Surrender - Bono - E-Book

Surrender E-Book

Bono

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Beschreibung

Bono – Künstler, Aktivist und Sänger der irischen Rock-Band U2 – legt seine umfassende Autobiografie mit dem Titel Surrender vor. »In seiner Autobiografie erzählt Bono schonungslos von Ängsten und Selbstzweifeln. … So offen und selbstkritisch hat man diesen Schamanen des Rock noch nicht erlebt.«Welt am Sonntag, 30. Oktober 2022 »Bono zeigt, wie geistreich er schreiben kann. … Die Liebe zur Musik ist immer da, spricht aus jeder der 696 Seiten … Und die Liebe zur Welt und den Menschen darin.«Süddeutsche Zeitung, 31. Oktober 2022 »… Dafür ist er Bono, der Emotionsmensch, der seiner Leserschaft einen Einblick in seine Seelenwelt gibt, in seine Welt aus Glaube, Poesie, Musik und Liebe.«Deutsche Welle, 1. November 2022 Bono ist einer der international bekanntesten Musiker. In Surrender schreibt er zum ersten Mal selbst über sein Leben und über die Menschen, die ihm nahestehen. Er berichtet von seiner Kindheit in Dublin, vom plötzlichen Tod seiner Mutter, die er mit 14 verlor, von U2s unglaublichem Aufstieg zu einer der einflussreichsten Rock-Bands der Welt, bis hin zu seinem Engagement gegen Aids und den Hunger in der Welt. Aufrichtig, tiefsinnig und auch selbstironisch gibt Bono einen Einblick in sein Leben – wie seine Familie, seine Freunde, seine Musik und sein Glaube ihn stützen, herausfordern und formen. Surrender ist ein literarisches Memoir in der Tradition der großen irischen Geschichten-Erzähler. Nach sieben Jahren Arbeit ist eine faszinierende, detailreiche Geschichte über seine Familie, Religion und sein Leben als Künstler, Musiker und Aktivist entstanden. Der Untertitel "40 songs, eine geschichte" bezieht sich auf die 40 Kapitel des Buchs, die jeweils mit dem Titel eines Songs von U2 überschrieben sind und alle für sich als Kurzgeschichte gelesen werden können. Alle Kapitel werden von Illustrationen eingeleitet, die Bono selbst gezeichnet hat. Bono über Surrender: »Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, hoffte ich, genauer aufzeichnen zu können, was ich bisher in meinen Songs nur skizziert habe. Die Menschen, Orte und Chancen in meinem Leben. Das Wort 'Hingabe' hat für mich große Bedeutung. Denn sie war mir nicht in die Wiege gelegt, als ich in den 70ern in Irland mit - musikalisch gesprochen - erhobenen Fäusten aufgewachsen bin. ​​Es ist ein Wort, das ich nur umkreiste, als ich anfing, mir erste Gedanken über das Buch zu machen. Ich mühe mich immer noch ab, diese Demut lehrende Eigenschaft zu meistern - in der Band, in meiner​ Ehe, in meinem Glauben, in meinem Leben als Aktivist. Surrender ist die Geschichte eines Pilgers, der nicht so recht vorankommt ... mit einer Menge Spaß dabei.« Bono, der Sänger von U2, wurde als Paul David Hewson in Dublin geboren. Er lernte The Edge, Larry Mullen Jr. und Adam Clayton in der Schule kennen und gemeinsam gründeten sie 1978 die Band U2.  Doch Bono ist nicht nur der Front-Mann von U2, sondern auch ein wegweisender Aktivist. Nach seinem Einsatz für die Jubilee 2000 Schuldenerlass-Kampagne wandte er sich dem Kampf gegen Aids und gegen die Armut in der Welt zu.  Er ist Mitbegründer der Organisationen ONE und (RED) sowie des 2016 gegründeten The Rise Fund, einem internationalen Impact Fonds, der in soziale und ökologisch nachhaltige Unternehmen investiert. Bono hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Freedom of the City of Dublin Award (zusammen mit U2), die chilenische Pablo Neruda-Medaille, den Orden der französischen Ehrenlegion, die Honorary British Knighthood, den Fulbright Association Prize for International Understanding. Außerdem wurde er vom Time-Magazin zur Person des Jahres ernannt (neben Bill und Melinda Gates). Er lebt in Dublin mit seiner Frau Ali Hewson.

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Seitenzahl: 915

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Bono

Surrender

40 songs, eine geschichte

Aus dem Englischen von Charlotte Breuerund Norbert Möllemann

Knaur eBooks

Über dieses Buch

»Ich wurde mit einem exzentrischen Herzen geboren.«

Ein bemerkenswertes Buch eines kämpferischen Künstlers, der feststellt, dass er am besten ist, je mehr er lernt sich hinzugeben. Surrender, episodisch und respektlos, introspektiv und erhellend, ist Bonos Lebensgeschichte, und sie ist – wenn auch nicht allzu ordentlich – um vierzig U2-Songs herum angeordnet.

Bono wuchs mit einem katholischen Vater und einer protestantischen Mutter in der Northside von Dublin auf, in einer Zeit zunehmender separatistischer Gewalt in Irland. Der Tod seiner Mutter, den er als Vierzehnjähriger verkraften musste, war die Leerstelle, die seine Sehnsucht nach Familie prägte. Als Jugendlicher fand er sich durchschnittlich, aber letztendlich kämpft er schon sein Leben lang gegen die Vorstellung an, dass irgendjemand durchschnittlich sein könnte. 

Seine Kreativität ist chaotisch, aber allgegenwärtig … im Tonstudio, auf der Bühne, im Aktivismus, in den heiligen Hallen der Macht oder in der Bar an der Ecke. Wir lesen von seinem Problem mit der Wut, das seine Texte über die Liebe und die Gewaltfreiheit färbt, und wir hören sein Geständnis, dass sein Ego »größer ist als meine Selbstachtung«.

Im Laufe von vier Jahrzehnten entwickelt sich U2 von einer Gruppe jugendlicher Möchtegern-Musiker zur berühmtesten Band der Welt, und Bono entwickelt sich von einem Teilzeitaktivisten zu einem Vollzeitkämpfer, der sich dafür einsetzt, dass den ärmsten Ländern der Welt ihre Schulden erlassen werden, und dass Regierungen, vor allem die der USA, etwas gegen die globale Aids-Epidemie unternehmen. Wir erleben mit, wie PEPFAR geboren wird, das Anti-Aids-Programm des amerikanischen Präsidenten, zum damaligen Zeitpunkt die größte je dagewesene Aktion in der Geschichte der Medizin im Kampf gegen eine einzelne Krankheit. Bono beschreibt die Aktivisten von ONE, einer NGO, die er mitgegründet hat, als »Faktivisten« und die Schwesterorganisation (RED) als »Einstiegsdroge« zum Aktivismus.

U2-Fans erfahren, warum U2 nach Bonos Überzeugung trotz persönlicher Probleme und trotz hitziger Auseinandersetzungen in Bezug auf ihre Musik nach vierzig Jahren immer noch zusammen sind, und sie werden nach der Lektüre dieses Buchs die Bedeutung der beliebtesten und einflussreichsten Songs entschlüsseln können.

Bono öffnet die Türen zu seinem Innenleben. Die Vergeudung menschlichen Potentials ist ein immer wiederkehrendes Thema ebenso wie sein Glaube, den er als Suche nach dem Signal im Lärm beschreibt, eine »immer noch leise Stimme«, die er am deutlichsten in seiner Ehe, in seiner Musik und in seinem Kampf gegen  extreme Armut vernimmt.

Vor allem aber ist Surrender eine Liebeserklärung an seine Frau Ali, die er in derselben Woche, als die Band ihre erste Probe hatte, zum ersten Mal zu einem Date eingeladen hat. Alison Stewart ist die Regisseurin jeder großen Szene in diesem Drama, einschließlich des dritten Akts, der jetzt beginnt, mit mehr Fragen als Antworten darauf, wofür man kämpfen muss, und wann es an der Zeit ist, sich zu ergeben.

Bono, geboren als Paul David Hewson, füllt seit vier Jahrzehnten mit U2 riesige Stadien. Die Band hat 170 Millionen Platten verkauft und 22 Grammys und andere Auszeichnungen gewonnen, darunter den Freedom of the City of Dublin Award sowie den Amnesty International’s Ambassadors of Conscience Award. Bono lebt mit seiner Frau Ali und den vier gemeinsamen Kindern in Dublin. Surrender ist sein erstes Buch.

Inhaltsübersicht

Frontispiz

Widmung

Motto

TEIL I

1: Lights of home

2: Out of Control

10. Mai 1978

3: Iris (Hold Me close)

Schwarze Locken und glockenhelles Lachen

Sonntagvormittage in den zwei St Canice’s

Jesus, Iris und Joseph!

