Star Trek - Legacies 2: Die beste Verteidigung - David Mack - E-Book

Star Trek - Legacies 2: Die beste Verteidigung E-Book

David Mack

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Beschreibung

Eine unerschrockene Frau wagt sich allein in ein Paralleluniversum vor, um ihre alten Schiffskameraden zu retten, die vor Jahrzehnten durch ein mysteriöses Gerät, das Transferschlüssel genannt wird, dorthin verbannt wurden. Bald findet sie heraus, dass dieses alternative Universum eine außerirdische Invasionsstreitmacht beherbergt. Captain Kirk und seine Besatzung suchen nach dem Transferschlüssel, der eine Tür zwischen Universen öffnet, aber ihre Jagd wird durch Botschafter Sareks Bitte um Hilfe unterbrochen. Die Besatzung der Enterprise wird bald zum Ziel eines tödlichen Kreuzfeuers – und dessen Ausgang wird das Schicksal zweier Universen bestimmen.

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STAR TREK™

LEGACIES

BAND ZWEI

DIE BESTEVERTEIDIGUNG

DAVID MACK

Based onStar Trekcreated by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen vonHelga Parmiter

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – LEGACIES 2: DIE BESTE VERTEIDIGUNG

wird herausgegeben von Cross Cult / Andreas Mergenthaler, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Übersetzung: Helga Parmiter; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;

Lektorat: Katrin Aust; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster;

Cover Artwork: Alan Dingman; Print-Ausgabe gedruckt

von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – LEGACIES 2: BEST DEFENSE

German translation copyright © 2020 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2016 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2020 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.

All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-327-5 (Dezember 2020) · E-Book ISBN 978-3-96658-328-2 (Dezember 2020)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für all jene Architekten der Vorstellungskraft,in deren Fußstapfen ich wandeln darf …

und für Leonard.

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

DANKSAGUNGEN

HISTORISCHE ANMERKUNG

Die Ereignisse dieser Geschichte finden nach der Mission der Enterprise statt, die sie und ihre Besatzung zur diplomatischen Konferenz nach Babel führte (»Reise nach Babel«), eine Woche nach ihrer Mission zu Argus X (»Tödliche Wolken«) und ungefähr sechs Wochen nachdem ein fremder Spion ein mysteriöses, außerweltliches Artefakt gestohlen hat, das als Transferschlüssel bekannt ist, und von der Enterprise entkam (STAR TREK – LEGACIES»Von einem Captain zum anderen«).

Da Kriege im Geist der Menschen entstehen,muss auch der Frieden im Geist der Menschenverankert werden.

UNESCO-Verfassung, 1946

EINS

Una humpelte einsam durch ein Land ohne Schatten. Zwei erbarmungslose Sonnen standen hoch am Himmel und versengten die weißen Salzebenen. War es Stunden oder Tage her, seit sie die Dimensionsbarriere zu diesem verlassenen Ort durchschritten hatte? Die Zeit schien langsam und dehnbar zu sein. Die gleißenden Kugeln des Tages schienen sich nie zu bewegen.

Vielleicht befindet sich diese Welt in einer gebundenen Rotation mit ihren Muttersternen.

Das war eine rationale Erklärung für die endlose Mittagszeit, doch sie erklärte nicht, was sich für Captain Una in diesem bizarren fremden Universum wirklich falsch anfühlte. Sie trottete auf eine entfernte Hügelkette zu, hinter der sich schroffe Berge erhoben, und wurde von dem Gefühl geplagt, wie in einem Traum zu rennen und doch nicht von der Stelle zu kommen. Weit vor ihr wippten dunstumhüllte Hügelkuppen mit ihren ungleichmäßigen Schritten und schwankten im Takt ihres hinkenden Gangs, während Salzkristalle unter den Sohlen ihrer staubigen Sternenflottenstiefel knirschten.

Beide Teile ihrer Uniform – die schwarze Hose und die grüne Kommandotunika – waren zerrissen und an mehreren Stellen ausgefranst. Diese Risse stammten noch von ihrer gehetzten Flucht durch Stolperfallen aus Dornengebüsch, Nesseln und Stacheln auf dem Planeten Usilde in ihrem Heimatuniversum. Um die Zitadelle zu erreichen, die von den als Jathor bekannten Eindringlingen aus einem anderen Universum errichtet worden war, hatte Una die Verbote der einheimischen Usildar missachten müssen. Diese fürchteten und verachteten die fremde Festung, die Jahre zuvor ohne Vorwarnung in einem der großen Seen ihres Regenwalds aufgetaucht war. Im Gegensatz zu den Usildar wusste Una, dass der Stützpunkt der Fremden auch der Schlüssel für Reisen zwischen dieser trostlosen Dimension und ihrer Heimat war. Deshalb war diese Festung auch ihre einzige Hoffnung, die anderen Mitglieder eines verunglückten Landetrupps der Enterprise zu retten, die vor achtzehn Jahren hierher verbannt worden waren, während Una dazu verdammt gewesen war, hilflos zuzusehen.

Ich bin nicht länger hilflos. Und ich werde meine Schiffskameraden nach Hause bringen.

Sie strich sich eine Locke ihres schwarzen Haars aus den Augen und bemerkte den dünnen Schweißfilm auf ihrem bleichen Handrücken. Sie spähte geradeaus und entdeckte keine Spuren, denen sie folgen konnte, keine Straße, die ihr den Weg wies. Ihre Ausbildung quälte sie. Diese verlangte, auf der Grundlage sorgfältiger Beobachtung und rationaler Schlussfolgerungen vorzugehen, aber hier gab es keine Fakten, die sie analysieren konnte. Nur Sandflächen und nichtssagende Leere, die sich bis zu einem verblassten Horizont erstreckten. Und doch wusste Una, dass sie in die richtige Richtung ging. Es war nicht so, dass ihre illyrianische mentale Disziplin ihr einen besonderen Einblick in dieses Universum incognita verschafft hätte, es war etwas Grundlegenderes und weniger Rationales. Es war Instinkt. Eine Ahnung. Ein Gefühl.

Zweifel plagten sie. Sie ging langsamer und warf einen Blick zurück. So trostlos sie die vor ihr liegende Landschaft auch empfand, war diese doch ein Augenschmaus verglichen mit der endlos gähnenden Leere hinter ihr. Nichts unterbrach die marmorweiße Leere des Himmels oder die strukturlose Ausdehnung der Wüste, die sich endlos darunter ausbreitete. Wellen von Wärmestrahlung waberten wie ein durchgängiger Vorhang und verliehen der Grenze zwischen Himmel und Erde den Anschein, aus flüssigem Metall zu bestehen. Nichts sonst bewegte sich hier. Nichts Lebendiges flog durch die Luft, lief, kroch oder glitt über das ausgetrocknete Erdreich. Es gab keinen Wind, der auch nur ein einziges ausgebleichtes Staubkorn vom Boden hätte aufwirbeln können.

Die Hügel sahen ebenso karg aus und die Berge dahinter waren unwirtlich. Doch trotz aller drohenden Mühsal versprachen sie auch Schutz und eine Unterbrechung der Monotonie. Und so strebte Una weiter in ihre Richtung und vertraute darauf, dass ihre Schiffskameraden vor achtzehn Jahren dieselbe Entscheidung getroffen hatten. Martinez hätte weder sich noch die anderen in der offenen Wüste umkommen lassen, redete sie sich selbst ein. Er hätte nach Unterschlupf, Wasser und Ressourcen gesucht, die man eher in den Bergen als auf dieser sonnenverbrannten Ebene findet.

Una fragte sich, ob sie ihre alten Schiffskameraden nach so langer Trennung wiedererkennen würde – und umgekehrt. Martinez und die anderen hatten Una das letzte Mal als eifrigen jungen Lieutenant gesehen, der unter Captain Robert April Steuermann der Enterprise war. Damals hatten sie ihren Spitznamen »Nummer Eins« weiterhin verwendet, den sie an der Akademie bekommen hatte, weil sie in fast allen akademischen und athletischen Herausforderungen der Sternenflotte den ersten Platz belegt hatte. Statt sich über diesen zu ärgern, hatte sie ihn in gewisser Weise angenommen. Da ihr Name in ihrer illyrianischen Muttersprache für die meisten humanoiden Spezies so gut wie unaussprechlich war, hatte sie in ihren ersten Tagen an der Sternenflottenakademie beschlossen, unter dem Namen »Una« zu dienen. Später, nachdem sie auf der Enterprise die Rangleiter erklommen hatte und als Erster Offizier unter dem Kommando von Captain Christopher Pike diente, war es ein willkommener Zufall, dass Pike dazu neigte, seinen XO als »Nummer Eins« zu bezeichnen, ein Überbleibsel aus der alten terranischen Seefahrtstradition, die auf die Zeiten der großen Windjammer auf dieser Welt zurückging.

