Splitter - Christoph Klesse - E-Book

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Christoph Klesse

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Beschreibung

Diese Aufzeichnungen, niedergelegt in einem Notizbuch, einem Poesiealbum und zwei Ringbüchern, nannte der Verfasser, mein verstorbener Großvater, sein "Buch". Sie umspannen einen Zeitraum von siebzehn Jahren und stellen eine chronologische Mischung aus Tagebuch, Kopfkissenbuch und Poesiealbum dar. Ich habe dieses "Buch" im Nachlass meiner Großmutter, die meinen Großvater überlebte, gefunden. Die Einträge sind durchnummeriert. Eine Reihe von Einträgen fehlt. Ich nehme an, dass mein Großvater, vielleicht auch meine Großmutter, die entsprechenden Seiten aus unterschiedlichen Gründen vernichtet haben. Ich habe lange überlegt, ob ich die Texte nicht komplett entsorgen sollte, habe mich aber doch dagegen entschieden. Mein Großvater hätte sie sicher selbst vernichtet, wenn er nicht damit einverstanden gewesen wäre, dass seine Kinder und Enkelkinder in diesem Buch blättern. Die Texte sind von unterschiedlicher Qualität. Sie zeigen aber eine deutliche Entwicklung vom pubertierenden Sechszehnjährigen zum erwachsenen Mann. Sie belegen eine schrittweise Emanzipation von starren religiösen und gesellschaftlichen Konventionen, ein Reifen der Liebesfähigkeit und ein Überwinden persönlicher Fehlhaltungen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Mein Großvater hat es sich nicht leicht gemacht, aber er war lernfähig. Die Träume sind abgeflogen wie Papiervögel über ein ab-geerntetes Feld. Der Sommer ist vorbei. Einen Augenblick lang waren meine Augen verschlossen. Jetzt trete ich aus mir hervor, unsicher, die Augen noch einmal geblendet und ganz von einem neuen Geruch erfüllt. Der Sommer ist über die abgeernteten Felder fortgeflogen und hier bin ich. Und ich erwache. Die Dinge nehmen ihren festen Platz ein, und ich beginne mit alten Worten diesen neuen Tag zu besprechen. Meine leeren Hände sind überzogen von alten Linien. Das Haus ist still bis in den letzten Winkel. In welcher Sprache soll ich zu dir sprechen, dich erreichen, fesseln? "

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Splitter der Lehrjahre des Schülers Thorsten

TitelVorwortIm Jahr der Ratte (A)Im Jahr der Fledermaus (B)Im Jahr des Hundes (C)Im Jahr der Schwalbe (D)Im Jahr der Schildkröte (E)Im Jahr des Kamels (F)Im Jahr der Schlange (G)Im Jahr des Karpfen (H)Im Jahr der Schnecke (I)Im Jahr des Dinosaurus (J)Im Jahr des Zebras (K)Im Jahr des Kolibris (L)Im Jahr des Faultiers (M)Im Jahr des Gepards (N)Im Jahr des Luchses (Keine Einträge)Im Jahr der Forelle (O)

Erschienen 2019Alle Rechte vorbehaltenDruck und Bindung epubli(Holzbrinck Digital Content Group) Printed in Germany

 Christoph Klesse

Splitter

oder Lehrjahre

Vorwort

Diese Aufzeichnungen, niedergelegt in einem Notizbuch, einem Poesiealbum und zwei Ringbüchern, nannte der Verfasser, mein verstorbener Großvater, sein „Buch“. Sie umspannen einen Zeitraum von siebzehn Jahren und stellen eine chronologische Mischung aus Tagebuch, Kopfkissenbuch und Poesiealbum dar. Ich habe dieses „Buch“ im Nachlass meiner Großmutter, die meinen Großvater überlebte, gefunden. Die Einträge sind durchnummeriert. Eine Reihe von Einträgen fehlt. Ich nehme an, dass mein Großvater, vielleicht auch meine Großmutter, die entsprechenden Seiten aus unterschiedlichen Gründen vernichtet haben. Ich habe lange überlegt, ob ich die Texte nicht komplett entsorgen sollte, habe mich aber doch dagegen entschieden. Mein Großvater hätte sie sicher selbst vernichtet, wenn er nicht damit einverstanden gewesen wäre, dass seine Kinder und Enkelkinder in diesem Buch blättern. Die Texte sind von unterschiedlicher Qualität. Sie zeigen aber eine deutliche Entwicklung vom pubertierenden Sechszehnjährigen zum erwachsenen Mann. Sie belegen eine schrittweise Emanzipation von starren religiösen und gesellschaftlichen Konventionen, ein Reifen der Liebesfähigkeit und ein Überwinden persönlicher Fehlhaltungen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Mein Großvater hat es sich nicht leicht gemacht, aber er war lernfähig.

Im Jahr der Ratte (A)

Ein leeres Buch (1)

Was soll ich mit dir anfangen. Soll ich eine Zitatensammlung anlegen oder ein Haushaltsbuch mit Einnahmen und Ausgaben, oder etwa gar ein Tagebuch? Ein Tagebuch jedenfalls brauche ich nicht, denn an Ereignisse erinnere ich mich für gewöhnlich recht gut, und den Rest vergesse ich lieber. Was die Geschehnisse auslösen, Gefühle, Stimmungen, Vorsätze, das kommt mir leicht abhanden. Dazu könnte ich mir mal Notizen machen. Das Dumme ist: Die Sätze, die ich mir abpresse, kommen mir vor wie Ramsch, wie billige Konfektionsware im Schlussverkauf. Ich könnte natürlich üben für Gespräche mit Dorothe, meiner Freundin für drei Sommer, die nach einer langen Unterbrechung, einer Pause von drei Jahren, genau wie wir es verabredet hatten, rechtzeitig zur Tanzstunde wieder in mein Leben eingetreten ist. Nach der ersten noch ziemlich holprigen Kontaktaufnahme sind wir uns rasch wieder nähergekommen, aber unser Verhältnis wurde bald kompliziert. Bis zur Wiederbelebung unserer Freundschaft glaubte ich zu wissen, wer ich war und kam ganz gut zurecht. Jetzt stecke ich in einer pubertären Krise. Nach außen gebe ich mich gelassen, ausgeglichen, aber drinnen geht es schon mal zu wie auf der Achterbahn.

Zitate (2)

Laufen wir uns warm, mit ein paar Zitaten: „Herr, ich werde heute sehr beschäftigt sein. Es ist möglich, dass ich dich vergesse, aber vergiss du mich nicht.“ (Sir Jacob Astley, Gebet vor der Schlacht von Edgehill 1642, zitiert in Sir Philip Warwick, Memoires, 1701). „Angst hat noch keine Brücke gebaut, keinen Kampf gewonnen, kein Problem gelöst“ (Sir Astley). „Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als die Finsternis zu verdammen.“ (Sir Astley).Jacob Astley (1579 bis Februar 1652) war ein royalistischer Kommandant im englischen Bürgerkrieg. Anmerkung: Keine Ahnung, wo ich diese Zitate herhabe! Aber auf in den Kampf!

