Star Trek - The Original Series: In Gefahr - David Mack - E-Book

Star Trek - The Original Series: In Gefahr E-Book

David Mack

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Beschreibung

Ein brandneuer "Star Trek"-Roman, der das Erbe der Serie "Star Trek: Vanguard" fortsetzt! Manche Geheimnisse sollten besser für immer vergraben bleiben. Captain James T. Kirk und die Crew des Raumschiffs Enterprise machen sich auf die Suche nach einem vermissten Wissenschaftler der Föderation – nur um sich zwischen einem klingonischen Kriegsschiff und der geheimnisvollsten Operation der Sternenflotte – Vanguard – wieder zu finden. In längst vergangenen Äonen beherrschten außerirdische Hegemonen, die als Shedai bekannt waren, Tausende von Welten in der Milchstraße. Jahrtausendelang dachten ihre ehemaligen Sklaven, die Shedai seien tot und verschwunden. Doch das war ein Irrtum! Für einen Landetrupp der Sternenflotte und ein klingonisches Team wird der Wettlauf um die lang vergrabenen Geheimnisse der Shedai zu einem Kampf ums Überleben, den sie nur gewinnen können, wenn sie ihre Konflikte beiseite legen und zusammenarbeiten.

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Seitenzahl: 507

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Für meine Verleger,weil ihr darum gebeten habt.

INHALT

HISTORISCHE ANMERKUNG

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

DANKSAGUNGEN

HISTORISCHE ANMERKUNG

Die Geschehnisse dieser Geschichte ereignen sich im Juli 2267, etwa einen Monat nachdem Spock für sein Pon Farr nach Vulkan zurückkehrte (STAR TREK»Weltraumfieber/Pon Farr«) und kurz nach der Zerstörung des Planetenkillers durch die Besatzung der Enterprise (STAR TREK»Planeten-Killer«).

Der erste unerwartete Abstecher der Enterprise zur Sternenbasis 47 liegt ein Jahr und acht Monate zurück (STAR TREK – VANGUARD»Der Vorbote«).

Furcht ist eine Reaktion.Mut ist eine Entscheidung.

EINS

Gleißend weiße Lichtblitze, gefolgt von violetten Flecken in seinem Sichtfeld – mehr sah Doktor Mozhan Rashid nicht vom Dschungel, während sie vor den Schatten davonrannte. Tagsüber waren die äquatorialen Wälder von Kolasi III ein üppiges grünes Tableau unter einer bleiernen Wolkenkuppel, nachts allerdings herrschte nichts als stockfinstere Dunkelheit, durch die sich gelegentliche Blitze am Himmel fraßen. Die warmen, endlosen Regenfälle hatten aus dem Boden des Dschungels längst ein Meer aus Schlamm und Moos gemacht, während jeder Quadratkilometer von Leben wimmelte und nach Tod stank.

Bewegte sie sich nach wie vor Richtung Süden? Sie wusste es nicht. In der Finsternis verlor man jegliches Orientierungsgefühl. Der Pfad lag ganz in ihrer Nähe, davon war sie überzeugt. Sie musste nur weiter, einfach weiterrennen …

Sie stolperte über eine Wurzel, prallte mit dem Gesicht voran dermaßen heftig gegen einen Baumstamm, dass rot glühender Schmerz durch ihren Schädel zuckte. Als sie sich von dem Baum wegdrückte und weiterlief, pochte ihre Wange dumpf, kribbelte heiß. Sie ignorierte es – zu entkommen war alles, was jetzt noch zählte. Bevor die Schlangen aus Rauch und Schatten sie erneut aufspürten.

Dornige Ranken verfingen sich an ihrer durchnässten Jacke und Hose. Beide rissen laut an mehreren Stellen, als sich Rashid mit einer energischen Drehung losriss.

Der Boden fiel überraschend ab. Im Dunkeln rutschte sie eine schlammige Böschung hinunter und prallte dabei gegen große Steine und Bäume. Die ungewollte Rutschpartie dauerte nahezu eine Minute. Am Fuß des Abhangs stürzte sie kopfüber in einen seichten, schlammigen Bach. Sie war nur wenige Sekunden unter Wasser, dennoch war das mehr als genug Zeit, damit sich ein halbes Dutzend Blutegel unterschiedlicher Größe an ihr festsaugen konnten. Sie stemmte sich hoch und taumelte ein paar Schritte vorwärts, bevor sie vor Ekel schreiend die kleinsten von ihren Unterarmen und ihrem Hals wischte; die großen an ihren Beinen musste sie hinter dem Kopf packen, um sie zu zwingen, das Maul zu öffnen und loszulassen. Sie schleuderte sie in die Nacht, wobei sie sich von jedem einzelnen mit einem angestrengten Knurren verabschiedete.

Es gab keine angemessenen Worte, um auszudrücken, wie sehr Rashid diesen Dschungel hasste.

Donner ließ den Boden beben, im Himmel loderte elektrische Wut. Der Wald um den Doktor herum wirkte bösartig. Das Heulen wilder Begierden hallte darin wider, und wenn Blitze die Wolken erhellten, ließen sie im Dunkel tausend wachsame Augen schimmern.

Sie zwang sich weiterzugehen. Das Gewitter gewährte ihr nur kurze Blicke auf ihre Umgebung, in den grellsten Farben und tiefsten Schatten. Doch es reichte aus, um die zerklüftete Schneise zu finden, die das Schiff ihres Mentors, die S.S. Heyerdahl, geschlagen hatte. Das ardanische Forschungsschiff war jahrzehntealt, aber gut gepflegt gewesen – bis Verdo in dem brutalen Ionensturm, der über dem Äquator und den tropischen Breiten von Kolasi III tobte, die Kontrolle über das Schiff verloren hatte. Die Bruchlandung war ein spektakuläres Schauspiel aus Inkompetenz und Glück gewesen: Keiner der drei Passagiere hatte Verletzungen davongetragen, das Schiff würde jedoch wahrscheinlich nie wieder fliegen.

Wäre ich doch nur gestorben. Dann wären mir diese Schrecken erspart geblieben …

Und natürlich der Regen. Dieser verdammte, endlose Regen. Der ewige, allgegenwärtige, unerbittliche Regen. Er wechselte oft die Richtung, wurde stärker und schwächer, seine Temperatur stieg und fiel … aber er hörte nie auf. Rashids erster Tag in diesem Wald hatte ausgereicht, in ihr die Angst zu wecken, sie könnte vergessen, wie es sich anfühlte, trocken zu sein. Nach inzwischen gut drei Wochen in dieser widerwärtigen Achselhöhle eines Dschungels wagte sie nicht einmal mehr, davon zu träumen.

Jetzt war nicht die Zeit für Träume.

Eine weitere, die Netzhaut versengende Parade aus Blitzen durchzog den Himmel über ihr, und aus dem Augenwinkel glaubte Rashid, rauchige Windungen zu sehen, die sich zwischen den Bäumen und durch das üppige Grün des Waldbodens schlängelten. Sie wirbelte zu den wabernden Schatten herum, doch die waren verschwunden – wenn sie denn jemals da gewesen waren.

Die Blitze verblassten und die Welt um Rashid herum versank erneut in Dunkelheit.

Sie war versucht, die kleine Handlampe zu benutzen, die sie nach dem Absturz vor ein paar Wochen aus der Notfallausrüstung der Heyerdahl geborgen hatte, allerdings befürchtete sie, dass sie sich dadurch nur noch mehr zu einer Zielscheibe für das machen würde, was in den undurchdringlichen Schatten lauerte.

Ich muss einfach weiter. Bin fast am Ziel.

Die nächste Blitzsalve sorgte dafür, dass sich ein paar Dutzend Meter vor ihr, am Ende der Schneise, die der Absturz in den Dschungel geschnitten hatte, der Umriss des zerstörten Rumpfes der Heyerdahl aus der Finsternis schälte.

Na endlich!

Rashid beschleunigte ihre Schritte, sprintete die letzten paar Meter zu dem kleinen Raumschiff. Die Luke auf der Backbordseite stand nach wie vor offen, auf dem Deck im Inneren hatten sich mehrere Zentimeter Regenwasser angesammelt. Mittlerweile war die Außenhülle des Schiffs mit Ranken von Schlingpflanzen und mit verschiedenen Moosarten bedeckt. Man konnte den Dschungel von Kolasi ohne Weiteres als hartnäckig bezeichnen.

Als Rashid das Schiff betrat, schaltete sich die bernsteinfarbene Notfallbeleuchtung oben und unten an den Schottwänden ein. Sie gestattete sich einen Moment lang den Genuss, keinen Regen zu spüren. Dabei war ihr egal, dass sie von Kopf bis Fuß klatschnass war. Es war eine Wohltat, wenn auch nur vorübergehend, von dem prasselnden Niederschlag auf ihren Schultern, ihrem Rücken und ihrem Kopf erlöst zu sein.

Dann fiel ihr wieder ein, warum sie hier war und wie wenig Zeit sie hatte.

Der größte Teil des nutzbaren Innenraums der Heyerdahl erstreckte sich über ein einziges Deck. Am Bug befand sich das Cockpit. Kojen für die Besatzung, eine Essensausgabe und zwei Erfrischungskabinen säumten den Hauptgang im vorderen Bereich. Hinter den Einrichtungen für die Besatzung befanden sich das Forschungslabor und die Krankenstation. Die meisten technischen Funktionen des Schiffes hatte man automatisiert und auf ein einzelnes Abteil hinter dem Labor reduziert, während die anorganische Fracht in Laderaumkammern unter dem Hauptdeck untergebracht war.

Rashid ging direkt zum Cockpit, wo sich das Kommunikationssystem des Schiffes befand. Die Sichtluke aus transparentem Aluminium wies einen dramatischen Riss auf, der von der oberen Backbordseite bis zur unteren Steuerbordseite verlief. An dieser Stelle sickerte Regenwasser hindurch, lief über die Hauptkonsole und sammelte sich als knöcheltiefe, lauwarme Pfütze auf dem Boden.