Der einzige ihrer Mannschaftskameraden, der ihren wahren Namen aussprechen konnte, war Commander Spock. Sie bewunderte schon lange, dass er sein kühles, logisches vulkanisches Erbe über seine wesentlich emotionalere menschliche Abstammung stellte. In seinen jungen Jahren hatte er zwar eine beunruhigende Neigung gezeigt, seine aufgewühlten Emotionen zu verraten, indem er auf der Brücke seine Stimme erhob, Una hatte ihm aber dabei geholfen, diese unschickliche Angewohnheit abzulegen, um als Offizier eine bessere Haltung an den Tag zu legen. Viele ihrer Kollegen hätten Unas Belehrungen wahrscheinlich schroff zurückgewiesen, aber Spock hatte ihren Rat fast ohne Befangenheit beherzigt.

Spock und ich haben einander immer besser verstanden als die meisten. Aber seine Hingabe an die Logik macht ihn blind für die Macht der Hoffnung.

Ohne das mitfühlende Verständnis von Spocks Captain, James T. Kirk, dem derzeitigen Kommandanten der Enterprise, hätte Unas Mission bereits ein unrühmliches Ende gefunden. Sie war ein großes Risiko eingegangen, als sie den Transferschlüssel aus seinem langjährigen Versteck im Quartier des Captains auf der Enterprise gestohlen hatte – ein Gerät, das nicht nur aus einer anderen Welt, sondern aus einer anderen Dimension stammte. Vor Kurzem hatte sie nicht nur Kirks Bericht über ein ähnliches Gerät in einem Paralleluniversum gelesen, sondern auch Spocks Bericht darüber, wie eine Transporterfehlfunktion ein Portal zu diesem Universum geöffnet hatte – zunächst versehentlich, dann ein zweites Mal absichtlich. Dadurch hatte sie neue Erkenntnisse über das unbekannte Gerät gewonnen, das sie und Captain April 2249 auf Usilde beschlagnahmt hatten. Nachdem Una diese Informationen zur Verfügung standen, hatte sie geplant, die inzwischen verlassene Anlage der Jatohr auf Usilde wieder in Betrieb zu nehmen und das Tor zwischen ihrem Universum und diesem zu öffnen, in das ihre Schiffskameraden vor langer Zeit von den Jatohr auf so grausame Weise verbannt worden waren. Um diesen Plan in die Tat umzusetzen, hatte sie das Ende ihrer Laufbahn durch ein Militärgericht riskiert und die bevorstehenden Friedensverhandlungen zwischen der Föderation und den Klingonen aufs Spiel gesetzt, indem sie mit dem Transferschlüssel nach Usilde zurückgekehrt war. Das hatte allerdings die Aufmerksamkeit der Klingonen auf den primitiven Planeten und die fortschrittliche unbekannte Technologie, die sich dort befand, gelenkt.

Ungeachtet dessen hatte Una gehofft, sie hätte genug Zeit, um ihre Freunde zu retten und mit dem Transferschlüssel zu entkommen. Zu ihrer Bestürzung waren die fünf Mitglieder ihres Landetrupps von Usilde und die vier anderen Offiziere, die mit einem Aufblitzen von der Brücke der Enterprise verschwunden waren, nirgendwo zu sehen gewesen, nachdem das Tor zwischen den Universen erneut offen war. Und so hatte sie eine schicksalhafte Entscheidung getroffen: Sie hatte ein Abkommen mit Kirk und Spock geschlossen. Die beiden würden den Transferschlüssel sicher vor den Klingonen verwahren und in sechzig Tagen nach Usilde zurückkehren, um das Tor zwischen den Universen erneut zu öffnen. Das bedeutete, Una hatte exakt diesen Zeitraum und nicht einen Tag mehr, um ihre verschollenen Schiffskameraden zu finden und sie für ihre längst überfällige Heimkehr an ihren Ankunftsort in der Wüste zurückzubringen. Diesen hatte sie mit einem X markiert, das sie mit dem Phaser, den sie sich von Kirk geliehen hatte, in das Salz gebrannt hatte.

Es war ein haarsträubendes Vorhaben. Eine Mission, die zum Scheitern verurteilt war. Doch das war Una egal. Sie hatte schon früher scheinbar unüberwindliche Hindernisse bewältigt.

Sie würde entweder ihre Schiffskameraden nach Hause holen … oder hier mit ihnen sterben.

ZWEI

Captain James T. Kirk marschierte zielstrebig durch die Korridore der Enterprise. An den meisten Tagen und unter normalen Umständen achtete er sorgfältig darauf, vor seiner Mannschaft entspannt zu wirken. Hin und wieder sah man sogar, wie er jungen Offizieren und Unteroffizieren, an denen er auf seinem Weg durch das Schiff vorbeikam, ein freundliches Lächeln zuwarf.

Heute war keiner dieser Tage.

Er war merkwürdig geistesabwesend und hing den düsteren Erinnerungen an die jüngsten Ereignisse nach. Erst vor einer Woche hatte die Enterprise Argus X untersucht und dabei ein altes Schreckgespenst aus Kirks Vergangenheit wieder zutage gefördert – eine gasförmige Kreatur, die lebendigen Wesen auf Eisen basierende Blutkörperchen entzog. Im Grunde war sie ein Vampir in Gestalt einer süßlich riechenden Wolke. Es handelte sich um dasselbe fremdartige Monster, das elf Jahre zuvor mehr als zweihundert von Kirks Schiffskameraden, einschließlich seines kommandierenden Offiziers Captain Garrovick, auf der Farragut getötet hatte.

Diese Rechnung war jetzt beglichen. Die Kreatur aus Dikironiumwolken war ausgelöscht. Obwohl er sich weiterhin der Kernmission der Sternenflotte, friedliche Erkundung zu betreiben, zutiefst verpflichtet fühlte, empfand Kirk keine Reue, diesen gasförmigen Unhold getötet zu haben. Dieser war in der Lage gewesen, interstellare Reisen zu unternehmen, was ihn zu einer unberechenbaren Bedrohung für die Sicherheit humanoiden Lebens in der gesamten Galaxis gemacht hatte. Sollte Kirk jemals wieder anderen seines Schlags begegnen, würde er sie genauso gnadenlos erledigen.

Wären doch nur alle meine Führungsentscheidungen so eindeutig.

Wochen waren vergangen, seit er und Spock Captain Una – früher Erster Offizier der Enterprise unter Chris Pike und in jüngster Zeit Captain der Yorktown – geholfen hatten, durch ein Portal in ein Paralleluniversum zu gelangen. Zu dem Zeitpunkt hatte Kirk ihre beinahe fanatische Hingabe ihren verschollenen Schiffskameraden gegenüber skeptisch betrachtet. Als Captain konnte er es ihr nachfühlen. Sie war ein Lieutenant gewesen, der zum ersten Mal einen Landetrupp befehligt hatte, als ihre Kameraden verschwunden waren. Aber sie waren seit achtzehn Jahren verschollen. War es nicht an der Zeit, dass sie nach vorne sah?

Dann war ihm letzte Woche auf Argus X dieser widerlich süße Geruch in die Nase gestiegen und all sein Zorn und seine Trauer von vor zehn Jahren hatten ihn wieder übermannt. Jedes Wort und jede Tat waren davon beseelt gewesen, bis der Gerechtigkeit Genüge getan war. Im Zuge dieser furchtbaren Ereignisse verstand er Captain Unas Verhalten besser denn je.

Die Vergangenheit gerät nie in Vergessenheit, sie ist immer bei uns.

Jüngere Offiziere bemühten sich sichtlich, Kirks durchdringendem Blick auszuweichen, während er mit schnellen Schritten durch die geschwungenen grauen Korridore des Raumschiffs der Constitution-Klasse ging. Doch ein Offizier wollte unbedingt einen Moment seiner Aufmerksamkeit: sein neuer Yeoman, Ensign Kalliope Dalto. Die dunkelhaarige Frau mit den brauen Rehaugen kam aus der Kolonie auf Rigel IV. Sie wirkte zerbrechlich, war aber blitzgescheit und in ihrem Streben nach Perfektion unnachgiebig. Hartnäckig und mit unermüdlicher Geduld folgte sie Kirk mit einer unter den Arm geklemmten Datentafel, auf der sich der Schreibkram des Schiffs befand.