Von der Kathedrale zum Tempel

Die Männer und Frauen, die vom Himmel fielen

Eine Traumsequenz im Wachzustand

Songzeilen: von Iris zu Ali

4: Cedarwood Road

Mein heimliches nerdiges Ich

Die Oper namens Bob

Take-offs und Take-aways

5: Stories for Boys

Apocalypse Now mit den Rowens

The Gospel According to Guggi

»Bist du schon errettet?«

Gangs aus Norddublin

Für euch Mr. Friday

6: Song for Someone

Am Schlagzeug

An der Gitarre

Am Bass

Zweimal vom Blitz getroffen

7: I Will Follow

Unsere gelbe Periode

Törichte, sture Liebe

Unser erstes Büro … der Regen

Der sauberste Schwindel der Welt

8: 11 O’Clock Tick Tock

Das Sakrament der Freundschaft

London Calling

Der Managementvertrag

Der Musikverleger

Der Agent

Der A&R-Mann

9: Invisible

Der Produzent

Das Aufnahmestudio

Wie ich meine Stimme suchte … aber hauptsächlich die anderer fand

Der Transporter

Die Fähre

Die Wohnung

Die Location

Die Fans

Die Bühne

Die Nacht

Die Garderobe

Der Tourmanager

Die große Tour

Der Manager

Born (Again) in the USA

Der Tourbus

10: October

Kirchenlieder und Arien

Eine Chronologie unseres Holy Rollin’ Rock

Reviving the Revival

Latein ist die Sprache der Liebe

11: Two Hearts Beat as One

Bittere Frucht

»… und sie werden ein Fleisch sein«

Goodbye Cedarwood Road

Ja, ich will

Einfach nur Kinder

Zwischen Unschuld und Erfahrung

12: Sunday Bloody Sunday

»Könnt ihr das noch mal versuchen?«

Stimme und Schlagzeug

Das ist kein Rebellenlied

Ein paar merkwürdige, überhaupt nicht komische Vorfälle

Das am meisten unterschätzte Wort im Lexikon

Der Good-Friday-Dissens

»Tony Blair – Kriegsverbrecher«

Ein Glockenschlag

13: Bad

Der Großmeister der Wanderlust

»Bekomme ich ein Autogramm?«

Eine Leinwand mit Brian Eno aufziehen

14: Bullet the Blue Sky

Der unrühmliche Lärm von Schusswaffen

Outside, it’s America

15: Where the Streets Have No Name

Das singe ich nicht …

»The Love that Drives out all Fear«

Die Lizenz, sich etwas aus den Fingern zu saugen

Ein Land der Fantasie

16: With or Without You

Zuhause und unterwegs

Schulschluss an der Kunstakademie

»A River to the Sea«

Die Gavin-Friday-Billigung: Fionán Hanvey

17: Desire

»Glasnost« im Clubhaus

Orientierung und Zuspruch durch Quincy Jones

Sich selbst in die Welt setzen

Alles neu träumen

TEIL II

18: Who’s Gonna Ride Your Wild Horses

Voraussicht und eine Geburtszange

Verspieltheit: kindlich und kindisch

»Schleichendes Vorrecht«

19: Until the End of the World

Vier Screenshots aus dem Kriegsgebiet

Her or History – ihre Geschichte oder seine

Michail Gorbatschow und Whiskey in Strömen

Vier Screenshots von Kanzlerin Angela Merkel

20: One

Ballroom Blitz

Ballast abwerfen, um abzuheben

Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit

Liebe und Unsterblichkeit

Eine Art Beschwörung

Der Song, den wir hören wollten

21: The Fly

Geburt von »The Fly«

Schlafwandeln mit der Muse namens David Bowie

Geburt von ZOO TV

Auftritt Elvis von links …

Weniger ist mehr … mehr ist noch mehr

Die Kunst imitiert das Leben … und den Tod

22: Even Better Than the Real Thing

Adam am Meeresgrund

Generieren, degenerieren, regenerieren

23: Mysterious Ways

Iris-Erkennung

Der Vorteil, nicht zu wissen, dass man nicht tanzen kann

Die Muse namens Morleigh Steinberg

Hingerissen von der Supermuse

Die Muse im Management

Die rätselhafte Distanz zwischen Mann und Frau

24: Stuck in a Moment

Impressionisten: Michael und Helena

Unser persönliches Nirwana

Paradise Lost

25: Wake Up Dead Man

Beatles oder Stones?

Augenblick und Ewigkeit

You Can Reach, but You Can’t Grab It

Die teuersten Demobänder der Musikgeschichte

Pop. Der Knall eines platzenden Ballons

Weckruf

26: The Showman

Fallstudie Nr. 1: He Did it His Way

Unter Sinatras Haut

»What now, my love? Now that it’s over?«

Blaue Augen oder gerötete Augen

Fallstudie Nr. 2: Eine Stimme, die größer ist als die Welt

Ein paar Dinge über die Oper, die Kritiker einem nicht sagen

Die drei Tenöre: Garvin, Bob und Luciano

Der Performer

Den Messie zum Messias machen

27: Pride (In the Name of Love)

Die Währung des Ruhms und wie man sie investiert

Meine neue Umgebung: die Hauptstadt

Ein Argument überzeugt mehr als zehn

Geld zum Fenster rauswerfen oder gut anlegen

Top of the Pop(e)s

Der Teufel trägt Gebetsperlen

Während der Abspann läuft …

Ein Soundtrack der Veränderung

TEIL III

28: Beautiful Day

Wenn sich die Zeit im Aufnahmestudio wie Freizeit anfühlt

Das Herz ist eine Blüte

Und du bist es, wenn ich in den Spiegel schaue

Ein Bariton, der sich für einen Tenor hält

29: Crumbs from Your Table

Die Haustür, die Hintertür und die Seitentür von George Bush

Ein schmutziges kleines Geheimnis

»Waren Sie schon mal in Afrika?«

»Lassen Sie mich Ihnen die Hände auflegen, mein Sohn«

Ein sehr seltsames Paar

30: Miracle Drug

Ein Dreiakter über zwei Jahre. Neun Szenen aus dem Leben eines Amateuraktivisten gegen Aids

31: Vertigo

Ein Fuchs lief über die Straße

Zuhause bei dem maximalen Minimalisten

»Unos. Dos. Tres. Catorce!«

32: Ordinary Love

»Frock ’n’ Roll«

»Keine Nächstenliebe, sondern Gerechtigkeit«

Das Weißer-Messias-Syndrom

»Wir wollen uns verneigen«

Der Verkauf von Träumen

Ein Land ist eine Geschichte, die wir uns selbst erzählen

33: City of Blinding Lights

Der Mythos Amerika

Endlich das gelobte Land

Stadt der blendenden Lügen

»It’s no secret that a liar won’t believe anyone else«

Den Bogen biegen

Komatös in Lincolns Bett

34: Get Out of Your Own Way

Als die Musiker die Produktionsmittel übernahmen

Königlicher Besuch

Als die Musik frei wurde … nur dass sie es nicht wurde

Dads Kapitalismus

Künstler Schrägstrich Aktivist Schrägstrich Investor

Bill und Melinda das Geld aus der Tasche ziehen

Laute Worte, stille Worte

35: Every Breaking Wave

Abschied von unserem fünften Beatle

Alte Brücken stürzen ein

Wish You Were Here

Postkarten aus London (24 Stunden)

Die verbotene Frucht

Love Songs

Anatomie eines Liebeslieds

36: I Still Haven’t Found What I’m Looking For

Die Iren in Übersee

Looked over Jordan, What Did I See?

Dream Beneath the Desert Sky

The House of Cash

Die Wanderlust des Wanderers

37: Love Is Bigger Than Anything in Its Way

Szene 1: Eine Rock-’n’-Roll-Show

Szene 2: Ein Rugbyspiel

Szene 3: Eine familiäre Offenbarung

Szene 4: November 2018, auf der Bühne in Berlin

Szene 5: Die Reise in die Stille

38: Moment of Surrender

Infinity is a Great Place to Start

Pilgerreise nach Fès

Sing Yourself Right off Your Feet

Die Melodie, die dich findet

Die Fähigkeit zu träumen

39: Landlady

40: Breathe

Letzte Worte …

Letzte letzte Worte

Fotos

Letztes Foto

Anhang: Bildbeschreibungen

Für Ali

I hear the ancient footsteps like the motion of the sea

Sometimes I turn, there’s someone there, at times it’s only me.

 

– Bob Dylan, »Every Grain of Sand«

TEIL I

I can’t change the world

but I can change the world in me.

 

– SFX Theatre, Dublin, Dezember 1982

Die Beschreibung der einzelnen Illustrationen und Bilder sowie die Übersetzung der Texte finden Sie im Anhang.

1

Lights of Home

I shouldn’t be here ’cause I should be dead

I can see the lights in front of me

I believe my best days are ahead

I can see the lights in front of me.

 

 

 

Ich wurde mit einem exzentrischen Herzen geboren. In einer meiner Herzkammern, wo die meisten Menschen drei Türen haben, habe ich nur zwei. Zwei Schwingtüren, die Weihnachten 2016 aus den Angeln gerieten. Die Aorta ist unsere Hauptarterie, unsere Lebensader, sie transportiert das von der Lunge mit Sauerstoff angereicherte Blut, das uns am Leben hält. Es wurde festgestellt, dass meine Aorta im Lauf meines Lebens so überstrapaziert wurde, dass sich eine Blase gebildet hat. Und wenn die platzt, lande ich schneller in meinem nächsten Leben, als ich den Notarzt rufen kann. Schneller, als ich mich von diesem Leben verabschieden kann.

Tja. Hier bin ich also. Im Mount Sinai Hospital. In New York City.

Ich betrachte mich von oben, das Neonlicht spiegelt sich auf dem Edelstahl. Ich habe das Gefühl, dass das Licht härter ist als der Stahltisch, auf dem ich liege. Mein Körper scheint von mir getrennt zu sein, weiches Fleisch und harte Knochen.

Es ist kein Traum und auch keine Vision, aber es fühlt sich an, als würde ich von einem Magier in der Mitte durchgesägt. Das exzentrische Herz wurde eingefroren.