Automatisches Schreiben (3)

Es ist also beschlossen. Ich werde mich an diesem Buch versuchen. Dabei nehme ich mir vor, „automatisch“ zu schreiben, also ohne nachzudenken. Mal sehen, was dabei herumkommt!

Ideale und Selbstkontrolle (4)

Heute habe ich eine seit Freitag andauernde Missstimmung überwunden, endlich. Es macht mich schon ungehalten, wenn ich mich überwinden muss, etwas Vernünftiges anzufangen. Ein erfülltes, mindestens aber ausgefülltes Leben braucht so etwas wie Ideale, eine Vorstellung, was sein sollte. Allerdings sind Ideale ihrer Natur nach unerreichbar. Aber wenn sie schon nicht erreichbar sind, wie kann man ihnen wenigstens nahekommen? Ich denke in erster Linie durch Selbstkontrolle. Wir müssen begreifen, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht habe. Wir sollten auch wissen, was andere über uns denken. Zu diesem Zweck müssen wir beobachten, so als wären wir zweimal vorhanden, als wenn wir uns kritisieren von einem Standpunkt außerhalb unserer Person. Wir können uns dies leichter machen, indem wir darauf achten, wie wir auf unsere Umgebung wirken.

Felder (5)

Jeder ist umgeben von einem Feld. Dieses Feld wird geformt durch Glauben, Wünsche, innere Haltung. Es zeigt sich in der Bewegung, im Gesichtsausdruck, im ganzen Körper. Stellt man Kontakt zu einem anderen Menschen her, so beeinflusst man dessen Feld, verändert damit seine Ausstrahlung und ebenso wird unser Feld durch den Kontakt modifiziert. Dies zeigt sich in kleinen Veränderungen der Bewegung, der Mimik und so weiter. Wir können die Menschen, die uns umgeben und uns selbst, als Reflektoren auffassen. Diese Art der Selbstbeobachtung, verbunden mit unermüdlicher Gewissenserforschung, ist angebracht, aber man darf die Fehler, die man dabei an sich selber entdeckt, nicht zu schwer nehmen, denn sonst wird man gehemmt und zieht sich aus Angst, etwas falsch zu machen in sich selbst zurück. Anmerkung: Diese unglückliche Auffassung ist mich teuer zu stehen gekommen!

[Abschnitte 6 und 7 fehlen]

….Ich kann zärtlich flüstern in die gedämpfte Musik hinein und das undeutliche Murmeln. Illusion! Traum! Spuk! Nur die Wirklichkeit zählt!

Ene me ne mu und wer bist du? (8)

Wir sind einsam mit uns selbst, in die Welt hineingeraten (wie auch immer) und fremd in ihr. Gefühle drängen in Wellen heran, aber sie rollen ab, ohne auf Widerstand zu treffen. Rätsel der Existenz! Wer oder was sind wir? Wer ist dieses ICH? Warum sind wir? Warum sind wir so, wie wir sind und nicht ganz anders? Der Mensch scheint zwei Pole zu haben. Manchmal habe ich das Gefühl, nur in dem wirklich vorhanden zu sein, der außerhalb meiner selbst existiert (merkwürdige Idee!). Dann möchte ich glauben, einen schlechten Film anzuschauen, der vor mir abläuft, ohne dass ich mit dem Hauptdarsteller in Kontakt treten kann, um ihn aus seiner Mittelmäßigkeit herauszuholen.

Totentanz (9)

Ich bin neugierig auf das Unvermeidliche, den Tod. Wo werde ich aufschlagen? In einem Himmel? Oder werde ich vom Regen in die Traufe kommen? Eine Hölle kann ich mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen. Wer wird hinter meinem Sarg hergehen und trauern, wenn man ihn in der Erde versenkt? Werde ich etwas hinterlassen, das für eine Weile erinnert wird? Ich bin sehr neugierig auf die Zukunft, wobei der Tod auch unvermeidbare Zukunft ist. Irgendwie fühle ich mich unvollständig, als wäre bei mir etwas vergessen, oder ein Teil von mir abgeschnitten worden. Müdigkeit, Schlaf, schlafen können: Es bleibt die Hoffnung.

Tod und Teufel (10)

Interessante Zeiten, interessante Aspekte! Veränderungen zeichnen sich ab. Es sollte mich nicht wundern, nach allem, was mir in letzter Zeit widerfahren ist. Zuerst wäre der Tod von Großvater zu nennen. Er hat mir meine Einstellung zum Sterben deutlich gemacht. Fragt sich, ob diese Haltung ein Minus oder ein Plus auf dem Zeugnis darstellt, das man mir anlässlich meines Todes ausstellen wird? Anmerkung: Das Leben ist eine Schule, aber Zeugnisse gibt es nicht. Mir ist der Tod denkbar gleichgültig, erschreckend gleichgültig. Mit den Toten fühle ich mich gleichermaßen verbunden wie mit den Lebenden. Mir ist, als ob die Toten noch gegenwärtig sind, vielleicht vorausgereist. Bin ich schlecht oder gut? Ich weiß es nicht. Werde ich es dahin bringen, wohin ich es bringen möchte? Kaum! Ich bin zusammengesetzt aus Fragwürdigkeit und komme mir lächerlich vor. Überhaupt kommt mir heute so ziemlich alles lächerlich vor, ein schlechtes Zeichen.

Was nun? Was tun? (11)

Lassen wir die Selbstbespiegelung hinter uns und kommen zum zweiten Punkt: Fräulein Dorothe Wolfrath, Salz und Pfeffer meiner Kindheit, Stachelbeere meiner pubertären Jugend. Ich habe lange geglaubt, ja gehofft, sie wäre meine Vergangenheit, und jetzt hoffe ich tatsächlich, dass sie meine Zukunft wird. Der Verstand sagt „Nein, das wird nichts“, aber die anderen Organe behaupten „Sie ist dein Schicksal“. „Sie ist die Frau deiner Träume (und deiner Albträume). Und das, jemanden genau wie sie, hast du dir gewünscht.“ „Selber schuld“, sagen die höheren Mächte. Was mache ich nun, nachdem ich auf sie schon wieder abgefahren bin und sie heftig begehre, was sie genau weiß, obwohl ich mir sogar verweigere, ihre Hand zu halten? Am besten gar nichts, denn was ich auch anstelle, es ist falsch. Man ist nicht so, wie man gerade zufällig ist, sondern so, wie man sein will. Also will ich besser sein. Es wird Zeit, dass ich mich ertüchtige und diesen Sündenfall, Dorothe, erstmal hintanstelle. Anmerkung: Ehrlicher gesagt Glücksfall! Ich sollte mal anfangen zu leben, ganz einfach und selbstverständlich, mit anderen, nicht gegen sie. Hinein ins Getümmel, die Leute auch mal überraschen. Etwas Wichtiges hätte ich beinah vergessen: Träumen ist ab sofort zu stoppen!