Gleichermaßen von Hoffnung und Verzweiflung getrieben, probierte Rashid die Kontrollen der Kommunikationsanlage aus. Das System reagierte nur träge. Es bezog Energie aus den Notreservebatterien, die mittlerweile bis auf zwanzig Prozent verbraucht waren. Würde das ausreichen, um ein Signal durch den Sturmgürtel des Planeten zu senden? Sie versuchte, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, gab jedoch auf.

Selbst wenn jemand meine Nachricht empfängt – würde wirklich irgendwer riskieren herzukommen, um uns zu helfen?

Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

Sie rief den automatischen Notruf des Schiffes auf und stellte ihn auf Wiederholung ein, bevor sie die Schiffsantenne auf eine Schmalbandübertragung in Richtung Föderation ausrichtete. Schließlich drehte sie die Sendeleistung auf Maximum und aktivierte die Anlage.

Eine Schlange aus Rauch und Schatten krachte durch die vordere Sichtluke. Schartige Splitter aus transparentem Aluminium explodierten vor dem Monster ins Innere des Cockpits. Eine Wolke aus glasähnlichen Bruchstücken, die Rashid wie ein Orkan traf und sie fast das Leben kostete.

Sie landete hart auf dem Rücken. Ihre nasse Kleidung war zerfetzt, das Gleiche galt für sie selbst. Unzählige Splitter aus transparentem Aluminium ragten aus jedem Teil ihres übel zugerichteten Körpers, und dem Schmerz nach zu urteilen hätte sie schwören können, dass doppelt so viele in ihrem Inneren steckten. Sie fühlte sich benommen, während ihr Blut das Regenwasser um sie herum erwärmte.

Der Tentakel aus schwarzem Dampf schwebte über ihr, als würde er sie studieren oder sich vielleicht an der Qual ihrer letzten Atemzüge erfreuen, während sich Rashids Lunge mit Blut füllte, sodass sie allmählich daran erstickte.

Aus der Konsole über ihr erklang eine automatische Stimme, die eine einfache Nachricht wiederholte: »Mayday, Mayday. Hier ist das ardanische Wissenschaftsschiff Heyerdahl. Mayday, Mayday. Hier ist das …«

Die Rauchschlange erhob sich wie eine zum Angriff bereite Kobra, um dann nach vorne zu stürzen, wobei sie ihre gesamte Masse durch die Kommunikationskonsole trieb. Mit einem einzigen Schlag verwandelte sie die Anlage in ein Funken sprühendes Chaos aus zerstörten Platinen und losen optronischen Kabeln. Anschließend bäumte sich die Kreatur auf, brach durch die Cockpitdecke und riss sie mit solcher Wucht auf, dass die Duraniumplatten in alle Richtungen ragten wie die Blütenblätter einer sich öffnenden Blume.

Offenbar hatte das Monster sein Ziel erreicht, denn es zog sich mit einem atonalen, krächzenden Brüllen, das noch lange im Dschungel widerhallte, in die Nacht zurück.

Rashid aber lag, von schlammigem Wasser und ihrem eigenen Blut umgeben, auf dem Deck des Cockpits, und das Letzte, was sie spürte, während sie in ihre ganz eigene, niemals endende Nacht stürzte, war das Prasseln des Regens auf ihrem Gesicht.

ZWEI

Logbuch des Captains, Sternzeit 3795,4

Die Enterprise hat im interstellaren Raum gestoppt und wartet auf ein dringend benötigtes Rendezvous mit dem Sternenflotten-Tankschiff Jamnagar, das den Antideuterium-Vorrat unseres Schiffes auffüllen und eine Ladung frischer Dilithiumkristalle für unseren Warpreaktor liefern soll.

»Computer, Aufzeichnung beenden. Logbucheintrag abspeichern.«

Captain James T. Kirk lehnte sich an dem kleinen Schreibtisch in seinem Quartier zurück. Ihm ging an diesem Morgen weitaus mehr durch den Kopf als der Routinebetrieb der Enterprise, allerdings passten seine anderen Sorgen besser in ein persönliches Logbuch als in die offiziellen Aufzeichnungen des Schiffes.

Womit sollte er also anfangen? Einem persönlichen Logbucheintrag? Er streckte die Hand nach dem Knopf des Logbuchschreibers aus, nur um es sich anders zu überlegen, noch bevor er das Gerät einschaltete. Ein Dutzend Gedanken wirbelten durch seinen aufgewühlten Verstand, ohne sich so recht fassen lassen zu wollen, während er versuchte, sich zu konzentrieren. Was war das? Verwirrung? Schuldgefühle? Reue?

Vielleicht brauche ich nur eine Tasse Kaffee.

Ein Blick auf das Schiffs-Chrono bestätigte, dass es kurz nach 0700 war. Genug Zeit, um in der Offiziersmesse einen Happen zu essen, bevor er auf die Brücke ging.

Kirk verließ sein Quartier und fand auf Deck fünf alles wie gewohnt vor. Zwei von Chefingenieur Scotts Technikern in roten Overalls waren in einer Jefferies-Röhre damit beschäftigt, Diagnosen durchzuführen und Reparaturen an einem duotronischen Kabelrelais vorzunehmen. Auf dem Weg zum Turbolift bemerkte Kirk, wie sich der Deckoffizier der Nachtschicht, Lieutenant Willa Roscoe, vergewisserte, dass die Türen zu den Sperrbereichen des Schiffes vorschriftsmäßig verriegelt waren.

Wenn Kirk eines überraschte, dann der Umstand, dass Scott nicht noch mehr seiner Leute in Doppelschichten arbeiten ließ, um die notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Vor nicht einmal einer Woche hatten die Enterprise und ihre Besatzung eine aufreibende Begegnung mit einer fremdartigen »Vergeltungswaffe« aus einer anderen Galaxie überlebt – einer planetenvernichtenden Maschine, die direkten Kurs auf einige der am dichtesten bevölkerten Sternensysteme der Vereinigten Föderation der Planeten genommen hatte.

Obwohl die Mission, den Planetenkiller zu stoppen, erfolgreich gewesen war, hatte dieser Sieg einen schrecklichen Preis verlangt. Die Monstrosität hatte das Leben von Kirks Freund Commodore Matt Decker gefordert, ebenso wie Deckers Schiff, die U.S.S. Constellation, ein Raumschiff der Constitution-Klasse wie die Enterprise. Verglichen mit diesen Verlusten, zu denen mehr als vierhundert Mitglieder von Deckers Besatzung gehörten, mochten die weitreichenden Schäden und einige Dutzend Opfer, die die Enterprise unter Deckers vorübergehendem und unvernünftigem Kommando erlitten hatte, geringfügig erscheinen. Doch wenn es um sein Schiff und seine Besatzung ging, spürte Kirk jede Wunde und betrauerte jeden Verlust.

Muss ich deswegen ständig daran denken? Trauere ich um Decker oder bin ich wütend auf ihn, weil er dafür verantwortlich ist, dass so viele meiner Leute getötet und mein Schiff beschädigt wurden?

Fragen ohne klare Antworten. Ungeachtet wie oft Kirk darüber nachdachte, er konnte es weder hinter sich lassen, noch fand er Trost.

Er hing noch immer seiner Melancholie nach, als er die Offiziersmesse betrat und sich auf den Weg zu den Nahrungsverteilern machte. An einem freien Gerät schob er seine Essenskarte ein, die wie bei jedem Mitglied der Sternenflotte darauf programmiert war, ihm Mahlzeiten zusammenzustellen, die ihm schmeckten, und entsprechende Portionen zu servieren, die laut seinem aufgezeichneten körperlichen Aktivitätsprofil seinen Nährstoffbedarf deckten. Diesen Morgen hatte er die Wahl zwischen drei Frühstücksvarianten. Er entschied sich für Mahlzeit Nummer eins: drei Rühreier, Weizentoast mit Butter und Marmelade, ein Obstsalat und eine Tasse heißen schwarzen Kaffee.

Hinter der geschlossenen Klappe der Essensausgabe surrte es fast schon musikalisch. Als die Abdeckung nach oben glitt und Kirks Frühstück auf einem Tablett zum Vorschein kam, genoss er das vereinte Aroma aus Eiern, Toast und Kaffee. Für ihn würde das stets nach einem guten Morgen riechen, der nur darauf wartete, angegangen zu werden.

Er brachte sein Frühstück zu einem freien Platz an einem Tisch in der Nähe. Wie üblich achteten die meisten der jüngeren Offiziere sehr darauf, dem Captain seinen Freiraum zu geben. Das monatelange oder sogar jahrelange Zusammenleben auf engstem Raum auf einem Raumschiff lehrte die Menschen, die Grenzen anderer zu respektieren. Unter diesen Umständen war es kein Zeichen von Abneigung, wenn man sich nicht dazusetzte, sondern eine Geste des Respekts vor seiner Privatsphäre.

So appetitanregend sein Frühstück eben noch ausgesehen hatte, sobald Kirk saß, stocherte er in den Eiern herum und hatte den Eindruck, dass sie sich gummiartig anfühlten. Der Obstsalat schmeckte nicht und der Toast war schneller als erwartet kalt geworden. Alles in allem eine Enttäuschung.

Wenigstens ist der Kaffee noch trinkbar. Dem Himmel sei Dank.

Er nippte an seinem Getränk, dachte noch einmal an Commodore Decker … Matt. Kirk wäre beinahe gezwungen gewesen, sich zu opfern, um die schwer beschädigten Überreste der Constellation in den Planetenkiller zu steuern und dort ihre Selbstzerstörung auszulösen, um die fremde Maschine von innen heraus lahmzulegen. Dank seiner Außenhülle aus Neutronium hatte sich ein Kamikazeangriff als die einzig praktikable Taktik entpuppt, um den Planetenkiller aufzuhalten, bevor er die Rigel-Kolonien erreichte. Aber die Constellation war Deckers Schiff gewesen, und wenn es jemandem zugestanden hätte, sie einem würdigen Ende zuzuführen, dann ihm. Allerdings war Decker nicht mehr zurechnungsfähig gewesen; er hatte sich von seinen Schuldgefühlen überwältigen lassen und sein Leben weggeworfen, indem er mit einem schutzlosen Shuttle in den Planetenkiller hineingeflogen war.