Irgendwas wird ausgebessert, während das warme Blut umherschwappt und eine Sauerei veranstaltet, wie es Blut nun mal so macht, wenn es nicht gerade dafür sorgt, dass man am Leben bleibt.

Blut und Luft.

Blut und Eingeweide.

Aber jetzt sind Blut und Grips gefragt, wenn ich weiterhin mein Leben singen und leben will. Mein Blut.

Der Grips und die Hände des Magiers, der sich über mich beugt und mit der richtigen Strategie und viel Geschick einen schlechten Tag in einen richtig guten Tag verwandeln kann.

Nerven wie Drahtseile und Klingen aus Stahl.

Jetzt steigt der Mann mir auf die Brust, er führt seine Klinge mit der Kompetenz des Wissenschaftlers und der Routine des Fleischers – Fähigkeiten, die man braucht, um ein Herz zu öffnen und sich Zugang zu seinem Innern zu verschaffen. Das ist die Magie der Medizin.

Ich weiß, dass ich keinen guten Tag haben werde, wenn ich nach dieser achtstündigen Operation aufwache; aber ich weiß auch, dass Aufwachen besser ist als die Alternative.

Selbst wenn ich keine Luft bekomme und das Gefühl habe zu ersticken.

Selbst wenn ich verzweifelt nach Luft ringe und keine bekomme.

Selbst wenn ich halluziniere, denn ich habe jetzt schon Visionen, und es ist alles ein bisschen William Blake-mäßig.

Mir ist furchtbar kalt.

Ich will bei dir sein, ich brauche deine Wärme, ich brauche deine Anmut. Ich habe Wintersachen an. Ich liege mit dicken Stiefeln im Bett und friere mich halb tot.

Ich träume.

Ich bin in irgendeiner Filmszene, in der der Hauptdarsteller langsam stirbt. In seinen letzten Momenten ist er verzweifelt und stellt seine große Liebe infrage.

»Warum gehst du? Verlass mich nicht!«

»Ich bin bei dir«, sagt seine Geliebte. »Ich habe mich nicht bewegt.«

»Wie? Nicht du gehst? Bin ich es, der geht? Warum gehe ich weg? Ich will dich nicht verlassen. Bitte, halt mich zurück.«

Der Erfolg birgt ein paar schmutzige kleine Geheimnisse, die mich beim Aufwachen erwarten. Und aus denen ich aufwache.

Erfolg als Konsequenz der Unfähigkeit, als Vorwand für die Neigung zur Zwanghaftigkeit.

Erfolg als Belohnung für extrem harte Arbeit, hinter der sich vielleicht eine Neurose verbirgt.

Dem Erfolg sollten Hinweise zu Risiken und Nebenwirkungen beigefügt werden – für Workaholics und deren Freunde und Angehörige.

Erfolg kann sich einem unverdienten Vorteil oder günstigen Voraussetzungen verdanken, vielleicht nicht unbedingt einem Privileg, aber einer Gabe, einem Talent oder einer anderen Form ererbten Reichtums. Aber auch hinter einigen dieser Türen verbirgt sich harte Arbeit.

Ich dachte immer, meine Gabe sei es, die führende Melodie zu finden, nicht nur in der Musik, sondern auch in der Politik, in der Wirtschaft und ganz allgemein in der Welt der Ideen.

Wo andere Harmonien oder Mehrstimmigkeit hören, bin ich schon immer besser darin gewesen, die führende Melodie im Raum zu entdecken, die Eingängigkeit, den klaren Gedanken. Vielleicht, weil ich es singen oder verkaufen musste.

 

Aber jetzt sehe ich, dass mein Vorteil viel prosaischer war, viel elementarer. Mein Vorteil war genetisch, mein Vorteil war … Luft.

Genau.

Luft.

»Ihr Mann hat eine Menge Durchsetzungskraft in seiner Kriegerbrust.«

Das hat der Mann, der mein Brustbein aufgesägt hat, am Tag nach der Operation zu meiner Frau Ali gesagt.

»Wir mussten extrastarke Fäden nehmen, um ihn wieder zuzunähen. Er hat für sein Alter schätzungsweise hundertdreißig Prozent Lungenvolumen.«

Das Wort »Freak« hat er nicht benutzt, aber Ali sagt, seitdem sei ich für sie der »Mann aus dem Meer«, wie dieser amphibische Detective aus der Science-Fiction-Fernsehserie der späten Siebziger.

David Adams, der Mann, dem ich mein Leben verdanke, der Chirurg und Magier, spricht mit einem Südstaatenakzent, und in meinem überreizten Blake-mäßigen Zustand verwechsle ich ihn mit dem wahnsinnigen Schurken aus Blutgericht in Texas. Ich höre, wie er Ali nach Tenören fragt, die nicht gerade dafür bekannt sind, dass sie auf der Bühne herumspringen, während sie hohe Töne singen.

»Stehen Tenöre nicht normalerweise breitbeinig da, fest mit dem Boden verankert, ehe sie das hohe C anstimmen?«

»Ja, schon«, sage ich, ohne den Mund zu öffnen und noch voll bedröhnt. »Ein Tenor muss seinen Kopf zu einem Klangkörper und seinen Körper zu einem Blasebalg machen, wenn er Gläser zum Bersten bringen will.«

Ich dagegen renne seit dreißig Jahren über Bühnen und tobe durch Stadien und singe »Pride (In the Name of Love)« mit dem hohen A oder H, das ändert sich von Jahr zu Jahr.

In den Achtzigerjahren hat der elegante englische Sänger Robert Palmer mal Adam Clayton angefleht: »Könnt ihr euren Sänger vielleicht dazu bringen, ein bisschen tiefer zu singen? Er würde nicht nur sich selbst das Leben erleichtern, sondern auch allen, die ihm zuhören müssen.«

Luft ist Widerstandskraft.

Luft gibt einem das Selbstvertrauen, sich großen Herausforderungen und mächtigen Gegnern zu stellen.

Luft bedeutet nicht den Willen, jeden Mount Everest zu erklimmen, der sich einem in den Weg stellt, aber sie gibt einem die Fähigkeit, den Aufstieg zu bewältigen.

Luft braucht man an jeder Nordwand.

Luft verleiht einem kleinen Jungen auf dem Spielplatz die Überzeugung, dass ihn niemand drangsaliert oder, wenn doch, dass er den Kerl umhauen wird, bis dem die Luft wegbleibt.

Und jetzt bekomme ich zum ersten Mal keine Luft.

In der Notaufnahme eines Krankenhauses, ohne Luft.

Ohne Atem.

Die Namen, die wir Gott geben.

Alles mit Atem.

Jehovaaaah

Allaaaah

Yesuaaaah

Ohne Luft … ohne Atem … ohne Arie.

Ich habe Todesangst, weil ich mich zum ersten Mal im Leben an meinem Glauben festhalten will und ihn nicht finden kann.

Ohne Luft.

Ohne Gebet.

Ich bin ein Tenor, der unter Wasser singt. Ich spüre, wie meine Lunge sich füllt. Ich ertrinke.

Ich halluziniere. Ich sehe meinen Vater in einem Krankenhausbett, und ich schlafe daneben auf einer Matratze auf dem Boden. Beaumont Hospital, Dublin, im Sommer 2001. Er atmet tief, aber sein Atem wird immer flacher, wie das Grab in seiner Brust. Er ruft meinen Namen, verwechselt mich mit meinem Bruder oder umgekehrt.

»Paul. Norman. Paul …«

»Dad.«

Ich springe auf und rufe eine Schwester.

»Alles gut, Bob?«, flüstert sie ihm ins Ohr.

Wir leben in einer Welt aus perkussivem, angeregtem Flüstern, einer Welt aus Zischlauten, und sein Tenor verwandelt sich jetzt in kurze, blecherne Atemzüge, jedes Ausatmen endet mit einem S.

»Yesssss sssss sss.«

Seine Parkinson-Erkrankung hat seiner Stimme die Klangfülle geraubt.

»Ich will nach Haussss sss, ich will rausssss.«

»Sag’s noch mal, Dad.«

Wie die Schwester zuvor beuge ich mich über ihn, bringe mein Ohr dicht an seinen Mund.

Schweigen.

Gefolgt von Schweigen.

Gefolgt von »HAU AB!«.

Die Art, wie mein Dad sich von dieser Welt verabschiedet, hat etwas vollkommen Unvollkommenes. Ich glaube nicht, dass er mich oder die Nachtschwester wegschicken wollte. Ich stelle mir vor, dass er das Joch gemeint hat, das ihn das halbe Leben niedergedrückt hat.

An einem seiner letzten Tage hat er mir gesagt, er habe seinen Glauben verloren, als er den Krebs akzeptierte. Und dass ich meinen nicht verlieren soll. Dass der Glaube das Interessanteste an mir sei.

Ich fühlte mich ermutigt, ihm einen Psalm aus dem Buch David vorzulesen. Psalm 32. Auch David steckte in ziemlichen Schwierigkeiten.

Aber mein Vater war nicht in der Stimmung für eine Predigt und verdrehte die Augen, vermutlich nicht himmelwärts.

Als ich schwieg, schwand mein Gebein,

während ich stöhnte den ganzen Tag.

Denn Tag und Nacht war schwer auf mir deine Hand;

mein Saft verdorrte wie bei Sommergluten.

Gewiss, wenn große Wasser fluten –

mich erreichen sie nicht.

Du bist ein Bergungsort für mich;

vor Bedrängnis behütest du mich;

du umgibst mich mit Rettungsjubel.

War das für ihn oder für mich?

Mein alter Herr gestand mir, dass er mich für meine »Zwiegespräche mit dem da oben« bewundere.