Zur Ehre Gottes (12)

Mon Dieu du Tagebuch, bis ich dich heute gefunden habe. Eine gute dreiviertel Stunde lang habe ich dich suchen müssen. Das kommt davon, wenn man seine Sachen zu gut versteckt. Heute wäre beinahe ein ganz dummer Tag gewesen, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, einen meiner Hauptfehler aufzudecken. Ich bin zu empfänglich für alles, was meine fünf Sinne aufnehmen. Auch wenn ich mich nur mühsam abfinde mit dieser Umwelt, so wünsche ich doch etwas Beifall. Ich möchte ein bisschen bewundert werden, gerade weil ich nicht bewundernswert bin. Ab morgen werde ich mich nicht mehr darum kümmern, was die anderen von mir denken, ob ich ihren Gefallen finde. Ich werde für mich leben und für Gott. Geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, das muss ich allmählich lernen, muss endlich ernst machen mit meinem Christentum, das ich mir umgehängt habe wie ein biederes Mäntelchen!

Sternschnuppe (13)

Heute Abend habe ich eine Sternschnuppe gesehen, ein weißes Stück Glut, das vom Himmel herabfiel, verlosch und Nacht zurückließ. Meine Gedanken sind wie Sternschnuppen oder Kometen. Einer dieser Kometen kreist um das Mädchen, das meine Freundin sein sollte und vielleicht ist. Ich weiß nicht warum, doch komme ich von ihr einfach nicht los, bin an sie angekettet. Mitternacht ist vorbei. Bald wird sich ein neuer Morgen ankündigen. In rötlichem Schein wird die Sonne aufsteigen, ihre warmen Strahlen aussenden, um die taunasse Erde zu trocknen, die Glieder zu lösen. Morgen wie an jedem Tag wird alles neu. Anmerkung: Der Weg zu uns selber ist steinig. Zu gern sehen wir uns besser, als wir sind. Alles, was ich bisher geschrieben habe, ist dürftiger Abklatsch fremder Gedanken, Gedanken die schon andere vor mir hatten. Schade!

Nichts Besonderes (14)

Heute war kein schlechter Tag, habe recht ordentlich gearbeitet, war nur wenig abgelenkt und habe keiner Versuchung nachgegeben. Zum Problem der Selbstbefriedigung: Allmählich habe ich gelernt, wie man sie ausführt. Doch laufe ich nun ständig Gefahr, der Versuchung nachzugeben, mich in Spannung zu versetzen, bis der Erguss erfolgt. Ich mache das ganz raffiniert, rede mir ein, ich wolle ja nur einen Reiz bis nahe vor den Erguss, um die dabei eintretende Spannung zu genießen, doch ist es mir noch nicht gelungen, den Vorgang wieder abzustoppen. Ich sollte ihn deshalb künftig erst gar nicht mehr in Gang setzen, wenn mir auch nicht klar ist, was an der Sache sündhaft sein soll. Die gestrige Erkenntnis beginnt, ihre Früchte zu tragen, schneller als ich dachte. Eine leise Angst vor der Zukunft hat sich in mir eingenistet. Sie muss schleunigst abgestellt werden. Ein jeder Tag hat für sich Plage genug. Was mir noch nicht gelingt, ist zu lieben, ohne einschränkende Bedingungen daran zu knüpfen. Allmählich muss ich auch die kindliche Wunschvorstellung ablegen, mich zu etwas Besonderem ausformen zu können.

Gott gib Vertrauen (15)

Das ist ein seltsamer Tag heute. Ich fühle mich gleichzeitig schwach und stark. Ich habe gesündigt mit Absicht, um meinen freien Willen zu demonstrieren. Das war ein Fehler. Dabei ist der Wille doch alles. Man muss alles ausblenden, außer dem, was man wirklich erreichen will. Ich will etwas erreichen. Aber: Will ich das Richtige erreichen? Und was muss geschehen, damit ich es erreiche? In erster Linie: kein Selbstzweifel. Ich bin, was ich bin, und ich werde aus dem, was mir von Gott gegeben wurde, schon noch etwas Brauchbares machen. Heute habe ich mich im Spiegel gesehen, und ich bekam fast Angst vor mir, und ich wollte diese Angst. Denn heute fühle ich mich stark. Was mir nur noch fehlt, das ist Gott. Ich bin sehr weit von ihm entfernt. Mein Gott, ich bitte dich, gib mir das Vertrauen, an deine Hilfe zu glauben.

Glück (16)

Heute bin ich wieder einmal so weit, dass ich über mich lachen möchte, schallend lachen und herumtoben nach Herzenslust, mich auslaufen in dem Park dieser Welt bis zur Erschöpfung. Man könnte meinen, ich sei glücklich, erfüllt von meinem Glück, und es scheint tatsächlich der Fall. Dabei fühlte ich mich noch vor einer halben Stunde todtraurig, bedauerte mich selbst und klagte: Ich bin eben nicht zum Glücklichsein geschaffen, bin immer unzufrieden mit mir. Eine neue Weisheit ist mir inzwischen aufgegangen. Glück und Unzufriedenheit widersprechen einander nicht. Sie können eine Verbindung miteinander eingehen. Das Einzige was mir jetzt noch kompliziert erscheint, ist zu dieser Verbindung als drittes Instrument konzentriertes Arbeiten hinzuzufügen. Dann wäre es ein harmonisches Zusammenspiel.

Dorothe (17)

Heute muss ich mich alt fühlen, alt und weise, muss vernünftig reden, mich an den Diskussionen beteiligen, und im Kopf behalten, dass ich etwas Besonderes in mir trage, auch wenn ich nicht weiß, was das sein soll. Ich hätte aber sonst kaum Dorothes Zuneigung gewonnen. Auch bei anderen Frauen hätte ich sonst kaum Erfolg gehabt. Und immerhin bin ich Obergruppenführer bei den Pfadfindern, Redakteur unserer Schülerzeitung, unter den Klassenbesten. Kein Grund also, sich zu verstecken. Anscheinend hat es mich ernsthaft gepackt. Dorothe geht mir nicht aus dem Sinn. Hundertmal möchte ich ihren Namen schreiben. Schade nur, dass ich mich immer so leicht verletzt fühle, und es nicht fertigbringe, meine Gefühle offenzulegen. Aber: mit meinem Gott springe ich über alle Mauern.

Selbstbespiegelung (18)

Ich konnte nicht einschlafen (Halsweh). Also holte ich die Taschenlampe, um meinen Rachen zu inspizieren. Dabei entdeckte ich ganz raffinierte Möglichkeiten, mein Gesicht zu beleuchten, sodass ich fast Angst vor meinem Gegenüber im Spiegel bekam. Warum hat dieser komische Gott mich so dämlich erschaffen? Fragen ohne Antwort. Trotz des Einsamen. Dieser Kerl muss lernen, Subjekt zu werden, anstatt sich als Objekt gegenüber zu stehen. Vor mir selber stehe ich als Mauer, die sich den Weg versperrt.

