Sucht und Ordnung - Matthias Matussek - E-Book

Sucht und Ordnung E-Book

Matthias Matussek

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Beschreibung

Jeder hustende Kettenraucher überlegt sich über kurz oder lang, die Sucht aufzugeben. Der Autor Matthias Matussek hat es geschafft und erzählt, wie er es geschafft hat. Er lässt den Leser auf äußerst kurzweilige Art teilhaben an seinen Kämpfen und seinem schließlichen Erfolg. Er gibt Ratschläge, welche Situationen zu vermeiden sind und beschreibt, wie schön die Freiheit von der Sucht von ihm erlebt wird. Neben der Nikotinsucht beschäftigt er sich auch mit anderen Süchten und Drogen, und auch hier teilt er aus seinem reichen Erfahrungsschatz, denn er pubertierte, als die Blumenkinder der Welt kiffend nach San Francisco zogen und nach Woodstock. Er porträtiert deren Gurus wie Allen Ginsberg und William Burroughs und schildert in einer packenden Reportage den vergeblichen Kampf der Polizei in Rio de Janeiro gegen die Drogenbanden. Wie der einstige Staatspräsident Brasiliens, der konservative Fernando Henrique Cardoso, plädiert er für die Legalisierung aller Drogen, um den Banden die oft mörderischen Geschäfte zu durchkreuzen. "Matussek kommt bisweilen seinem Vorbild Heinrich Heine sehr nah" (Die Zeit) "Matussek ist ein einziges Vergnügen" (SZ)

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Sucht und Ordnung

BildTitelGeleitwortEndlich NichtraucherSucht & OrdnungDie letzte ZigaretteDie 10 VersuchungenNikotin und HeroinOpiumCharles BukowskiWilliam BurroughsMarihuana in HollywoodAugustinusRitt in die AbendsonneEs ist Krieg, Mann!

Matthias Matussek

Sucht & Ordnung

Wie ich zum Nichtraucher wurde

und andere irre Geschichten

Mit einem Geleitwort von Kalle Schwensen

Text:©Matthias Matussek

Lektorat: Pelle Pershing

Umschlaggestaltung: Stefan Klinkigt

Satz, Licht, Druck & Gute Laune: Markus Vahlefeld

M&M Productions

Up de Barg 47

24395 Gelting

ISBN

GELEITWORT

von Kalle Schwensen

Als mich mein Facebook-Freund Matthias Matussek bat, ein paar Worte zu seinem neuen Buch zu schreiben, habe ich erst mal gestutzt. Sowas hatte ich noch nie gemacht. Ich spreche nicht vom Schreiben, sondern von Vorworten. Auf meinem FB-blog „Meine Meinung“ nehme ich durchaus Stellung zu tagesaktuellen Sachen wie der Corona-Hysterie und dem Schließen von Restaurants, Kinos und Striplokalen – man hätte denjenigen, der sowas vor einem Jahr prophezeit hätte, als ganz üblen Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Matthias und ich, wir sind, was die Kritik am autoritären, ja undemokratischen Regierungsstil der Kanzlerin angeht, politisch einer Meinung.

Als er mir dann auch noch den Titel nannte und ein paar Kapitel schickte, dachte ich, ehrlich gesagt „Ach du Sch....“. Ein Selbsthilfebuch darüber, wie man mit dem Rauchen aufhört, das betrifft mich ja nun gar nicht, denn ich bin Nichtraucher. Allerdings war das nicht immer so.

Ich kam aus einem kleinen bayrischen Dorf in die Weltstadt Hamburg. Aus einer Schule mit drei Klassenzimmern in eine mit 18 Räumen. Da waren weit über 500 Kinder, und damit 500 potentielle Kunden.

Erst mal stellte ich klar, wer hier das Sagen hat, mit ganz „traditionellen“ Mitteln. Dann steckte ich mein Revier ab und erkannte gleich: Der Platz hinter der Turnhalle war der wertvollste, denn er war am weitesten vom Schulgebäude und den Lehrern entfernt. Und dort wurde gequalmt.

Heimlich Rauchen auf der Toilette war witzlos, denn Rauchen war eine Kunst. Die Kinder wollten zusammenstehen, Qualm-Ringe in die Luft stoßen, den Rauch durch die Nase ausatmen, die Zigarette lässig im Mundwinkel baumeln lassen und die Kippe dann genauso lässig mit Daumen und Mittelfinger wegschnippen.

All das durften und konnten sie bei mir hinter der Turnhalle, denn ich hatte jemanden an der Ecke postiert, der Alarm gab, wenn sich ein Lehrer näherte. Natürlich war mein Service nicht umsonst. Die Schüler und Schülerinnen hatten dafür eine Gebühr von 20 Pfennig zu errichten.