Wäre Kirk in gnädigerer Stimmung gewesen, hätte er die Verfolgung schon hinten beim Turbolift beendet und ihr gestattet, ihm die Berichte über den Treibstoffverbrauch und die Anforderungen des Quartiermeisters in die Hand zu drücken. Zu Daltos Pech steckte Kirk der Verrat seines letzten Yeomans, Ensign Lisa Bates, immer noch in den Knochen. Sie hatte sich mit einem mächtigen und gefährlichen außerweltlichen Artefakt von der Enterprise abgesetzt. Dem Transferschlüssel. Das Gerät war Kirk von Captain Pike anvertraut worden, der die Verantwortung dafür von Captain April übernommen hatte.

Und ich war derjenige, der ihn verloren hat.

Ein romulanischer Bird-of-Prey hatte Bates von der Enterprise heruntergebeamt, was offenbarte, auf welcher Seite sie wirklich stand. Im Anschluss hatte sie ihm auch noch unter die Nase gerieben, dass er nicht bemerkt hatte, dass ein Spion monatelang an seiner Seite gedient hatte. So kurz nach der Beförderung und Versetzung von Lieutenant Janice Rand – dem vielleicht besten Yeoman, mit dem Kirk jemals gedient hatte – war Bates’ Verrat ein besonders schwerer Tiefschlag gewesen. Natürlich war es nicht fair, seinen Unmut an diesem neuen Yeoman auszulassen, aber die Geschichte lehrte ihn, dass diese Tradition so alt wie das Meer war.

Allerdings wirkte es so, als hätte man Dalto diese Tatsache vorenthalten.

Sie holte Kirk kurz vor der Tür zum Konferenzraum ein. Ihre Stimme war höflich, aber bestimmt und ohne eine Spur von Respektlosigkeit. »Entschuldigen Sie, Captain.« Als er stehen blieb und sich zu ihr umdrehte, hielt sie ihm die Datentafel und den Stift mit einem höflichen Lächeln hin. »Die heutigen Berichte, Sir.«

Er runzelte die Stirn, unterdrückte aber einen Seufzer und unterzeichnete einen Bericht nach dem anderen. Dann gab er ihr Stift und Tafel wieder zurück. »Ich danke Ihnen, Yeoman.«

Sie verstaute den Stift im Einschub an der Seite der Tafel. »Commander Spock und Lieutenant Uhura warten in Besprechungsraum eins auf Sie.«

Kirk hob eine Augenbraue und warf einen Seitenblick auf die Tür hinter sich. Auf der Plakette an der Wand daneben stand eindeutig: BESPRECHUNGSRAUM 1.

Er zwang sich zu einem freudlosen Lächeln. »Danke, Yeoman. Wegtreten.«

Dalto ging ohne Eile und anmutig den Weg zum Turbolift zurück, den sie gekommen waren. Kirk setzte seinen Weg in den Besprechungsraum fort, in dem, wie Dalto ihm so pflichtbewusst mitgeteilt hatte, sein Erster Offizier und der leitende Kommunikationsoffizier auf seine Ankunft warteten. Sie waren ein Bild der Gegensätze: der Halbvulkanier Spock mit seiner blassen, beinahe grünlich schimmernden Haut und dem schwarzen Topfschnitt – und die menschliche Uhura mit ihrer makellosen braunen Haut und ihrer eleganten Frisur. Beide sahen zur Tür, als Kirk eintrat. Er bedeutete ihnen, sich zu entspannen. »Weitermachen.« Sie gingen zu ihren angestammten Plätzen an dem asymmetrischen fünfeckigen Konferenztisch.

Obwohl Kirk den fensterlosen Besprechungsraum mit seinen gebogenen blaugrauen Wänden und dem dunkelblauen Teppich oft als beengend empfand, war er heute für seine Abgeschiedenheit dankbar. Er setzte sich an das schmale Kopfende des Tischs, was das Zeichen für Spock und Uhura war, ihre Plätze einzunehmen.

»Was haben Sie herausgefunden?«

Spocks Antwort war so trocken wie die Wüsten seiner Heimatwelt. »Nicht so viel, wie wir gehofft hatten, Captain. Die Klingonen haben alle Aufklärungssonden der Sternenflotte abgefangen und vernichtet, die in den Korinar-Sektor geschickt wurden.«

»Was ist mit Langstreckenscans?«

»Nicht eindeutig«, erwiderte Spock. »Wir haben ein erhöhtes Raumschiffaufkommen der Klingonen in der Nähe des Usilde-Systems festgestellt, aber wie groß die Präsenz ist, die sie auf der Oberfläche aufgebaut haben, ist unklar.«

Kirk drehte seinen Sessel in Richtung Uhura. »Funkverkehr?«

»Mehr als üblich«, sagte sie. »Wie erwartet, ist alles verschlüsselt.«

»Ich gehe davon aus, dass wir die üblichen Entschlüsselungsverfahren angewendet haben?«

Sie nickte. »Ja, Sir. Bisher ohne Erfolg.«

Ihre Neuigkeiten frustrierten Kirk. »Solange wir nicht wissen, welchen Empfang wir von den Klingonen zu erwarten haben, können wir nicht riskieren, nach Usilde zurückzukehren.«

Seine Ankündigung bereitete Spock Unbehagen. »Captain Una verlässt sich darauf, dass wir ihre Rückkehr aus dem Paralleluniversum ermöglichen.«

»Das ist mir bewusst, Mr. Spock. Aber im Moment scheinen die Klingonen nicht gewillt zu sein, uns einen Besuch zu gestatten. Nicht dass es eine Rolle spielen würde, wenn es uns möglich wäre.« Er fragte Uhura: »Irgendwelche Spuren von dem gestohlenen Transferschlüssel? Oder meinem ehemaligen Yeoman?«

»Berichte vom Geheimdienst der Sternenflotte weisen darauf hin, dass der Bird-of-Prey, der Ensign Bates aufgenommen hat, immer noch im Kaleb-Sektor unterwegs ist. Aber man weiß nicht, ob sie oder der Schlüssel sich noch an Bord befinden.«

»Das ist nicht viel, aber es ist ein Anfang. Bleiben Sie dran, Lieutenant. Wenn irgendein Schiff oder eine Sternenbasis das Schiff entdeckt, will ich die Koordinaten und seine Flugrichtung unverzüglich erhalten.«

»Verstanden, Sir.«

»Was Usilde angeht, haben wir keine Zeit mehr, auf Nummer sicher zu gehen.« Kirk beugte sich vor und öffnete einen Videokanal zur Brücke. Das Gesicht von Commander Montgomery Scott, dem Chefingenieur der Enterprise, erschien auf allen drei Bildschirmen des dreieckigen Tischmonitors. »Mr. Scott? Setzen Sie Kurs zum Korinar-Sektor, Warpfaktor sechs.«

»Aye, Captain«, antwortete Scott in seinem Aberdeen-Akzent. »Warpfaktor sechs.«

Kirk schaltete den Monitor aus. Spock warf ihm einen fragenden Blick zu. »Sind Sie sicher, dass das weise ist, Captain? Die organianischen Friedensverhandlungen auf Centaurus stehen kurz bevor. Solch eine Handlung könnte von den Klingonen als feindliche Provokation ausgelegt werden.«

»Ich habe Captain Una versprochen, wir würden helfen, sie und ihre Leute nach Hause zu holen. Also können die Klingonen das auslegen, wie sie wollen – ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir fliegen zurück nach Usilde.«

Falls es einen Namen für die Desorientierung gab, von der Sadira seit ihrer Rückkehr in das Leben unter Romulanern geplagt wurde, so war dieser ihrer Meinung nach wohl am ehesten Tishaal-Rovukam – ein Wort der Rihannsu, das sich am ehesten als »situatives Schleudertrauma« übersetzen ließ.

Sie hatte die letzten Jahre unter dem Alias Lisa Bates gelebt und die Rolle eines eifrigen jungen Sternenflotten-offiziers gespielt. Zuletzt war sie sogar der pflichtbewusste Yeoman von niemand Geringerem als dem profiliertesten jungen Raumschiffkommandanten der Sternenflotte, Captain James T. Kirk, gewesen. Hätte sie eine Bühnenkarriere angestrebt, wäre dies in ihren Augen wahrscheinlich die Rolle ihres Lebens gewesen. Als eingeschworener Offizier des Tal Shiar, dem verdeckten Geheimdienst des Romulanischen Sternenimperiums, hatte sie diese jedoch als erniedrigende Schinderei empfunden.

