Stationen meines Lebens - Monika Prem - E-Book

Stationen meines Lebens E-Book

Monika Prem

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Beschreibung

Vier Stationen im Leben von Monika Prem (*1939), wobei die erste eine Krankenstation im Klinikum Neuperlach ist, auf die sich die Autorin wegen einer Unterleibserkrankung begibt. Die drei weiteren Stationen sind Länder, die sie besucht, weil dort Verwandte von ihr leben: In die USA reist Monika Prem, um ihren Bruder Manfred und dessen Frau Ingelore zu besuchen. Nach Sibirien/Russland reist sie, um ihren Sohn Boris und dessen Familie zu besuchen. Nach Irland reist sie, um ihren Sohn Leander und dessen Familie zu besuchen. Wie gewohnt kleidet Monika Prem ihre Beobachtungen, Gedanken und tiefem Gottvertrauen entsprungenen Einsichten in eine ganz schlichte, ja karge Sprache.

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Seitenzahl: 518

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für meine sieben Kinder, für meine sieben Schwiegerkinder, für meine 25 Enkelkinder und für meine Schwiegerenkelin Giulia

Inhalt

Krankenhaus Seite

Meine beiden Krankenhausaufenthalte im Klinikum Neuperlach in München – eine biographische Erzählung (21. bis 28. Feb. 2008 und 7. bis 10. Mai 2008)

(Erstveröffentlichung 2008 als Manuskript in DIN A4)

Meine drei Flugreisen Seite

in die Vereinigten Staaten von Amerika (2005, 2016, 2019)

(Erstveröffentlichung 2022 als Manuskript in DIN A4)

Eine deutsche Familie emigriert Seite nach Sibirien

Meine Reise nach Sibirien und der vierwöchige Aufenthalt in Malinovka – eine biographische Erzählung (Frühjahr 2013)

(Erstveröffentlichung 2017 als kindle ebook)

Reisen nach Irland Seite

zu meinem Sohn Leander und seiner Familie (1. bis 11. Dez. 2022; 20. Feb. 2025 [Rückreise])

(Erstveröffentlichung der ersten Reise 2023 als Manuskript in DIN A4)

Weitere Titel von Monika Prem

(nicht in diesem Sammelband)

Aufbruch zur bewährten Familie mit Zukunft

(61 Seiten, erschienen 2007 im Literareon Verlag, vergriffen, ein Restexemplar bei der Autorin, soll demnächst gleich den beiden unten aufgeführten Titeln bei Book on Demand [BoD] erscheinen)

Erste Kinderjahre – Zweiter Weltkrieg

(104 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Fotos, erschienen 2024 bei Book on Demand [BoD])

Lebenserinnerungen – Lebenseinsichten

(Fortsetzungsband von ‚Erste Kinderjahre – Zweiter Weltkrieg‘, 270 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Fotos, erschienen 2024 bei Book on Demand [BoD])

Krankenhaus

Meine beiden Krankenhausaufenthalte im Klinikum Neuperlach in München – eine biographische Erzählung (21. bis 28. Feb. 2008 und 7. bis 10. Mai 2008)

Kurz vor 15 Uhr, am Donnerstag den 21. Februar 2008, verlasse ich meine gut aufgeräumte Wohnung in Laim, einem westlichen Stadtteil Münchens.

Nachdem ich im Postamt am Laimer Platz noch ein Päckchen aufgegeben habe, in dem sich ein russischer Sprachführer und eine Russland-Sibirien-Landkarte befinden, fahre ich mit der U-Bahn der Linie 5 bis Neuperlach Zentrum, steige dort in einen der vielen Busse um und erreiche nach drei Stationen das Städtische Krankenhaus Neuperlach.

Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der mit Rollen ausgestatteten Tasche, die ich an einem Griff hinter mir herziehe, betrete ich durch eine der beiden Glastüren, die sich lautlos öffnet und sich ebenso wieder hinter mir schließt, den breiten Gang des Erdgeschosses.

Linker Hand befinden sich eine Cafeteria, ein Blumenladen und die Krankenhausbücherei.

Ein Blick auf meine Armbanduhr bestätigt mir meine exakte zeitliche Planung, die mich aber gleichzeitig überrascht. Wegen des Gepäcks fahre ich heute mit dem Lift und zwar in das vierte Stockwerk, hier Ebene 4 genannt, wo ich um 16 Uhr im Stationszimmer der Station 40 erwartet werde.

Schwester Katja, eine große, kräftige Person, etwa Mitte dreißig mit blonden Haaren, die sie am Hinterkopf zu einer Rolle zusammen gesteckt hat, und der Sprache nach aus den neuen Bundesländern, aus Thüringen, wie ich später erfahre, stammend, weist mir das Zimmer gleich gegenüber dem Stationszimmer zu. Links an der Wand stehen drei Betten, die alle besetzt sind. Ein zusätzlich hereingeschobenes Bett an der rechten Wand ist leer und anscheinend für mich vorgesehen. Katja erklärt mir in großer Eile, dass noch an diesem Abend das linke Bett frei würde, weil die Dame, die darinnen liegt, heute Abend noch nach Hause gehen werde.

Ich sehe mir die Dame näher an - anscheinend eine Chinesin - und begreife nicht, wie sie heute noch die Klinik verlassen kann. Ihr gelblich wächsernes Gesicht liegt umrahmt von pechschwarzen Haaren auf dem weißen Kissen und erscheint mir wie eine reliefartige Skulptur. Mir schaudert fast, denn sie liegt da, als würde sie nie wieder erwachen.

Während ich mutlos auf dem Bett sitzend und innerlich aufgewühlt Gott um seinen Beistand bitte, kommt Katja wieder und sagt, dass ich in das Behandlungszimmer kommen soll, damit sie mir einen Einlauf machen könne. Ich bin froh, dass sie ihn nicht hier macht.

Rechts am Fenster liegt eine ältere Dame, die mich erwartungsvoll beobachtet. Ich gehe zu ihr, gebe ihr die Hand und stellte mich vor. Es ist Frau Maier, etwa 75 Jahre alt. Ich frage, ob das Maier mit ai geschrieben wird. Sie bejaht es und ich sage ihr, dass ich denselben Mädchennamen hatte.

Die Dame, die in der Mitte zwischen der marmorgleichen Chinesin und Frau Maier liegt, ist ein junges Geschöpf mit blonden und brünetten Strähnen im Haar. Sie hängt am Tropf, wirft den Kopf hin und her und stößt leidende, unartikulierte Worte aus.

Ich frage Frau Maier, ob ich ein wenig das Fenster öffnen dürfe. Sie macht ein bedenkliches Gesicht und meint, das ginge wegen der Frischoperierten nicht. Die Luft im Zimmer ist heiß und stickig. Ich gehe zum Fenster und versuche hinter den riesigen in Falten herabhängenden Tüllvorhängen eine Möglichkeit zu finden, ein klein wenig frische Luft herein zu lassen. Ein schmales hohes Fenster, das sich ganz rechts befindet, lässt sich öffnen. Leise schiebe ich den Vorhang wieder zurecht. Frau Maier ist mittlerweile mit sich selbst beschäftigt.

Ich gehe zurück zu meinem Bett, der Rucksack und die Reisetasche stehen am Kopfende auf dem Boden. Während ich beinahe in Panik gerate, und das Gefühl habe, dass ich hier keine Nacht zubringen kann, fällt mir wieder Katja mit ihrer Klistierspritze ein.

Der Waschraum befindet sich rechts von der Türe. Er ist eineinhalb Quadratmeter groß; rechts und links oberhalb des Waschbeckens befindet sich ein Behälter mit flüssiger Waschlotion, ein anderer mit Desinfektionsmittel. Eine Wand, in der die drei Kleiderspinde eingelassen sind, und ein blauer Vorhang trennen das Patientenzimmer vom Waschraum.

Zwei Regale, in denen je vier Aufhängehaken befestigt sind, also im ganzen acht Stück, sind für Handtücher, Waschlappen und zum Aufbewahren weiterer Körperpflegeartikel.

Ich verlasse den Raum und schaue mich in dem langen Gang um. Ärzte, Pfleger, Schwestern und Zivildienstleistende unterhalten sich oder rennen an mir vorbei.

Plötzlich entdecke ich Schwester Katja und ich sage ihr, dass ich mich lieber vorher entkleiden und mein Nachthemd anziehen möchte. Sie spricht sehr schnell und zeigt auf einen weißen Schrank, in dem Gläser, Tassen, Kunststoffbecher und große Wasserkannen mit blauen und roten Schraubdeckeln stehen, die man sich holen kann, um sich am schräg gegenüberliegenden Getränkeautomaten mit Sprudel oder Stillem Wasser zu versorgen. Mir fällt die Vielfalt an Teesorten auf. Die Aufgussbeutel in den länglichen Schachteln stehen in einem Regal über den Getränkeautomaten. Neben dem Kaffeeautomat befindet sich der Heißwasserhahn. Tag und Nacht kann man sich hier bedienen. Zucker und Salz in kleinen Tüten und winzige Kondensmilchbehälter befinden sich in Glasbehältern. Es hängt ein Schild dort mit der Aufschrift „Nur für Patienten“.

Gerade als ich hier vorbeischlendere, kommt eine sehr dünne junge Frau; ich höre sie schon von weitem schimpfen. Sie bleibt am Automaten stehen. Ihr Gesicht ist rot und nass, sie ist erhitzt, die wirren Haare hängen ihr übers Gesicht und sind nur teilweise im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Sie zetert unaufhaltsam vor sich hin und schaut dabei nach rechts und nach links. Während sie Sätze wie: „Hier lässt man einen einfach verdursten“, ausstößt, zieht sie eine Campingflasche unter ihrer zu weiten, glänzenden Schlafanzugjacke hervor und füllt sie mit Wasser.