Somit war Kirk die Aufgabe zugefallen, die Constellation auf ihrem letzten Flug zu steuern und die Selbstzerstörungssequenz auszulösen, die sie zu einer Waffe gegen das Unvorstellbare machte.

All das, um die sinnlose Zerstörungswut eines technologischen Albtraums zu beenden. Kirk konnte immer noch nicht fassen, dass eine vernunftbegabte, fortschrittliche Zivilisation so etwas hatte bauen können. Wer würde ein derart erbarmungsloses Grauen erschaffen? Schlimmer noch, wer würde so etwas entfesseln, ohne dass es eine Möglichkeit gäbe, es zu stoppen? Der einzige Trost, den er angesichts dieser Angelegenheit fand, war Spocks Schlussfolgerung, dass der Planetenkiller von irgendwo außerhalb der Milchstraße stammte. Vielleicht aus einer der Galaxien der Magellanschen Wolke oder aus der elliptischen Zwerggalaxie Sagittarius oder womöglich sogar irgendwo aus der großen Leere des intergalaktischen Raums.

Wenigstens hat keiner unserer Nachbarn in dieser Galaxis so was gebaut. Er nippte an seinem Kaffee, während sein innerer Pessimist hinzufügte: Zumindest noch nicht.

Während sich Commander Spock fertig anzog, wurde eine aufgezeichnete Subraumnachricht auf das Terminal in seinem Quartier heruntergeladen. Er sollte in einer Stunde für die erste Tagesschicht auf der Brücke sein, allerdings war er sicher, dass ihm noch genug Zeit blieb, sich ein Frühstück aus Obst und Tee zu genehmigen.

Ein leises Signal der Schreibtischkonsole informierte ihn darüber, dass die Nachricht abspielbereit war. Er zog sich das blaue Oberteil seiner Uniform über und strich es glatt, bevor er auf die Wiedergabetaste drückte.

Auf dem kleinen Bildschirm der Konsole erschien das Gesicht seiner Mutter, Amanda Grayson. Sie wirkte gesund, gut gelaunt und trug die traditionelle vulkanische Kleidung, wie es sich für die Frau eines der bedeutendsten Diplomaten seiner Heimatwelt gehörte.

»Hallo, Spock.« Amanda begann zu lächeln, zügelte diese menschliche Mimik jedoch rasch. »Entschuldige, dass ich mich jetzt erst bei dir melde, aber der Terminplan deines Vaters hält uns ziemlich auf Trab.«

Spock bemerkte das schlichte terrakottafarbene Schott hinter ihr, ein häufiges Merkmal an Bord der meisten modernen vulkanischen Zivilschiffe, darum vermutete er, dass sie und sein Vater Sarek im Zusammenhang mit dessen Aufgaben als Föderationsbotschafter unterwegs waren.

»Wie üblich ist es mir untersagt, dir mitzuteilen, wo wir waren, wo wir sind oder wohin wir reisen. Aber ich bin mir sicher, dass du das selbst herausfinden kannst, wenn du es wirklich willst.«

Damit lag sie natürlich richtig. Als Erster Offizier eines Schiffes der Sternenflotte verfügte Spock über eine entsprechend hohe Sicherheitsfreigabe, um solche Informationen bei Bedarf zu erhalten. Warum er ein solches Privileg allerdings missbrauchen sollte, um eine Neugier zu befriedigen, die er in Bezug auf den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht einmal verspürte, lag jenseits seines Vorstellungsvermögens.

»Falls du es noch nicht weißt, dein Halbbruder Sybok ist noch am Leben. Zumindest war er das vor ein paar Wochen, als man ihn und ein Dutzend seiner Gefolgsleute von Toroth Prime vertrieben hat. Gerüchten zufolge hat er den Namen eures Vaters genutzt, um einer Anklage der Massengehirnwäsche zu entgehen.«

Spock wusste die Ironie durchaus zu schätzen, dass Sybok den politischen Status ihres Vaters zu seinem Vorteil nutzte, obwohl er wahrscheinlich die einzige Person in der Galaxis war, die von Sarek noch mehr verachtet wurde als Spock.

Amandas Ton wurde schärfer. »Und bilde dir bloß nicht ein, ich hätte nur an deinem Bruder was auszusetzen. Mit dir habe ich auch ein Hühnchen zu rupfen. Ich weiß, dass dein Vater und ich manchmal schwer zu erreichen sind, besonders, wenn er in offiziellen Angelegenheiten der Föderation unterwegs ist. Das entschuldigt trotzdem nicht, dass du uns nicht zu deiner Hochzeit nach Vulkan eingeladen hast, junger Mann.«

Ein Mann, der seine unwillkürlichen emotionalen Reaktionen weniger gut unter Kontrolle hatte als er, wäre durch die Zurechtweisung seiner Mutter vielleicht vor Wut oder Verlegenheit errötet. Spock hingegen antwortete nicht. Es wäre höchst unlogisch, einer Aufzeichnung zu widersprechen. Er hob lediglich eine Augenbraue ein wenig und wartete darauf, dass Amandas Nachricht fortgesetzt wurde.

»So wie ich es verstehe, bist du letzten Monat nach Vulkan zurückgekehrt, weil du endlich dein erstes Pon Farr erlebt hast. Richtig? Ich kann mir vorstellen, in Anbetracht der ganzen medizinischen Fachmeinungen, die uns während deiner Kindheit in Shi’Kahr mitgeteilt wurden, muss das eine ziemliche Überraschung gewesen sein.«

Diese Erwähnung weckte bei Spock eine unangenehme Erinnerung an seine ersten Jahre in der Sternenflotte. Es war ihm sehr peinlich gewesen, dass er nicht wie die meisten vulkanischen Männer mit Anfang zwanzig sein erstes richtiges Pon Farr erlebt hatte. Sarek hatte versucht, ihn zu trösten, indem er verlangt hatte, Spock solle dankbar sein, dass ihm die Demütigung eines vulgären biologischen Angriffs auf seinen logischen vulkanischen Verstand erspart bliebe. Er hatte versucht, Spock einzureden, die Weigerung seines Körpers, das Pon Farr zu durchlaufen, wäre ein Segen. Während Spock älter geworden war, hatte er gehofft, die menschliche Hälfte seiner Abstammung würde ihm die eigentümlichen Qualen des Blutfiebers, auf Vulkanisch Plak Tow, ersparen.

Die Miene seiner Mutter wurde sanfter. »Wie du dir bestimmt schon denken kannst, bin ich nicht wirklich böse auf dich, Spock. Sarek und ich verstehen, warum du nach all den Jahren die Sache mit deinem Pon Farr vermutlich für dich behalten wolltest. Und in Anbetracht des bedauerlichen Verhaltens von T’Pring und dass ihr Plan beinahe zu einer Tragödie für alle Beteiligten geführt hätte, denke ich, es war vielleicht das Beste, dass Sarek und ich nicht anwesend waren. Wären wir dabei gewesen und hätten mit angesehen, was sie getan hat, so vermute ich, dass dein Vater sich seiner Logik einen Moment lang nicht ganz … sicher gewesen wäre.«

Spock hielt die Nachricht an.

Er schätzte Amandas Talent zu untertreiben. T’Pring, die man vor Jahrzehnten im Rahmen einer Zeremonie in ihrer Kindheit mit Spock verlobt hatte, hatte offenbar wie er gehofft, er würde niemals das Pon Farr erleben oder zurückkehren, um sie zur Gemahlin zu nehmen. In ihrem Fall lag es daran, dass sie während der Zeit seit ihrer letzten Begegnung in Stonn einen neuen Gefährten gefunden hatte. Darum hatte sie sich auf das Koon-ut-kal-if-fee, die »Heiratsanfechtung durch Kampf«, berufen, um ihre Bindung zu Spock endgültig zu beenden. Spock musste widerwillig zugeben, dass sie sich einen logisch einwandfreien Plan zurechtgelegt hatte. Anstelle von Stonn hatte sie Spocks engsten Freund und kommandierenden Offizier James Kirk zu ihrem Kämpfer im Kal-if-fee bestimmt.

Um seine Gemahlin zu bekommen, hätte Spock seinen Captain töten müssen.

Hätte er den Kampf gewonnen, hätte er Vulkan verlassen und sich vor einem Militärgericht verantworten müssen, wodurch T’Pring frei gewesen wäre, um mit Stonn zusammen zu sein. Wäre Spock ums Leben gekommen, hätte Kirk keinen Anspruch auf sie erhoben, womit sie auch in diesem Fall frei gewesen wäre, um ihre Beziehung mit Stonn fortzusetzen.

Ihre Logik war kalt und unanfechtbar gewesen.

Spock hatte sich im Rausch des Plak Tow nicht zurückhalten können, den biologischen Zwang zu erfüllen, der seiner Spezies auferlegt war. Dank einer geschickten Täuschung von Doktor McCoy war Kirk fast zwei Minuten lang rechtlich betrachtet tot gewesen, bevor er an Bord der Enterprise wiederbelebt worden war.

Da er geglaubt hatte, seinen Gegner im Kal-if-fee getötet zu haben, hatten Spocks Plak Tow und das Pon Farr nachgelassen. In der Erwartung, für sein Handeln vor ein Militärgericht gestellt zu werden, hatte er T’Pring von ihrem Versprechen entbunden und sich, wie er dachte, zum letzten Mal von ihr und seiner Heimatwelt verabschiedet. Erst zurück auf der Enterprise hatte er erfahren, dass Kirk noch am Leben war.

Er erinnerte sich daran, wie er mit größerer Erleichterung und Freude, als er jemals zuvor empfunden hatte, »Jim!« gerufen hatte. Es war nur ein kleiner Ausrutscher gewesen, ein kurzer Verlust der Kontrolle über seine Gefühle, aber Kirk hatte es bemerkt, ebenso wie McCoy und Schwester Chapel. Spocks Hochgefühl war Unsicherheit und Verlegenheit gewichen und es war ihm nur mit Mühe und Not gelungen, diese Emotionen zu verbergen.

Die Vorstellung, wie Sareks emotionale Disziplin im Angesicht von T’Prings Verrat ins Wanken geriet, faszinierte Spock. Trotz Amandas Behauptung bezweifelte er, dass es jemals dazu kommen würde.