Wenigstens war meine Sklavenarbeit für Kirk nur von kurzer Dauer, rief sie sich ins Gedächtnis. Und ein uneingeschränkter Erfolg.

Das Klappern von gegeneinanderschlagendem Metall und das Zischen von Plasmabrennern erfüllte den engen Maschinenraum der ChR Velibor. Sadira stand mit dem Rücken zu einer graugrünen Wand und achtete sorgfältig darauf, die Mechaniker und Techniker nicht zu behindern, die unter den wachsamen Augen von Lieutenant Ranimir, dem Chefingenieur des Bird-of-Prey der Vas Hatham-Klasse, arbeiteten. Hinter ihm standen der kommandierende Offizier des Schiffs und der ranghöchste Centurion. Weder Commander Creelok noch Centurion Mirat bemühten sich, ihr Missfallen über das fremdartige Gerät, das mit dem Hauptenergiekern des Bird-of-Prey verbunden wurde, zu verbergen. Diese Aufgabe war ihnen und ihrer Mannschaft von Sadira aufgezwungen worden, die von ihren Vorgesetzten freie Hand erhalten hatte, ihre neueste Beute, den Transferschlüssel, auf die Probe zu stellen.

Creelok vermied es, Sadira in die Augen zu sehen, als er mit wachsender Ungeduld fragte: »Wie lange noch, Ranimir?«

Stirnrunzelnd sah der Ingenieur das fremdartige Gerät an, das sein Team in die Hauptkonsole des Maschinenraums eingebaut hatte. »Schwer zu sagen, Commander. Dieses Gerät ist vollkommen anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Bevor wir es eingebaut hatten, hätte ich nicht gedacht, dass es mit unserer Energieversorgung kompatibel wäre – aber es scheint sich in weniger als einem Tag an unser Netzwerk angepasst zu haben.«

Sein Bericht erschreckte den Centurion sichtlich. »Es hat sich angepasst? Wie?«

»Ich wünschte, ich wüsste es, Centurion.« Ranimir zeigte auf eine Reihe von Anzeigen der Hauptsysteme. »Sein Energieverbrauch hat sich verdoppelt, seit wir es aktiviert haben, und er steigt weiterhin an.«

Creeloks steil angestellte Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. »An welchem Punkt wird es zu einer Bedrohung für die Sicherheit von Schiff und Besatzung?«

»Das werde ich erst wissen, wenn ich es sehe.« Ranimir tippte auf einen roten Knopf auf der Konsole. »Ich habe einen Notschalter eingebaut, um die Energiezufuhr zu kappen. Als Vorsichtsmaßnahme.«

»Vernünftig«, sagte der Kommandant.

Sadira kam näher, um sich an der Diskussion zu beteiligen. »Wird es funktionieren, solange wir getarnt sind?«

»Da mir niemand sagen will, was es tut«, entgegnete Ranimir, »oder wie viel Energie es verbraucht, nachdem es aktiviert wurde, kann ich das unmöglich beantworten.«

»Ich bin an Ihren Ausreden nicht interessiert. Das Gerät muss funktionieren, während unsere Tarnung aktiv ist.«

Ranimir wechselte besorgte Blicke mit Creelok und Mirat. »Das kann ich nicht versprechen.«

»Ich habe kein Versprechen verlangt, nur, dass Sie meine Vorgaben einhalten.« Sadira war klar, dass niemand von der Besatzung der Velibor gern Befehle von ihr entgegennahm. Sie fragte sich, ob es die Dinge einfacher machen würde, wenn sie die Verhaltensweisen an den Tag legte, die sie sich für ihre Lisa-Bates-Persona angeeignet hatte – eine Identität, an der sie jahrelang in einer menschlichen Mustersiedlung auf Romulus gefeilt hatte.

Sadira verlieh ihrem Tonfall eine freundlichere Note und fügte hinzu: »Ranimir, ich weiß, ich verlange eine Menge von Ihnen und dem Schiff, aber meine Befehle kommen aus den höchsten Ebenen des Tal Shiar. Also fangen wir doch noch mal von vorne an: Wenn wir davon ausgehen, dass der Transferschlüssel seinen Energieverbrauch nach der Aktivierung erhöht, was können wir tun, um zu verhindern, dass er die Schiffsfunktionen beeinträchtigt?«

Ihre besänftigende Diplomatie schien Ranimirs Besorgnis etwas zu mildern, wenn auch nur geringfügig. »Ich habe die Energieversorgung des Schlüssels auf Reaktor eins beschränkt und die Tarnung wird von Reaktor zwei gespeist. Solange wir während der Benutzung des Schlüssels nicht versuchen, irgendwelche anderen Waffen abzufeuern oder die Schilde hochzufahren, müsste ich in der Lage sein, das hinzubekommen.«

Sie lächelte entwaffnend. »Ausgezeichnete Neuigkeiten, Ranimir.«

Der Kommandant und der Centurion hatten weiter ihre Zweifel. Beide Männer waren grau und weise, Veteranen, die seit einer Generation ihren Dienst im Weltall geleistet hatten. Man konnte sie nicht so einfach mit sanften Worten und leeren Höflichkeitsfloskeln umstimmen. Creelok sah Sadira aus zusammengekniffenen Augen an. »Es ist mir egal, wer den Befehl gegeben hat. Es gefällt mir nicht, dass diese fremdartige Technologie mit meinen Schiffskontrollen verbunden wird.«

Mirat nickte zustimmend. »Das sehe ich auch so. Derartige Tests sollten unter kontrollierten Bedingungen im romulanischen Raum durchgeführt werden. Nicht auf einem Schiff, das sich auf feindlichem Gebiet befindet.«

»Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen.« An Ranimir gewandt fügte Sadira hinzu: »Arbeiten Sie weiter. Ich will, dass der Schlüssel einsatzbereit ist, wenn wir den Ophiucus-Sektor erreichen.«

Überzeugt davon, sich klar genug ausgedrückt zu haben, ging Sadira davon. Erst nachdem sie den Maschinenraum verlassen hatte und den Korridor zu dem Lift entlangging, der sie in ihr Quartier bringen würde, hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich um und stand Creelok gegenüber.

Er senkte seine Stimme zu einem vertraulichen Flüstern, das ihre ätzende Schärfe nicht mildern konnte. »Sie sollten darüber nachdenken, bei Ihren Anfragen der Kommandokette zu folgen.«

»Wieso sollte ich das tun?«

»Weil ich schon Raumschiffe befehligt habe, bevor Sie überhaupt geboren wurden. Es ist mir egal, für wen Sie arbeiten – ich werde nicht dulden, dass ein arrogantes Mädchen mir vor meiner Mannschaft schnippische Befehle erteilt.«

Sie grinste ihn provozierend an. »Ich denke, das werden Sie.«

»Respekt muss man sich verdienen, Major Sadira. Sie wären gut beraten, das nicht zu vergessen.«

»Und die Tal Shiar können Sie jederzeit töten und Ihr Schiff unter mein Kommando stellen, wenn ich das für richtig erachte. Das sollten Sie lieber nicht vergessen.« Sie zog ihren Dolch und presste ihn mit einer blitzartigen Bewegung an Creeloks Kehle. »Und nur, damit wir uns nicht missverstehen, Commander – ich stelle keine Anfragen, ich gebe Befehle. Und ich erwarte, dass diese befolgt werden.« Sie steckte ihren Dolch wieder ein, als die Tür des Aufzugs sich neben ihr öffnete. »Sorgen Sie dafür, dass der Schlüssel aktiviert ist, bevor wir das Ziel erreichen. Und wenn Sie wieder zum Kommandodeck zurückkehren, erhöhen Sie die Geschwindigkeit auf Warp sieben.« Sie ging rückwärts in den Lift und während sich die Tür schloss, fügte sie hinzu: »Ich muss einen Zeitplan einhalten.«

Für die meisten Leute war Sareks strenge vulkanische Miene undurchdringlich, aber er konnte sich immer darauf verlassen, dass seine menschliche Gemahlin, Amanda Grayson, seine Fassade dank ihrer Intuition durchschaute. Sie betrat den diplomatischen Empfang und begab sich sofort an seine Seite, wie eine Erinnerung, die unaufgefordert kam, aber dennoch angenehm war.