Lieben lernen (19)

Heute bete ich: Danke Herr, danke für die Gnade, die du mir geschenkt hast, für alle, die du in meine Nähe gestellt hast, damit ich sie annehme, so wie du mich annimmst. Leider habe ich in letzter Zeit nur mich bedacht, über meine Probleme gegrübelt, mich mies gefühlt und verlassen von dir oder allen guten Geistern. Ich werde mich nicht in mir selber finden, vielmehr in den Menschen, die ich liebe. Lieben aber kann ich nur, wenn ich mich öffne. Noch ist der Weg zu dir unübersehbar weit. Hilf mir, dass ich schneller laufe, Ballast und Falschheit abwerfe und nur die Liebe behalte. Zielbewusst lernen, arbeiten und leben ist Erziehung zur Liebe. Es wird Zeit, dass ich meinen Fleiß etwas kräftiger und häufiger gieße, damit er endlich wächst und Früchte bringt.

Schwesterherz (20)

Mir wird zunehmend klar, dass ich mich gegenüber meiner Schwester falsch verhalte. Was muss sie von mir denken? Ich muss einen ganz anderen Weg einschlagen, wenn ich sie im guten Sinne bilden will, sie nicht verständnislos kritisieren, sondern ihr helfend und verstehend zu begegnen. Mit Taten, nicht mit Worten auf sie wirken! Ganz klein muss ich werden, damit Gott in mir wachsen kann. Ich sollte mich ganz vergessen, um in Gott groß zu werden. Man mag es nicht glauben, wie Sinn stiftend eine kleine Halsentzündung sein kann, wie sehr sie die Selbstbesinnung fördern kann. Eine neue bestürzende Erkenntnis: Menschen drängen darauf, Liebe an dich weiterzugeben. Du musst dich ihnen nur öffnen.

Unverständlich unerreichbar (21)

Alle Klarheit ist wieder dahin, alle Sicherheit verloren. Die gleichen Fragen stellen sich wieder und wieder, und ich finde keine Antwort. Wozu hat Gott mich in diese verrückte Welt gesetzt, in der ich mich kaum zurechtfinde? Dieses Leben ist Unsinn. Es wäre besser, ewig zu schlafen, traumlos, sicher und selbstvergessen. Die Welt wird mir immer rätselhafter. Früher konnte ich Selbstmörder, Beatle-Fans und Weiteres, was in diese Richtung geht, nicht verstehen. Jetzt weiß ich, wie schwierig es sein kann, mit sich selbst ein Auskommen zu finden, sich fünfzehnmal die gleiche dumme, Schallplatte anzuhören, bis man ganz ausgehöhlt ist, bis alle Fragen ausgelöscht sind.

Was? (22)

„Wie geht es dir?“, „Gut“, „Kein Wunder bei der Frau!“ Idiot, der sowas sagt und meint. Je attraktiver ein Mädchen ist, desto schwieriger wird es für den, der sie liebt, ganz besonders im vorliegenden Fall, wo man einfach nicht weiß, woran man ist. Eine Zeitlang glaubte ich, Dorothe sei auf Jungen aus, wie die meisten. Sollte ich mich getäuscht haben? Ist sie wirklich so vernünftig, wie sie sich darstellt? Oder liegt ihr nicht wirklich an mir? Würde sie aber dann mit mir ausgehen? Alles Mutmaßungen, die zerfallen wie ein Kartenhaus, und ich stehe da wie ein Tölpel, der nicht weiß, was er anstellen soll. Was ich anfange, zerbröselt. Ich komme mir vor wie ein Möchtegern-Bergsteiger. Ich klettere, meine Beine werden weich, meine Hände verlieren den Halt und ich rutsche ab. Ich fange von vorn an und wieder passiert es. Je höher ich aber komme, desto tiefer falle ich.

Bildersturm (23)

Es ist zum Weinen, so blöd sind die Bilder, die mir im Kopf herumfahren. Thorsten der Held, der kaltblütig sein Leben einsetzt, um das seiner Liebe zu retten, der mit Revolver und Maschinenpistole hantiert wie Andere mit dem Bleistift. Es widert mich an.

Flaschenpost (24)

Liebe Dorothe! dieser Brief wird dich leider nie erreichen. Ich habe nicht die Absicht, ihn in die Post zu geben. Je länger ich dich kenne, desto mehr bin ich beeindruckt, und ich wünsche mir, dass wir in einem Jahr und später genauso miteinander gehen wie jetzt. Leider stehen diesem Wunsch Hindernisse im Weg. Das erste ist meine Unfähigkeit, mich dir gegenüber unbefangen zu verhalten. Überhaupt finde ich mich in der Welt derzeit schlecht zurecht. Um mich in dieser seltsamen Welt einigermaßen sicher zu bewegen, habe ich auf Basis meiner Eindrücke, Verhaltensregeln aufgestellt. Nun aber ist mein Regelwerk eingestürzt. Du bist anders als die Frauen, die ich kennengelernt habe. Bei denen wusste ich mich zu verhalten, wusste, was sie von mir erwarteten, und wann ich die Verbindung zu ihnen abbrechen musste, wenn ich nicht meinen starren Prinzipien untreu werden wollte, oder Gefahr lief, mich auf etwas einzulassen, was mir später leidgetan hätte. Schließlich waren sie mir alle nicht wirklich wichtig. Ich wollte mit ihnen verkehren, aber ansonsten halbwegs Ruhe haben. Gleichgültigkeit war meine Einstellung, und mit der hatte ich sogar Erfolg. Dummerweise bist du mir überhaupt nicht gleichgültig. Erschwerend ist, dass ich mir von dir kein klares Bild machen kann. Entweder bist du tatsächlich so vernünftig, wie du tust, worüber ich mich freuen würde, oder du spielst bzw. heuchelst. Meine Unsicherheit ist die Ursache dafür, dass ich mich bei dir so dumm anstelle. Du musst Geduld haben und Nachsicht mit mir üben. Programm für Montag: In der Schule aufpassen, mitarbeiten, sich um Klassenkameraden und Pfadfinder-Mitgliederwerbung kümmern. Danach Dorothe abholen, sich bei ihrer Mutter für ungeschicktes Benehmen entschuldigen. Zuhause Latein lernen, etwas Sport, abends zur Erholung Pläne für die Oberrunde ausarbeiten, und nicht zuletzt Beten.

Verstoßen (25)

Herr, ich komme mir verstoßen vor. Wozu bin ich in diese Welt gesetzt? Doch nicht dafür, dass ich hier sitze und mich im Gespinst meiner Gedanken verliere! Ich möchte abwerfen, was mich schwermacht, was mich festhält fern von dir. Ich spüre den Dämon in mir. Er durchströmt meine Glieder, er dringt in mein Gehirn ein. Er klammert sich an mich. Du aber bist entfernt, unerreichbar. Du hast mich verlassen hast mich einfach zurückgelassen. Komm zurück!

Zur Lage (26)

Meine Stimmung hat sich entschieden verbessert. Noch ein schwaches Brummen im Kopf, aber sonst wiederhergestellt. Ich sehe meine Chancen steigen. Nach meinem Entschuldigungsanruf, mit dem ich mein Ansehen bei Frau Wolfrath wohl gehoben habe (man weiß ja, wie blöd ich mich letzten Samstag benahm, ausführliche Erörterung erübrigt sich also) hoffe ich, dass die Mutter ein gutes Wort für mich bei der Tochter einlegt.

