Stadt der Finsternis - Die magische Gabe - Ilona Andrews - E-Book

Stadt der Finsternis - Die magische Gabe E-Book

Ilona Andrews

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Beschreibung

Die lang ersehnte Bonusstory zur Stadt-der-Finsternis-Reihe endlich auch auf Deutsch! Kate Daniels und ihr Geliebter, der Gestaltwandler Curran, sehnen sich nur nach einer einzigen Sache: ein einfaches Date in einem ganz normalen Restaurant. Doch nichts in ihrem Leben ist jemals einfach, geschweige denn normal. Zunächst stirbt jemand am Nebentisch, dann fallen abtrünnige Vampire über sie her. Und ehe Kate und Curran es sich versehen, müssen sie das Leben eines kleinen Kindes retten, das ein Artefakt um den Hals trägt, auf dem ein tödlicher Fluch lastet ...

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Ilona Andrews bei LYX

Impressum

ILONAANDREWS

Stadt der Finsternis

Die magische Gabe

Ins Deutsche übertragen von

Bernhard Kempen

Zu diesem Buch

Kate Daniels und ihr Geliebter, der Gestaltwandler Curran, sehnen sich nur nach einer einzigen Sache: ein einfaches Date in einem ganz normalen Restaurant. Doch nichts in ihrem Leben ist jemals einfach, geschweige denn normal. Zunächst stirbt jemand am Nebentisch, dann fallen abtrünnige Vampire über sie her. Und ehe Kate und Curran es sich versehen, müssen sie das Leben eines kleinen Kindes retten, das ein Artefakt um den Hals trägt, auf dem ein tödlicher Fluch lastet …

1

Ich war nur noch drei Meter von der Tür zum Büro von Cutting Edge Investigations entfernt, als ich drinnen das Telefon klingeln hörte. Bedauerlicherweise befand sich der Schlüssel zum Büro in der Tasche meines Sweatshirts, die in diesem Moment voll mit hellrosafarbenem Schleim war – und der tropfte von den Tentakeln, die auf meinen Schultern lagen. Die Tentakel wogen etwa siebzig Pfund, was meinen Schultern nicht besonders gefiel.

Hinter mir rückte Andrea, meine beste Freundin und Partnerin bei der Verbrechensaufklärung, die Fleischmassen zurecht, die noch von der Kreatur übrig waren. »Telefon!«

»Ich habe es gehört.« Ich kramte in meiner Tasche, die vom Schleim fast völlig verklebt war. Meine Finger glitten durch kalte Feuchtigkeit. Bäh.

»Kate, es könnte ein Klient sein.«

»Ich suche ja schon nach dem Schlüssel.«

Klienten bedeuteten Geld, und Geld war im Moment knapp. Cutting Edge hatte vor drei Monaten den Geschäftsbetrieb aufgenommen, und tröpfchenweise kamen bezahlte Aufträge herein, von denen die meisten allerdings miserabel waren. Trotz einer guten Empfehlung von der Red Guard, der führenden Leibwächterfirma von Atlanta, rannten uns die Leute nicht gerade die Tür ein, um uns zu engagieren.

Unsere Welt wurde von wiederkehrenden Magiewellen heimgesucht. Sie überfluteten uns in zufälliger Abfolge, legten jede Technik lahm und ließen in ihrem Fahrwasser Monster zurück. Eben noch hatten wir es mit gefährlichen Magiern zu tun, die Feuerbälle und Blitze spuckten, und im nächsten Moment verschwand die Magie, und die Polizei konnte die Magier mit ihren wieder funktionierenden Feuerwaffen erschießen.

Leider verschwanden zusammen mit den Magiewellen nicht auch deren Folgen, und zwangsläufig hatten sich in Atlanta viele Institutionen herausgebildet, die sich um magische Gefahrensituationen kümmerten. Alle waren schon viel länger im Geschäft als wir: die Polizei, die Söldnergilde, eine Menge privater Firmen und der große Gorilla, der Orden der Ritter der mildtätigen Hilfe. Der Orden und seine Ritter hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschheit vor allen möglichen Gefahren zu beschützen, und genau das taten sie auch – aber zu ihren Bedingungen. Sowohl Andrea als auch ich hatten für den Orden gearbeitet und ihn schließlich unter keineswegs einvernehmlichen Umständen verlassen.