»Ich führe nur Selbstgespräche, aber lass gut sein, ich versuche grade, hier ein bisschen Frieden zu finden.«

Tja, hier hat er keinen Frieden gefunden, aber ich hoffe, er hat ihn drüben gefunden.

Wo ist drüben?

Zuhause. Ich weiß nicht, ob ich weiß, was das ist.

Ich verabschiede mich. Ich hole tief Luft und mache mich auf die Suche.

 

Frühling 2015.

Wieder weißes, fluoreszierendes Licht. Stahl und Glas.

Übelkeit.

Diesmal geht es nicht um Leben und Tod. Ich schaue in einen Spiegel auf der Toilette einer Umkleide in den Katakomben einer Eishockey-Arena in Vancouver. Es ist der erste Abend der Innocence + Experience-Tour.

In meiner Jugend war ich nicht eitel. Ich habe Spiegel gemieden. Und jetzt stehe ich hier in dieser weiß gekachelten Toilette und betrachte mein Gesicht, als könnte es bei genauerem Hinsehen attraktiver werden.

Durch die Wände höre ich das Dröhnen der Menge, die mitsingt, während Gary Numan »Cars« spielt. »Here in my car / I feel safest of all / I can lock all my doors / It’s the only way to live / In cars.«

 

Ich befinde mich in der Zukunft, von der ich träumte, als ich diesen mit Synthesizern unterlegten Song Ende der Siebzigerjahre zum ersten Mal gehört habe. Ich kann es nicht fassen, dass ich mir jetzt, mit fünfundfünfzig, das Blondierungsmittel aus jener Zeit angetan habe. Bleich wie ein Hähnchenschenkel, wie ein spanischer Kritiker später sagen wird. Das Dröhnen aus der Arena verstärkt meine Anspannung. Ich gehe zurück in die Umkleide, die selbst wie eine Zeitkapsel wirkt, und beklage mich darüber, dass sie genauso aussieht wie auf unserer letzten Tour. Man sagt mir, sie sehe seit zanzig Jahren so aus. Grünes Leinen, Lichterketten, tabakbraunes Ledersofa. Warum ist es nach all den Jahren immer noch so verdammt nervenaufreibend, da rauszugehen und 18474 gute Freunde zu begrüßen?

Es ist das Eröffnungskonzert einer Welttour, aber wie üblich bin ich nicht allein. Larry hat etwas Engelhaftes an sich, wie jemand, der einen Blick ins Jenseits erhascht hat. Vielleicht hat er das ja tatsächlich, als er gestern seinen Vater beerdigt hat. Adam sieht aus wie der Hauptdarsteller eines Kunstfilms. Er hat die Ruhe weg. Edge ist angespannt und konzentriert, kann das aber ganz gut verbergen.

Wie vor jedem Auftritt beten wir.

Manchmal fühlt es sich an, als wären wir Fremde, die dafür beten, eine Form der Intimität zu finden, die für das Publikum des Abends irgendwie von Nutzen sein könnte. Von Nutzen? Für die Musik. Für irgendeinen höheren Zweck. Auf eine seltsam vertraute Weise verändert uns das Beten. Wir beginnen unsere Gebete als Kameraden, wir beenden sie als Freunde, mit einem neuen Bild von uns selbst und auch von unserem Publikum, dem wir gleich gegenüberstehen werden und das uns wiederum verändern wird.

Für eine solche Form von Nützlichkeit zu beten ist seltsam. Es ist unromantisch. Ein bisschen langweilig sogar, aber es ist das, was uns ausmacht und warum wir als Band immer noch zusammen sind.

Männer, die sich als Jungen kennengelernt haben. Männer, die das Versprechen gebrochen haben, das das Credo des Rock ’n’ Roll ausmacht: dass du die Welt haben kannst, die Welt im Gegenzug aber dich haben wird. Man kann seinen Messiaskomplex ausleben, aber man muss mit dreiunddreißig am Kreuz sterben. Wenn nicht, haben alle das Recht, ihr Geld zurückzufordern. Wir haben diese Erwartung enttäuscht. Bisher.

Wir sind Männer, die in ihren Kämpfen mit der Welt einige Narben davongetragen haben, deren Augen aber – in Anbetracht der Wechselfälle und der Surrealität eines Lebens von fünfunddreißig Jahren auf der Bühne – ziemlich klar geblieben sind.

Durch die Wände höre ich Patti Smith singen, »People Have the Power«, das Zeichen für uns, dass wir noch fünf Minuten und zehn Sekunden haben, bis wir rausmüssen. Fünf Minuten und zehn Sekunden, bis wir wissen werden, ob wir das, wofür die Leute gekommen sind, immer noch draufhaben, und damit meine ich nicht nur unsere Musik und unsere Freundschaft. Was wir zu bieten haben, ist unsere Band als Chemiebaukasten, ist eine chemische Reaktion zwischen unserem Publikum und uns. Das ist es, was aus einer guten Band eine spitzenmäßige macht.

Das Geschrei der Menge schwillt an, während wir durch den Korridor gehen, ein Geschrei, das aus der Maus einen Löwen macht. Mit erhobener Faust betrete ich die Bühne, mache mich bereit für den ersten Song.

Auf den folgenden Seiten werde ich zu erklären versuchen, was damit gemeint ist. Aber nach vierzig Jahren weiß ich, dass ich in den Songs bleiben kann, dass sie mich singen und dass dieser Abend keine Arbeit sein wird, sondern Spiel.

Fast zwanzigtausend Menschen singen den Refrain von »The Miracle (Of Joey Ramone)«, und während Edge, Larry und Adam zum Bühnenrand gehen, komme ich ihnen von der anderen Seite der Arena allein entgegen. Ich gehe mitten durch unser Publikum, mitten durch den Lärm. Ich bin wieder siebzehn, verlasse mein Elternhaus in der Northside von Dublin, gehe die Cedarwood Road hinunter, auf dem Weg zur Probe mit diesen Männern, die damals auch noch Jungen waren.

Ich verlasse mein Zuhause, um nach Hause zu finden.

Und ich singe.

2

Out of Control

Monday morning

Eighteen years of dawning

I said how long

Said how long.

 

 

 

Ich springe in unserem Haus in der Cedarwood Road 10 zum Klang von »Glad to See You Go« im Wohnzimmer herum.

You gotta go go go go goodbye

Glad to see you go go go go goodbye.

Es ist 1978, mein achtzehnter Geburtstag.

Die Songs auf dem Ramones-Album Leave Home sind simpel, und doch bringen sie eine Vielschichtigkeit zum Ausdruck, die für mein Leben viel wichtiger ist als Schuld und Sühne von Dostojewski. Das ich gerade ausgelesen habe. Wofür ich dreieinhalb Wochen gebraucht habe. Leave dauert nur neununddreißig Minuten und siebenundfünfzig Sekunden. Die Songs sind so einfach, dass sogar ich sie auf der Gitarre spielen kann. Und ich kann nicht mal Gitarre spielen.

Sie sind derart simpel, dass ich so einen Song vielleicht auch schreiben könnte. Das wäre eine Art persönliche Revolution, deren Widerhall bis oben im leeren Zimmer meines großen Bruders Norman zu spüren wäre. Oder, wichtiger noch, bis in die Küche am Ende des Flurs, wo mein Dad gerade sitzt.

Mein Dad, der mit mir darüber reden will, dass ich mir einen Job suchen soll. Einen Job!

Ein Job bedeutet, dass man an fünf oder sechs Tagen die Woche acht Stunden lang etwas tut, wozu man keine Lust hat, und im Gegenzug Geld kriegt, mit dem man dann am Wochenende endlich das tun kann, wozu man eigentlich schon die ganze Zeit über Lust gehabt hätte.

Ich weiß, dass ich eigentlich nicht arbeiten will. Dass ich, wenn ich etwas tun könnte, worauf ich stehe, keinen einzigen Tag in meinem Leben arbeiten müsste. Es gibt aber leider ein Problem. Selbst als pickeliger, aufsässiger Teenager weiß ich nämlich auch, dass das nur passieren wird, wenn ich in irgendwas verdammt gut bin.

Und es gibt nichts, worin ich richtig gut bin.

Überhaupt nichts.

Okay, ich bin gut im Imitieren. Mein Freund Reggie Manuel behauptet, ich hätte ihm seine Freundin Zandra nur ausspannen können, weil ich Ian Paisley so gut nachgemacht hab. Ich bin ziemlich gut darin, die wüsten Hasstiraden von Reverend Ian Paisley, dem Führer der größten unionistischen Partei Nordirlands, nachzuahmen.

»NOY SRRNDRRR!«, keift der Typ immer. »Keine Unterwerfung!«

Mein Ian Paisley bringt Zandra dermaßen zum Lachen, dass ich mir einbilde, sie steht auf mich. Aber ich weiß auch, dass sie mich für Keith Dingsbums jederzeit fallen lassen könnte, weil es nicht reicht, witzig zu sein. Man muss auch schlau sein, und ich bin schlau genug, um zu wissen, dass ich nicht schlau bin. Jedenfalls nicht schlau genug.

Vor nicht allzu langer Zeit war ich in der Schule ziemlich schlau, aber neuerdings kann ich an nichts anderes mehr denken als an Musik und Mädchen. Und ich bin schlau genug, um den Zusammenhang zu erkennen.