Damals bekam man für 20 Pfennig ein Eis und für 1 Mark eine ganze Schachtel Zigaretten. In den zwei Pausen am Tag habe ich wahrscheinlich mehr eingenommen als andere pro Woche an Taschengeld bekommen haben.

Ich lernte also nicht nur für die Schule, wie es die Lehrer von uns verlangten, sondern fürs Leben.

Mit 16 war für mich die Schulzeit vorbei, endlich durfte ich in einen Boxverein eintreten und dort galt selbstverständlich eisernes Rauchverbot. Aber da es mit 16 Jahren ohnehin erlaubt war, hatte es sowieso an Reize verloren.

Während also Matthias in die Hippieszene einstieg und sich volldröhnte, dröhnte ich meine Gegner im Ring weg, ich war beweglich, hatte einen guten linken Haken und wurde mit 17 Jahren Junioren-Meister .

Haschisch und dieses Zeug hatte mich nie interessiert.

Matthias hat ja keine Hemmungen, auch über seine Niederlagen zu schreiben, zum Beispiel diese verrückte Reise nach Indien, die im Knast landete. Aber wie er darüber schreibt, hat wiederum Klasse – ohne jedes Selbstmitleid, ohne jedes Pathos, er erlebt wirklich dramatische Sachen, die man wohl eher mir zuschreiben würde, und er schreibt darüber voller Selbstironie. Und selbst die banalsten Sachen klingen bei ihm wie Poesie.

Wir sind ja ungefähr gleich alt – und haben in völlig verschiedenen Welten gelebt. Sagen wir es so: Er mochte die Beatles, ich mochte die Stones.

Ich bin absolut gegen eine Legalisierung von Drogen, ich verstehe aber die Gründe, aus denen man dafür sein kann, denn, so argumentiert Matthias, der Kampf gegen die Drogen, das hat schon die Prohibition gezeigt, ist einfach nicht zu gewinnen.

Auf der anderen Seite kann bei mir jeder gerne soviel qualmen wie er will. Ich allerdings habe damit schon vor 35 Jahren nach einer schlimmen Erkältung aufgehört, und es war verblüffend einfach – man muss nur wollen.

Das Buch von Matthias handelt nicht nur vom Rauchen, sondern auch vom Straucheln und Einstecken und davon, wie man wieder auf die Beine kommt. Deshalb ist es eine lohnende Lektüre für alle.

ENDLICH NICHTRAUCHER

Jeder hustenkeuchende Raucher, den ich kenne, hat sich ein- bis mehrmals ernsthaft geschworen „mit dem Scheiß aufzuhören!“

Woraufhin ich meistens nickte, aber ebenso melodramatisch bekannte, dass es für mich zum Nichtrauchen auch eines Anlasses bedürfe! Einen Grund – einen Beweggrund, entscheidender und wegweisender als alle flüchtigen Vorsätze zum neuen Jahr (die, wie jeder weiß, sich etwa zeitgleich mit dem Silvesterfeuerwerk in Luft auflösen).

Es müsste also etwas Bedeutendes sein! Etwas Großes! Ja – etwas Dramatisches!

Etwas in der Art wie im Film „Harry und Sally”, wo Billy Crystal zur Silvesternacht erst kurz vorm Jahreswechsel begreift, dass er in Wahrheit Meg Ryan haben will und dann – punktgenau zum Gongschlag! – vor seiner Herzensdame erscheint, ihr dort endlich, endlich, endlich zu gestehn: „Ich liebe dich!“

Diese hinreißende, weltumstürzende Kussmundschnute von Meg Ryan – das genau ist es...

...oder ein Herzinfarkt.

Ja, Sie haben richtig gelesen: ein Herzinfarkt!

Ein solcher Herzinfarkt ist jedem zigarettenqualmenden Zeitgenossen anzuempfehlen, der schon immer einmal (oder mehrmals) vorhatte, das Rauchen dranzugeben.

Mit der ganzen Qualmerei zu pausieren, das war selbst mir gelegentlich schon gelungen – und zwar während der Fastenzeit. Aber, wie wohl ein jeder weiß, der mal gefastet hat, so ist diese Zeit, diese „Glanzzeit der Reue“ (wie sie bei den Orthodoxen genannt wird) mit der Auferstehung des Herrn – also mit Ostersonntag zu Ende, und dann ist Schluss-Aus-Feierabend mit Fasten und Entbehrung, wenn alsbald wieder Völlerei und Rausch fröhlich’ Urständ feiern – und somit aller Verzicht und alles Verbot bis auf Weiteres entschwindet; also darf – in Gottes Namen – da wieder aus allen Rohren gepafft, gequalmt und gequarzt werden!