Unser Ruf war nicht gerade herausragend, und wenn wir einen Auftrag bekamen, lag das meistens daran, dass jeder andere in der Stadt ihn bereits abgelehnt hatte. Wir waren sehr schnell zu Atlantas letzter Instanz geworden. Trotzdem war jeder erfolgreiche Job eine zusätzliche Empfehlung für uns.

Das Telefon klingelte hartnäckig weiter.

Unser letzter Auftrag war freundlicherweise von der Green Acres Home Owners Association gekommen. Vertreter der Hausbesitzervereinigung hatten heute früh an unsere Tür geklopft und behauptet, eine riesige schwebende Qualle würde sich in ihrer Vorstadt herumtreiben. Wir sollten vorbeikommen und sie dingfest machen, weil sie die Katzen des Wohngebiets fraß. Anscheinend flog die durchsichtige Qualle mit halbverdauten Katzenkadavern im Körper durch die Gegend, und die Kinder waren deswegen völlig verstört. Die Polizei hatte den Leuten mitgeteilt, dass die Sache keine hohe Priorität habe, weil die Qualle offenbar noch keine Menschen gefressen hatte, und die Söldnergilde würde sich nur darum kümmern, wenn man ihr mindestens einen vierstelligen Betrag bezahlte. Die Hausbesitzervereinigung bot uns 200 Dollar an. Niemand, der noch halbwegs bei Verstand war, würde für diesen Preis einen solchen Auftrag übernehmen.

Wir hatten dazu den ganzen verdammten Tag gebraucht. Und nun mussten wir das verfluchte Ding anständig entsorgen, weil der Umgang mit toten magischen Kreaturen etwas von russischem Roulette hatte. Manchmal ging alles gut … und manchmal zerschmolz der Kadaver zu einer Pfütze aus intelligentem, gefräßigem Protoplasma oder brütete einen einen halben Meter langen, blutsaugenden Egel aus.

Das Gewicht der Qualle verschwand plötzlich von meinen Schultern. Ich kramte weiter in meiner Tasche, bis meine Fingerspitzen kaltes Metall berührten. Ich riss den Schlüssel heraus, steckte ihn ins Schloss und drückte die schwere gepanzerte Tür auf. Ah! Triumph!

Ich stürmte durch den Eingang auf das Telefon zu. Ich erreichte es eine Sekunde zu spät. Der Anrufbeantworter war bereits angesprungen. »Kate!«, sagte Jims Stimme. »Geh ans Telefon.«

Ich zuckte vor dem Apparat zurück, als würde er in Flammen stehen. Ich wusste genau, worum es bei diesem Anruf ging, und ich wollte nichts damit zu tun haben.

»Kate, ich weiß, dass du da bist.«

»Nein, bin ich nicht«, sagte ich.

»Früher oder später musst du dich damit auseinandersetzen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, muss ich nicht.«

»Ruf mich zurück.« Jim legte auf.

Ich drehte mich zur Tür um und sah Andrea hereinkommen. Hinter ihr zwängte sich die Qualle aus eigenem Antrieb durch den Eingang. Ich blinzelte. Die Qualle bewegte sich immer noch. Als sie durch die Tür war, drehte sie sich um, und ich sah, wie Curran sie in den Händen trug, als wäre die dreihundert Pfund wiegende Fleischmasse nicht schwerer als ein Teller Pfannkuchen. Manchmal war es gut, der Herr der Bestien zu sein.

Wann war er eingetroffen, und was wollte er hier überhaupt?

»Wohin?«, fragte er.

»Hinterzimmer«, sagte Andrea. »Komm, ich zeig es dir.«

Ich folgte ihnen und beobachtete, wie Curran die Qualle in den Container für biologisches Gefahrengut verfrachtete. Er schloss den Deckel, ließ die Klammern einrasten und kehrte zu uns zurück. Ich streckte meine verschleimten Arme aus, damit er sich nicht mit dem Zeug besudelte, beugte mich vor und küsste den Herrn der Bestien. Er schmeckte nach Zahnpasta und Curran, und als ich seine Lippen auf meinen spürte, vergaß ich den beschissenen Tag, die Rechnungen, die Klienten und die zehn Liter Schleim, die meine Kleidung tränkten. Der Kuss hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber es fühlte sich an wie eine Stunde, denn als wir uns voneinander lösten, war es, als wäre ich heimgekehrt und hätte all meine Sorgen hinter mir gelassen.