Ich betrete wieder mein Krankenzimmer und beginne mich langsam zu entkleiden. Ich fühle den Blick von Frau Maier im Nacken, aber dann dreht sie sich weg. Ich entscheide mich für das kleinkarierte blauweiße Nachthemd. Ich habe ohnehin nur zwei Stück dabei. Nachdem ich meinen blassgelben Morgenmantel angezogen habe, verlasse ich wieder das Zimmer.

Ich gehe zum Behandlungszimmer und sehe ein Papierschild an der Türe hängen mit der Aufschrift „besetzt“. Katja hetzt wieder vorbei und meint lakonisch, dass ich nun eben warten müsse. Das macht mir nichts aus, besteht das Leben hier nicht ohnehin vorwiegend aus Warten? Sie eröffnet mir noch schnell, dass ich bis um 24 Uhr noch trinken dürfe und zum Abendessen nur eine kleine Schüssel Suppe bekäme. Dann aber nichts mehr vor der morgigen Operation zu mir nehmen dürfe. Ich höre ihr schweigend zu, frage sie aber noch, was es mit der Frau, die laut schimpfend herumläuft, auf sich hat. Sie entgegnete ein wenig unwirsch, man kenne die zur Genüge, sie sei eigentlich ein Fall für die Psychiatrie. Ich habe wieder ein beklemmendes Gefühl und will das auch Katja sagen, aber noch ehe mir das gelingt, ist sie schon wieder weg.

Inzwischen schiebt das Klinikpersonal bereits die großen Wagen gefüllt mit den unzähligen hellgrauen Tabletts, Warmhaltetellern mit orangefarbenen Deckeln, Schüsseln, Bestecken, aber auch einer Unmenge von kleinverpackten Lebensmitteln durch die Krankenhausgänge. Es ist erst 16.30 Uhr. Wo mögen diese unglaublich großen Müllberge, die durch die Essensreste anfallen, wohl alle landen? Ich hoffe, sie werden Schweinemastbetrieben zugeführt.

Was die Patienten zu Essen bekommen, ist wohl mit dem zu vergleichen, was man in einem ländlichen, nicht mit allzu anspruchsvollen Gästen verwöhnten Gasthaus erhält.

Die Erkenntnis, dass Ernährung viel mit Gesundheit oder Krankheit zu tun hat, scheint nicht ins Konzept eines Krankenhauses dieser Ausmaße zu passen. Es muss dort eingespart werden, wo es am wenigsten sichtbar und der Verlust an Prestige am geringsten ist und das ist in den Mägen der Patienten.

Ich habe nichts zu tun und beobachte ungestört den Betrieb um mich herum. Ich frage mich, ob die Patienten an einer gesünderen Ernährung, die sie vielleicht teilweise selbst mitfinanzieren müssten, überhaupt interessiert wären. Es sind, denke ich, nur wenige, die solchen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen wären und ihre Lebensweise ändern würden. Es werden ganz nebenbei noch große Mengen an Näschereien und ungesunden Getränken konsumiert. Diätetische Maßnahmen von Seiten der Klinik werden erst dann unternommen, wenn sie zur Therapie eines Patienten unumgänglich sind.

Inzwischen ist das Behandlungszimmer frei geworden und ich suche mit den Augen Schwester Katja. Ich entdecke sie und sie winkt mir; wir betreten den Raum und sie zeigt auf das einzige Bett, auf das ich mich legen soll. Sie füllt einen Topf mit lauwarmem Wasser, an dem ein etwa einen halben Meter langer Schlauch hängt. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat und ich mich krümme, sagt sie, ich solle so lange wie möglich das Wasser im Darm halten. Ich verspreche das und wir verlassen den Raum.

Nun plane ich weitläufige Spaziergänge und entdecke dabei, dass ausreichend Toiletten vorhanden sind, denn das werden für die kommenden Stunden meine wichtigsten Zufluchtsorte sein.

Der Flur führt an einem von Glaswänden umgebenen Platz vorbei, den man von zwei Seiten betreten kann. Auf diesem stehen einige braune Holztische umgeben von blauen Stühlen. In jeder der sechs Etagen befindet sich so eine Besucher - und Patienteninsel; es liegen auch Zeitungen und Zeitschriften auf.

Ich bemerke einen jungen Mann, der ein wenig nach vorne gebeugt dasitzt, den Kopf in eine Hand stützt und irgendwie kummervoll aussieht. Trotz meines mittlerweile starken Bauchgrimmens bemerke ich bei näherer Betrachtung sein asiatisches oder sogar fernöstliches Aussehen. Plötzlich fällt mir die Chinesin in meinem Zimmer ein und ich stelle gedanklich einen Zusammenhang zwischen den beiden her. Da meine Bauchschmerzen und der Druck nun zu heftig werden, suche ich schnellstens eine Toilette auf. Anschließend gehe ich ins Zimmer, wo Frau Maier bereits an dem Esstisch sitzt, der in der Nähe des Fensters steht, und ihr Abendessen zu sich nimmt. Auch mein Suppenschüsselchen steht auf dem Tisch. Ich setze mich Frau Maier gegenüber und wir kommen ins Gespräch. Sie sagt, der Grund ihrer Einweisung in die Klinik sei, dass sie seit vierzehn Tagen keinen Stuhlgang mehr habe. Ich bin erstaunt, dass dieser Tatbestand bereits eine Klinikaufenthalt rechtfertigt. Mir wird aber schnell klar, dass diese Maschinerie, von der man hier umgeben ist, am Laufen gehalten werden muss. Mit der Tatsache, dass ein Klinikaufenthalt etwas durchaus Magisches hat, werde ich in den nächsten Tagen noch einige Male konfrontiert werden. Einerseits ist ein solcher ein Auswegfür Menschen, die der Einsamkeit entfliehen wollen, und andererseits für jene, die ihrer eigenen Wahrnehmung nicht trauen und die eigenständige Behandlung ihres Körpers selbst bei harmlosen Erkrankungen als zu riskant betrachten oder diese als beinahe verantwortungslos ablehnen. Auch ist der Glaube an die Ärzte ungebrochen, und das selbst dann, wenn jemand schon mehrmals mit der Unzulänglichkeit ärztlicher Kunst konfrontiert wurde. Es ist wohl ihre Aura, ihr gleichbleibend souveränes Auftreten, ihr schwer durchschaubarer Charakter, was Ärzte so unwiderstehlich macht. Gerade Ausländer, vorwiegend solche aus südlichen oder östlichen Ländern, haben große Ehrfurcht vor dem hohen technischen Standard deutscher Kliniken und denen, die sich dieser Technik bedienen.

Frau Maier fragt mich, weshalb ich hier bin, ich sage es ihr und sie sagt, sie hätte diese Operation, bei der die Gebärmuttersenkung behoben wurde, vor zwei Wochen auch machen lassen, aber mit einem Bauchschnitt von dieser Länge. Dabei hebt sie beide Hände in der Höhe der Tischplatte und dazwischen entsteht ein Abstand von etwa 25 Zentimetern. Seitdem streike ihr Darm und sie sei inkontinent. Ich erschrecke innerlich und flehe zu Gott und während ich auf meine Gepäckstücke starre, kommt mir der Gedanke schnell und lautlos die Klinik zu verlassen. Ich soll morgen ohne Bauchschnitt mit einer anderen Methode die gleiche OP bekommen. Mit diesem Gedanken versuche ich mich ein wenig zu beruhigen.

Die junge Dame in dem mittleren Bett rekelt sich auf ihrem Kissen und nachdem sie ununterbrochen leise Laute von sich gibt, denke ich, sie führe Selbstgespräche - wohl eine Nachwirkung der Narkose. Plötzlich bemerke ich etwas Glitzerndes in einer ihrer Hände, das sie zur Hälfte unter der Bettdecke versteckt hält. Ich höre, wie sie ihrem Handy liebevolle Worte zuflüstert; dann verzieht sie ihr Gesicht zu einem leisen, schmerzvollen Lachen. Diese Beschäftigung setzt sie etwa zwei Stunden fort. In den kurzen Pausen klagt sie über Schmerzen am Bauchnabel. Den Grund ihrer Operation weiß sie nicht, aber ihr Papa wird am nächsten Morgen kommen und den Ärzten ordentlich Bescheid sagen.

Sie heißt Nadine, krümmte sich tagelang wegen fürchterlicher Bauchschmerzen, und nachdem die Ärzte durch Ultraschall und andere Untersuchungen nichts Krankhaftes feststellen konnten, wurde ihr von den Chirurgen am Bauchnabel und in der Leistengegend der Bauch aufgeschnitten, um sie von innen zu betrachten. Aber auch das brachte keinen Befund. Nun hat sie zwei Schnitte und zwei Nähte und darf bald wieder heim.

Nadine ist zwanzig Jahre alt, leitet ein Jugendzentrum in dem Münchener Vorort Käferloh, hat viel Erfahrung mit Jugendlichen, ist streng und zeigt ihnen die Grenzen auf, ist ehrgeizig und will nebenbei noch das Fachabitur machen um Sozialpädagogik zu studieren. Sie hat noch zwei kleine Halbgeschwister von vier und zwei Jahren, einen Jungen und ein Mädchen. Das sind die Kinder aus der zweiten Ehe ihres Vaters; alle zusammen, auch Oma und Opa leben in einem Haus.