Ich kann ziemlich gut malen, aber nicht so gut wie mein bester Freund Guggi. Ich kann ziemlich gut schreiben, aber nicht so gut wie der talentierte Alleswisser Neil McCormick, der für die Schülerzeitung schreibt. Ich habe mit der Idee geliebäugelt, Journalist zu werden und als Auslandskorrespondent aus Kriegsgebieten zu berichten. Aber um Journalist zu werden, muss man bei Prüfungen gut abschneiden, und ich habe ein Problem mit Prüfungen. Damit, die Schulbank zu drücken und für Prüfungen zu büffeln.

Außerdem befinde ich mich zurzeit in einem ganz anderen Kriegsgebiet. In unserer Straße, bei uns zuhause, in meinem Kopf.

Warum sollte ich als Kriegskorrespondent nach Timbuktu gehen, wenn sich unter meinem Bett so viel gutes Material befindet? Die Ängste und die Gespenster unter meinem Kopfkissen sind der Grund, warum ich manchmal nicht aus dem Bett aufstehen will. Ich weiß noch nicht, dass der Rock ’n’ Roll – insbesondere der Punkrock – meine Befreiung sein wird.

Dass er mich hinaustreiben wird. Aus dem Bett.

In unserem Wohnzimmer in der Cedarwood Road 10 steht ein braunes Ledersofa. Ein orange-schwarz gemusterter Teppichboden wärmt uns im Winter die nackten Füße. Vor Kurzem wurde eine Zentralheizung eingebaut, sodass wir nicht mehr jeden Morgen vom Schlafzimmer ins Bad spurten müssen.

Wir sind reich.

So reich, dass mein Dad einen Hillman Avenger in Rot fährt. So reich, dass wir vor unseren Freunden einen Farbfernseher hatten. Ein Farbfernseher ist ein Riesending. Bei uns zuhause lässt er das wirkliche Leben weniger wirklich erscheinen. Und während meiner Teenagerzeit musste das Leben für mich, meinen Dad und Norman einfach ein bisschen weniger wirklich aussehen.

In den Siebzigern sieht das Grün in den alten Fußballstadien von Old Trafford oder Anfield oder Highbury im Farbfernseher beim Match of the Day viel grüner aus als die Wiesen hinter unserer Wohnanlage. Die roten Trikots von George Best und Charlie George stehen in Flammen. Malcolm Macdonald kommt nicht so gut weg. Warum soll man Newcastle United in ihren gestreiften Trikots anfeuern, wenn schwarz-weiß Geschichte ist?

Mein Dad sagt, auch das Königshaus sollte Geschichte sein, findet aber genau wie meine Mutter, dass die Queen in bunt toll aussieht. Jedes Jahr streiten meine Eltern sich lachend darüber, ob wir Iren unser Weihnachtsessen unterbrechen sollten, um uns um drei Uhr nachmittags die Weihnachtsansprache Ihrer Majestät im Fernsehen anzuhören. Es ist, als hätte die ganze Welt eine Schwäche für den Pomp und das Gepränge und den ganzen königlichen Zirkus. Aber der Krieg ist schwarz und weiß, selbst im Farbfernsehen. Teile unseres Landes stehen im Krieg mit anderen Teilen unseres Landes. Unser Nachbar Großbritannien ist schon immer ein Fiesling gewesen, aber wir haben jetzt auch ein paar von der Sorte in unserer Mitte. Blut leuchtet purpurn in den Nachrichten. Immer mehr Flaggen verseuchen den öffentlichen Raum mit der spalterischen Geschichte von Irland und England, aber das hält uns nicht davon ab, am Geburtstag der Queen vor der Glotze zu hocken und uns die Fahnenparade anzusehen. In unserem Farbfernseher wird alles lebendig.

Aber selbst mit dem britischen Punkrock kann England für einen Teenager in Dublin niemals so aufregend sein wie Amerika. Die »Cowboys« – John Wayne, Robert Redford, Paul Newman – eröffnen einem eine ganz andere Welt, ebenso wie die »Indianer«, auch wenn die bei der Art, wie Hollywood sie ausstaffiert, kein Mitspracherecht haben. Und dann gibt es da ja noch die städtischen Gesetzeshüter wie Clint Eastwood als Dirty Harry, Peter Falk als Columbo oder Telly Savalas in Kojak. Die Fiktion jedoch ist nichts im Vergleich zum echten amerikanischen Leben. Nichts im Vergleich zur Apollo-Mission, der visionärsten aller Visionen.

Wie verrückt müssen die Amerikaner sein, um zu glauben, sie könnten einen Mann auf den Mond schießen? Das ist eine Art von Wahnsinn, von dem wir Iren uns angesprochen fühlen. War es nicht einer von uns, einer aus unserer königlichen Familie, John Fitzgerald Kennedy, der sich die Idee vom Mann auf dem Mond als Erster ausgedacht hat? Das sagt mein Dad jedenfalls.

Als Teenager im Dublin der Siebziger bin ich wild entschlossen, die schwarz-weiße Welt jenseits der mit Nippes vollgestellten Fensterbänke der Cedarwood Road so farbenprächtig zu gestalten wie die Bilder in unserem Farbfernseher. Und ich will die Welt nicht nur anders sehen, ich will sie auch anders hören. Ich will weg von der Monotonie jugendlicher Hoffnungslosigkeit und hin zu den runderen, volleren Klängen, die aus einem weiteren objet d’art in unserem Wohnzimmer dringen.

Unserer Stereoanlage.

Wir haben eine tolle Stereoanlage. Das ist nicht einfach nur ein Plattenspieler, dazu da, das ganze Haus mit der Opernmusik zu erfüllen, auf die mein Dad steht. Zur Anlage gehört auch ein Tonbandgerät von Sony, eins mit zwei riesigen Spulen, die mein Leben aufwirbeln werden. The Ramones, The Clash und Patti Smith werden die Außenwelt umdeuten, aber angefangen hat alles mit The Who, Bob Dylan und David Bowie, auf den ich total abgefahren bin und den ich anfangs für einen Teil eines Duos gehalten habe, in der Annahme, Hunky Dory sei der zweite Mann und nicht der Name seines vierten Albums.

10. Mai 1978

Ein großer Tag für einen angehenden Rockstar von knapp eins neunundsechzig, der von sich behauptet, er sei eins siebzig groß. Dass es mein achtzehnter Geburtstag ist, spielt dabei kaum eine Rolle. In unserer Familie werden Geburtstage nicht großartig gefeiert. Okay, es ist super, von meinem Dad fünf Pfund geschenkt zu bekommen, aber das ist nicht der Grund, warum heute ein besonderer Tag ist.

Heute ist der Tag, an dem ich einen Entfesselungstrick nach Houdini-Art lerne. Besser als bei jedem indischen Seiltrick lasse ich mein schwarz-weißes Leben verschwinden und kehre in Farbe zurück. Heute ist der Tag, an dem ich meinen ersten richtigen Rocksong schreibe, die erste Single von U2. Und das habe ich dem großartigen Joey Ramone zu verdanken. Und seinen großartigen Brüdern. Aber ohne Edge, Adam und Larry – ohne meine großartigen Brüder – hätte niemand den Song jemals zu hören bekommen.

Monday morning

Eighteen years of dawning

I said how long.

Said how long

It was one dull morning

I woke the world with bawling

I was so sad

They were so glad.

I had the feeling it was out of control

I was of the opinion it was out of control.

Ich gab dem Song den Titel »Out of Control«1, weil mir dämmerte – und da hatte Fjodor Dostojewski womöglich seine Hand im Spiel –, dass wir Menschen nur wenig oder keinen Einfluss auf die beiden wichtigsten Momente in unserem Leben haben. Auf unsere Geburt und unseren Tod. Das schien mir genau die Art zu sein, dem Universum den Stinkefinger zu zeigen, die ein großes Punkrock-Stück braucht.

3

Iris (Hold Me Close)

The star,

that gives us light

Has been gone a while

But it’s not an illusion

The ache

In my heart

Is so much a part of who I am

Something in your eyes

Took a thousand years to get here

Something in your eyes

Took a thousand years, a thousand years.

 

 

 

Stellt euch einen fünfundfünfzigjährigen Mann vor, der jeden Abend vor zwanzigtausend Menschen für seine Mutter singt.

Ich meine, was hat das zu bedeuten?

Es ist schlimm, mit vierzehn seine Mutter zu verlieren, aber inzwischen sollte der junge Mann eigentlich darüber weg sein. Im Ernst.

Als Leadsänger von U2 werde ich oft belästigt. Ob das fair ist oder nicht, das gehört leider zum Job, und meistens macht es mir sogar Spaß. Und nichts davon kommt dem Mist, den ich mir selber vorwerfe, auch nur nahe. Vor allem auf der Bühne passieren mir schon mal verdammt psychedelische, psychologische Sachen. Auf der Bühne, und auch im Publikum, ist die Luft extrem aufgeladen.

 

Was hat das zu bedeuten? Die Frage oben ist ein Beispiel für die bescheuerten Vorwürfe, die in meinem Kopf auftauchen, wenn ich »Iris« anstimme: Da scheint mir mein eigener persönlicher Satan auf der Schulter zu sitzen, der mich auf Schritt und Tritt verunsichert. Ein kleiner Teufel, der meine Selbstachtung mit Graffiti besprüht. Dabei bin ich das selbst, dieser kleine Teufel. Warum also tue ich mir das an?

Jemand hat mal gesagt, beten ist, wie auf rauer See in einem Boot ohne Ruder zu sitzen. Das Einzige, was man hat, ist ein Seil, das irgendwo in weiter Ferne an einem Hafen vertäut ist. Mit diesem Seil kann man sich näher zu Gott hinziehen.

