Star Trek - Coda: Tor des Vergessens - David Mack - E-Book

Star Trek - Coda: Tor des Vergessens E-Book

David Mack

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Beschreibung

Die temporale Apokalypse zwingt die bedeutendsten Helden der Sternenflotte dazu, die größten Opfer ihres Lebens zu bringen. Captain Benjamin Sisko reist mit der Defiant in der Zeit zurück und in ein Paralleluniversum, damit er und Data die abscheuliche Sabotage, die die temporale Apokalypse ausgelöst hat, rückgängig machen können. Währenddessen wird Admiral William T. Rikers Verständnis für die Realität von Minute zu Minute schwächer. Kann Deanna Troi ihn vom Wahnsinn befreien, bevor es zu spät ist? Die Helden der Sternenflotte riskieren alles, um die Zeit wieder in Ordnung zu bringen. Aber wird Captain Jean-Luc Picard Beverly Crusher und ihren Sohn sterben lassen? Oder wird er das Multiversum zerstören, um sie zu retten?

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STAR TREK™

CODA

BUCH III

DAS TOR DES

VERGESSENS

DAVID MACK

Story byDayton Ward, James Swallow, and David MackBased onStar Trek and Star Trek: The Next Generationcreated by Gene RoddenberryStar Trek: Deep Space Ninecreated by Rick Berman & Michael PillerStar Trek: Voyagercreated by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor

Ins Deutsche übertragen vonKatrin Aust

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CODA 3: DAS TOR DES VERGESSENS wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Katrin Aust; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover Artwork: Alan Dingman;

Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohořelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CODA: BOOK 3: OBLIVION'S GATE

German translation copyright © 2022 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2021 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2022 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-98666-009-3 (Dezember 2022) · E-Book ISBN 978-3-98666-010-9 (Dezember 2022)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Im Gedenken an:

Yvonne Mack, 1941–2020Neil Ellwood Peart, 1952–2020Dave Galanter, 1969–2020

Inhalt

AUFTAKT DER ZWEITE SPLITTER

Kapitel 1

TEIL I NUR AUGENBLICKE DAZWISCHEN

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

TEIL II VIELE MÖGLICHE WELTEN

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

TEIL III DER WERT EINES LEBENS

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

KURZER VORSCHLAG WAS ABZUWARTEN BLEIBT

DANKSAGUNGEN

ÜBER DEN AUTOR

Als Prüfung unseres Glaubensist die höchste Stufe der Zivilisationdie Bereitschaft, sich für andere zu opfern.

– David Lloyd GeorgeQueen’s Hall, London · 21. September 1914

In der Ewigkeit wird man sich eurer Taten erinnern.

– Marc AurelSelbstbetrachtungen

ZUVOR …

2376

•Captain Benjamin Sisko kehrt von seinem Aufenthalt bei den bajoranischen Propheten zurück, der ein Jahr zuvor nach dem Ende des Dominion-Krieges begonnen hat. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE – »Das, was du zurücklässt«)

•Bajor schließt sich der Vereinigten Föderation der Planeten an. Die Mitglieder der bajoranischen Miliz werden in die Sternenflotte integriert. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE-Roman »Einheit«)

•Nachdem sie lebensbedrohlich verwundet wurde, erfährt Kira Nerys eine Vision der Propheten, in der sie sie als »Hand der Propheten« bezeichnen. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE-Roman »Kriegspfad«)

2378

•In einem alternativen Universum gelingt die terranische Revolution mithilfe von Memory Omega, einer Geheimorganisation, die ein Jahrhundert zuvor von Imperator Spock geschaffen worden war. Die siegreichen Rebellen gründen das demokratische Galaktische Commonwealth.

•Wesley Crusher begleitet den Reisenden, von dem er gelernt hat, seine erwachenden Fähigkeiten zu erweitern und zu fokussieren, zu dessen Heimatplanet, Tau Alpha C. Dort wird er als Reisender »wiedergeboren«. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Zeit des Wandels – Geburt«)

•Kira Nerys verabschiedet sich von der Sternenflotte und wird Novizin in einem bajoranischen Kloster. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Bestien«)

2379

•Föderationspräsident Min Zife wird für schuldig befunden, der unabhängigen Welt Tezwa illegal Waffen verkauft zu haben, die zu Millionen von Toten geführt haben, und wird mithilfe von Jean-Luc Picard heimlich von einer Gruppe Sternenflottenadmirals seines Amts enthoben. Ohne Picards Wissen wird Zife von Sektion 31 ermordet. (STAR TREK-Romane »Zeit des Wandels – Töten« und »Zeit des Wandels – Heilen«)

•Shinzon, ein Klon von Picard, der ursprünglich geschaffen wurde, um den Captain als romulanischer Spion in der Sternenflotte zu ersetzen, reißt nach einem Putsch die Kontrolle über das Romulanische Sternenimperium an sich. Picard und seine Mannschaft vereiteln Shinzons Plan, die Erde anzugreifen und die Föderation auszuschalten, doch Data stirbt im Kampf, indem er sein Leben für Picard opfert. (STAR TREK: NEMESIS)

•William Riker heiratet Deanna Troi und übernimmt das Kommando über die U.S.S. Titan. Troi begleitet ihn als Schiffscounselor und Spezialistin für Erstkontakte. (STAR TREK: TITAN-Romanreihe)

2380

•Picard heiratet Beverly Crusher. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Mehr als die Summe«)

2381

•Die Borg beginnen eine massive Invasion der Föderation, verwüsten zahllose Planeten und löschen Milliarden Leben aus, bevor der Sternenflotte ein finaler Sieg gelingt, der die permanente Bedrohung durch das Kollektiv für immer beendet. (STAR TREK: DESTINY-Romantrilogie)

•Es stellt sich heraus, dass eine Caeliar namens Sedín in der fernen Vergangenheit verantwortlich war für eine gescheiterte Symbiose mit den Menschen, was ein möglicher Ursprung für das Borg-Kollektiv und seine Königin ist. (STAR TREK: DESTINY)

•Während der Borg-Invasion übernimmt Ezri Dax, die an Bord der U.S.S. Aventine als zweiter Offizier dient, das Kommando, als ihr Captain und Erster Offizier getötet werden.

•Riker und Troi bekommen eine Tochter, Natasha Miana Riker-Troi, benannt nach Enterprise-Besatzungsmitglied und Freundin Tasha Yar und der verstorbenen Schwester von Aili Lavena, der Pilotin der Titan. (STAR TREK: TITAN-Roman »Stürmische See«)

•Picard und Crusher bekommen einen Sohn, René Jacques Robert François Picard. Der Junge ist benannt nach Picards Neffen René, dessen Vater, Picards älterem Bruder Robert, und Crushers erstem Ehemann Jack Crusher. (STAR TREK: DESTINY-Roman »Verlorene Seelen«, STAR TREK: TYPHON PAKT-Roman »Bestien«)

2382

•Breen-Spione stehlen die Pläne für den Quanten-Slipstream-Antrieb der Sternenflotte. Diese entsendet Doktor Julian Bashir mit seiner alten Flamme Sarina Douglas, ebenfalls ein aufgewerteter Mensch und, was Bashir nicht weiß, eine Undercoveragentin des Sternenflottengeheimdiensts innerhalb von Sektion 31, undercover zu einem Breen-Planeten. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Nullsummenspiel«)

•Andor löst sich nach Problemen, die inzwischen kritische Reproduktionskrise der Andorianer betreffend, von der Föderation. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman – »Zwietracht«)

2383

•Breen- und Tzenkethi-Truppen greifen die Föderationsstation Deep Space 9 an und zerstören sie. Über tausend Tote werden verzeichnet. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman – »Schatten«)

2384

•Data wird »wiedergeboren«, nachdem seine Erinnerungen aus seinem Bruder B-4 in den Körper eines neuen Androiden, geschaffen von Noonian Soong, transferiert wurden. Datas neuer Androidenkörper ist der, den Noonian geschaffen hatte, um nach seinem fingierten Tod 2367 sein eigenes Bewusstsein in ihn zu übertragen. Noonian opfert sein ewiges Leben für seinen Sohn. Angetrieben von derselben Liebe, die auch seinen Vater motiviert hat, tut »Data Soong« alles, um seine Androidentochter Lal »wiederzubeleben«, was ihm schließlich auch gelingt. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Romantrilogie KALTE BERECHNUNG)

2385

•Die Föderationsstation Deep Space 9 (II) wird für einsatzbereit erklärt und wie ihr Vorgänger in der Nähe des bajoranischen Wurmlochs positioniert. Bei der Einweihung wird die Föderationspräsidentin Nanietta Bacco ermordet. Föderationsratsmitglied Ishan Anjar von Bajor wird als Interimspräsident eingesetzt. (STAR TREK: THE FALL-Miniserie)

•Julian Bashir widersetzt sich der Sternenflotte und Interimspräsident Ishan, um den Andorianern ein Heilmittel für ihre Reproduktionskrise zu bringen. Es gelingt ihm mit der Hilfe von Captain Ezri Dax. Beide werden verhaftet. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Auf verlorenem Posten«)

•Interimspräsident Ishan wird als Verbrecher entlarvt. Andor schließt sich wieder der Föderation an. Eine Andorianerin gewinnt die Wahl zum Föderationspräsidenten und begnadigt Bashir und Dax. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Königreiche des Friedens«)

2386

•Bashir nimmt die Mission von Sektion 31 an, die Breen davon abzuhalten, Wurmlochantriebstechnologie aus einem alternativen Universum zu stehlen (STAR TREK: SEKTION 31-Roman »Verleugnet«)