Vorbild (27)

Frau Tolksgraf, die Witwe unseres kürzlich an Magenkrebs verstorbenen Mathelehrers, die wir (um Material für einen Nachruf zu sammeln) heute besucht haben, ist eine tolle Frau. An ihr könnte sich Großmutter ein Beispiel nehmen. Noch nie habe ich den Unterschied zwischen zwei Menschen gleichen Alters, die dasselbe erlebt haben, so deutlich gesehen wie heute. Wieder ein neues Vorbild.

Der Idiot (28)

Mein Vater ist ein Kind, ein unbeholfener Kindskopf. Er benimmt sich jedenfalls so. Heute fiel es mir besonders auf, schon als er in Lederhosen in die Küche kam, vollends aber, als wir unsere Hecke, die der Gärtner reichlich kurz und dünn geschnitten hatte, so dass man von der Straße bis hinein ins Wohnzimmer sehen konnte, mit zwei Schilfmatten bedeckten. Gegenüber der Nachbarin, Frau Merbel, konnte man sein Benehmen noch gelten lassen, aber gegenüber Herrn Merbel, war sein Auftreten kümmerlich. Jetzt weiß ich, wie ich später nicht sein möchte: tapsig, pessimistisch, plump. So darf ein Mann nicht sein, jedenfalls sollte man es ihm nicht so krass anmerken. Es ist traurig, dass ich über meinen Vater so urteilen muss, besonders da ich ja weiß, dass er sich im Berufsleben sehr vernünftig darstellt. Aber die Grundstruktur seiner Persönlichkeit ist falsch. Leider habe ich die gleichen Fehler wie mein Vater, wenn auch noch nicht so deutlich ausgeprägt. So muss ich eigentlich dankbar sein, dass er mir vorführt, wie man nicht sein darf. Anmerkung Das ist unfair. Jeder hat mal einen schwachen Tag. So ein Gedankenbuch (schon fast ein Poesiealbum), ist eine ausgezeichnete Erfindung. Es ist entschieden besser, sich den eigenen Kummer, die eigenen Sorgen, Ärgernisse, Zweifel wegzuschreiben, als sie zu nähren, sich durch sie verätzen zu lassen. In Dorothe bin ich immer noch verliebt, wenn das der richtige Ausdruck für meine Gefühle ist. Merkwürdigerweise habe ich eine ausgeprägte Scheu vor diesem Wort.

Gebet (29)

Wieder zurück in Gottes Geborgenheit, seiner Liebe, die stützt und trägt, die Ruhe und Frieden gibt. Allerdings wo ist Gott? Du glaubst, ihm nahe zu sein, wendest dich einen Augenblick ab, und schon bist du verlassen. Was bin ich doch lasch, kann mich selbst kaum zusammenhalten. Vielleicht ist das, was mich zusammenhält, Trotz, Trotz gegen Gott. Sich durchzusetzen ohne seine Hilfe, aus eigener Kraft, zu erreichen was nur er verschenken kann. Ich bräuchte eine große Einsamkeit, um aus mir herausgehen zu können, und dann gestärkt zu mir zurückzukehren. Ich liebe das Meer, seine Weite die nicht begrenzt wird vom Horizont, die in ihn übergeht, mit ihm verschmilzt. Ich liebe das Rauschen des Meeres, stetig gleich und ruhig, und seine weite Fläche, leicht gekräuselt im Spiel der Wellen. Man möchte ein Meer sein, mit Geheimnissen am Grund, den nur die Geliebte erreichen kann. Heute liebe ich diese Welt. Ich bin in sie gestellt, voll sichtbar. Mein lieber Gott, du hättest mich unsichtbar schaffen sollen. Du Urgrund allen Seins, tiefstes Geheimnis, du Alles. Nimm mich in dich auf, wie ich von dir ausgegangen bin. Unser Denken ist eitel, Phrase. Also befreie mich von mir, zieh mir den Stachel heraus. Erfülle mich, überflute mich. Lass mich nicht sitzen.

Mehr Glück (30)

Selten war ich so guter Laune wie heute. Dabei kann ich gar nicht gut gelaunt sein, bin dazu unfähig. In einer Ecke meines Hirns sitzt eine Spinne. Sie will mich lähmen. Dabei ist Glück so einfach: Arbeiten, Schlafen, Nachdenken, Faulenzen und wieder Schlafen, Beten und Lieben. Mehr wird zum Glück nicht gebraucht. Kämpfen darf man natürlich nicht vergessen. Aber man muss sich gegenüber Fairness walten lassen, sich eine Chance lassen zu gewinnen. Es fehlt noch Gemeinschaft. Nur wer sich in eine Gemeinschaft einzufügen versteht, kann auf Dauer glücklich sein. Kämpfen und Lieben, oder noch einfacher kämpfend lieben.

Der alte Baum (31)

Ein Knabe entdeckte einen uralten Baum, der schon ganz hohl war, und fast keine Blätter mehr trug. Er sprach zu der Eiche, die dieses Baumgerippe einmal gewesen war. „Ist es nicht ein erbärmliches Leben, das du führst? Bist du verfaulter Stumpf nicht ein Parasit? Raubst du nicht frischem Leben den Raum? So tritt doch endlich ab!“ Mach Platz! Der Baum lächelte. „Ich kann noch nicht sterben, denn ich bin Du, und du hast deine Zeit noch vor dir.“ Glückt liegt im Augenschlag einer Frau, in der unbeholfenen Gebärde eines Kindes und der zitternden eines Greises. In diesen Gesten verbirgt sich Gott.

Fass ohne Boden (32)

Ich bin ein merkwürdiges Geschöpf, schwanke zwischen übertriebener Selbstsicherheit und Unsicherheit, zwischen unbegründeter Freude und haltloser Trauer, zwischen Leere und Fülle. Ich bin ein Fass ohne Boden. Es bleibt immer leer, wieviel man auch hineingießt. Ich bin ein See, in dem man ins Bodenlose versinken kann. Ich bin eine Pfütze, nur ein wenig Sonne und sie ist weg. Ich bin ein Kartoffelsack, der so voll ist, dass er platzt. Ich bin ein Schilfrohr, biege mich im Wind, aber so leicht breche ich nicht! Ich bin eine Pflanze mit Dornen, die nur im Verborgenen Blüten treibt. Ich bin ein Baum, der seine Wurzeln verloren hat. Ich bin ein Stumpf, der von Fäulnis durchzogen wird. Ich bin ein Keim, der die Erde durchbricht und zurück ins Dunkel kriechen will. Ich bin Affe und Papagei, Ratte und Tiger, Geier und Möwe und Wasserfloh zugleich. Ich bin ein löchriger Lumpen und ein purpurnes Gewand. Ich bin ein Heiliger und ein Ganove. Ich bin Alles oder auch nichts. Ich bin nur die Marionette, die an Fäden geführt wird. Wer führt die Fäden, der Teufel oder Gott?