»Hallo«, sagte er und lächelte mich mit seinen grauen Augen an.

»Hallo.«

Hinter ihm verdrehte Andrea die Augen.

»Was ist los?«, fragte ich ihn.

Curran besuchte mich fast nie in meinem Büro und erst recht nicht abends. Er hasste Atlanta und das Menschengewimmel in der Stadt mit der feurigen Leidenschaft einer Supernova. Theoretisch hatte ich nichts gegen Atlanta – wenn man davon absah, dass die Metropole von den Magiewellen zur Hälfte verwüstet worden war und mit besorgniserregender Häufigkeit Brände ausbrachen –, aber ich hatte durchaus etwas für Menschenmassen übrig. Doch sobald mein Arbeitstag vorüber war, ließ ich die Stadt hinter mir. Ich machte mich sofort auf den Weg zur Festung, in der das Gestaltwandlerrudel von Atlanta und Seine Pelzige Majestät residierten.

»Ich dachte, wir könnten vielleicht etwas zu Abend essen«, sagte er. »Es ist schon eine ganze Weile her, seit wir zusammen aus waren.«

Streng genommen waren wir noch nie zusammen zum Abendessen ausgegangen, nur wir beide. Wir hatten zwar schon etwas in der Stadt gegessen, aber es war eher zufällig geschehen, und in den meisten Fällen waren andere Leute dabei gewesen, und die Sache endete jedes Mal mit gewalttätigen Zwischenfällen.

»Gibt es einen besonderen Anlass?«

Currans blonde Augenbrauen zogen sich zusammen. »Muss es denn einen besonderen Anlass geben, wenn ich dich zum Abendessen ausführen möchte?«

Ja. »Nein.«

Er beugte sich zu mir vor. »Ich habe dich vermisst und hatte es satt, darauf zu warten, dass du nach Hause kommst. Komm und iss einen Happen mit mir.«

Einen Happen essen klang himmlisch, nur dass Andrea dann ganz allein im Büro wäre. »Ich muss warten, bis Biohazard die Qualle abgeholt hat.«

»Das kann ich doch machen«, bot sich Andrea an. »Geh nur, es gibt keinen Grund, dass wir beide hier herumsitzen. Ich muss sowieso noch ein paar Sachen abarbeiten.«

Ich zögerte.

»Ich kann genauso gut wie du Formulare unterschreiben«, teilte Andrea mir mit. »Und meine Unterschrift sieht nicht so aus, als hätte ein betrunkenes Huhn im Dreck gescharrt.«

»Mit deiner Unterschrift ist alles bestens, vielen Dank.«

»Ja, ja. Geh und gönn dir ein bisschen Spaß.«

»Zuerst muss ich duschen«, sagte ich zu Curran. »Wir sehen uns in zehn Minuten.«

*

Es war Freitag acht Uhr an einem warmen Frühlingsabend, mein Haar war gebürstet, meine Kleidung war sauber und frei von Schleim, und ich ging mit dem Herrn der Bestien aus. Curran fuhr. Er fuhr sehr vorsichtig und konzentrierte sich auf die Straße. Ich hatte das Gefühl, dass er erst als Erwachsener fahren gelernt hatte. Auch ich fuhr vorsichtig, aber hauptsächlich, weil man jederzeit damit rechnen musste, dass der Motor den Geist aufgab.

Ich warf einen Seitenblick auf Curran. Selbst wenn er ruhig war wie jetzt, strahlte er so etwas wie angespannte Energie aus. Sein Körper war zum Töten gemacht, eine Mischung aus harten, kräftigen Muskeln und geschmeidiger Schnelligkeit, und etwas in seiner Haltung vermittelte die Botschaft, dass er ein schockierendes Gewaltpotenzial und die Bereitschaft hatte, es auch zu benutzen. Er schien viel mehr Platz zu beanspruchen als sein Körper, und es war unmöglich, ihn zu ignorieren. Das Gewaltversprechen hatte mir früher Angst gemacht, also hatte ich ihn provoziert, um ihn aus der Reserve zu locken, ähnlich wie manche Leute mit Höhenangst auf Berge stiegen, um sich davon zu heilen. Jetzt akzeptierte ich ihn, wie er war, genauso wie er mein Bedürfnis akzeptierte, mit einem Schwert unter meinem Bett zu schlafen.