Mittlerweile ist auch die Chinesin aus ihrem Tiefschlaf erwacht und schaut ernst und fragend um sich. Ich betrachte ihre mandelförmigen Augen und ihr schmales, makelloses Gesicht. Ihre Haut ist wie aus ockerfarbenem Samt. Sie erscheint mir im wachen Zustand noch schöner und ich denke bei ihrem Anblick an fernöstliche Malerei. Besonders an chinesisches Porzellan, das nicht nur mit Blumengebilden, sondern auch mit solch grazilen Frauen verziert ist. Eine Krankenschwester hat mittlerweile die Infusionsflasche, die an einem Gestänge hängt, hinausgeschoben und das Pflaster von ihrer Hand entfernt.

Ich muss das Zimmer wieder schleunigst verlassen, weil erneuter Drang in meinem Gedärm mich dazu zwingt.

Als ich zurückkomme, sehe ich den Mann, den ich auf der Besucherinsel beobachtet habe, neben der Chinesin am Bett sitzen. Er redet leise in dieser merkwürdigen, konsonantenarmen chinesischen Sprache auf sie ein. Sie blickt schweigend vor sich hin und reagiert mit wenigen Worten ohne ihre Miene zu verändern. Sein Gesicht ist ernst und angespannt und ich spüre, wie Mitleid in mir hochsteigt. Ich verlasse lautlos den Raum.

Mittlerweile ist es 19.30 Uhr und ich entschließe mich das Krankenhaus auszukundschaften und viel zu laufen, um nachts wenigstens halbwegs schlafen zu können. Die für morgen geplante Operation erzeugt in mir eine gewisse Ruhelosigkeit.

Als ich gerade in einem etwas größeren Abstand zu den beiden Liften hinter der Glaswand stehe, bemerke ich die in einen fliederfarbenen, leichten Plüschmantel gehüllte Chinesin. Ich erkenne sie, obwohl ich sie nur von hinten sehe. Neben ihr steht der Mann, ihr Mann oder ihr Freund - ich weiß es nicht - und trägt die Tasche. Der Aufzug hält, beide steigen ein, die Türe schließt sich und sie sind weg.

Nach einigen Runden gehe ich in mein Zimmer, aber mein Bett steht immer noch an der rechten Wand und das zerwühlte Bett der Chinesin ist auch noch da.

Frau Maier liegt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und Nadine ist immer noch mit ihrem Handy beschäftigt. Ich gehe zur Wand mit den großen Fenstern, die der Türe gegenüber liegt, und öffne das schmale Fenster und es strömt wunderbare milde Abendluft herein. Den Tüllvorhang ziehe ich wieder davor. Ich bin froh, dass niemand etwas dagegen hat, aber vielleicht wurde es auch nicht bemerkt.

Ich verlasse das Zimmer wieder - mittlerweile ist es bereits 20.25 Uhr - und hoffe Katja zu begegnen, um zu fragen, wann das Bett der Chinesin hinausgeschoben wird. Als ich sie treffe, meint sie nur, dass sie bis jetzt dafür noch keine Zeit hatte.

Da eine lange Nacht vor mir liegt, in der ich voraussichtlich wenig Schlaf finden werde, setze ich meine Streifzüge fort. Die Flure beginnen sich zu leeren. Ärzte sind kaum noch zu sehen, nur Pfleger, Schwestern oder eine Reinigungskraft, die meist aus östlichen Staaten wie Polen, der Ukraine oder Serbien stammt. Ab und zu geht irgendwo eine Türe auf und eine gut gestylte Dame rennt erhobenen Hauptes an mir vorüber. Hierarchisch hochgestelltes Klinikpersonal läuft durchwegs schnell, was dem unbedarften Beobachter das Gefühl von Dringlichkeit, Wichtigkeit und Zeitmangel suggeriert. Dabei zeigt das Gesicht einen Ausdruck von Angespanntheit und Zielstrebigkeit. Ganz im Gegenteil zu den Patienten, die häufig mit leeren Gesichtern träge und langsam die unendlich langen Flure entlang schleichen.

Das Rauchen ist überall, auch in der Cafeteria, verboten. Raucher sind gezwungen, bei Kälte, Regen und Sturm das Freie aufzusuchen. Da stehen sie dann oder sitzen auf den wenigen Stühlen und ziehen gierig an ihren Zigaretten. Zum großen Teil sind es Männer, Frauen stehen weiter abseits. Einige nur in Bademäntel gehüllt in Rollstühlen kauernd, andere die Infusionsflasche an den fahrbaren Ständern neben sich herziehend oder sich auf Krücken stützend, mühevoll den Glimmstengel haltend. Traurige, fahle Gesichter, die nichts mehr zu hoffen haben, das Krankenhaus ist ihr letzter Halt. Wie viel Elend mag sich verbergen in dieser hochtechnokratischen, glitzernden, bis ins kleinste Detail durchorganisierten Maschinerie.

Ich begegne nur noch wenigen Patienten; ich mutmaße, dass viele von ihnen mit dem abendlichen Fernsehprogramm beschäftigt sind. Auch in meinem Zimmer befindet sich nahe des Fensters unter der Decke an einem großen Haken ein Fernsehgerät.

Die Säuglingsstation liegt der Station 40, in der ich untergebracht bin, schräg gegenüber. Dorthin lenke ich meine Schritte und höre aus dem Neugeborenenzimmer leise, aber dennoch kräftige Schreie. Ich freue mich über den neuen Erdenbürger und bitte Gott, dass er ihn bewahren möge. Ich sehe mir noch die vielen Fotos von Babys an, die überall an den Wänden des Flures der Wöchnerinnenstation hängen. Ich durchwandere den ganzen Gang, komme aber am Ende nicht weiter, da es weder rechts noch links eine Abbiegung gibt und gehe also wieder zurück.

Die anderen Etagen beschließe ich in den nächsten Tagen zu erkunden. Es sind acht Stockwerke; über mir befinden sich noch zwei Ebenen, also die fünfte und die sechste Etage. Unter der Ebene eins, also dem Parterre, sind noch zwei Kellergeschosse, wo sich die Küchen, Wäschereien und Personalkantinen befinden. Vom untersten Kellergeschoss aus führen unterirdische Gänge in die anderen Klinikgebäude.

In jeder Etage hängen große weiße Tafeln mit grüner Umrandung. Darauf stehen unglaublich viele Fremdwörter, die aber ohne fundierte Latein- oder Griechischkenntnisse nicht zu enträtseln sind. Für jeden kleinsten Körperteil scheint es extra ausgebildete Ärzte zu geben, die ausschließlich auf diesen Teil spezialisiert sind. Mir kommen Gedanken in den Sinn wie die ganzheitliche Betrachtung des menschlichen Organismus mit Einbeziehung von Seele und Geist. Vielleicht käme man dann manchem Leiden eher auf die Spur. Aber passt das überhaupt ins Konzept moderner Schulmedizin? Während ich darüber noch in verschiedene Richtungen nachsinne, entdecke ich eine der runden Uhren, die von der Decke hängen und deren Zeiger bereits auf 21.40 Uhr zeigen. Eigentlich nicht spät, aber für hier eben doch.

Ich suche wieder einmal, wie schon so oft an diesem ersten Abend, mein Zimmer auf. Das Bett der Chinesin ist verschwunden und stattdessen steht meines an derselben Stelle. Daneben befindet sich der obligatorische fahrbare Krankenhaustisch mit der ausziehbaren Tischplatte, einem Schubfach und einem großen Fach darunter.

Ich trage meinen Rucksack und die Tasche, die beide immer noch an der gegenüberliegenden Wand stehen, herüber und räume meine Sachen in den rechten Schrank ein, dessen Türe offen steht. Die Waschutensilien, zwei Handtücher, zwei Waschlappen und das Zahnputzzeug, lege und hänge ich auf den leeren Platz und an die leeren Haken im Waschraum. Es ist der Platz gleich neben dem Waschbecken.

Frau Maier liegt im Bett und hat ein weißes, handyähnliches Gerät in der Hand, das sie ans rechte Ohr hält. Da sie keinen Laut von sich gibt und auch keine Miene verzieht, denke ich, sie ist während eines Gespräches eingeschlafen. Nadine hält sich momentan ganz still, was aber nicht lange währt, denn schon schrillt wieder ihr Mobiltelefon, das sie mit glückseligem Lächeln ans Ohr presst. Während ich sie bisher in einwandfreiem Hochdeutsch sprechen hörte, spricht sie nun in einem perfekten bayerischen Dialekt. Später erzählt sie mir, dass sie sich immer ihrem Gesprächspartner anpassen würde. Aber es sind meist Familienangehörige, mit denen sie sich auf bayerisch unterhält.

Rechts über meinem Bett an der Wand entdecke ich auch so ein weißes Gerät, wie Frau Maier es hat und gewiss auch Nadine. Ich nehme es herunter und bemerke, wie unleserlich und teilweise verkratzt die einzelnen Zeichen sind. Das Gerät sieht einem Handy nicht unähnlich, gehört aber wohl zum Inventar einer modernen Klinik. Ich drücke auf die oberste Taste, es dauert nicht lange und die Türe geht auf und eine Schwester stürzt herein. Sie sieht mich an, entdeckt das Teil in meiner linken Hand und beginnt mir so schnell, wie ihr das möglich ist, die einzelnen Funktionen zu erläutern. Ich habe Mühe, das alles nachzuvollziehen, aber vor allem die Funktion der oberste Taste präge ich mir ein. Ich entschuldige mich und die Schwester ist schon wieder weg. Während ich nun auf dem Pseudohandy herumdrücke, finde ich zwei verschiedene Radiosender, die mir aber nicht gefallen; es gelingt mir nicht die Sender Bayern 2 oder Bayern 5, den Informationssender, zu bekommen.