Ihr Blick war scharf, ihre Stimme diskret. »Du siehst enttäuscht aus.«

»Ich würde sagen, unzufrieden.« Er zeigte auf die verschiedenen Buffettische, die in gegenüberliegenden Ecken des Hotelballsaals aufgebaut waren. »Ich hatte darum gebeten, die Buffettische mit unterschiedlichen Gerichten im Raum zu verteilen.« Mit verstohlenen Blicken lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf die Gruppe aus Föderationsdiplomaten, die sich auf der einen Seite des geschmückten goldenen Saals versammelt hatte, und dann auf das Aufgebot klingonischer Diplomaten, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des weitläufigen Raums drängten. »Stattdessen hat das Catering die klingonischen Delikatessen in eine Ecke gestellt und alle irdischen und vulkanischen Gerichte in eine andere. Das ist einem zwanglosen Miteinander von Fremden nicht förderlich.«

»Wem sagst du das. Das ist das politische Gegenstück zu einem Tanz an der Junior Highschool.« Sie hakte sich bei Sarek ein. »Ich schätze, dann liegt es wohl an uns, das Eis zu brechen.«

Wie immer hatte sie recht. Von Sarek als ranghöchstem Mitglied der Föderationsdiplomaten wurde erwartet, den Ton anzugeben und seinen Untergebenen mit gutem Beispiel voranzugehen. Er bezweifelte, dass seine Kollegen es seinen Bemühungen ohne ausdrücklichen Befehl gleichtun würden, doch für den Moment gab er seiner Frau recht: Der Anstand gebot es, dass er seinen Amtskollegen begrüßte.

»Also schön«, sagte er.

Er durchquerte den Raum mit Amanda an seinem Arm. Jeder ihrer Schritte ließ ihr silbernes Kleid im warmen Schein der Kronleuchter schimmern und glitzern. Im Gegensatz dazu war seine Kleidung, obwohl ebenso formell, relativ schlicht: ein maßgeschneiderter schwarzer Talar und ein grauer Umhang. Beide waren hochelegant und schmeichelten seinem schlanken Körperbau. Das einzige bemerkenswerte Accessoire war ein mit Juwelen verziertes goldenes Ornament, das er um den Hals trug. Es war ein uraltes Familienerbstück, das seit zehn Generationen vom Vater an den Sohn weitergereicht wurde. Obwohl in einem Zeitalter, in dem die Wissenschaft Gold und Edelsteine jederzeit reproduzieren konnte, sein objektiver Wert eher gering einzuschätzen war, lag für Sarek sein wahrer Wert in seiner historischen Bedeutung. Für ihn war es das Symbol der Kontinuität. Der Dauerhaftigkeit. Des Lebens.

Dennoch war er nicht überrascht, dass niemand im Raum dem Schmuck an seiner Brust auch nur die geringste Beachtung schenkte. Alle Augen waren auf Amanda und ihr bezauberndes Kleid gerichtet. Ohne seine geistige Disziplin, die er sein ganzes Leben lang kultiviert hatte, hätte Sarek sich einen Moment des Stolzes gestattet, als er bemerkte, dass sogar die Klingonen die Eleganz seiner Frau zur Kenntnis nahmen.

Die Gruppe fremder Würdenträger teilte sich, als er und Amanda sich näherten. Aus ihrer Mitte traten ihr Anführer, Ratsmitglied Gorkon, und sein leitender Attaché, Ratsmitglied Prang, hervor. Gorkon war der größere der beiden. Er hatte eine aristokratische Haltung und seine Gesten waren bedacht und ausladend. Er gehörte zu den Privilegierten, er war mit Macht geboren worden und übte diese mit beinahe kriminellem Gleichmut aus. Prang war da anders. Seine wilden Augen, breiten Schultern, mächtiger Brustkorb und muskulösen Gliedmaße verrieten, dass er ein gefeierter Krieger des klingonischen Militärs war – einer, der durch eine vorteilhafte Eheschließung in die Politik gestolpert war. Seine Hochzeit hatte ihn aus dem gemeinen Volk auf einen Sitz im vielgerühmten Hohen Rat des Reiches katapultiert.

Sarek bedachte Gorkon mit einem langen Nicken. »Willkommen, Ratsmitglied.«

»Ich danke Ihnen, Botschafter.«

Amanda ergriff das Wort: »Hat Ihre neue Gemahlin Sie begleitet?«

Noch bevor Gorkon antworten konnte, entgegnete Prang mit unverhohlener Verachtung: »Wir Klingonen bringen unsere Gefährten nicht zu offiziellen Anlässen mit. Das ist…«

Gorkon unterbrach Prang mit einem theatralischen Räuspern. Dann setzte er ein falsches, aber höfliches Lächeln auf und sagte zu Amanda: »Tatsächlich sind Illizar und ich noch nicht verheiratet. Die Hochzeit wurde kurzfristig verschoben.«

»Verzeihen Sie, Ratsmitglied«, erwiderte Amanda. »Das wusste ich nicht.«

Er wischte die Peinlichkeit mit einer kleinen Handbewegung beiseite. »Das hat nichts zu sagen. Die Hochzeit wurde für nächsten Monat auf Qo’noS anberaumt.« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Sarek und fragte: »Und was macht Ihre Gesundheit, Botschafter? Wie ich hörte, mussten Sie sich vor nicht allzu langer Zeit auf der Enterprise einer Operation unterziehen.«

»Ja, um kardiologische Beschwerden zu korrigieren. Ich habe mich vollkommen erholt.«

Sarek stellte fest, dass die Gründlichkeit der klingonischen Informationsbeschaffung ungebrochen war – auch nach dem Waffenstillstand, den die Organier ihnen und der Föderation aufgezwungen hatten. Dieser brüchige Frieden sollte durch die Verhandlungen eines gegenseitig bindenden Abkommens beider Seiten hier auf Centaurus gestärkt werden.

Sarek hielt es für das Beste, den Fokus von sich auf den Tisch mit den klingonischen kulinarischen Köstlichkeiten zu lenken. »Ich hoffe, unser Koch konnte diese Gerichte zu Ihrer Zufriedenheit zubereiten.«

»Ja«, sagte Gorkon. »Die Pipius-Klauen sind wirklich sehr saftig. Und ich muss Ihre Küche für das Wissen loben, dass man gagh nicht kühlen soll. Die Würmer sind bei Zimmertemperatur viel lebhafter.« Er warf einen Blick durch den Ballsaal und runzelte die Stirn. »Gestatten Sie mir eine vorsichtige Kritik? Ich hätte vorgeschlagen, die Essenstische verstreut aufzustellen.« Er zeigte ein breites Grinsen. »Um eine zwanglosere Interaktion zwischen unseren Fraktionen zu ermutigen.«

Ein weises, aber bescheidenes Nicken. »Ein vernünftiger Gedanke, Ratsmitglied. Ich werde ihn für zukünftige Veranstaltungen berücksichtigen.« Aus dem Augenwinkel bemerkte Sarek, wie Amanda ihr Bestes tat, ihre Belustigung über die Ironie von Gorkons Kritik nicht zu zeigen.

Das Geplauder wurmte Prang. »Wen kümmern Essen und Bagatellen? Wir sind hergekommen, weil die Föderation um Frieden ersucht. Sagen Sie mir, Botschafter: Was sind Sie bereit aufzugeben, damit das Reich Ihre Leute am Leben lässt?«

Es war lehrreich für Sarek, dass Gorkon jede Spur einer Reaktion auf Prangs rhetorische Herausforderung unterdrückte. Wie ein wahrer Staatsmann schien Gorkon sich damit zufriedenzugeben, Sareks Reaktion auf das polternde Verhalten des jüngeren Klingonen zu beobachten. Sarek gewann Zeit, indem er seine Hände vor dem Bauch faltete, während er seine nächsten Worte abwog. »Die von Ihnen gestellten Fragen sind äußerst direkt, Ratsmitglied Prang. Wenn die Antworten darauf doch auch nur so einfach wären. Dennoch, ich glaube, Sie wissen so gut wie jeder andere, wie kompliziert und heikel die vor uns liegenden Verhandlungen sind.«

Prang lächelte höhnisch. »Sie reden viel, aber sagen wenig.«

Ein bescheidenes Schulterzucken. »Ich strebe nach Präzision.«

»Eine bewundernswerte Eigenschaft«, sagte Gorkon und setzte Prangs verbaler Schikane damit ein Ende. »Und in Zeiten, in denen so viel auf dem Spiel steht, auch notwendig.«

»In der Tat.« Wie es bei diplomatischen Angelegenheiten Usus war, hatten Sarek und Gorkon sich in der Kunst der Untertreibung geübt. Beide Männer wussten – und waren zu weise, um es laut zu äußern –, dass keine Seite profitieren würde, wenn diese Verhandlungen scheiterten. Es war noch keine neun Monate her, seit die Sternenflotte und das klingonische Militär den Fehler gemacht hatten, auf dem Planeten Organia gegeneinander zu kämpfen. Die Einheimischen – Wesen, die sich vor langer Zeit zu Lebensformen aus reiner Energie entwickelt und dabei fast gottartige Fähigkeiten gewonnen hatten – reagierten darauf mit der Drohung, die militärischen Fähigkeiten beider interstellarer Staaten zu neutralisieren, es sei denn, sie einigten sich darauf, die Feindseligkeiten umgehend einzustellen und einen Friedensvertrag zu schließen. An diesem Punkt waren beide Mächte dazu gezwungen gewesen, den alten Groll im Namen der Selbsterhaltung beizulegen.