•Bashir erfährt, dass Sektion 31 von einer bösartigen, jahrhundertealten Superintelligenz namens Control geleitet wird. Die künstliche Superintelligenz benutzt Sarina Douglas als Waffe gegen Bashir und zwingt sie, sich selbst das Leben zu nehmen, nachdem Control besiegt ist. Traumatisiert zieht sich Bashir in einen semikatatonischen Zustand zurück. (STAR TREK: SEKTION 31-Roman »Kontrolle«)

•Journalistin Ozla Graniv enthüllt mithilfe von Bashir und Data die gesamte Geschichte von Sektion 31 und die lange Liste an illegalen Aktivitäten, die mehr als zwei Jahrhunderte zurückreicht. Alle bekannten Sektion-31-Agenten werden verfolgt und verhaftet. Picard wird mit der Ermordung des Föderationspräsidenten Min Zife durch die Organisation im Jahr 2379 in Verbindung gebracht. (STAR TREK: SEKTION 31-Roman »Kontrolle«)

2387

•Entlastet von den Anschuldigungen im Zusammenhang mit Sektion 31 bereitet sich Captain Picard darauf vor, mit der Enterprise zum Odysseischen Pass zurückzukehren, um dessen Erforschung fortzusetzen. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Kollateralschaden«)

•Wesley Crusher warnt Captain Picard, dass ein mysteriöser Feind gezielt ganze Zeitlinien zerstört. Zusammen mit der Besatzung der Aventine machen sich Wesley und die Enterprise-E-Besatzung auf die Suche nach dem Drahtzieher dieser neuen Bedrohung. Ihre Ermittlungen ergeben, dass ihr alter Feind, die Devidianer, verantwortlich ist, doch beide Mannschaften erleiden hohe Verluste, darunter Lieutenant T’Ryssa Chen, Lieutenant Taurik und Captain Ezri Dax. (STAR TREK: CODA, Buch 1 »Zeit in Scherben«)

•Während sich die temporale Apokalypse zuspitzt, begegnet Picard unerwartetem Widerstand, als Riker sich jeglicher direkten Konfrontation der Devidianer verweigert. Ausgestoßen von der Sternenflotte, suchen Picard und sein innerer Kreis Hilfe bei Data. Währenddessen werden Captain Sisko und seine frühere DS9-Mannschaft durch eine kryptische Botschaft der Propheten wiedervereint. Unter hohen Verlusten wird die neue DS9 geopfert, um das bajoranische Wurmloch zu zerstören und den Vorstoß der Devidianer zu verlangsamen – doch der Krieg ist noch lange nicht vorbei. (STAR TREK: CODA, Buch 2 »Die Asche von morgen«)

UND NUN …

AUFTAKT

DER ZWEITE SPLITTER

1

Devidianischer temporaler Teilchenbeschleuniger – Interzeit

Das war das Ende. Es gab keinen Fluchtweg mehr.

Innerhalb der schimmernden blauen Blase des transphasischen Dämpfungsfelds war der Boden übersät mit verbrannten, geschundenen Leichen. Sie erfüllten die verrauchte Luft der hexagonalen Plattform mit dem Gestank eines Leichenhauses und offenbarten Captain Jean-Luc Picard, was in diesen wenigen Minuten aus der riesigen Kammer des Chronitonreaktors geworden war: ein Schlachthaus.

Sein Puls raste, als er sich mit schweißnassem Rücken gegen das konische Reaktorkerngehäuse lehnte und sein Phasergewehr fester packte. Seine Frau, Doktor Beverly Crusher, und ihr Sohn, René Picard, kamen rückwärts auf ihn zu. Jeder von ihnen umklammerte ebenfalls ein Gewehr. Crushers rotes Haar klebte ihr schweißnass im Gesicht. Renés blaue Augen waren vor Angst geweitet.

Auf der anderen Seite des Reaktorkerns standen Captain Benjamin Sisko und Doktor Julian Bashir. Die Luft über ihren überhitzten Phasergewehren flimmerte. Beide Männer waren erschöpft. Sie atmeten schwer, und ihr Gesicht war mit dem Blut der Gegner und ihrem eigenen verschmiert. Sisko warf seine leere Waffe weg und zog ein klingonisches mek’leth, um diesen Kampf zu Ende zu führen.

Data stand zwischen den beiden und dem Trio. Sie hatten hinter der einzig möglichen Deckung Schutz gesucht: ein Ring aus vier geschwungenen, hüfthohen Konsolen, die den Reaktorkern wie eine niedrige Schutzmauer umstanden. In der linken Hand hielt er einen Quantenkommunikator, während er die Korrekturen an der Kalibrierung des Reaktors vornahm, die Commander La Forge ihm über die Komm-Verbindung diktierte, zumindest in den wenigen Augenblicken, in denen er seinen alten Freund über dem markerschütternden Lärm verstehen konnte, der den gewaltigen Reaktorkomplex erfüllte.

Ein kalter Hauch faulig riechender Luft warnte Picard, dass der nächste Angriff kurz bevorstand. Furchterregende Schreie hallten durch die gewundenen Gänge der Station. Es waren unheimliche, unmenschliche Schreie – wie das Heulen der Banshees aus der alten Irdenmythologie –, und sie ließen Picard erschaudern.

René drehte sich zu Picard um. »Papa? Wir werden es nicht schaffen, oder?«

Picard stützte sein Gewehr an seiner Schulter ab. »Ich weiß es nicht.«

Er konnte seinem Sohn nicht verdenken, dass er Angst hatte. Sie waren an einem Ort, der direkt einem Albtraum entsprungen schien, tief im Inneren einer Raumstation, die jenseits der Zeit verborgen lag. Die gesamte Struktur wirkte eher, als sei sie gewachsen und nicht erbaut worden, ausgestoßen von einem gigantischen Monster als Verlängerung seiner selbst. Vom ersten Moment an, als Picard den temporalen Teilchenbeschleuniger der Devidianer betreten hatte, hatte er das Gefühl gehabt, dass seine Freunde und er sich in den Schlund eines Ungeheuers begeben hatten, Opfergaben an eine Ausgeburt der Dunkelheit.

Violettes Licht flackerte durch das biolumineszente Moos, das die innereienartigen Wände bedeckte. Der Zyklus von Licht und Schatten wies weder Rhythmus noch ein Muster auf, was in Picard den Eindruck verstärkte, sich im Inneren von etwas Organischem zu befinden.

Über drei Brücken, die eine breite Schlucht überspannten, gelangte man zur Reaktorplattform. In den Korridoren jenseits der Übergänge wurde die blaue Blase des transphasischen Dämpfungsfelds von dunklen Silhouetten überschattet.

Auf der anderen Seite der Brücken sammelte sich der Feind: devidianische Avatare. Langgliedrige Humanoide mit ausdruckslosen Gesichtern, deren ausgemergelte Körper von abgerissenen schwarzen Roben mit Kapuzen verhüllt wurden. Ihre Reihen erinnerten Picard an eine ganze Legion von Sensenmännern.

Es waren Hunderte; jede ein seelenloser Automat, eine organische Hülle, ferngesteuert von einem Devidianer, der keinen Schmerz spürte, wenn seine Marionette abgeschlachtet wurde. Wie die schlangenartigen Nagas, die sie oft befehligten, konnten die Avatare Lebewesen mit einer einfachen Berührung zu Staub verwandeln.

Aber die Avatare hatten noch eine Fähigkeit, die sehr viel beängstigender war. Aus ihren leeren, skelettartigen Händen schleuderten sie silberne Blitze tödlicher Energie, mit denen sie ihre Gegner lebensbedrohlich verwundeten – um dann wie Ghule ihren sterbenden Opfern die Lebensenergie auszusaugen und diese zu verschlingen.

Und als wären diese tödlichen Kräfte noch nicht genug, hatte eine kleine Handvoll der Avatare auch noch lange Stäbe aus geschnitzten Knochen, in deren Spitze riesige, strahlende Edelsteine eingelassen waren – Waffen, die ebenso wirkungsvoll, präzise und reichweitenstark waren wie ein Phasergewehr.

Zwischen den Avataren bewegte sich eine Handvoll Nagas, die meisten von ihnen weniger als drei Meter lang. Ihre schuppige Haut knisterte von der gewaltigen Energie, die einen grausamen Tod versprach.

Die Nagas hatten die Fähigkeit, temporale Verzerrungen auf kurze Distanz in gezielten Stößen abzufeuern und so Lebewesen ebenso sicher in Staub zu verwandeln, als wären sie von einem Naga selbst berührt worden. Tage zuvor hatte ein winziger, kurzer Treffer eines solchen Energiestoßes ausgereicht, um René von einem kleinen Jungen in einen erwachsenen Mann zu verwandeln. Nur das Einschreiten seines Reisenden-Halbbruders Wesley Crusher hatte René stabilisiert. Er hatte seinen Geist seinem Körper entsprechend gereift, indem er seine Psyche mit den nachhallenden temporalen Echos seiner älteren Versionen aus alternativen Universen verbunden hatte.

Nun stand dieser rothaarige junge Mann neben seinem Vater und zitterte vor Angst.

Überall anders wären die Nagas und die Avatare in der Lage gewesen, zu fliegen und die Plattform von allen Seiten gleichzeitig anzugreifen. Aber etwas an der chronometrischen Verzerrung oder den Antichroniton-Störungen innerhalb der devidianischen temporalen Teilchenbeschleunigerstation – Picard konnte sich nicht genau erinnern, was Wesley gesagt hatte – nahm den Kreaturen ihre Fähigkeit, die Schwerkraft zu überwinden. Was bedeutete, dass sie auf dem Boden angreifen und die Brücken überqueren mussten, um die Plattform zu erreichen.