Frau Maier und Nadine unterhalten sich leise miteinander. Eine von beiden sagt etwas von einer ambulanten Operation. Ich höre Wortfetzen und stutze ein wenig, da sie über Kindsabtreibung reden. Ich beginne etwas zu ahnen, aber dann verwerfe ich den Gedanken wieder. Aber plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen und ich begreife, was geschehen ist. Mein Bett steht auf dem Platz, wo vor wenigen Stunden die Chinesin lag, die ein Baby abtreiben ließ.

Ich bin deprimiert und entsetzt und starre vor mich hin. Ach lieber Gott, warum musste das geschehen. Frau Maier meint: „Wahrscheinlich hat sie es machen lassen, weil das Kind behindert war.“ Aber wer weiß das schon - vielleicht war es ja gesund.

Während Nadine mit der Fernbedienung spielt und dadurch immer wieder andere zusammenhangslose Fernsehbilder auf der Mattscheibe erscheinen, treibt mich der Gedanke noch einmal hinauszugehen. Nadine fragt vorsichtshalber, ob es mich stört, wenn sie fernsieht. Ich verneine es, bin aber froh, weit genug von dem Fernseher entfernt zu liegen. Frau Maier scheint eingeschlafen zu sein.

Meine krampfartigen Bauchschmerzen haben nachgelassen, ich bin erleichtert und gehe in den Waschraum. Während ich ins Bett steige, sehe ich auf meinem Nachtisch feinsäuberlich zusammengelegt drei weiße Teile liegen. Ein Nachthemd, das nur am Hals zwei Bändchen hat, aber sonst ganz offen ist, ein Paar elastische Thrombosestrümpfe und einen netzartigen Slip. Das werde ich alles morgen früh anziehen, bevor ich in den Operationssaal gefahren werde. Genauso wie alle andern, die hier täglich von morgens bis abends über die Flure, in die Lifte und in die Zimmer geschoben werden.

Ich hatte noch schnell Katja, bevor sie ihren Dienst mit der Nachtschwester namens Jutta eintauschte, gefragt, wann ich morgen operiert werde. Sie schaut im Stationszimmer auf einen Plan und sagt, dass ich gleich am Morgen die Zweite wäre. Das heißt, ich komme ca. um 8.30 Uhr dran. Sie fügt noch hinzu: „Vorausgesetzt, es kommt kein Notfall, wie zum Beispiel ein Kaiserschnitt, dazwischen.“

Es geht bereit auf 23.00 Uhr zu und ich verspüre neben meiner aufgewühlten Gemütslage eine leichte Schläfrigkeit. Auch bei Nadine brennt mittlerweile das Licht nicht mehr. Beide Frauen schlafen ruhig. Ich nehme meine Bibel zur Hand, schlage 1. Korinther 13 auf und lese das „Hohe Lied der Liebe“. Zunächst möchte ich noch ein wenig im „Jung Stilling“ lesen, aber dann entscheide mich anders und lösche das Licht. Ich bete noch und denke wieder an die Chinesin und an ihren Mann. Ich habe das Gefühl, dass er den Abbruch nicht gewollt hat. Ihr werden eines Tages die Augen aufgehen. Ich versuche für sie zu beten, aber es gelingt mir nur schwer. Ich schlafe allmählich ein, erwache aber häufig und schlafe wieder ein, bis irgendwann die Nacht zu Ende ist. Ich habe meine Glaskaraffe bis oben hin mit Wasser gefüllt und sie bis Mitternacht beinahe leer getrunken.

Morgens erhalten beide Frauen das obligatorische Frühstück. Zwei Semmeln, Butter, Honig, Marmelade, alles in winzigen Behältern verpackt, und ein wenig in durchsichtige Folie eingeschlagenen Hartkäse. Beim Hereintragen, es ist ca. 7.30 Uhr, ruft die Schwester - für mich ein neues Gesicht - mit kräftiger Stimme und östlichem Akzent: „Was wollen Sie trinken, Kaffee oder Tee?“ Ich habe nicht wahrgenommen, für was sich die beiden entschieden, aber zu Frau Maier sage ich, und da pflichtet sie mir bei, dass ein solches Frühstück bei ihrer Darmsituation doch völlig ungeeignet sei. Vielleicht könne sie etwas anderes bekommen. Aber sie macht nur eine abwinkende Handbewegung, als wollte sie sagen, damit muss man sich abfinden.

An meinem Bett versuche ich den an der Seite angebrachten Hebel zu bewegen um das Rückenteil hochzustellen. Es gelingt mir sogar und ich setzte mich aufrecht ins Bett und bin nervös und kann mich auf nichts konzentrieren. Es beginnen sich allmählich Kopfschmerzen anzukündigen. Um der zu erwartenden Übelkeit vorzubeugen, spüle ich eine halbe Kopfwehtablette, die ich von daheim mitgebracht habe, mit einem Schluck Wasser hinunter. Die Schmerzen im Kopf lassen nach, aber sonst geschieht nichts. Auf den Befehl meine OP-Kleidung anzuziehen, warte ich vergebens.

Die Zeit vergeht und es ist bald 9.35 Uhr. Plötzlich geht die Türe auf, eine Schwester huscht herein und stellt mir eines jener unzähligen, kleinen Plastiktöpfchen mit einer roten Tablette darin vor die Nase mit den Worten: „Nehmen Sie das, und ziehen Sie die OP-Wäsche an!“ Aber eh ich die Schwester näher betrachten kann, ist sie schon wieder weg.

Ich gehorche und nach etwa 10 Minuten kommt sie wieder, aber es scheint nicht die von vorhin zu sein. Es ist die rothaarige Person mittleren Alters, sehr üppig, mit kräftiger Stimme und demselben östlichen Akzent wie die, welche das Frühstück brachte. Sie löst wortlos die Bremsen an meinem Bett, öffnet die Türe und schiebt mich auf den Flur. Die rote Tablette beginnt bereits ihre Wirkung zu entfalten und was Nadine mir hinterher ruft, verstehe ich nicht mehr. Ich genieße es im Bett herumgeschoben zu werden und frage die Schwester, woher sie stammt. Sie sagt es mir nicht, aber das ist mir - wie allmählich alles andere auch - egal. An dem großen Lastenlift müssen wir warten, bis er kommt, und ich finde es merkwürdig und schön zugleich alles um mich herum aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich bedaure meinen Fotoapparat nicht mitgenommen zu haben.

Die Liftfahrt ist kurz, da es nur eine Etage - also in die dritte Ebene - hinunter geht. Auf die Frage, wo die Operation stattfindet, antwortet die Schwester so knapp wie möglich, ansonsten spricht sie kein einziges Wort. Wir kommen an einer breiten Türe an und müssen eine Weile davor stehen bleiben, da so viele Betten in die OP-Räume hinein – und hinausgeschoben werden. Ich fühle mich ganz schwerelos und nehme das, was an Geräuschen um mich herum geschieht, mit einer sich steigernden Gleichgültigkeit wahr.

Nun wird ein Mann von zwei Pflegern an mir vorbeigeschoben, der hinter den Kabeln, Drähten, Schnüren und Flaschen beinahe verschwindet. Aber plötzlich bemerke ich seine aufmerksamen Augen, die nach rechts und links blicken. Er liegt in einer merkwürdig gekrümmten Stellung im Bett und sieht zu meinem Erstaunen ganz heiter aus. Es liegt aber auch ein leichter Anflug von Zynismus in seinem Gesichtsausdruck. Er scheint einer von jenen Menschen zu sein, der das Schicksal, das ihm widerfahren ist, als eine Art von Ungerechtigkeit empfindet und die Rundumversorgung, wie sie ihm täglich von vielen Menschen zuteil wird, nicht als einen besonderen Akt der Gnade betrachtet, sondern als ein ihm zustehendes, wohl verdientes Recht.

Die Schwester grummelt etwas vor sich hin. Ich nehme an, das lange Warten gefällt ihr nicht.

Auf einmal öffnet sich eine zweite Türe und ich denke, nun ist meine Stunde gekommen. Ein junger Mann in grünem Arztkittel, sehr freundlich und lebhaft, stellt sich mir als Anästhesist vor. Um ihn herum springt ein ebenso liebenswürdiges, auch grün gekleidetes Mädchen. Sie bindet meinen linken Arm ab, während beide lachend und scherzend Sätze hin und her werfen. An mich gewandt erklären sie mir die Wirkung der Narkose. Es ist das Letzte, was mir in Erinnerung geblieben ist. Nun geht alles ganz schnell. Sobald die Nadel in meiner Armvene steckt und das Serum in die Vene fließt, verliere ich das Bewusstsein. Was dann in den nächsten Stunden vor sich geht, wird für mich für immer im Dunkeln bleiben.

Als ich wieder zu mir komme, ist es etwa 14.00 Uhr und ich bin bereits in meinem Zimmer. Die Zeit im Aufwachraum habe ich wohl verschlafen.