Deshalb – ich kann’s nicht genug betonen: Herzinfarkt!

Ein Herzinfarkt ist ein heilsamer Schock! Verdammt unangenehm! Bringt einen zur Einsicht – manche bringt er auch um. (Und Rauchen erhöht die Gefahr eines solchen beträchtlich.)

Meiner kam plötzlich! Wie ein Elefantentritt aus heiterem Himmel (sollte es dort oben solche erdenwärts tretende Dickhäuter geben), und zwar im vorletzten Jahr. Im Sommerurlaub. An der schönen Flensburger Bucht. Gemütlicher Abend bei Freunden, ich ein bisschen müde, verabschiede mich in unsere Ferienwohnung, wo ich dortselbst nun auf den Wohnzimmersessel sinke, wegen... tja, wegen dieses urplötzlichen Elefantentritts – aaauuutsch!

Schmerz im Brustkorb. Atemnot. Angst. Ich rufe meine Frau an; ihr Handy klingelt – allerdings direkt neben mir, auf dem Couchtisch, na toll!

Ich rufe 110. Als die Verbindung steht, keuche ich „Ich krieg keine Luft!“

„Wo sind Sie?“

„Keine Ahnung!“

Wer merkt sich schon die Ferienadresse, aber irgendwo hat der Vermieter was aufgeschrieben. Keine zehn Minuten später – ein Lob auf das deutsche Gesundheits- und Rettungssystem ist hier angebracht! – rotieren die roten Lichter auf der Wiese im Vorgarten, ich öffne den Männern die Terrassentür, die setzen mich in den Sessel, schnell die Morphiumspritze gegen die Schmerzen – und sie hilft!

Plötzlich bin ich wieder Herr der Lage! Geradezu leutselig, ja gesprächig, frage die Herren in den Rettungsanzügen, ob sie was trinken wollen, die Kopfschmerzen sind auch weg, ich muss mir das Medikament unbedingt notieren, „Morphium“ heißt es – triumphaler Sieg unsere Pharmaindustrie über Gebrechen aller Art!

Danach ab mit Blaulicht ins Klinikum nach Flensburg, eine Stunde später ist der Herzkatheter eingeführt und der Stent gesetzt, große Entwarnung, große Erleichterung, weil relativ schnell gehandelt wurde. Ich poste erste Fotos auf facebook, was das Hamburger Abendblatt zum Anlass nimmt, es umgehend seinen Lesern zu melden, um wie gewohnt gegen mich zu hetzen.

Vom Arzt höre ich, dass es, da schnell gehandelt wurde, lediglich ein Schaden an der Herz-Rückwand sei. Also – weniger schlimm; Glück im Unglück – wenngleich ich damit vom Urlaub nun auch erst mal beurlaubt war.

Dabei hatte ich gerade mal drei Wochen zuvor von einem Kardiologen (den ich wegen meiner Bio-Herzklappe, die mir vor 20 Jahren in Rio eingepflanzt wurde, regelmäßig aufsuche, und der diesbezüglich sämtliche Tests mit und an mir vorgenommen hatte) grünes Licht bekommen – alles okay! In bester Ordnung! Keinerlei Herzrhythmusauffälligkeiten! Pumperlg’sund – Pumpe pumpt, wie sie pumpen sollte...

...und doch lag ich nun – zusammen mit zwei nicht gerade untergewichtigen Krankenzimmernachbarn, beide Doppelwhopper vor dem Herrn: einer mit Schlafapnoe, der andere Trinker – und ich habe Glück gehabt!

Es hätte mich auch (und gefühlt irgendwie wahrscheinlicher) ein paar Monate früher erwischen können – bei der Ersteigung des Westgipfels im syrischen Maalula; brütende Hitze, endloser Tag, senkrechte Felsen – und bei alledem und weit und breit: kein deutscher Rettungsdienst! Das Todesurteil!

Der Schrecken sitzt mir in den Gliedern, er durchzuckt mich bis in die Zehen und die Spitzen der Haare. Und ich beschließe: Schluss mit der Qualmerei!

Das heißt, nichts überstürzen, erst mal weniger paffen, man darf unten vor der Tür der Notaufnahme durchziehen.

Jede einzelne Zigarette ist eine Abschiedszigarette.

Jede schmeckt geil.

Aufgehört – so mein Plan – wird in der Reha, die für zehn Tage später in Bad Oeynhausen angesetzt ist.