Songs sind meine Gebete.

Schwarze Locken und glockenhelles Lachen

Ich habe kaum Erinnerungen an meine Mutter Iris. Ebenso wie mein Bruder Norman. Das liegt ganz einfach daran, dass bei uns zuhause nach ihrem Tod nie wieder über sie gesprochen wurde.

Nein, es war sogar noch schlimmer. Wir haben kaum mehr an sie gedacht. Wir waren drei irische Männer, und wir haben nach allen Kräften den Schmerz vermieden, von dem wir wussten, dass er kommen würde, wenn wir an sie denken und über sie sprechen würden.

2014, auf Songs of Innocence, habe ich mir erlaubt, einen Blick zurück zu riskieren und Steine umzudrehen, unter denen sich fiese Krabbeltiere tummeln. Die wenigen Erinnerungen an meine Mutter, die mir geblieben waren, habe ich in den Song »Iris« einzuweben versucht.

Ich würde ihr von mir singen.

Ich würde sie finden.

 

Drei Tage vor der Veröffentlichung des Albums bin ich in Panik geraten. Ich verwarf die Idee, den Song »Iris« in den Äther zu schicken, ihn in die Welt zu entlassen, diesen Song, in dem ein Fünfundfünfzigjähriger um seine verstorbene Mutter heult. Im letzten Moment hatte ich das Gefühl, dass »Iris« zu sehr alles war: zu weich, zu pathetisch, zu entblößend, eine Zumutung für die Band. Da der Song ursprünglich nur als Digitalversion zum Downloaden für 500 Millionen Leute herauskommen sollte (das ist eine andere Geschichte, dazu kommen wir später), habe ich versucht, ihn in allerletzter Minute aus dem Album zu nehmen. Das hätte nicht etwa bedeutet, dass eine Million CDs oder Schallplatten auf einer Mülldeponie landeten. Aber auch für das Erscheinen digitaler Musik gibt es einen Stichtag, und den habe ich verpasst. Apple hatte den Song schon in seine virtuellen Systeme hochgeladen, und den Song wieder rauszunehmen hätte bedeutet, die Welt in die Luft zu jagen.

Oder etwas ähnlich Schlimmes.

Ich saß da, starrte an die Wand und fragte mich, warum das alles so wund war, warum mir die Erinnerung an Iris nach all den Jahren immer noch so wehtat. Wie viele Jahre waren es genau? Es war 2014, also vierzig Jahre. Und es war September, also auf den Monat genau vierzig Jahre.

Wirklich? Wann genau war sie gestorben? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich schrieb meinem Bruder eine SMS. Er konnte sich auch nicht erinnern. Ich rief meinen Onkel an, aber Onkel Jack konnte sich auch nicht erinnern, dafür wusste er, dass »Gags« Rankin – mein Großvater – am 9. September beerdigt worden war. Und an dem Tag hatte er seine Schwester Iris zum letzten Mal gesehen.

 

Am 9. September kam das Album heraus. Ohne dass das irgendjemandem bewusst war, wurde Songs of Innocence am selben Tag in die Welt entlassen, an dem ich das letzte Mal mit meiner Mutter gesprochen hatte. Was hatte das zu bedeuten? War das Zufall? Mich begeistern solche Beispiele kosmischen Einklangs, und ich nahm es als Bestätigung dafür, dass ich das Richtige tat.

Free yourself to be yourself

If only you could see yourself.

Dieser Satz wurde zu meinem Mantra – »Befrei dich, um du selbst zu sein, wenn du dich nur selbst sehen könntest« –, und die Erinnerungen kehrten zurück.

Iris, lachend. Ihr Humor, so schwarz wie ihre schwarzen Locken. In unangebrachten Situationen zu lachen war ihre Schwäche. Mein Vater, der aus dem Zentrum von Dublin stammt, hat sie und ihre Schwester Ruth einmal mit zum Ballett genommen; sie blamierte ihn bis auf die Knochen, indem sie prustend über die Suspensorien lachte, die sich unter den Trikots der Tänzer abzeichneten.

 

Ich erinnere mich, dass ich mit sieben oder acht ziemlich frech war. Einmal jagte mich Iris und wedelte mit einem langen Stock, den ihre Freundin ihr gegeben hatte, um mich zu disziplinieren. Ich rannte um mein Leben durch den Garten. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie sie sich kaputtlachte, denn sie glaubte weder an diese mittelalterliche Form der Bestrafung noch daran, dass ihr Junge böse war.

Ich erinnere mich, wie ich Iris in der Küche dabei zusah, wie sie die Schuluniform meines Bruders bügelte, während von oben das Geräusch der Bohrmaschine zu hören war, mit der mein Dad ein selbst gebautes Regal aufhängte.

Plötzlich seine Stimme. Er schreit. Ein unmenschliches Geräusch, wie von einem Tier.

»Iris! Iris! Ruf den Notarzt!«

Wir rannten zur Treppe, er stand oben, die Bohrmaschine in der Hand. Offenbar hatte er sich damit in den eigenen Schritt gebohrt. Der Bohrer war abgerutscht, und jetzt fürchtete er, dass er nie wieder einen hochkriegen würde. »Ich hab mich kastriert!«, schrie er.

Auch ich war starr vor Schreck, als ich mitansehen musste, wie mein Vater, der Riese aus der Cedarwood Road 10, wie ein Baum umfiel. Ich wusste nicht, was das bedeutete. Iris wusste, was es bedeutete, und auch sie war schockiert, aber das zeichnete sich nicht in ihrem Gesicht ab. Ich sah eine schöne Frau vor mir, die Mühe hatte, ihr Lachen zu unterdrücken, bis es ihr schließlich nicht länger gelang und sie in schallendes Gelächter ausbrach. Wie bei einem Mädchen in der Kirche, dessen Anstrengungen, sich zu beherrschen, um kein Sakrileg zu begehen, nur dazu führen, dass das unterdrückte Lachen umso lauter explodiert.

Iris nahm den Telefonhörer ab, brachte es jedoch vor lauter Lachen nicht fertig, den Notruf zu wählen. Dad überlebte seine Fleischwunde. Die Ehe überlebte den Vorfall. Die Erinnerung war wieder da.

 

Iris war sehr praktisch veranlagt, genauso eine Bastlerin wie mein Vater. Sie konnte den Stecker eines Wasserkessels reparieren, und sie konnte nähen – und zwar verdammt gut! Nachdem mein Dad ihr untersagt hatte, zusammen mit ihren besten Freundinnen aus unserer Straße bei Aer Lingus einen Job als Putzhilfe anzunehmen, begann sie, halbtags als Schneiderin zu arbeiten.

Über die Sache mit dem Job gab es einen Riesenstreit zwischen meinen Eltern, den einzigen, an den ich mich erinnern kann. Ich habe von meinem Zimmer aus gelauscht und gehört, wie meine Mutter meinen Vater anschrie: »Du hast nicht über mich zu bestimmen!« Und das, muss ich fairerweise sagen, hat er auch nicht getan. Statt auf seinem Verbot zu beharren, hat er sie so lange angefleht, bis sie schließlich den Plan, mit ihren Freundinnen am Dubliner Flughafen zu arbeiten, aufgab. Noch Jahre später tat es mir weh, wenn ich von einer Tour zurückkam und ihren Freundinnen Onagh und Winnie am Flughafen begegnete. Iris war von uns gegangen, aber manchmal war mir, als stünde sie direkt neben den beiden.

Sonntagvormittage in den zwei St Canice’s

Hold me close, hold me close and don’t let me go.

Hold me close like I’m someone that you might know

Hold me close the darkness just lets us see

Who we are

I’ve got your light inside of me.

Bob war katholisch, Iris protestantisch. Die Ehe der beiden trotzte dem Sektierertum der damaligen Zeit. Und weil Bob fand, dass die Mutter für die religiöse Erziehung der Kinder zuständig war, brachte er meinen Bruder und mich zusammen mit unserer Mutter sonntagmorgens zur protestantischen Kirche St Canice’s in Finglas und fuhr dann weiter zur katholischen Kirche am Ende der Straße, um die heilige Messe zu besuchen. Und diese Kirche hieß ebenfalls St Canice’s.

Verwirrend? Durchaus!

Die beiden Kirchen waren weniger als eine Meile voneinander entfernt, aber im Irland der Sechzigerjahre war eine Meile eine lange Strecke. Die »Prods« hatten die besseren Lieder, die Katholiken die bessere Bühnenausstattung. Gavin Friday, mein Kumpel von weiter oben in der Cedarwood Road, sagte immer: »Der Katholizismus ist der Glamrock der Religion.« Mit den ganzen Kerzen und psychedelischen Farben – Kardinalblau, Scharlachrot, Violett –, mit dem Weihrauch und den kleinen Glocken. Die Prods hatten dafür größere Kirchturmglocken, »weil sie sich die Dinger leisten können!«, wie Gavin meinte. Für einen Großteil der irischen Bevölkerung waren Wohlstand und Protestantismus Synonyme. Und beides bedeutete, dass man mit dem Feind kollaboriert hatte – also mit England – oder das immer noch tat. So sahen in den Sechziger- und Siebzigerjahren die krausen Gedanken in Irland aus. Tatsächlich hat die Church of Ireland einige der berühmtesten irischen Rebellen hervorgebracht, und südlich der Grenze war die protestantische Gemeinde in jeder Hinsicht bescheiden, nicht nur zahlenmäßig. Sehr bescheidene, sehr nette Leute. Sie waren alles andere als frömmlerisch, ihre Nettigkeit war eigentlich das Einzige, was man ihnen vorwerfen konnte. Mit ihren Gartenfesten und Flohmärkten konnten sie einen fertigmachen. Ja, die Church of Ireland konnte einen mit ihrer Nettigkeit wirklich umbringen!