Töne und Laute dringen wie aus großer Entfernung an mein Ohr. Ich blinzele ein wenig, falle aber gleich wieder in einen Tiefschlaf. So geht das anscheinend eine ganze Zeit lang. Jede kleine Bewegung schmerzt. Die Infusionsflasche an einem Schlauch hängt riesig über mir, auf meiner rechten Hand klebt ein Verband und da endet der Schlauch in einer schwarzen Klammer, in der eine Hohlnadel steckt. Die Worte von Frau Maier und Nadine verstehe ich nur bruchstückweise, immer wieder versinke ich in tiefen Schlaf. Plötzlich verspüre ich Durst, kann mich aber nicht äußern. Auf einmal steht der schwarzhaarige Pfleger wie ein Engel neben mir und fragt, wie es mir geht. Ich sage mühevoll: „Es geht mir gut und ich habe großen Durst.“ Daraufhin bringt er mir ein fest verschweißtes kleines Päckchen. Nachdem ich die Tüte nicht aufreißen kann, öffnet er sie und reicht mir eines der beiden Stäbchen, das in einer mit Zitronensaft getränkten, watteähnlichen Verdickung endet. Das soll ich lutschen, ich mache es, und es schmeckt nicht einmal schlecht und hilft ein wenig gegen den Durst.

Bis ca. 18.00 Uhr wechseln wache Momente mit Tiefschlaf ab. Nachdem ich wieder sehr durstig bin, bringt mir der Pfleger - seinen Namen habe ich nie erfahren - den gefüllten Wasserkrug. Ich bin ihm sehr dankbar.

Wenn ich mich zu drehen versuche, schmerzt die ganze Beckenregion und ich fühle eine große Schwere in den Gliedern. Ich bemerke, dass links am Bett eine Flasche hängt, ich nehme an, dass es die Kathederflasche ist.

Jetzt dämmere ich noch vor mich hin, höre Stimmen um mich herum und ich fühle mich wie im Traum. Allmählich werde ich wach, was ich aber beinahe bedauere, denn in diesem schlaftrunkenen Zustand fühlte ich mich leicht, als würde ich fliegen, und das hat durchaus etwas Reizvolles.

Mit einem Mal bin ich hellwach und das Zimmer ist in ein fahles Dämmerlicht getaucht. Ich höre leises Gewisper und drehe mich ein wenig nach links und sehe einen jungen Mann, wahrscheinlich der Freund von Nadine, der mit dem Oberkörper in ihrem Bett liegt und sich an sie schmiegt. Sie kichern und flüstern abwechselnd und ab und zu steht der junge Mann auf und geht nach draußen. Nadine hat bemerkt, dass ich aufgewacht bin, ist aber schon wieder in ein Handygespräch vertieft.

Es ist Freitagabend, der 22. Feb. 2008 und ich bin erstaunt, wie ereignisreich ein Klinikaufenthalt in der kurzen Zeit von 14 Stunden sein kann.

Ich liege ganz ruhig und fühle mich so ausgeschlafen, dass ich, als die Nachtschwester hereinkommt und mir drei Schmerztabletten in einer länglichen Schachtel auf den Tisch stellt und fragt, wer eine Schlaftablette brauche, sie um eine bitte. Die Schmerztabletten lasse ich stehen. Dann hebt sie die Bettdecke hoch, sagt schnell, welche Seite, und gibt mir die obligatorische Spritze in den Oberschenkel, um der Gefahr einer Thrombose vorzubeugen. Das wiederholt sich jeden Abend und ich habe schon einige blaue Flecken. Schwestern sprechen nur so viel, wie unbedingt nötig ist, und haben es meist eilig. Mir fällt der Automatismus auf und mit welcher Routine alle Tätigkeiten durchgeführt werden.

Ob gegen Schmerzen, Verdauungsstörungen oder Schlafstörungen, was auch immer, es ist ganz leicht an Medikamente zu gelangen. Es wird nicht erst versucht die Ursache für das Leiden zu ergründen. Das würde der Strategie, schnelle sichtbare Ergebnisse zu erzielen, widersprechen. Dieses stille Forschen ist nicht der Weg, der hier verfolgt wird.

Von Frau Maier höre ich nichts, nur noch das leise Gemurmel von Nadine und ihrem Freund, der aber irgendwann das Zimmer verlässt und nicht mehr zurückkehrt. Sie begleitet ihn in gekrümmter Körperhaltung und mit leisem Stöhnen nach draußen. Nachdem sie wieder im Bett liegt, beginnt sie sich mit der Fernbedienung des Fernsehers zu beschäftigen. Sie sucht ein bestimmtes Programm und fragt mich, ob ich es kenne. Ich verneine es und sage, dass ich keinen Fernseher besitze. Darauf antwortet sie nichts.

Ich verspüre Hunger und freue mich auf das morgige Frühstück. Mit der Einnahme der Schlaftablette lasse ich mir noch Zeit, denn ich befürchte, dass die Wirkung nicht für die ganze Nacht anhält.

Irgendwann schlafe ich ein, werde einige Male wach, aber plötzlich ist es Samstag Morgen.

Ich bekomme mein erstes Frühstück und unterhalte mich mit Frau Maier. Sie berichtet von ihrem Enkelkind und wie groß ihre Freude an ihm sei. Auch ihre Tochter erwähnt sie und dass sie im April ein zweites Enkelchen erwarte. Dabei strahlen ihre Augen. Über meine große Kinderzahl und über die noch größere Zahl an Enkeln hat sie gestern schon gestaunt und es Nadine erzählt. Ich spreche über meinen Glauben und Frau Maier sagt, dass sie katholisch sei. Zu ihrem Pfarrer hat sie gesagt, dass sie bald nicht mehr beten würde und in die Kirche auch nicht mehr käme, wenn der Herrgott so viel Ungerechtigkeit zuließe. Innerhalb kürzester Zeit sei ihr Mann, ihr Schwager und ihr Bruder gestorben.

Nadine beginnt plötzlich eine Unterhaltung über Krankheiten und ich staune nicht schlecht, wie viele Krankenhausaufenthalte sie schon in ihren jungen Jahren hinter sich hat. Aber auch ihre beiden Halbgeschwister scheinen von zarter Gesundheit zu sein. Sie schildert auf dramatische Weise, wie oft zu den beiden kleinen Kindern in höchster Not Ärzte gerufen werden oder wie sie mit Blaulicht in eine Klinik gebracht werden. Aber meist am nächsten Tag wieder zu Hause sind.

Sie selbst war auch schon viermal im Krankenhaus und obwohl die Narkosen mit großer Übelkeit und Erbrechen einhergehen, findet sie das nicht schlimm.

Blinddarm und Mandeln hat sie schon entfernt bekommen und sie spricht so routiniert und sorglos, dass ich den Eindruck gewinne, dass jemand, der da nicht mit Erfahrungen punkten kann, als hoffnungslos unaufgeklärt und borniert gilt oder jemand ist, der sich bewusst medizinischer Machbarkeit und Ethik widersetzt.

Ich kann nichts Aufregendes oder Spektakuläres dazu beitragen und darum schweige ich oder verleihe durch wenige Worte meinem Erstaunen Ausdruck. Es ist nicht leicht den Redefluss von Nadine zu unterbrechen, um etwas die ärztliche Kunst Betreffendes zu hinterfragen oder eventuell einige Zweifel einzustreuen.

Als Kind hatte Nadine Polypen und konnte nicht richtig durchatmen. Da entschloss man sich zu einer Nasenbeinbegradigung. Diese Operation gelte im Allgemeinen als hinausgeschmissenes Geld, erklärt Nadine, aber bei ihr sei sie geglückt und habe durchaus etwas gebracht. Frau Maier untermauert das, indem sie erklärt, dass auch sie diese Operation mit Erfolg absolviert habe. Mir fällt meine Bauchwandbruchoperation vor einem Jahr ein, aber mit dieser Schilderung würde ich bestenfalls mitleidiges Lächeln ernten. Ich würde das Ereignis zu kleinlaut und wenig überzeugend darstellen. Oder soll ich die nach meinem Krankenhausaufenthalt von mir organisierte Fotoausstellung, die ich in der Paracelsus-Klinik präsentieren durfte, erwähnen? Aber auch das lasse ich dann doch sein.

Während ich noch nachsinne über so viel festen Glauben an die Grenzenlosigkeit medizinischer Machbarkeit, öffnet sich die Türe und eine Ärztin, die ich das erste Mal sehe, tritt an mein Bett. Sie sieht beinahe mondän aus und hat violette, sehr breit geschminkte Lippen. Sie fragt, wie es mir gehe; noch ehe ich antworten kann, hebt sie die Bettdecke hoch und drückt auf meinen Bauch. Eine andere Dame, wohl eine Schwester oder Studentin - durchaus denkbar, da es sich um ein akademisches Krankenhaus handelt - zieht ein langes bläulichrotes Band, die Tamponade und den Blasenkatheder aus meinem Unterleib und entfernt die dazugehörige Flasche. Sie lächeln beide und verschwinden wieder. Das bedeutet für mich, dass ich aufstehen darf und es wahrscheinlich sogar soll.

Der Vater von Nadine ist erschienen und er nimmt die Beteuerungen seiner Tochter bezüglich ihrer großen Schmerzen und der schlimmen Übelkeit nicht allzu ernst. Er hat einen dunklen Anzug an und eine gelbe Krawatte. Er ist ein jovialer Typ mit süffisantem Gesichtsausdruck und im Geschäftsleben gewiss nicht zimperlich. Er macht Späße und ist davon überzeugt, dass die Ärzte korrekt gehandelt haben. Er scheint seine Tochter zu kennen und auch ihr Talent sich in Szene zu setzen. Nadine wäscht sich die Haare und macht sich zur Heimfahrt fertig. Ihr Vater sagt, sie solle sich beeilen, da er, nachdem er sie zu Hause abgeliefert hat, zur Arbeit müsse. Nadine verabschiedet sich und verlässt mit ihrem Vater und zwei Gepäckstücken das Zimmer. Hier tritt nun Stille ein. Es ist schätzungsweise 10.00 Uhr und auch das Bett von Frau Maier ist leer.