Der offizielle Freund (33)

Mit Dorothe habe ich vereinbart, dass wir den Tanzkurs als Paar besuchen, dass sie meine Dame sein soll. Da hat sie plötzlich die Idee, ich würde mit ihr als Tanzstundendame kein guter Tänzer werde. Ich soll ein bestimmtes Mädchen, das sehr gut tanzt, als Partnerin bis zum Mittelball wählen. Sie versprach, dass sie dann auf jeden Fall meine Dame für den Abschlussball sein werde. Ich ließ mich bereden und machte mich mit der guten Tänzerin bekannt. Kurz vor der ersten Tanzstunde, erfahre ich, dass Dorothe urplötzlich einen festen Freund hat, einen Abiturienten. Ich will es gar nicht glauben. Der „NEUE“ bringt sie tatsächlich zur Tanzstunde, wartet auf sie während der Stunde, holt sie auch wieder ab und begleitet sie nach Hause. Ich bin empört, fühle mich betrogen. Ab sofort schneide ich Dorothe, wechsle kein Wort mehr mit ihr. Anmerkung: Es war teils meine Schuld. Ich hätte klar machen sollen, dass ich mir nur Dorothe als meine Tanzpartnerin vorstellen kann. Ich hätte ihr erklären müssen, sie werde mit mir das Tanzen schon lernen. Zu dieser Zeit verstand ich noch nicht, dass man nicht alle Wünsche, nicht alle Aufforderungen wörtlich nehmen darf. Dorothe war besorgt, ich könne an einer besseren Tänzerin Gefallen finden und wollte von mir hören, dass für mich keine andere als sie in Frage käme. Einige Wochen später war mir klar, dass der offizielle Freund nur als Fassade diente. Zwei Monate später: Dorothe und ich reden wieder miteinander, tanzen miteinander. Ich begleite sie nach Hause. Aber dieser seltsame Freund stand bis zu seinem Abitur zwischen uns, und solange lagen meine Gefühle auf Eis. Dann erklärte Dorothe, er habe ihr den Laufpass gegeben, und er verschwand aus ihrem und meinem Leben. Ich habe Angst, dass wir aneinander vorbeigehen, ohne uns zu erkennen, dass sich unsere ausgestreckten Hände nicht finden. Wenn wir einander nahekommen, schließen wir uns ein. Wir machen uns Käfige, verschließen unsere Münder. Lass uns die Käfige aufbrechen, die Schlösser abreißen. Ich will dich finden und will, dass du mich findest. Rühr mich an, mach mich lebendig. Als ich dich neben einem anderen sah, brannte etwas in mir. Als du fortgingst, fror etwas in mir. Ist das, weil ich dich liebe? Wer weiß, wann er liebt? Wann ist einer reif für die Liebe? JEDENFALLS EMPFINDE ICH FÜR DICH ETWAS ANDERES ALS FÜR DIE anderen Frauen, die ich kenne. Und dieses Andere lässt mich erschrecken. Ich möchte soweit fort von dir, dass ich dich vergesse, und sehne mich doch mehr nach dir, als dass ich mich fernhalten könnte. Es bohrt wieder mal und wirklich übel. Lass mich verdammt nochmal in Frieden, Dämon. Ich will doch nichts als Frieden mit mir selbst. Gib mir doch Ruhe! Wenn ich mich wenigstens betäuben könnte. Es ist grässlich, mit sich selbst und seinem Dämon alleine zu sein. Bin ich dazu in die Welt gesetzt, dass ich hier verkümmere? Ist das Liebe, was in mir ausgebrochen ist? Ist man so unglücklich, wenn man liebt? Die Hölle ist kein Feuer. Sie ist ein Bohren mit einem Bohrer aus Eis. Ich bin müde. Ich möchte mich jetzt hinlegen und einschlafen. Aber es reißt mich weg. Ich muss ruhig denken!

Schutzengel (34)

Wieder einmal bin ich zu geistigen Höhenflügen aufgelegt, fühle mich gleichzeitig fehl an Platz. Der Haken ist, dass ich aus dieser Verfassung heraus bei anderen nicht auf Interesse stoßen kann. Ich bräuchte jemanden, der mich auf den Erdboden herunterzieht, mir in die kalte Seele Wärme einbläst. Gestern habe ich mir noch Ruhe gewünscht. Heute habe ich mehr als genug davon. Morgen beginnen die Ferien. Endlich werde ich ein paar Tage leben können. Heute wäre ich beinahe überfahren worden. Mein Schutzengel war mir wohlgesonnen. Er ließ mich mit gründlich aufgeschürften Händen, mit einer Prellung am Knie und einer an der Hüfte davonkommen. Mein Gott, ich bitte um ein bisschen Wärme. Besser glühen als frieren.

Gott und die Welt (35)

Fast Jeder denke ich, ist glücklich, wenn er sich selbst verwirklichen kann, ein Satz, der wahr ist, aber Fragen offenlässt. Woran erkennt man, dass man sich tatsächlich verwirklicht? Wie kann man das Reue- bzw. Schuldgefühl, das Glück verhindert, ausschalten? Ich bin glücklich, wenn ich in Ruhe Philosophiebücher lesen kann. Ich bin glücklich, wenn ich Theorien verfertige, mit meiner Umwelt dozierend verkehre, wie einer der fünfundzwanzigtausend Weisen. Wenn ich Raum habe, von einer exklusiven modernen Ausstattung umgeben bin, unberührte Natur um mich blüht, wenn ich Sport treibe, bin ich glücklich. Aber mich hiermit zufrieden zu geben, wäre ein Irrtum. Es kommt darauf an, das Evangelium zu verwirklichen. Wo aber soll Liebe einen Ansatzpunkt finden? Sie ist nur möglich in Gemeinschaft. Deshalb ist es notwendig, die Welt und den Platz, den man in ihr einnimmt, zu erkennen, zu bejahen, um sich dann selbstvergessen in die Welt einzubringen. Ein schweres Gebot hat Gott der Welt aufgegeben. Wie schwer fällt es mir, mich von meinem Standort am Rande los zu reißen. Wie sehr bin ich mit meiner exklusiven Einsamkeit verwachsen. Zudem bin ich inkonsequent. Zwar will ich nicht abhängig sein, verlange aber, dass meine Umwelt von mir abhängig wird, was man als Größenwahn ansehen könnte. Aus meinem Dilemma gibt es nur einen Weg: Gott in mich einlassen. Dieser Weg ist steil. Es fällt mir schwer, mich aufzuraffen. Aber es gibt keinen anderen Weg. Ich muss auf die Gnade vertrauen. Mit jedem Gedanken betrügen wir uns selbst, Zeichen dafür, dass wir von Gott weit entfernt sind.