Mein Dad hatte großen Respekt vor dieser Kirche, in die er hineingeheiratet hatte, und wenn die Messe am anderen Ende der Straße zu Ende war, kam er von seiner St Canice’s zu unserer St Canice’s, sammelte Frau und Kinder ein und brachte uns nach Hause.

 

Iris und Bob waren im Zentrum von Dublin in der Nähe der Durchgangsstraße Oxmantown Road aufgewachsen, einem Viertel, das im Volksmund Cowtown genannt wurde, weil dort früher jeden Mittwoch der Viehmarkt stattfand. Gleich daneben befindet sich der Phoenix Park, angeblich der größte Stadtpark Europas, wie zumindest die Einheimischen behaupten. Bob und Iris gingen dort gern spazieren und beobachteten die Rehe, die dort frei herumliefen. Wie es sich für einen »Dub« (einen Dubliner) gehörte, spielte Bob im Park Cricket, und seine Mutter, Granny Hewson, hörte sich auf BBC die Ergebnisse der englischen Cricket-Mannschaften an.

Cricket war in Irland kein Sport der Arbeiterklasse. Und wenn man bedenkt, dass mein Dad sich von seinem Ersparten Opern-Schallplatten kaufte, seine Frau und deren Schwester ins Ballett ausführte und nicht zuließ, dass Iris sich wie ihre Freundinnen zur »Mrs. Mopp« machte, wie er das nannte, dann könnte man annehmen, dass Bob ein bisschen versnobt war. Auf jeden Fall waren seine Vorlieben in unserer Straße nicht gerade die Norm. Im Grunde war unsere ganze Familie ein bisschen anders. Mein Dad und sein Bruder Leslie hatten nicht mal einen ausgeprägten Dubliner Akzent, und sie bemühten sich um eine kultivierte Ausdrucksweise.

 

Hewson, der Familienname meines Vaters, ist ebenfalls ungewöhnlich, denn er kommt sowohl unter Katholiken als auch unter Protestanten vor. Während einer England-Tour habe ich mal in einem schicken Pub eine Urkunde über die Hinrichtung von Charles I. gesehen, und einer der Unterzeichner hieß Hewson. Ein Republikaner? Gut. Einer von Cromwells Schergen? Schlecht.

Die Hewsons sind eher kopflastig und die Rankins eher körperlich, das ist mir schon als Junge aufgefallen. Die Hewsons konnten sich über alles Mögliche fürchterlich den Kopf zerbrechen. Mein Dad ging seine Geschwister nicht einfach spontan besuchen, weil es ja sein konnte, dass die gerade keine Lust auf seinen Besuch hatten. Er brauchte eine Einladung. Meine Mutter – eine Rankin – sagte immer zu ihm, er solle einfach hingehen und an der Tür klingeln. Ihre Verwandten klingelten dauernd bei uns. Wo ist das Problem? Wir gehören zur Familie.

Die Rankins lachen den ganzen Tag. Das machen die Hewsons zwar nicht, aber uns wird auch nicht langweilig, denn wir sind ziemlich launisch. Sehr launisch sogar. Könnte sein, dass das auch auf mich zutrifft.

Und es gibt noch einen Unterschied. Bei den Rankins liegt eine Neigung zu Hirnaneurysmen in der Familie. Drei der fünf Schwestern Rankin sind an einem Aneurysma gestorben. Auch Iris.

Jesus, Iris und Joseph!

Meine Mutter hat mich nur einmal auf der Bühne singen hören. Und zwar als Pharao in dem Musical Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat von Lloyd Webber.2 Als Elvis verkleidet habe ich die Lippen vorgestülpt und Beifallsstürme geerntet. Iris hat sich halb totgelacht. Es schien sie zu wundern, dass ich singen konnte, dass ich musikalisch war, was ich ziemlich komisch fand, weil ich oft genug Kostproben zum Besten gab.

Schon als ganz kleiner Junge, als ich gerade mal an die Tasten kam, fühlte ich mich von Klavieren wie magnetisch angezogen. Eins stand in unserem Gemeindesaal, und mit dem Klavier allein zu sein, war für mich das Höchste. Stundenlang habe ich ausprobiert, welche Töne die Tasten machen konnten oder was passierte, wenn ich auf eines der Pedale trat. Ich wusste nicht, was ein Halleffekt war; ich hatte keine Ahnung, dass so etwas Einfaches wie dieser Effekt aus unserem Gemeindesaal eine Kathedrale machen konnte. Ich erinnere mich, wie meine Finger einen Ton fanden und ich dann mit der anderen Hand einen gesucht habe, der dazu passte. Und noch einen. Ich bin mit Melodien im Kopf auf die Welt gekommen, und seitdem suche ich nach Möglichkeiten, sie in die Welt zu entlassen.

Aber Iris hat die Zeichen nicht gesehen, weil sie nicht danach gesucht hat.

Iris war nicht romantisch, sie war pragmatisch. Eine genügsame Frau, die sich ihre Kleider selbst nähte. Als meine Großmutter sich entschloss, ihr Klavier zu verkaufen, habe ich ganz vorsichtig darauf hingewiesen, wie gut es in unsere Wohnung passen würde.

»Sei nicht albern, wo sollen wir es denn hinstellen?«

Kein Klavier für uns. Kein Platz.

Iris bekam eine zweite Gelegenheit, die Sache geradezurücken. Als ich elf war, schickten meine Eltern mich auf die St Patrick’s Cathedral Grammar School im Zentrum von Dublin, eine Schule, die für ihren Knabenchor bekannt war. Beim Vorstellungsgespräch fragte Mr. Horner, der Schuldirektor, ob ich vielleicht Lust hätte, im Chor mitzusingen. Ich bekam Herzklopfen, aber ich war zu schüchtern, mich zu einem Talent zu bekennen, von dem noch niemand etwas wusste. Iris, die meine Verlegenheit spürte, beantwortete die Frage für mich.

»Nein, nein. Paul hat kein Interesse am Singen.«

Für die Mutter eines derart musikbesessenen Kindes mag ihr Verhalten vielleicht merkwürdig erscheinen, so als würde sie ihren zweiten Sohn nicht richtig kennen. Aber so sehe ich das nicht. Iris war eine Problemlöserin, sie machte keine Probleme, sie löste sie. Sie war einfach praktisch veranlagt.

Von der Kathedrale zum Tempel

Once we are born, we begin to forget

The very reason we came

But you I’m sure I’ve met

Long before the night stars went out

We’re meeting up again.

Im September 1972 war ich zwölf und in meinem ersten Jahr in der Mount Temple Comprehensive School in Clontarf. Mein Gastspiel an der St Patrick’s Cathedral Grammar School war für beide Seiten unglücklich gewesen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war eine von allen nur »Biddy« genannte Spanischlehrerin. Ich war überzeugt davon, dass sie meine Hausaufgaben durchstrich, ohne sie sich angesehen zu haben. Ich fühlte mich von ihr gequält, und ein Streich machte auch mich zum Quälgeist. Bei schönem Wetter setzte Biddy sich mit ihrer durchsichtigen Lunchbox auf eine Parkbank im Schatten der prächtigen St Patrick’s Cathedral, der größten Kirche Irlands, und genoss ihr Mittagessen. Wir Schüler durften zur Mittagszeit nicht in den Park, aber zusammen mit ein paar Kumpels hatte ich es geschafft, über den Zaun zu klettern und Biddys Lunchbox mit Hundekacke zu füllen. Aus Rache dafür, dass sie glaubte, auf unsere Hausaufgaben scheißen zu können. Kein Wunder, dass Biddy mich loswerden wollte. Die Schulleitung legte meinen Eltern nahe, mich auf eine andere Schule zu schicken, und so kam ich auf die Mount Temple Comprehensive School.

Mount Temple war meine Befreiung.

Ein überkonfessionelles, koedukatives Experiment, das für das konservative Irland der damaligen Zeit äußerst bemerkenswert war. Anstatt die sechs ersten Klassen mit den Buchstaben A, B, C etc. zu bezeichnen, bekamen sie die Buchstaben D, U, B, L, I und N. Wir wurden dazu ermuntert, wir selbst zu sein, unsere Kreativität wurde gefördert, und wir brauchten keine Schuluniform zu tragen.

Das Problem war die lange Busfahrt mit einmal Umsteigen – erst von Nordwesten ins Zentrum und dann weiter in Richtung Nordosten. Oder man fuhr mit dem Fahrrad, was mein Freund Reggie Manuel und ich taten. Auf einer nicht enden wollenden Straße, die gnadenlos bergauf ging, lernten wir, uns am Milchwagen festzuhalten. Ich glaube, ich habe mich nie wieder so frei gefühlt wie damals, als ich jeden Tag mit Reggie zur Schule geradelt bin. Wenn das Wetter so schlecht war, dass wir den Bus nehmen mussten, wurden wir zumindest freitags dafür entschädigt. Denn dann blieben wir nach der Schule im Stadtzentrum und gingen in den Plattenladen Dolphin Discs auf der Talbot Street und betrachteten staunend die Cover von Raw Power von den Stooges oder von David Bowies Ziggy Stardust.