Dadurch war es Picards Meinung nach immer noch kein fairer Kampf, aber er hatte gelernt, für jeden noch so kleinen Segen dankbar zu sein.

Jenseits der Brücke, die Picard am nächsten war, erhob ein bewaffneter Avatar seinen Stab und richtete ihn nach vorn. Drei Nagas stürmten den Avataren voraus, über jede Brücke einer.

Hinter den Schlangen rückten die Avatare heran.

Crusher verbarg ihre Furcht hinter Entschlossenheit. »Sie kommen.« Sie stützte ihr Gewehr auf die Konsole und blickte durch die Zielvorrichtung.

Die drei Nagas näherten sich den Dämpfungsfeldern. Sie waren deutlich kleiner als die raumschiffgroßen Nagas, die Tage zuvor Deep Space 9 angegriffen hatten, doch sie waren immer noch größer als die meisten Humanoiden. Die Nagas bewegten sich vorwärts, indem sie ihre dicken, schuppigen, blassen Körper mit stählernen Muskeln, drei Meter lang und zu Spiralen aufgerollt, unter einem aufgerichteten Rumpf krümmten und streckten. Jede der Kreaturen hatte den von einem Exoskelett geschützten Kopf zurückgezogen, bereit, zuzuschlagen. Er schwang hypnotisch bei jeder schlangenartigen Bewegung.

Wie ihre riesigen Verwandten waren sie außerhalb des transphasischen Dämpfungsfelds von einer Fata-Morganaartigen Verzerrung umgeben, ein Feldeffekt, der mit ihrer Phasenverschiebung und ihren Fähigkeiten der temporalen Verzerrung zusammenhing. Und genau wie die Kolosse verbreiteten auch die kleineren Vertreter ihrer Art eine toxische Aura des Todes und des Verfalls.

Die tragbaren Geräte, die das Verteidigungsfeld des Außenteams generierten, heulten protestierend auf, als die Schlangen die Barriere angriffen und durchbrachen.

Die grauenhaften Schmerzensschreie der Kreaturen vermischten sich und übertönten das Ächzen der Generatoren, die den letzten und einzigen Schutz für Picard und sein Team erzeugten. Im Inneren des Dämpfungsfelds wurden die Fähigkeiten der Phasenverschiebung und der temporalen Verzerrung der Nagas neutralisiert, dennoch verfügten sie immer noch über mächtige Reißzähne und enorme Kraft und Geschwindigkeit.

Hinter den Nagas ging der stetige Anmarsch der Avatare in einen hektischen Ansturm über.

Picard erhob die Stimme, um all seine Leute zu erreichen. »Bereit machen.«

Er blickte über die Schulter und sah, wie Bashir erschöpft sein Gewehr anlegte. Sisko tätschelte seinem Freund ermutigend die Schulter, dann nahm er seine Position an der Seite des Arztes ein und streckte sein mek’leth über den Kopf. »Für Worf!«

Bashir zielte auf die dunkle Welle der Avatare, die auf sie zukam. »Für Worf!«

Beide Männer kamen aus ihrer Deckung und stürmten auf den Rand der Barriere zu, auf deren knisternder Oberfläche weiße Blitze zuckten, während die Nagas sich ihren Weg hinein bahnten.

Dasselbe Spektakel ereignete sich vor Picard. Es würde nur noch wenige Sekunden dauern, bis die Schlacht weiterging. Er schielte zurück zu Data, der weiter über ein mit devidianischen Glyphen markiertes Sensorfeld Daten in den Reaktorkern eingab. »Wie lange brauchen Sie noch?«

»Fast geschafft …«, antwortete der Androide mit unnatürlicher Ruhe.

Trotz des Lärms um sie herum hörte Picard die beständigen schrillen Phaserschüsse aus Datas Quantenkommunikator. La Forge steckte in Schwierigkeiten, genauso wie sie.

Der Geist des Versagens schwebte über Picard: Wenn wir sterben, bevor wir das hier erledigt haben, ist alles vorbei.

Drei Avatare nutzten die Nagas, die im Dämpfungsfeld gefangen waren, als Deckung, um den Schutzbereich vor Picard zu betreten, drei weitere brachen auf der anderen Seite des Reaktorkerns durch das Feld.

Picard hob seine Waffe. »Feuer!«

Die Familie Picard griff als Einheit an. Strahlen leuchtend orangefarbenen Lichts schnitten durch die Avatare und Nagas. Einer der Nagas blitzte weiß auf und ging in einem Akt der Selbstaufopferung in Flammen auf, die kurzzeitig den transphasischen Dämpfungsfeldgenerator des Außenteams überlasteten.

In dem Bruchteil einer Sekunde, den die Barriere brauchte, um sich neu aufzubauen, drängten drei weitere Nagas auf die Plattform, zusammen mit mehr als einem Dutzend Avatare.

Crusher und René wirbelten hektisch herum und erledigten mehrere Avatare gerade rechtzeitig, bevor sie ihre tödlichen Silberblitze auf die Kernkontrollen schleudern konnten. Ein Avatar schaffte es hinter sie. Als er seinen Angriff vorbereitete, trennte Sisko mit zwei Hieben seines mek’leth der Maschine erst den Arm und dann den Kopf ab.

Crusher ließ sich einen halben Schritt zurückfallen, um ihr Gewehr zu überprüfen. »Mir geht der Saft aus.«

Picard teilte ihre Besorgnis. Wesleys modifizierte transphasische Disruptionseinstellung für die Gewehre war zwar wirksam gegen die Kreaturen der Devidianer, aber sie erschöpfte die Energiezellen erschreckend schnell. »Seid sparsam mit euren Schüssen. Zielt auf die Köpfe.« Er versuchte, seine väterliche Sorge zu verbergen, als er zu René blickte. »Alles in Ordnung?«

»Mir geht’s gut, Papa.«

Siskos Stimme hallte durch den Reaktorraum. »Angriff!«

Er und Bashir stürmten einer neuen Welle Avatare entgegen. Siskos mek’leth folgte einem furchteinflößenden Tanz, und das Schwert – verstärkt mit einer monomolekularen Klinge – streckte die verhüllten Schrecken nieder und trennte mit gnadenloser Anmut synthetisches Fleisch von Knochen.

Leichen fielen um Sisko und Bashir herum zu Boden und verströmten dunkles Blut in dampfenden Strömen. Während immer mehr Tote mit einem feuchten Klatschen auf denen landeten, die vor ihnen gefallen waren, durchbrach die nächste Reihe der Avatare die Energiebarriere hinter ihnen und trat dieses Mal praktisch direkt vor Sisko und Bashir heraus. Unerschrocken brüllten die beiden Männer und setzten ihren Angriff fort.

Neben Picard feuerten Crusher und René erneut und löschten massenhaft Avatare aus.

Ein Naga schlängelte sich durch eine Lücke zwischen den verblassenden Phasergeistern zweier Avatare hindurch und sprang Picard an, als dieser sein Gewehr abfeuerte. Die Bestie blitzte mitten im Flug orange-weiß auf und verschwand, nur Zentimeter bevor sie Picard in Stücke reißen konnte.

Er zitterte vor unkontrollierter Panik, als weitere Avatare die Barriere durchbrachen. Mit rauer Stimme rief er über die Schulter: »Data! Wir können sie nicht aufhalten!«

»Fast fertig, Captain!« Data hatte den Quantenkommunikator zwischen Kinn und Schulter geklemmt, um beide Hände freizuhaben, damit er die letzten Sequenzen von La Forge eingeben konnte.

Picard sah, dass der Sieg zum Greifen nah war – doch dann wurde er ihnen entrissen.

Auf der anderen Seite des Chronitonkerns explodierte ein im Dämpfungsfeld gefangener Naga in einem blendend weißen Lichtschein. Der blaue Schutzschild fiel in sich zusammen, und Brücken und Plattform waren dem Angriff der Gegner schutzlos ausgeliefert. Nur eine enge blaue Schutzblase verblieb direkt um den Chronitonkern herum. Avatare stürmten über die Brücken zur Plattform. Eine Flut schwarz verhüllter Albträume erfüllte die Luft mit tödlichen silbernen Strahlen, die sie wie Messer warfen.

Einer traf Data im Nacken. Er brach hinter Picard auf dem Boden zusammen. Funken sprühten aus seinen Ohren und seiner Nase, und sein Gesicht erstarrte zu einer Totenmaske.

Picard warf sich zwischen seine Familie und die Avatare. Er schlug alle Vorsicht in den Wind und entfesselte bei voller Leistung einen beständigen Stoß Phaserenergie, mit dem er in einem weiten Bogen alles niedermähte, was dem glühenden Strahl in die Quere kam.

Außerhalb der Energiebarriere erledigten Sisko und Bashir drei weitere Avatare, bevor ein vierter einen tödlichen Energieblitz durch Siskos Brust trieb.

Sisko strauchelte und fiel dann rückwärts um.

Bashir schnappte sich Siskos mek’leth und grub die Klinge in den Schädel des Avatars, der seinen Captain erwischt hatte, doch er bekam die Waffe nicht wieder frei. Er ließ sie zurück und hob wieder sein transphasisches Gewehr. Er erschoss mehrere Avatare innerhalb ihres Verteidigungsrings – aber auf beiden Seiten des Reaktors drängten bereits weitere Avatare und Nagas von den Brücken.

Crusher legte ihre Hand auf Picards Schulter. »Jean-Luc! Beende die Kalibrierung!« Sie deutete mit dem Kopf auf den Reaktorkern. »Los!«

Picards gesamtes Wesen schrie ihn an, Crusher und René nicht im Stich zu lassen, aber sie hatte recht. Jemand musste beenden, was Data begonnen hatte, und er war am besten dazu geeignet.