Gott (36)

Wieder ist ein Tag vergangen, die Sonne untergetaucht, die Nacht heraufgezogen. Gott, ich danke Dir für diesen Tag, für alles was mir gegeben und genommen wurde. Ich lege diesen Tag in deine Hand. Es war ein guter Tag, der erste der Ferien, der Freiheit. Er hat mir eine Erkenntnis gebracht. Alle Liebe, die in mir brachliegt, kann ich auswerfen wie eine Fangleine, und alle Liebe die ich verschenkt habe, holt mich zu Dir. Ich bin nicht in die Welt geworfen, sondern sorgsam gebettet. Mir braucht nicht bange zu sein, denn Du bist immer in der Nähe. Eine Tür hat sich geöffnet. Leben drängt herein wie ein Schwall Wasser und schwemmt mich heraus aus meiner Verkrustung. Hilf mir, mich ganz zu lösen, von vorn anzufangen. Jeden Tag werden die Spielsteine neu verteilt. Hilf mir in Deiner Gnade, dass ich meine nicht töricht verspiele.

Hoffnung (37)

Hoffen und Verzagen liegen im Streit. Feigheit und Mut kämpfen gegeneinander. Wer wird siegen, der ich bin, oder der ich sein will? Morgen werde ich es erfahren. Einen Fortschritt brachte der heutige Tag, ich war heute weniger abhängig von den äußeren Umständen, aber noch gelingt es mir nicht, mich ungezwungen zu bewegen unabhängig von den Umständen. Ich muss mich wieder daran gewöhnen, den Alltag, das Alltägliche nicht zu gering zu schätzen, sondern es zu achten als Ort der Prüfung, den Ort an dem umgesetzt wird, was ich mir im Vorgriff ausgemalt habe. Versuchen wir zu resümieren, was sich heute zugetragen hat. Ich lag am Strand der „Grünen Adria“, dem schönsten Baggersee in dieser Gegend, und las, oder besser gesagt, versuchte zu lesen. Immer wieder wurde ich von meiner Umgebung abgelenkt. Blau spannte sich der Himmel über mir aus. Die Menschen um mich herum summten und brummten und schwärmten durcheinander wie eifrige Bienen. Nicht weit von mir saß ein Mädchen mit ihrer Mutter. Ich kenne das Mädchen. Auf dem Tanztee des Freitagkurses habe ich mit ihr getanzt. Ihr Tanzstundenherr war auch nicht weit, genauso wie zwei Jungen, von denen ich nur einen kannte. Ich lag also da und versuchte in die Philosophie Ortega y Gasset’s Eingang zu finden. Von Zeit zu Zeit schielte ich in Richtung Osten und überlegte, ob ich das Wesen, das in dieser Richtung saß, grüßen sollte. Mit diesem schwerwiegenden Gedanken verging mir die Zeit. Ich überdachte meine Stellung in der Welt und schwang mich auf in die Höhe. Und genau hier lag der Fehler. Ich hätte mich den Leuten, die ich doch kannte, anschließen sollen, anstatt sie aus der Ferne zu beobachten. Ich war ein Idiot. Ich blieb in mir verschlossen wie ein ausreifender Falter in seiner Puppenhülle. Als die Sonne sank, war ich immer noch allein, von der Sehnsucht nach dem einen Mädchen gefangen, das ich mir einbilde zu lieben. Suchend und doch ruhig fuhr ich per Rad heim, durstig und zum Zerreißen gespannt, bis ich wie ein Schiffbrüchiger wieder festes Land betrat, nach Hause kam und die Welt abschütteln konnte. Morgen kann alles anders werden, besser. Das Heute ist vorbeigeschwirrt wie ein Schwarm Fledermäuse. Das Morgen wartet, steht offen, bereit sich erobern zu lassen, wenn einer es fassen und beherrschen will.

Zweifel (38)

„Traurig froh wie das Herz, wenn es sich selbst zu schön liebend unterzugehen, in die Fluten der Zeit sich wirft.“ Wie schnell doch so ein Tag vorbeigeht. Kaum ist man richtig wach, kaum wird man sich seiner voll bewusst, ist er schon wieder vergangen. Man kommt nicht dazu, die Eindrücke, von denen man überfallen wird, zu verarbeiten oder gar zu behalten. Wir leben zu schnell. Dieses Leben, in das ich mich allmählich wieder einmische, reißt mich fort wie ein Strudel. Ich habe nichts, um mich festzuhalten. Ich laufe Gefahr zu ertrinken, und das gerade, weil ich versuche loszukommen, von dem, was mich festhält. So fühle ich mich, genauso wie es Hölderlin in diesen Versen unübertreffbar zum Ausdruck bringt. Heute habe ich mit Dorothe telefoniert. Wie nicht anders zu erwarten, habe ich mich nicht sonderlich geschickt angestellt. Immerhin, sie schien mir wohlgesonnen. Nun in guter Hoffnung für die Zukunft kann ich mich getrost ein Stück von ihr entfernen, vorsichtig freilich und die aufgetrennte Nahtstelle offenhaltend, damit sie sich nach den Ferien aufs Neue schließen kann, aber dann besser und sicherer. Liebe ich an Dorothe, was ich in sie hineinprojiziert habe? Wenigstens kommen mir Zweifel, ob sie wirklich ist, was sie mir scheint. Habe ich nicht vielleicht für mein ungestilltes Verlangen ein Becken gesucht, in das ich es ausschütten konnte, um mich dann in meinem eigenen Bild wieder zu finden? Habe ich mich in die scheinbare Tiefe hineingeträumt? Dorothes Abiturientenfreund hat doch erhebliche Zweifel an ihrem Charakter wachgerufen. Anmerkung: Die Pubertät auf ihrem Höhepunkt! Mich beschäftigen zwei weitere Fragen. Warum werden meine Schwester und ihr Freund Tobias sofort aggressiv, wenn ich zu leben anfange, wenn ich mich auch nur ein klein wenig öffne. Sie scheinen beide irritiert, verunsichert, sogar neidisch, wenn ich versuche, Kontakt zu ihnen herzustellen, mich auf die gleiche Stufe wie sie zu stellen. Das zweite Problem, stellt sich dar, wie folgt: Ich habe ein Bedürfnis, mich im Erleben der Natur zu verlieren, oder im Zauber einer Nacht, im Reiz eines Sonnenuntergangs. Ich möchte diese Bezauberung in meiner Fantasie wiederholen, oder in meiner Fantasie neu erschaffen. Ist das Flucht vor der Wirklichkeit, Flucht in eine Traumwelt oder der Wunsch, in die Wirklichkeit einzutauchen? Was ich schreibe, kommt mir nicht logisch vor!

Zeit und Venus (39)

Die Zeit schießt vorbei, reißt uns mit, spuckt uns wieder aus in die Nacht, um uns am Morgen erneut mit sich fortzureißen. Wir saugen Leben ein. Wie Kinder hängen wir an der Brust der großen Mutter, die uns in ihrem Arm hält, und trinken in vollen Zügen die Milch des Lebens. Wir laufen auf den grünen Wiesen, reißen die Blüten aus, die wir besitzen wollen und sehen sie dann unter unseren Händen dahinwelken. Wir trauern um die Blumen, die wir zerstört haben, weil wir uns nicht damit zufriedengeben wollten, uns von ihrem Duft betören zu lassen. Doch schon erscheint eine neue Prinzessin, und wir lassen das welke Laub achtlos aus unseren Fingern gleiten. Aber warum zerstören?