Mein Vater schätzt seine Selbstkontrolle viel zu sehr, um jemals niederen Gefühlen nachzugeben.

Aber kann ich von mir das Gleiche behaupten?

Ihn überkamen Selbstzweifel. Seine Missionen an Bord der Enterprise, zuerst unter Captain Christopher Pike und jetzt an der Seite von Captain Kirk, hatten seinen Verstand vielen unerwarteten Übergriffen, Verletzungen und Traumata ausgesetzt. Wie oft war die Beherrschung seiner Gefühle auf die Probe gestellt worden, nur um letztendlich nicht zu genügen? Wie oft würde es noch dazu kommen? Was, wenn er die Kontrolle über seine dunkle Seite verlor? Die Verbindung von vulkanischer und menschlicher Physiologie hatte ihm eine wirklich einzigartige Gehirnstruktur und Neurochemie beschert. So wild die vulkanischen Emotionen auch sein konnten, Spock wusste dank jahrelanger Selbstbeobachtung, Meditation und psychischem Training, dass die menschlichen Anteile seiner Psyche möglicherweise noch gewalttätiger, gefährlicher und mächtiger waren, als es sich ein Vulkanier vorstellen konnte.

Was, wenn die Dunkelheit in mir eines Tages die Kontrolle übernimmt?

Diese Möglichkeit sorgte für Beklemmung. Bis vor Kurzem hätte er solche Sorgen vielleicht als Hypochondrie abgetan. Doch bis vor einem Monat hatte er sich auch für immun gegen die Hitze des Plak Tow und die barbarischen Zwänge des Pon Farr gehalten. Nach all den äußeren Einflüssen, die versucht hatten, seinen Verstand zu beherrschen, waren es seine innersten Urtriebe, die ihn zu einem blutrünstigen Tier gemacht hatten.

Könnten solche Impulse nach wie vor in den Schatten meines Verstands lauern? Wie kann ich von meinen Schiffskameraden erwarten, mir zu vertrauen, wenn ich nicht weiß, ob ich mir selbst vertrauen kann?

Er drückte auf den Wiedergabeknopf, um den Rest von Amandas Nachricht zu hören.

»Jedenfalls haben dein Vater und ich gehört, wie du und deine Schiffskameraden die Angelegenheit gelöst habt, und wir sprechen euch allen unsere Anerkennung aus. Ihr habt aus einer drohenden Tragödie einen Sieg gemacht.« Sie erlaubte sich den flüchtigen Anflug eines Lächelns. »Aber das war schon immer deine Stärke, nicht wahr?« Bittersüße Traurigkeit huschte wie eine vorbeiziehende Wolke über ihre Miene. »Ich liebe dich, Spock. Bis wir uns wiedersehen«, sie hob ihre rechte Hand zum vulkanischen Gruß, »lebe lang und in Frieden, mein Sohn.«

Ihr Bild wurde durch blaue Lorbeeren und Sterne auf weißem Grund ersetzt – das Emblem der Vereinigten Föderation der Planeten –, dann wurde der Bildschirm schwarz und schaltete in den Bereitschaftsmodus zurück.

Lebe lange und in Frieden, Mutter. Um unser beider willen werde ich einen Weg finden, der Mann zu sein, für den du mich hältst … egal, ob Vater mir das zutraut oder nicht.

An Bord eines Raumschiffs war Freizeit eine Seltenheit und das Phänomen, das gemeinhin als lange Mittagspause bekannt war, noch seltener. Entschlossen, keine Sekunde davon zu vergeuden, hatten Lieutenant Hikaru Sulu und Ensign Pavel Chekov ihre Mahlzeit in der Offiziersmesse in aller Eile verzehrt und waren dann in den Aufenthaltsraum geeilt, um ihre epische Partie dreidimensionales Schach fortzusetzen. Die jungen Männer in den goldenen Oberteilen hatten damit am Vorabend begonnen, waren jedoch gezwungen gewesen, das Ganze zu unterbrechen, als sie kurz nach 0100 Uhr festgestellt hatten, dass sie kaum das Mittelspiel erreicht hatten. Zu ihrem Glück hatte sich Petty Officer Chong, einer der drei Unteroffiziere, die die Nutzung des Aufenthaltsraums überwachten, bereit erklärt, dafür zu sorgen, dass ihre Spielfiguren unangetastet bleiben würden, bis sie ihr Spiel beendet hatten.

Sulu musterte seinen jungen Gegner grinsend von der anderen Seite des Tisches aus. »Bereit aufzugeben?«

Chekov betrachtete eine Ebene des Spielbretts mit zusammengekniffenen Augen, dann eine andere. »Niemals.« Sein deutlicher russischer Akzent und sein jugendliches Timbre stellten einen dramatischen Kontrast zu Sulus sattem Bariton und seiner durch und durch amerikanischen Sprechweise dar. »Ich habe dich genau da, wo ich dich haben will.«

»Du willst, dass ich zwei Züge davon entfernt bin, deinen König ins Schach zu stellen?«

Sulus Neckerei entlockte der kleinen Gruppe von Besatzungsmitgliedern, die sich versammelt hatte, um den beiden zuzusehen, ein Kichern. Die meisten von ihnen verbanden das herausfordernde 3D-Schach eher mit Spock oder Captain Kirk. Unterhaltungen und geflüsterte Wetten umkreisten den Tisch wie ein laues Lüftchen.

Nach ein paar weiteren Sekunden drehte Chekov vorsichtig die Plattform, auf der das dreistöckige Spielbrett montiert war. Vielleicht dachte er, ein anderer Blickwinkel könnte die Regeln oder die relative Position der Figuren verändern. Sulu war froh, dass sich der Ensign so viel Zeit nehmen konnte, wie er wollte. Letztendlich würde es nichts am Ergebnis ändern; er war überzeugt, dass er dem jungen Russen keine Möglichkeit für einen Gegenangriff gelassen hatte.

Natürlich dachte ich das auch, als ich das letzte Mal gegen Spock gespielt habe, und er hat mich fertiggemacht. Aber wem will ich was vormachen? Chekov ist nicht Spock. Würde er nicht diesen Pagenschnitt mit Pony tragen, könnte ich jetzt wahrscheinlich die Falten auf seiner Stirn sehen.

Chekov griff nach einer Spielfigur, hielt jedoch inne, bevor er sie berührte. Mit vor Frust verzogenem Gesicht streckte er die Finger nach einer anderen Figur aus, zögerte allerdings erneut.

Sulus Grinsen wurde breiter. »Es ist keine Schande aufzugeben.«

Die bloße Andeutung schien Chekov zu beleidigen. »Natürlich ist es eine Schande. Es ist immer eine Schande zu verlieren.« Er zog die Hand von den Spielfiguren zurück und ballte sie zur Faust. »Würdest du dich zu einem Unentschieden bereit erklären?«

»Auf keinen Fall.«

Chekov funkelte das Spielbrett an, wobei er eine Reihe russischer Flüche murmelte. Nach einem schweren Seufzer erklärte er: »Ich werde aufgeben, wenn du mir sagst, wie du mich geschlagen hast.«

»Na gut. Du hast deine Absichten von Anfang an verraten, indem du mit dem Königsindischen Angriff eröffnet hast. Während des Mittelspiels hast du einen rücksichtslosen Angriff gestartet, selbst nachdem ich deine Flanke mit einem Aldebaran-Austausch geschwächt hatte. Als du es dann mit einem Kriskov-Gambit versucht hast, wusste ich, wie verzweifelt du warst – niemand benutzt ein Kriskov-Gambit, wenn er keine Türme mehr hat. Deinen Angriff im Endspiel habe ich mit einem el-Mitra-Austausch neutralisiert und von da an ging es nur noch ums Aufräumen.«

Mit dem Zeigefinger warf Chekov seinen König auf dem mittleren Spielfeld um und signalisierte damit seine Kapitulation. »Ich hasse dich.«

»Hasse nicht den Spieler, Ensign, hasse das Spiel.«

Die kleine Zuschauermenge zerstreute sich, einige kümmerten sich um die Auszahlung der gewonnenen oder verlorenen Einsätze, andere kritisierten Sulus und Chekovs jeweilige Strategien mit der Überzeugung, die man an den Tag legte, wenn man den Ausgang des Spiels kannte, aber selbst nicht gespielt hatte.

Chekov sah Sulu kopfschüttelnd an, dann reichte er ihm die Hand. »Gut gespielt, Hikaru.«

Sulu schüttelte die Hand seines Freundes. »Danke, Pavel. Und ganz ehrlich, du hast ein tolles Spiel geliefert. Sonst hätte es nicht«, er warf einen Blick über die Schulter zum Chrono am Schott, »über sechs Stunden gedauert. Ich meine es also ernst, wenn ich sage: Du hast mich dafür ganz schön schuften lassen.«

»Nett, dass du das sagst. Aber das nächste Mal werde ich nicht so gnädig sein.«

»Warte mal. Du willst doch nicht etwa behaupten, dass du mich gewinnen lässt, oder?«

»So was würde ich nie behaupten … Aber Schach wurde nun mal in Russland erfunden.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in Indien erfunden wurde.«

»Aber in Russland perfektioniert.«

»Nein, es wurde in Südeuropa adaptiert.«

»Und dann in Russland perfektioniert.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass Russland nichts mit der Erfindung des Spiels zu tun hatte. Obwohl ich zugeben muss, dass es in der russischen Kultur eine lange Tradition hervorragender Schachspieler gibt.«

Chekov bedachte ihn mit einem müden Blick. »Kannst du mir das nicht einfach gönnen?«

»Wenn ich das tue, Pavel, wo hört es dann auf? Ich habe gehört, dass du so ziemlich alles, was im Laufe der Menschheitsgeschichte entstanden ist, Russland zuschreibst. Als Nächstes erzählst du mir, dass der Jazz in Russland erfunden wurde.«

»Wurde er doch auch.« Irgendwie war es Chekov gelungen, diese Worte ohne jegliche Spur von Ironie herauszubringen.