Er reichte ihr sein Gewehr. »Ich beeile mich.«

Sie schlang sich seine Waffe über die Schulter. »Gute Idee.«

Picard schnappte sich den Quantenkommunikator vom Deck. »Geordi? Sind Sie noch da?«

Die Stimme des Ingenieurs verriet Anstrengung und Furcht. »Gerade so, Captain!«

Picard musste all seine Willenskraft aufbringen, um die neuen Angriffe zu ignorieren, die um ihn herum stattfanden, und sich stattdessen auf das Eingabefeld des Chronitonkerns zu konzentrieren. »Data hat den Kanal eingestellt! Senden Sie den Kalibrierungsimpuls!«

La Forges Antwort wurde vom Heulen des transphasischen Dämpfungsfeldgenerators und den animalischen Schreien der Nagas übertönt, die sich ihren Weg durch die letzte Verteidigungsblase des Teams bahnten.

Picard verstärkte die Empfängerleistung des Quantenkommunikators. »Geordi! Wiederholen Sie das!«

Bevor eine Antwort kommen konnte, durchbrachen die Avatare die letzte Blase.

Dann explodierten zwei weitere Nagas.

Die Bestien opferten sich selbst in blendenden Ausbrüchen temporaler Energie, um die Überreste des Dämpfungsfelds um die Plattform zu unterbrechen – und dieses Mal erholte sich das Feld nicht wieder. Flammen und Rauch stiegen aus dem tragbaren Generator auf. Das Schutzfeld, das die Raum und Zeit verzerrenden Fähigkeiten der Avatare und der monströsen Nagas neutralisiert hatte, war erloschen.

Gewaltige Impulse tödlicher Energie schossen durch den riesigen Reaktorraum.

Rechts von Picard fiel Bashir nur einen Meter von der rettenden Deckung entfernt. Er war sofort tot.

Zu seiner Linken kroch ein Naga über die nächste Konsole und schleuderte Crusher und René rückwärts gegen den Reaktorkern.

Picard vernichtete den Naga, doch er war den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Schockiert fiel er auf die Knie, ließ den Quantenkommunikator fallen und streckte die Hände nach seiner Frau und seinem Sohn aus.

»Beverly …? René …?« Er wollte sie in die Arme nehmen, in der Hoffnung, dass einem oder beiden genug Zeit bleiben würde, um sich zu verabschieden … nur um zu sehen, wie sie in seinen Armen zu Staub zerfielen.

Die Frau, deren Liebe sein Leben auf unzählige Arten verbessert hatte, und der Sohn, von dem er nie auch nur zu träumen gewagt hatte, waren beide von ihm gegangen. Der Welt, der Zeit, ihm für immer entrissen.

Irgendwo unter dem Rauch und den Leichen krächzte La Forges Stimme aus dem fallengelassenen Kommunikator – dann ertönten ein Schrei und statisches Rauchen, gefolgt von grauenhafter Stille.

Betäubt und erschöpft saß Picard auf dem Boden und hatte dem Chronitonkern den Rücken zugewandt.

Um ihn herum sammelte sich eine Gruppe von Avataren, zweifellos, um sich an der neuralen Energie des sterbenden Menschen zu laben, der es Jahre zuvor gewagt hatte, einen mutigen, aber letztlich vergeblichen Schlag gegen die zeitreisenden Parasiten zu führen, deren kollektiver Todeshunger nun kosmische Ausmaße angenommen hatte.

Unter ihren weiten schwarzen Roben glühten die stummen Sensenmänner, die Picard umgaben, in freudiger Erwartung seines bevorstehenden Todes und dieses lang ersehnten Festmahls.

Ein mit einem dieser juwelenbewehrten Stäbe bewaffneter Avatar trat vor und streckte eine knochige Hand aus.

Und machte sich daran, Picards Seele herauszureißen.

Picard zuckte hilflos, während sie seinem Körper die Lebenskraft entzogen. Jetzt würde es nur noch wenige Augenblicke dauern. In ein paar Sekunden wäre er tot, und dann würde niemand mehr die Devidianer davon abhalten, weitere Zeitlinien zu verschlingen, um ihren unstillbaren Hunger nach der Art von Angst zu befriedigen, die nur intelligente Wesen hervorbringen konnten, die einen grausamen Tod erlitten.

Nur einmal zuvor hatte Picard eine solch bittere Niederlage erfahren.

Nie wieder, hatte er sich geschworen, nachdem er von seiner Borg-Assimilierung befreit worden war.

Doch hier war er nun, all seine Trümpfe ausgespielt, all seine Schachzüge vereitelt.

Seine Kraft ließ nach, und er starrte verloren auf den Staub in seinen Händen.

Sein Körper war geschunden, sein Geist gebrochen.

Während ihm die Lebensgeister entglitten, wurde er von einer unglaublichen Trauer erfasst.

Ich habe alles geopfert, was ich je besessen habe … jeden, den ich je geliebt habe … nur um den Heldenmut scheitern zu sehen.

TEIL I

NUR AUGENBLICKE DAZWISCHEN

ZWEI TAGE VOR DEM ENDE

2

U.S.S. Defiant NX-74205

Still wie ein Grab. In der Stille, die Captain Benjamin Sisko auf der Brücke des Raumschiffs Defiant umgab, war er sich seiner selbst nur allzu schmerzhaft bewusst. Er konnte sich nicht entspannen.

Die Brücke war in tiefe Schatten gehüllt, weil das Schiff auf gedrosselter Energie lief. Sisko hatte diese Maßnahme ergriffen, um das Sensorprofil des kompakten, aber leistungsstarken Schiffs zu minimieren und die Effizienz seiner Tarnvorrichtung zu maximieren. Beides war essenziell, um es und seine flüchtige Besatzung vor der Armada der Sternenflotte zu verbergen, die auf der Suche nach ihnen war.

Die Hintergrundbeleuchtung auf der Brücke stammte hauptsächlich vom Bild des brennenden Chaos auf dem Hauptschirm. Riesige Tornados aus brennendem Plasma entsprangen einem glühenden Meer aus goldenem Feuer. Ihr Wirbeln war hypnotisch. Sie verschwanden ohne Vorwarnung und erzeugten Vakuen, die sich wie Strudel weiterdrehten.

Sie befanden sich in den Badlands, einem gefährlichen Versteck. Sechzehn Jahre zuvor war nicht weit von diesen Koordinaten das Raumschiff Voyager verschwunden. Jahrelang war man davon ausgegangen, dass die Badlands sein Untergang gewesen waren. Erst Jahre später hatte die Sternenflotte erfahren, dass die Voyager von einem seltsamen Wesen namens Fürsorger ans andere Ende der Galaxis verschleppt worden war, in einen entlegenen Sektor des Delta-Quadranten.

Sisko stützte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Kommandosessels, verschränkte die Hände vor der Brust und schloss die Augen. Er bemerkte, dass die Zeit gleichzeitig zu rasen und stillzustehen schien. Außerhalb des Schiffs, das auf die ultimative Katastrophe zuraste, verging sie immer schneller, während sie im Inneren vor sich hin zu kriechen schien.

In der Vergangenheit hätte Sisko vielleicht versucht, sich in der Eintönigkeit der Logbücher und Berichte zu verlieren, doch er fürchtete, dass das nun vergebene Liebesmüh wäre. Das Universum brach auseinander; in der scheinbar endlosen Litanei der Sternenflottenroutinen würde er keinen Trost mehr finden. Es gab kein Entfliehen in die Details der Pflicht.

Also öffnete er die Augen und wartete auf seinen Einsatz.

Das Schlimmste an der langen Warterei war, dass er Zeit zum Nachdenken hatte. Seine Sorge um Jake, seinen erwachsenen Sohn aus seiner ersten Ehe, und Jakes Frau Korena, die er sich selbst überlassen hatte, fraß ihn auf. Das Letzte, was er von ihnen gehört hatte, war, dass sie Teil einer Gruppe Flüchtlinge waren, die Bajor entkommen war, einer Welle von Seelen, die ihre Heimat zurückgelassen hatten, um ins Unbekannte zu ziehen. Nie würde Sisko Korenas verängstigten Blick vergessen, als er ihnen gesagt hatte, dass sie Bajor verlassen mussten. Er erinnerte sich an eine alte Binsenweisheit, mit der er in New Orleans aufgewachsen war: »Ängstliche Augen lügen nicht.«

Zumindest Kas und Becca sind weit weg von all dem hier.

Seine Frau Kasidy und ihre kleine Tochter Rebecca waren noch auf Cestus III. Es hatte keine Meldungen über Vorfälle dort gegeben – zumindest nicht soweit Sisko wusste –, aber er konnte nur hoffen, dass seiner Familie die Schrecken, die die temporale Apokalypse noch parat halten mochte, erspart bleiben würden.

Doch selbst wenn er versuchte, Kasidy und seine Kinder aus seinen Gedanken zu verdrängen, waren da immer noch die Sorgen um seine Mannschaft und Freunde auf dem Raumschiff Robinson und all jene, die er auf Deep Space 9 gekannt hatte, bevor ihr letztes Stündlein geschlagen hatte.

Er erinnerte sich an das Aufblitzen der Detonation, die den Hauptschirm der Defiant überlastet hatte. Die neue Sternenbasis hatte ihr Ende gefunden, nur zwei Jahre nachdem sie offiziell in Dienst gestellt worden war. Sie war in einem Akt der Selbstaufopferung in einer Antimaterie-Explosion vergangen, um den bajoranischen Ausgang des stabilen Wurmlochs der Propheten in den Gamma-Quadranten für immer zu zerstören.