Curran bemerkte, dass ich ihn ansah. Er straffte sich, ließ die modellierten Muskeln seiner Oberarme hervortreten und zwinkerte mir zur. »Hallo, Baby.«

Ich lachte mich schlapp. »Und wohin fahren wir?«

»Zum Arirang«, antwortete Curran. »Das ist ein nettes koreanisches Restaurant, Kate. Dort gibt es Holzkohlengrills neben den Tischen. Sie bringen einem das Fleisch, und man kann es sich zubereiten, wie man möchte.«

Das passte. Normalerweise aß Curran nur Fleisch mit einem gelegentlichen Nachtisch. »Gut für mich, aber was wird Eure Vegetarische Majestät essen?«

Curran bedachte mich mit einem ausdruckslosen Blick. »Ich kann jederzeit zu einem Burger-Laden fahren.«

»Ach, du willst mir also einen Burger hinwerfen, mit dem ich mich dann auf dem Rücksitz vergnügen darf?«

Er grinste. »Wir können es auch auf den Vordersitzen machen, wenn es dir lieber ist. Oder auf der Motorhaube des Wagens.«

»Ich mache es nicht auf einer Motorhaube.«

»Ist das eine Herausforderung?«

Warum ich?

»Kate?«

»Konzentriert Euch auf die Straße, Eure Pelzigkeit.«

Die Stadt rollte vorbei, von der Magie geschunden und ramponiert, aber sie hielt sich wacker. Die Nacht verschluckte die Ruinen, verbarg die Hüllen einstmals mächtiger, hoher Gebäude. Neue Häuser säumten die Straßen, von Hand aus Holz, Stein und Ziegeln errichtet, um dem Ansturm der Magie Paroli zu bieten.

Ich kurbelte das Fenster herunter und ließ die Nacht herein. Sie strömte in den Wagen und trug den Frühling und den Rauch eines fernen Holzfeuers heran. Irgendwo bellte ein gelangweilter, einsamer Hund, jedes Wau gefolgt von einer langen Pause. Wahrscheinlich wartete er ab, ob seine Besitzer ihn endlich hereinließen.

Zehn Minuten später bogen wir auf einen länglichen, leeren Parkplatz, der von alten Bürogebäuden bewacht wurde, in denen sich jetzt asiatische Läden befanden. Am Ende erhob sich ein typisches Steinhaus mit großen Schaufenstern, über denen ein Schild mit der Aufschrift ARIRANG hing.

»Das ist der Laden?«

»Mhm«, brummte Curran.

»Ich dachte, du hättest gesagt, es sei ein koreanisches Restaurant.« Aus irgendeinem Grund hatte ich ein Hanok-Haus mit gewölbtem Ziegeldach und breiter Veranda erwartet.

»Das ist es auch.«

»Es sieht aus wie ein Western Sizzlin’.« Wahrscheinlich war es wirklich mal ein Western Sizzlin’ gewesen.

»Könntest du mir vielleicht einfach vertrauen? Es ist ein nettes Restaurant …« Curran bremste, und der Rudel-Jeep kam mit quietschenden Reifen zum Stehen.

Zwei fast zu Skeletten abgemagerte, mit Halsketten an der Pferdestange angeleinte Vampire hockten vor dem Restaurant. Die Untoten waren bleich, haarlos und ausgetrocknet wie Dörrfleisch und starrten uns mit Augen an, in denen der Wahnsinn glühte. Der Tod hatte ihnen das Bewusstsein und den Willen geraubt, sodass nur noch geistlose Hüllen übrig waren, die ausschließlich von Blutgier angetrieben wurden. Auf sich allein gestellt würden die Blutsauger alles abschlachten, was atmete, und so lange töten, bis nichts Lebendes mehr übrig war. Doch ihr leerer Geist machte sie zum perfekten Vehikel für Nekromanten, die sie wie ferngesteuerte Autos telepathisch navigierten.