Traum-Schaum (40)

Ich träumte. Ich lag am Ufer eines Sees, dessen Oberfläche in blauem Licht zitterte. Ich lag in weißem Sand, gehalten durch unsichtbare Fesseln. Dunkle Tannen umstanden den See, und über mir spannte sich ein sternenübersäter Himmel. Ein Licht strahlte auf, fuhr wie ein riesiger Finger auf das Wasser nieder, das sich teilte. Nach kurzer Zeit stieg aus der Flut eine Frau empor. In voller Anmut stand sie wie eine Perle in ihrer Muschel. Ein faltiges Gewand umfloss ihren Körper. In ihr Haar war ein Diadem geflochten. Ich wollte mich ihr nähern, aber verborgene Bänder hielten mich fest. Die Frau warf mir einen Schlüssel zu und versank. Die Welt schwand hin in einen kalten Nebel. Leere umgab mich, aber der Schlüssel blieb und bleibt mir, bis ich die Tür dazu finde. Ich nehme ihn mit mir in den morgendlichen Tag. Es bleiben Warten und Hoffen und die Frage: „Was ist hinter der Tür?“ Anmerkung: Zur Abwechslung eine romantische Phase! Der Weg ist weit, die Straße, die mich zu Gott führen soll und zu dem, was ich sein kann, sie nimmt kein Ende.

Weit weg (41)

Eine meiner besseren Eigenschaften ist Wissbegier. Zwar ist diese eine abgemilderte Form von Habgier, aber immerhin eine halbwegs positive Form. Gott ist mir gnädig. Im Großen und Ganzen mache ich Fortschritte. Vor allem fühle ich mich wesentlich sicherer als noch vor ein paar Wochen. Mein Hang zur Selbstkritik hat sich in eine halbwegs vernünftige Richtung entwickelt. Jede Handlung kurz kritisieren, sobald sie abgeschlossen ist. Eine rasche Überlegung anstellen, wie ich es hätte besser machen können. Die Ursachen von Versagen kurz reflektieren, aber ohne Leidenschaft, ohne Selbstverachtung. Ruhe und Gleichmut sind eingezogen. Ich hoffe mal, dass mir darüber die Leidenschaft nicht ganz abhandenkommt.

Lob der Schule (42)

Ein Loblied auf die Schule, der man doch mehr verdankt, als man zunächst glauben möchte. Sie hält den in ihre Maschinerie Eingespannten so beschäftigt, dass er gar nicht an Langeweile denken kann. In den Ferien hat man unversehens viel Zeit für das, was man während der Schulzeit gerne gemacht hätte, aber nun fehlt etwas, nämlich der ununterbrochene Kontakt zu anderen Menschen, die unablässige Auseinandersetzung mit ihnen. Gleich wird man träge und faul. Gott sei Dank sind die Ferien noch nicht zu Ende

Die Schwester (43)

Erstaunlich ist, was sich soeben zugetragen hat. Man sollte nicht glauben, dass man eine Schwester dreizehn Jahre lang in unmittelbarer Nähe hat, und sich dann so täuschen kann, wie es mir jetzt passierte. Schrieb ich also einen Brief an Thomas Fritsch, beklagte meine Schwester, die in ihn verknallt sei und bat ihn, ihr doch einen Brief zu schicken. Sie würde sonst sicherlich erkranken. Ich marschierte dann, stolz auf mein Werk, ins Wohnzimmer, wo meine Schwester am Fernseher saß, und verlangte eine Briefmarke. Wie erwartet hatte meine Schwester keine. Also musste ich auf den Markenvorrat der Eltern zurückgreifen, da ich keine passenden Geldstücke für den Briefmarkenautomaten hatte. Die Eltern waren übrigens im Theater, die Oma in Maxdorf. Ich legte meinen Brief wie absichtslos im Flur ab, so dass ihn meine Schwester sehen musste und verzog mich, als ob ich ihn vergessen hätte, in die Küche. Die Fernsehsendung, die sich meine Schwester ansah, ging zu Ende. Sie schaltete den Apparat aus, löschte das Licht und fand auf dem Weg zu ihrem Zimmer den Brief. Offenbar hatte sie ihn gelesen, denn er steckte danach umgekehrt im Kuvert. Als ich hörte, dass meine Schwester die Treppen hinaufging, schlich ich in den Flur, um zu prüfen, ob mein Versuch Erfolg gehabt hatte. Meine Schwester war bereits in ihrem Zimmer verschwunden. Ich nahm meinen Brief, enttäuscht über das Ausbleiben einer Reaktion und tat, als ginge ich zum Briefkasten. Nach angemessener Zeit kehrte ich zurück. Meine Schwester saß im Wohnzimmer und suchte Pflaster für die Blasen an ihren Händen. Sie hatte sich die Blasen beim Tennisspielen zugezogen. Ich gab ihr, was sie brauchte, erwartete, dass sie den Brief erwähnen würde. Nichts geschah. Kein Wort fiel über den Brief. ihr Blick ließ weder Verärgerung noch Belustigung erkennen. Aus diesen Mädchen soll doch einer schlau werden. Bisweilen sind die oberflächlichsten Wesen, die man sich vorstellen kann, man denke nur an ihre Verehrung von Filmhelden, die Besessenheit mit ihrem Teint. Und doch sind sie andererseits hintergründig veranlagt und leicht verletzlich. Ich möchte wetten, dass der Brief meine Schwester berührt hat, wahrscheinlich sogar ziemlich heftig, und doch lässt sie sich nichts anmerken. Auf alle Fälle werde ich nun ein wachsames Auge auf sie haben und jedes Wort, das ich sage, sorgfältig erwägen. Ich werde versuchen, diesem Wesen als charmanter kluger großer Bruder zu erscheinen. Vielleicht wird das mich der Lösung meines Problems mit Dorothe näherbringen. Elf Seiten heute geschrieben. Das ist ein Rekord.

Schriftbild (44)

Wie wäre es, wenn ich mir ein persönliches Schriftbild zulegen würde? Es könnte jedenfalls nicht schaden, wenn ich meine Kinderschrift allmählich ablegen würde. Ich sollte versuchen, einen Mittelweg zu finden, nicht zu persönlich, aber auch nicht unpersönlich. Die kleinen Buchstaben sollte ich nicht allzu sehr verkümmern lassen. Andererseits sollte ich mich nicht zu sehr an das gelernte Schulschema halten. Sollte ich kleiner schreiben, oder vielleicht eher größer? Man könnte die Schrift auch mehr nach rechts neigen. Aber nach links wäre wohl persönlicher, individueller. Auf alle Fälle lässt sich eines sagen: Ich trage noch Möglichkeiten in mir. Es könnte aber auch angebracht sein, die alte Kinderschrift erst Mal beizubehalten und noch etwas zu warten, bevor ich auf eine endgültige persönliche Handschrift umschalte.

Der Briefkasten (45)