Schuldgefühle nagten an Sisko, doch er schluckte sie hinunter. Wenn wir die Devidianer nur hätten aufhalten können, ohne den Himmlischen Tempel zu verlieren. Doch das hatten sie nicht gekonnt, und daran ließ sich nichts mehr ändern. Er vermutete, dass die Devidianer das stabile Wurmloch der Propheten genutzt hatten, um sich interdimensionalen Zugang zu verschaffen, nicht nur weil es der Weg des geringsten Widerstands war, sondern auch weil sie gewusst hatten, dass die Entscheidung, es zu zerstören, einen schrecklichen Preis fordern würde.

Sisko legte die Hände auf die Armlehnen seines Sessels und musste sich bewusst davon abhalten, sie zu Fäusten zu ballen. Er musste aufhören, sich auf das zu konzentrieren, was er verloren hatte, und sich daran erinnern, was – und wer – ihm hier im Exil auf der Defiant geblieben war. Sie alle waren jetzt Flüchtige, auf der Flucht vor Rear Admiral William T. Riker und dem Rest der Sternenflotte, seit sie sich dem Kommando und dem Föderationsrat widersetzt hatten, um den verzweifelten Versuch zu starten, die temporale Apokalypse aufzuhalten, die von den Devidianern ausgelöst worden war. Ihre trägen Vorgesetzten hatten Picard und den Führungsoffizieren der Enterprise-E befohlen, geduldig abzuwarten, während weitere Informationen gesammelt wurden.

Sie hatten auf diese Aufforderung mit einem klaren Nein geantwortet.

Mit der Hilfe von Tom Paris und seiner Frau B’Elanna Torres hatte Picards Mannschaft den Diebstahl der Enterprise-E aus dem Raumdock der Erde inszeniert – jedoch nur als Ablenkung, um das beschädigte, aber immer noch flugfähige Raumschiff Aventine aus einer nahen orbitalen Reparatureinrichtung zu kapern.

An Bord der Aventine hatten Picard und sein Team herausgefunden, dass die Devidianer durch das bajoranische Wurmloch in diese Zeitlinie eindrangen. Dadurch war eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt worden, die dazu geführt hatte, dass die erst vor Kurzem in Dienst gestellte neue Deep-Space-9-Station – zusammen mit dem Leben von Botschafter Quark, Captain Ro Laren, Captain Nog und Commander Master Chief Petty Officer Miles Edward O’Brien – geopfert worden war, um das Wurmloch für immer zu schließen.

Wenn das der Bedrohung durch die Devidianer doch nur ein Ende gesetzt hätte, statt sie nur hinauszuzögern.

Noch bevor die Wärmestrahlung durch die Zerstörung der Station verklungen war, war Riker erschienen, um Captain Picard und seine Offiziere zu verhaften – nur um zu spät festzustellen, dass Sisko, mit der Hilfe seines formwandelnden Freundes Odo, Picard und eine Handvoll seiner Leute von der Aventine auf die getarnte Defiant gebeamt hatte. Nun waren sie in den Augen des Sternenflottenkommandos alle Meuterer. Was bedeutete, dass sie von jetzt an auf sich gestellt sein würden.

An der Steuerkonsole, die den vorderen Bereich der Brücke ausfüllte, saß Data Soong. Der wiedergeborene Android – Sisko war sich immer noch nicht ganz im Klaren darüber, wie das vonstattengegangen war – ähnelte seinem alten Selbst, dem Sisko nur einmal auf der alten Deep Space 9 begegnet war, nur noch bedingt. Diese neue Inkarnation von Data wirkte vollkommen menschlich. Picard zufolge basierte Datas neue Gestalt auf dem Abbild seines Schöpfers, Doktor Noonian Soong, als junger Mann. Dieser neue Data war gestern mit seiner wiedergeborenen Androidentochter Lal an Bord der Defiant gekommen. Sie stand steif an der hinteren Dienststation, und ihre Bewegungen wirkten seltsam vogelartig, während sie den Hauptsystemmonitor nach Anzeichen von Fehlfunktionen oder Beschädigungen im Auge behielt.

Siskos früherer Mannschaftskamerad Commander Worf bemannte die taktische Station. Bis vor wenigen Tagen hatte Worf auf der Enterprise als Erster Offizier unter Captain Jean-Luc Picard gedient und kurz vor einer Beförderung zum Captain und seinem ersten eigenen Kommando gestanden. Nun war das alles Geschichte, genauso wie so vieles andere, das der temporalen Apokalypse zum Opfer gefallen war.

Picard hatte sich Worf gegenüber an der Backbordseite an der Maschinenraumkonsole der Brücke eingerichtet. Dort beschäftigte er sich mit Berichten aus dem Hauptmaschinenraum von Commander Geordi La Forge, früherer Chefingenieur der Enterprise, der nun der oberste Schrauber auf der Defiant war.

Wesley Crusher – ein bärtiger, als Mensch geborener Mittfünfziger, der außergewöhnliche Fähigkeiten in Bezug auf Raum und Zeit entwickelt hatte, seit er zu einem »Reisender« genannten Wesen herangereift war – saß hinter Picard an den Kontrollen der Tarnvorrichtung links von Sisko. Wie Data, Lal und Sisko selbst trug Wesley einfache Zivilkleidung. Crushers Outfit bestand aus einer dunklen Hose, schwarzen Schuhen, einem langärmligen Leinenhemd und einer abgewetzten braunen Lederjacke, die dreißig Zentimeter unter seiner Taille endete.

Gegenüber von Crusher, hinter Worf, bemannte Doktor Julian Bashir die Kommunikationsstation rechts von Sisko. Der frühere leitende medizinische Offizier von Deep Space 9 trug abgerissene Zivilkleidung. Sein einst gepflegtes schwarzes Haar war nun grau und zerzaust, genau wie das wilde Gestrüpp seines Barts. Still, aber gespannt wie eine Bogensehne beobachtete Bashir den aufgewühlten Plasmasturm auf dem Hauptschirm. Die Feuer draußen erinnerten an die Flammen des Wahns, die in seinen braunen Augen loderten.

Da Bashir jeden Sinn für den Umgang mit Patienten verloren hatte, war Doktor Beverly Crusher – Wesley Crushers Mutter und Captain Picards Frau sowie der leitende medizinische Offizier seines ehemaligen Kommandos – in der Krankenstation und behandelte das Personal, das kleinere Verletzungen davongetragen hatte, als die Defiant im bajoranischen System gegen die zur Phasenverschiebung fähigen, im Weltraum lebenden schlangenartigen Killermaschinen, die Nagas, gekämpft hatte.

In den achtern gelegenen Gästequartieren befanden sich Worfs Sohn, Botschafter Alexander Rozhenko, und René, der Sohn von Doktor Crusher und Captain Picard.

Vedek Kira Nerys hatte sich mit dem Drehkörper der Zeit in Frachtraum eins eingeschlossen.

Der höchstrangige VIP-Gast des Schiffs jedoch stand hinter Sisko auf der Brücke. Botschafter Spock hielt sich außerhalb von Siskos Gesichtsfeld auf, doch die Anwesenheit des vulkanischen Diplomaten war deutlich zu spüren, als würde er jedem um ihn herum Ruhe und Selbstvertrauen einflößen. Sisko fragte sich, ob es an Spocks beruhigender Art lag, dass alle mit solcher Gelassenheit die scheinbar endlose Wartezeit bis zur Kontaktaufnahme ertragen konnten.

In meiner Jugend wäre ich dumm genug gewesen, danach zu fragen. Jetzt genieße ich es einfach nur.

Wie zur Belohnung für seine Zurückhaltung veränderte sich das Bild auf dem Hauptschirm.

Eine Verzerrung der Raumzeit zeigte sich außerhalb der Defiant und ersetzte einen kreisrunden Bereich des wirbelnden Plasmas, das wie ein Strudel aus geschmolzenem Gold wirkte.

Leise Warnsignale ertönten von der Kommunikationskonsole. Bashir deaktivierte sie und überprüfte seine Anzeigen. »Uns erreicht ein Signal über meinen Quantenkommunikator, Captain. Nur Audio.«

Sisko zögerte mit seiner Antwort. Bashir hatte Sisko und den anderen auf der Defiant einen sicheren Unterschlupf an einem Ort versprochen, den Admiral Riker und seine wachsende Armada nicht erreichen konnten – im alternativen Universum. Mithilfe des Quantenkommunikators, den er vor Jahren von mysteriösen Agenten von der anderen Seite bekommen hatte, hatte Bashir sie um Hilfe gebeten, und sie hatten zugestimmt.

Aber konnte man ihnen vertrauen? Wie konnte Sisko da sicher sein?

Er verdrängte seine Zweifel und nahm all seinen Mut zusammen. »Auf den Lautsprecher.«

Bashir stellte die Nachricht durch, und aus den Lautsprechern ertönte verzerrt und von Rauschen durchzogen eine weibliche Stimme. »Raumschiff Defiant, hier ist das Commonwealth-Wurmlochschiff Enterprise. Wir haben für Sie einen Übergang in unser Universum geöffnet. Aber wir können ihn nur für dreißig Sekunden offen halten. Wenn Sie bereit sind, fliegen Sie mit einem Viertel Impuls hinein.«

»Verstanden, Enterprise. Bereiten Sie sich auf unsere Ankunft vor. Defiant Ende.« Sisko bedeutet Bashir, den Kanal zu schließen, und betrachtete dann den Tunnel, der sich vor ihnen auf dem Bildschirm auftat. »Mister Soong, bringen Sie uns ins Wurmloch, ein Viertel Impuls.«

Data gab die Befehle in die Steuerkonsole ein. »Ein Viertel Impuls voraus. Aye, Sir.«

Sisko hätte es nicht beschwören können, aber er hatte den Eindruck, dass er und alle anderen auf der Brücke den Atem anhielten, als das Schiff in den Schlund des Wurmlochs eintrat, der aus Feuer und Schatten zu bestehen schien.