Leise erteilte Gorkon Prang und den restlichen Klingonen knappe Befehle. Diese verteilten sich prompt im ganzen Raum. Sie versuchten, so zu tun, als würde es ihnen Freude bereiten, sich unter ihre Gastgeber von der Föderation zu mischen. Klassische Musik von der Erde ertönte aus unsichtbaren Lautsprechern irgendwo an der Decke. Gorkon lauschte und lächelte dann. »Debussy. Wunderbar! Botschafter, habe ich Ihre Erlaubnis, Ihre Frau um einen Tanz zu bitten?«

»Meine Erlaubnis ist irrelevant. Meine Frau trifft ihre eigenen Entscheidungen und ich respektiere diese.«

»Ein weiser Grundsatz.« Gorkon gab sich förmlich und verbeugte sich elegant vor Amanda. »Madam, darf ich um die Ehre dieses Tanzes bitten?«

»Sie dürfen.« Amanda ergriff Gorkons Hand. Sie warf Sarek einen amüsierten Blick zu, als der schlaksige Klingone sie auf das Tanzparkett begleitete und sie zu einem klassischen Walzer führte.

Die versammelten Würdenträger beobachteten den Moment, als Gorkon und Amanda elegant durch den Ballsaal wirbelten, mit unterschiedlichen Ausprägungen von Überraschung. Einige VIPs der Föderation fanden die Szene bizarr, aber die finsteren Blicke und hochgezogenen Augenbrauen der Klingonen ließen darauf schließen, dass sie dies eher für eine Perversion hielten.

In jedem Fall hoffte Sarek, dass dies ein gutes Zeichen für den Rest der Konferenz war. Denn so seltsam der Gedanke an eine Freundschaft zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich anmuten mochte, er wusste mit Sicherheit, dass dies die einzige Hoffnung für beide Mächte war, zu überleben.

Die Nacht war zu lang gewesen und Gorkon hatte zu viel getrunken, um eine von Prangs typischen Tiraden zu ertragen. Doch das hitzköpfige, unreife Ratsmitglied war noch nie ein Freund davon gewesen, seine Gedanken für sich zu behalten. Als sie und ihre Delegation zurück in ihre unfassbar luxuriösen Räumlichkeiten in einem zweckentfremdeten Wohnheim auf dem Campus der New Athens Universität zurücktrotteten, lallte Prang: »Mussten Sie sich so zum Narren machen, Gorkon?«

Gorkon war lange nicht so betrunken wie sein Gegenüber. Er drehte sich um und baute sich vor Prang auf. »Wäre Ihre Verleumdung nicht mit dem Geruch von Blutwein parfümiert, würde ich Ihnen die Kehle aufschlitzen.«

Ein mürrisches Starren, dann folgte ein anmaßendes Grinsen. »Gefiel es Ihnen, mit Sareks Frau zu tanzen?« Er schnaubte und torkelte seitwärts. »Duftet sie nach Blumen?«

»Sie ist eine fantastische Tanzpartnerin. Was Ihre zweite, weniger geschmackvolle Frage angeht … Belassen wir es dabei, dass dies ein wunderbares Beispiel dafür ist, warum Sie für diese Art Posten ungeeignet sind.«

»Wenn irgendjemand hier nicht hingehört …« Prang stach mit seinem Zeigefinger nach Gorkons Brust. »Dann sind Sie das. Sie reden wie die. Sie tanzen zu ihrer Musik. Was kommt als Nächstes, Gorkon? Essen Sie ihre gekochte Nahrung? Trinken Sie dieses Gebräu, das sie Kaffee nennen? Servieren Sie ihnen das Reich auf dem Silbertablett?«

Ihre Meinungsverschiedenheit war zu einem Spektakel geworden. Der Rest der Delegation umringte sie und es war offensichtlich, dass mehr als die Hälfte mit Prang und seinem liederlichen Zorn sympathisierte. Gorkon wusste, wenn sie sich gegen ihn wandten, geriet die ganze Mission in Gefahr.

Gorkon rammte Prang die Faust in den Magen. Der jüngere Mann kippte nach vornüber. Gorkon riss das Knie hoch und traf sein Gesicht, dann krachte einer seiner in Rüstung steckenden Ellbogen auf Prangs Rücken nieder. Als das jüngere Ratsmitglied flach mit dem Gesicht voran zu Boden fiel, verpasste Gorkon ihm einen Haken in die Niere und kniete sich auf den Rücken des gestürzten Mannes.

»Jetzt hören Sie mir zu, Sie dummer Welpe. Wir sind hier nicht bei einem Messerkampf in einer schäbigen Gasse. Hier gibt es keine Punkte für Draufgängertum.« Er packte eine Handvoll von Prangs Haaren und riss den Kopf des Mannes scharf nach hinten. »Sie spotten über die Warnung der Organier, aber ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie es geschah. Eine gesamte Flotte bewegungsunfähig in den Tiefen des Weltraums. Sie könnten uns alle vernichten, Sie Dummkopf.«

Gorkon stand auf und zeigte auf einen Mann, der in der Nähe der Flügeltür der Suite stand, die zum Korridor führte. »Schließen Sie die Tür.« Sobald der Eingang verschlossen und die Privatsphäre wiederhergestellt war, fuhr er fort. Er sprach lauter und wandte sich an die anderen zehn Mitglieder des diplomatischen Teams: »Wir sind nicht hergekommen, um einen Streit anzuzetteln. Wir sind hier, um Bedingungen für einen Frieden auszuhandeln, die wir und unser Volk akzeptieren können.«

Er drehte sich langsam um die eigene Achse und suchte nach bekannten Gesichtern. Dann zeigte er nacheinander anklagend mit dem Finger auf sie. »Durok. Sie arbeiten für den Geheimdienst des Reichs. Man hat Ihnen gesagt, Sie sollen die Suiten und Büros der Föderationsdelegierten verwanzen. Orqom. Sie sind kein einfacher Übersetzer. Sie wurden vom Oberkommando hergeschickt, um Überwachungssoftware in das Kommunikationsrelais hier in New Athens einzuschleusen. Marbas. Der Orden des Bat’leth will, dass Sie einen Besuch auf einem Schiff der Sternenflotte arrangieren, damit Sie die Kommandocodes stehlen können. Ich befehle Ihnen allen, Ihre Zweitmissionen sofort fallen zu lassen. Andernfalls erleiden Sie einen schmerzhaften Tod durch meine Hand.«

Er unterstrich seine Rede mit einem schnellen Tritt auf Prangs Rücken. »Und Sie, Prang. Sie sind der schlimmste von allen. Sie haben sich selbst geschickt, weil Sie und Ihre Verbündeten im Hohen Rat diese Verhandlungen sabotieren wollen, noch bevor sie beginnen. Bitte übermitteln Sie Ratsmitglied Duras mein tiefstes Bedauern, dass sein lächerlicher Schachzug gescheitert ist.«

Prang spie einen Mundvoll magentafarbenes Blut auf den Boden und starrte dann wütend zu Gorkon auf. »Sie sind der Dummkopf, Gorkon. Glauben Sie, dass ich die Befehle des Kanzlers nicht kenne? Er will Zugeständnisse von der Föderation – mehr, als wir je durch einen Krieg bekommen hätten.«

»Wir alle wollen Dinge, die wir nicht haben können. Kanzler Sturka ist da keine Ausnahme.« Er entfernte sich von Prang und knurrte den anderen zu: »Die Show ist zu Ende. Geht ins Bett.«

Gorkon wusste, dass es die klügste Entscheidung war, sich aus dem rhetorischen Kampf zurückzuziehen. Prang hatte einen spürbaren Treffer erzielt, auch wenn er es nicht wusste. Es stimmte, dass der Kanzler Gorkon befohlen hatte, ungeheuerliche Forderungen im Austausch für das Friedensabkommen mit der Föderation zu stellen. Es war zu gefährlich für Gorkon, seinen Untergebenen gegenüber zuzugeben, dass der Kanzler erwartete, alles, was er wollte, und mehr zu bekommen – und dass Gorkon keine Ahnung hatte, wie er ihn mit der wesentlich geringeren Ausbeute, die diese Verhandlungen versprachen, zufriedenstellen sollte.