Die Männer und Frauen, die vom Himmel fielen

Der einzige Grund, warum ich am Montag, dem 17. Mai 1974, nicht um 17:30 Uhr im Plattenladen stand, war ein Busfahrerstreik, der dazu geführt hatte, dass wir mit dem Fahrrad zur Schule fahren mussten. Wir waren schon zuhause, als in der Talbot Street in der Nähe von Dolphin Discs eine Autobombe hochging und noch eine in der Parnell Street und eine weitere in der South Leinster Street, alles innerhalb weniger Minuten. Es waren Attentate nordirischer loyalistischer Extremisten aus Ulster, die dem Süden mal zeigen wollten, wie Terrorismus sich anfühlt. Eine vierte Bombe explodierte in Monaghan. Dreiunddreißig Menschen kamen bei den Anschlägen ums Leben, darunter eine junge Mutter, die schwanger war, die gesamte Familie O’Brien und eine Französin, deren Familie den Holocaust überlebt hatte.

An diesem Tag bin ich einem Gemetzel entgangen. Guggis elfjähriger Bruder Andrew Rowen, von allen »Guck Pants Delaney« genannt, hatte nicht so viel Glück. Er und sein Vater Robbie Rowen saßen in ihrem Wagen in der Parnell Street, als die Bombe hochging. Robbie schloss Andrew im Auto ein und lief los, um zu helfen. Durch das Fenster sah Andrew mit Entsetzen die zerfetzten Körper. Jahre später habe ich ihn angerufen, um ihn zu fragen, ob es ihm etwas ausmachte, wenn ich über jenen Tag einen Song schrieb: »Raised by Wolves«. Moment, sagte er, und als er wieder ans Telefon kam, sagte er mir, dass er einen Granatsplitter von der Autobombe in der Hand halte. Er hatte den Splitter vierzig Jahre lang aufgehoben, als Beweisstück für ein Trauma, das ihm einen kleinen Teil seines Lebens geraubt hatte. Seine Worte. Mit fünfzehn wurde in der Zeitung über ihn berichtet, weil er auf einen Mann geschossen hatte, der in den Fahrradladen eingedrungen war, in dem er als Aufpasser jobbte. Mit zwanzig war er heroinsüchtig und lebte als Obdachloser auf den Straßen Londons. Unseren Song »Bad« habe ich über Andrew geschrieben.

 

Der Dalai Lama sagt, man kann über das Leben nur meditieren, indem man über den Tod meditiert. Das klingt nach finsterem Gruftie-Zeugs, aber es hat was. Endlichkeit und Unendlichkeit sind die beiden Pole des menschlichen Lebens. Alles, was wir tun, denken, fühlen, imaginieren, diskutieren, wird bestimmt von der Frage, ob unser Tod das Ende ist oder der Anfang von etwas anderem. Man braucht einen starken Glauben, um keinen Glauben zu haben. Man braucht viel Charakterstärke, um den alten Texten zu widerstehen, die von einem Leben nach dem Tod erzählen.

Als ich vierzehn war, war nichts davon abstrakt.

Eine Traumsequenz im Wachzustand

Am Montag, dem 9. September 1974, bin ich vierzehn Jahre alt. Mein Vater trägt meine Mutter auf den Armen durch eine Menge, die sich teilt wie das Dreieck aus bunten Kugeln, das von einer weißen Billardkugel getroffen wird. Er rennt, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Sie ist neben dem Grab zusammengebrochen, in das gerade der Sarg ihres Vaters hinuntergelassen wurde.

»Iris ist ohnmächtig geworden. Iris ist ohnmächtig geworden.«

Meine Tanten, meine Cousinen. Ihre Stimmen rascheln wie der Wind im Laub. »Es ist nichts. Sie ist nur umgekippt.«

Sie sie sie … Flüstern im Wind … ohn-ohn-ohnmächtig … Irisss isssssst ohnmächtig.

Ehe ich oder sonst irgendjemand auch nur blinzeln kann, hat mein Vater sie auf die Rückbank des Hillman Avenger gelegt, mein Bruder Norman, einundzwanzig, steuert den Fluchtwagen. Aber an diesem Tag gibt es kein Entrinnen.

Ich bleibe mit meinen Cousinen auf dem Friedhof, um unseren Großvater zu verabschieden, dann schlurfen wir zum Haus meiner Großmutter in der Cowper Street 8, wo die winzige Küche wie eine Fabrik Schnittchen, Kekse und Tee produziert. Auf den beiden Etagen des kleinen Hauses mit Außenklo scheinen sich Tausende Menschen zu drängen, die auf wundersame Weise alle zu essen und zu trinken bekommen.

Noch vor drei Tagen hatte mein Großvater an seinem fünfzigsten Hochzeitstag das irische Volkslied »Michael Finnegan« gesungen und dazu getanzt. Er hatte so viel getrunken und gefeiert, dass seine Kinder fürchteten, er könnte in der Nacht aufwachen und es nicht zum Klo schaffen. Sie hatten ihm einen Eimer neben das Bett gestellt. Den hat er nicht mehr gebraucht, und er ist auch nicht wieder aus seinem Bett aufgestanden, sondern in der Nacht nach seinem fünfzigsten Hochzeitstag einem schweren Herzinfarkt erlegen.

Jetzt drängt sich die komplette Familie Rankin – Schwestern, Brüder, Cousinen, Vettern – in dieses kleine Backsteinhaus, und obwohl wir gerade meinen Großvater beerdigt haben, und obwohl Iris umgekippt ist, rennen wir Kinder lachend umher. Bis eine Tür aufgerissen wird. Ruth, die jüngere Schwester meiner Mutter, stürmt mit ihrem Mann Teddy herein, der in Tränen aufgelöst ist. »Iris stirbt, Iris stirbt«, stammelt er. »Sie hatte einen Schlaganfall.«

Onkel Ted kann gar nicht mehr aufhören zu weinen, aber alle wollen Genaueres wissen und bedrängen ihn mit Fragen.

 

Iris ist eins von acht Kindern, die in der Cowper Street 8 groß geworden sind. Sie hat vier Schwestern – Ruth, Stella, Pat, Olive – und drei Brüder: Claude ist der Älteste, dann kommt Alex und dann Jack, der mit Barbara verheiratet ist. Jack und Barbara sind uns von allen am nächsten, mit denen teilen wir uns einen Wohnwagen. Sie stehen dicht zusammen mit Ruth und Teddy. Ich schaue zu Barbara hoch, die mir später die Mutter ersetzen wird, und ich sehe die Last der Trauer. Es ist, als würde die Schwerkraft sich verdoppeln. Barbara kann sich kaum auf den Beinen halten. Ruth, meiner Mutter vom Alter her am nächsten und ihre engste Vertraute, schlüpft in die Rolle ihrer älteren Schwester und versucht, die Situation in die Hand zu nehmen.

All das passiert, ehe jemandem auffällt, dass ich auch da bin, Iris’ Jüngster. Vielleicht sollte ich das alles nicht hören, nicht auf diese Weise, nicht jetzt. Aber ich höre es. Ich bin vierzehn und seltsam ruhig. Ich sage den Geschwistern meiner Mutter, dass alles gut wird. Aber nichts ist gut. Nichts wird wieder gut.

Alles wird anders sein.

 

Drei Tage später werden Norman und ich ins Krankenhaus gebracht, um uns von unserer Mutter zu verabschieden. Sie lebt noch, aber nur so gerade. Der örtliche Pfarrer, Sydney Laing, mit dessen Tochter ich gehe, ist bei ihr. Ruth ist im Korridor vor dem Zimmer und weint. Und Barbara ist da. Und mein Vater, in dessen Augen ich weniger Leben sehe als in denen meiner Mutter. Norman und ich betreten das Zimmer, in dem ein Krieg mit dem Universum tobt, aber Iris wirkt friedlich. Es ist schwer zu begreifen, dass ein großer Teil von ihr schon fort ist. Ich werde daran erinnert, dass der Glaube von der Größe eines Senfsamens Berge versetzen kann. Aber dieser Berg ist die Sterblichkeit meiner Mutter, und er will nicht weichen. Wir halten ihre Hand und verabschieden uns. Ein Klicken ertönt, aber wir hören es nicht. Das Geräusch eines Schalters. Die Maschine, die Iris warm hält, ist abgeschaltet worden. Elektrizität. Ein Leben. Ausgelöscht.

The stars are bright, but do they know

The universe is beautiful but cold.

»Sometimes«, heißt es in dem alten Spiritual, »I feel like a motherless child«. Was macht der Verlust der Mutter mit einem? Hat das Kind das Gefühl, die Mutter hätte es absichtlich verlassen?

Verlassen zu werden ist wahrscheinlich die Wurzel der Paranoia. John Lennon, Paul McCartney, Bob Geldof, John Lydon – viele Rocksänger haben ihre Mutter früh verloren. Das muss etwas zu bedeuten haben. Ein Freund hat mir erzählt, dass es im Hip-Hop ähnlich sei. Bloß werden da die Sänger von ihren Vätern verlassen.

Songzeilen: von Iris zu Ali

Große Drum-Sounds, große Themen, große Gefühle. Ich habe große Musik schon immer geliebt. Songs sind meine Gebete. Ich lebe in meinen Songs, und wenn man in seinen Songs lebt, muss man dafür sorgen, dass da genug Platz ist. Die Größe eines Songs ist wichtig. Dein Gefühlsleben muss da reinpassen, und viele der Gefühle, die ich als junger Mann in der Cedarwood Road 10 nicht zum Ausdruck bringen konnte, sind in die Songs von U2 eingeflossen.

Diese Songs sind zu meinem Zuhause geworden.