Ich nehme meine Bibel zur Hand, was mir ein wenig Mühe bereitet. Ich schlage im alten Testament Jesaja 40 auf und setze die Lektüre dort fort, wo ich zu Hause aufgehört habe. Nach einigen Kapiteln lese ich kreuz und quer verschiedene Verse im Neuen Testament. Es ergreift mich immer wieder aufs Neue, wie das Leben, das uns Jesus vorgelebt hat, so ganz anders ist als das Leben, das sich täglich vor unseren Augen vollzieht.

Hier wird bereits um 11.30 Uhr das Mittagessen gebracht. Angesichts der Wurstmengen, die ich gesehen habe, entscheide ich mich für vegetarische Kost und bin mit meiner Wahl hinlänglich zufrieden. Die offizielle Bezeichnung lautet „fleischfreie Vollkost“.

Die ersten Schritte, nachdem mich kein Schlauch oder sonst ein hinderlicher Gegenstand mehr ans Bett fesselt, habe ich bereits gewagt. Dabei steigt die Vorfreude in mir auf, die durch den zu erwartenden Nachmittagsbesuch ausgelöst wird. Nach dem Mittagessen schlummere ich für kurze Zeit ein. Wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist, weiß ich nicht, aber plötzlich, ich blinzele ein wenig durch die Lider, sehe ich, wie sich die Türe etwas zögerlich öffnet und ein Kinderwagen hereingeschoben wird. Nun bemerke ich Miriam, die Freundin von Leander, mit einem Strauß gelber Osterglocken in der Hand. Dann erscheint Leander und neben ihm – ein wenig verschämt – Lena, seine Tochter. Leander ist mein jüngster Sohn.

Wir begrüßen uns herzlich und auch das Baby, die kleine, vierzehn Tage alte Aliza, darf ich in den Arm nehmen. Aber bald muss die Kleine gewickelt werden und das findet in meinem Bett statt. Da ist nun Lena gefragt und sie erledigt das mit großer Begeisterung, aber auch behutsam und liebevoll. Die modernen Wickelmethoden sind in ihrer Einfachheit so kindgerecht, dass sie offensichtlich keine nennenswerten Schwierigkeiten für ein Kleinkind darstellen.

Miriam überreicht mir eine Tüte mit Trauben, ich mag diese dunkle Sorte besonders gern.

Während wir über dies und das und über meine Operation reden, öffnet sich abermals die Türe und wieder erscheint ein Kinderwagen im Türrahmen. Rahel sitzt darinnen und Nathanael, Silas und Hanna springen herein. Sie stürzen auf mich zu und nachdem wir uns begrüßt haben, schenken sie mir ihre selbst gemalten Bilder und machen sich an meinem Bett zu schaffen. Ich habe es mittlerweile verlassen und nun beginnen die Kinder all die technischen Raffinessen, die an einem Krankenhausbett zweifelsohne bemerkenswert sind, zu erforschen. Sie kurbeln die Liegefläche nach oben und kippen das Kopfteil hin und her. Drei Kinder sitzen im Bett, während das vierte Kind dieses Spiel unermüdlich fortsetzt. Während mich das amüsiert, beobachtet die Mutter ihre Kinder ein wenig missbilligend, der Vater sieht dem Treiben gelassener zu.

Ich freue mich sehr über den Besuch meines ältesten Sohnes Markus und dessen Ehefrau Daniela, die mir köstliches Obst überreicht. Auch die Brüder und die Schwägerinnen freuen sich über das Wiedersehen. Frau Maier beobachtet uns mit Wohlwollen, stellt eine Frage oder macht einige freundliche Bemerkungen.

Allmählich wird es doch laut, der Platz wird knapp und die Kinder werden hungrig. Wir entschließen uns nach draußen zu gehen. Nachdem noch viele Worte hin und her geworfen worden sind, fährt ein Teil mit dem Lift ins Parterre, der andere Teil benützt die Treppen und in der Cafeteria treffen wir uns wieder. Irgendetwas trinkt oder isst jeder, außer mir, denn ich muss mir den Appetit für das Abendessen, das in Kürze serviert wird, aufheben.

Es ist irgendwie anders als sonst so zwischen meinen Familienangehörigen zu sitzen. Ist es die leichte Schwäche oder ist es die Nachwirkung des ärztlichen Eingriffs, was mich in eine gewisse Lethargie versetzt? Die Empfindung einer Läuterung bemächtigt sich meiner und wird mich in den nächsten Wochen auf Grund dessen, was mich noch erwartet, noch deutlicher ergreifen.

Die Zeit des familiären Aufbruchs rückt heran und es werden viele Jäckchen und Mützchen angezogen. Auch die Erwachsenen erheben sich und jeder versucht seine Sachen zu finden. Es wird allmählich dunkel, es werden Küsschen ausgetauscht und unter vielen freundlichen Worten des Abschieds erreichen wir die gläsernen Portale. Diese öffnen sich und wie in einem Spiegelkabinett erscheint die ganze Gesellschaft darin. Die Tore gehen lautlos wieder zu. Ich winke meinen Lieben durch die Scheiben, welche die Lichter reflektieren, so lange nach, bis sie in der abendlichen Dämmerung meinen Blicken entschwunden sind.

Ein Abschied erfüllt mich stets mit Wehmut und mit dem Bewusstsein, dass nichts wiederholbar und alles vergänglich ist, soweit es irdisches Glück oder Unglück betrifft.

Mein Weg führt mich wieder nach oben und ich benutze die Treppen. Meine Zimmertüre steht offen und als ich den Raum betreten möchte, sehe ich zwei Schwestern am Waschbecken, die ein junges Mädchen festhalten, das sich mit heftigen Würgelauten und schweren Atemstößen über das Waschbecken beugt.

Ich zögere einen Moment und gehe nicht in das Zimmer hinein. Ich drehe mich um und stehe vor einem jungen Mann und einer jungen Frau, anscheinend aus dem vorderen Orient stammend, die sich mit vielen mir unbekannten Worten an die Stöhnende am Waschbecken wenden.

Ich entferne mich für kurze Zeit und kehre dann in mein Zimmer zurück.

Mittlerweile liegt die junge Türkin im mittleren Bett, ihr Gesicht ist so weiß wie das Kissen, auf dem sie liegt, und umrahmt von schwarzen Haaren. Ihre Augen sind geschlossen.

Der junge Mann beugt sich über sie und die mit engen schwarzen Hosen und ebensolchem Oberteil mit tiefem Ausschnitt bekleidete junge Dame gibt aus ihren knallroten Lippen eine Menge unverständlicher Worte von sich. Zwischendurch läuft sie immer wieder hin und her.

Der Mann, der sich später als der Freund der Kranken entpuppt, wirkt hilflos und deswegen verlegen, aber er überspielt es durch ein tapferes Lächeln. Er ist mit einer kurzen türkisfarbenen, enggeschnittenen Jacke bekleidet und einer dunklen Hose, die den Blick auf die schwarzen, vorne breiter werdenden, auf Hochglanz polierten Schuhe freigibt. Er ist so gekleidet, als würde er bewusst einem bestimmten Zeitgeschmack huldigen. Besonders geckenhaft wirken die schwarzen Haare über der mittelhohen Stirn, die stark glänzen und wie die Stacheln eines Igels senkrecht in die Höhe stehen.

Der Zivildienstleistende Patrick kommt herein und will mein Tablett mitnehmen. Ich entschuldige mich und sage zu ihm, dass ich es nach dem Abendessen selbst hinausbringe. Während ich alleine am Tisch sitze und esse, beginnt die junge Frau, die bereits am Tropf hängt, sich mit schwacher Stimme mit ihrem Freund und ihrer besten Freundin, wie sie mir später erzählt, zu unterhalten. Sie sprechen untereinander türkisch, beherrschen aber die deutsche Sprache einwandfrei und sind seit langer Zeit in Deutschland. Ich erfahre, dass die Kranke Esbah heißt, im dritten Monat schwanger ist, Vaginalblutungen bekommen hat und seit Wochen von heftigster Übelkeit geplagt wird.

Die Freundin von Esbah hat eine ganze Tasche mit Lebensmitteln mitgebracht und sie stellt nacheinander Säfte, süßes Gebäck, Pralinen und Obst auf den Tisch neben dem Bett ihrer Freundin. Sie hat Mühe auf der kleinen Fläche alles unterzubringen. Reichlich viel des Guten für jemanden, dem schon bei dem Gedanken an Essen übel wird.

Esbah bekommt nach kurzer Zeit schon die zweite Infusionsflasche von einer Schwester angelegt und ich bin erstaunt, wie schnell sie wieder leer ist und welche Mengen an Flüssigkeit in einen solch zarten Körper Platz haben. Krankenhäuser haben offensichtlich große Bestände dieser Flaschen in unterschiedlichen Größen. Sie sehen aus, als wären sie mit Leitungswasser gefüllt, sind aber angeblich mit lebenswichtigen Stoffen und Elektrolyten angereichert. Was der Sinn und der Zweck dieser Gaben ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber es würde sich sicher lohnen, das näher zu erforschen.