Curran betrachtete die Untoten durch die Windschutzscheibe. Neunzig Prozent der Vampire gehörten den Freien Menschen, die eine seltsame Mischung aus einer Firma und einem Forschungsinstitut waren. Wir verachteten das Volk, wie es auch genannt wurde, und alles, wofür es stand.

Ich konnte mich nicht zurückhalten. »Ich dachte, du hättest gesagt, hier sei es nett.«

Er lehnte sich zurück, packte das Lenkrad und stieß ein tiefes Grollen aus.

Ich gluckste amüsiert.

»Wer zum Henker kehrt, während er Untote navigiert, in ein Restaurant ein?« Curran hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass es leise ächzte.

Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht haben die Navigatoren Hunger bekommen.«

Er warf mir einen seltsamen Blick zu. »Wenn sie so weit vom Casino entfernt sind, heißt das, dass sie auf Patrouille sind. Und dann hatten sie plötzlich Kohldampf?«

»Curran, ignoriere die verdammten Blutsauger einfach. Genießen wir trotzdem unser Date!«

Er sah aus, als wollte er jemanden töten.

Die Welt blinzelte. Die Magie überflutete uns wie ein unsichtbarer Tsunami. Die Neonreklame über dem Restaurant erlosch flackernd, und darüber leuchtete ein größeres, helles blaues Schild auf, das aus mundgeblasenem und mit geladener Luft gefülltem Glas bestand.

Ich drückte Currans Hand. »Na komm, du und ich und eine Platte mit nur leicht gegartem Fleisch … es wird großartig sein. Wenn wir die Nekromanten sehen, können wir uns darüber lustig machen, wie sie ihre Gabeln halten.«

Wir stiegen aus dem Wagen und gingen zum Restaurant. Die Blutsauger blickten uns nach, und ihre Augen waren wie glühende Kohlen unter der Asche eines ersterbenden Feuers. Ich spürte ihre Geister, zwei heiße Punkte aus Schmerz, gezähmt vom Willen ihrer Navigatoren. Ein Missgeschick, und die Kohlen würden zu einem alles verzehrenden Feuer auflodern. Für Vampire gab es keine Sättigung. Sie hatten nie genug, sie hörten niemals auf zu töten, und wenn man sie losließ, würden sie die Welt in Blut ertränken und, wenn nichts mehr übrig war, was sie töten konnten, den Hungertod sterben.

Die Ketten konnten sie nicht aufhalten – die Glieder waren höchstens einen halben Zentimeter dick, gerade genug, um einen großen Hund zu bändigen. Ein Vampir würde sie zerreißen und es gar nicht bemerken, aber die Öffentlichkeit hatte ein besseres Gefühl, wenn die Blutsauger angekettet waren, sodass die Navigatoren diesem Wunsch nachkamen.

Wir gingen an den Vampiren vorbei und betraten das Restaurant. Der Innenraum des Arirang war nur schwach beleuchtet. An den Wänden schimmerten Feenlampen in sanftem Licht, während die geladene Luft in den farbigen Glasröhren mit der Magie reagierte. Jede Lampe war mit dem Mund zu hübschen Formen geblasen worden: ein hellblauer Drache, eine smaragdgrüne Schildkröte, ein roter Fisch, ein türkisfarbener kleiner Hund mit dem Horn eines Einhorns … An den Seiten gab es Sitznischen mit Tischen, die schlichte Rechtecke aus Holz waren. In der Mitte standen vier größere, runde Tische mit eingebauten Holzkohlengrills unter Metallhauben.

Das Restaurant war etwa halb voll. Die zwei Nischen rechts von uns waren besetzt, die erste von einem jungen Pärchen, einem dunkelhaarigen Mann und einer Blondine in den Zwanzigern, die zweite von zwei Männern mittleren Alters. Das junge Paar unterhielt sich leise. Gute Kleidung, entspannt, lässig, gepflegt. Ich wettete zehn zu eins, dass sie die Navigatoren waren, die draußen die Blutsauger angeleint hatten. Im Hauptquartier des Volkes, auch als Casino bekannt, gab es sieben Herren der Toten, die ich alle schon einmal gesehen hatte. Doch ich kannte weder den Mann noch die Frau. Entweder kamen die beiden von außerhalb der Stadt, oder sie waren höherrangige Gesellen.