»Siehst du, genau das meine ich.« Sulu stand vom Tisch auf, Chekov tat es ihm gleich und folgte ihm zum Ausgang des Aufenthaltsraums. »Nenn mir eine gute Sache von der Erde, von der du nicht glaubst, sie würde aus Russland stammen.«

Die Frage ließ Chekov einen Moment lang zögern. Seine blasse Miene hellte sich auf, als er antwortete: »Haggis!«

»Ich sagte, eine gute Sache.«

»Das ist nicht fair. Hast du jemals Haggis gegessen?«

Sulu starrte Chekov ungläubig an. »Du etwa?«

Bevor sie sie erreichten, glitt die Tür des Aufenthaltsraums auf, und Doktor Leonard McCoy, der Chefarzt des Schiffes, trat ein, sah sich um und ließ die Schultern hängen.

»Ich habe es verpasst, nicht wahr?«

»Unser Spiel?«, fragte Chekov. »Da.«

Sulu stupste Chekovs Ellbogen an und korrigierte ihn flüsternd: »Ja.«

»Das habe ich doch gesagt«, zischte Chekov angespannt zurück.

McCoy verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, trat von einem Fuß auf den anderen. »Verdammt. Ich hatte ein paar Wetten laufen. Würden Sie mir sagen, wer gewonnen hat?«

Sulu schenkte ihm ein stolzes Lächeln. »Was denken Sie, Doc?«

»Also nicht der ›Moskauer Maulesel‹ hier?« Er runzelte enttäuscht die Stirn, bevor er mehr zu sich selbst murmelte: »Das habe ich nun davon, auf den Außenseiter zu setzen.«

Aus dem Lautsprecher des Raumes schrillte eine elektronische Bootsmannsmaatenpfeife, gefolgt von Spocks Stimme. »Achtung, alle Decks: Die Betankung ist abgeschlossen. Bereithalten zum Abkoppeln vom Tanker Jamnagar. Führungsoffiziere, auf Ihre Posten.«

»Das ist unser Stichwort«, sagte Sulu. Die drei Offiziere machten sich auf den Weg zur Tür.

McCoy ging voran und fragte über die Schulter: »Wann ist die Revanche?«

Sulu lächelte. »Bald.«

Chekov blickte finster drein. »Am Sankt Nimmerleinstag.«

Kirk kritzelte seine Unterschrift auf die Datentafel und bestätigte damit, dass er den Transfer von Antideuterium und Dilithium von der Jamnagar genehmigt hatte, dann gab er sie an Yeoman Martha Landon zurück. Die hochgewachsene junge Offizierin in einem roten Minikleid der Operationsabteilung trug ihr rötlich blondes Haar in einer komplizierten Frisur: Es war von der Stirn zurückgekämmt und am Hinterkopf zu einer elegant geflochtenen Krone frisiert, aus der mehrere lange, lose geflochtene Strähnen herabhingen. Der Aufmerksamkeit nach zu urteilen, die Landon bei ihren jüngsten Besuchen auf der Brücke der Enterprise von ihren Offizierskollegen entgegengebracht worden war, fiel die Frisur auf.

Allerdings schien sie sich nur für einen dieser Offiziere zu interessieren. Kirk war des Öfteren aufgefallen, dass Yeoman Landon abgelenkt wirkte, wenn er ihr eine Datentafel samt Griffel zurückgab. Dieses Mal war er schnell genug, um zu sehen, wem ihr Interesse galt: Es handelte sich um den jungenhaften Navigator des Schiffes, Ensign Pavel Chekov.

Das überraschte Kirk, wenn auch nur ein wenig.

Ich hätte darauf gewettet, dass sie Spock angeschaut hat. Andererseits ist Mister Chekov eher in ihrem Alter. Jedem das Seine, schätze ich.

»Danke, Yeoman«, sagte Kirk etwas lauter als sonst, um Chekovs unerklärlichen Bann über die Frau zu brechen.

Landon blinzelte und riss sich zusammen. »Aye, Sir.«

Sie steckte den Griffel ein, klemmte sich die Datentafel unter den linken Arm und machte sich auf den Weg zum Turbolift. Sie blieb kurz stehen, um von Kommunikationsoffizier Nyota Uhura eine Datenkarte entgegenzunehmen. Die makellose braune Haut und das elegant frisierte schwarze Haar des Lieutenants bildeten einen starken Kontrast zu Landons hellem Teint und flachsfarbenem Haar.

Von seinem Platz an der vorderen Doppelkonsole aus versuchte Chekov, verstohlen zu Landon hinüberzuspähen, doch stattdessen begegnete er dem stählernen, wissenden Blick seines Captains.

Kirk, der keine Gelegenheit ausließ, Ensigns auf Herz und Nieren zu prüfen, fragte: »Mister Chekov, haben Sie Ihren Scan der angrenzenden Sektoren beendet?«

Der junge Mann antwortete mit gelassener Professionalität: »Aye, Captain. Keine bedrohlichen Schiffe oder Navigationshindernisse entdeckt. Der Heimweg der Jamnagar ist frei.«

Kirk wandte sich an Spock, der Chekovs Bericht mit einem Nicken bestätigte. »Hervorragend. Lieutenant Uhura, bitte informieren Sie die Brücke der Jamnagar, dass sie abfliegen können.«

Uhura hob ihre linke Hand zu dem Empfänger in ihrem Ohr. »Aye, Sir. Ich leite die Nachricht unverzüglich weiter.« Während sie dies tat, blinkte auf ihrer Konsole ein weiterer Kanal auf. Sie schaltete auf den zweiten Kanal um, hörte einen Moment lang zu und sah dann zu Kirk. »Captain, wir empfangen eine Echtzeit-Subraumkommunikation aus dem Büro von Admiral Fitzpatrick im Sternenflottenkommando auf einem Prioritätskanal. Es ist dringend.«

Kirk schwenkte seinen Kommandosessel nach vorne. »Auf den Schirm, Lieutenant.«

Das Bild des abfliegenden Tankers wurde durch eine Großaufnahme von Vice Admiral Theodore Fitzpatrick ersetzt. Er trug eine goldfarbene Kommandouniform mit einem besonderen Abzeichen, das nur von der Admiralität verwendet wurde. Die Wangen seines rötlichen, wettergegerbten Gesichts begannen bereits etwas zu hängen und sein schütteres Haar war einst blond gewesen, doch mittlerweile fand sich darin viel Silber. Seine Miene entsprach der eines Mannes, der schon vor langer Zeit vergessen hatte, was es hieß, glücklich oder zufrieden zu sein.

»Kirk! Wie geht es Ihrem Schiff? Ich habe gehört, Sie haben letzte Woche ein bisschen was abbekommen.«

»Ja, Sir. Unsere Reparaturen sind größtenteils abgeschlossen oder zumindest so weit fortgeschritten, wie es ohne einen Zwischenstopp auf einer Sternenbasis möglich ist.« Der Kampf der Enterprise mit dem Planetenkiller lag erst fünf Tage zurück, allerdings sah Kirk keinen Grund, den Admiral in einem so unwichtigen Punkt zu korrigieren.

Ob sich Fitzpatrick tatsächlich für den Inhalt von Kirks Antwort interessierte, ließ sich unmöglich feststellen. »Hervorragend. Ich habe neue Befehle für Sie und Ihre Besatzung. Eine Such- und Rettungsmission.«

»Suche und Rettung, Sir?« Kirk tat sein Bestes, sich auf dem Laufenden zu halten, was die Ereignisse in jedem Sektor anging, dem er zugeteilt war. Er hatte nichts davon gehört, dass in letzter Zeit Schiffe oder Personal der Sternenflotte verschollen waren, allerdings gingen geheime Operationen immer wieder schief.

»Sie haben richtig gehört, Captain. Es geht um einen zivilen Wissenschaftler namens Doktor Johron Verdo, einen mit dem Zee-Magnees-Preis ausgezeichneten Xenobiologen von Ardana.«

Spock hob den Blick von seiner Wissenschaftskonsole und sagte: »Ich habe Doktor Verdos Arbeit über rekombinante Xenogenetik gelesen. Seine Arbeit ist geradezu revolutionär.«

Kirk quittierte den Einwurf mit einem Nicken und wandte sich wieder dem Admiral zu. »Unter welchen Umständen genau ist Doktor Verdo verschwunden?«

»Er ist vor drei Wochen mit zwei seiner leitenden Mitarbeiter – Doktor Mozhan Rashid vom Mars und Lofarras th’Sailash von Andoria – zu einer privaten Forschungsexpedition aufgebrochen. Sie sollten sich nach Erreichen ihres Ziels melden, aber laut Verdos Mitarbeitern auf Ardana ist das nie geschehen. Vor einundzwanzig Stunden hat Verdos Schiff, die S.S. Heyerdahl, ein kurzes und sehr schwaches Notsignal gesendet. Der Versuch, eine Verbindung herzustellen, blieb erfolglos, aber als Ursprung des Signals wurde die Äquatorregion des Planeten Kolasi III identifiziert.

Ich möchte, dass Sie mit der Enterprise nach Kolasi III fliegen, eine Such- und Rettungsaktion für Doktor Verdo und seine Assistenten einleiten und so viel wie möglich von ihren Forschungsdaten bergen.«

Es lag nicht in Kirks Natur, direkte Befehle zu verweigern, doch irgendetwas an dieser Mission kam ihm komisch vor. »Admiral, bei allem Respekt, wäre eine zivile Organisation nicht besser für diese Mission geeignet? Mir ist nicht klar, warum drei vermisste Zivilisten den Einsatz eines Raumschiffs der Sternenflotte rechtfertigen.«

Sein Widerspruch ließ Fitzpatrick grimmig nicken. »Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen, Kirk. Aber es gibt einige Faktoren, die diese Sache verkomplizieren und zu einer Angelegenheit der Föderationssicherheit machen.«

»Wie zum Beispiel?«

Der Ausdruck auf Fitzpatricks Miene wechselte von ernst zu abgespannt, als würde es ihm nicht länger gelingen, seine Erschöpfung zu verbergen. »Zum einen ist der vermisste Doktor Verdo der Schwager von Ardanas Vertreterin im Föderationsrat. Da sie eines der einflussreichsten Mitglieder des Sicherheitskomitees ist, bekommen wir vom Büro der Präsidentin Druck, den Mann zu finden.