Frau Maier liegt ruhig im Bett und auch ich lege mich, nachdem ich das Tablett hinausgebracht habe, ins Bett. Ich bitte Jesus, dass er das Kindchen von Esbah am Leben lassen möge und dass die Eltern gut für es sorgen. Die Gäste meiner Nachbarin bleiben noch lange und während sie Süßigkeiten naschen, bieten sie mir auch eine Praline an, die ich aber erst am nächsten Tag esse.

Wir kommen ein wenig ins Gespräch und ich sage ihnen, dass ich Christin bin und wie sich seitdem meine Gesinnung und meine Haltung in vielen Lebensbereichen verändert haben. Sie bezeichnen sich als Moslems, aber nicht von der radikalen Sorte, sondern von denen, die zwar an Allah glauben, aber die religiösen Vorschriften nicht allzu genau nehmen.

Nachdem die beiden gegangen sind, schläft Esbah ruhig ein. Von Frau Maier höre ich nichts mehr und auch ich bin bald eingeschlafen.

Am nächsten Morgen, es ist Sonntag, durchbrechen die ersten Sonnenstrahlen den Tüllvorhang und ich ahne, dass es ein warmer Tag werden würde. Esbah scheint es besser zu gehen. Sie erzählt Frau Maier und mir von ihrem Kummer, der, wie sie vermutet, der Auslöser ihres gesundheitlichen Problems sei. Ihre Eltern haben große Vorbehalte gegen ihren Freund und seine Eltern hegen gegen sie finsteren Groll. Beide Eltern lehnen eine Verbindung der jungen Leute strikt ab. Unter dieser Tatsache leidet sie sehr und es schmerzt sie besonders, dass niemand von den Verwandten sie besuchen wird. Ich sage ihr, wie sehr mir das leid tut und wie gut ich sie verstehen kann. Ich versichere ihr, dass ich für sie beten werde und fest daran glaube, dass sich dadurch etwas ändern wird. Ich füge noch hinzu, dass sich die Eltern selbst unglücklich machen, wenn sie ihre Herzen so verhärten. Sie nickt mit dem Kopf und ich meine ihre Zustimmung auch in ihren Augen zu erkennen. Dabei huscht ein sanftes Lächeln über ihr blasses Gesicht.

Heute Vormittag ist es ruhig in der Klinik und ich entschließe mich wieder Spaziergänge über einige Etagen zu unternehmen. Die Muskelschmerzen im Beckenbereich sind noch beträchtlich und darum empfinde ich das Laufen geradezu als Herausforderung. Aber ich weiß ohnehin, dass ich es nicht lassen kann.

Auf einem kleinen Tisch in der Besucherplattform, wo unterschiedliches Lesematerial liegt, entdecke ich einen Teil der Süddeutschen Zeitung. Es sind nur einige Seiten, ich blättere hin und her und gerate auf die Seite der Todesanzeigen. Ich lese in einem schwarz umrahmten Kasten: Helmut Sturm ist am 19. Feb., zwei Tage vor seinem 76. Geburtstag, gestorben und wird am Montag im Friedhof in Pullach beerdigt.

Es trifft mich hart, obwohl ich weiß, dass Helmut sehr schwer krank war. Ich bedaure sehr, dass ich am Montag an der Beerdigung nicht teilnehmen kann. Nun ist auch das letzte Mitglied der legendären Gruppe Spur tot.

Bei der Pressekonferenz und der Eröffnung der Spurausstellung im Museum Villa Stuck im Sommer 2006 sah ich ihn das letzte Mal. Ich habe ihn mehrmals fotografiert. Er war zu der Zeit schon ein gezeichneter Mann. Es war nicht nur sein körperliches Leiden, an dem er so schwer trug, sondern auch der tödliche Motorradunfall seines zweitältesten Sohnes Meinhard, der damals erst drei Wochen zurücklag.

Während ich noch eine Weile über die Vergänglichkeit menschlichen Lebens nachdenke, kehre ich in mein Zimmer zurück. Dort kommt mir eine freundlich lächelnde Frau im Morgenmantel entgegen und stellt sich als Frau Beckerbauer vor. Ich bin überrascht und frage, wo Frau Maier sei. Ja, Frau Maier wurde entlassen und sie ist an ihrer Stelle da. Ich bin enttäuscht, weil ich mich nicht mehr verabschieden konnte. Frau Beckerbauer schaut mich so freundlich mit ihren runden braunen Augen an und sagt: „Bitte verwechseln Sie meinen Namen nicht mit Beckenbauer!“ Ich versichere, dass mein Interesse an Fußball gering sei und auch an den Personen, die irgendetwas damit zu tun haben. Dieser harmlose Vorfall, dass ich Frau Maier nicht mehr gesehen habe, quält mich noch eine Zeit lang.

Die in Kliniken übliche Visite wird in diesem Zimmer entweder gar nicht durchgeführt oder ganz sporadisch von Ärzten, die – wie in meinem Fall – andere sind als diejenigen, von denen man operiert wird.

Das Amt des Chefarztes hat nach dem Ausscheiden der Chefärztin, Frau Dr. Debus, zurzeit Herr Dr. Stadler als „kommissarischer Leiter“ der Frauenklinik inne. Er und Herr Dr. Grass, der Oberarzt, haben mich gemeinsam operiert. Die OP hat, wie ich mittlerweile erfahren habe, zweieinhalb Stunden gedauert. Frau Dr. Debus war Spezialistin für Inkontinenzleiden und arbeitet seit ihrem Weggang vor einigen Monaten in einer Klinik in Dachau. Bis jetzt hat sich Herr Dr. Stadler noch nicht sehen lassen und meine Hoffnung auf einen Besuch seinerseits ist gering.

Um so mehr überrascht es mich, dass plötzlich schnell und schwungvoll die Türe aufgeht und Herr Dr. Grass am Fußende meines Bettes erscheint und sich mit strahlendem Lächeln und in Sonntagslaune nach meinem Befinden erkundigt. Er sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Sein Optimismus wirkt ansteckend und ich kann nicht anders, als mich ebenso wohlgelaunt und zufrieden zu äußern. Er erwähnt sogar Herrn Dr. Stadler und entschuldigt sein Fernbleiben, mit seinen zahllosen, zeitraubenden Operationsterminen. Mir erklärt er noch, dass ich morgen und übermorgen in den Raum neben dem Büro von Frau Vogt, der Sekretärin, kommen solle, um von Herrn Dr. Gerstung per Ultraschall den Harndruck messen zu lassen.

Mit festem Händedruck und immer noch lächelnd verabschiedet sich der Doktor. Die Türklinke in der Hand sagt er noch: „Und wenn irgendetwas ist, so melden Sie sich bitte!“

Frau Beckerbauer sitzt beim Mittagessen auf dem Platz, auf dem Frau Maier die Tage davor saß. Das Fenster hat sie im Rücken. Sie ist wohl einige Jahre jünger als Frau Maier und hat mittelblonde, gelockte kurze Haare. Esbah ist im Bett geblieben und isst Zwieback und trinkt Kamillentee und hat noch eine kleine Schüssel auf dem ausziehbaren Tisch stehen.

Frau Beckerbauer beginnt ihre Krankengeschichte zu erzählen und diese hört sich in vielen Teilen höchst wunderlich an. Das Glück, hier zu sein, preist sie über alles und hat es ihrem unnachgiebigen Bitten und ihrem Hausarzt zu verdanken. Sie hätte ohne Zögern tausend Euro bezahlt, um aufgenommen zu werden. Alleine zu Hause mit Schmerzen konnte sie das Leben nicht mehr ertragen. Wie beiläufig erwähnt sie ihren Magenkrebs; sie spricht das alles mit so viel Demut aus und lächelt dabei ergeben. Ich spüre, wie sie erhofft, dass dieser Ort hier ein Platz des Vertrauens und der Zuversicht für sie wird. Ich frage sie, ob sie an Gott glaubt, sie sagt, ja, irgendwie schon, da sie ursprünglich Katholikin sei. Aber ihre große Hoffnung sind die Ärzte und mit flehenden Worten untermauert sie die Überzeugung, dass ihr hier bestimmt geholfen werden würde. Das wird sich aber als langwieriger und komplizierter erweisen, als sie es jetzt ahnt. Aber sie hat Zeit und seit sie im Ruhestand ist und krank wurde, ist auch ein langer Krankenhausaufenthalt für sie kein Grund zur Resignation.

Wir beginnen vom Glauben an Gott zu sprechen und Frau Beckerbauer zeigt sich auch diesem Thema gegenüber aufgeschlossen. Da beginnt sich plötzlich Esbah zu regen und wir geraten alle drei unversehens in ein anregendes Gespräch hinein. Ganz spontan sage ich plötzlich, dass ich jetzt beten möchte. Es wird ganz still und ich bete, was mir Gott aufs Herz legt. Nachdem ich geendet habe, sagt Frau Beckerbauer, dass ihr so ein freies, nicht vorgefertigtes Gebet gefällt. Ich frage mit bangem Herzen, ob ich am nächsten Morgen vor dem Frühstück wieder beten darf. Die beiden Frauen sind es zufrieden. Ich danke Gott für dieses Geschenk und so kann ich das morgendliche Gebet in den wenigen Tage, die wir noch zusammen sind, fortsetzen. Das Gebet unterscheidet sich immer ein wenig vom Vortage, je nachdem was mir der Geist Gottes aufs Herz legt. Esbah und Hildegard finden das zwar ungewohnt, aber sie nehmen es mit Toleranz hin.