Innerhalb der Einstein-Rosen-Brücke des interdimensionalen Wurmlochs wurden die rötlichen Farbtöne der Badlands von einem Strudel aus blauem und weißem Licht ersetzt. Die Hülle der Defiant erzitterte kurz, dann ließ der Lärm nach. Sisko schloss die Augen und lauschte dem Schiff, stellte sich vor, die Hüllenkonstruktion sei eine Erweiterung seines eigenen Körpers, und spürte, wie sie mit einer fast schon unnatürlichen Leichtigkeit durch die Passage zwischen den Universen glitt.

Sisko war nicht sicher, ob er seinen Sinnen trauen konnte, und öffnete die Augen. »Steuer, Bericht.«

»Geschwindigkeit beständig bei einem Viertel Impuls. Tarnung intakt«, antwortete Data ruhig.

Sisko suchte bei Worf nach einer weiteren Bestätigung. »Taktik?«

Worf brauchte einen Augenblick, um zu reagieren. »Alle Systeme nominal.«

Auf dem Hauptschirm wuchs ein Lichtpunkt heran – dann öffnete er sich wie eine Blüte aus Licht und Dampf, um die Defiant wieder in den normalen Raum zu entlassen … in einem Universum, in das sie nicht gehörte. Die Konstellationen sahen alle identisch aus, doch Sisko konnte an dem schwachen Flackern der Sterne auf dem Monitor des Schiffs erkennen, dass etwas anders war.

Sie waren im alternativen Universum, einem Ort, den er mehr als einmal besucht hatte und den er als Synonym für Verrat, Betrug und sinnlose Grausamkeit betrachtete. Jedes Mal, wenn er es gewagt hatte, diese düstere Spiegelung des Universums zu betreten, das sein Zuhause war, war sie ihm irrational grausam vorgekommen, und er war froh gewesen, ihr wieder entkommen zu können.

Nun war er auf Anraten Doktor Bashirs hier – und suchte ausgerechnet Schutz.

Ein leiser Alarmton erklang von der Kommunikationskonsole. Bashir überprüfte die Signaldaten und sah dann zu Sisko auf. »Das Wurmlochschiff Enterprise ruft uns, Sir. Nur Audio.«

»Auf den Lautsprecher.«

Bashir öffnete den Kanal. Wieder einmal drang aus den Lautsprechern eine strenge weibliche Stimme. »Defiant, hier spricht das Commonwealth-Wurmlochschiff Enterprise. Bitte deaktivieren Sie Ihre Tarnung. Wir werden dasselbe tun.«

Ein primitiver Teil seines Gehirns warnte Sisko, den Bewohnern dieses Universums nicht zu trauen, Funkstille anzuordnen, zu fliehen und nie zurückzublicken. Er schluckte seine Ängste hinunter und antwortete mit fester Stimme: »Verstanden, Enterprise. Tarnung deaktivieren.«

Sisko bestätigte den Befehl mit einem Nicken in Wesley Crushers Richtung.

Die Lichter auf der Brücke wurden heller, und diverse Systeme, die sich im Stand-by-Modus befunden hatten, erwachten zum Leben. Das Lebenserhaltungssystem nahm die reguläre Luftzirkulation wieder auf, und die erste frische Brise aus den Deckenlüftungsschlitzen traf auf den Schweiß in Siskos Nacken.

Dann erschien wie versprochen das Schiff ihrer Gastgeber vor ihnen auf dem Bildschirm.

Das schlanke, silberne Commonwealth-Wurmlochschiff Enterprise war eine Weiterentwicklung eines klassischen vulkanischen Ringschiffs. Der Hauptrumpf war wie eine Nadel geformt. Der breite Antriebsring befand sich auf etwa einem Viertel der Länge vom Heck aus gesehen, wo die Impulstriebwerke saßen. Der Ring war über drei elegant geschwungene Speichen, die in der Mitte schmaler zusammenliefen, mit dem Rumpf verbunden und enthielt sowohl den Quanten-Slipstream-Antrieb als auch den künstlichen Wurmlochgenerator – auch bekannt als Wurmlochantrieb.

Während Sisko das Bild des Schiffs betrachtete, kam ihm unwillkürlich der Gedanke, wie fragil es wirkte, wie ein zerbrechliches Spielzeug, das beim ersten Anzeichen von Belastung auseinanderbrechen würde. Doch aus Berichten, die er über die Leistungsfähigkeit dieser Schiffe in der Schlacht gelesen hatte, wusste er, dass sie schnell, wendig und robust waren.

Ein weiterer Signalton erklang von Bashirs Konsole, und der Arzt stellte ihn ab. »Sie rufen uns.«

Sisko richtete sich in seinem Kommandosessel gerader auf und hob das Kinn, um Stärke und Stolz auszustrahlen. Die Umstände mochten ihn dazu zwingen, um Hilfe zu bitten – doch das hieß nicht, dass er dabei schwach wirken musste. Gelassen und konzentriert setzte er ein subtiles, aber selbstsicheres Lächeln auf.

Zeit, unseren Gastgebern von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.

»Auf den Schirm, Doktor.«

Das Bild der C.S.S. Enterprise wurde ersetzt von einer Einstellung ihrer Brücke. Es war ein enger, von oben beleuchteter Raum, der höchst effizient eingerichtet war. Die meisten Konsolen waren einfach gestaltet, mit hellgrünen holografischen Kontrollen auf dunklen Displays. Die Besatzung trug schlichte dunkelgraue Overalls mit farbigen Bändern an den Jackenärmelaufschlägen und Insignien rechts am Kragen.

In der Mitte des Bildes stand ein bärtiger Doppelgänger von Jean-Luc Picard und sah Sisko verwundert an. Zu seiner Rechten stand eine majestätisch große und respekteinflößende Frau, die offenbar menschlicher und klingonischer Abstammung war. Sie und Picard trugen dieselben Abteilungsfarben.

Sobald das Paar auf dem Schirm erschienen war, bemerkte Sisko eine Veränderung in Worfs Haltung. Angespannt und höchst aufmerksam wirbelte er zum Schirm herum. Kurz dachte Sisko, Worf würde sich von seinem Platz erheben, doch der disziplinierte Klingone schwieg und blieb auf seinem Posten, außerhalb der Kamera.

»Seien Sie gegrüßt«, sagte der alternative Picard. »Ich bin Captain Luc Picard vom Wurmlochschiff Enterprise. Das ist mein Erster Offizier, Commander K’Ehleyr. Im Namen des Galaktischen Commonwealth heißen wir Sie in Frieden willkommen.«

Sisko stand auf. »Captain Benjamin Sisko, Kommandant des Föderationsraumschiffs Defiant.«

»Interessant.« Der alternative Picard lächelte. Es war offensichtlich eine aufrichtige und einladende Geste. »Ihr Gegenstück war eine ziemliche Berühmtheit auf unserer Seite, Captain.«

»Dasselbe könnte ich über Ihres sagen.«

»Davon habe ich gehört.«

Aus dem Augenwinkel sah Sisko, wie ihr eigener Captain Picard beim Anblick seines transdimensionalen Zwillings das Gesicht verzog. Das Letzte, was Sisko wollte, war, sich mit den Folgen eines diplomatischen Vorfalls auseinanderzusetzen. Also beschloss er, dass es das Beste war, einfach weiterzureden.

»Captain, im Namen meiner Besatzung bitte ich förmlich um Asyl in Ihrem Galaktischen Commonwealth. Und ich sollte anmerken, dass wir so schnell wie möglich eine Angelegenheit größter Dringlichkeit mit Ihrer zivilen Führung zu besprechen haben – und mit der Gruppe, die Sie als Memory Omega kennen.«

Wie Bashir Sisko gewarnt hatte, wurde der alternative Picard bei der Erwähnung von Memory Omega verschlossen. Die Organisation war die graue Eminenz hinter dem Galaktischen Commonwealth. Dabei handelte es sich um einen Geheimbund aus Wissenschaftlern und Gelehrten, der vor mehr als einem Jahrhundert von Imperator Spock gegründet worden war, ausdrücklich zu dem Zweck, Geschichte, Kultur und Wissen des Terranischen Imperiums vor seinem Untergang zu archivieren. Seine Mission nach der Zerstörung des Imperiums war es gewesen, einen Widerstand und später eine Rebellion aufzubauen, um dann eine Revolution zu beginnen. Nun trieb er in der neuen Gesellschaft, die sich aus der Asche des Imperiums erhoben hatte, Frieden, Gerechtigkeit und parlamentarische Demokratie voran.