Zum anderen ist Kolasi III eine primitive Klasse-M-Welt mit einer kleinen humanoiden Präwarp-Zivilisation – und der Planet liegt in der vor Kurzem zwischen der Föderation und den Klingonen vereinbarten Neutralen Zone. Wir müssen also nicht nur für die Einhaltung der Obersten Direktive sorgen, sondern haben es zusätzlich noch mit einer Vertragsverletzung zu tun. Nicht gerade etwas, das ich Amateuren überlassen möchte.

Innerhalb der Neutralen Zone sollte man diskret vorgehen. Sollte die Anwendung von Gewalt jedoch die einzige Möglichkeit sein, um Doktor Verdo, seine Leute und seine Forschungsergebnisse zu retten, dann tun Sie, was nötig ist, und überlassen Sie den Rest den Diplomaten. Ist das klar, Kirk?«

»Vollkommen, Sir.«

»Dann würde ich vorschlagen, Sie machen sich auf den Weg. Fitzpatrick Ende.« Der Admiral schloss den Kanal und das Bild auf dem Hauptbildschirm zeigte wieder die Stille des weiten Sternenmeers.

Könnten wir uns doch nur einen Moment Zeit nehmen, um diesen Anblick zu genießen, dachte Kirk mit einem Anflug von Bedauern.

»Steuermann, setzen Sie Kurs auf Kolasi III, Warpgeschwindigkeit sieben. Mister Spock, erstellen Sie einen Missionsplan und sorgen Sie dafür, dass sich die Führungsoffiziere in einer Stunde im Besprechungsraum zusammenfinden. Wir haben Leben zu retten und die Uhr tickt.«

DREI

Einsam inmitten der interstellaren Dunkelheit, mehr als vierhundert Lichtjahre von Andoria entfernt, an der Grenze der Sektoren, die in der Föderation unter dem Namen Taurus-Region bekannt waren, befand sich Sternenbasis 47 der Sternenflotte. Ihren Bewohnern und Besuchern jedoch war sie besser als Sternenbasis Vanguard bekannt. Auf der Raumstation der Watchtower-Klasse waren momentan über zweitausend Leute stationiert, außerdem diente sie derzeit als Heimathafen und Operationsbasis für drei Sternenflottenraumschiffe, den schweren Kreuzer Endeavour, die Fregatte Buenos Aires und das Aufklärungsschiff Sagittarius.

Auf der einen Seite von Vanguard lag das riesige Territorium des Klingonischen Reichs, das eine kolossale Bedrohung darstellte, die nur darauf wartete, zuzuschlagen. Auf der entgegengesetzten Seite erstreckte sich die geheimnisvolle Domäne der Tholianischen Versammlung. Während man sich darauf verlassen konnte, dass die Klingonen mit der Sternenflotte um Zugang zu den Geheimnissen der Taurus-Region ringen würden, hatten es sich die Tholianer zur Priorität gemacht, jeden daran zu hindern, diese uralten Mysterien zu enträtseln – mit allen Mitteln.

Das Büro des Verbindungsoffiziers des Geheimdienstes der Sternenflotte befand sich tief im Inneren des kuppelartigen Kommandoturms der Station. Es bestand aus ein paar kleinen Räumen und einer Handvoll persönlicher Büros, die alle gegen Überwachung oder Eindringen von außen gesichert waren, und verfügte über mehrere verschlüsselte Direktverbindungen zur Subraum-Kommunikationsanlage der Station.

Wie so viele andere Ausgaben, die im Dienste einer interstellaren Geheimdienstbehörde getätigt wurden, war auch in dieser Einrichtung einiges geradezu extrem überflüssig. Tatsächlich stand der Großteil der Büroräume, die man dem Verbindungsoffizier des Sternenflottengeheimdienstes zugewiesen hatte, seit der Inbetriebnahme der Station vor zwei Jahren leer. Bis vor ein paar Monaten waren diese spärlich eingerichteten Räumlichkeiten das persönliche Reich einer einzigen Frau gewesen: Lieutenant Commander T’Prynn von Vulkan.

Eine Reihe von Katastrophen auf der Station, allesamt Folgen oder Kollateralschäden fehlgeschlagener Geheimdienstoperationen, hatten zu einem unerwarteten Höhepunkt geführt, der alle geschockt hatte: T’Prynn hatte in aller Öffentlichkeit einen mentalen Zusammenbruch erlitten und war kurz darauf in einen katatonischen Zustand verfallen.

Der Vorfall hatte einen Dominoeffekt ausgelöst und schließlich den ehemaligen kommandierenden Offizier der Station, Commodore Diego Reyes, dazu veranlasst, die Details geheimer Sternenflottenoperationen an die zivilen Medien weiterzugeben. Man hatte Reyes verhaftet und zu einer Strafkolonie gebracht – eine Reise, die er dank eines Piratenangriffs auf sein Transportschiff offenbar nicht überlebt hatte. In der Zwischenzeit hatte Doktor M’Benga T’Prynn von der Station geholt, damit sie auf Vulkan von Spezialisten für telepathisch verursachte psychische Traumata behandelt werden konnte.

M’Benga war mittlerweile wieder auf seinem Posten, seine Patientin hingegen nicht. T’Prynn befand sich auf der Flucht vor der Militärjustiz der Sternenflotte und nach wie vor irgendwo in der Galaxis auf freiem Fuß. Infolgedessen hatte man ihren früheren Posten Lieutenant Commander Serrosel ch’Nayla zugewiesen. Man hatte ihm versichert, es sei nur eine reine Übergangslösung, tatsächlich handelte es nun um ch’Naylas permanenten Posten.

Diese Abfolge von Ereignissen war ch’Nayla zutiefst zuwider.

Ich hätte die Beförderung nie annehmen dürfen. Ich habe mich im Außendienst wohlgefühlt. Jetzt dreht sich mein ganzes Leben um das Lesen von Berichten und das Abheften von Papierkram. Man hat mich zum Spion ausgebildet, nicht zu einem verdammten Bürohengst.

Das war ein netter Tagtraum, aber ch’Nayla wusste sehr genau, dass diese Möglichkeit nie bestanden hatte. In den Reihen des Sternenflottengeheimdienstes war es geradezu unvorstellbar, eine Beförderung abzulehnen. Damit zeigte man offen seine Unzufriedenheit, was eine Versetzung zur Überwachung eines Kommunikationsrelais auf einer leblosen Eiskugel am Ende der Galaxis oder sogar eine unfreiwillige, unehrenhafte Entlassung nach sich ziehen konnte.

Der andorianische chan verbrachte eine weitere Nacht allein in seinem Büro, wo er einen scheinbar endlosen Berg von Ergebnissen der Signalaufklärung, in der Fachwelt als SigAuf bekannt, durchging. Der virtuelle Heuhaufen des heutigen Abends bestand aus zufälligen Bruchstücken von Subraum-Kommunikation zwischen fremden Schiffen und ihren Leitstellen sowie aus gelegentlichem zivilem Kommunikationsgeplapper, das von überwachten Regierungsfrequenzen abgefangen worden war. Wenn man Glück hatte, enthielt jedes Stückchen eine von der KI generierte Abschrift. Wenn man Pech hatte, musste man sich komplette Aufzeichnungen nacheinander anhören, um diese Transkripte manuell zu erstellen. Nichts in ch’Naylas medizinischem Profil deutete darauf hin, dass bei ihm ein Risiko für Narkolepsie bestand, doch während einer Nacht, in der er pausenlos Transkriptionen anfertigte, hätte er schwören können, dass das Gegenteil der Fall war.

Plötzlich erschien eine Seltenheit auf seinem Bildschirm: eine Datei vom Sternenflottenkommando. Eine Bekanntmachung über eine prominente vermisste Person, einen ardanischen Wissenschaftler namens Doktor Johron Verdo. Aus irgendeinem Grund hatte das System der Vanguard diesen Bericht speziell für ch’Nayla markiert. Er unterbrach alle anderen offenen Projekte und vertiefte sich in Verdos Akte.

Was ist so wichtig an Ihnen, Doktor?

Im zweiten Absatz bekam ch’Nayla seine Antwort. Doktor Verdo hatte als wissenschaftlicher Berater für die Operation Vanguard gedient. Das geheime Programm war der eigentliche Grund für die Existenz von Sternenbasis 47 und für den riskanten, aggressiven Vorstoß der Sternenflotte, die Taurus-Region für sich zu beanspruchen. Die Arbeit des ardanischen Xenogenetikers diente als Grundlage für mehrere Initiativen des Teams in der Gruft, dem streng geheimen Forschungslabor der Sternenflotte, das sich tief im Inneren der Sternenbasis Vanguard befand.

Je mehr ch’Nayla über Verdo las, desto beunruhigter wurde er. Verdo hatte frühzeitig Zugang zu den komplett unzensierten Scans des wahnsinnig komplexen außerirdischen DNA-Strangs erhalten, der als Meta-Genom der Shedai bekannt war. Obwohl man Verdo nicht mitgeteilt hatte, worum es sich eigentlich handelte oder von wo es stammte, hatten seine Nachfragen deutlich gemacht, dass er sowohl die damit verbundenen Möglichkeiten als auch die Gefahren verstand. Und er wollte unbedingt mehr wissen. Da ihn die Sternenflotte daraufhin als Sicherheitsrisiko eingestuft hatte, lehnte man seinen Antrag auf Aufnahme in das Team der Gruft ab.

Nun galt der Mann als vermisst, gemeinsam mit zwei seiner erfahrensten Kollegen verschollen auf Kolasi III – einer Welt am Rande der Taurus-Region, die noch nicht erforscht war, aber auf der Liste für eine geheime planetarische Untersuchung stand. Geheim, weil der Planet innerhalb der durch den vor Kurzem geschlossenen Vertrag von Organia festgelegten Neutralen Zone zwischen den Klingonen und der Föderation lag.

Noch schlimmer war die Tatsache, dass Verdo eine Verwandte im Föderationsrat hatte.