Die älteren Männer in der benachbarten Nische waren bewaffnet, der eine mit einem Kurzschwert, das er neben sich auf den Sitz gelegt hatte. Als sein Freund nach dem Salzstreuer griff, spannte sich sein Sweatshirt über der Pistole im Seitenholster.

Hinter den Männern in der Ecke saßen vier Frauen in den Dreißigern, die viel zu laut lachten – wahrscheinlich waren sie beschwipst. Auf der anderen Seite bereitete eine Familie mit zwei jugendlichen Töchtern ihr Essen auf dem Grill zu. Das ältere Mädchen hatte ein wenig Ähnlichkeit mit Julie, meinem Mündel. Die übrigen Gäste waren zwei Geschäftsfrauen, eine weitere Familie mit einem Kleinkind und ein älteres Paar. Von ihnen drohte keine Gefahr.

Die Luft war von dem köstlichen Aroma gegrillten Fleisches, sautierten Knoblauchs und exotischer Gewürze erfüllt. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte nichts mehr gegessen, seit ich heute früh ein wenig Brot von einem Straßenverkäufer mitgenommen hatte. Ich hatte bereits Bauchschmerzen vor Hunger.

Ein Kellner in schwarzen Hosen und schwarzem T-Shirt führte uns zu einem Tisch in der Mitte des Raums. Curran und ich setzten uns einander gegenüber, sodass ich die Hintertür im Auge behalten konnte und er einen netten Blick auf den Vordereingang hatte. Wir bestellten Tee. Dreißig Sekunden später traf er mit einem Teller Teigtaschen ein.

»Hungrig?«, fragte Curran.

»Und wie.«

»Die gemischte Platte für vier Personen«, bestellte Curran.

Sein und mein Hunger waren zwei völlig verschiedene Dinge.

Der Kellner ging.

Curran lächelte. Es war ein glückliches, aufrichtiges Lächeln, und es katapultierte ihn von der Kategorie »attraktiv« in den Bereich »unwiderstehlich«. Er lächelte nicht häufig in der Öffentlichkeit. Dieses intime Lächeln behielt er sich normalerweise für private Momente vor.

Ich zog das Band von meinem immer noch feuchten Zopf und fuhr mit den Fingern durchs Haar, um es zu entwirren. Currans Blick blieb an meinen Händen hängen. Er konzentrierte sich auf meine Finger wie eine Katze auf ein Spielzeug. Ich schüttelte den Kopf, und mein Haar fiel in einer langen dunklen Welle über meine Schultern. Bitte schön! Jetzt waren wir beide privat in der Öffentlichkeit.

Winzige goldene Funken tanzten in Currans grauer Iris. Er hatte schmutzige Gedanken, und die Niederträchtigkeit in seinem Lächeln weckte in mir den Wunsch, mich neben ihn zu setzen und ihn zu berühren.

Aber wir mussten warten. Ich war mir ziemlich sicher, dass uns ein lebenslanges Hausverbot drohte, wenn wir auf dem Fußboden des Arirang wilden Sex hätten. Andererseits wäre es die Sache vielleicht sogar wert gewesen.

Ich prostete ihm mit meiner Teetasse zu. »Auf unser Date.«

Er nahm seine Tasse und wir stießen vorsichtig damit an.

»Und wie war dein Tag?«, fragte er.

»Zuerst habe ich eine Riesenqualle durch eine Vorstadt gejagt. Dann habe ich mich mit Biohazard gestritten, die das Ding abholen sollten, aber sie meinten, dafür wäre Fisch und Wild zuständig. Also habe ich Fisch und Wild angerufen und eine Konferenzschaltung mit Biohazard hergestellt. Dann musste ich mir anhören, wie beide Institutionen miteinander stritten und sich gegenseitig ausgesprochen kreative Schimpfworte an den Kopf warfen.«

»Und dann hat Jim angerufen«, sagte Curran.

Ich verzog das Gesicht. »Ja. Das auch noch.«

»Gehst du unserem Sicherheitschef aus einem bestimmten Grund aus dem Weg?«, wollte Curran wissen.