Aber warum überhaupt aufhören?

Die Fluppe nach dem Frühstückskaffee: unbeschreiblich!

Die Kippe nach der Kinovorführung (also nach zweistündigem Entzug): Wahnsinn!

Die Bahnsteig-Zigarette in Hannover, wo sich der Zwischen-Aufenthalt immer ein bisschen länger gestaltet: so belebend!

Die Konferenzpausen-Zigarette im Hof mit Gleichgesinnten: wie dies konspirative Qualmen hier einmal mehr zusammenschmiedet!

Die Zigarette vor dem ersten Satz; die nach dem ersten befriedigenden Absatz; und klar – die kurzen Nachdenk-Zigaretten zwischendurch; mitunter liegen da im Aschenbecher gleich zwei nebeneinander und glimmen vor sich hin und unterhalten sich darüber wie es nun wohl weiter gehen soll im Artikel, im Leben, in der Welt!

Und – last not least – die berühmte Zigarette danach, die so manch einen zum Kettenraucher gemacht hat...

Also seien wir ehrlich: Es gibt einfach verdammt viele gute bis sehr gute Gründe zu rauchen! Dieser shot ins Hirn! Diese Sekundenwachheit! Und natürlich ist das Geheimnis simpel: Sucht!

Die Sucht feiert sich, wenn sie befriedigt wird. Sie tanzt. Manchmal ist sie geradezu außer sich! Jeder Zug – boah, wie hammermäßig ist das jetzt schon wieder! Ständig Geburtstag! Happy Hour! Pures Glück! Morphium!

Apropos Morphium. Am nächsten Tag in der Klinik fragte mich diese unheimlich nette junge Schwester, ob ich denn noch Kopfschmerzen hätte. Ich so: „Ja, hat so’n bisschen zugenommen, also gestern, dieses, wie heißt das noch, dieses Morphium hat sehr gut geholfen.“

Aber offenbar waren die Morphium-Vorräte zur Neige gegangen; sie meinte, diese Aspirin-Tablette würde auch helfen, die ich dann mit allergrößter Skepsis entgegengenommen habe, ich wiegte meinen Kopf, ob das nun klappt?

Ich sach ma’ so: Sucht ist schön, auf Dauer allerdings bringt sie einen um – und manchmal schneller als Rainer Calmund sein Rumpsteak verdrücken kann.

In der mir mitgegebenen Krankenhaus-Broschüre lese ich: Bereits nach einem Jahr Nikotin-Abstinenz hat sich das Risiko einer koronaren Erkrankung (so nennen wir staatlich Ungeprüften Nichtraucherexperten den Infarkt) halbiert. Und nach nur fünf Jahren Abstinenz sinkt das Schlaganfall-Risiko auf das eines Nichtrauchers...

...und während ich dies hier aufschreibe, fällt mir ein: einen Schlaganfall hatte ich ja bereits – vor etwa zehn Jahren! (Gott, was habe ich für einen Raubbau an meiner Gesundheit getrieben; was habe ich all die Jahre mit mir gehaust – wie ein wilder Eber!)

Weiter im Text: Nach fünfzehn Jahren Abstinenz ist das Risiko einer koronaren Herzkrankheit in Etwa gleich gering wie bei einem lebenslangen Nichtraucher. Tja, da wäre ich dann achtzig!

Mein Freund Hans-Magnus Enzensberger, den ich nicht nur wegen seiner Gedichte schätze, hatte einmal, als ich ihn besuchte, eine Rauchpause eingelegt – mit den Worten: „Ich will einfach mal klarstellen, wer hier Herr im Hause ist!“

Nicht umsonst sieht er mit seinen kurzen, schneeweißen Haaren und diesen stets hellwachen Augen aus wie ein römischer Patrizier, wie Seneca, der Stoiker – ein hochbetagtes Wunder an Disziplin und Selbstbeherrschung! Denn als er das damals (vor nunmehr zehn Jahren) sagte, war er um die achtzig – und noch immer bringt er Jahr für Jahr ein Buch heraus.

Allerdings muss man, so wie er, schon von außerordentlich stoischer Natur sein, um den ‚Kampf mit der Sucht’ (denn es ist ein Kampf als Raucher – ein täglicher Kampf!) wohldosiert und wohltemperiert zu führen. Er scheint es zu schaffen, mit acht bis zehn leichten Zigaretten – pro Tag. (Nicht ‚pro Stunde’, wie weiland bei mir – an guten Tagen...)