Sofort rang der alternative Picard den Schrecken, der ihn kurzzeitig erfasst hatte, nieder. »Ihrer Bitte um Asyl wird stattgegeben. Was die gewünschte Audienz angeht …« Er wechselte mit der Klingonin an seiner Seite einen nervösen Blick. »Ein Repräsentant von Memory Omega ist bereits an Bord und wartet darauf, mit Ihnen zu sprechen.«

»Verstanden.«

»Benötigen Sie Reparaturen oder medizinische Versorgung?«

»Unser Schiff wurde schwer beschädigt, bevor wir die Badlands erreichen konnten. Jede Hilfe, die Sie uns zur Verfügung stellen könnten, wäre sehr willkommen.«

Der alternative Picard nickte. »In Ordnung. Ich schicke Ihnen meinen Chefingenieur und ein Reparaturteam hinüber, sobald Sie bereit sind, sie zu empfangen.«

»Danke, Captain. Wir melden uns. Defiant Ende.« Sisko tippte auf die Komm-Kontrolle in seiner Armlehne, um den Kanal zu schließen, und studierte die Reaktionen seiner Kameraden auf der Brücke. »Wie Sie versprochen haben, Doktor: ein warmer Empfang.«

Hinter seinem wilden Bart und den buschigen Augenbrauen verengten sich Bashirs Augen. »Sie vertrauen ihnen immer noch nicht, oder?«

»Im Moment vertraue ich niemandem.« Sisko neigte für gewöhnlich nicht zu Verschwörungstheorien, aber von anderen Sternenflottenschiffen gejagt zu werden ließ ihn alles infrage stellen, woran er je geglaubt hatte. Die unzähligen Warnungen, die auf dem Hauptsystemmonitor im hinteren Bereich der Brücke aufblinkten, erinnerten ihn jedoch daran, dass er sich Paranoia gerade nicht leisten konnte.

»Captain Picard, fordern Sie einen aktuellen Schadensbericht aus dem Maschinenraum an und bereiten Sie den Transport des Reparaturteams von der Enterprise vor.«

»Ja, Captain.«

»Sie haben die Brücke, bis ich zurück bin. Wenn wir nicht mit der Enterprise mithalten können, bitten Sie sie, uns in Schlepp zu nehmen, während die Reparaturen laufen.«

»Ja, Captain.« Picard trat Sisko in den Weg, um ihn aufzuhalten. Um Diskretion bemüht, senkte er die Stimme. »Ist alles in Ordnung?«

»Ich weiß es nicht.« Sisko seufzte schwer. Ihm graute vor dem, was unweigerlich kommen würde. »Ich muss eine alte Freundin besuchen.«

Die Stille war herzzerreißend.

Nicht die der Defiant – Vedek Kira Nerys konnte spüren, wie das Schiff um sie herum vor Energie strotzte. Das Summen der Lebenserhaltungssysteme erfüllte den Frachtraum, und sie spürte die Vibrationen des Impulsantriebs durch den Boden, auf dem sie kniete. Auf den Decks über ihr war die Mannschaft trotz all der Verluste, die sie kürzlich erlitten hatte, lebhaft und entschlossen.

Nein, die rastlose Stille, die auf ihrem Pagh lastete, ging vom Drehkörper der Zeit aus – eine der neun heiligen Tränen der Propheten, geschickt aus dem Himmlischen Tempel, um die Gläubigen Bajors zu einem besseren Verständnis ihrer Götter zu führen. Jahrtausendelang hatte ein magentafarbenes Leuchten darin gebrannt, ein unheimliches, übernatürliches Strahlen, das so manchen Bittsteller auf eine metaphysische Reise durch die Vergangenheit und die Zukunft geschickt hatte, um so den Willen der Propheten besser zu verstehen.

Nun war der Drehkörper der Zeit, wie alle anderen, dunkel und kalt.

Seines Lichts und jeglicher Spur von Göttlichkeit beraubt.

Der Drehkörper der Zeit, der auf dem Tuch ruhte, in dem er Vedek Kira übergeben worden war, war nun nichts weiter als ein sanduhrförmiges Stück Kristallgestein.

Wie die Propheten selbst war der Drehkörper tot.

Kira legte die Handflächen auf die kalten Facetten des Kristalls und beugte sich dann vor, um die Stirn an den oberen Teil des Drehkörpers zu pressen.

Sie spürte nichts. Keine Vibrationen, keine Spur von Wärme.

Tränen rannen ihr aus den geschlossenen Augen.

Wie können sie tot sein? Die Frage nagte an ihrem Pagh und drohte, sie von innen heraus zu verschlingen. Sie befanden sich außerhalb der Zeit. Jenseits der Summe von Vergangenheit und Zukunft.

Es schien unmöglich. Weder in den uralten Texten über die Propheten noch in einer der Prophezeiungen über das Ende aller Zeiten stand etwas darüber, dass sie zerstört werden könnten.

Und doch war hier der Beweis – der kalte, harte Beweis – in Kiras Händen.

Ihre Götter waren tot. Ermordet. Geopfert auf dem Altar der Zeit.

Der Quell des Wissens und der Weisheit, der ihre Welt seit Jahrtausenden geleitet hatte … das Orakel der Wahrheit, das ihr in den dunkelsten Zeiten der bajoranischen Rebellion gegen die cardassianische Besatzung Hoffnung gegeben hatte … die uralte Tradition, die ihrem Leben einen Sinn gegeben hatte und deren Lehren Kira zu der gemacht hatten, die sie heute war … war fort.

Die letzten Momente von Deep Space 9 spielten sich vor Kiras geistigem Auge immer wieder ab, eine selbst auferlegte Folter, gegen die sie machtlos war. Um die Devidianer aufzuhalten – die laut Picard und seinen Leuten planten, sich an der neuralen Energie zu laben, die durch den Massenmord an unzähligen intelligenten Lebewesen freigesetzt werden sollte –, war man zu dem Schluss gekommen, dass es nicht nur notwendig, sondern unumgänglich war, die neu gebaute Föderationssternenbasis zu opfern, um das bajoranische Wurmloch zu schließen, das man als Zugangspunkt der Devidianer in diese Zeitlinie identifiziert hatte.

Weil die Entscheidung, den Himmlischen Tempel zu zerstören, schwere kulturelle Auswirkungen auf die Bajoraner haben würde, hatte Kira als »Hand der Propheten« entschieden, diese katastrophale Sünde auf sich zu nehmen, und ihr teurer Freund Miles O’Brien hatte geschworen, ihr zu helfen. Doch nachdem sie den unaufhaltsamen Countdown gestartet hatte, war ihr Fluchtplan zunichte gemacht worden, als die Nagas in die Ops eingedrungen waren. Die Atmosphäre war ins All hinausgeströmt, und O’Brien hatte festgestellt, dass die Luke des Notausgangs nicht länger luftdicht abschloss.

Um Kira eine Chance zu geben, das Runabout zu erreichen, war O’Brien zurückgeblieben, um die beschädigte Luke zu verschweißen und einen Sauerstoffverlust im Schacht zu verhindern.

O’Brien zurückzulassen, um von der Station zu fliehen, war eines der schwersten Dinge gewesen, die Kira je hatte tun müssen. Doch während die Trauer noch schwer auf ihrem Pagh gelastet hatte, war sie von den Propheten abgepasst worden, die ihr den Drehkörper der Zeit anvertraut hatten.

Der Drehkörper hatte vor sich aufbauender Energie gefunkelt, als Kira ihn angesehen hatte. Sobald aber Deep Space 9 explodiert und das Wurmloch kollabiert war, war der Drehkörper erloschen wie eine Kerzenflamme.

Der Glaube lag blutend in meinen Händen … und ich habe ihm beim Sterben zugesehen.

Es fühlte sich unwirklich an. Unmöglich. Kira konnte nicht akzeptieren, dass die Quelle ihres Lebenssinns für immer verloren war, ausgelöscht in einem Moment der Verzweiflung und Wut. Doch hier vor ihr stand der Drehkörper, grau und kalt wie erloschene Asche.

Die Zugangsluke des Frachtraums öffnete sich mit einem leichten pneumatischen Seufzen. Es folgten leise, gleichmäßige Schritte. Kira erkannte den Rhythmus. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer ihre Trauer störte. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen, richtete aus einem Reflex heraus den Ohrring an ihrem rechten Ohr und bemühte sich um Fassung. »Haben wir das andere Universum erreicht?«

Siskos tiefe Stimme hallte durch den leeren Frachtraum. »Ja.«

Kira, die es nicht ertragen konnte, auch nur eine weitere Sekunde auf das triste Grau des toten Drehkörpers zu blicken, hüllte den großen Kristall wieder in sein Tuch. Sie wünschte, die Propheten hätten ihn ihr in seiner Lade übergeben. Dann könnte sie ihn wenigstens richtig wegschließen, sodass sie ihn nicht mehr sehen konnte.

Ihre Miene war eine Maske gefasster Ruhe, als sie Sisko ansah. »Haben sie mit dir gesprochen?«

Er wirkte verwirrt. »Wer?«

»Die Propheten. Bevor wir den Himmlischen Tempel zerstört haben.«

Schuld und Bedauern zogen über Siskos Gesicht wie die Schatten vorüberziehender Wolken. »Nein.«

Sein Eingeständnis fühlte sich für Kira wie eine weitere Wunde an. Ein weiterer Hoffnungsschimmer, der ihr genommen worden war.