Später schlägt Frau Beckerbauer vor, ob wir uns nicht mit unseren Vornamen ansprechen könnten. Sie heißt Hildegard. Ich bin einverstanden und nenne meinen Vornamen.

Hildegard berichtet von ihrer Ausbildung als Kindergärtnerin und dass sie die nur machen konnte, weil sie als junges Mädchen bei den Franziskanerinnen gelebt habe und ihr dort die Ausbildung bezahlt wurde.

Sie stammt aus Niederbayern und sie waren viele Kinder. Der Vater war früh gestorben und sie waren arm. Das Leben war zu ihrer Kindheit ganz anders als heutzutage und man war viel anspruchsloser und bescheidener.

Ihr Beruf hat ihr so viel Freude bereitet, alle Kinder haben sie geliebt und verehrt und sie war auch bei den Kollegen sehr beliebt und war für alle einfach nur die Hildegard. Heute hat sie noch Kontakt mit einigen Erwachsenen, die sie im Kindergarten betreut hat. Verheiratet war sie nie und sie hat auch keine eigenen Kinder. Aber nachdem sie schon in verhältnismäßig jungen Jahren eine Totaloperation hatte, war daran auch nicht mehr zu denken. Es rührt mich, mit welcher Ergebenheit sie ohne Groll auf ihr Leben zurückblickt.

Wegen der Fülle des Erzählstoffs, zu dem auch Esbah und ich reichlich beitragen, streicht der Vormittag schnell vorüber. Nach dem Mittagessen sind wir alle drei müde und halten ein kleines Mittagsschläfchen. Bei mir mischt sich in den leichten Schlummer die Vorahnung und die Freude über den zu erwartenden Besuch.

Es dauert nicht lange und die Türe öffnet sich nicht in dieser forschen Art und Weise wie beim Hereinstürmen einer Schwester, sondern zögernd und langsam. Die drei Kinder nähern sich lächelnd und vorsichtig und Natascha, meine Tochter, schlank und mit einem hübschen blauen Rock bekleidet, kommt auf mich zu und wir umarmen uns. Ich freue mich von Herzen und Anuschka überreicht mir einen Blumenstrauß. Die beiden Buben, Alex und Levi, sind nach der Begrüßung schnell mit dem Krankenbett beschäftigt. Auch das hauseigene Mobiltelefon zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich.

Hildegard sitzt aufrecht im Bett und strahlt. Beim Anblick von Kindern ist ihre Freude groß. Sie macht einige wohlwollende Bemerkungen.

Ich stehe aus dem Bett auf, ziehe den Bademantel an und wir verlassen das Zimmer. Während wir über dies und das plaudern, bekunde ich meine Freude darüber, dass sie mich besuchen, und vor allem darüber, dass Alex mitgekommen ist. Er ist der Älteste und zwölf Jahre alt. Wir gehen in Richtung Entbindungsstation. Die Kinder springen hin und her und dann bleiben wir vor einem kleinen, fahrbaren, weißen Gitterbettchen stehen, in dem ein schwarzhaariges Baby liegt. Die Mutter steht daneben und lacht. Natascha und ich können unserem Entzücken über den Liebreiz des kleinen Gesichtchens kaum Ausdruck verleihen. Ich frage die taiwanesische Mutter, ob ich die Kleine fotografieren darf, und sie gestattet es mir. Den Fotoapparat trage ich beinahe ständig mit mir herum, obwohl mir der Wert dieses Tuns allmählich immer zweifelhafter erscheint.

Es ist Sonntag und auf der Besucherplattform befinden sich viele Menschen. Eltern, Kinder, Großeltern und Freunde sitzen um die Tische und dazwischen stehen die Gitterbettchen mit den Neugeborenen. Es wird gelacht und in den unterschiedlichsten Sprachen sich unterhalten. Die türkische Nationalität ist am stärksten vertreten; daneben gibt es viele Asiaten, Russen und Afrikaner.

Hier ist alles besetzt und wir gehen ins Erdgeschoss und betreten die Kirche, die gegenüber dem Blumenladen liegt. Sie präsentiert sich in einem sehr modernen, einheitlichen Stil. Farbige Eisenkörper in unterschiedlichen geometrischen Formen sind überall da angebracht, wo der Pfarrer bzw. der Pastor seines Amtes waltet. Die kleine Orgel ist auch damit bestückt. Auf den schwarzen Stühlen liegen dunkelrote Sitzkissen. Auf dem Altar steht ein kleines, unscheinbares Holzkreuz und daneben eine Vase aus Glas mit einem nicht mehr ganz frischen Blumenstrauß. Zwei Bronzefiguren eines zeitgenössischen Bildhauers stehen links in der Ecke auf einem kleinen Podest. Wen sie darstellen, erschließt sich mir nicht ohne weiteres. Sie stehen nebeneinander und es könnten Maria und der Jesusknabe sein, da sie unterschiedlich groß sind. Einen gekreuzigten Jesus entdecke ich nirgends. Ich vermute, man will den Gläubigen das Ereignis auf Golgatha nicht in seiner tiefen Tragik vorführen, um sie nicht in unnötiger Weise an ihre Sündenschuld zu erinnern. Aber auch der auferstandene Christus ist nirgendwo zu finden. In alten Kirchen und Kapellen ist das anders. Als diese erbaut wurden, war die Gottesfurcht noch groß und es war selbstverständlich, die christliche Botschaft in ihrer ganzen Dramatik darzustellen. Da ging es noch um die Wahrheit und nicht darum auf das selbstgemachte Gottesbild des Kirchgängers Rücksicht zu nehmen. Ich bin mehrmals hier gewesen, aber ich war immer alleine. Es wird zu vorgegebenen Zeiten katholischer und evangelischer Gottesdienst zelebriert.

Schräg gegenüber liegt die Cafeteria und dorthin lenken wir nun unsere Schritte. Schließlich gelingt es doch unter all den süßen Sachen das auszuwählen, von dem die Kinder und Natascha annehmen, dass sie es mögen. Ich esse nichts, wegen des bevorstehenden Abendbrotes. Als wir uns wieder auf dem spiegelnden Flur befinden und ich durch die verglasten Türen nach draußen schaue, sehe ich einen jungen Mann mit einem Kinderwagen, wie er sich mit schnellen Schritten dem Eingang nähert.

Es ist Fabian, mein drittältester Sohn, mit seinen beiden Söhnen, Jonathan und Daniel.

Nach der herzlichen Begrüßung beginnen Anuschka und Jonathan ein neckisches Spiel: Sie läuft weg und er rennt hinter ihr her; dann dreht sie sich schnell um und er schubst sie. Jonathan lacht und strahlt über das ganze Gesicht, wobei seine vielen blonden Löckchen auf und ab wippen. Die Buben freuen sich, viel Platz zum Hin-undher-Laufen zu haben und während die Erwachsenen ungestört miteinander plaudern, entdecken und kommentieren sie allerlei krankenhausinterne Details. Nur Daniel, der eineinhalb Jahre alt ist, drückt sich mit ernstem Gesicht fest an seinen Papa.

Mittlerweile sind wir in der vierten Etage angelangt und stehen vor dem Getränkeautomaten.

Ich lege verschiedene Teebeutel in einige Plastikbecher und fülle sie mit heißem Wasser.

Wir tragen alles in mein Zimmer, wo bereits mein Abendessen wartet. Hildegard sitzt im Bett und kaum hat sie die Kinder entdeckt, signalisiert sie uns freudige Anteilnahme. Esbah ist mit ihrem Freund und ihrer Freundin noch auf der Besucherplattform. Ich hebe den Deckel meines Essens hoch und Jonathan und Daniel bekommen glänzende Augen, stoßen unartikulierte Worte aus und strecken ihre Händchen danach aus. Jeder bekommt ein belegtes Brot mit Käse und Gurke und dazu trinken sie den Tee. Einen Joghurt habe ich noch von der letzten Mahlzeit übrig. Auch den verschlingen sie mit Heißhunger. Die drei Schneeberg-Kinder, Schneeberg ist der Familienname meiner Tochter, schauen erstaunt und amüsiert zu. Alex muss beim Anblick der beiden Buben lachen. Natascha und Fabian trinken Tee. Hildegard würzt das Ganze mit originellen Bemerkungen und kleinen Scherzworten, die sie an die Kinder richtet.

Nach kurzer Zeit mahnt Fabian zum Aufbruch. Meine Gäste verabschieden sich von Hildegard und wir verlassen geräuschvoll das Zimmer. Fabian ist mit dem Auto da; er wohnt in Kaltenberg, einem kleinen Marktflecken ca. 40 km westlich von München. Der Ort hat durch die Kaltenberger mittelalterlichen Rittertourniere eine gewisse Bekanntheit erlangt. Die Kämpfe finden jährlich im Juli an den Wochenenden statt.

Wir setzen uns noch ein wenig in die Cafeteria und Jonathan beginnt mit den beiden Frauen am Nebentisch anzubandeln. Die Damen spielen mit und finden es höchst vergnüglich, wie der Kleine mit dem blonden Lockenköpfchen immer wieder an ihren Tisch kommt und sich hin und her drehend seinen Charme verteilt.

Schließlich muss Fabian das Spiel beenden, setzt die beiden Buben in den Doppelkinderwagen und verlässt nach der herzlichen Bitte meinerseits seine Frau Clare zu grüßen die Klinik. Winkend und lachend verschwinden die drei in der abendlichen Dämmerung.