Das reichte aus, um bei ch’Nayla den Wunsch zu wecken, auf der Stelle den Dienst zu quittieren. Einen potenziell größeren Schlamassel konnte er sich nicht vorstellen. Am meisten beunruhigten ihn die Fragen, von denen er wusste, dass man sie stellen würde, sobald er diesen Bericht seinen Vorgesetzten vorlegte – Fragen, auf die er zurzeit keine guten Antworten hatte.

Ist Verdo noch auf dem Planeten? Will er zu den Klingonen überlaufen? Wissen die Klingonen, dass er dort ist? Wenn er das Shedai-Meta-Genom findet, was wird er damit machen? Ist er gefährlich?

Er fügte diese und weitere Fragen hinzu und beauftragte seinen KI-Algorithmus, alle zugänglichen Informationen – öffentliche und persönliche, von innerhalb und außerhalb der Föderation – zu durchforsten, um ein virtuelles Profil des vermissten Wissenschaftlers zu erstellen, das seine Handlungen vorhersagen konnte, bevor sein Verschwinden den gesamten Quadranten in einen Krieg stürzte.

Schließlich leitete er das Ganze an Admiral Nogura weiter, den Flaggoffizier der Sternenflotte, der gegenwärtig den Befehl über Operation Vanguard innehatte, zusammen mit einer einzigen eindeutigen Empfehlung: WIR MÜSSEN JOHRON VERDO FINDEN, UND ZWAR SOFORT.

Blut, Schweiß und heißes Metall – das waren die Gerüche, die Captain Kang, Sohn des K’naiah, sagten, dass er dort war, wo er hingehörte: an Bord eines klingonischen Kriegsschiffes.

Er marschierte durch die Korridore der I.K.S. SuvwI’, einem Schlachtkreuzer der D’ama-Klasse. Sie war eines der älteren Schiffe der Flotte, hatte sich jedoch zusammen mit ihrer Besatzung schon viele Male im Kampf bewährt. Man sang großartige Lieder über ihre Siege und am lodernden Feuer erzählte man sich Geschichten von Feinden, die ihren Namen zu fürchten gelernt hatten. Kang war stolz darauf, sie sein Eigen zu nennen und die auf ihr dienenden 297 Elitekrieger, Ingenieure und Wissenschaftler zu befehligen.

Als er an der Messe vorbeikam, bemerkte er das hohe Fiepen von frischem Gagh, gefolgt von den verlockenden Aromen von Pipius-Klaue und Rokeg-Blutpastete. Das reichte, um ihn bedauern zu lassen, dass er diesen Morgen das Frühstück ausgelassen hatte, wirkte allerdings nicht verlockend genug, um ihn zum Anhalten zu bewegen.

Wenn ich bloß die Zeit dafür hätte.

Eine Handvoll Soldaten stand am Ende eines Ganges. Ein gebellter Befehl von Kang – »Macht den Weg frei!« – sorgte dafür, dass sie sich mit dem Rücken an die Schotten drückten. Jeder von ihnen hielt das Kinn hoch erhoben, als er an ihnen vorbeimarschierte und zackig die Leiter hinaufkletterte.

Oben angekommen waren es nur ein paar lange Schritte bis zum in beruhigendes purpurnes Licht getauchten Kommandodeck. Der Schein von der Warpgeschwindigkeit gestreckter Sterne füllte den Hauptbildschirm. Die ranghöchsten Mitglieder unter Kangs Führungsoffizieren befanden sich alle auf ihrem Posten. Wie auf den meisten klingonischen Raumschiffen waren die wichtigsten Stationen in einem flachen Bogen an der Vorderseite der beengten Brücke angeordnet, während sich der Sessel des Captains auf einem erhöhten Podest dahinter befand. Manchmal fragte sich Kang, ob es wirklich schlau war, in einem Raum mit niedriger Decke einen erhöhten Sitz unterzubringen. Allerdings schätzte er die Tatsache, dass diese Kombination dazu diente, den Captain über allem thronen zu lassen, so wie es sich gehörte.

Als er Kangs Ankunft bemerkte, räumte sein Erster Offizier, Commander D’Gol, den Sessel. »Captain.«

»D’Gol. Sie sagten, ich hätte eine Nachricht vom Oberkommando?«

»Ja, Sir. Sie ist verschlüsselt und allein für Sie bestimmt. Ich habe sie in Ihren Bereitschaftsraum weitergeleitet.«

»Gut. Weitermachen.«

Der schlaksige Krieger kehrte zum Kommandosessel zurück, während Kang an den Wissenschafts- und Kommunikationsstationen vorbei nach achtern und in seinen Bereitschaftsraum ging. Er war klein, genügte jedoch Kangs Ansprüchen. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, sein Computer schaltete sich ein, als er seine Anwesenheit registrierte.

»Computer, öffne Nachricht vom Oberkommando.«

Eine schroffe, männliche, aber eindeutig synthetische Stimme antwortete: »Autorisierungscode erforderlich.«

»Kang cha’ vagh Qob Hegh beH tajVaq.«

»Autorisiert.«

Auf Kangs Bildschirm erschienen neue Befehle von General Garthog. Sie waren, wie Kang es von dem General gewohnt war, kurz und bündig: FLIEGEN SIE MIT HOHER WARPGESCHWINDIGKEIT NACH KOLASI III. FINDEN SIE DEN VERMISSTEN WISSENSCHAFTLER. WENN MÖGLICH, BERGEN SIE DAS GEHEIME FREMDE GENOM.

Kang schüttelte enttäuscht den Kopf. Warum gibt es immer einen vermissten Wissenschaftler? Und warum lassen wir sie nie verschollen bleiben? Er machte sich keine Gedanken darüber, dass die Mitteilung den Namen des Wissenschaftlers nicht erwähnte. Garthog zog es vor, sich kurzzufassen und den Hauptteil seiner Nachrichten in verschlüsselten Unterlagen zu vergraben, die er als Anhänge verschickte. Es war eine lästige Angewohnheit, allerdings war Garthog ein General, was bedeutete, dass seine Eigenarten ohne Kommentar hingenommen werden mussten.

Nun, ohne öffentlichen Kommentar.

Einen Moment lang war Kang geneigt, diesen neuesten Auftrag als unter seiner Würde abzutun – bis er die Warnung sah, die Garthog seinen Befehlen beigefügt hatte: RECHNEN SIE DAMIT, DEM FÖDERATIONSRAUMSCHIFF ENTERPRISE ZU BEGEGNEN. GUTE JAGD.

Allein die Erwähnung dieses Schiffes erfüllte Kang mit dem Nervenkitzel der Jagd.

Kirk, du elender Teufel! Kreuzt du etwa noch einmal meinen Weg?

Es war fast zwei Jahre her, dass Kang dem immer berüchtigter werdenden Sternenflottencaptain das letzte Mal begegnet war. Er hatte damals gerade erst sein erstes Kommando auf der I.K.S. Doj erhalten, ungefähr zur selben Zeit, als Kirk das Kommando über die Enterprise übernommen hatte. Kang hatte sich glücklich geschätzt, derjenige zu sein, der die Enterprise abfangen sollte, nachdem sie mit direktem Kurs auf Qo’noS, die klingonische Heimatwelt, illegal in den klingonischen Raum eingedrungen war. Zu seinem Leidwesen erfuhr er jedoch bald, dass klingonische Abtrünnige Kirks Schiff gekapert hatten und der junge Sternenflottenoffizier und seine Besatzung in Wirklichkeit keine Schuld an dem Vorfall trugen.

Und Kirk, verdammt sollte er sein … Obwohl er sich Kang freiwillig ergeben hatte, hatte er an Kangs Ehre appelliert und um eine Chance gebeten, sein Schiff und damit seine eigene Ehre zurückzuerlangen. Auch wenn Kang Kirk keine Hilfe angeboten hatte, war er einen Handel mit ihm eingegangen, von dem er nie erwartet hatte, dass der Mensch ihn erfüllen würde: Sollte Kirk innerhalb einer Stunde die Kontrolle über die Enterprise zurückgewinnen und ihm die klingonischen Flüchtlinge ausliefern, um sich der klingonischen Justiz zu stellen, würde Kang ihm sein Schiff zurückgeben.

Zu Kangs anhaltender Überraschung tat Kirk genau das.

Fast zwei Jahre später hatte er noch immer keine Ahnung, wie der Sternenflottencaptain das geschafft hatte.

Vielleicht bekomme ich dieses Mal die Gelegenheit, ihn noch einmal von Angesicht zu Angesicht zu fragen.

Er entschlüsselte die Dateien aus der Nachricht und kopierte sie auf eine Datenkarte, die er an sich nahm, bevor er auf das Kommandodeck zurückkehrte.

Wie erwartet waren alle Augen auf ihn gerichtet, als er aus seinem Bereitschaftsraum kam. Neue Befehle waren oft ein Grund für Aufregung. Er hoffte, dass es dieses Mal genauso sein würde.

Kang übernahm von D’Gol seinen Kommandosessel und übergab dem Mann die Datenkarte. »Wir gehen auf die Jagd. Eine vermisste Laborratte oder so. Aber viel wichtiger ist, dass wir womöglich die Gelegenheit bekommen, uns mit Kirk und der Enterprise zu messen. Machen Sie die Mannschaft kampfbereit, bis wir Kolasi III erreichen, und stellen Sie einen Landetrupp zusammen, um die Laborratte zu finden.«

»Jawohl, Captain.«

D’Gol wich vom Podium zurück, dann drehte er sich um und begann, den Kanonieren, Ingenieuren und anderen Offizieren Befehle zu erteilen, um alles für die Chance vorzubereiten, Ruhm und Ehre zu erlangen.

Auf Kangs taktischer Konsole blinkte eine diskrete, geräuschlose Anzeige auf. Es war ein Signal von seinem Wissenschaftsoffizier, Lieutenant Mara, die zufälligerweise auch seine Frau war. Sie achteten darauf, bei den anderen Offizieren keinen Unmut zu erregen, indem sie etwas taten, das den Eindruck erwecken könnte, sie besäße allein aufgrund ihres Status als Kangs Gefährtin ein unangemessenes Maß an Autorität. Trotzdem war ihm bewusst, er würde seine wahre Liebe verletzen, sollte er sie zu sehr ignorieren. Aus diesem Grund hatten sie ein System entwickelt, mit dem sie sich gegenseitig heimlich mitteilen konnten, wann sie miteinander sprechen wollten oder mussten.