»Ich hatte gehofft, sie hätten ihrem Abgesandten ein paar letzte weise Worte dagelassen.«

Eine düstere Melancholie senkte sich über Sisko. »Diese Rolle habe ich vor langer Zeit aufgegeben.«

Bleiernes Schweigen erfüllte den Raum. Dann gewannen Kiras Schuldgefühle die Oberhand, und sie fing an zu schluchzen. »Benjamin … was haben wir getan?«

Sisko kniete sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern, um sie zu trösten. »Wir haben ein Opfer gebracht.« Die Stärke seiner Umarmung fühlte sich an wie die Rückkehr der Ordnung in ein Leben, das ins Chaos gestürzt war. »Wir haben getan, was wir tun mussten.«

Sie konnte die Flut ihrer Trauer nicht aufhalten. »Was, wenn wir uns geirrt haben?«

»Dann müssen wir es wiedergutmachen.«

»Wie könnte ich das, Benjamin? Ich habe meine Götter verraten. Mein Volk. Meine ganze Welt.«

Er löste seine Umarmung und setzte sich neben sie. »Das wissen wir nicht, Nerys. Ich muss daran glauben, dass die Propheten es uns gesagt hätten, wenn sie gewollt hätten, dass wir etwas anderes unternehmen.«

»Vielleicht haben sie es versucht.« Sie sah Sisko an. Durch ihre Tränen hindurch war sein glatt rasiertes Gesicht nur ein kaleidoskopischer Schemen. »Vielleicht haben wir nicht richtig zugehört.«

Sisko nahm ihre Hände in seine und faltete sie wie zu einem vierhändigen Gebet. »Dann lausch nach ihnen.« Er sah Kira in die Augen, und in seinem Blick stand Hoffnung. »Als Abgesandter habe ich gelernt, dass die Propheten in vielen Dimensionen und Zeitlinien gleichzeitig existieren. Womöglich sogar in allen. Nicht Versionen von ihnen, sondern sie selbst, dieselben in jedem Universum.« Mit einer Hand wischte er Kira zärtlich die Tränen von den Wangen. »Vertrau auf die Propheten, Nerys. Mein Herz sagt mir, dass das alles noch lange nicht vorbei ist … und dass wir die Propheten – und dich – bevor das Ende kommt, dringender brauchen werden, als wir ahnen.«

Seine Worte gaben ihr Mut, und seine Stimme, in der so viel bedingungslose Liebe und Hoffnung lag, ließ sie ihren Kummer vergessen, wenn auch nur für einen Moment.

Sie brachte ein trauriges Lächeln zustande. »Danke, Benjamin.«

Er breitete die Arme aus, und sie nahm seine unausgesprochene Einladung, sich in seiner Umarmung auszuruhen, an und legte den Kopf an seine Schulter. Vor seinem Besuch war sie so unendlich erschöpft gewesen, dass sie schon befürchtet hatte, sie hätte vergessen, wie man hoffte – doch nun, sicher in den Armen des Mannes, den sie liebte wie einen Bruder, konnte sie sich zugestehen, dass sie das Privileg des Schlafs und das Geschenk des Glaubens verdiente.

3

C.S.S. Enterprise – Spiegeluniversum

Schon bevor der Transporterstrahl ihn auf der Defiant erfasste, wusste Commander Worf, welcher Anblick ihn erwarten würde, wenn er sich auf dem Wurmlochschiff Enterprise rematerialisierte. Er hatte jedoch keine Ahnung, was danach geschehen würde.

Ein angenehmer Ton erfüllte Worfs Ohren, als der Transporter der Defiant ihn in funkelndes Licht einhüllte, das schnell seine Umgebung auslöschte. Dann nahm der Transporterraum der Enterprise um ihn herum Gestalt an wie eine wahr gewordene Fata Morgana.

Worf spannte sich an, als der Strahl verklang. Ich muss ruhig bleiben. Ich darf mir meine Gefühle nicht anmerken lassen.

Doch sein Körper betrog ihn. Seine Augen weiteten sich und ihm blieb der Mund offen stehen, als er sie nur ein paar Meter vor sich erblickte: K’Ehleyr.

Auf rationaler Ebene war ihm klar, dass die imposante Frau, die neben dem Luc Picard des Wurmlochschiffs stand, nicht die K’Ehleyr war, die er einst gekannt hatte. Diese Frau war eine Bewohnerin eines alternativen Universums, und ihre Geschichte – vor allem die Tatsache, dass sie noch am Leben war – bedeutete, dass sie ein ganz anderes Leben geführt hatte als die erste Frau, die Worf in seinem Universum geliebt hatte. Die Frau, die zudem die Mutter seines einzigen Kindes, Alexander, war.

Das ist sie nicht. Sie kann niemals wie sie werden.

Worf rief sich im Stillen diese Warnung in Erinnerung, doch der Teil von ihm, der seine K’Ehleyr immer noch liebte, weigerte sich, es zu glauben; immerhin stand sie hier, direkt vor ihm. Die vergangenen Jahrzehnte schienen keine Spuren hinterlassen zu haben. Ihr halb klingonisches, halb menschliches Gesicht wirkte so stolz wie eh und je. Das Funkeln in ihren Augen, so hell wie Mondlicht, das von einer Klinge reflektiert wurde, zeugte von Intelligenz und Humor. Sie war rundum so, wie er sie in Erinnerung hatte: entschlossen, mutig und wunderschön.

Er war so von ihr verzaubert, dass ihm ihre Reaktion zunächst entging. Sie begegnete seinem verzauberten Blick mit einem finsteren Starren. Selbst aus der Entfernung konnte Worf ihren Hass auf ihn spüren. Ihre Abscheu.

Beschämt wandte er den Blick ab und gab vor, seine metallische Schärpe zu richten, während er und das bunt zusammengewürfelte Außenteam der Defiant – Captain Picard, Doktor Bashir, Wesley Crusher, Data und Botschafter Spock – von der Transporterplattform der Enterprise traten, um ihre Gastgeber zu begrüßen. Von den sechs Besuchern trugen nur Worf und Picard Uniform. Die anderen waren in Zivilkleidung.

Luc Picard stand in der Mitte, zu seiner Rechten, aus Worfs Perspektive, K’Ehleyr und links eine ältere Vulkanierin, die Worf nicht kannte.

Picard trat seinem Gegenstück entgegen. Der Captain des Wurmlochschiffs trug einen mit Grau durchzogenen Musketierbart, und sein Hals war von Narben übersät. Die Uniformen der Gastgeber ähnelten denen der Sternenflotte, nur dass jeder von ihnen ein Kampfmesser an der Hüfte trug.

Picard nickte seinem Zwilling zu. »Erlaubnis, an Bord zu kommen, Captain?«

Luc schüttelte Picards Hand. »Erlaubnis erteilt, Captain.« Er ließ Picards Hand los und stellte seine Begleiter vor. »Darf ich meinen Ersten Offizier vorstellen, Commander …«

»K’Ehleyr«, unterbrach Picard. Er klang fast so erstaunt, wie Worf sich fühlte.

Sie reagierte auf Picard mit durchtriebener Neugier. »Ich sehe, wir kennen einander?«

»Wir kannten einander … vor langer Zeit.« Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln. »Es freut mich, Sie erneut zum ersten Mal kennenzulernen.« Picard wandte sich seinen Gefährten zu und fuhr fort: »Das ist mein Erster Offizier, Commander Worf. Mein Stiefsohn Wesley Crusher. Mein guter Freund Data Soong. Und soweit ich es verstanden habe, haben Sie Doktor Bashir bereits kennengelernt.«

»Auf dramatische Weise, ja.« Luc schüttelte Bashir die Hand. »Willkommen zurück, Doktor.« Er runzelte die Stirn bei seinem Anblick. Bashir trug immer noch langes Haar, einen struppigen Bart und wirkte insgesamt abgehalftert. »Verzeihen Sie, aber wie es scheint, hat es die Zeit nicht gut mit Ihnen gemeint.«

Bashirs Tonfall war freundlich, doch sein Blick wirkte getrieben. »Nein, hat sie nicht.«

Alle drehten sich zu den einzigen beiden Personen um, die noch nicht vorgestellt worden waren. Sie standen nur wenige Zentimeter auseinander, und jeder von ihnen hielt die Hände andächtig vor sich gefaltet.

Die ältere Vulkanierin senkte den Kopf. »Es ist uns eine Ehre, Sie begrüßen zu dürfen, Spock.«

Dieser erwiderte das Nicken. »Die Ehre ist ganz meinerseits … Saavik.«

Als er ihren Namen aussprach, sah sie auf. Trotz ihrer einstudierten unbewegten Miene war Worf sicher, ein Aufblitzen freudiger Überraschung in ihren Augen gesehen zu haben, dass Spock sie erkannt hatte, als hätte sie das nicht erwartet, wäre aber glücklich darüber.

Ein Anflug von Eifersucht verfinsterte Worfs Stimmung. Wenn doch nur K’Ehleyr so erfreut wäre, mich zu sehen.

Das plötzliche betretene Schweigen schien Luc nicht entgangen zu sein und er lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. »Wie Sie sicher alle wissen, ist Spock so etwas wie eine Berühmtheit hier in unserem Universum, die keinerlei Vorstellung bedarf. Aber lassen Sie mich Ihnen Saavik vorstellen, die Leiterin von Memory Omega. Der gute Doktor kennt sie natürlich bereits.«

Saavik wandte sich zur Gruppe und ging gemessenen Schrittes auf sie zu. Offensichtlich war sie eine geduldige Person. Die Hände auf Taillenhöhe verschränkt, blieb sie vor Picard stehen. »Doktor Bashir hat in seiner Nachricht nicht nur um Asyl im Commonwealth gebeten, sondern auch um die Hilfe von Memory Omega. Ersteres wurde Ihnen bereits zugesichert, doch bevor ich Letzterem zustimme, muss ich wissen, welche Art von Hilfe Sie benötigen.«

Das Außenteam wechselte unsichere Blicke. Niemand war sich so ganz darüber im Klaren, wer am besten geeignet wäre, ihre Frage zu beantworten. Nach einem Moment trat Wesley vor. »Wir versuchen, eine Spezies, die als Devidianer bekannt ist, davon abzuhalten, das Universum zu vernichten.«

Saavik verarbeitete das, ohne eine äußerliche Reaktion zu zeigen. »Können Sie das präzisieren?«

Dieses Mal übernahm Data die Wortführung. »Die Devidianer sind Humanoide, die sich von der neuralen Energie anderer intelligenter Wesen ernähren – genau genommen von der Angst, die viele im Augenblick ihres Todes verspüren.«