Ich nicht. Ich bin, was Süchte angeht, kein Stoiker, sondern ein wilder Eber. Aber trotzdem: da will ich hin! Neunzig Jahre mindestens – wenn nicht hundertundelf! Eben, weil ich festgestellt habe, dass dieses Leben doch auch ohne Zigarette einen großen Unterhaltungswert besitzt. Und einer davon wäre die stolze Gewissheit, dass man Herr im eigenen Hause ist.

Zurück zur Klinik: Die dortige Anti-Rauch-Aufklärung brachte mir nicht viel Neues – wenngleich die Dame, die sie leitete, recht hatte mit ihrem Mantra: Entweder ganz oder gar nicht! Mitnichten aber hat jeder von uns die Selbstdisziplin eines Seneca (der sich im Übrigen – sehr selbstbestimmt auf Neros Geheiß hin – die Pulsadern öffnete; wäre es da nicht ungleich gesünder gewesen zu rauchen?).

Nein, die Reha war prima; die Gier nach Zigaretten wurde erstaunlich leicht von meinem Stolz über sie in Schach gehalten. Und stets aufs Neue lustig waren die fast stündlichen Begegnungen mit den vor der Klinik in der Kälte dort immer noch notorischen paffenden Teilnehmern unseres Anti-Raucher-Kurses – wie sie ihre Sucht zu kontrollieren suchten; die guckten da dann immer so... inflagranti.

Im Übrigen, so sage ich mir, liegt man heutzutage als Nicht-Raucher voll im Trend! Man ist woke! Man gehört mit dazu! – Geradezu tröstlich für einen öffentlich-rechtlich Zwangsausgegrenzten wie meinereiner, der gern immer mal wieder unter „Verschissmus“-Verdacht steht!

Ja, Raucher sind Ausgegrenzte in unserer Gesellschaft! Auf Flughäfen sieht man sie in diesen Glaskästen so erbärmlich ausgestellt wie die letzten Exemplare ihrer aussterbenden Spezies. Offenbar hat ihnen da jemand Futter reingestellt – so trotzig und hilflos starren sie dort, hinter den Trennglasscheiben, hinaus in diese, ihnen mittlerweile so unbarmherzig gesinnte Nichtraucherwelt. (Manchmal denke ich ernsthaft, man sollte sie von dort befreien!)

Da fällt mir Helmut Schmidt ein. Man hätte seine Lunge mal präparieren sollen, zugunsten der Wissenschaft! Teerpappe in ihrer robustesten Form! Geeignet auch für größere Schäden an Dach und Balkon! Schmidt war auch im hohen Alter noch hellwach, unser dauerquarzender Altkanzler, und in seinen Meinungen ungebeugt und von anmutigster Rücksichtslosigkeit auf die politisch-korrekte Etikette.

Im engen Wortsinn war Helmut Schmidt ein Junkie – der Prototyp eines Junkies! Seine Rauchfreiheit ging ihm über alles; wo immer ihm die nicht zugesichert werden konnte, sagte er seine Auftritte ab. Und auf wen oder was sollte dieser Weltkanzler auch Rücksicht nehmen – außer auf seine Sucht?

Ich werde in diesem Buch nicht nur über das Schmachten und die Gier nach Zigaretten und Nikotin schreiben, sondern auch über andere potente Süchte. Und ich werde sie nicht verteufeln, diese Süchte, denn es gäbe sie nicht, wohnte ihnen nicht diese ewige Glücksverheißung inne. Es gibt (um ein altmodischeres Wort zu verwenden) Laster, derer sich selbst der Hl. Augustinus eine beträchtliche Zeit lang nicht erwehren wollte, da sie zum Erfahrungsschatz eines Lebens gehören.

Ob Sie sich nach der Lektüre dieses Buches hinreichend ermutigt und motiviert fühlen, den überraschend einfachen Schritt in die Nichtraucherfreiheit zu wagen, das vermag ich nicht zu sagen. (Prognosen sind, wie Mark Twain schon wusste, immer etwas problematisch – besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.)

Aber ich bin guter Hoffnung, Sie werden ihn sich ernsthaft überlegen, diesen Schritt – und auf dem Weg dorthin mit meinem Buch hier besser unterhalten sein als ohne!

Gelegentlich werden Ihnen wahrscheinlich Räucherstäbchen-Wolken oder Haschisch-Schwaden aus den unschuldigeren Zeitgefilden der 60er Jahre, der Hippiejahre, entgegenwehen. Die haben mit meiner Herkunft zu tun, mit meiner „éducation sentimentale“, meiner „Geschichte eines Jungen Mannes“, wie Flauberts Roman im Untertitel hieß, also mit meiner pubertären Gefühlsbildung.