Kang wartete eine halbe Minute, dann schwenkte er seinen Kommandosessel nach achtern, stand auf und stieg auf das Deck hinunter. Er ging zu Maras Posten und trat an die Wissenschaftskonsole. In einem vertraulichen Tonfall sagte er: »Sprich, meine Liebe.«

Sie antwortete mit der gleichen Diskretion: »Ich habe mir die Vermessungsdaten für Kolasi III angesehen. Die äquatorialen und tropischen Breitengrade des Planeten sind von einem starken elektrischen Sturm umgeben, der den Einsatz von Transportern dort zu gefährlich macht – und das Missionsprofil deutet darauf hin, dass sich unser vermisster Wissenschaftler vermutlich in dieser Region aufhält.«

»Was empfiehlst du?«

»Unser Angriffstrupp sollte mit einem Shuttle zum Planeten fliegen.«

»Einverstanden. Gibt es sonst noch was?«

Die Art und Weise, wie Mara den Blick abwandte, verriet ihm, dass sie zögerte, ihre Meinung zu sagen, obwohl er nicht wusste warum. »Was beschäftigt dich sonst noch? Raus damit.«

»Abgesehen von der Tatsache, dass Kolasi III in der neuen Neutralen Zone liegt, befindet er sich technisch gesehen auch im Gonmog-Sektor. In dieser Region gab es in letzter Zeit eine deutliche Zunahme von Meldungen über verlorene oder vermisste Schiffe. Wer weiß, was die Sternenflotte da draußen aufgeschreckt haben könnte. Vielleicht sollten wir eine gewisse Vorsicht walten lassen – ausnahmsweise.«

Kang konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, nicht schallend loszulachen, anstatt nur leise zu glucksen. »Mara, ist das dein Ernst? Sollen wir den Gonmog-Sektor auf unseren Sternenkarten jetzt mit der Warnung ›Hier gibt es Monster‹ versehen?« Mit zusammengekniffenen Augen schenkte sie ihm einen kalten Blick, der deutlich machte, dass sie das ganz und gar nicht lustig fand. Er riss sich zusammen. »Entschuldige, meine Liebe. Ich wollte dich nicht beleidigen. Aber ich bitte dich – kümmere dich weniger um ghojmoK-Märchen von Geisterschiffen und Monstern aus Legenden, sondern konzentriere dich darauf, die Ausrüstung des Angriffstrupps für die Suchmission zusammenzustellen.« Mit einem schelmischen Funkeln in den Augen fügte er hinzu: »Das einzige Monster, das wir auf Kolasi III erschlagen müssen, wird James T. Kirk sein.«

VIER

Eine Such- und Rettungsmission war nicht das, was Kirk erwartet hatte, als er an diesem Morgen aufgewacht war, allerdings hatte ihn der Dienst in der Sternenflotte gelehrt, sich auf das Unerwartete einzustellen. Seine Hoffnung war gewesen, die Grenzen der Föderation ein wenig weiter in den interstellaren Raum zu verschieben, doch was er wollte, war letztendlich bedeutungslos. Die Mission stand stets an erster Stelle, worum auch immer es sich handeln mochte, und sie konnte sich genauso verändern wie jedes andere Detail des Lebens, das Kirk und seine Besatzung an Bord eines Raumschiffs als selbstverständlich betrachteten. Dieses Risiko gehörte dazu, wenn man diese Uniform trug.

Auf dem Weg von seinem Quartier zum nächstgelegenen Turbolift spürte Kirk den subtilen, aber stetigen Puls des Warpantriebs des Schiffes, der die Schotten vibrieren ließ. Selbst die Deckplatten unter seinen Füßen summten voller Energie, während das Raumschiff mit hoher Warpgeschwindigkeit Kurs auf Kolasi III hielt.

Ihm fiel auf, dass im Korridor weniger Personal als sonst an ihm vorbeiging, und dann erinnerte er sich daran, dass die meisten Besatzungsmitglieder des Schiffes bereits auf ihren primären oder sekundären Stationen waren. Vielleicht sollte ich öfter Gelben Alarm auslösen. Angenehm, die Gänge zur Abwechslung mal für mich alleine zu haben.

Noch bevor Kirk sie erreichte, glitt die Tür zu Spocks Quartier auf. Sein Erster Offizier kam mit einer Datentafel unter dem linken Arm heraus, um dann mit der Leichtigkeit eines Balletttänzers neben Kirk herzugehen. »Captain.«

»Verspätet, Spock? Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«

Der Halbvulkanier ignorierte Kirks harmlosen verbalen Seitenhieb. »Ich habe Daten zusammengestellt, die für unsere Mission relevant sind. Dabei bin ich auf wesentlich mehr gestoßen, als ich erwartet hätte.«

Das weckte Kirks Neugier. »Was haben Sie gefunden?«

Sie blieben vor dem Turbolift stehen. Spock übergab Kirk seine Datentafel und drückte den Rufknopf für den Aufzug. »Ich habe einen Bericht des Sternenflottengeheimdienstes gefunden, der belegt, dass der vermisste Doktor Verdo enge Verbindungen zu Operation Vanguard unterhielt.«

Leichte Besorgnis schlich sich in Kirks Stimme. »Vanguard? Sind Sie sicher?«

»Ich bin mir absolut sicher.«

Die Türen öffneten sich. Spock betrat den Turbolift und griff nach dem Geschwindigkeitsregler, während Kirk ihm folgte. Sobald die Türen geschlossen waren, drehte Spock den Regler eine halbe Umdrehung, während er dem Computer mitteilte: »Deck sechs.« Begleitet vom leisen Schnurren des elektromagnetischen Antriebs, aber fast ohne jedes Gefühl von Bewegung, begann die Kabine ihre sanfte Fahrt nach unten, wobei er die von dem Vulkanier eingestellte Geschwindigkeit hielt.

Kirk schaute sich die Informationen auf der Tafel an. Verdo unterhielt nicht nur berufliche Beziehungen zu mehreren Wissenschaftlern, die gegenwärtig der Forschungseinheit von Operation Vanguard zugeteilt waren, es gab auch Hinweise darauf, dass die Sternenflotte Verdo konsultiert hatte. Als Kirk an die geheimnisvollen Machenschaften des Führungspersonals von Vanguard dachte, fühlte er sich plötzlich unwohl. »Was denken Sie, wie viel weiß er wohl über die wahre Mission von Vanguard?«

»Schwer zu sagen. Aber Doktor Verdo ist ein Experte für Xenobiologie und Genommedizin – zwei Fachgebiete, die für Vanguards Hauptziel unerlässlich sind.«

Kirk war klar, dass Spock darauf achtete, bestimmte Dinge nicht laut auszusprechen – insbesondere vermied er jegliche Erwähnung der uralten Vorläuferspezies, die als Shedai bekannt war, ebenso wie ihres mysteriösen Meta-Genoms, einer genetisch codierten Informationskette, die sie der Ursuppe von Dutzenden Welten in der riesigen Region, die als Taurus-Region bekannt war, hinzugefügt hatten.

Kirk gab Spock die Datentafel zurück. »Als wir uns das letzte Mal in die Angelegenheiten von Vanguard eingemischt haben, waren wir zu spät dran, um noch was zu bewirken.«

»Ich vermute, Sie meinen die Kolonie auf Ravanar IV?«

»Der rauchende Krater, der mal ein geheimer Abhörposten der Sternenflotte war, ja.«

»Ich würde dieser Mission keine große Ähnlichkeit mit unserem jetzigen Auftrag beimessen.«

»Vielleicht sollten wir das, Spock. Was, wenn Vanguards wertvolles außerirdisches Genom der Grund ist, warum Verdo nach Kolasi III geflogen ist? Seine bloße Anwesenheit hat die Tholianer dazu provoziert, das Labor zu bombardieren und einen Krieg mit der Föderation zu riskieren.« Der Turbolift bremste ab, um schließlich zum Stillstand zu kommen.

Die Türen öffneten sich und die beiden folgten dem Korridor zum Besprechungsraum auf Deck sechs. »Ich meine, überlegen Sie mal, Spock. Wenn wir nicht aufpassen, könnten wir in einen Krieg hineinstolpern, der den letzten Konflikt der Sternenflotte wie eine Spielplatzrauferei aussehen lässt.«

»Dann wäre es ratsam, extreme Vorsicht an den Tag zu legen.«

»Das ist das Mindeste.«

Ein besorgter Blick betonte die feinen Falten auf Spocks Stirn. »Darf ich einen Vorschlag machen, Captain? Im Interesse der Besonnenheit.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»In Anbetracht der geheimen Natur sämtlicher Angelegenheiten, die mit Operation Vanguard zusammenhängen, und der potenziell brisanten Natur einer Mission in der Neutralen Zone sollten wir vielleicht Admiral Nogura auf Sternenbasis 47 kontaktieren.«

Kirk blieb vor der Tür des Besprechungsraums stehen und sah Spock an, der neben ihm angehalten hatte. »Was wollen Sie damit sagen, Spock? Sie denken, wir sollten die Suche nach Verdo an Nogura und seine Leute abgeben? Mit welcher Begründung?«

Um Diskretion zu wahren, senkte Spock die Stimme. »Wenn Doktor Verdo mit Operation Vanguard in Verbindung steht, haben der Admiral und sein Team ein großes Interesse an seiner sicheren Rückkehr. Und wenn ich mit meiner Vermutung richtigliege, dass Doktor Verdos Forschungen auf Kolasi III mit dem Shedai-Meta-Genom zusammenhängen, wird Admiral Nogura sicherstellen wollen, dass das geheim bleibt.«

»Stimmt alles, Spock. Gleichzeitig ist das Ganze zu hundert Prozent Spekulation. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob Doktor Verdo zum Zeitpunkt seines Verschwindens für Operation Vanguard gearbeitet hat oder dass er überhaupt