sie mit den Fingern seine dunkelgelockte Brustbehaarung. Mit klopfendem Herzen beugte sie sich zu ihm hinunter. Sanft küsste sie ihn auf die helle Narbe, die sich über sein Schlüsselbein schlängelte. Ihre Lippen erforschten seinen Hals, bis ihre Zähne sein rechtes Ohrläppchen fanden und sanft an ihm zu knabbern begannen. Sehr zärtlich, Zentimeter für Zentimeter, lutschte und saugte sie, als ob …

»Alles in Ordnung mit Ihnen?«

Auf frischer Tat ertappt! Hildegard stieß vor Schreck mit der Hand gegen ihre Kaffeetasse, deren heißer Inhalt sich über den Schreibtisch ergoss. Raimund Lechter, das Objekt ihrer Begierde, sprang geistesgegenwärtig von seinem Platz auf.

»Mist!« Hildegard schaffte es gerade noch, die Unterlagen für die Presse vor der hereinbrechenden Kaffeeflut zu retten. »So etwas ist mir noch nie passiert. Sie hätten mich nicht so erschrecken sollen. Haben Sie denn nicht bemerkt, dass ich völlig in Gedanken war?«

»Sie haben nicht gerade intelligent ausgesehen, wenn Sie das meinen«, entgegnete Raimund trocken. An die Gefahren metertiefer Gletscherspalten und schroffer Felsüberhänge gewöhnt, konnte ihn Hildegards Attacke nicht aus der Ruhe bringen.

»Eine bewährte Gesprächstechnik. Die Spiegelung des Gegenübers durch Mimik und Körperhaltung«, konterte Hildegard ohne nachzudenken. Um sich sofort auf die Lippen zu beißen. Himmel, ihre Firma zahlte einen sechsstelligen Betrag für die neue Kampagne mit Raimund Lechter, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als ihn zu beleidigen.

»Entschuldigen Sie, ich wollte nicht …«, stammelte sie irritiert, während ihr zu ihrem Entsetzen die Hitze in den Kopf schoss. Mit zwei Schritten stand sie am Fenster, um es zu öffnen, doch sie fand den Knauf nicht. Sie hatte vergessen, dass hier oben in der dreizehnten Etage aus Sicherheitsgründen alle Fenster verschlossen waren. Verwirrt drehte sie sich wieder zu ihm um.

»Gelee Royale.«

»Bitte?« Verständnislos blickte sie ihm in seine bernsteinbrauen Augen, wo die grünen Kobolde gerade eine Art Veitstanz aufführten.

»Gelee Royale. Wissen Sie, wir Walliser sind ein einfaches Bergvolk. Wir leben in der Natur, mit der Natur und von der Natur. Meine Mutter hat immer Gelee Royale genommen – damals. In den Wechseljahren.«

So musste sich ein Schlag in die Magengrube anfühlen. Hildegard wurde es schwindelig. War ihr eben noch das Blut in den Kopf gestiegen, schoss es nun zurück in ihre Füße. Aber nicht, ohne vorher noch einige Kapriolen in ihrem Magen zu schlagen. Halt suchend tastete sie mit der Hand nach der Kante ihres Schreibtischs, um sich festzuhalten. Dieser Berg-Fuzzie hatte eine schallende Ohrfeige für seine Bemerkung verdient.

Wie kam er dazu, sie in einen Topf mit seiner Mutter zu werfen? Wenn im Augenblick ihre Hormone verrückt spielten, dann war das ganz allein seine Schuld. Wechseljahre hin oder her.

Mit beiden Händen stieß sie sich vom Schreibtisch ab und schritt hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Leider nicht weit genug von ihm entfernt, um seine Nähe einfach ignorieren zu können. Dieser Mann stellte eine echte Herausforderung an ihre erotische Widerstandskraft dar.

Aber das war ja Wahnsinn. Was sollte eine Frau in den besten Jahren, Mutter einer erwachsenen Tochter, die selbst schon zwei Kinder besaß, mit einem Mann von Anfang Vierzig anfangen? Eine solche Liaison war zum Scheitern verurteilt. Von Anfang an.