»Erinnerst du dich, wie meine Tante den Leiter der Söldnergilde getötet hat?«

»Wie könnte ich so etwas vergessen?«

»Die Gilde streitet sich immer noch, wer jetzt die Führung übernehmen sollte.«

Curran warf mir einen Blick zu. »Wie lange ist das her? Fünf Monate?«

»Genau darauf wollte ich hinaus. Auf der einen Seite gibt es die älteren Söldner, die Kampferfahrung haben. Und auf der anderen den Mitarbeiterstab. Beide Gruppen sind in der Gilde ungefähr gleich stark vertreten, wie Solomon in seinem Testament verfügt hat, und sie hassen sich gegenseitig. Es geht bereits um Todesdrohungen. Also wollen sie ein Schiedsgerichtsurteil, das über die Führungsfrage entscheidet.«

»Nur dass die Situation völlig festgefahren ist«, mutmaßte Curran.

»Genau. Anscheinend glaubt Jim, dass ich diesen Knoten auflösen könnte.«

Der verstorbene Anführer der Gilde war ein versteckter Gestaltwandler gewesen, und er hatte dem Rudel zwanzig Prozent der Gilde vermacht. Solange sich die Söldnergilde in dieser Pattsituation befand, floss kein Geld, und die Alphas des Rudels waren sehr daran interessiert, dass diese Einkommensquelle wieder sprudelte. Sie setzten Jim unter Druck, und er setzte wiederum mich unter Druck.

Ich hatte lange genug in der Gilde gedient, um als Veteranin zu gelten. Jim ebenfalls, aber im Gegensatz zu mir hatte er sich den Luxus erlauben können, seine Identität halbwegs geheim zu halten. Die meisten Söldner wussten gar nicht, dass er einen hohen Posten im Rudel hatte.

Für mich gab es keine Geheimhaltung. Ich war die Gemahlin des Herrn der Bestien. Das war der Preis für meine Beziehung mit Curran, aber niemand konnte mich zwingen, diesen Umstand gut zu finden.

Seine Majestät trank einen Schluck Tee. »Du hast keine große Lust, in diesem Streit zu schlichten?«

»Lieber würde ich Dreck fressen. Der Zwist spielt sich zwischen Mark, Solomons langjährigem Assistenten, und den Veteranen ab, die von den vier apokalyptischen Reitern angeführt werden. Beide Gruppen haben nur Verachtung füreinander übrig. Sie sind gar nicht an einem Konsens interessiert. Sie wollen sich nur über den Verhandlungstisch hinweg gegenseitig mit Dreck bewerfen.«

In Currans Augen glitzerte ein böses Funkeln. »Du könntest jederzeit zu Plan B übergehen.«

»So lange auf alle einprügeln, bis sie die Klappe halten und wieder kooperieren?«

»Genau.«

Das klang für mich tatsächlich schon viel besser. »Aber ich könnte es auch auf deine Art machen.«

Curran zog die blonden Augenbrauen hoch.

»So laut brüllen, dass sich alle in die Hosen machen?«

Auf seinem Gesicht erschien ein Hauch von Selbstgefälligkeit, dann setzte er seine Unschuldsmiene auf. »Das ist Quatsch. Ich bin völlig vernünftig und brülle fast nie herum. Ich erinnere mich nicht einmal, wie es sich anfühlt, die Köpfe anderer Leute zusammenzuschlagen.«

Der Herr der Bestien von Atlanta, der friedfertige und aufgeklärte Monarch. »Wie fortschrittlich von Euch, Majestät.«

Er musste schon wieder grinsen.

Der männliche Nekromant in der Nische griff unter den Tisch und holte ein rechteckiges Kästchen aus Rosenholz hervor. Ich wettete zehn zu eins, dass sich darin irgendein Schmuckstück befand.

Ich nickte Curran zu. »Jetzt bist du an der Reihe. Wie war dein Tag?«

»Ich war sehr beschäftigt und musste mich um irgendwelchen Schwachsinn kümmern, auf den ich nicht die geringste Lust hatte.«

Die Blondine öffnete das Kästchen. Ihre Augen leuchteten.