In einem politischen Pokerspiel, bei denen alles auf dem Spiel steht, hat man mich mit einem Verliererblatt an den Tisch geschickt, lamentierte Gorkon, als er sich in sein Privatquartier zurückzog. Schlimmer noch, man hat mir befohlen, den berüchtigten Botschafter Sarek von Vulkan zu bluffen. Der gealterte Klingone runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Wäre ich doch bloß noch Raumschiffkommandant. Damals war die Antwort immer einfach: Töte alle. Sollen die Politiker sich mit den Auswirkungen herumschlagen. Er kicherte leise über die Ironie dieser Zwickmühle. Was das hier, wie die alten Lieder so schön sagen, zu ausgleichender Gerechtigkeit macht.

DREI

Auch im geräuscharmen Betrieb summte die Brücke der Enterprise vor intensiver Energie und Konzentration. Lieutenant Uhuras Stimme durchschnitt die angespannten Hintergrundgeräusche und erregte Kirks Aufmerksamkeit. »Captain? Mr. Spock berichtet, dass die Galileo abflugbereit ist.«

Kirk antwortete über seine Schulter hinweg: »Sagen Sie ihm, er soll sich bereithalten, Lieutenant.«

Er drehte seinen Kommandosessel zur Wissenschaftsstation, wo Ensign Jana Haines sich über die abgeschirmte Sensoranzeigen beugte. Der schlanke Wissenschaftsoffizier mit den blonden Haaren war Anfang vierzig und ein ungewöhnlich später Bewerber an der Sternenflottenakademie gewesen. Sie sah hoch, als Kirk fragte: »Ensign, erfassen wir den klingonischen Kreuzer immer noch mit den Langstreckenscans?«

»Nein, Sir«, sagte sie. »Sein letzter bekannter Kurs führte ihn zurück in den klingonischen Raum.«

»Hoffen wir, dass unser Glück anhält.« Er wandte sich wieder dem Hauptbildschirm zu, auf dem ein statisches Sternenfeld zu sehen war. Einer dieser Lichtpunkte war das Libros-System, in dem der Planet Usilde beheimatet war. Dort befand sich eine fremde Maschine, die das Tor zwischen Universen öffnen konnte, die sich niemals überschneiden sollten.

Grundsätzlich befand sich das Libros-Sonnensystem weder auf Föderations- noch auf klingonischem Territorium, weshalb der offizielle Status auch als »umstrittenes« Hoheitsgebiet definiert war. Zu Kirks Missfallen – und vor achtzehn Jahren zum Nachteil von Captain Una und ihren Schiffskameraden von der Enterprise – neigte die Föderation dazu, den Begriff »umstritten« als Verbotsschild zu interpretieren. Im Gegensatz dazu fasste das Klingonische Reich solche Unklarheiten fast immer als Einladung dazu auf, seine Flagge zu hissen.

Was sie hier auf jeden Fall getan haben, brütete er.

Kirk sah sich auf der Brücke um und fand die Zahl unbekannter Gesichter besorgniserregend. Lieutenant Stiles bemannte den Posten des Navigators – normalerweise Chekovs Station während dieser Schicht – neben Steuermann Lieutenant Beggs Hansen, der den Platz von Lieutenant Hikaru Sulu einnahm. Beide waren für ihre Rolle herausragend qualifiziert, aber in Krisenzeiten war Kirk inzwischen daran gewöhnt, sich auf der Brücke mit den besten Offizieren der Enterprise zu umgeben. Er verzichtete nur widerwillig auf den Rat seiner erfahrensten Offiziere außer einem, wusste aber, dass dies die beste Strategie für einen Erfolg war – nicht zuletzt, weil Spocks ihm versichert hatte, dass es so war.

Das sanfte pneumatische Zischen der sich öffnenden Turbolifttüren veranlasste Kirk, seinen Kopf weit genug herumzudrehen, um die Ankunft von Doktor Leonard McCoy zur Kenntnis zu nehmen. Dieser war Chefarzt der Enterprise und sein verlässlicher Freund und Ratgeber. Obwohl ihm der Ruf emotionaler Ausbrüche vorauseilte, senkte er dieses Mal seine Stimme zu einer vertraulichen Lautstärke, die dennoch seinen Zorn nicht verbergen konnte. »Jim? Hast du den Verstand verloren?«

»Das ist weder die Zeit noch der Ort, Doktor.«

»Da bin ich anderer Meinung. Du bist dabei, vier gute Leute ins Fadenkreuz der Klingonen zu schicken. Jetzt scheint mir der perfekte Zeitpunkt für die Frage zu sein: warum?«

Kirk warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. »Weil es getan werden muss. Und gerade du solltest wissen, dass auf dieser Brücke meine Befehle nicht zur Diskussion stehen.«

Seine Zurechtweisung veranlasste McCoy dazu, sein Gegenargument flüsternd vorzubringen. »Verdammt, Jim. Wie kannst du so ein Risiko am Vorabend der Vertragskonferenz eingehen?«

»Weil ich ein Versprechen gegeben habe, Pille. Und zwar Captain Una.«

»Aber wenn Spock und die anderen erwischt werden …« McCoy sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand seine nächsten Worte belauschte. »Das könnte einen Krieg auslösen. Oder man könnte sie als Spione anklagen …«

»Und sie zum Tode verurteilen«, beendete Kirk den finsteren Gedanken. »Das weiß ich. Und sie auch.«

»Das scheint mir ein schrecklich hoher Preis für ein Versprechen zu sein«, grollte der Doktor.

»Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen, Doktor.«

Nachdem er abgeblitzt war, hatte McCoy offenbar nichts mehr zu sagen und räumte das Feld. Er gesellte sich zu Uhura auf dem Oberdeck der Brücke und sah ihr über die Schulter. Kirk ließ zu, dass sein Freund sich aus dem Gespräch zurückzog, und brütete über die beunruhigende Wahrheit, die er mit niemand anders auf dem Schiff – außer Spock – teilen konnte. Es war nicht Kirks Entscheidung gewesen, den größten Teil seiner Führungsoffiziere in verdeckter Mission nach Usilde zu schicken. Nachdem er dem Sternenflottenkommando von der Existenz des Transferschlüssels und dessen Diebstahl durch einen romulanischen Schläferagenten berichtet hatte, hatte dieses ihm trotz seiner Einwände diese Mission auferlegt.

Das Ärgerlichste an allem war der Zusatz gewesen, der Kirk anwies, die volle Verantwortung für die Mission zu übernehmen. Sollte sie ins Auge gehen, würde man sie als Operation eines Abtrünnigen abtun, die Schnapsidee eines eigenwilligen Raumschiffcaptains, der ohne Befugnisse handelte. Die Logik hinter dem Befehl war Kirk von Anfang an klar gewesen. Auf diese Weise sollten die Vertragsverhandlungen vor möglichen Rückschlägen geschützt werden, wenn die Mission schiefging. Und da Kirk schlussendlich für das Verhalten des gesamten Personals unter seinem Kommando verantwortlich war, hielt man es für besser, ihn als Abtrünnigen hinzustellen und nicht als einen Kommandanten, der die Kontrolle über sein Schiff und die Mannschaft verloren hatte. Rein theoretisch stimmte Kirk der Denkweise seiner Vorgesetzten zu, doch er hegte Bedenken, dass dies einen falschen Eindruck seines Kommandostils hervorrufen und Nachahmer auf den Plan rufen könnte.

Ich kann mir nicht den Kopf über meinen Ruf zerbrechen, entschied er. Wenn es das ist, was die Sternenflotte von mir braucht, dann wird sie es von mir bekommen. Kirk hatte sich immer für einen loyalen Offizier gehalten, der sich an die Regeln hielt, der seine Mission, sein Schiff und seine Besatzung vor seine eigenen Interessen stellte. Und das würde auch so bleiben – ganz egal welchen falschen Eindruck die Geschichte von ihm in zukünftigen Zeiten haben mochte.

Aber das hieß nicht, dass er leichtsinnig sein musste.

Er wandte sich wieder an Uhura an der Kommunikationskonsole: »Lieutenant? Gibt es Funkverkehr nach oder von Usilde auf klingonischen Militärkanälen?«

Sie drückte ihre Hand sanft an den Empfänger, der in ihrem Ohr steckte, und lauschte aufmerksam einige Sekunden. Dann sah sie Kirk an und schüttelte den Kopf. »Überhaupt nichts, Sir.«

»Also schön. Sagen Sie Mr. Spock, dass die Galileo Abflugerlaubnis hat.«

Während Uhura seinen Befehl an den Shuttlehangar des Schiffs weiterleitete, sagte Kirk: »Mr. Stiles, Hecksicht auf den Schirm, bitte.«

»Aye, Sir.« Stiles tippte den Befehl in die vordere Konsole ein. Das Bild auf dem Hauptschirm veränderte sich und zeigte den Heckbereich des zylinderförmigen Sekundärrumpfes der Enterprise. Ein paar Sekunden später schoss ein kleiner silberner Blitz aus den offenen Hangartoren des Raumschiffs. Innerhalb weniger Momente schrumpfte der gleißende Bewegungsstreifen zu einem Lichtpunkt zusammen, der immer kleiner wurde und zwischen den Sternen verschwand.

Hinter Kirk bestätigte Uhura: »Die Galileo ist unterwegs.«

»Danke, Lieutenant. Überwachen Sie bis zu ihrer Rückkehr jederzeit ihren Notrufkanal.«

Kirk starrte auf die Sterne und war ganz allein mit seinen Gedanken, von denen er wusste, dass er sie niemals teilen konnte. Hatte er das Richtige getan? Hatte er gerade die Friedensverhandlungen und dadurch das Schicksal von Milliarden denkender Wesen in Gefahr gebracht? Und das Schlimmste, hatte er seine Freunde und Schiffskameraden in den sicheren Tod geschickt? Das würde nur die Zeit zeigen, aber vorläufig musste er all seine Befürchtungen für sich behalten.

So war das, wenn man Captain eines Raumschiffs war.

Auch der längste Marsch mochte mit dem Schritt beginnen, aber Captain Una hatte den Schritt, der sie auf ihren unbestimmten Weg geführt hatte, längst vergessen.

In der Eintönigkeit der Wüste war es leicht für die Gedanken abzuschweifen. Sogar mit einem fernen Orientierungspunkt, auf den man den Blick richten konnte, verschworen sich die endlosen Ebenen, der karge Horizont und der leere Himmel dazu, den Betrachter beim Laufen in Hypnose zu versetzen, in einen fortwährenden Traumzustand der Verleugnung.

Una blinzelte und bemerkte, dass sie sich auf einem felsigen Bergpfad mit hohen Felswänden befand. Sie hatte keine Erinnerung daran, wie oder wann sie die Salzebenen verlassen und einen engen Pfad voller scharfkantiger Steine und wabernder beiger Staubschleier betreten hatte. Plötzlich wurde sie sich ihrer neuen Umwelt bewusst und blieb stehen. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und drehte sich einmal langsam im Kreis. Windgepeitschte hellbraune Felsspitzen kratzten an dem schneeweißen Himmel über ihr. Zu beiden Seiten ihres einsamen Wegs ragten imposante, schroffe Klippen auf. Sie sah keine Anzeichen von Höhlen oder anderen Zufluchten, weder oben noch unten. Genau wie die Wüste war auch dieser Gebirgspass eine Einöde.

Ihre Ausbildung setzte sich durch. Una wusste, dass sie seit geraumer Zeit gelaufen war, aber sie hatte nur vage Erinnerungen an die Wechsel von Tag und Nacht oder an ihren Schatten, der sie wie der Schattenzeiger einer Sonnenuhr umkreist hatte. Hatte sie sich die Wanderung der Sonnen am Himmel eingebildet? Waren die Sterne über ihrem Kopf nichts als Wahnvorstellungen? Das schien unwahrscheinlich, aber sie konnte das Offensichtliche nicht leugnen: Wäre sie mehrere Tage hintereinander ohne pharmazeutische Hilfe wach gewesen, würde sie jetzt an schweren Symptomen von Schlafentzug leiden. Doch sie fühlte sich fast hellwach und fest verankert in der Gegenwart, so surreal diese auch sein mochte.

Andere unlösbare Rätsel nagten an ihr. Sie hatte sich gut auf ihre Reise jenseits der Dimensionsbarriere vorbereitet. Ihr Rucksack war vollgepackt mit Wasser, Proviant und einem Erste-Hilfe-Kasten. Aber hatte sie seit ihrer Ankunft etwas gegessen? Hatte sie auch nur einen Schluck aus der Feldflasche genommen? Diese baumelte schwer an der Seite ihres Rucksacks, was darauf schließen ließ, dass sie immer noch voll war. Aber wenn dem so war, wie war sie dann den Auswirkungen der Dehydrierung entgangen? Wenn sie ihre Verpflegung noch nicht angebrochen hatte, warum spürte sie dann nicht die Folgen von Unterzuckerung?

Die Einzelheiten ihrer misslichen Lage schienen nicht mit ihren Erfahrungen übereinzustimmen, als wäre sie nur Zuschauerin ihres eigenen Lebens. Vielleicht ist das eine Besonderheit dieses Paralleluniversums. Wenn sich seine physikalischen Gesetzmäßigkeiten von denen unterscheiden, die ich für selbstverständlich halte, könnten diese Eigentümlichkeiten der Beweis für einen Paradigmenwechsel sein.

Auf den ersten Blick schien dies eine vernünftige Erklärung zu sein, aber ein Teil ihres Verstandes weigerte sich, sie zu akzeptieren. Selbst wenn dieses Universum mit anderen physikalischen Gesetzen arbeitet, würde meine Physiologie nicht weiterhin denen gehorchen, unter denen sie entstanden ist? Ist es möglich, dass das Durchschreiten der Dimensionsbarriere mich verändert hat?

Das war eine zutiefst verwirrende Vorstellung. Wie konnte sie ihr Verhalten an physikalische Gesetze anpassen, die sie nicht einmal kannte? Ich kann nur auf die Phänomene eingehen, die ich wahrnehme, entschied Una.

Nachdem sie beschlossen hatte, sich den Umständen dann zu stellen, wenn sie konkret wurden, ging sie auf dem Bergpass weiter und auf einen Himmel zu, der sich scheinbar durch das schwindende Tageslicht verfärbte. Obwohl sie hoffte, dass die vielfältigen Texturen und Geländestrukturen des Passes ihre Gedanken beim Weitergehen beschäftigen würden, bemerkte sie bald, dass sie wieder durch denselben Traumschleier schwebte, der sie auf den Salzebenen schon eingehüllt hatte. Bald sah ein gezackter Stein wie die meisten anderen aus. Jede Hoffnung, in der schwer fassbaren Gegenwart zu bleiben, an die Una sich geklammert hatte, entglitt ihr und verlor sich in den Strudeln und Strömungen eines haltlosen Gedankensturms.

Ihr Geist driftete durch die Tümpel ihrer jüngsten Erinnerungen und tauchte dann in die Tiefen ihres Lebens vor der Sternenflotte ein – in eine Zeit bevor sie als außergewöhnlich gefeiert wurde, in ihre Entwicklungsjahre auf Illyria, in ihre Jugend, die von Unsicherheit und Kampf geprägt gewesen war, in ihre Kindheit, die aus Zurückweisung und Missbilligung bestanden hatte. Niemals gut genug – das war die Lektion ihrer Mutter, die sie verinnerlicht hatte, diese grausame Herrin, in deren rhetorischem Köcher es keinen Pfeil des Wohlwollens für Unas Bemühungen gegeben hatte.

Als Unas Volljährigkeit endlich in greifbare Nähe gerückt war, hatte sie gewusst, dass kein Lebensweg, den sie einschlagen konnte, die Zustimmung ihrer Mutter finden würde. Also hatte sie den Weg gewählt, der sie glücklich machte und der sie in die Lage versetzte, ihre eigenen Träume zu verfolgen. Sie wollte ihr Leben nicht mit bitteren Worten, sondern zu ihren eigenen Bedingungen als erwachsene Frau und freidenkendes Wesen gestalten.

Ironischerweise war das der einzige Tag in Unas Leben, an dem ihre Mutter sie nicht mit einem Stirnrunzeln, sondern mit einem Lächeln empfangen hatte, nicht mit Kritik, sondern mit einem hoffnungsvollen Segenswunsch: »Viel Glück, mein Liebes.«

Rückblickend konnte Una sich keine andere Möglichkeit vorstellen, wie ihre Mutter sie zu der Frau hätte erziehen können, die sie jetzt war.